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Thema:
eröffnet von Roger_Rabbit am 10.09.05 02:42
letzter Beitrag von SlaveDragon am 24.04.03 23:15

1. Er/Sie oder ich

geschrieben von Roger_Rabbit am 02.04.03 15:51

Liebe Mitleser!

Welche Position sollte der Schreiber einnehmen?
Die des Beobachters/Erzählers oder die des direkt Beteiligten?
2. Re: Er/Sie oder ich

geschrieben von mister am 02.04.03 16:13

Hallo Martin
Ich persönlich schreibe lieber in der Ich Form, weil man sich in die Hauptperson am besten reinversetzten kann
Viele Grüße Michael
Mister
3. Re: Er/Sie oder ich

geschrieben von Why-Not am 03.04.03 03:14

Hallo Roger_Rabbit,

Zitat

Welche Position sollte der Schreiber einnehmen?
Die des Beobachters/Erzählers oder die des direkt Beteiligten?


Ich glaube nicht, daß es eine bessere oder schlechtere Alternative gibt. Als Leser habe ich früher (als Kind) Stories bevorzugt, die in der Ich-Perspektive geschrieben wurden, weil ich mich leichter in sie hineinversetzten konnte. Inzwischen ist mir das als Leser egal.

Als Schreiber habe ich mich für eine Außenperspektive entschieden. Es ist nicht die Perspektive eines Beobachters, da ich durchaus auch die Gefühle und Gedanken meiner Figuren beschreibe, die ein reiner Beobachter nicht sehen würde. Der Grund für meine Entscheidung ist, daß mir das ermöglicht, bei Bedarf "mal schnell" einer anderen Figur "über die Schulter" zu schauen und ich damit auch Zusammenhänge zeigen kann, die der Hauptprotagonist gar nicht kennt.

Aber wie gesagt, aus meiner Sicht gibt es da kein richtig oder falsch, sondern höchstens ein hierfür oder dafür besser geeignet.

Why-Not
4. Re: Er/Sie oder ich

geschrieben von Roger_Rabbit am 03.04.03 10:24

Hi Mister Michael!

> Ich persönlich schreibe lieber in der Ich Form, weil man sich in die Hauptperson am besten reinversetzten kann

Hat nur den Nachteil, daß Du -streng genommen- auch nur aus dieser Sicht berichten darfst. Ein Mischmasch von beiden (Beobachter und Hauptperson) kann mehr vom Umfeld erzählen.

Hi Why-Not!

> Ich glaube nicht, daß es eine bessere oder schlechtere Alternative gibt.

Vielleicht hätte ich mit der Frage mal die lesende Mehrheit ansprechen sollen, welcher Stil ihnen am besten gefällt.

> Als Leser habe ich früher (als Kind) Stories bevorzugt, die in der Ich-Perspektive geschrieben wurden, weil ich mich leichter in sie hineinversetzten konnte.

Als Kind brauchtest Du das ja auch noch. Du mußt ja für das gute Rotkäppchen sein. Aus der Sicht des Wolfes hätte Dir die Geschichte nicht gefallen.

> Inzwischen ist mir das als Leser egal.

Mir gefallen "Ich-Geschichten" neuerdings nicht mehr so. Jeder zweite Satz fängt mit "Ich ..." an. Als Schreiber hast Du ja gar keine andere Wahl.

> Als Schreiber habe ich mich für eine Außenperspektive entschieden.

Hat m.E. auch das größte Potential der Formulierung und der Beschreibung des Umfelds.

> Aber wie gesagt, aus meiner Sicht gibt es da kein richtig oder falsch,

War auch so nicht gemeint von mir. Die Leser sollten mal antworten.
5. Re: Er/Sie oder ich

geschrieben von Nachtigall am 03.04.03 14:14

Hallo Martin,

Zitat

     Die Leser sollten mal antworten.

in Ordnung.

Zitat
    Mir gefallen \"Ich-Geschichten\" neuerdings nicht mehr so.

Das sehe ich genau so. Nicht nur wegen der häufigen Wiederholung des Wörtchens "ich", sondern auch, weil das bei vielen Autoren eine Nähe schafft, die ich schon wieder als aufdringlich empfinde. Es gibt gute Ausnahmen (fällt mir natürlich gerade keine ein, sorry...), aber normalerweise bevorzuge ich die Beobachter-Perspektive, wobei mich "Einblicke" in Gedanken und Gefühle der Protagonisten nicht stören.

Lieben Gruß
Anja



Also, irgendwie hab ich heute Formatierungsprobleme...

(Diese Nachricht wurde am 03.04.03 um 14:14 von Nachtigall geändert.)
6. Re: Er/Sie oder ich

geschrieben von mister am 03.04.03 17:26

Hallo Anja / Martin
Martin / sicherlich has Du  Recht wenn Du Schreibst das der Rahmen in der ich Form eng begrenzt ist. So wie ich es sehe kommt es auch auf den Inhalt einer  Story an  zb ob die Story eine Art
Biographie und Selbstdarstellung ist wie bei meiner Story Hochzeit.

Anja
Hast Du meine Story zu Ende gelesen? Dann teile mir  bitte mit ob ich das Wort ich zu oft benutzt  hatte, jedenfalls versuchte ich es so wenig wie möglich zu benutzen.
was klingt für Dich Überzeugender

Der Schweiß lief ihr den Anzug herunter und die Schweißtropfen brannten iin ihren Augen
oder
der Schweiß lief mir den Anzug herunter und die Schweißtropfen brannten in meinen Augen
Viele Grüße Michael
Mister

(Diese Nachricht wurde am 03.04.03 um 17:26 von mister geändert.)
7. Re: Er/Sie oder ich

geschrieben von Nachtigall am 03.04.03 20:48

Hallo Michael,

Zitat

Hast Du meine Story zu Ende gelesen? Dann teile mir  bitte mit ob ich das Wort ich zu oft benutzt  hatte, jedenfalls versuchte ich es so wenig wie möglich zu benutzen.

nein, ich habe sie nicht ganz bis zum Schluss gelesen. Ich-Erzählungen fesseln mich selten, insbesondere wenn ich mich aufgrund abweichender Neigungen mit den Figuren schlecht identifizieren kann. Dabei geht es MIR nicht so sehr darum, wie oft nun "ich", "mir" oder "mein" auftaucht; das Argument hatte ich von Martin aufgenommen, der das Problem aus der Sicht des Schreibers sah:
Zitat

Mir gefallen \"Ich-Geschichten\" neuerdings nicht mehr so. Jeder zweite Satz fängt mit \"Ich ...\" an. Als Schreiber hast Du ja gar keine andere Wahl.

Darauf hatte ich direkt geantwortet, für mich sei es eben nicht nur das...

Zitat

was klingt für Dich Überzeugender

Der Schweiß lief ihr den Anzug herunter und die Schweißtropfen brannten iin ihren Augen
oder
der Schweiß lief mir den Anzug herunter und die Schweißtropfen brannten in meinen Augen

Mir gefällt Fassung eins besser, wenn überhaupt. Ich stehe nicht auf SM, sondern "nur" auf D/s; wenn ich innerhalb einer Story SM-Szenen lese, dann ziehe ich eine größere Distanz vor, die durch die Ich-Form nicht gegeben ist. Deswegen kann ich mich in gut beschriebenen, intensiven Szenen trotzdem in die Figur hinein versetzen - aber die Entscheidung dazu will ICH treffen.

Liebe Grüße
Anja
8. Re: Er/Sie oder ich

geschrieben von mister am 03.04.03 21:56

Liebe Anja
Jetzt bin ich aber am Boden zerstört *g*. Recht herzlichen Dank für Deine ehrliche Antwort. Aus Deiner Sicht hatte ich das Lesen noch nicht betrachtet, sondern ich lese mehr mit den Augen eines“ Möchte-gern Schreiberlings“ Deshalb finde ich den Austausch mit den Lesern so wichtig, und würde mich freuen wenn sich mehr Leser daran beteiligen, denn es liegt in unser aller Interesse eine gute Story zu schreiben und zu lesen.
Liebe Grüße Michael
Mister
9. Re: Er/Sie oder ich

geschrieben von Why-Not am 03.04.03 21:58

Hallo Martin

Zitat

Aus der Sicht des Wolfes hätte Dir die Geschichte nicht gefallen.


Wie kommst Du denn darauf?

Why-Not
10. Re: Er/Sie oder ich

geschrieben von Roger_Rabbit am 04.04.03 00:25

Hallo Michael!

> ... wie bei meiner Story Hochzeit.

Muß ich ehrlich gesagt erst noch lesen.

> So wie ich es sehe kommt es auch auf den Inhalt einer  Story an zb ob die Story eine Art Biographie und Selbstdarstellung ist.

Aber was bleibt Dir?
Ich...
Mein...

Nun saß ich mit meinem KG da...

> Der Schweiß lief ihr den Anzug herunter und die Schweißtropfen brannten in ihren Augen
> Der Schweiß lief mir den Anzug herunter und die Schweißtropfen brannten in meinen Augen

Gehen wir -streng genommen- Deine Erzählung weiter. Was kann die/derjenige von ihrem/seinem Umfeld noch wahrnehmen, wenn ihre/seine Augen tränen? Was geschieht derweil? Der Leser muß -bei korrekter Erzählung- ahnungslos bleiben!
Umgekehrt kann ein Außenstehender auch das Umfeld sehen.

Ich würde es jedem Schreiberling hoch anrechnen, wenn er von vorne bis hinten aus der Ich-Perspektive schreibt. Aber nahtlos! Kein "über die Schulter anderer sehen" (Why-Nots Worte), kein Seitenblick, keine Erklärung. Alles muß sich ergeben.
Mit einer Maske auf dem Gesicht kannst Du nur mit den Ohren "sehen". Mehr dürfte dann nicht in der Story vorkommen. (nur mal ein Bsp.)
11. Re: Er/Sie oder ich

geschrieben von Mithrandir_dg am 10.04.03 21:10

Hallo zusammen, Hallo Roger Rabbit,

So eng würde ich es nicht sehen, dass eine Geschichte in der Ich-Form stur aus dieser Perspektive geschrieben sein muss. Bei meiner Geschichte „Alexandra“ wechsele ich munter zwischen den Perspektiven hin und her und es hat bisher keinen gestört. Ich experimentiere aber noch immer und sollte ich irgendwann eine neue Geschichte beginnen, werde ich sie wahrscheinlich in der 3. Person schreiben. Ich gebe dir daher Recht, dass die Er/Sie-Form wahrscheinlich die bessere ist; die meisten Bücher sind ja auch so geschrieben und das kommt sicher nicht von ungefähr.

Was ist mit der Du-Form? Um dein Beispiel zu verwenden:
>er Schweiß lief dir den Anzug herunter und die Schweißtropfen brannten in deinen Augen.

Klingt nicht besonders, oder? Pink_Plastik hat aber eine Geschichte in dieser Form veröffentlicht (Frau mit kleinen Fehlern) und das liest sich verdammt gut. Aber er hat sie im Präsens gebracht und das klingt (um bei deinem Beispiel zu blieben) dann so:
>er Schweiß läuft dir den Anzug herunter und die Schweißtropfen brennen in deinen Augen.

Das ist doch schon viel besser. Vielleicht sollten wir diese Diskussion ausweiten. Gefällt euch eine Geschichte die in der Vergangenheit oder in der Gegenwart geschrieben ist besser. Ich persönlich bevorzuge die Vergangenheitsform, habe aber auch schon ein Teilstück im Präsens geschrieben, aber wie gesagt, ich experimentiere noch immer. Und es fällt mir sehr schwer in der Gegenwarts-Form zu schreiben.

Was ist eure Meinung?

Viele Grüße
Mithrandir
12. Re: Er/Sie oder ich

geschrieben von Fabian am 10.04.03 21:54

Hallo,

also die allermeisten fiktionalen Erzählungen (Romane, Novellen, Kurzgeschichten usw.) werden im sogenannten "epischen Präteritum" geschrieben. Das ist einfach Standard. Natürlich gibt es stilistische oder situationsbedingte Ausnahmen!

Das epische Präteritum zeignet sich dadurch aus, dass es formal das Präteritum/Plusquamperfekt verwendet, dass aber der Leser das Empfinden hat, das Geschehen würde im Präsens, also gegenwärtig ablaufen.

Dazu ein berühmtes Beispiel aus einer Kurzgeschichte von Heinrich Böll:
Morgen war Weihnachten, dachte er, und er hatte noch keine Geschenke für seine Frau eingekauft.

Man merkt: Grammatikalisch ist das Zeitadverb "morgen" in Verbindung mit dem Präteritum des Hilfsverbs "sein" eigentlich völlig unmöglich, aber niemand stört sich daran, weil der Leser die personale Erzählperspektive, die zwar in der Vergangenheit angesiedelt ist, aber wie gegenwärtig wirkt, eingenommen hat.

Viele Grüße ....... Fabian
13. Re: Er/Sie oder ich

geschrieben von beitlamed am 24.04.03 11:50

Ich glaube nicht, daß es "bessere" oder "schlechtere" Erzählperspektiven gibt. Jede Geschichte will ihre eigene, manche Figuren wollen
von innen betrachtet sein und manche bevorzugen es, ihr Intimleben für sich zu behalten.

Die Ichperspektive z.B. ergibt
eine ganz klare Beschränkung: Da das "Ich" nicht weiß, was andere denken, und nicht in die Zukunft sehen kann, kann auch die Leserin viele Dinge nicht wissen. Was sich weidlich ausnützen läßt, z.B. bei Krimis oder Horrorgeschichten.

Unter Germanistinnen wird i.A. bevorzugt, wenn
eine Perspektive systematisch durchgehalten wird - Germanistinnenfetisch, aber ich teile ihn. Ich spiele selbst oft damit, aber zumindest sollte ein Perspektivenwechsel irgendwie begründet sein.

Sehr interessant ist übrigens eine Geschichte in "Du". Es tendiert sehr zur Dringlichkeit, zum Stakkato, zur Forderung.

Habe ichs übrigens schon erwähnt? Formale Beschränkungen sind oft in Wahrheit befreiend.
"Nur drei A4-Seiten, nur drei Personen, alle drei kommen einmal in Ich-Form dran", oder sowas.

bl
14. Re: Er/Sie oder ich

geschrieben von SlaveDragon am 24.04.03 23:15

Danke, beitlamed, Du sprichst mir aus der Seele.

Es kann keine beste Erzählform geben, weil das doch dem jeweiligen Autor (oder der Autorin) überlassen bleiben sollte. Da wird eine Idee vermittelt, eine Geschichte. Die Erzählform ist da eher nebenrangig, jeder hat andere Vorstellungen im Kopf, andere Bilder, die mittels Worten vermittelt werden wollen. Jeder hat andere Gewohnheiten, andere Vorbilder, usw.. Schlußendlich muß jeder die persönlich favorisierte Form wählen, mit der Frau/Mann am besten die gearde zu erzählende Geschichte herüberbringen kann.

Alles in allem lese ich die ganze Diskussion eher mit ungläubigem Kopfschütteln, so richtig glaube ich es noch nicht, daß überhaupt jemand glaubt, die Erzählformen gegeneinander bewerten zu müssen - und zu können.

Beste Grüße
slaveDragon


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