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marmas71 Volljährigkeit geprüft
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Mach es wie die Sonnenuhr, zähl die heiteren Stunden nur.

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  RE: Maria Datum:10.02.17 18:06 IP: gespeichert Moderator melden


Hallo Karl,

da komme ich heute mit zwei Überstunden im Gepäck nach hause und du gibst mit mit der Fortsetzung den (geistigen) Lohn für die Überstunden.

Danke für´s posten

Kommt am Wochenende noch ein Teil?


Gruß marmas71

Meine erste Geschichte über Damen mit KG und Gips. Titel : Arbeitslohn
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Rainman
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Großraum Köln-Bonn


Das Leben ist sch...., aber die Graphik ist geil!

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  RE: Maria Datum:11.02.17 00:22 IP: gespeichert Moderator melden


Hallo gag_coll

Meine Güte, da hast du mich ja echt voll auf die falsche Fährte geschickt, obwohl du nichts angedeutet hast.

Schmach und Schande suf dich. ;_)


Aber trotzdem vielen Dank für deine fortsetzung.


MfG Rainman
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gag_coll
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  RE: Maria - Kapitel 14 - Das Katerinenfest - Teil Vier Datum:11.02.17 15:33 IP: gespeichert Moderator melden


Maria
Kapitel 14 - Das Katerinenfest - Teil Vier
Autor: Karl Kollar

( noch Mittwoch, 15. September 1984 )

»Was für ein Albtraum.« Maria ließ sich in den Sessel fallen, der im Flur ihres Hauses stand.

»Allerdings.« Paul stellte die Koffer ab. »Beuge dich mal etwas vor.« Er kniete sich neben den Sessel und begann, Maria die Bluse und danach das Korsett zu öffnen.

»Endlich wieder daheim.« Mrs. Potter betrat mit Oma Selma den Korridor.

»Hoffentlich hält die Reporterin dicht.« Selma war zeigte ihre Sorgen.

»Was konnte sie denn schon groß sehen?« Paul blickte auf. »Sie hat doch nur gesehen, dass Maria keine Arme hatte.«

»Hoffen wir es.« Dass ihr Enkel sich am Flughafen gegenüber der Reporterin verplappert hatte, behielt sie jetzt für sich. Es war besser, wenn Maria das nicht erfuhr. Außerdem hatte sie schon eine Idee, wie sie der Reporterin eine Brücke bauen konnte.

Sie wartete, bis Marias Arme wieder befreit waren, dann bat sie ihren Enkel zu sich. »Ich möchte nach Anna sehen. Verabschiede dich von Maria und dann komm.«

Mrs. Potter lächelte. »Ihr seht euch ja gleich wieder.« Sie erinnerte daran, dass Herr Steinhagen zum Ausgleich für die verkorkste Ankunft zum gemeinsamen Abendessen eingeladen hatte. Selma hatte mit Blick auf ihre Gäste absagen wollen, doch der Sparkassendirektor bestand darauf, dass sie sie einfach mitbringen sollte.

Paul erhob sich etwas verlegen. »Bis gleich«. Er gab Maria noch einen Kuss, dann folgte er seiner Oma.

* * *

Paul war etwas nachdenklich, als er das Haus betrat. Wie sollte er Anna gegenübertreten? Immerhin hatte er ihr bedingt durch die Behandlungen einige Schmerzen zugefügt. Doch das große Vertrauen, welches Anna in ihn gesetzt hatte, bewirkte, dass sein schlechtes Gewissen etwas kleiner wurde.

Trotzdem war er erleichtert, in sein Zimmer zu kommen, ohne dass er den beiden Flüchtlingen begegnete. Erschöpft ließ er sich auf das Bett fallen. Es war so viel passiert in den letzten Wochen. Doch ein Bild drängte sich in seinen Gedanken nach vorn. Es war Maria, die nur mit ihrem alten weißen Monohandschuh bekleidet auf ihm saß und wie sie ihre gemeinsame Lust genossen hatten. Mit diesem Bild vor Augen schlief er ein.

* * *

»Schön, dass ihr gekommen seid.« Selma begrüßte Maria und Mrs. Potter, die gerade vor der Haustür standen. »Paul ist in seinem Zimmer. Magst du ihn wecken?«

Maria lächelte kurz, dann ging sie mit abenteuerlustiger Miene zu der Tür und drückte die Klinke mit ihren im Handschuh gefangenen Armen herunter.

Paul lag auf dem Bett und schlief. Sie hatte sich immer schon gefragt, wie es wohl sein würde, wenn sie ihm nach den drei Wochen Amerika wieder begegnen würde und vor allem, was sie dabei tragen würde.



»Schon so oft gesehen, und doch immer wieder faszinierend, wie selbstverständlich Maria mit ihrem Handschuh umgeht.« Selma hatte Maria hinterher geblickt, bis sich die Tür geschlossen hatte. Doch dann wurde ihr Blick ernst. »Du musst noch etwas zu unseren Gästen wissen.« Sie nahm den Brief von Frederike von der Flurkommode und rechte ihn Mrs. Potter. »Lies ihn dir durch. Ich sehe in der Zwischenzeit nach meinen Gästen. Ich glaube, sie sind auf der Terrasse.«

* * *

»Hallo Anna, schön, dich wieder zusehen.« Maria deutete eine Verbeugung an. »Die Hand kann ich dir leider nicht geben.« Sie lächelte etwas verlegen.

»Maria!« Anna war gerührt. »Ich bin ja so froh, dass ich hier bin, mit Florian.« Sie suchte seinen Blick. Doch dann fiel ihr Blick auf Marias Arme. »Du trägst ja schon wieder den Handschuh. Warum denn das?«

»Sie muss im Training bleiben.« Selma verfolgte ihren gerade ausgetüftelten Plan. »Übernächstes Wochenende ist ja schon das Fest.«

»Ach ja, das Katrinfest oder so.« Anna war etwas verlegen. »Davon hattest du mir erzählt.«

»Es macht mir wirklich nichts aus.« Maria wollte auf die Fragen ebenfalls noch antworten. Doch dann beugte sie sich zu Anna hinüber. »Und außerdem macht es Spaß, die verwunderten Blicke der Leute zu sehen.«

»Was meinst du Anna, wie sehr die Leute schauen werden, wenn jetzt zwei Monohandschuh-Mädchen durch Landsbach spazieren?« Selma hielt Annas Handschuh in der Hand.

Anna war verwundert. Bisher hatte sie den Handschuh im Rahmen ihrer ´Behandlung´ genauso wie die anderen ´Foltergeräte´ betrachtet. Dass sie ihn jetzt quasi in ihrer Freizeit tragen sollte, war für sie mehr als verwunderlich.

Selma hatte insgeheim mit ihrem Zögern gerechnet. »Du weißt, was die Ärzte gesagt haben? Du musst langsam damit aufhören, damit es keine Muskelschäden gibt.«

»Ja schon.« Sie blickte etwas ängstlich zu ihrem Freund. »Florian hat einen Schwur geleistet, dafür zu sorgen, dass mir nie mehr weh getan wird.

»Der Handschuh tut ja auch nicht weh, wenn er richtig angelegt wird.« Maria mischte sich ein. »Glaube mir Anna, es macht einen ganz großen Unterschied, ob der Handschuh vom Personal angelegt wird oder vom einem geliebten Menschen. Es fühlt sich einfach viel schöner an.«

Ohne dass sie sich abgesprochen hatte, war Paul an Florian herangetreten. »Es gibt ein paar Tipps, wie du es ihr leichter machen kannst. Wenn du möchtest, dann zeige ich sie dir.«

Die Blicke aller Anwesenden richteten sich auf Anna, deren Augen noch von Marias Armen im Monohandschuh gefangen waren. Schließlich bemerkte Anna, dass von ihr eine Entscheidung gefragt war. Sie blickte lange zwischen Maria und Paul hin und her und schien nachzudenken.

Es sprach keiner ein Wort.

»Florian?« Annas Stimme war sehr leise. »Ich möchte erleben, wie es ist, wenn du mir den Handschuh anlegst.« Sie senkte ihren Kopf zu Boden.

Unter Pauls Anleitung schaffte es Florian, sich selbst zu überwinden und Annas Wunsch nachzukommen. Beim Hochziehen des Handschuhs musste Paul noch mit anfassen, auch weil Florians Hände sehr zitterten, doch bei der Schnürung der Arme gewann er zunehmend an Sicherheit.

Unauffällig war Selma näher getreten, denn sie rechnete mit einem ganz bestimmten Ereignis und dafür wollte sie vorbereitet sein.

Je weiter Florian mit der Schnürung nach oben kam, desto stärker wurde der Druck auf Annas Arme. Doch statt der üblichen Schmerzen verspürte sie diesmal eine seltsame Erregung. Ihr Atem wurde heftiger und ging bald in ein starkes Keuchen über.

Gerade als Florian abbrechen wollte, weil er das Keuchen hörte, trat Selma an ihn heran und flüsterte ihm kurz etwas ins Ohr.

Florian stutzte einen Moment, dann ließ er die Schnürung los und nahm Anna in den Arm. Schon da spürte er das Zittern in ihrem Körper. Als der Orgasmus durch Annas Körper raste, versanken sie in einen langen Kuss.

* * *

»Danke!« Anna hatte Tränen in den Augen, als sie wieder zu sich kam. »Ich hatte geglaubt, ich würde dieses Gefühl nie mehr erleben.« Doch dann wurde sie auf einmal traurig.

Florian und Selma bemerkten es als erstes. »Anna, was ist denn los?«

»Ihr seid alle so gut zu mir.« Anna schluchzte. »Das kann ich doch nie wieder gut machen.«

Selma erkannte sofort, welche Worte jetzt gefragt waren. »Jetzt seht erst mal zu, dass ihr zusammen euren Weg findet. Ihr werdet eines Tages eine Gelegenheit finden, mit der ihr euch bedanken könnt.« Sie wischte Anna symbolisch ein paar Tränen weg. »Jetzt müssen wir erst mal euren Alltag organisieren.«

»Entschuldigung, aber können wir dann gehen?« Mrs. Potter stand schon an der Tür. »Doris wartet bestimmt schon.«

»Es geht sofort los, ich muss nur noch Leonie holen.« Selma lächelte. »Sie ist bestimmt wieder in ihrem Käfig.«



»Kommst du?« Selma steckte nur kurz den Kopf zur Tür herein. »Wir wollen dann spazieren gehen mit unseren Gästen.«

Leonie war auf einmal hellwach. Dafür würden sie ihr sicher die Ketten abnehmen. Doch dann wurde sie auch etwas wehmütig. War es jetzt schon vorbei? Seufzend folgte sie Selma. Auf der Hälfte der Treppe nach unten hörte sie auf einmal eine vertraute Stimme.

»Wen haben wir denn da?« Maria wunderte sich »Hallo Leonie, lange nicht gesehen.«

Leonie drehte sich verwundert um und erkannte Maria. Sie begrüßte sie ebenfalls.

»Hübsche Ketten trägst du.« Maria lächelte. »Ich glaube, die kenne ich.«

Leonie lächelte etwas verlegen, dann ging sie auf Selma zu und streckte ihr die Hände entgegen.

»Natürlich mit den Ketten.« Selma verzichtete zugunsten Annas auf ihre üblichen Spielchen. »Blicke dich mal um«, fügte sie hinzu, als sie Leonies verwunderten Blick sah.

»Wir üben für das Fest.« Maria zeigte ihre Arme und ermutigte mit einem Blick auch Anna, ihre Arme zu zeigen.

Fast wie in Zeitlupe verwandelte sich Leonies Gesicht von Zweifel und Angst zu Freude und Lust. Nur ein wenig schimmerte noch die Scheu durch vor so einem neuen aufregenden Abenteuer.

»Wir holen als erstes Doris ab, dann haben wir auch zwei Kettenmädchen.« Mrs. Potter öffnete die Haustür und machte eine einladende Handbewegung.

Doch an der Tür blieb Anna noch einmal stehen und blickte etwas schüchtern nach draußen. »Und es ist wirklich völlig normal, dass wir hier mit dem Monohandschuh durch die Straßen gehen?«

»Naja.« Selma lächelte. »Ohne das Katerinenfest wäre es wohl Erregung öffentlichen Ärgernisses.«

»Mit dem Fest glaubt jeder, dass ich noch dafür üben muss.« Maria lächelte verschmitzt. »Aber jetzt lasst uns gehen.« Sie drängte nach draußen.

Paul und Florian hielten ihre Mädchen im Arm, und zwischen ihnen ging Leonie, die ihr Glück immer noch nicht fassen konnte.



»Wenn du nicht gleich ruhig bist, werde ich dich an die Wand ketten.« Theo ließ genervt seine Zeitung sinken, als er sah, dass seine Verlobte schon zum wiederholten Mal zum Fenster ging und hinaus schaute. »Ich weiß ja, dass du dich freust, doch jetzt bleib doch endlich einmal sitzen.«

»Ich bin so aufgeregt.« Doris trippelte zu ihren Sessel und ließ sich hinein fallen. Um sich etwas zu beruhigen, nahm sie das Poliertuch und machte sich an, noch einmal ihre Ketten zu putzen.

Theo verzichtete darauf, sie daran zu erinnern, dass sie ihre Ketten jetzt schon zum vierten Mal putzte. Andererseits konnte er sie auch gut verstehen. Es gab für sie so gut wie nie eine Gelegenheit, bei der sie ihre Ketten einem Dritten zeigen konnte, ohne schief angeschaut zu werden oder sogar Ärger zu bekommen. Das Fest und seine Vorbereitungen waren ein außergewöhnlicher Glücksfall für sie.



»Jetzt kommen sie.« Theos feines Gehör hatte Leonies Ketten schon gehört, bevor sie an der Tür läuteten.

Sofort wollte Doris aufspringen, doch dann erinnerten sie die Ketten daran, dass sie das Sonntagsgeschirr trug, welches ihre Bewegungsfreiheit schon etwas einschränkte. Es war so gestaltet, dass Essen noch einigermaßen würdevoll möglich war, und langsames Gehen erlaubten ihre Fußketten ebenfalls. Etwas mühsam erhob sie sich. An ihrem schweren Halsreif hing schon die Kette, an der Theo sie gleich durch den Ort führen würde. Ein Traum ging in Erfüllung.

Theo öffnete. »Danke für die Einladung. Wir sind fertig.« Dann erblickte er Leonie. »Na, wie kommst du mit den Ketten zurecht?«

Leonie lächelte etwas verlegen. »Ganz gut.«

Selma trat vor und ging auf Doris zu. »Ich hätte eine Bitte.« Sie beugte sich vor und flüsterte ihr etwas ins Ohr.

Doris blickte zunächst etwas verwundert zu Leonie, dann erhellte sich ihre Miene. »Aber gern.«

Nach der Zustimmung von Doris ging Selma noch zu ihrem Verlobten, und auch er gab seine Zustimmung.

Theo trat an Leonie heran und befestigte auch an ihrem Halsband eine Kette. »Dann kommt, meine Kettenmädels, Landsbach wartet.« Er versuchte es sich nicht anmerken zu lassen, doch auch für ihn war es etwas außergewöhnliches, seine Verlobte und ein weiteres Mädchen jeweils an einer Kette durch den Ort zu führen.



Nach einiger Zeit hatte sich Leonie wieder etwas beruhigt. Fasziniert blickte sie auf Doris´ Ketten. »Ich bin mir nicht sicher, aber waren die nicht länger?«

Doris lächelte. »Das ist mein Sonntagsgeschirr.« Sie beschrieb die Eigenschaften der Ketten. »Wenn ich arbeite, sind die Ketten länger, weil ich dann mehr Bewegungsfreiraum brauche.«

Leonie war sichtlich fasziniert.

»Ein Ruhegeschirr habe ich auch noch.« Sie blieb kurz stehen und deutete die ihr dann verbleibenden Kettenlängen an. »Das trage ich immer im Bett, falls er mich nicht anders angekettet hat.«



Anna blickte sehr verwundert auf Doris. Das war jetzt schon das zweite Mädchen, das sie in Ketten erlebte. Und beide Mädchen machten einen äußert glücklichen Eindruck. »Entschuldigung«, fragte sie auf Englisch, »warum sind die Ketten so toll?«

Maria fühlte sich verpflichtet, ein paar erläuternde Erklärungen abzugeben. »Das ist Anna, und sie spricht nur Englisch. Wäre es möglich, auf Englisch weiter zu machen.«

Doris drehte sich zu ihrem Verlobten. »Ich übersetze für dich.« Dann gab sie ihre Zustimmung. »Anna hat gefragt, was an den Ketten so toll ist.« Sie lächelte ihn an. »Ich versuche mal eine Erklärung. Meinem Vater gehört die Schmiede, und ich war schon immer von Eisen fasziniert. Anfangs habe ich mir von den Resten nur Schmuck gebastelt, Halsketten, Armreife und ähnliches. Ich mochte und mag die Schwere und die Kühle des Materials.« Ihre Stimme war sehr schwärmerisch.

»Aber du bist doch gefangen?« Anna hatte das Schicksal, vor dem sie geflohen war, noch deutlich vor Augen.

»Ich liebe es, wenn mir die Ketten meine Bewegungsfreiheit einschränken.« Sie wackelte mit den Armen. »Ich liebe das Geräusch, wenn die Ketten klirren.« Sie gab ihrem Verlobten einen Kuss. »Und natürlich weiß ich, dass er mich befreien würde, wenn ich ihn darum bitte.« Sie blieb stehen und blickte ihn verliebt an. »Das würdest du doch, mich befreien, wenn ich es wünsche?« fügte sie auf Deutsch dazu.

Theo waren die zweifelnden Blicke von Anna nicht entgangen. »So, meinst du?«

Anna hatte die Antwort zwar nicht verstanden, doch sie erkannte, dass die beiden schwer verliebt waren und miteinander spielten. Sie war sich sicher, dass Theo seiner Verlobten nie ernsthaft weh tun würde. Sehnsüchtig blickte sie zu Florian, der ihren verliebten, fragenden Blick beantwortete.



Sie waren schon einige Zeit unterwegs, als sich Florian an Paul wandte. »Ihr habt doch bestimmt einiges Handwerkszeug im Haus?«

Paul bestätigte es. Die kleine Werkstatt war noch vom Opa her bescheiden aber ausreichend gefüllt. »Wofür brauchst du es denn?«

»Ich möchte versuchen Annas Keuschheitsgürtel zu öffnen, der ihr angelegt wurde.« Es war ihm anzumerken, dass ihm das Thema unangenehm war.

»Du willst ihn kaputtmachen?« Paul war sich nicht sicher, ob er Annas Mann richtig verstanden hatte.

»Wie soll ich sie denn sonst da heraus bekommen?« Seine Stimme zeigte, wie sehr er die Maßnahmen von Annas Familie verabscheute.

»Wir könnten versuchen, ihn normal zu öffnen. Ich weiß mittlerweile, dass meine Oma und Marias Erzieherin da durchaus einige Talente haben und vor allem eine große Schlüsselsammlung besitzen.« Paul drehte sich kurz um und wartete, bis seine Oma und Mrs. Potter näher gekommen waren, dann trug er das Anliegen vor.

»Den kriegen wir schon auf.« Selma und Dorothea lächelten sich an.

»Du solltest ihn aber weiter tragen, zumindest, solange du mit dem Handschuh unterwegs bist.« Selma sprach bewusst liebevoll.

»Warum sollte sie das tun?« Florian runzelte die Stirn.

Selma drehte sich um. »Maria, warum trägst du deinen Gürtel?«

»Er gibt mir Sicherheit, weil ich weiß, dass mir nichts passieren kann, solange ich so hilflos bin.« Sie wackelte etwas mit den Armen, um ihre Worte zu unterstreichen.

»Aber damit wäre ich doch schon wieder gefangen.« Annas Stimme klang zwar nicht verzweifelt, doch gefallen wollte ihr der Gedanke auch nicht.

»Naja, es kommt darauf an, wer den Schlüssel hat.« Maria grinste bis zu den Ohren.

Anna erkannte, was sie damit sagen wollte, doch sie wollte es noch direkter hören. »Paul hat deinen Schlüssel?«

»Den Schlüssel und die Fernbedienung.« Letzteres sagte sie etwas leiser. Sie trat näher an Anna heran und flüsterte ihr etwas ins Ohr.

»Aber damit wäre der Gürtel doch eher ein Freudengürtel?« Anna war verwundert. »Damit wird er doch quasi umgedreht.«

»Das ist aber genau der Grund, warum du deinen jetzigen Gürtel nicht zerstören solltest, auch wenn er dich sehr an die Vergangenheit erinnert.« Selma ahnte, dass es in Anna arbeitete. »Wie lange trägst du ihn schon, Maria?« Sie blickte Pauls Freundin an.

»Oh, schon Ewigkeiten.« Maria lächelte. »Anfangs hatte ich nur die Verpflichtung, ihn draußen zu tragen. Im Haus hätte ich ihn jederzeit ablegen dürfen.« Sie stutzte einen Moment und drehte sich zu ihrer Erzieherin. »Das ist doch richtig, oder?«

»Ich hatte die Anweisung, ihn dir im Haus abzunehmen, wenn du danach verlangen würdest.« Dorothea schmunzelte. »Aber du hast nie gefragt.«

»Ohne Paul hat er ja auch nicht gestört.« Sie grinste etwas.

»Und jetzt ist er dein Schlüsselherr.« Selma schmunzelte. »Es gibt im Deutschen ein Sprichwort. ´Den Bock zum Gärtner machen.´«

Großes Gelächter war die Antwort. Nur Anna war etwas nachdenklich. »Du lässt dich von ihm in Eisen legen, und ihr seid trotzdem verliebt?«

»Nicht nur das...« Sie trat auf Anna zu und flüsterte ihr etwas ins Ohr.

Anna wurde für einen kurzen Moment rot.

»Der Gürtel schützt mich, wenn ich den Handschuh trage.« Maria hoffte, das zu sagen, was für Anna wichtig war. »Er gibt mir vor allem Sicherheit.«

Anna blickte lange zu Florian. »Da muss ich erst einmal darüber nachdenken.«

»Es wird dich keiner zu etwas zwingen.« Selma blickte Anna liebevoll an »Wir erklären dir nur, warum Maria ihren Gürtel trägt.« Sie spürte, dass Anna jetzt Zeit zum Nachdenken gebrauchen.

* * *

»Ich würde gern einen Abstecher zur Zeitung machen. Ich möchte noch einmal kurz mit Andrea reden.« Selma wollte vermeiden, dass Maria von Pauls unabsichtlichen Versprecher erfuhr. Sie ahnte, dass er in der Aufregung selbst gar nicht realisiert hatte, was er getan hatte. »Wartet hier auf mich, es wird sicher nicht lange dauern.«



In der Redaktion waren nur wenige Personen anwesend, und Selma sah Andrea an einem Schreibtisch sitzen. Sie räusperte sich. »Frau Baseling?«

»Frau Mohr?« Andrea stand auf. »Was können wir für sie tun?«

»Gibt es hier einen Raum, wo wir uns ungestört unterhalten können?« Selma blickte sich kurz um.

»Wir können in unser kleines Besprechungszimmer gehen.« Andrea zeigte kurz auf eine Tür.



»Was kann ich also für sie tun?« Andrea versuchte ihre Nervosität zu verbergen.

»Wir sind ihnen zu großem Dank verpflichtet. Ohne sie würde Maria vermutlich noch auf der Wache sein.« Selma holte tief Luft. »Ich hätte aber trotzdem eine große Bitte, weil es für uns sehr wichtig ist.«

»Und zwar?« Andrea war um gut Wetter bemüht.

»Sie werden sicher über Marias Ankunft in München berichten.« Sie wartete Andreas Bestätigung ab. »Ich will mich natürlich nicht in ihre Arbeit einmischen, aber ich möchte sie bitten, Marias besondere Armhaltung noch nicht zu erwähnen.«

Andrea spürte, dass sie eine Option zum Handeln hatte. »Nur unter einer Bedingung.«

»Und die wäre?« Selma war eigentlich nicht auf eine Verhandlung eingestellt.

»Ich möchte gern sehen, über was ich nicht berichten darf.« Sie holte tief Luft. »Ich würde Marias besondere Armhaltung gern einmal sehen.«

»Prinzipiell wäre das möglich.« Selma hatte eine Idee. »Könnten wir das gleich morgen beim Interview machen?«

»Sehr gern.« Andrea war erleichtert. »Ich möchte nicht unhöflich sein, aber ich muss jetzt weiter arbeiten.« Vor allem musste sie in ihrem Artikel noch einen ganz bestimmten Satz streichen, bevor sie ihn in den Druck geben konnte, doch das wollte sie nicht zugeben.

»Ich hätte aber noch ein Anliegen.« Selma war es ein wenig unangenehm.

»Ich brauche zehn Minuten, dann bin ich wieder da.« Andrea wollte sich keine Blöße geben.

»Gern.« Selma stand auf. »Ich sage nur draußen Bescheid, dass es länger dauert.«



Die Anderen warteten noch vor der Redaktion, als Selma kurz vor die Tür kam. »Es dauert doch länger.« Sie blickte in die Gesichter und kam ins Grübeln. Gemessen an dem, was sie bisher über Annas Vorgeschichte wusste, war es wohl doch besser, sie zuerst zu fragen. »Anna, kommst du bitte mal.«

Zusammen gingen sie wieder in das kleine Besprechungszimmer. »Wenn du möchtest, dann werde ich jetzt die Reporterin fragen, ob sie etwas Arbeit für dich hätte. Möchtest du?«

Es war gut zu sehen, dass es in Anna arbeitete.

»Leonie glaubt, dass du dich bei uns im Haus auch gefangen fühlst.« Sie wartete die Antwort nicht ab, denn sie wusste, dass Anna es nie zugeben würde. »Hier in der Zeitung könntest du etwas Alltagsluft schnuppern.«

»Ich spreche aber kein Deutsch.« Anna war etwas entmutigt.

Selma brauchte nur zwei Worte, um Annas Ehrgeiz zu wecken. »Noch nicht.«



Andrea betrat den Raum. Sie war etwas erstaunt, als sie Anna mit dem Handschuh dort sitzen sah.

»Das ist Anna Bauer.« Selma stellte sie vor. »Sie ist bei uns zu Besuch und sucht eine Beschäftigung. Könnten sie eine Assistentin gebrauchen? Sie spricht bisher allerdings nur Englisch.« Sie nahm den Brief von Frederike zur Hand und las einige Stellen vor.

Andrea zögerte. »Das muss mein Chef entscheiden.«

»Für das Fest ist ja sicher noch viel zu tun.« Selma hatte auf einmal eine Idee. »Anna könnte ihnen bestimmt zur Hand gehen.«

»Was könnte ich denn tun?« Annas Stimme zeigte, dass sie von der Aussicht, arbeiten zu können durchaus angetan war.

»Ein paar Botengänge, für die Redaktion Essen holen, ...« Andrea hatte keine Ahnung, welches Wissen sie bei Anna voraussetzen konnte; sie zählte einfach die eher unangenehmen Aufgaben auf.

»Ich musste noch nie arbeiten.« Annas Stimme war in diesem Moment sehr nachdenklich.

»Da ist mein Chef.« Andrea stand auf. »Ich hole ihn kurz dazu.«



»Das ist Anna Bauer, sie spricht aber nur Englisch.« Andrea betrat wieder das Zimmer und hatte ihren Chef im Schlepptau. »Ich könnte eine Assistentin wirklich gut gebrauchen.«

»Mehr als ein Taschengeld können wir aber nicht zahlen.« Der Chef war von dem Anliegen nicht begeistert, aber er wollte auch nicht absagen, dass war ihm deutlich anzumerken.

»Frau Bauer kann auch nur vier Stunden pro Tag arbeiten, sie bekommt auch noch Deutschunterricht.« Selma hatte das Gefühl, sich in die Diskussion einmischen zu dürfen.

»Außerdem schadet es meinen Mitarbeitern bestimmt nicht, wenn sie etwas Englisch reden müssen.« Er lächelte ein wenig.

»Sie wären einverstanden?« Andrea war sich bei den Reaktionen ihres Chefs nie so ganz sicher.

Der Chef gab Anna die Hand. »Morgen früh um Acht ist die Besprechung fürs die Wochenendausgabe. Ich würde mich freuen, sie dabei begrüßen zu dürfen.« Er drehte sich zur Tür. »Sie müssen entschuldigen, aber ich habe viel zu tun.«

Andrea verdrehte ein wenig die Augen, doch dann hatte sie sich wieder unter Kontrolle. »Das wäre geschafft.«

»Ich danke ihnen.« Selma stand ebenfalls auf, dann drehte sie sich zu Anna. »Morgen hast du deinen ersten Arbeitstag bei der Zeitung. Andrea wird sich um dich kümmern.«

Anna wusste zunächst nicht, was sie sagen sollte, doch tief im Inneren fühlte sie, dass es eine erste Gelegenheit war, sich erkenntlich zu zeigen. Außerdem hatte Leonie recht gehabt, in dem Haus fühlte sie sich immer noch wie eine Gefangene.

* * *

Nachdem sie ihren Spaziergang für eine Weile fortgesetzt hatten, hielt auf einmal eine schwarze Limousine neben ihnen. Herr Steinhagen stieg aus.

»Ah, hier sind sie.« Er blickte sich um. »Ich hatte sie heute zum Essen eingeladen, als Entschädigung für die verkorkste Ankunft. Doch mir ist etwas dazwischen gekommen. Wäre es möglich, dass wir es vorziehen?«

Erst jetzt entdeckte er die Ketten, die sowohl Doris als auch Leonie trugen. »Sie sind auch eingeladen.« Er verbeugte sich symbolisch vor Theo und Doris. »Ich wollte mich schon länger für ihre gute Arbeit bedanken.«

Selma fand als erste ihre Worte wieder. »Wir danken für die Einladung.« Sie blickte zu Mrs. Potter. »Wo findet das Essen statt?«

»Ich habe in der goldenen Traube einen Tisch reserviert.« Er blickte auf die Uhr. »Für jetzt?« Er war ein wenig verlegen.

»Meinen sie, wir sollten so wie wir sind..?« Selma sprach nicht weiter.

»Das wäre mein Wunsch.« Herr Steinhagen blickte fast etwas verliebt auf die Mädchen, die etwas verlegen versuchten, ihre Fesseln zu verbergen, soweit das überhaupt möglich war.

»Mit den Ketten und den Handschuhen?« Selma wiederholte ihre Frage jetzt etwas deutlicher. »In die goldene Traube?« Aus ihrer Betonung war zu entnehmen, dass sie den Gedanken, mit den Ketten und Monohandschuhen in das einzige Sterne-Restaurant der Stadt zu gehen, sehr befremdlich fand.

Der Sparkassendirektor nahm Selma beiseite und sprach leise weiter. »Ich möchte einfach mal wissen, wie viel Macht ich hier in der Stadt wirklich habe.« Seine Stimme war leicht grimmig. »Außerdem ist mir der Besitzer noch einen Gefallen schuldig.«



»Wir sind eingeladen?« Leonie preschte wie üblich vor. »So wie wir sind?« Ihre Stimme zeigte viel ihre Verwunderung.

»So hat er es gesagt.« Selma selbst war auch verwundert. »Und unser Tisch sei auch schon reserviert, sagte er.«

»Dann sollten wir gehen.« Theo legte den Arm um seine Doris. Er schien zu wissen, wieviel dies seiner Verlobten bedeutete.



Herr Steinhagen wartete schon vor dem Eingang des Restaurants. Es konnte sich zwar nicht mit den Nobelrestaurants der Hauptstadt messen, doch hier war es das erste Haus am Platz. »Ich freue mich, dass sie meiner Einladung gefolgt sind.«

»Wir danken nochmals für die Einladung.« Selma sprach für alle.

»Ich hoffe, damit kann ich den unrühmlichen Empfang von heute ein klein wenig wieder gut machen.« Er machte eine einladende Handbewegung.

Doris zitterte am ganzen Körper. Schon die ganze Zeit während des Spaziergangs über war sie sehr aufgeregt, weil sie ihre Ketten zeigen durfte. Jeder konnte jeder, der es erkennen wollte sehen, dass sie Theo gehörte und dass sie seine Eisen trug.

Anfangs hatte sie noch verschämt nach unten gesehen, weil sie glaubte, sich der Ketten schämen zu müssen, doch mit jedem Schritt wuchs ihre Selbstsicherheit. Es hing aber wohl auch mit Leonie zusammen, die ebenfalls von Theo an der Kette gezogen wurde, und diese hatte mit der plötzlichen Öffentlichkeit überhaupt keine Probleme.

Doch jetzt sollte sie auch noch das Restaurant betreten, vor dessen Preisliste Doris sich sonst immer die Nase platt gedrückt hatte. Dieses teure Restaurant hätten sie sich nie leisten können. Und jetzt waren sie nicht nur dorthin eingeladen, sie sollten es auch mit ihren Ketten betreten dürfen. Doris glaubte zu träumen.

»Mit diesen Ketten dürfen sie aber nicht hier herein.« Der noch recht junge Ober hielt die Mädchen auf, als sie hinter dem Sparkassendirektor das Lokal betraten.

»Sie sind neu hier?« Der Direktor gab sich unbeeindruckt. »Bitte sagen sie dem Chef, dass Herr Steinhagen auf seine Reservierung wartet.«



Gleich darauf kam der Ober in Begleitung seines Chefs zurück. »Rudolf, schön dich zu sehen.« Er umarmte den Direktor zur Begrüßung kurz. »Kommt herein, ich habe für euch den großen Tisch am Fenster vorbereitet.« Dann drehte er sich zu seinem Angestellten. »Das ist Herr Steinhagen mit seinen Gästen.«

Der Ober gab sich kleinlaut. »Aber die Ketten und diese Armsäcke?«

»Wenn Herr Steinhagen Gäste mitbringt, sind sie willkommen.« Es war dem Chef anzusehen, dass er seinem Angestellten noch mehr gesagt hätte, wenn sie allein gewesen wären. »Und helfen sie bitte den Damen beim Hinsetzen.«

»Ich glaube, ich träume.« Doris sprach aus, was alle dachten.

»Wenn die bezaubernde Maria ihre Freundinnen mitbringt, sind diese ebenfalls herzlich willkommen.« Er zwinkerte kurz. »Und natürlich sind sie alle sehr ehrgeizig und möchten bei jeder sich bietenden Gelegenheit für das Fest üben.«



Nachdem alle Platz genommen hatte, kam der junge Ober zurück an den Tisch. »Ich möchte mich in aller Form bei ihnen entschuldigen. Ich bin neu hier.«

»Es ist in Ordnung.« Herr Steinhagen lehnte sich zurück.

»Was möchten sie trinken?« Der Ober zückte seinen Block.



Maria fiel auf, dass einige Leute an den Nachbartischen zunächst etwas verwundert auf ihren Tisch schauten. Doch ab und zu machte der Chef in seinem Lokal die Runde und sprach kurz mit den Gästen. Gleich darauf hörten die Blicke auf.

Maria war sichtlich beeindruckt. Der Sparkassendirektor schien doch einen gewissen Einfluss im Ort zu haben.



Nach der Vorspeise wurden sie noch mal gestört. Der Polizeichef persönlich trat an den Tisch und entschuldigte sich noch einmal bei Maria und Paul für die überzogene Aktion seines Beamten. »Sie verstehen sicher, dass wir auch unsere Arbeit machen müssen.«

Mrs. Potter ahnte, dass noch etwas kommen würde. »Sie wünschen?«

»Wir benötigen von Maria und Paul noch eine Zeugenaussage.« Er war sichtlich verlegen. »Ich schicke morgen zwei Beamte bei ihnen vorbei, sie müssen nicht auf die Wache kommen.« Er war sichtlich bemüht, keinen neuen Ärger zu verursachen. »Wann würde es denn passen?«

Mrs. Potter schien Marias Termine im Kopf zu haben. Sie nannte eine Uhrzeit. »Wird es lange dauern?«

»Ich denke nicht.« Der Polizeichef bedankte sich. »Und jetzt lassen sie es sich weiter schmecken.«



Es war schon dunkel, als sie das Restaurant verließen. Die Nacht war warm.

»Es ist wie ein Traum.« Doris schmiegte sich in Theos Arme.

»Genieße es« Theo ahnte, dass sich so ein Abend so bald nicht wiederholen würde. Doch durch das Fest hatte jeder Verständnis dafür, wenn die Mädchen so fleißig für ihre Rolle übten.

Zum Essen hatte Anna sich ihren Handschuh von Florian abnehmen lassen, jetzt trug sie ihn wieder, nach dem sie ihrem Freund versichert hatte, dass es ihr wirklich nichts ausmachte.

Auch Leonie hatte den Abend mehr als genossen, seid sie wusste, für welchen Zweck sie die Ketten trug und welche Zukunft auf sie wartete.

Maria hatte sich nach dem Essen ihren Handschuh ebenfalls gleich wieder anlegen lassen, sie genoss es sehr, in solch einer Umgebung ihre ´Pflicht´ zu tun.



Florian schloss die Wohnungstür und führte Anna ins Wohnzimmer.

»Das war schön!« Anna hatte es zum ersten Mal geschafft, ihre Vergangenheit komplett hinter sich zu lassen und ihre neuen Gefühle in der Freiheit zu genießen. »Jetzt kannst du mir den Handschuh abnehmen.« Sie lächelte zu Florian.

»Ich dachte schon, du fragst gar nicht mehr.« Florian machte sich daran, die Riemen zu öffnen. »Du scheinst das ja wirklich zu mögen.«

»So ganz ohne Zwang hat es etwas Erotisches«, schwärmte Anna. »Ich fühlte mich sehr geborgen, wenn du bei mir bist.«

»Das hört sich an, als wolltest du den Handschuh jetzt wohl häufiger tragen« Florian zog das Leder herunter und legte es zusammen.

»Naja, häufiger als früher geht ja wohl schlecht.« Anna seufzte. »Und wenn das Fest vorbei ist, wird es nicht mehr so einfach möglich sein, den Handschuh draußen zu tragen.«

»Du hast dir darüber schon Gedanken gemacht?« Florian war verwundert.

»Hey!« Anna stupste ihren Mann an. »Du sagst doch immer, dass ich nach vorn denken soll.«

»Das Haus bleibt uns ja auch noch.« Florian zog seine Frau zu sich heran. »Und wir haben mittlerweile einige Freunde, die ähnlich denken.«

Gemeinsam versanken sie in einen langen Kuss.



Selma wusste, dass sie noch etwas tun musste. Sie ging zu Leonies Zimmer und klopfte an die Tür. »Leonie, bist du noch wach?«

»Kommen sie herein«, war von Leonie zu hören.

Selma öffnete die Tür und trat ein.

Leonie stand am Fenster und blickte verträumt in die Nacht hinaus. »Schade, dass es jetzt vorbei ist.«

»Bist du mir böse, dass ich dich so hinters Licht geführt habe?« Selma versuchte, die wahren Gedanken ihres Schützlings zu erfahren.

»Nein, überhaupt nicht.« Leonie drehte sich langsam um. »Es war wie ein Traum. Etwas, das ich mir schon immer gewünscht hatte.«

»Was hällst du davon, wenn wir ab morgen noch etwas strenger machen?« Selma versuchte Leonie ihre Idee schmackhaft zu machen. Außerdem reizte es sie, seid langem mal wieder ein Mädchen auf diese Weise zu konditionieren.

»Wie meinen sie das?« Es war Leonie anzusehen, dass sie nicht wusste, was kommen würde.

»Wir verkürzen deine Ketten, so dass du weniger Bewegungsfreiraum hast.« Selmas Stimme hatte etwas Schwärmerisches, ohne das sie es wollte. »Und wir bringen noch etwas mehr Ketten an dir an.«

Leonie blickte kurz an sich herunter, doch zu einer Antwort war sie nicht fähig.

»Meinst du nicht, dass du auch dann noch ausreichend Bewegungsfreiraum hast, wenn kurze Ketten deine Ellenbogen und Knie zusammen halten.« Sie zeigte mit den Fingern eine Strecke von vielleicht zehn Zentimetern.

Leonie nahm unwillkürlich die Haltung ein, die ihr mit den Ketten vermutlich aufgezwungen werden würde. Doch sie blickte Selma zunächst zweifelnd an. »So etwa?«

»Denke darüber nach.« Selma wusste, auf welchen Registern sie spielen musste. Es war wichtig für Leonie, dass sich ihre Gedanken mit der Zukunft beschäftigt waren und nicht mit der Vergangenheit. »Ich erwarte morgen früh deine Entscheidung.« Sie verließ das Zimmer, nachdem sie ihr eine gute Nacht gewünscht hatte.

Selma lächelte. Leonie würde noch lange über die Entscheidung grübeln, die vor ihr lag.
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Machtdom
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  RE: Maria Datum:11.02.17 16:12 IP: gespeichert Moderator melden


Danke für die, wieder wunderbar gelungene, neue Fortsetzung.
Ich freue mich schon auf die Nächste.

Gruß Machtdom
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Schule für Sklavinnen
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Rainman
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  RE: Maria Datum:12.02.17 02:25 IP: gespeichert Moderator melden


Hallo cag_coll.

Vielen Dank für deine Mühe. Wieder mal ein hervorragender Teil.

Aber der Baron dreht ja wohl langsam am Rad! Wie kann der nur seine Haupdarstellerin bei der Polizei so anschwärzen. Hoffentlich fängt er mit solchen Sachen an sein eigenes Grab zu schaufeln.

Aber noch was anderes. Die Hütte oben auf den Bergen wird jetzt wohl wegen überfüllung geschlossen werden müßen. Oder die bauen an.

MfG Rainman
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marmas71 Volljährigkeit geprüft
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Mach es wie die Sonnenuhr, zähl die heiteren Stunden nur.

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  RE: Maria Datum:12.02.17 09:18 IP: gespeichert Moderator melden


Hallo gag_coll,

danke für´s schreiben.

Die Vitamine der B Form werden ja ganz schön beansprucht......

Freue mich schon auf den nächsten Teil

Schönen sonnigen Sonntag

Gruß marmas71
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M.J.
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  RE: Maria Datum:12.02.17 12:02 IP: gespeichert Moderator melden


Gratuliere gag_coll!

Es geht so weiter, wie ich es mir in meinen kühnsten Gedankenspielen nicht vorgestellt habe! Und ich grübelte mehr als einmal darüber nach! Zeit genug zum Grübeln war ja. Soooo lange, wie der Lese-Nachschub gebraucht hat! Aber das Warten hat sich wirklich gelohnt!

Danke für die Mühe und viele Arbeit, die so eine Story macht!

Meine Bestleistung war bisher mit 6 Pets (3 Ponies, 2 Doggies+1 Drachen) zusammen zu Fuß einen längeren Fußmarsch zu einer Fetish-Party. Jeweils in vollem Ornat ließen sie sich von mir an der Leine führen. Ponies mit auf dem Rücken gefesselten Händen, Doggies zunächst mit vorne gefesselten Händen. Zwischenstation ein sehr beliebtes Cafe. Alle Gespräche verstummten, als ich mit meinen Pets das Cafe betrat. Die hatten alle ordentlich zu gucken und ihnen fielen fast die Gläser bzw. das Essen aus der Hand. Eine sehr unterhaltsame Runde und wir hatten viel Spaß.
Die Kellnerin war innerhalb von Sekunden da, als einer der Doggies laut "Wuffff!!!!" bellte. Wir bestellten. Und als die Bedienung mit den gewünschten Getränken und Speisen wieder erschien, fragte sie, wer was bekommt. Und immer wenn sie es an den richtigen Platz stellte, wieherte eins der Ponies bestätigend. Und ich kam aus dem Breitest-Grinsen gar nicht mehr raus.
Als wir aufbrachen, kleine Verschärfung: Nun mussten die Doggies und der Drachen auf allen Vieren die letzten 300 m bis zur Party-Location laufen. Es war ein Genuss, die Gäste im Cafe zu beobachten. Und noch vielmehr die zahlreichen Passanten auf dem Mehringdamm und in der Bergmannstr. (Berlin-Kreuzberg). Aber auch am Eingang der Fetish-Party große Augen. Sowas hatten sie bis dahin wohl auch noch nie gesehen. Es war ein genialer Tag und Abend. Zog sich bis in den frühen Morgen. Und das allerschönste: An der Leine folgten mir auch wieder alle brav in meine Wohnung!
Ja, sowas erlebt man wohl nur einmal im Leben, bzw. die Wiederholung kann nur schlechter werden.

Aber auch mit zwei Mädels an der Leine, die in Ketten gelegt, Monohandschuhe tragen oder gar Reverse-Prayer mittels dekorativen Stahlfesseln, macht das bestimmt viel Laune.
Je lockerer man sowas durchzieht, desto weniger Probleme macht das auch dem (unfreiwilligen) Publikum.

An deiner Stelle würde ich das ein wenig mehr ausschlachten, was die Reaktion der anderen Leute angeht, denn die sind sehr vielfältig und beschreibenswert. Und wir sind unendlich neugierig darauf!

Ich bin sehr, sehr, sehr gespannt darauf, was Du dir hast einfallen lassen!

Weiter so!

Und mehr!

Viel mehr!
Seit über 32 Jahren SM und Faible für ungewöhnliche Klamotten.Neben Dom bin ich nun auch Sub und Pet, gehöre TexasTasha.Das Leben ist zu kurz, um graue Maus zu sein und die verschiedenen Graustufen auszuleben.Ich mag es bunt, queer, trubelig und nach vorn gerichtet.Lasse mich in keine Schublade quetschen.
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Wölchen Volljährigkeit geprüft
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  RE: Maria Datum:12.02.17 22:10 IP: gespeichert Moderator melden


Zu erst mal gag_coll.

WAHNSINN!!!!!!!!!!!!


Habe die letzten beiden Teile gelsen.Sie waren toll geschrieben.Bin echt gespannt wie es weiter geht.Aber sag mal ist es nicht etwas gefährlich Anna und Florian so frei rum laufen zu lassen.Was ist wenn ihre Familie dort nach schaun läßt und sie entdeckt.Vor allen wenn auf grund der modernen Medien und Komunikationsmittel die Bilder schnell dir Runde machen.Denn es dürften sicher einige Fotos gemacht worden sein.

Abder davon mal abgesehen,mal schaun wie es weiter geht.Der Versuch des Barons die Schuld auf Maria ab zu schieben ist auf den ersten Gedanken clever.Aber wenn die Polizisten keine Idioten sind,werden sie die Löscher schon finden und wenn es gar einen cleveren unter ihnen gibt,wird er vermuten das da so einiges faul ist und es nach gehen.Aber lassen wir uns überraschen.Zu mindestens ist er ein ziehmliches Arschloch.

Mal schaun wie es mit Leonie weiter geht.

Also dan bis zum nästen Teil.

mfg Wölchen


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marmas71 Volljährigkeit geprüft
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  RE: Maria Datum:12.02.17 22:21 IP: gespeichert Moderator melden


Hallo Wölchen,

im September 1984 waren die neuen Medien noch nicht so schnell.

Gruß marmas71
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M.J.
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  RE: Maria Datum:12.02.17 23:07 IP: gespeichert Moderator melden


Was ich bei der Story "Maria" so sensationell finde:Im realen Leben hat man Erlebnisse in einem eng begrenzten Zeitraum. Vielleicht im Maximum ein Wochenende lang oder so.

Bei Maria selbst ist ja praktisch das ganze Leben eine ganze Session. Ohne Ende.

Das lässt mein Kopfkino galoppieren.

Mein reales Leben gefällt mir richtig gut. Habe ich selbst doch schon ne ziemliche Menge Dinge im Fetisch-, Bondage,- SM- und Petplay-Bereich selbst angestellt und erlebt.

Aber einen solchen Dauerzustand wie Maria und Konsorten, den habe selbst ich nicht erlebt.

Hinter den Kulissen war alles ganz profan, normal und spießig. Top-Dominas, auch sehr bekannte. Toll in ihrem Job. Aber irgendwann ist Feierabend. Und dann?

Nicht weiter erwähnenswert.....

Dagegen hier die Geschichte: In der Sache ja nicht extrem. Das lässt sich alles trainieren. Sieht in der Realität evtl. nicht so ideal aus wie auf Zeichnungen oder bearbeiteten Bildern.

Die Wirkung kommt aber erst durch das permanente Vorhandensein des Fetisch-Auslebens. Das hat eine enorme emotionale Tiefenwirkung. Zuviel für die allermeisten Menschen.

Aber es gibt immer wieder Einzelfälle.

Und von denen träume ich, wenn ich "Maria" lese. Immerhin habe ich ähnliche Abenteuer selbst erlebt bzw. auf die Beine gestellt. Das mit dem Restaurant geht recht problemlos. Ob in einem Provinz-Kaff? Sicherlich nicht ohne vorherige Absprache. Aber Gastronomen sind für Vieles offen.

In der heutigen Zeit, also 2017 wären alle Protagonisten um "Maria" herum schon längst wegen Misshandlung verhaftet worden. Deshalb das nach 1984 versetzen. 1984? Da war doch noch was?
Nein, zu George Orwell passt die Story wirklich nicht. Aber 1984 waren solche Sachen eher möglich als heute. Weil sie niemand auf dem (Bild-)Schirm hatte. Weil solche Leute wie eine Fata-Morgana irgendwo auftauchten und wieder verschwanden. Und heute gibt es über so etwas Zigtausende Bilder. Überall per Smartphone abrufbar. Auch für die Moralapostel.

Sehr sehr gespannt auf die weiteren Teile!

Ich genieße!!!!!

M.J.


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gag_coll
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  RE: Maria - Kapitel 14 - Das Katerinenfest - Teil Fünf Datum:15.02.17 05:37 IP: gespeichert Moderator melden


Maria
Kapitel 14 - Das Katerinenfest - Teil Fünf
Autor: Karl Kollar

Donnerstag, 16 September 1984

»Guten Morgen, Leonie.« Selma begrüßte ihren Schützling, der schon früh aufgestanden war. »Du konntest wohl nicht mehr schlafen?«

»Guten Morgen, Frau Mohr.« Leonie hatte es schon lange aufgegeben, Selmas hellseherische Fähigkeiten zu hinterfragen. »Ja, ich hatte wilde Träume.«

»Jetzt frühstücken wir erst einmal.« Selma lächelte. »Und dann haben wir etwas zu besprechen.« Sie sah kurz auf die Kommode, auf der sie schon etwas vorbereitet hatte.

Leonie versuchte sich nichts anmerken zu lassen, während sie ihr Frühstück genoss, doch die so demonstrativ auf der Kommode bereitgelegten Ketten und Lederriemen konnte sie nicht ignorieren. Sie zwang sich zu Ruhe, obwohl es wild in ihr tobte.



»Nun, hast du dich entschieden?«, fragte Selma, nachdem Leonie ihr Besteck beiseite gelegt hatte.

»Sie verlangen immer Entscheidungen von mir und sagen mir erst hinterher, welches die Konsequenzen sind.« Leonie hatte sich lange überlegt, was sie sagen wollte.

»Das sind die Bedingungen.« Selma hatte mit so einem Vorwurf durchaus gerechnet. »Es steht dir aber jederzeit frei, zu gehen.«

»Ich wüsste gern, für was ich mich entscheide.« Leonie war mittlerweile mutig genug, ihren Gedanken auszusprechen.

»Du musst Erfahrungen sammeln.« Selma lehnte sich zurück. »Und wie willst du das machen, wenn du es gar nicht ausprobierst?«

Leonie seufzte. »Sie haben ja Recht.«

»Du musst mit dem Herzen entscheiden, nicht mit dem Kopf.« Selma blickte Leonie lange an. »Ich kann dir viele deiner Wünsche erfüllen, aber nur, wenn du auch dazu stehst.«

Leonie blickte jetzt ganz offen zu der Kommode, auf dem die neuen Fesselsachen bereit lagen. Doch sie schwieg.

»Meinst du nicht, es wäre eine wichtige Erfahrung zu wissen, wie es ist, mit weniger Bewegungsfreiraum auskommen zu müssen?« Selma sagte den Satz recht beiläufig, doch sie wusste, dass er bei Leonie Gedankenstürme auslösen würde.

Leonie schwieg.

»Wenn jede Bewegung wegen der Ketten anstrengend ist, und du vor jedem Weg überlegen musst, ob sich die Mühen auch wirklich lohnen.« Selma sprach ruhig weiter, obwohl sie wusste, was ihre Worte bewirkten.

»Wie lange werde ich das tragen müssen?« Leonie versuchte noch einen kleinen Kampf gegen ihr drohendes Schicksal, von dem sie jedoch wusste, dass er von vorn herein aussichtslos sein würde.

»Wenn du danach verlangst, werde ich dir alle Ketten abnehmen.« Selmas Stimme wurde auf einmal ernst. »Aber dann musst du sofort unser Haus verlassen.«

Leonie schrak auf. Das war das Letzte, was sie wollte. »Bitte, ich möchte es probieren.« Dass sie auf ihre eigentliche Frage keine Antwort bekommen hatte, entging ihr.

»Probieren?« Selma runzelte die Stirn.

Leonie erkannte ihren Fehler. »Bitte legen sie mir die zusätzlichen Fesseln an.« Sie antwortete fast etwas hastig, denn sie wollte ihren Fauxpas korrigieren.

Selma stand auf. »Wir beginnen mit deinen Ellenbogen.« Sie trat an die Kommode und nahm einige der Gegenstände hoch. »Komm bitte zu mir und drehe dich mit dem Rücken zu mir.«

Leonie zitterte, als sie der Aufforderung nachkam. Gleich darauf fühlte sie, dass sich oberhalb ihrer Ellenbogen jeweils ein Lederriemen um ihre Arme oberhalb der Ellenbogen legte. Gleich darauf hörte sie leises metallisches Klirren und spürte ein Ziehen an ihren Ellenbogen.

»Wenn du mit den Lederriemen klar kommst, können wir es von Herrn Schwerterle auch in Metall anfertigen lassen. Möchtest du das?« Selma signalisierte, dass sie fertig war.

»Muss ich mich sofort entscheiden?« Leonie träumte zwar von einem Leben in strenger Fesselung, doch sie wollte es auch nicht überstürzen. Sie hatte in der Vergangenheit schon öfters die Erfahrung gemacht, dass gerade in Zusammenhang mit Bondage Eile ein schlechter Ratgeber war.

»Natürlich darfst du das später entscheiden.« Selma gab ihr einen leichten Klaps auf die Schulter. »Jetzt gewöhne dich erst mal an die neuen Fesseln, und wenn du damit klar kommst, kümmern wir uns um deine Beine.«

»Danke, Frau Mohr.« Es war für Leonie zur Selbstverständlichkeit geworden, sich für ihre Einschränkungen zu bedanken.

»Du könntest unser Geschirr wegräumen.« Selma versuchte ihr Lächeln in der Stimme zu unterdrücken. »Paul wird später noch frühstücken.«

Leonie nickte kurz, dann wollte sie wie gewohnt mit den Händen zugreifen. Sie erschrak geradezu, als sie die Wirkung der neuen zusätzlichen Fesselung spürte. Wenn sie eine Hand vor den Körper führen wollte, musste sie den anderen Arm bedingt durch die neue Kette auf den Rücken zurückziehen. Unwillkürlich entglitt ihr ein Fluch.

»Was sagtest du?« Selma hatte Schwierigkeiten, ihr Grinsen zu unterdrücken. Insgeheim ergötzte sie sich an den Mühen, die sie Leonie jetzt zusätzlich verursachte.

»Nichts, nichts.« In Leonie erwachte der Stolz. Sie würde sich nichts anmerken lassen und trotz der neuen Fesselung ihre Arbeit erledigen. Sie seufzte ein wenig. »Es ist nur etwas ungewohnt.«

»Du musst halt mehrmals gehen.« Selma kam nicht umhin, etwas auf dem sadistischen Register zu spielen. »Zumindest solange du das noch machen kannst.« Sie blickte deutlich auf die Beinfesseln, die noch auf der Kommode warteten.

Leonie seufzte wieder, doch diesmal blieb sie stumm.

* * *

»Guten Morgen«, Paul stand noch etwas verschlafen in der Küchentür. »Warum hast du mich so lange schlafen lassen?«

Selma lächelte vom Frühstückstisch, der noch für Paul gedeckt war. Sie erwiderte den Gruß. »Du hast sicher noch Jetlag, und nach dem Horrortag gestern...«

»Das war wirklich ein Albtraum, als ich den Streifenwagen mit Maria wegfahren sah.« Er seufzte, doch dann fiel sein Blick auf die Zeitung, die neben seinem Gedeck lag. »Was hat sie denn geschrieben?«

Seine Oma machte nur eine Handbewegung in Richtung der Zeitung.

Paul fiel nur nebenbei auf, wie gelassen sie dabei blieb. Anscheinend hatte die Reporterin Wort gehalten. ´Maria Beller aus dem Flugzeug heraus verhaftet.´ So lautete die heutige Schlagzeile des Landsbacher Boten.

Paul verschlang den Artikel, ohne einmal aufzublicken. Andrea hatte wirklich ihr Wort gehalten und von Marias besonderer Armhaltung nichts erwähnt. Der Schwerpunkt des Artikels war die unsensible ´Verhaftung´ von Maria durch den offensichtlich unfähigen Kommissars. Nur zwischen den Zeilen war zu lesen, dass Andrea noch einige spannende Ankündigungen machte.

»Sie hat Wort gehalten.« Paul blickte auf.

»Jetzt stehen wir schon doppelt in ihrer Schuld.« Selma seufzte. »Ich mache mir etwas Sorgen wegen Maria.«

* * *

»Die Prinzessin ist schon wach?« Mrs. Potter blickte von der Zeitung auf.

»Was für ein Albtraum.« seufzte Maria, nachdem sie ihrer Erzieherin einen guten Morgen gewünscht hatte. Doch dann fiel ihr Blick auf die Zeitung, die Mrs. Potter wieder zusammengelegt hatte. »Ich hatte schon gehofft, es wäre nur ein schlechter Traum gewesen.«

»Sie hat einen ziemlich dramatischen Artikel geschrieben.« Dorothea zeigte mit der Hand auf die Schlagzeile.

»Hat sie das Gebet erwähnt?« Maria ärgerte sich im Nachhinein über die Idee, das Flugzeug damit zu verlassen.

»Nein, sie hat dicht gehalten.« Dorothea legte die Zeitung neben Marias Gedeck. »Aber lies selbst.«

Maria nahm einen Schluck vom duftenden Kaffee, dann vertiefte sie sich in die Zeitung.

* * *

»Frau Beller hat mir einen langen Brief geschrieben, in dem sie uns mitteilt, was für Maria bis zum Fest so alles wichtig werden wird.« Selma zeigte die vier Blatt Papier, die vor ihr lagen. »Sie sagt, sie hätte die Termine des Festes von Herrn Greinert bekommen und dann einen Therapieplan aufgestellt. Du hast dabei ganz zentrale Aufgaben.«

Innerlich seufzte Paul. Die Nähe zu Maria brachte viele Verpflichtungen mit sich. Er fragte sich, wie es wohl nach dem Fest sein würde. Doch dann verwarf er seine Gedanken. Maria hatte diese besondere Aufgabe, und es war einfach seine Pflicht, sich rund um die Uhr um sie zu kümmern. Außerdem durfte er für sie die Schlüssel verwalten, die Maria in ihre eiserne Rüstung sperrten.

»Wo ist eigentlich das Schlüsselbund für Maria?« Er erinnerte sich daran, dass er es nicht mit auf die Reise in die Staaten genommen hatte.

»Das liegt hoffentlich in deinem Schreibtisch.« Selma lächelte. »Ich soll jeden Morgen mit dir besprechen, was für den jeweiligen Tag wichtig ist.«

Paul seufzte kurz, als er die Verantwortung erkannte, die ihm aufgebürdet wurde. »Was liegt denn heute an?«

Selma blickte noch einmal auf die Liste. »Für heute ist nur ein ausführliches Rudertraining angesetzt.«

»Wann und wie lange?« Paul ahnte, dass Maria das Rudern nur eher widerwillig durchführen würde.

»Dazu hat sie keine Angaben gemacht.« Selma ließ das Papier sinken. »Aber sie hat angeregt, Anna ebenfalls zum Rudern zu nötigen. Sie meint, es wäre wichtig, dass sich die Muskeln bei Anna regenerieren.«

Pauls Miene zeigte, dass er über Letzteres überhaupt nicht begeistert war.

»Ich werde mit ihr und Florian reden und ihnen die Notwendigkeit erklären.« Selma gab sich zuversichtlich. »Sie werden dann auf dich zukommen.«

Paul gingen diverse Gründe durch den Kopf, warum er nicht auch noch für Anna Verantwortung übernehmen wollte, doch der Blick seiner Oma ließ ihn gedanklich verstummen.

* * *

»Guten Morgen.« Anna und Florian betraten die Redaktionsräume der Zeitung und blickten sich um. Ihr Blick blieb an Andreas Schreibtisch hängen.

»Ah, da bist du ja« Andrea erhob sich und bat Anna zu sich. Doch dann fiel ihr Blick auf Florian. Sein besonderer Blick war ihr aufgefallen, es war eine Mischung aus Liebe und Neid. Andrea begriff sofort, was ihn bewegte. Seine Freundin hatte einen Job und er hatte nichts zu tun.

Sie wies Anna einen Stuhl zu, dann ging sie zu Florian. »Was hast du denn gelernt?«

»Ich habe Maschinenschlosser gelernt«, antwortete er etwas unsicher, weil er nicht wusste, was kommen würde.

»Wenn du möchtest, dann kann ich mich mal etwas umhören, ob jemand Arbeit für dich hat.« Andrea blickte kurz zwischen ihm und Anna hin und her.

Florian hatte seine Bedürfnisse bisher denen von Anna hintenangestellt, jetzt erinnerten ihn die Worte der Reporterin an seine eigene Zukunft. »Wenn es keine Umstände macht?«

»Wo kann ich dich erreichen?« Andrea nahm Block und Stift zur Hand. »Ich habe da schon eine Idee.« Sie lächelte geheimnisvoll.

»Ich wollte heute Frau Mohr im Garten helfen.« Gärtner hatte er zwar nicht gelernt, aber auch er hatte das Bedürfnis, sich nützlich zu machen.

»Dann weiß ich ja, wie du erreichbar bist.« Andrea hatte schon einen ganz konkreten Plan, doch sie wollte ihnen nicht unnötig falsche Hoffnung machen.

»Verabschiede dich von Anna, wir haben gleich einen ersten Termin.« Andrea lächelte und blickte dann höflich weg.

* * *

»Was muss ich denn tun?« Anna hatte bisher stillschweigend zugesehen, wie Andrea ihre Tasche gepackt hatte.

»Wir gehen jetzt zu Maria für ein Interview.« Andrea erklärte ihre Pläne. »Ich möchte einen eigenen Artikel schreiben über ihre Zeit in Amerika.« Der Reporterin fiel sofort auf, dass sich ein Schatten über Annas Miene legte, als sie ihre alte Heimat erwähnte. Sie nahm es zur Kenntnis, vermied es aber, schon jetzt nachzuhaken. »Wir werden das Interview auf Englisch führen, dann kann ich auch gleichzeitig meine Sprachkenntnisse etwas auffrischen, und du kannst gern auch Fragen stellen.«

»Maria ist sehr tapfer und ehrgeizig.« Annas Stimme zeigte, wie sehr sie von Pauls Freundin beeindruckt war.

»Außerdem haben sie mir versprochen, dass ich das Gebet einmal sehen darf.« Andreas Stimme hatte etwas Schwärmerisches.

»Oh ja, das ist wirklich beeindruckend.« Anna deutete an, was sie in den wenigen Momenten von Maria gesehen hatte.

* * *

Auf dem Weg zu Maria lief Paul der Reporterin und Anna über den Weg. »Wo wollt ihr denn hin?« fragte er höflich.

»Maria hat uns ein Interview zugesagt«, erklärte Andrea, dann berichtete sie von den Plänen zu ihrem nächsten Artikel. Er sollte über die Zeit in den Staaten berichten.

»Naja, ich kann nur über die zweite Hälfte berichten, aber die war turbulent.« Er zwinkerte Anna zu, die den Blick etwas wehmütig erwiderte.

»Wenn ich das richtig weiß, wurdest du ja ziemlich überrumpelt mit dem Flug?« Andrea hatte das Talent, ihr Halbwissen einzusetzen, um von den Leuten dann alles zu erfahren.



Auf dem Weg zu Maria erzählte Paul von der Fahrt zum Flughafen und wie er sich dann im Flieger wiederfand.

»Und sie haben dir wirklich nichts gesagt?« Anna fand die Geschichte ebenfalls sehr spannend.

»Naja, sie haben mir dann schon alles wichtige gesagt: Adresse vom Krankenhaus, Hotels in der Nähe und dass ich abgeholt werde.« Paul klang sentimental. »Aber die ganze Zeit hatte ich Bauchschmerzen, weil ich nicht wusste, wie Maria reagieren würde.«

»Sie hat sich doch sicher gefreut?« Anna konnte sich gut in die Situation hinein versetzen.

»Ich glaube schon.« Er berichtete von der Szene, als er mit einem Blumenstrauß ihr Zimmer betreten hatte.

»Ich glaube, wir sind da.« Andrea war den Weg zwar schon öfters gegangen, trotzdem kontrollierte sie noch einmal die Hausnummer.



Mrs. Potter stand schon in der Tür, als Andrea und ihre Begleiter über den Kiesweg schritten. »Kommen sie herein«, sagte sie zur Begrüßung. »Darf ich ihnen etwas zu Trinken anbieten?«

»Ich danke ihnen für die Einladung.« Andrea blickte sich kurz am. »Das ist Anna, sie wird mir etwas assistieren.« Dann nannte sie ihren Getränkewunsch.

Mrs. Potter gab Paul ein Zeichen, dann drehte sie sich um. »Wir gehen ins Wohnzimmer.« Sie schritt voran.

Im Wohnzimmer wartete schon Maria, und es war ihr anzusehen, dass das heutige Interview etwas Besonderes sein würde. Sie erhob sich, um Andrea und Anna zu begrüßen.

Paul betrat den Raum und trug ein Tablett mit den Getränken. Er servierte, dann setzte er sich neben Maria und ergriff ihre Hand.

Andrea griff in ihre Tasche und holte ihr Diktiergerät heraus. »Sie erlauben?« Als kein Widerspruch kam, schaltete sie es an. »Was ist nun alles passiert in den Staaten?«



Maria begann zu erzählen, von der Ankunft, von den ersten Tagen und von ihrer Begegnung mit der echten Prinzessin. Lediglich zum familiären Hintergrund zu Anna hielt sie sich etwas zurück.

Andrea war sichtlich beeindruckt. »Das waren ja richtige Heldentaten.« Sie lächelte.

»Naja«, Maria gab sich bescheiden. »Ich habe schon etwas mit der Prinzessin und Betty mitgefiebert. Und ich bin glücklich, dass es für sie so gut ausgegangen ist.«



»Danke, das war sehr freundlich.« Andrea schaltete ihr Gerät demonstrativ aus. »Jetzt hätte ich noch einen Wunsch.«

»Sie möchten das Gebet sehen?« Mrs. Potter wusste, was die Reporterin bewegt.

»Wenn es machbar wäre?« Andrea hoffte verbergen zu können, dass ihre Neugier diesmal eher privater Natur war.



Andrea stockte schon der Atem, als sie sah, wie Maria sich die Bluse auszog und ihre Arme auf den Rücken so weit in die Position brachte, die sie noch allein einnehmen konnte.

Paul war entsprechend vorbereitet und er legte Maria sofort die nötigen Riemen an, um ihre Arme in der gewünschten Position zu fixieren.

Von Andrea war ein deutliches Keuchen zu hören. »Das ist unglaublich.«

Maria lächelte.

»Und wie lange halten sie das aus?« Andrea hatte vor lauter Faszination gar nicht bemerkt, dass sie plötzlich in das Sie verfallen war.

»Ich habe das Gebet schon sechs Stunden lang getragen.« Ihre Stimme zeigte viel Stolz.

»Und der Arzt hat uns bestätigt, dass sie es auch noch länger ausgehalten hätte.« Paul war nicht minder stolz auf die besonderen Fähigkeiten seiner Freundin.

»Ich bin sprachlos.« Andrea war anzusehen, wie sehr sie beeindruckt war. »Und das werden sie auf dem Fest tragen?«

»Wir hatten das als die große Überraschung geplant.« Maria seufzte. »Aber seit der Ankunft haben es schon so viele Leute gesehen.« Es war ihr deutlich anzuhören, wie enttäuscht sie über den Ablauf der Ankunft war.

Andrea hatte auf einmal einen Kloß im Hals, denn sie hatte erkannt, in welcher verzwickten Lage sie sich befand. Einerseits war Marias Armhaltung tatsächlich die Sensation, andererseits fühlte sie sich jetzt umso mehr verpflichtet, das Geheimnis zu bewahren, bis es im Rahmen des Festes sowieso bekannt werden würde. »Ich bin begeistert.«

»Es ist eine sehr unnatürliche Haltung, und meine Muskeln mussten langsam daran gewöhnt werden.« Sie erinnerte noch einmal an die Übungen und Behandlungen, die sie in den Staaten über sich ergehen lassen musste. »Ohne dich hätte ich das nicht ausgehalten.« Sie lächelte Paul an.

»Stets zu Diensten, Hoheit.« Paul deutete eine übertriebene Verbeugung an.

»Oh Mann«, Andrea seufzte, »Ich wünschte, mein Hans wäre auch so.«

Auch Anna war sichtlich fasziniert. »Ich habe das ja schon in der Klinik gesehen, und ich wollte es nicht glauben.«

Andrea hätte gern bei Anna nachgehakt, doch aus dem Brief wusste sie, dass Marias Mutter darum gebeten hatte, bis auf weiteres nicht in Annas Vergangenheit zu forschen. Andrea war diese Formulierung schon einmal begegnet, und damals hatte sie unfreiwillig eine Person im Zeugenschutzprogramm enttarnt, deswegen war sie jetzt gewarnt. Außerdem hatte Frederike angedeutet, dass sie zu passender Zeit mehr zu Anna erfahren sollten.

»Bereit für das Venus-Korsett?« Paul hielt das weiße Kleidungsstück in der Hand.

»Venus-Korsett?« Andrea wurde hellhörig. »Ich habe bisher immer gedacht, das wäre nur eine Legende.« Erst jetzt fiel ihr auf, dass Maria quasi nur ihren BH trug.



Anna bewunderte Maria. »Dass du freiwillig auf deine Arme verzichtest...«

»Ich bin es gewöhnt.« Maria wurde ein wenig rot. »Außerdem sind sie dann immer so aufmerksam.«

»Wer?« Anna hatte die Zusammenhänge noch nicht verstanden.

»Naja, meine Erzieherin und Paul« Sie wurde noch etwas röter.

»Du bist aber auch sehr hilfsbedürftig, wenn deine Arme so verpackt verpackt sind..« Mrs. Potter lächelte.

»Aber ich bin geschützt.« Maria strahlte ein wenig Stolz aus.

»Da fällt mir noch etwas ein.« Mrs Potter blickte Andrea verlegen an. »Sind sie fertig mit dem Interview?«

»Ja, ich habe jetzt wirklich alles gesehen.« Andrea packte ihre Sachen zusammen und blickte Anna aufmunternd an. »Wir wären dann fertig.«

Doch Marias Erzieherin unterbrach sie. »Ich würde mich gern kurz noch mit Anna unterhalten, allein.«

Andrea blickte auf die Uhr. »Dann machen wir hier gleich Schluss.« Sie gab Anna die Hand. »Für heute hast du genug gearbeitet.« Dann verabschiedete sie sich von den anderen und ging. An der Tür drehte sie sich noch einmal um. »Danke für dieses tolle Erlebnis.«

* * *

»Anna, man sagte mir, dass du Probleme mit deinem Keuschheitsgürtel hast?« Mrs. Potter hatte auf einmal einen kämpferischen Blick.

»Den Schlüssel hat mein Vater.« Mit Schaudern dachte sie an den Moment, wie sie von ihm in den Gürtel eingeschlossen wurde. Das lag nun schon ein paar Jahre zurück, und bis vor kurzem hatte Anna schon all ihre Hoffnung aufgegeben, sich wieder einmal berühren zu dürfen. Von mehr wagte sie ohnehin nicht zu träumen.

»Zeig mit bitte einmal das Schloss«, bat Mrs. Potter, nachdem sie Maria und Paul aus dem Raum geschickt hatte.

Anna knöpfte sich die Jeans auf und machte ihren Bauch frei, so dass Marias Erzieherin einen Blick darauf werfen konnte.

»Das dachte ich mir schon.« Mrs. Potter ging zu einer Kommode und zog die zweite Schublade auf, dann nahm sie ein Schlüsselbund heraus. Schon der dritte Schlüssel passte und ein erlösendes Klick war zu hören. »Na also.«

Anna brach in Tränen aus. »Ich hatte schon gedacht, ich würde dieses Scheißding mein Leben lang tragen müssen.« Doch dann bemerkte sie, dass Mrs. Potter auf einmal ziemlich ernst wurde.

»Ich werde dir den Gürtel wieder verschließen.« Dorothea blickte Anna ernst an. »Es ist nicht gut, wenn du selbst den Schlüssel bei dir trägst.« Sie machte eine bedeutsame Pause. »Ich möchte, dass du deinen Florian holst.«

Anna wischte sich ihre Tränen weg, dann blickte sie auf. »Bei Maria ist es doch auch so. Paul hat den Schlüssel?«

»Das siehst du richtig.« Mrs Potter ging zu Tür. »Und nun lauf und hol ihn.«



Anna war etwas außer Atem, als sie bei Frau Mohr klingelt. Doch zunächst öffnete keiner. Sie erinnerte sich daran, dass Florian Pauls Oma ja im Garten helfen wollte, und so ging sie um das Haus herum.

Er stand an den Rosensträuchern und half Selma beim Entfernen der alten Blüten.

Anna ging auf ihn zu und strahlte ihn an. »Er ist offen.«

Florian legte die Schere weg und nahm seine Freundin in den Arm. Doch dann stutze er. »Du trägst ihn aber noch?«

»Es ist zu meinem Schutz, sagt sie.« Anna gab ihm einen Kuss. »Sie möchte uns sprechen.«

»Doro hatte also Erfolg?« Selma war den Worten gefolgt.

»Gleich der dritte Schlüssel hat gepasst.« Annas Worte zeigten neben der Erleichterung auch ein gewisses Zittern.

»Dann solltet ihr sie nicht warten lassen.« Selma lächelte und gab Florian frei. »Wir machen dann später weiter.«



Mrs. Potter hatte eine kleine Schmuckkette vorbereitet, an den sie den für Annas Keuschheitsgürtel passenden Schlüssel angehängt hatte. Sie wusste, dass sie es ein wenig feierlich machen musste.

»Ah, da seit ihr ja.« Sie wartete, bis Anna und Florian im Wohnzimmer Platz genommen hatten, dann begann sie mit den Worten, die sie sich zurecht gelegt hatte. »Wie ihr wisst, habe ich einen passenden Schlüssel für den Gürtel gefunden.« Sie machte eine bedeutsame Pause. »Es gibt also keinen Grund, ihn mit Gewalt kaputt zu machen.«

Außerdem hatte sie Zweifel, ob das überhaupt geglückt wäre. Der Gürtel aus einem sehr hochwertigem Material und hätte einer einfachen Säge oder Zange gewiss widerstanden. Er musste ein Vermögen gekostet haben.

»Anna soll ihn weiterhin tragen, damit sie geschützt ist?« Florian hatte sich mit dem Thema auch schon befasst. »Wann dürfen wir über den Schlüssel verfügen?« Es war eine gewisse Anspannung in seinen Worten, es war offensichtlich, was sie wirklich bewegte.

»Ich habe von diesem Schlüssel noch ein Exemplar, ich kann also gut darauf verzichten.« Sie hob die Kette hoch und reichte sie Florian. »Bitte passe immer gut darauf auf, es ist auch der Schlüssel zu Annas Herzen.«

Florian musste schlucken, dann nahm er die Kette entgegen und hängte sie sich um seinen Hals. »So trage ich ihn nahe am Herzen«, antwortete er leicht poetisch.

Anna saß die ganze Zeit atemlos neben ihm, und jetzt erst erkannte sie, was gerade passiert war. »Sie schenken uns den Schlüssel?«

»Sagen wir mal, ich leihe ihn euch.« Mrs. Potter lächelte. »Es wird eines Tages der Moment kommen, an dem du den Gürtel ablegst, weil du seines Schutzes nicht mehr bedarfst.« Wieder machte sie eine lange Pause. »Ich würde mich freuen, wenn ihr mir dann den Gürtel und den Schlüssel überlassen würdet.«

»Das machen wir, ganz bestimmt.« Anna rutsche etwas nervös auf ihrem Stuhl hin und her.

»Ich glaube, ihr möchtet euch dann sicher zurückziehen.« Marias Erzieherin griff zum Telefon. »Doro hier«, meldete sie sich. »Es ist passiert. Stelle bitte etwas Sekt bereit für die beiden. Ich denke, sie wollen auf ihre neue Freiheit anstoßen.« Dann legte sie wieder auf. »Sie erwartet euch.«



Selma blickte sich noch einmal um. Es war immer wieder faszinierend, wie man mit ein paar wenigen Kerzen und gedämpften Licht eine romantische Stimmung erzeugen konnte. Es war alles bereit für das kleine Liebesnest.

Sie war sich zwar nicht sicher, ob es dann schon gleich passieren würde, doch auf jeden Fall stand etwas Sekt bereit, um auf die neu gewonnene Freiheit anzustoßen. Auch ein paar Kondome hatte sie bereit gelegt.

* * *

Paul war seit den einschneidenden Ereignissen auf der Hütte und in Amerika das erste Mal wieder allein mit Maria in ihrem Zimmer. Er ließ seinen Blick langsam durch den Raum schwenken. Mit einigen der Gegenstände verband er schon eine schöne Erinnerung. Besonders war ihm der Schreibtisch in Erinnerung geblieben, an dem er mit Maria für die Schule geübt hatte.

Mrs. Potter hatte sie herauf geschickt, weil sie unten mit Anna und Paul allein reden wollte. Jetzt war es unten wieder ruhig, und die Schritte von Mrs. Potter waren auf der Treppe zu hören.

Unwillkürlich wollte eigentlich Pauls routinemäßig Marias Hand ergreifen, doch er realisierte, dass Maria noch das Gebet trug. So setzte er sich nur neben sie und legte den Arm um sie. Es gab zwar eigentlich keinen Grund für die Anspannung, doch die Atmosphäre im Zimmer brachte es einfach mit sich.

»So, das wäre geschafft.« Marias Erzieherin betrat das Zimmer und blickte sich um.

»Ließ sich der Gürtel öffnen?« Paul war neugierig.

»Ein sehr hochwertiges Modell.« Mrs. Potter ging auf die Frage ein. »Mit einfachem Werkzeug wäre da nichts gegangen.« Sie blickte aus dem Fenster. »Ich frage mich, warum sie so viel Geld für den Gürtel ausgegeben haben und dann ein Standardschloss benutzen.«

»Wundert mich auch, bei dieser Familie.« Maria lehnte sich mit dem Kopf an Paul.

»Es wären ja noch einige Hausaufgaben zu machen.« Es gehörte zu Mrs. Potters unangenehmen Pflichten, Maria immer an ihre Hausaufgaben zu erinnern, egal ob es um die Schule oder das Programm ging. »Aber wie wäre es, wenn wir mit Morgen tauschen.«

»Oh ja, sehr gern.« Maria war von dem Vorschlag sichtlich angetan. Doch als sie Pauls fragendes Gesicht sah, musste sie lächeln. »Für Morgen ist das Tragen des Gebetes dran und heute müsste ich rudern.«

»Und da das Gebet sowieso gerade angelegt ist...« Mrs. Potter lächelte. »Wenn ihr wollt, könnt ihr einen Spaziergang machen.«

»Mit dem Gebet?« Paul war mehr als überrascht.

»Wie wäre es, wenn ihr das weiße Cape benutzt?« Mrs. Potter lächelte. »Darunter lassen sie die Arme gut verstecken.«

»Aber vergiss nicht wieder die Schlüssel« Maria neckte ihren Freund.

»Das war mir mehr als unangenehm.« Paul grinste.

»Ihr könntet bei der Schneiderin vorbei schauen, die freut sich bestimmt, wenn sie das Gebet jetzt schon zu sehen bekommt.« Mrs. Potter verließ den Raum.

Paul stand auf und legte Maria eine Hand auf die Schulter. »Darf ich der Prinzessin beim Aufstehen helfen?«

* * *

»Ah, schön, dass ihr vorkommt.« Die Schneiderin Roswihta Bartels bat ihre Besucher herein. »Ich wollte euch in den nächsten Tagen sowieso um einen Anprobe bitten. Kommt doch bitte herein.«

Paul und Maria kamen der Aufforderung gerne nach.

»Ich bin schon sehr gespannt, wie das Gebet aussieht.« Sie berichtete, dass sie bisher nur eine Schneiderpuppe zur Verfügung hatte.

Maria lächelte Paul an. »Nimmst du mir bitte das Cape ab?«

Paul kam der Aufforderung nach und öffnete Marias Umhang. Erst als er den Schlüsselbund wieder einsteckte, fiel ihm siedend heiß ein, dass Maria eigentlich nicht wollte, dass andere Leute von den besonderen Eigenschaften des Capes etwas erfuhren. Doch zu seiner Erleichterung waren sowohl die Schneiderin als auch seine Freundin etwas abgelenkt.

Maria drehte der Schneiderin sofort den Rücken zu und präsentierte ihre Arme in dieser so völlig unnatürlichen Haltung. Nur dank des langen und intensiven Trainings in der Klinik war dies möglich. Und es machte Maria sehr stolz.

»Das ist ja Wahnsinn.« Roswihta kam näher. »Darf ich dich einmal anfassen?«

Maria spürte die Anspannung der Schneiderin. »Gern.«

»Ich hatte es ja nicht geglaubt.« Roswihta keuchte, doch dann fiel ihr ihr eigentlicher Auftrag wieder ein. »Ich beeile mich auch mit der Anprobe.«

Paul ahnte, was die Schneiderin bewegte. »Maria muss es heute noch bis Mittag tragen, sie können sich Zeit lassen.« Er hatte einen bösen Blick von Maria erwartet, doch er bekam nur ein verliebtes Lächeln.
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Wölchen Volljährigkeit geprüft
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  RE: Maria Datum:15.02.17 07:06 IP: gespeichert Moderator melden


Ein weiterer toller Teil.Vielen dank dafür.

Tja das mit den Schloß war echtes Glück.Zum Glück für Anna,sonst hätte sie einige echte Probleme.

Mal schaun wie es mit alles weiter geht.

mfg Wölchen
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  RE: Maria Datum:15.02.17 08:01 IP: gespeichert Moderator melden


Danke für die klasse Fortsetzung.
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Rainman
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Das Leben ist sch...., aber die Graphik ist geil!

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  RE: Maria Datum:15.02.17 23:24 IP: gespeichert Moderator melden


Hallo cag_coll.

Das war mal wieder ein toller morgen. Freue mich immer auf die nächste Fortsetzung zu Maria.

DANKE!


Lg Rainman
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gag_coll
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  RE: Maria - Kapitel 14 - Das Katerinenfest - Teil Sechs Datum:18.02.17 08:10 IP: gespeichert Moderator melden


Maria
Kapitel 14 - Das Katerinenfest - Teil Sechs
Autor: Karl Kollar

( noch Donnerstag, 16 September 1984 )

»Nun Leonie, wie geht es dir?« Selma betrat die Küche, in der Leonie gerade mit dem Ausfegen fertig geworden war.

»Es ist alles so mühsam.« Leonie stellte den Besen in den Schrank, dann blickte sie Frau Mohr an. Sie erschrak, als sie sah, das Selma die nächsten Fesseln in der Hand hielt.

»Das heißt, du kommst mit deiner neuen Armfesselung gut zurecht?« Selma freute sich, nach langer Zeit wieder einmal so mit einem jungen Mädchen reden zu können.

Leonie erkannte die verzwickte Lage, in die sie sich selbst gebracht hatte. Sie hatte nur zwei Möglichkeiten. Entweder sie stimmte weiteren Fesseln zu oder sie musste das Haus verlassen. Letzteres wollte sie aber auf keinen Fall. Doch sie hatte genauso Angst vor weiteren Einschränkungen, denn schon mit der Ellenbogenfesselung hatte sich ihre bisher gewohnte Arbeitsweise drastisch verändert. Sie konnte nicht mehr so viel tragen und musste manche Wege mehrfach gehen.

Und jetzt würde als nächstes ihre Beinfreiheit eingeschränkt werden. Obwohl Leonie jetzt wusste, dass alles nur ein Spiel war, hatte es doch für sie einen ungewohnten Ernst, denn es hieß quasi immer »doppelt oder nichts«.

»Frau Mohr, können wir nicht noch etwas warten?« Leonie versuchte einen Widerspruch, doch sie wusste, dass es aussichtslos sein würde.

»Ich habe dir jetzt schon zwei Stunden mehr Zeit gegeben, als es eigentlich üblich ist.« Selma genoss die Situation mit allen Sinnen. »Jetzt ist es wirklich Zeit für die nächsten Fesseln.«

Obwohl Leonie wusste, dass Selma sich von Tränen nicht beeindrucken ließ, konnte sie nicht verhindern, dass ein paar davon über ihre Wangen rollten. Sie versuchte sie wegzuwischen, doch sie stellte fest, dass ihre so drastisch eingeschränkte Armfreiheit ihr selbst dies nicht mehr erlaubte.

»So schlimm ist es doch gar nicht.« Selma hatte die Tränen ebenfalls bemerkt. »Du hast nur etwas Angst vor dem Unbekannten.« Sie stellte zwei Stühle gegenüber und bat ihren Schützling, auf einem davon Platz zu nehmen.

Leonie kam der Bitte seufzend nach. Doch dann erkannte sie, dass Frau Mohr Recht hatte - es war tatsächlich die Angst vor dem Neuen und Unbekannten, welche sie so zögern ließ. Denn an die Ellenbogenfesselung hatte sie sich erschreckend schnell gewöhnt und ihre Bewegungen darauf abgestimmt.

Selma setzte sich auf den zweiten Stuhl und schlug Leonies Rock hoch, bis die Knie sichtbar waren.

Leonie blickte traurig aus dem Fenster. Sie wollte nicht sehen, wie sie wieder ein Stück ihrer Freiheit verlor. Nur einen Stöhnen entglitt ihr, als sie die Berührungen des Leders an ihren Beinen spürte. Gleich darauf war wieder das leise Klirren zu hören.

»Das war es schon.« Selma schlug den Rock wieder herunter und stand auf. »Morgen belassen es wir dabei, doch wie wäre es, wenn du ab Samstag auch noch ein Halskorsett trägst?«

Leonie war nur im ersten Moment entsetzt, dann horchte sie tief in sich hinein. Sie fragte sich, wie viele Fesseln möglich waren, bis ihr Alltag nicht mehr zu meistern war. Schließlich gab es noch genügend gemeine Gegenstände, die ihr das Leben schwer machen konnten. Von ihrer Familie und auch von der Hütte her hatte sie schon genügend Inspirationen dazu bekommen. »Ich glaube, ich freue mich darauf.« Leonie fragte sich, wer ihr gerade die Worte in den Mund gelegt hatte.

»Das ist schön, Leonie.« Selma lächelte. »Das ist schön.«

* * *

Kommissar Klüver traf sich vor der Klinik mit seinem Assistenten und der Besatzung eines Streifenwagen. »Das Vorgehen ist klar. Wir gehen da rein und holen uns die Krankenakten der Baroness. Noch Fragen?«

»Haben wir einen Durchsuchungsbeschluss?« Der Assistent erinnerte seinen Chef nur ungern an die Vorschriften.

»Nein, haben wir nicht.« Klüver verzog das Gesicht. »Aber ich habe eine Verfügung zur Akteneinsicht und darf sie bei Bedarf beschlagnahmen.«

»Sind wir sicher, dass es diesmal die richtige Spur ist?« Der Assistent stöhnte. »So einen Einlauf vom Chef brauche ich nicht noch mal.«

»Erstens ist das mein Problem«, Klüver war ungeduldig. »Und außerdem gebe ich hier die Befehle.« Er gab der Besatzung des Streifenwagen ein Zeichen, dann betrat er die Klinik.

»Auf welcher Station liegt die Baroness?« fragte er die Schwester am Empfang, die ihm pflichtbewusst Auskunft gab. Er gab die Daten an seine Begleiter weiter. »Auf geht´s.«

Er sah nicht, dass die Schwester gleich danach zum Telefon griff.



»Oberschwester Hildegard, sie wünschen?« Die Oberschwester meldete sich am Telefon.

»Gleich kommen ein paar Polizisten, die die Baroness zu sehen wünschen.« Die Stimme des Chefarztes Albert Vogel zeigte, dass er sehr nervös war.

»Soll ich sie abwimmeln?« Die Schwester blieb gelassen.

»Das wird nicht mehr gehen.« Der Chefarzt stöhnte. »Sie haben einen richterlichen Beschluss dabei. Geben sie ihnen, was sie verlangen.«

»Ich glaube, da kommen sie schon.« Die Schwester legte auf, dann stand sie auf und setzte ihre dienstliche und eher missmutige Miene auf. »Sie wünschen?«

Klüver zeigte das Schreiben des Richters vor. »Wir möchten gern die Akten der Baroness einsehen. Bitte suchen sie sie heraus. Wir warten solange.« Er wusste, dass er sich von der Schroffheit der Oberschwester nicht abschrecken lassen durfte. Seine Kollegen hatten ihn entsprechend vorbereitet.

Die Oberschwester riss ihm das Papier aus den Händen und tat, als würde sie es gründlich lesen. Tatsächlich wollte sie nur ihre Machtposition deutlich machen. Schließlich ließ sie den Bogen sinken und rief eines ihrer Lehrmädchen herbei. »Bringen sie mir die Akte der Baroness.« Sie wollte sich nicht die Blöße geben, nach der Akte zu laufen. »Der Kommissar hat das Recht auf Akteneinsicht«, schob sie erklärend hinterher.



Gleich darauf kam das junge Mädchen zurück und reichte dem Kommissar die verlangte Akte.

Klüver nahm die Mappe entgegen und begann darin zu blättern. Er versuchte dabei abzuwägen. Würde er von der Oberschwester auch verlangen können, das medizinische Kauderwelsch zu übersetzen. Doch dann hatte er eine bessere Idee. »Kündigen sie mich bitte beim Chef an.« Er blickte die Schwester auffordernd an.

Schwester Hildegard zählte innerlich bis zehn, dann kam sie dem Befehl nach. »Chef, der Kommissar möchte sie noch mal sprechen.«

Sie lauschte einen Moment in den Hörer. »Ja, die Unterlagen habe ich ihm gegeben.« Sie legte auf und blickte Klüver an. »Er erwartet sie.«



Der Chefarzt Albert Vogel wischte sich den Schweiß von der Stirn. Jetzt würde er gleich Farbe bekennen müssen. Er wusste, dass die Akte der Baroness für einen Laien sehr beeindruckend sein würde, doch darin standen nur medizinische Belanglosigkeiten, teilweise sogar mit Phantasiewörtern gespickt. Wenn die Polizei die Unterlagen von einem anderen Arzt prüfen lassen würde, dann würde er sofort auffliegen. Schließlich hatte er alles auch unterschrieben.

Doch er hatte nicht mehr viel Zeit, denn bald nach dem Anruf hörte er schon die Schritte der Beamten im Vorzimmer, und gleich darauf kündigte seine Sekretärin den Kommissar an.

Klüver betrat das Zimmer des Chefarztes Er zeigte das Schreiben des Richters vor, dann legte er dem Chef die bewusste Akte auf den Tisch.

Der Chef hielt seinen Kopf gesenkt. Insgeheim erwartete er ein Donnerwetter.

Doch Klüver tat etwas, mit dem der Arzt überhaupt nicht gerechnet hatte. »Können sie mir das hier übersetzen? Was ist mit der Baroness passiert?«

Albert Vogel glaubte sich zunächst verhört zu haben. Es kostete ihn viel Kraft, doch er blickte nicht auf, sondern nahm sich wortlos die Mappe und begann darin zu blättern, um Zeit zu gewinnen. Innerlich war er hoch erregt. Anscheinend war dem Kommissar nicht aufgefallen, dass er selbst diese Berichte geschrieben hatte.

Sehr sorgfältig legte sich der Arzt die Worte zurecht und sehr zögernd begann er die Geschichte zu erzählen, die er auch der Reporterin erzählt hatte.

* * *

»Friedrich, es muss etwas geschehen. Du musst deine Tochter aus der Klinik holen.« Albert Vogel war sehr erregt, als er mit dem Baron telefonierte.

»Was ist denn los?« Baron Harsumstal war verwundert.

»Eben war die Polizei da und hat Einsicht in die Krankenakte verlangt.« Albert stöhnte. »Ich habe ihm die gleiche Geschichte erzählt wie der Reporterin. Es war verdammt knapp.« Er hatte damals nur einem alten Kameraden einen Gefallen getan, doch jetzt drohte seine Klinik deswegen in Verruf zu geraten, und das musste er unbedingt verhindern. »Ich flehe dich an, bitte hole sie hier raus.«

»Wie soll ich das machen?« Der Baron spürte, dass die Klinik nicht mehr der richtige Aufenthalt für seine Tochter war, doch es kam ihm jetzt zur Unzeit.

»So wie sie hereingebracht wurde.« Albert Vogel hatte schon einen konkreten Plan. »Ich stelle euch Transportpapiere aus für eine andere Klinik und ihr holt sie ab. Was ihr dann mit ihr macht, geht mich nichts mehr an.«

»Und wann soll das stattfinden?« Friedrich ahnte die Antwort schon.

»Am besten noch heute.« Albert stöhnte wieder. »Ich konnte die Polizei gerade noch abwimmeln und falls sie noch einmal wiederkommen, muss Sophie weg sein.«

»Ich werde mich darum kümmern.« Der Baron klang nicht begeistert. »Wir werden kommen.«

»Ich mache die Papiere fertig.« Albert verabschiedete sich.

Der Baron legte auf und klingelte nach seinem Butler. »Sagen sie bitte meinem Neffen, dass er sofort vorbeikommen soll.«

* * *

»Ihr müsst Sophie jetzt sofort aus der Klinik holen.« Der Baron hielt sich nicht mit unnötigen Floskeln auf, als sein Neffe in sein Büro kam. Er zeigte auf die Sanitäterkleidung und die falschen Bärte, die sie für den fingierten Unfall schon einmal genutzt hatten.

»Was ist denn los?« Franz-Ferdinand war wenig begeistert.

»Die Polizei war in der Klinik, und sie hätten uns fast enttarnt.« Der Baron stöhnte. »Albert konnte es gerade noch abwenden.«

Franz-Ferdinand begann, sich die Uniform anzuziehen. »Hast du wieder den Transporter ausgeliehen?«

»Nein, das ging auf die Schnelle nicht.« Der Baron blickte etwas sorgenvoll aus dem Fenster. »Ihr holt sie mit der Limousine ab.«

»Wird das nicht auffallen?« Franz-Ferdinand war über die Pläne seines Onkels etwas verwundert.

»Das Risiko müssen wir eingehen.« Der Baron hatte sich schnell entscheiden müssen. »Ihr holt sie mit einem Rollstuhl heraus und setzt sie dann ins Auto.«

»Und was machen wir mit ihr?« Der Neffe war über die Pläne seine Onkels nur grob informiert.

»Ich habe die alte Dienstbotenwohnung im Keller vorbereitet, dort wird sie bis aufs weitere bleiben.« Friedrich erläuterte seinen Plan. »Du musst dann täglich nach ihr sehen, sie kann sich noch nicht selbst ernähren.«

Franz-Ferdinand nahm es zur Kenntnis.

* * *

»Wir wollen die Baroness abholen, sie wird in eine andere Klinik verlegt.« Franz-Ferdinand zeigte der Oberschwester die Papiere, die sie von Albert Vogel bekommen hatten. Er hatte sich wie sein Begleiter wieder die Sanitäter-Uniform angezogen.

»Na endlich.« Die Oberschwester war erleichtert. »Dann kommt dieses Biest endlich weg.« Sie drehte sich um und ging zu ihrem Schreibtisch. »Hier sind die Papiere.« Sie reichte Franz-Ferdinand die Mappe.

»Ist sie schon transportfähig?« Franz-Ferdinand versuchte sich an den abgesprochenen Text zu erinnern.

»Haben sie einen Rollstuhl?« Die Oberschwester blickte kurz aus dem Fenster. »Gehen kann sie noch nicht.«

»Wir haben keinen dabei.« Franz-Ferdinand ärgerte sich, dass er daran nicht gedacht hatte. »Können sie uns einen leihen? Wir müssen sie ja nur bis zum Wagen bringen.«

Die Oberschwester rief eine Schwester zu sich. »Bringen sie bitte einen Rollstuhl auf das Zimmer der Baroness.« Dann bat sie die beiden Herren, ihr zu folgen.



Als Franz-Ferdinand das Zimmer betrat, legte er sofort warnend seinen Finger auf den Mund, doch dann erblickte er seine Cousine, und er erkannte, dass sie ihn nicht verraten konnte. Sie trug immer noch die Gesichtsmaske, die nur ihre Augen frei ließ, aber ihren Mund sicher verschlossen hielt.

»Hier sind die Schlauchanschlüsse für die Ernährung.« Die Oberschwester zeigte die wichtigen Enden. »Sie kann noch nicht selbst essen.«

Nach einiger Zeit kam die Schwester herein und schob einen Rollstuhl vor sich her. Sie stellte ihn neben das Bett der Baroness, dann verließ sie den Raum wieder.

»Sie kommen zurecht? Ich habe noch zu tun.« Irgendwie wollte die Oberschwester nicht zugeben, dass sie heilfroh war, die Baroness endlich aus der Klinik verschwinden zu sehen.

Natürlich hatte Sophie ihren Cousin erkannt, doch ihr fehlte die Kraft, sich gegen die beiden Männer zu wehren. Sie konnte nur zusehen, wie sie sie Riemen für Riemen von dem Bett befreiten und sie dann in den Rollstuhl hoben.

»Hast du die Unterlagen?« fragte Franz-Ferdinand seinen Begleiter. »Mein Onkel reißt mir den Kopf ab, wenn wir die nicht mitbringen.«

»Sie sind hier.« Der Student zeigte die Mappe, die er neben Sophie auf den Sitz gelegt hatte.

Auf dem Weg in die Tiefgarage begegneten sie kaum jemandem und so konnten sie Sophie problemlos in das Auto bringen.

* * *

»Danke, Leonie, das war sehr lecker.« Selma leckte ihr Besteck beiseite und wischte sich mit der Servierte den Mund ab. »Wenn du soweit bist, dann kannst du abräumen.«

Leonie leckte ihr Besteck beiseite und stand auf. »Jawohl Madame.« Sie blickte sich vorsichtig um. Auch Anna und Florian hatten ihr Besteck schon weg gelegt und unterhielten sich.

Sie war es mittlerweile fast gewöhnt, mit ihren neue gemeineren Ketten zu arbeiten und empfand es weder als demütigend, noch ließ sie sich davon wirklich behindern.

Anna und Florian halfen ihr, das Geschirr zusammen zu stellen, dann folgten sie ihr in die Küche.

»Leonie, darf ich dich einmal etwas fragen?« Annas Gesicht zeigte, dass sie die Frage viel Kraft kostete.

»Ja?« antwortete Leonie, während sie das Geschirr etwas mühsam in die Spülmaschine einräumte.

»Was ist so schön daran, gefangen zu sein?« Es kostete Anna einige Überwindung.

»Ich bin anscheinend gerade auf einem Selbstfindungstripp und ich bin in meine aktuelle Situation mehr als verliebt.« Sie stutzte etwas. »Aber ich bin nicht gefangen, ich trage nur ihre Fesseln.«

»Aber warum gefällt es dir?« Florian hörte ebenfalls sehr aufmerksam zu.

»Ich weiß es nicht, ehrlich.« Leonie zuckte mit den Schultern. »Meine Schwester und ich sind praktisch in Fesseln aufgewachsen.«

Anna blickte sie entsetzt an.

»Natürlich war es immer ein Spiel, doch wir beide waren stets die Gefangenen.« Leonie lächelte verlegen.

Annas Blick veränderte sich nicht.

»Auch unsere Mutter hat die Fesseln geliebt«, Leonie erkannte, dass sie mehr erklären musste. »Und sie hat uns wohl als Vorbild gedient.«

»Und wer hat sie gefesselt?« Anna verstand es immer weniger.

»Naja, unser Vater.« Leonie lächelte. »Sie waren stets schwer verliebt und glücklich.«

»Sie waren glücklich, wenn eure Mutter gefesselt war?« Florian ahnte, auf was diese Diskussion hinaus laufen würde.

»So ist es auch heute noch. Sie haben mir und meiner Schwester sehr viel vererbt.« Leonie war auf einmal etwas wehmütig. »Aber meine Schwester hat schon einen Freund, der auf ihre Lust eingehen kann.« Sie sprach nicht weiter.

»Und jetzt bist du glücklich, weil du hier gefesselt bist«, setzte Anna den Satz quasi fort.

»So ist es.« Leonie strahlte. »Die Zeit bei Frau Mohr war bisher die schönste meines Lebens. Ich war ihre Gefangene.«

»Dann haben wir dich sozusagen ungewollt befreit.« Florian dachte den Gedanken weiter.

»Dafür war ich euch aber trotzdem dankbar, denn es blieb immer die Ungewissheit, was sie wohl mit mir vor hat.« Leonie lachte. »Manchmal habe ich mich schon als Kettensklavin auf einem irgendeinem orientalischen Basar gesehen.«

»Sie hat dir nicht gesagt, was sie mit dir vorhat?« Annas Stimme zeigte ihre Verwunderung.

»Naja, nicht zu wissen, was auf mich zukommt, war schon ein Teil des Traumes, den sie mir erfüllt hat.« Leonie war verträumt. »Es war eine schöne Zeit.«

»Ich freue mich, dass du das so siehst.« Selma stand auf einmal in der Küchentür.

»Frau Mohr?« Leonie zuckte ein wenig zusammen.

»Bondage kann etwas sehr Schönes sein.« Sie blickte Anna aufmerksam an. »Es kommt aber wie bei vielen Sachen darauf an, wer es gibt und wer es nimmt.«

Es war deutlich zu sehen, wie es in Anna arbeitete.

»Anna, kann ich dich einen Moment allein sprechen?« Selma blickte zu Leonie und Florian.

Leonie reagierte als Erste. »Florian komm, wir legen die andere Tischdecke auf.«

Florian ging hinter Leonie her und gemeinsam verließen sie die Küche.



»Ich habe dich gestern beobachtet, wie du auf den Handschuh reagiert hast.« Selma legte einen Finger auf Annas Mund, als diese Luft holte und antworten wollte. »Bitte antworte jetzt nicht, sondern höre mir einfach nur zu.« Sie holte tief Luft. »Dein Körper ist an die diversen Fesselungen gewöhnt, aber es erinnert dich auch alles an deine bisherige Familie und an das, was sie dir angetan haben.«

Anna nickte verlegen.

»Florian trägt dich auf Händen, und er würde nie etwas tun, was dir weh tun würde.« Selma blickte ihr in die Augen. »Aber ich denke, dass ihr sehr glücklich werden könntet, wenn du dich weiterhin fesseln lässt, jetzt aber von ihm.«

Anna schwieg.

»Gibt es denn Sachen, die dir nicht ganz so viel ausgemacht haben?« Selma hatte so ein Gespräch zwar noch nie geführt, doch ihre Erfahrung aus ihrer Zeit als Erzieherin diktierte ihr die Fragen.

Die Antwort kostete Anna sehr viel Kraft. »Das klingt jetzt sicherlich blöd, aber den Handschuh habe ich ganz gern getragen, weil dann meine Brüste immer so hervor standen. Ich habe dann immer davon geträumt, er würde mich so sehen.«

»Das klingt interessant.« Selma lächelte. »Es gibt nicht viele Mädchen, die so denken.«

»Ich weiß.« Anna lächelte etwas gequält, »Ich war schon immer das schwarze Schaf der Familie.« Sie seufzte. »Aber das möchte ich Florian nicht antun.«

»Was genau meinst du?« Selma zeigte hohe Aufmerksamkeit.

»Ich glaube, es tut ihm weh, wenn er mir das antun müsste.« Ein wenig Enttäuschung klang in ihrer Stimme mit.

»Du würdest es gern erleben, magst ihn aber nicht darum bitten.« Selma ahnte, dass sie kurz vor dem Ziel stand.

»Ich möchte ihm das nicht antun.« Anna wollte ihre Liebe nicht aufs Spiel setzen, lieber würde sich auf ihr Vergnügen verzichten. Sie äußerte dies.

»Aber langfristig werdet ihr so nicht glücklich.« Selma fühlte, dass der Zeitpunkt gekommen war. »Soll ich mal mit ihm reden?«

Anna blickte auf, doch zu einer Antwort war sie nicht fähig.

Selma ging zu Tür, bat Florian zu sich und zeigte auf den Stuhl neben Anna.

»Wir hätten ein sehr wichtiges Thema zu besprechen.« Selma wartete, bis Florian sich gesetzt hatte, dann wurde ihre Stimme war auf einmal sehr ernst. »Anna darf jetzt nicht in ein Loch fallen.« Sie wartete, bis sie Florians Aufmerksamkeit hatte. »Florian, sie ist es gewöhnt, dass sie von Restriktionen umgeben ist, und ihr Körper würde Schaden nehmen, wenn es abrupt aufhören würde.«

Florian seufzte tief. Er erinnerte sich daran, dass Marias Mutter Ähnliches gesagt hatte. »Ich habe geschworen, ihr kein Leid mehr anzutun. Wissen sie, wie sehr sie unter ihrer Familie gelitten hat?«

»Ich werde dir sagen, was in den nächsten Wochen passieren wird. Anna wird nach und nach immer unglücklicher werden und bald werdet ihr mit ersten Streitgesprächen beginnen. Das darf nicht passieren.«

»Aber...?« Florian ergriff Annas Hand.

»Florian, die Sache ist sehr ernst.« Selma machte es jetzt zwar eine Spur dramatischer als es wirklich war, doch sie hoffte, damit ihr Ziel zu erreichen. »Wenn du verhindern willst, dass Anna ernsthaft krank wird, dann musst du dich jetzt überwinden.«

»Aber ich möchte sie auf keinen Fall quälen.« Florian versuchte, sich zu verteidigen. Annas Hand ließ er nicht los.

»Das tust du auch nicht.« Selmas Stimme blieb im gleichen Tonfall. »Aber du solltest ihr jeden Tag mit sehr viel Sorgfalt das Korsett anlegen und sie nicht ohne den Gürtel aus dem Haus gehen lassen.«

Er blickte auf.

»Und mindestens zwei Mal pro Tag wirst du Anna den Handschuh anlegen. Anna ist es gewöhnt und ihr Körper würde Schaden nehmen, wenn es jetzt abrupt aufhört. Wenn es das einfacher macht, dann redet miteinander darüber.«

»Der Handschuh fühlt sich toll an, wenn du ihn anlegst.« Anna erinnerte ihren Freund an das, was vor dem Spaziergang passiert war.

Es war deutlich zu sehen, wie es in Florian arbeitete. »Ich habe geschworen, nichts zu tun, was Anna an ihre Familie erinnert, und ich möchte ihr auch nie mehr weh tun.«

»Das sagtest du schon.« Selmas Stimme wurde etwas ruhiger. »Anna, du wirst dich immer melden, wenn es dir nicht gut geht oder wenn dir etwas weh tut? Versprichst du mir das?«

Anna nickte zur Bestätigung. »Das verspreche ich.«

»Florian, du versprichst, immer gut auf Anna aufzupassen und ganz genau auf ihren Körper zu achten?«

»Ich verspreche es.« Florian spürte die Wichtigkeit des Augenblicks.

»Ich habe einen Wunsch.« Anna lächelte. »Kommst du bitte mit?«



Ein wenig später lächelte Selma, als sie sah, dass Anna und Florian zusammen im Garten spazierten gingen. Anna trug ihren Monohandschuh. Sie waren sehr verliebt. Ab und zu blieben sie stehen und küssten sich. Manchmal streichelte Florian über Annas verpackte Arme. Sie machten einen sehr glücklichen Eindruck.

* * *

Eine Beamtin in Uniform und eine in zivil stiegen aus dem Auto aus und blickten sich kurz um. Die uniformierte Dame zeigte auf Marias Haus, dann gingen sie zügig über den Kiesweg und stiegen die wenigen Stufen hinaus.

Mrs. Potter öffnete die Tür. »Sie sind die Damen von der Polizei?«

»Kommissarin Breuer und meine Kollegin Müller.« Sie zeigten ihre Ausweise. »Dürfen wir herein kommen?«

Mrs. Potter bat die Beamtinnen ins Haus. »Nehmen sie bitte Platz.«

Paul und Maria sahen sich verunsichert an, als sie die Frauen näherten und sich vorstellten.

»Wie sie bestimmt wissen, müssen wir einen ganz bestimmten Verdacht überprüfen.« Frau Breuer nahm eine Aktenmappe zur Hand und suchte eine bestimmte Stelle. »Wir wissen mittlerweile, dass der Unfall der Baroness nur fingiert wurde, doch wir wissen nicht, warum dies gemacht wurde.«

»Sie möchten sicher wissen, was Maria zur fraglichen Zeit gemacht hat.« Mrs. Potter hatte ihrerseits den großen Kalender bereit gelegt.

Frau Müller nannte Datum und Uhrzeit. »Zu dieser Zeit sollte der Unfall stattgefunden haben.«

»Zu der Zeit war Maria in der Schule, wie jeden Tag.« Mrs. Potter brauchte nicht einmal auf den bereitgelegten Kalender zu sehen.

»Ich verzichte auf die Frage, ob es dafür Zeugen gibt.« Frau Breuer klappte ihre Mappe wieder zu.

»Damit wäre das Thema vom Tisch?« Mrs. Potter hatte einige Zweifel in der Stimme.

»Ich werde das so an meinen Chef weiter geben.« Frau Breuer lehnte sich zurück. »Aber sie könnten uns bei der Motivsuche helfen.«

»Inwiefern?« Mrs. Potter zeigte durchaus Interesse.

»Wie ist es dazu gekommen, dass Maria die Rolle bekommen hat?« Frau Breuer zückte ihr doch noch einmal ihr Notizbuch.

Mrs. Potter erzählte von dem Besuch im Kirchenkaffee. Nur gelegentlich stellte Frau Breuer noch eine Zwischenfrage.

»Es war schon ziemlich seltsam«, ergänzte Maria. »Am Sonntag war der Baron im Gemeinderaum, und wir haben zugesagt. Schon am Tag darauf wurde es für mich ernst.«

»Das ist interessant«, Frau Breuer machte sich eine Notiz. »Schon am nächsten Tag fand der angebliche Unfall statt.« Sie blickte ihre Kollegin an.

Diese sah in ihren Unterlagen nach. »Es war wirklich gleich am Montag.«

»Danke für ihre Hinweise.« Frau Breuer stand auf. »Ich möchte mich noch einmal im Namen meines Chefs für die überzogene Aktion von München entschuldigen.« Sie reichte Maria die Hand.

* * *

»Na, habt ihr euch ausgesprochen?« Selma begrüßte Anna und Florian, die von ihrem Liebesbummel im Garten zurück kamen.

»Ich brauche noch ein wenig, bis ich es akzeptiert habe.« Florian streichelte zärtlich über Annas Arme.

Anna war sprachlos. Bei ihr flossen ein paar Tränen, die Florian vorsichtig wegwischte.

»Jetzt gibt es erst einmal Abendessen.« Selma zeigte ins Haus, »Leonie hat etwas sehr leckeres gezaubert.«

Paul und Maria saßen schon am Tisch zusammen mit Leonie.

Als Anna erkannte, dass Maria ihre Arme im Monohandschuh trug, stutzte sie etwas. »Wirst du so essen?«

Maria lächelte. Pauls Oma hatte sie gut vorbereitet. »Paul wird mich füttern.«

»Ist das nicht sehr demütigend?« Anna sprach ihre Gedanken aus.

»Ich weiß, dass ich mich ganz auf ihn verlassen kann. Daher wird es das Gegenteil von demütigend sein.« Sie gab ihm einen Kuss. »Außerdem wird es auf dem Fest ähnliche Situationen geben.«

Selma mischte sich ein. »Paul und Maria mussten diese Situation schon öfters meistern, und ich glaube, beim ersten Mal wart ihr auch nicht so ruhig.«

Paul lachte. »Ja, das stimmt, am Anfang war ich furchtbar nervös, doch jetzt weiß ich, was für Maria wichtig ist.«

Die Blicke aller richteten sich auf Florian und Anna. Erst nach einiger Zeit begriffen die beiden, dass eigentlich eine Frage an sie gestellt wurde. Florian blickte Anna verliebt an. »Trauen wir uns das zu?«

»Es wird wohl von uns erwartet.« Anna lächelte geheimnisvoll. Insgeheim sah sie eine Gelegenheit, sich bei ihrer Gastgeberin zumindest ein wenig zu bedanken. »Es liegen ja Servietten bereit, falls etwas daneben gehen sollte.« Sie beugte sich zu Florian und flüsterte ihm etwas ins Ohr.

»Wenn du meinst, dann probieren wir das.« Es war deutlich zu sehen, dass Florian noch nicht überzeugt war, seiner Freundin den Wunsch aber nicht abschlagen wollte.

»Florian, du setzt dich am besten neben Paul. Dann kann er dir verschiede Tipps geben, wie es am besten zu machen ist.« Selma hatte erkannt, dass im Moment die Angst wohl am größten war, sich zu blamieren.

* * *

Natürlich hatte Sophie ihren Cousin trotz der Sanitäteruniform erkannt, doch sie hatte noch überhaupt nicht die Kraft, um sich gegen die zwei Männer zu wehren. Außerdem gab es für sie zunächst dafür keinen Grund, zumal der Besuch von Franz-Ferdinant etwas Ablenkung versprach.

Den Dialogen nach hätte Sophie in ein anderes Krankenhaus verlegt werden sollen. Zumindest hatte die Oberschwester dies gesagt, als sie die Papiere heraus gegab. Doch da sie von ihrem Cousin und dessen Freund abgeholt wurden, hatte Sophie einige Zweifel. Und diese hatten sich als berechtigt herausgestellt.

Zum einen hatte sie die Limousine ihres Vaters erkannt, in die sie hinein gehoben wurde, und zum anderen führte sie der Weg vom Krankenhaus direkt zum Schloß ihres Vaters. Sie kannte diesen Weg sehr gut.

Doch statt auf ihr Zimmer hatten sie sie in die alte Dienstbotenwohnung gebracht, deren Inneres Sophie nur aus frühen Kindheitstagen kannte. Es hatte sich auch nicht viel verändert, stellte sie auf den zweiten Blick fest. Zwei Sachen waren jetzt anders. Es standen haufenweise Konserven bereit, viel Ravioli und auch diverse Eintöpfe. Im ersten Moment hatte sie innerlich nur die Nase gerümpft, doch dann entdeckte sie ein weiteres Detail: Die Türklinke war weg. Es gab überhaupt keine Möglichkeit, von innen die Tür zu öffnen. Ihr war seltsamerweise sofort klar, was dies bedeutete: Sie war hier genauso gefangen wie in der Klinik.

Der einzige Unterschied war, dass sie nicht mehr mit diesen Riemen ans Bett gefesselt war, und auch ihren Mundverschluss trug sie nicht mehr. Doch sie war viel zu schwach, um sich zu bewegen. Mit so etwas hatte sie gerechnet, seit einmal eine Lernschwester mit ihrer Ausbilderin im ihrem Zimmer war, und sie über ihren Zustand gesprochen hatten. Sie erinnerte sie noch sehr gut an das Gespräch, weil es eine der ganz wenigen Abwechslungen gewesen war, die sie in ihrem traurigen Klinikalltag gehabt hatte.



»Wie lange liegt sie jetzt schon so?« Die Lernschwester streichelte vorsichtig über den Gips.

»Seit fast vier Wochen.« Die Ausbilderin blätterte in ihren Unterlagen. »Sie hatte einen schweren Autounfall, Gabi.«

»Aber da bilden sich doch die Muskeln völlig zurück.« Die Lernschwester kramte ihr frisch erworbenes Wissen hervor. »Und dann ist sie überall eingegipst. Sie wäre doch völlig hilflos, wenn sie mal aus dem Gips heraus kommt.«

»Da hast du wohl recht«, bestätigte die Ausbilderin. »Am besten wäre es, wenn man es gar nicht erst so weit kommen lässt.«

»Kann man die Muskeln dann wieder trainieren?« Gabi nahm Anteil an Sophies Schicksal.

»Natürlich, es gibt für jede Muskelgruppe geeignete Übungen.« Die Ausbilderin zählte einige Übungen auf. »Aber hier ist es ein besonders schwieriger Fall, weil quasi alle Muskeln weg sind. Es wird sehr mühsam für sie werden.«



Besonders der letzte Satz war Sophie in Erinnerung geblieben, und hatte stets gehofft, dass er für sie nicht zutreffen werde. Doch jetzt war sie in einer Lage, von der sie sicher war, dass sie nicht schlimmer werden konnte.

Es lag frische Bettwäsche bereit, doch Sophie war nicht in der Lage, das Bett neu zu beziehen. Sie lag so auf dem Bett, wie sie sie dort hingelegt hatten und schlief sofort ein. Dass die Bettwäsche seit Jahren ungewechselt war, störte sie zwar, doch sie schaffte es nicht, sie zu wechseln.
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  RE: Maria Datum:18.02.17 09:22 IP: gespeichert Moderator melden


Hallo gag_coll,

danke für diese Fortsetzung.

Mein Kopfkino hast du ganz schön in fahrt gebracht.

Freue mich auf den nächsten Teil

Gruß marmas71
Meine erste Geschichte über Damen mit KG und Gips. Titel : Arbeitslohn
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  RE: Maria Datum:18.02.17 11:02 IP: gespeichert Moderator melden


Super Fortsetzung. Bei so viel Verdachtsmomenten wird sich der Baron samt Neffen und Helfershelfern wohl noch wundern. Am besten bei Wasser und Brot einkerkern, das Pack.
Danke für´s Schreiben. Ungeduldig auf den nächsten Teil wartend
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gag_coll
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  RE: Maria - Kapitel 14 - Das Katerinenfest - Teil Sieben Datum:19.02.17 05:34 IP: gespeichert Moderator melden


Maria
Kapitel 14 - Das Katerinenfest - Teil Sieben
Autor: Karl Kollar

Freitag, 17. September 1984

»Na, wie fühlt sich unsere Frau Beller?« Rosalie hatte das Wort ´Frau´ besonders betont.

Maria überhörte den leicht spöttischen Unterton, als sie im Rahmen des freitäglichen Telefonanrufs mit ihrer Freundin telefonierte. »Es geht mir gut und ich zähle die Tage bis zum Fest.«

»Wie war der Flug?« Rosalie suchte nach etwas Gesprächsstoff. Immerhin hatten sie erst Dienstag miteinander gesprochen.

»Der Flug war in Ordnung«, antwortete Maria mit einem gewissen Unterton, der einige Angespanntheit verriet.

»Nun lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen.« Rosalie war ein wenig genervt. »Was war denn los?«

»Du versprichst mir, nicht zu lachen?« Maria kannte ihre Freundin nur zu gut.

»Bist du die Flugzeugtreppe herunter gefallen?« Rosalie hatte Probleme, ein Lachen zu unterdrücken.

»Ach, wenn es nur das wäre.« Maria gab sich einen Ruck. »Ich hatte mir eingebildet, in München mit dem Gebet zu landen und so den Flughafen zu verlassen.«

»Eine schöne Vorstellung.« Rosalie hatte ein Lächeln in der Stimme. Doch dann stutzte sie. »Und was ist passiert?«

»Die Polizei hat mich gleich nach der Landung aus dem Flieger geholt und im Streifenwagen nach Landsbach gefahren.« Maria sprach leise, denn sie schämte sich.

»Mit den Armen im Gebet?« Rosalie dachte laut.

»Genau.« Maria stöhnte immer noch, wenn sie nur daran dachte.

»Wo war Paul?« Rosalie fing an zu begreifen.

»Der musste im Flugzeug sitzen bleiben.« Marias Stimme zeigte, wie sehr sie von den Ereignissen noch bewegt war.

»Und was wollten sie von dir?« Rosalie hatte das Naheliegende noch nicht gefragt.

»Ich habe erst später erfahren, was sie mir vorgeworfen haben. Herr Steinhagen hat mich da raus geholt, noch bevor sie mich verhören konnten.« Sie holte tief Luft. »Ich hätte den Unfall der Baroness inszeniert, um ihre Rolle zu bekommen.«

»Absurd.« Rosalie war sprachlos. »Völlig absurd. Wie sind sie denn darauf gekommen?«

»Der Polizeichef hat sich später für die völlig überzogene Maßnahme seines Beamten entschuldigt.« Maria berichtete von dem Besuch beim Essen. »Er sagte, sie hätten einen Hinweis bekommen, dem sie natürlich nachgehen mussten.«

»Da ging es ja turbulent weiter.« Rosalie erinnerte an die Ereignisse vor dem Flug.

»Ich hatte mir das ganz anders vorgestellt.« Maria seufzte. »So bald brauche ich das nicht wieder.«

»Wissen sie schon, dass du das Gebet tragen kannst?« Rosalie nahm großen Anteil an dem Leben ihrer Freundin.

»Also wirklich gesehen haben es quasi nur die Polizisten und die Anwälte, mit denen Herr Steinhagen aufgekreuzt ist.«

»Wer ist Herr Steinhagen?« Rosalie stutzte, denn dieser Name war neu.

»Das ist der Direktor der hiesigen Sparkasse«, erklärte Maria. »Ein sehr wichtiger Sponsor des Festes und sehr einflussreich.«

»Und der alte Geldsack hält sich gerne eine Prinzessin.« Rosalie spottete gern.

»Das ist nicht ganz richtig.« Maria wollte es richtig stellen. »Zu mir ist er wie ein Vater. Sonst war nichts los.«

»Und was machst du am Wochenende?« Rosalie fragte mit etwas Neugier, seit es im Leben ihrer besten Freundin so eine deutliche Änderung gegeben hatte.

»Ausspannen... Mein letztes freies Wochenende genießen.« Maria seufzte. »Wenn erst mal bekannt ist, was ich kann, werden uns die Leute die Bude einrennen.« Ihre Mutter hatte sie in den letzten Stunden noch darauf vorbereitet, was alles passieren würde. »Morgen möchte ich die Baroness noch mal im Krankenhaus besuchen.«

»Die Baroness?« Rosalie war verwundert.

»Naja, sie hätte ja ursprünglich die Rolle spielen sollen, wenn sie nicht diesen Unfall gehabt hätte.« Maria erklärte ihre Motivation.

»Du hast also ein schlechtes Gewissen?« fragte Rosalie vorsichtig.

»Immerhin stehe ich jetzt an ihrer Stelle.«

»Und Samstag Abend?« Rosalie war neugierig.

»Noch nichts.« Natürlich wusste Maria, was Rosalie hören wollte, doch tatsächlich hatte sie nichts vor und Paul hatte sie noch nicht gefragt.

»Du solltest etwas mit ihm unternehmen.« Rosalie war um das Glück ihrer Freundin stets besorgt.

»Ich wollte eigentlich die Ruhe genießen.« Maria seufzte wieder. »Die nächsten Tage könnten turbulent werden.«

»Da könntest du allerdings recht haben.« Was Rosalie tatsächlich vorhatte, behielt sie erst einmal für sich.

* * *

Sophie brauchte nach dem Erwachen einige Zeit, bis sie erkannte, dass sie nicht mehr in ihrem Krankenhauszimmer war, sondern in der alten Dienstbotenwohnung im Keller des väterlichen Schlosses. Gestern hatte ihr Cousin sie aus der Klinik geholt und sie hier her gebracht. Eine Erklärung dafür hatte sie aber trotzdem nicht bekommen.

Ihre Sinne hatten ihre Funktion während der Zeit, die sie im Gipspanzer verbringen musste, nicht eingebüßt. Sie roch und vor allem fühlte die alte stickige und klebrige Bettwäsche, auf der sie sie einfach nur abgelegt hatten. Es ekelte sie, doch sie hatte nicht einmal die Kraft, sich auf dem Bett zu bewegen. Sie lag noch genau so da, wie die Männer sie gestern abgelegt hatten.

Immer wieder musste sie an den Traum der vergangenen Nacht denken. Darin ging das Gleichnis vom verlorenen Sohn nämlich weiter. Nach dem Festmahl musste sie sich beweisen und zeigen, dass sie es auch wert war, wieder vom Vater in die Arme geschlossen zu werden. Doch ihr Körper gehorchte ihr nicht, er war einfach noch zu schwach. Vom Vater kam die Botschaft, dass sie es langsam angehen sollte. Sie hätte viel wieder gut zu machen, und sie würde sich über einen langen Zeitraum bewähren müssen. Immer wieder tauchten ihren alten und wie sie jetzt wusste falschen Freunde auf und sie versuchten, sie auf Partys zu locken. Doch jetzt widerstand sie jeglicher Versuchung.

Ihr Magen meldete sich und erinnerte sie daran, dass es jetzt eigentlich Zeit für das Frühstück wäre. Gleich würde die Schwester kommen und den üblichen weißen Beutel über dem Bett aufhängen.

Doch es kam keiner. Natürlich nicht, denn sie war nicht mehr im Krankenhaus. Sie war im Keller ihres Schlosses. Noch war es nicht ihr Schloss, doch sie war bisher stets davon ausgegangen, dass sie es eines Tages erben würde. Schließlich war sie die einzige Tochter, und Geschwister hatte sie keine.

* * *

Als Maria mit ihrer Erzieherin beim Frühstück saß, sah sie, dass das Postauto vor dem Grundstück hielt.

Für neun Uhr hatte sich Paul angesagt, und er kam gerade zu dem Zeitpunkt auf das Grundstück, als der Postbote ein geradezu riesiges Paket auf seiner Sackkarre vor sich her schob.

Mrs. Potter blickte ebenfalls aus dem Fenster. »Das wird das neue Korsett sein.«

Maria begann auf einmal zu leicht zu stöhnen. »Schade, dass ich es so bald nicht ausprobieren kann.«

»Du hast doch morgen frei?« Mrs. Potter kannte Marias Terminplan gut.

»Morgen wollte ich Sophie noch einmal besuchen.« Maria wusste, dass sie ihren letzten freien Tag opferte, doch der Besuch war ihr wichtig.

»Und danach? Paul wird dir bestimmt gern dabei helfen.« Mrs. Potter wusste, dass Maria sich von ihr nur sehr ungern berühren ließ. Dafür hatte sie auch vollstes Verständnis, und sie war froh, dass Paul sie so indirekt unterstützen konnte. Denn auch sie war sehr an dem neuen Ganzkörperkorsett interessiert.

»Sie meinen, er würde mir helfen?« Maria war etwas verwundert.

»Wenn du lieb fragst?« Mrs. Potter lächelte. »Er hat bestimmt noch nichts vor.«

Maria versuchte abzuwägen. Das Korsett würde sie sehr hilflos machen und sie an ihn ausliefern. Es würde aber auch von ihm einiges fordern. Doch weiter kam sie in ihren Gedanken nicht, die Klingel der Haustür läutete.

* * *

Der Hunger wurde größer, und Sophie musste so langsam einsehen, dass kein Personal kommen würde, um sie zu versorgen. Sie würde sich selbst darum kümmern müssen.

Sie blickte zu dem kleinen Tisch, der mitten im Zimmer stand. Es standen ein paar Dosen bereit, sowie ein paar Flaschen Wasser und ein Glas. Eine Dose mit Ravioli stand zudem auf dem kleinen Tischchen neben dem Bett, und daneben lag ein Gerät, vermutlich ein Dosenöffner.

In ihrer Jugend hatte sie von ihrer Mutter die übliche Ausbildung einer jungen adeligen Dame bekommen, die nicht zu arbeiten hatte und die ihr Essen stets geliefert bekam. Sophie hatte sich manchmal aus Neugier in die Küche gemogelt und hatte der Köchin zugesehen, doch stets musste sie sich dabei vor ihrer Mutter verstecken.

Das Gerät, welches neben den Dosen auf dem Tisch lag, musste ein Dosenöffner sein. Sophie erinnerte sich daran, dass sie so etwas damals in der Küche gesehen hatte. Doch in der Hand hatte sie so etwas noch nie gehabt.

Sie war nicht dumm, doch ihre Arroganz hatte bisher ihre Intelligenz völlig unterdrückt. Warum sollte sie selbst arbeiten, wenn es dafür Personal gab? Jetzt verfluchte sie ihre frühere Haltung, und sie wurde sich der Lächerlichkeit ihrer Situation bewusst. Sie sollten sie nicht verhungert vor einer Dose Ravioli finden, mit dem Dosenöffner in der Hand. Dieser Gedanke stachelte ihren Ehrgeiz an. Sie würde sich der Herausforderung stellen.

Sie hatte zeitweise in Erwägung gezogen, um Hilfe zu rufen. Doch dann hatte sie diesen Gedanken schnell wieder verworfen. Hören konnte man sie im Schloss nicht, und selbst wenn, es waren nur noch ihr Vater und der Butler anwesend. Alles andere Personal hatte ihr Vater schon entlassen müssen. Vom Butler durfte sie keine Hilfe erwarten, weil sie ihn viel zu oft sehr herablassend behandelt hatte. Und ihrem Vater hatte sie es zu verdanken, dass sie überhaupt in dieser Lage war.

Seit gut zwei Monaten hatte sie kein Wort mehr gesprochen und sie fragte sich, ob ihre Stimmbänder wohl noch funktionieren würde. Sie überlegte lange, was wohl ihre ersten Worte sein sollten. Schließlich entschied sie sich dafür, ein Gebet zu sprechen. Sie hatte es einer der Schwestern zu verdanken, die an ihrem Bett manchmal eines gesprochen hatte. Sophie gaben diese Gebete sowohl innerliche Kraft als auch Trost. In der Kirche war sie schon seit ihrer Konfirmation nicht mehr gewesen.

Die ersten Worte kamen krächzend und Sophie hatte schon Angst, sie würde ´ihn´ beleidigen. Doch je länger sie sprach, desto besser wurde es und es gab ihr zusätzlich Kraft, ihre Gedanken auszusprechen. »Ich habe mir das selbst zuzuschreiben und ich bekomme jetzt meine gerechte Strafe.«

Trotz allem war sie froh, wieder eine menschliche Stimme zu hören, auch wenn es nur ihre eigene war.



Langsam reifte in ihr die Erkenntnis, dass sie versuchten musste aufzustehen. Natürlich wusste sie noch, wie sie aufstehen musste, doch obwohl ihre Nerven den Muskeln die entsprechenden Befehle gaben, tat sich nur sehr wenig. Sophie erkannte, dass sie sich wohl aus dem Bett rollen musste.

Langsam kam die Bettkante näher, gleich würde sie es geschafft haben. Den kleinen Sturz wollte sie in Kauf nehmen; wenn sie einmal vor dem Bett liegen würde, wäre es bestimmt leichter möglich, aufzustehen.

Der Aufprall war hart und Sophie musste schmerzhaft feststellen, dass ihre Nerven alle hervorragend funktionierten. Nach dem der große Schmerz langsam verklungen war, wagte Sophie es, die Augen zu öffnen. Sie zuckte zusammen, denn direkt vor ihre Augen lag eine dicke Staubmaus.

Sophie lag wortwörtlich im Dreck, denn in der Kammer war seit Jahren nicht mehr sauber gemacht worden, und, überall lagen Staubmäuse herum. Früher hätte sie sich geweigert, solch ein Zimmer überhaupt zu betreten. Jetzt hatte sie keine Wahl.

Sie wollte aufstehen, doch sie musste schnell feststellen, dass sie dafür keine Kraft hatte. Sie blickte zu dem Tisch, auf dem die Dose stand. Er war nur einen Meter entfernt, doch für sie im Moment fast nicht erreichbar. Sie musste durch den Staub kriechen. Sie fühlte es als Demütigung und als Bestrafung, doch sie hatte es mit ihrem bisherigen Lebenswandel mehr als verdient, und sie nahm die Strafe gern entgegen. Trotzdem konnte sie nicht verhindern, dass sie zu weinen begann.

* * *

Fast atemlos öffnete Paul den Karton, nachdem er die Klebestreifen vorsichtig aufgeschnitten hatte. Wie zu erwarten war, mussten erst einmal viele Lagen von Seidenpapier entfernt werden, und mit jeder Lage kam ein Stück mehr von glänzendem schwarzen Leder zum Vorschein. Deutlich waren die langen Stahlbänder zu erkennen, die dem Korsett den nötigen Halt gaben und der Trägerin eine ganz bestimmte Haltung aufzwangen.

»Es sieht schön aus.« Maria streichelte mit der Hand über das Leder.

»Hast du keine Angst davor?« Paul war von dem Korsettmonster eher eingeschüchtert.

»Ich freue mich darauf.« Sie war ein wenig verlegen. »Ich stelle mir dann immer vor, du würdest mich umarmen.«

»Das können wir ja trotzdem machen.« Paul versuchte ein Lächeln. Natürlich hatte er keine Angst vor dem Korsett selbst, sondern vor dem, was es mit seiner Freundin machen würde. Insofern war er erleichtert, als seine Freundin ihm versicherte, sich auf das Korsett und die damit verbundene Strenge zu freuen. »Nehmen wir es heraus?«

»Ich dachte schon, du fragst gar nicht mehr.« Maria lächelte, dann ging an das Fußende und kniete sich vor den Karton. »Meine Mutter sagte, dass jetzt noch mehr Stahlstangen verarbeitet sind und dass es noch schwerer sein würde.« Sie holte tief Luft. »Ich freue mich schon.«

Gemeinsam hoben sie das Korsett aus dem Karton und legten es auf den Tisch, auf dem sie zuvor Platz gemacht hatte. Wie es zu erwarten war, bog sich das Korsett dabei nicht durch, sondern blieb steif in seiner Form.

»Hast du gesehen? Da ist noch mehr im Karton.« Paul machte darauf aufmerksam, dass in der Kiste noch weitere kleine Kartons waren.

»Und das ist kein Füllmaterial?« Maria war verwundert. Von Zubehör hatte ihre Mutter ihr nichts gesagt.

Paul nahm den ersten der drei Kartons heraus und öffnete ihn. »Hier ist ein Brief von deiner Mutter.« Er reichte Maria ein Blatt Papier, als er darauf den Briefkopf der Klinik erkannt hatte.

Maria überflog die wenigen Zeilen, dann ließ sie das Blatt wieder sinken. »Sie sagt, sie wusste nicht, ob das Zubehör rechtzeitig fertig werden würde, deswegen hat sie mir nichts davon gesagt. Sie wünscht uns viel Spaß beim Ausprobieren.«

»Deine Mutter hat aber einen seltsamen Humor.« Pauls Stimme zeigte, wie beeindruckt er von dem Inhalt der Kartons war. Er legte das Seidenpapier beiseite und nahm zwei Armkorsetts heraus.

Maria keuchte einen Moment, dann nahm sie wieder das Schreiben zur Hand und las darauf vor. »Das Besondere ist, dass alle Teile jetzt fest miteinander verbunden werden können. Es wird sich anfühlen, als wäre es ein einziges Teil.« Ihre Stimme wurde gegen Ende immer leiser. »Davon hat sie mir nichts gesagt.« Sie ließ den Brief wieder sinken.

Paul nahm die anderen beiden Kartons heraus und packte sie ebenfalls aus. Zum Vorschein kamen drei Ballettstiefel und eine schon auf den ersten Blick sehr streng aussehende Kopfhaube.

»Warum denn drei Stiefel?« Maria war verwundert. »Nicht zwei oder vier?«

Paul legte die Stiefel auf dem Tisch. Jetzt war der Grund für die außergewöhnliche Anzahl zu erkennen. »Da ist ein Monostiefel dabei.«

Maria nahm den deutlich breiteren Stiefel zur Hand. »Am liebsten würde ich ihn sofort ausprobieren.«

»Das war mir klar.« Mrs. Potter betrat den Raum. »Aber gleich hat sich Frau Bayer angesagt. Sie möchte wissen, was so alles passiert ist.«

»Schade.« Maria legte den Stiefel wieder weg und seufzte.

Ihre Erzieherin trat an den Tisch und begutachtete das neue Korsett ebenfalls. »Außerdem ist das eher ein Stiefel für das Bett, oder willst du damit durch die Gegend hüpfen?« Obwohl sie es streng ausgesprochen hatte, klang doch ein Schmunzeln in ihrer Stimme durch.

Maria seufzte noch einmal, dann drehte sie sich zu Paul. »Die Pflicht ruft.« Sie begann, die Sachen wieder in die Kartons zu räumen. Als sie eines der Armkorsetts in der Hand hielt, stutzte sie. Fasziniert blickte sie auf darauf. »Das ist kein Armkorsett, das ist ein oberarmlanger Handschuh.« Sie zeigte es Paul und wies darauf hin, dass sogar jeder einzelne Finger zu schnüren war. »Das muss ein Vermögen gekostet haben.«

»Heute ist die wichtige Sponsorenversammlung, und danach wird Anna zum Rudern vorbeikommen.« Die Erzieherin machte eine bedeutsame Pause. »Wie wäre es, wenn wir das Korsett morgen ausprobieren.«

Maria war etwas enttäuscht. »Ich wollte die Baroness im Krankenhaus besuchen, und dann wollte ich den Nachmittag mit dir verbringen.« Sie gab Paul einen kurzen Kuss. Sie wollte allerdings nicht zeigen, dass sie sich das Korsett nur ungern von ihrer Erzieherin anziehen ließ.

»Ihr sollt das ja auch zu zweit machen, und nur wenn eine helfende Hand gebraucht wird, werde ich dich berühren.« Sie lächelte, als sie an Marias erschrockenem Gesichtsausdruck erkannte, dass sie es getroffen hatte.

»Das wäre toll.« Maria erkannte auf einmal, welche Brücke ihr ihre Erzieherin gebaut hatte. »Ich bin auf das neue Korsett schon sehr gespannt, ich glaube, es mindestens ist so streng wie das vor Sarah.«

Auch Paul war von dem Gedanken, seine Freundin in den Lederpanzer zu verpacken, sehr angetan. »Ich werde gut auf dich aufpassen.«

* * *

Es dauerte lange, bis Sophie nahe genug an dem kleinen Tischchen war, auf dem ihr Frühstück stand. Sie hatte sich überlegt, dass sie durchaus in der Lage sein müsste, eine sitzende Position einzunehmen, um dann in Reichweite der Dose und des Öffners zu sein. Trotzdem dauerte es lange, bis die ihren Rücken an das Bett lehnen konnte.

Sie musste sich erst einmal erholen und Kräfte sammeln, denn das Aufrichten war sehr anstrengend gewesen. Schließlich wagte sie es, ihre Hand nach der Dose auszustrecken.

Sie hatte insgeheim schon damit gerechnet, dass sie vielleicht nicht in der Lage sein würde, die Dose festzuhalten; doch was sie auf jeden Fall verhindern wollte, war, dass die Dose herunterfallen und davon rollen würde. Lieber nahm sie es in Kauf, dass sie ihr auf das Bein fallen würde.

Doch sie schaffte es, die Dose in die Hand zu nehmen. Ihre Fingermuskeln zeigten ihr aber sofort, wie schwach sie noch waren. Kurz vor dem Boden musste sie loslassen und die Dose in den Staub fallen lassen. Letzterer wurde etwas aufgewirbelt.

Als nächstes griff sie sich den Dosenöffner. Der Haushalt im Schloss war schon immer hoch modern ausgerüstet gewesen, und obwohl Sophie so einen Öffner noch nie in der Hand gehalten hatte, glaubte sie doch zu wissen, wie sie damit umzugehen hatte. Sie setzte ihn an die Dose an und versuchte zuzudrücken. Doch ihre Hand meldete ihr sofort, dass bisher kaum Kraft vorhanden war.

Der Hunger nahm zu, trotzdem wusste Sophie, dass sie es langsam angehen musste. Sie überlegte, ob sie vom Tisch eine andere Dose holen sollte, doch sie verwarf diesen Gedanken schnell. Erstens musste sie sich ihre Kraft gut einteilen und zweitens würden die anderen Dosen die gleiche Kraftanstrengung von ihr benötigen.

Sie begann wieder mit sich selbst zu sprechen und sich Mut zuzureden. Sie feuerte sich quasi selbst an. Doch es dauerte über zwei Stunden, bis die Dose die erste nennenswerte Beschädigung hatte.

* * *

Es klingelte. Mrs. Potter ging zur Tür. »Das wird Frau Bayer sein.« Sie öffnete und bat den Gast herein.

»Maria, wie geht es dir?« fragte Renate Bayer nach der herzlichen Begrüßung von ihr und Paul. »War in Amerika alles in Ordnung?«

»Jetzt schon.« Maria grinste und gab Renate danach einen kurzen Überblick über die Ereignisse in den Staaten.

»Und wie war der Flug?« Renate packte einen Notizblock aus. »Ich habe gehört, die Ankunft war etwas turbulent.«

»Turbulent ist noch untertrieben.« Maria holte tief Luft, dann erzählte sie von ihrer ´Verhaftung´ und von der Fahrt im Streifenwagen.

Renate hörte aufmerksam zu. Dass sie schon einen ausführlichen Bericht vom Direktor der Sparkasse bekommen hatte, behielt sie für sich. Sie wollte wissen, wie Maria selbst darüber dachte. Immerhin war es im Rahmen des Festes ihre Aufgabe, sich gut um die beiden Hauptdarsteller zu kümmern.

Maria und Paul gaben kurz noch einmal wieder, was sich ereignet hatte, nicht ohne dabei die Hilfe der Reporterin zu erwähnen. »Ohne sie wäre das nicht so glatt gegangen.«

»Eine ereignisreiche Ankunft.« Renate ließ ihren Notizblock sinken. »Und dann habe ich von Herrn Steinhagen noch einen Tipp bekommen. Er sagt, ich muss mir das unbedingt anschauen, er sagte aber nicht, was. Das hätte er versprochen. Ihr wüsstet schon, was gemeint wäre.«

»Er hat dicht gehalten.« Maria sagte es eher zu sich selbst und zeigte dabei so etwas wie Erleichterung. Dann drehte sie sich zu Paul. »Holst du bitte die Sachen?« Sie erinnerte sich an den Brief des Barons, den Mrs. Potter heute morgen in der Post gefunden hatte. Er bat sie darin, das Gebet möglichst bis zum Fest möglichst keinem zu zeigen. Es war eine kleine Ausnahmeliste angehängt und auf der war Frau Bayer eingetragen.



»Du kannst das schon richtig gut.« Maria war erstaunt, wie schnell und trotzdem bequem ihr Freund ihr das Gebet angelegt hatte. Die Riemen saßen streng, und trotzdem war ihre Haut nirgends eingeklemmt oder gezwickt.

»Ich bin schwer begeistert.« Renate hatte Mühe, Worte zu finden. »Wie lange hältst du das aus? Zehn Minuten?«

Maria musste kurz husten. »In Amerika habe ich es sechs Stunden lang getragen und der Arzt sagt, dass bis zu acht Stunden möglich gewesen wären.«

Renate keuchte. »Darf ich dich einmal anfassen?«

Maria gab die Zustimmung gern.

»Und das wirst du auf dem Ball tragen?« Renate rief sich kurz den Ablauf des Festes ins Gedächtnis.

»Ich möchte am liebsten so auch vor den Altar treten.« Maria war etwas verlegen. »Ich habe schon so oft davon geträumt. Wäre das möglich?«

Renate hatte Mühe, ein Stöhnen zu unterdrücken. Natürlich warf dies viele bisherige Planungen durcheinander, doch diese wirklich außergewöhnliche Armhaltung musste einfach gezeigt werden. »Das werde ich einrichten.« Sie schlug eine schon beschriebene Seite ihres Notizblocks auf und blickte Maria kurz an. »Ich wollte noch kurz die nächsten anstehenden Termine besprechen.«

* * *

Andrea war verwundert, dass der Baron ihr jetzt doch noch einen Interview-Termin gegeben hatte. Schließlich hatte sie schon einiges Material gegen ihn zusammengetragen. Doch dann hielt sie kurz in ihren Gedanken inne. Eigentlich konnte er von ihren Bemühungen noch nichts wissen.

Außerdem, so war sie sich sicher, war ihm sicher daran gelegen, dass über das Fest nur Gutes berichtet wurde. Sie dachte an ihre kleine Serie, mit denen sie jetzt seit einigen Wochen ihre Leser unterhielt.

Dabei hatte sie schon alles Material für ihre Artikel beisammen. Es standen jetzt nur noch zwei Artikel an. Einer davon war für Marias Zeit in Amerika reserviert, und der letzte würde sich mit der heißen Phase der Festvorbereitung befassen.

Sie hatte den Termin trotzdem zugesagt, weil sie hoffte, für ihre Verdachte weitere Indizien zu bekommen. Und vielleicht konnte sie den einen oder anderen unklaren Punkt in ihren Notizen klären. Langsam machte sie sich auf in das Café, in dem sie sich verabredet hatten.

* * *

Baron Harsumstal wischte sich den Schweiß von der Stirn, nachdem er bei der Bedienung einen Kaffee bestellt hatte. Er fühlte, dass es langsam eng wurde. Doch noch sah er eine realistische Chance, dass Maria auf dem Fest das Gebet präsentieren würde und er das Geld kassieren konnte. Gestern hatte ihn der Chefarzt gedrängt, seine Tochter aus der Klinik zu entfernen, weil seine Manipulationen aufzufliegen drohten. Zum Glück war der Raum im Keller rechtzeitig fertig geworden, und sein Neffe würde ab und zu nach Sophie sehen. Es waren genug Vorräte in dem Raum, so dass es ihr an nichts mangeln sollte, von ihrem bisherigem Luxusleben einmal abgesehen.

Er hätte das Interview viel lieber bei sich im Schloss gegeben, doch das war ihm mittlerweile zu riskant. Sophie war im Keller, und das angebliche Unfallauto stand vorn in der Garage. Er hätte es eigentlich schon verkaufen wollen, doch im Moment hätte das vermutlich einigen Staub aufgewirbelt.



»Wie geht es ihrer Tochter?« Andrea fand es richtig, sich nach der wenig herzlichen Begrüßung zuerst nach den Angehörigen zu erkundigen, wenn auch ihr eigentliches Interesse anderen Themen galt.

»Der Arzt hat mir Hoffnung gemacht, dass sie bald nach dem Fest wieder mit Gehbewegungen anfangen darf.« Der Baron versuchte, den besorgten Vater zu geben. Zumal die Aussage sogar korrekt war, wenn man sie nur aus dem richtigen Blickwinkel betrachtete.

»Sie hatte einen schweren Unfall?« Andrea wusste zwar schon, dass der Unfall fingiert war, doch sie hatte bisher keine Ahnung warum. Und so hoffte sie, das wahre Motiv herauszubekommen, wenn sie sich auf sein Spiel einließ.

Der Baron erzählte das, was Andrea allerdings schon wusste.

Sie musste sich zusammenreißen, damit ihr kein falsches Wort heraus rutsche. Sie kam sich vor wie in einem Käfig mit einem schlafenden Löwen. Wenn sie nur eine falsche Bewegung machte, wäre es aus. Sie hatte keine Zweifel daran, dass er sie aus dem Weg räumen würde, wenn er Verdacht schöpfte. »Meinen sie, Maria wird eine gute Vertretung für ihre Tochter sein?« Andrea bemühte sich um eine neutrale Stimme.

»Ich habe sie seit ihrer Rückkehr noch nicht wieder gesehen, doch ihre Mutter hat mir versichert, dass sie optimal vorbereitet ist.« Er versuchte, seinen Ärger darüber zu verbergen, dass er sie noch nicht besucht hatte.

Es war ein Kampf auf Augenhöhe. Beide Parteien waren bemüht, ihr jeweiliges Geheimnis zu wahren und sich keine Blöße zu geben.

Andrea hatte zwar noch ein paar weitere Fragen vorbereitet, doch sie spürte, dass sie keine weiteren verwertbaren Antworten bekommen würde. Schließlich beschränkte sie sich auf ein paar Allgemeinplätze. »Ich möchte dann gern gehen.« Sie packten ihre Sachen zusammen. »Im Rathaus ist die Sponsorenversammlung, und an der möchte ich teilnehmen.« Sie war etwas verlegen. »Ich habe bloß keine Einladung.« Natürlich hätte sie auch diverse andere Mittel gehabt, um trotzdem auf die Veranstaltung zu kommen, doch in diesem Moment reizte es sie, sich an den Baron anzuhängen.

»Wenn sie möchten, dann kann ich sie mitnehmen.« Es war dem Baron natürlich klar, welch gefährliches Spiel er spielte, doch er ging das Risiko trotzdem ein, weil er es sich mit der Presse nicht verderben wollte. Außerdem würde es sich sowieso nicht mehr verheimlichen lassen, dass Maria auf dem Fest die Originalhaltung tragen würde.

Die Sponsoren waren zwar alle zur Geheimhaltung verpflichtet, doch er kannte den Buschfunk in der kleinen Stadt und hatte ihn früher auch gelegentlich selbst genutzt, wenn er ein bestimmtes Gerücht in Umlauf setzen wollte. Er war schon weit von seinen ursprünglichen Plänen abgewichen, es war jetzt nur noch wichtig, die eigene Haut zu retten, denn das Wasser stand ihm wirklich bis zum Hals. Es war nur noch ein Sachen von Tagen, bis er Farbe bekennen musste, wenn seine aktuellen Pläne nicht aufgingen.

* * *

Gegen Mittag hatte die Ravioli-Dose endlich eine so große Öffnung, so dass Sophie sich mit den Fingern die erste Nudel heraus angeln konnte. Sie wusste, dass es Mittag war, weil sie von draußen die Uhr des Schlossturms schlagen hörte und wie sie es aus der Klinik gewohnt war, die Schläge mit zählte hatte. Es war eine der ganz wenigen Abwechslungen, die sie in ihrem traurigen Klinikalltag gehabt hatte.

Natürlich wusste sie, dass es besser gewesen wäre, die Ravioli erst einmal zu erwärmen, und in der alten Dienstbotenwohnung hätte es auch eine kleine Kochgelegenheit gegeben. Doch diese zu benutzen, dieses Ziel lag noch in weiter Ferne. Sie hätte dazu aufstehen müssen, sich einen Topf suchen und beim Erwärmen öfters umrühren müssen. Sie wusste, dass ihre Muskeln dies noch überhaupt nicht mitgemacht hätten.

Unter normalen Umständen hätte Sophie über eine Dose Ravioli nur die Nase gerümpft, doch jetzt verschlang sie die kalten Nudeln geradezu mit Heißhunger. Und zu ihrer Verwunderung schmeckten sie wirklich köstlich.

Nach der dritten Nudel hielt sie inne, denn sie erinnerte sich wieder an die Worte der Schwester in der Klinik, die der Lernschwester auch über die Ernährung der hilflosen Patientin berichtete hatte. Ihr Magen sei nur Flüssigkeiten gewöhnt und sie müsste mit fester Nahrung langsam beginnen.

Dermaßen gestärkt machte sich Sophie daran, sich zu überlegen, was die nächsten möglichen Schritte waren. Sie horchte in sich hinein, und als Antwort bekam sie die Mitteilung, dass sich ihr Körper dringend nach Ruhe sehnte.

Sophie blickte wehmütig zum Bett hoch, doch sie wusste, dass die Kraft noch nicht reichen würde, um sich wieder hoch auf das Bett zu stemmen. Außerdem roch sie die stickige Bettwäsche auch noch vor dem Bett, und so beschloss sie, es sich vor dem Bett gemütlich zu machen.

Etwas halbherzig wischte sie den Staub weg, um wenigstens ihren Kopf nicht in den Dreck legen zu müssen, dann ließ sie sich auf die Seite fallen und streckte sich vor dem Bett aus. Gleich darauf war sie völlig erschöpft eingeschlafen.

* * *

»Was meinte Renate damit, wir müssten in Uniform kommen?« Paul war etwas ratlos. »Meint sie die Ketten für den Freitag?« Er blickte zu Maria, die sich umgezogen hatte und jetzt die Treppe herunter kam. Frau Bayer hatte sie zur Versammlung der Sponsoren eingeladen.

»Unsere Kostüme kann sie nicht meinen, die sind ja noch nicht fertig.« Maria war ebenfalls unsicher, wie die Anweisung gemeint war.

»Trauen wir uns allein mit den Ketten auf die Straße?« Paul war besorgt um das Ansehen seiner Freundin.

»Warum denn nicht.« Maria zeigte sich etwas mutiger.



»Ich hatte euch doch gesagt, ihr solltet in Uniform kommen.« Renate zeigte deutlich, dass sie von der Erscheinung von Maria enttäuscht war.

»Das haben wir doch gemacht?« Maria hielt ihre Arme hoch und wackelte etwas mit den Ketten. Sie spürte deutlich, dass Renate verärgert war, doch sie wusste nicht, was sie falsch gemacht hatten.

»Das kennen die Sponsoren schon, das wollen sie nicht sehen.« Renate gab sich Mühe, wieder etwas Freundlichkeit zu zeigen.

Paul hatte auch erkannt, dass sie ihre Betreuerin wohl falsch verstanden hatten. »Was war denn dann gemeint? Etwa das Gebet?«

»Entschuldigung«, Renate begann zu begreifen, dass es zum Teil auch ihr Fehler war. »Ja, das Gebet war gemeint. Ich hätte es deutlicher sagen müssen.«

»Es gibt Probleme?« Andrea kam mit einer ernsten Miene auf das Paar zu.

Maria kam nicht auf den Gedanken, zu fragen, wo die Reporterin her kam. Sie war eher froh, ein bekanntes Gesicht zu sehen. »Sie wollen das Gebet sehen.«

Andrea warf einen Blick auf die Ketten, die Maria noch trug. »Falsches Kostüm?« Sie lächelte ein wenig.

»Ja, so kann man das auch sagen.« Maria zeigte ebenfalls etwas Galgenhumor, dann wandte sie sich an Paul. »Du musst mir die Ketten abnehmen und das Gebet anlegen.«

»Aber ich habe nichts dabei.« Auf einmal wurde er knallrot. »Und die Kettenschlüssel liegen daheim auf dem Tisch.«

»Ich habe gerade ein Déjà-vu.« Maria verdrehte die Augen.

»Ich könnte die Sachen holen, aber ich möchte dich nicht allein lassen« Paul war sichtlich verlegen.

»Und wenn wir so bleiben?« Maria blickte Frau Bayer an.

»Das geht nicht.« Renate war mindestens genauso verlegen wie Paul. »Der Baron hat viele Versprechungen gemacht, die wir jetzt einhalten müssen.« Sie zeigte auf die Tür zum Sitzungssaal. »Dort drinnen sitzt eine Herde Geier, die uns zerfleischen wird, wenn wir nicht das machen, was sie erwarten.«

Andrea sah auf einmal eine große Chance. »Ich werde die Sachen für euch holen. Und ihr werdet den Damen und Herren Rede und Antwort stehen.«

Es war Renate Bayer überhaupt nicht recht, dass sich die Presse auf diese Weise einmischte, doch eine Alternative wusste sie in der Situation auch nicht. »Was sollen wir den Sponsoren sagen?«

»Lassen sie mich reden.« Andrea gab sich sehr selbstbewusst. »Das Stichwort ist ´Flucht nach vorn´.«

Sie ging zur Tür. »Maria, Paul, kommt ihr.«



Als sie den Raum betraten, setzte sofort ein Geraune ein. »Das können sie mit uns nicht machen.« »Er versucht es schon wieder.« »Wo ist das versprochene Gebet, die Ketten kennen wir.«

Andrea bat um Ruhe. »Meine Damen und Herren, es liegt ein Missverständnis auf unserer Seite vor.« Sie wartete, bis sich Sponsoren beruhigt hatten. »Wir haben Paul und Maria die falsche Einladung zukommen lassen, deswegen sind sie mit den Ketten gekommen.«

»Und was gedenken sie jetzt zu tun?« Einer der Herren machte sich zum Wortführer.

»Ich werde das Missgeschick korrigieren und für Paul und Maria die richtige Ausrüstung holen.« Sie ging zur Tür. »Es dauert nicht lange, ich bin mit dem Auto da. In der Zwischenzeit wird Maria sicher gern von ihrer Ausbildung erzählen.« Sie verließ den Raum.

Maria blickte sich um. Ein paar wenige Herren erkannte sie, unter anderem war Herr Schwerterle anwesend.

»Lassen sich die Ketten nicht einfach abnehmen? Das sind doch nur Attrappen.«

»Nein, das geht nicht.« Herr Schwerterle mischte sich ein. »Die sind von uns originalgetreu gefertigt, also auch mit Schlössern.«

Die Tür ging auf und Herr Steinhagen betrat den Raum. »Ich bitte meine Verspätung zu entschuldigen.« Sein zweiter Blick fiel auf Maria. »So war das aber nicht abgesprochen.« Er suchte Frau Bayer. »Was ist passiert?«

»Ein Missverständnis.« Renate war sehr verlegen. »Frau Baseling holt gerade die richtigen Sachen.«

Rudolf runzelte die Stirn, doch dann nahm er auf dem Platz an der Kopfseite platz. »Nun dann warten wir.« Er ließ seinen Blick im Raum umherschweifen. Als er sah, dass Paul und Maria noch standen, bat er sie, nach vorn zu kommen und auf den Stühlen hinter ihm Platz zu nehmen.



Sie mussten nicht lange warten, dann betrat Andrea wieder den Saal. In der Hand trug sie eine Tasche und ein Schlüsselbund.

Paul und Maria standen sofort auf und gingen auf Andrea zu. Paul nahm sich die Schlüssel und öffnete Marias Ketten. »Es tut mir leid«, flüsterte er.

»Kein Problem.« Maria lächelte, denn insgeheim freute sie sich darauf, hier das Gebet zeigen zu dürfen.

»Jetzt wollen wir aber sehen, ob sie das wirklich können.« Einer der Sponsoren machte einen sehr ungeduldigen Eindruck.

»Herr Wetzler, bitte beherrschen sie sich.« Herr Steinhagen bat um Ruhe. »Maria kann etwas ganz Außergewöhnliches, aber wir dürfen sie nicht hetzen.« Er wandte sich an das Paar. »Lassen sie sich bitte nicht drängen, nehmen sie sich die Zeit, die sie brauchen.«

Maria rieb sich noch etwas die Handgelenke, dann legte sie ihre Arme auf den Rücken und brachte sie in Position. »Kann losgehen.« Sie lächelte Paul an.

Zu seiner eigenen Überraschung blieb Paul völlig ruhig, als er nach und nach die Riemen um Marias Arme legte und fest zog. Er gab sich diesmal sogar Mühe, auf einen eleganten und symmetrischen Verlauf der Riemen zu achten. Maria stand mit dem Gesicht zu den Sponsoren, so dass diese zunächst nicht sehen konnten, was Paul hinter ihrem Rücken machte.

»So, fertig.« Paul war erleichtert. »Sitzt es gut?«

Als Antwort drehte Maria ihren Kopf zu ihrem Freund und küsste ihn kurz auf die Wange. Sie wollte sich schon umdrehen, als sie von Herrn Steinhagen unterbrochen wurde. »Maria, warten sie noch einen Moment.«

Er erhob sich. »Bevor irgendwelche Fragen kommen, Maria ist seit mehreren Jahren im Training und hat in Amerika in der Klinik ihrer Mutter noch eine Spezialausbildung bekommen. Sie hat das Gebet schon über sechs Stunden getragen und stand dabei unter ärztlicher Aufsicht. Ihre Muskeln sind an diese besondere Haltung gewöhnt, und es werden deswegen keine Schäden auftreten. Dennoch sollten wir im Rahmen des Festes gut auf unsere Hauptdarstellerin acht geben und ihr viel Pausen gönnen.« Er drehte den Kopf zu Maria. »Jetzt können sie sich umdrehen.«

Maria hatte sofort begriffen, dass sie es auch etwas spannender machen musste. Ganz langsam begann sie mit der Drehung, und je weiter sie sich drehte, desto leiser wurde es im Saal. Als sie die Wand direkt ansah, war es so still, dass man die sprichwörtliche Stecknadel hätte fallen hören können.

»Schön und gut«, Herr Wetzler zeigte sich wenig beeindruckt. »Aber wiegt das die Baroness auf? Ich denke nicht.« Wieder setzte Gemurmel ein. »Der Baron hatte uns ursprünglich seine Tochter versprochen, die Baroness Sophie von Harsumstal. Wer ist schon eine Maria ...?« Er stutzte. »Wie war doch gleich der Nachname?«

Maria fühlte auf einmal einen großen Schlag in die Magengrube. Sie hatte Mühe, ihre Tränen zurück zu halten.

Paul erkannte sofort, was seine Freundin bewegte. »Komm, ich denke, wir werden hier nicht mehr gebraucht.«

Herr Steinhagen blickte Maria traurig hinterher. Genau das hatte er befürchtet, doch er wusste auch, dass er Maria diese Erfahrung nicht ersparen konnte.

Andrea hielt es nicht mehr auf ihrem Platz. Sie stand auf. »Wartet bitte.« Sie versuchte, Paul und Maria aufzuhalten, doch als sie Marias trauriges Gesicht sah, ließ sie sie gehen. Sie ging nach vorn zum Kopf der Tafel. »Meine Herren, was bilden sie sich eigentlich ein...«

Mehr hörten Paul und Maria nicht, denn sie hatten den Saal verlassen. Als sich die Tür geschlossen hatte, drehte sich Maria um, lehnte sich an Pauls Brust und begann bitterlich zu weinen. Paul legte seine Arme um seine Freundin und streichelte sie tröstend. Auch er war von diesem Auftritt mehr als geschockt.

Nachdem sich Maria etwas beruhigt hatte, zog er sie zu der kleinen Bank an der Seite. Fast unauffällig löste er die Riemen des Gebetes und gab so Maria ihre Arme wieder zurück.

»Oh Paul, das war so demütigend.« Endlich fand sie ihre Worte wieder.

»Lass dich davon nicht unterkriegen.« Paul wischte ihr die Tränen weg. »Du wirst die Katerina schön spielen, und du bist besser als die Baroness.« Er spürte, dass Maria Ablenkung gebrauchen konnte. »Komm, Anna hat sich zum Rudern angesagt.«

Traurig ergriff sie Pauls Hand und ließ sich hochziehen. »Lass uns gehen.«

* * *

Anna sah sofort, dass etwas Einschneidendes passiert sein musste. Als Paul sie über die Ereignisse informiert hatte, erkannte sie sofort, dass Maria Trost und Ablenkung gebrauchen konnte.

Endlich sah sie eine kleine Möglichkeit, sich erkenntlich zu zeigen. »Komm, Maria, du wolltest mir zeigen, wie man rudert.« Eigentlich mochte sie Sport überhaupt nicht, weil es sie an ihre bisherige Erziehung erinnerte, doch hier war eine Möglichkeit, sich für die empfangene Hilfe zu bedanken, ohne dass es aufgesetzt wirkte.

Maria seufzte noch einmal, dann gab sich einen Ruck. »Wir müssen uns umziehen.« Sie mochte das Rudern auch nicht, doch jetzt war es eine willkommene Ablenkung, um sich die traurigen Gedanken und die Demütigungen aus dem Gedächtnis zu rudern.

* * *

Etwas Gutes hatte Sophies Aufenthalt in ihrem Keller für sie selbst; sie war endlich von ihrem sonst immer so aufdringlichen Verehrer befreit. Dieser Michael lauerte überall und verfolgte sie normalerweise auf Schritt und Tritt. Doch die Männer, mit denen sie sich üblicherweise umgab, waren für ihn anscheinend abschreckend genug, so dass er nicht zu näher ihr vordringend konnte.

Sie wunderte sich die ganze Zeit, dass er sie im Krankenhaus nicht besucht hatte. Sie vermutete, dass er eine weiße Gipshülle wohl nicht sehen wollte. Immerhin hatte er jeden Tag frische Blumen ins Krankenhaus geschickt. Anfangs hatten sich die Schwestern noch über den heimlichen Verehrer lustig gemacht.

Sehen konnte sie die Sträuße immer nur kurz, wenn die Schwestern sie in ihr Blickfeld hielten. Aber riechen konnte sie die Blumen, und es war nie ein unangenehmer Geruch. Zumal er anscheinend jeden Tag auch noch andere Sorten für sie auszuwählen schien, die entsprechend einen anderen Duft hatten.

Sie konnten eigentlich nur von Michael sein. Es sprach sehr viel dafür. Zum einen war es die Ausdauer. Nur er brachte üblicherweise so eine Geduld auf. Und von ihren anderen Männerbekanntschaften wäre keiner auf so einen Gedanken gekommen. Von ihren Freundinnen konnte es auch keine gewesen sein, die waren eher auf sie neidisch gewesen.

Sie war mittlerweile so einsam, dass sie sogar einen Besuch von Michael als angenehme Abwechslung empfunden hätte. Er himmelte sie mit scheinbar endloser Geduld an, obwohl sie ihn stets mit der gleichen Energie ablehnte.

Sie wusste, dass sie sich als Erstes bei dieser Maria bedanken wollte. Sie war die Einzige, die sie jemals besucht hatte, nicht einmal ihr Vater war bei ihr gewesen. Er hatte sich nur mit den Ärzten unterhalten und sie dabei keines Blickes gewürdigt. Natürlich wusste sie, dass dieses Mädchen jetzt die Rolle spielte, die für sie gedacht war und auf die sie auch in den ersten Jahren hin gefiebert hatte. Eifersucht verspürte sie keine, denn seit dem Tod ihrer Mutter hatte ihr die Katerina immer weniger bedeutet.

* * *

Maria löste sich aus Pauls Armen, denn sie wollte früh ins Bett gehen, um sich noch einmal leise ins Kissen auszuweinen.

Doch sie wurde von ihrer Erzieherin aufgehalten. »Es hat sich noch ein Besuch angesagt, ein wichtiger Besuch.« Letzteres fügte sie hinzu, als sie Marias trauriges Gesicht sah.

»Wer kommt denn?« Maria blickte kurz auf. »Jemand vom Fest?« Sie war in einer Stimmung, in der sie am liebsten alles hingeschmissen hätte.

»Das wirst du dann schon sehen.« Die Erzieherin lächelte geheimnisvoll.

Sie mussten nicht mehr lange warten, als es klingelte. Mrs. Potter öffnete und bat fünf Herren herein.

Maria erkannte sie sofort, es waren einige der Sponsoren. Einer von ihnen trug einen Blumenstrauß. Maria erkannte ihn sofort an der Stimme, als er sich vorstellte. Es war der, der sie so tief gedemütigt hatte. Sie wollte am liebsten auf ihr Zimmer laufen, und nur der strenge Blick ihrer Erzieherin hielt sie davon ab.

»Wir möchten uns in aller Form bei ihnen entschuldigen.« Er reichte Maria den Blumenstrauß. »Sie werden eine tolle Katerina sein, und wir sind stolz, ihre außergewöhnlichen Fähigkeiten mit unserem Geld unterstützen zu dürfen.«

Maria blickte den Herrn Wetzler fassungslos an. Sie fand keine Worte.

»Was ist denn passiert?« Paul erkannte sofort, das er für Maria sprechen musste. »Wo kommt der plötzliche Sinneswandel her?«

Jetzt war es an dem Herrn, sichtlich verlegen zu sein. »Frau Baseling hat uns ordentlich den Kopf gewaschen. Sie hat uns deutlich gemacht, welches die wirklich wichtigen Werte sind.«

Auch die anderen Herren traten vor und entschuldigten sich bei Maria. »Wir haben uns blenden lassen. Wir waren so auf die Baroness fixiert, dass wir ihre Fähigkeiten überhaupt nicht gewürdigt haben. Sie werden das toll machen, und es wird ein schönes Fest werden.«

Maria blieb sprachlos. Sie klammerte sich an dem Blumenstrauß fest.

»Wir nehmen die Entschuldigung an.« Paul spürte, dass er immer noch für sie sprechen musste.

Der Herr räusperte sich. »Meine Frau und ich geben am Sonntag einen Empfang für unsere Kunden. Wir würden uns sehr freuen, wenn wir sie als unsere Ehrengäste begrüßen dürften. Nehmen sie es bitte als eine Wiedergutmachung für die schreckliche Demütigung von vorhin. Es tut uns wirklich leid.«

Maria hob den Kopf. »Wir werden kommen, danke für die Einladung.« Ihre Stimme zitterte etwas.

* * *

Andreas Zorn war noch nicht ganz verraucht. Was war das für eine sch... arrogante Gesellschaft, die solche Prioritäten setze. Da zeigte ein junges unschuldiges Mädchen ein atemberaubendes Kunststück, und diese Herren hatten nur die Baroness im Kopf. Doch jetzt war sie neugierig, ob ihre Rede etwas bewirkt hatte. Sie fuhr noch mal zu Marias Haus und klingelte.

Mrs. Potter öffnete. »Maria ist aber schon zu Bett gegangen nach diesem Ereignis.«

Andrea winkte ab. »Ich wollte auch nur in Erfahrung bringen, ob meine Rede etwas bewirkt hat. Waren sie da?«

Mrs. Potter lächelte. »Denen haben sie aber gewaltig den Kopf gewaschen.« Sie zeigte auf den Blumenstrauß und berichtete kurz vom Besuch der Männer.

»Ich glaube, ich habe mich auch ziemlich aus dem Fenster gelehnt.« Andrea lachte. »Aber ich war so wütend.«

Mrs. Potter tat etwas sehr seltenes, sie streichelte der Reporterin über den Arm. »Das haben sie gut gemacht.«

»Das war es mir einfach wert.« Andrea spürte das Besondere des Augenblicks. »Wie geht es Maria? Ist sie darüber hinweg?«

»Sie schläft jetzt.« Mrs. Potter wurde etwas nachdenklich. »Es hat vielleicht auch etwas Gutes, es hat sie wieder etwas auf den Teppich zurück geholt.«

Andrea lächelte jetzt auch ein wenig. »Ich glaube, ich weiß, was sie meinen.« Sie verabschiedete sich.

* * *

Gestärkt und ausgeschlafen blickte Sophie sich in ihrem kleinen Reich um. Es gab tausend Sachen, die sie sofort geändert hätte, wenn ihre Muskeln die Kraft dazu gehabt hätten. Doch so war das Einzige, über das sie frei verfügen konnte, ihre Augen und ihre sonstigen Sinne. Und natürlich auch ihr Gehirn. So viel wie in den letzten Wochen hatte sie wohl noch nie in ihrem Leben nachgedacht.

Ganz oben auf ihrer noch nicht geschriebenen Liste stand das Bett mit dieser pekigen Bettwäsche. Sie ekelte sich sehr davor, doch sie wusste andererseits, dass sie keine Wahl hatte, als eine zweite Nacht darauf zu verbringen.

Irgendjemand hatte ihr zwar frische Bettwäsche bereit gelegt, und diese sah auch sehr verführerisch aus. Doch Sophie konnte ihre Lage und ihre noch vorhandene Kraft mittlerweile realistisch einschätzen, und deswegen wusste sie, dass sie noch zu warten hatte.

Außerdem wusste sie eigentlich nicht mehr, wie so ein Bett neu zu beziehen war. Sie hatte sich seit langem nicht mehr darum gekümmert, sondern nur dem Personal ihres Vaters Beine gemacht. Jetzt musste sie den Kopf schütteln über ihre so maßlose Arroganz von damals. Sie wollte nie durch Spuren in der Bettwäsche an die vorangegangene Nacht erinnert werden, deswegen hatte sie verlangt, dass ihr Bett jeden Tag neu zu beziehen war. Jetzt schämte sie sich für ihr Benehmen von damals.

Der Erfolg mit dem Dosenöffner ermutigte sie, sich das nächste Ziel vorzunehmen. Morgen Abend wollte sie ihren Kopf auf das frisch bezogene Kissen legen.

Doch zuvor galt es noch einen anderen Kampf zu gewinnen. Sie musste sich wieder hoch auf das Bett heben. Natürlich wusste sie, welche Bewegungen sie normalerweise machen würde, doch sie spürte im Moment auch, was sie mit welcher Bewegung ihren Muskeln abverlangte und vor allem, welche Kraft sie überhaupt abrufen konnte. Und es war nur sehr wenig.



Tränen liefen ihr über die Wange, als sie sich endlich auf der Matratze ausstrecken konnte. Die Berührung mit der klebrigen Bettwäsche bereitete ihre geradezu körperliche Schmerzen, doch sie wusste, dass sie es ertragen musste.

Kurz vor dem Einschlafen erinnerte sie sich auf einmal an den Haushaltsunterricht, den sie in ihrer frühen Jugend bekommen hatte. Damals musste sie auch ein Bett beziehen, doch es war so verdammt lang her. Trotzdem sah Sophie die nötigen Schritte auf einmal direkt vor ihren Augen, und sie glaubte sogar, die Stimme der Gouvernante zu hören.

Obwohl sie sich vor dem Kissen ekelte, war ihre Müdigkeit doch stärker, und zusätzlich geschwächt durch den so mühsamen Aufstieg auf das Bett schlief sie bald darauf ein... und träumte von einem leckeren Teller heißer Ravioli.

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Machtdom
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  RE: Maria Datum:19.02.17 07:38 IP: gespeichert Moderator melden


hallo gag_coll,

schon wieder eine tolle Fortsetzung mit einigen Höhepunkten, wie dem unmöglichen Auftreten der Sponsoren plus Entschuldigung.
Die Reporterin Andrea bekommt einen mehr und mehr größeren Anteil an der Geschichte ... und das gefällt mir. Ich sehe sie auch schon in den Ketten.

Doch was ich noch viel besser finde, ist die Art, wie Du die Baroness, bzw. ihre Veränderung beschreibst. Auch wenn es natürlich von ihrem Vater grausam ist, sie so zu behandeln, hat es doch für sie einen guten Lerneffekt. Sie verliert ihre Arroganz und wird damit zu einem besseren Menschen.

Ich freue mich schon auf die nächste Fortsetzung.

Gruß
Machtdom
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marmas71 Volljährigkeit geprüft
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  RE: Maria Datum:19.02.17 07:44 IP: gespeichert Moderator melden


Hallo gag_coll,

danke für das geistige Frühstück.

In diesem Teil wurden ja einige Köpfe gewaschen.

Sophie hat auch einen grossen Spiegel vorgehalten bekommen.
Jetzt steht sie in der realität die sie über Jahre verdrängt hat.

Schade das Maria etwas leiden musste.


Schönen Sonntag

marmas71
Meine erste Geschichte über Damen mit KG und Gips. Titel : Arbeitslohn
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