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gag_coll
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  RE: Maria - Kapitel 14 - Das Katerinenfest - Teil Achtundvierzig Datum:24.05.17 06:15 IP: gespeichert Moderator melden


Maria
Kapitel 14 - Das Katerinenfest - Teil Achtundvierzig
Autor: Karl Kollar

(noch Samstag, 25. September 1984 - Festwochenende)

»Wie geht es dir jetzt?« Florian hatte den Arm um Anna gelegt, gemeinsam waren sie auf dem Weg in die Stadthalle. »Konntest du dich etwas ausruhen?«

»Oh ja, der Schlaf hat gut getan.« Anna seufzte etwas. »Ich habe doch tatsächlich von meinem Vater geträumt.«

»Oh, das tut mir leid.« Florian zog Anna noch etwas zu sich heran.

Doch zu seiner Überraschung lachte Anna. »Das war ein lustiger Traum.«

»Magst du mir etwas darüber erzählen?« Florian hoffte, dass seine Nachfrage richtig war.

»Ich weiß ja, wie er das Stück haben wollte.« Anna grinste. »Ich habe die Badinerie in einem anderen Tempo und in einer anderen Tonart gespielt. Und dazu auch noch in Moll.«

»Es hat ihn geärgert?« Florian versuchte, sich in die Gedanken seiner Frau zu versetzen.

»Und wie!« Anna lachte. »Aber er konnte nichts machen, weil ich auf der Bühne stand, und er saß im Rollstuhl.«

»Das ist auch eine Art Vergangenheitsbewältigung.« Er kicherte. »Wird das Stück auf dem Ball eigentlich auch gespielt?«

»Es stand nicht auf der Liste.« Annas Stimme zeigte eine gewisse Erleichterung. »Aber ich glaube, jetzt würde es mir auch nicht mehr so viel ausmachen.«

Sie gingen eine Zeitlang schweigend nebeneinander her.

»Heute Nacht musst du mich noch in den Handschuh einschnüren. Ich habe heute gar nicht trainiert.« Anna lächelte.

»Nanu? Du willst ihn sogar freiwillig tragen?« Florian war verwundert.

»Es ist auch ein Stück Vergangenheitsbewältigung.« Anna war auf einmal sehr nachdenklich. »Wenn ich ihn bei etwas sehr Angenehmem trage, könnte mir das helfen.« Sie machte eine Pause. »Der Traum hat mir das gesagt.«

»Na dann.« Florian seufzte. »Ich mache alles, wenn es dich nur glücklich macht.«

Anna blieb auf einmal stehen. »Gib es bitte zu, es gefällt dir, wenn ich den Handschuh trage.«

Doch Florian blieb die Antwort schuldig. »Laß uns weiter gehen, sonst kommen wir zu spät.«

* * *

»Was machen wir jetzt?« Juan blickte auf die Uhr. »Bis zum Ball ist es noch eine Stunde.

»Vorne am Eingang habe ich das Café Moni gesehen.« Sarah lächelte. »Wie wäre es, wenn wir noch etwas trinken gehen?«

Bertram wunderte sich. »Geht das denn mit den Ballkleidern?«

»Wir haben die Beinkorsetts nicht ganz geschlossen.« Juan erinnerte seinen Freund an die beiden Ankleideprozeduren. »Schließlich wollen unsere Damen auch tanzen.«

»Mit diesem Kleid in die Öffentlichkeit?« Betty war erbost. »Nie im Leben.«

»Meine Liebe, du hast keine Wahl.« Sarah gab Juan und Bertram erneut ein Zeichen.

Die beiden Herren traten neben Betty und hoben sie leicht hoch.

»Schon gut, ich komme freiwillig mit.« Betty begriff, dass sie keine Option zum Handeln mehr hatte. »Das kommt alles mit auf die Rechnung.« Sie funkelte Sarah böse an.

Im Cafe nahm zu Bettys Erleichterung keiner eine Notiz von ihnen. Lediglich die Bedienung hatte kurz die Stirn gerunzelt, als sie zwei der Getränke mit Stohhalm bestellten.

* * *

»Es kommt mir vor wie in einem Traum.« Leonie blickte sich verzückt um, als sie mit Holger und Frau Mohr das Haus verließ. »Einerseits bin ich streng gefesselt, andererseits sind wir unterwegs zu einem Ball.«

»Das geht mir aber auch so.« Holger war nicht minder begeistert von dem Gang zur Stadthalle. »Ich finde es unglaublich, dass man so durch die Stadt gehen kann.«

Selma fühlte sich verpflichtet, auf die besondere Situation aufmerksam zu machen. »Das geht aber nur wegen des Festwochenendes.« Sie lächelte verträumt. »Sonst wäre das hier auch nicht möglich.«

»Ich hoffe, du wirst mit mir tanzen?« Holger war von seiner Freundin nicht minder begeistert. »Vielen Dank schon einmal für das schöne Kleid.« Er drehte sich kurz zu Selma um, die langsam hinter ihnen her ging.

»Das ist ein wirklich schönes Kleid.« Leonie hatte gerade atemlos verfolgt, wie Pauls Oma sie doch tatsächlich in das Kleid eingenäht hatte. Ein Arm war mit in das Korsett eingeschlossen, das zu diesem Kleid gehörte, und der andere Arm war mit einem Reißverschluss längs am Körper befestigt. Holger hatte die Erlaubnis, ihr den Arm frei zu machen, wenn sie tanzen wollten. Und natürlich hatte sie versprochen, sich den Arm danach gleich wieder fixieren zu lassen.

In das Kleid war außerdem recht unauffällig auch noch ein strenges Halskorsett eingearbeitet, und immer, wenn Leonie den Kopf drehen wollte, musste sie ihren ganzen Körper bewegen, um ihr Ziel erreichen zu können.

Und dann waren da noch ihre Stiefel, die sie tragen durfte. Leonie war es zwar gewöhnt, manchmal auf hohen Absätzen unterwegs zu sein, doch dieses Mal war es etwas anders. Sie war in die Stiefel eingesperrt, und selbst wenn sie über ihre Arme verfügen würde, könnte sie sich die Schuhe nicht ausziehen, weil sie beide jeweils mit einem Schloss verschlossen waren. Und die Schlüssel hingen bei Frau Mohr am Schlüsselbrett.

»Es freut mich, dass dir das Kleid gefällt und dass es so schön passt.« Selma war von dieser Frau mit ihren außergewöhnlichen Leidenschaften ebenfalls sehr fasziniert. »Wenn du einverstanden bist, dann würde ich es dir gern schenken. Ich kann auch einen Reißverschluss zum Schließen einnähen.«

Leonie war hin und weg. »Sehr gern.« Sie blickte zu Holger. »Aber du musst mir beim Anziehen helfen. Das kann ich nicht allein.« Sie grinste.

»Stets zu ihren Diensten, Madame.« Holger lächelte ebenfalls.

»Wenn das Fest vorbei ist, gehen wir noch einmal zusammen auf den Dachboden.« Selma lächelte verträumt. »Ich habe da noch eine große Kiste mit Erinnerungsstücken an meine Zeit als Erzieherin. Ich würde mich sehr freuen, wenn ihr davon das eine oder andere gebrauchen könntet.«

Leonie keuchte ein wenig. »Wir sagen jetzt schon danke schön.«

* * *

»Was ist nun, wird es zu der Auszahlung kommen?« Franz-Ferdinand hatte den Notar abgepasst, gerade als er zusammen mit seiner Tochter die Garderobe von Maria verlassen hatte.

»Nun machen sie mal langsam, mein junger Freund.« Herr Schrumm war der aufdringliche Verwandte des Barons sehr unangenehm. »Erst einmal muss Frau Beller noch tanzen.«

»Das ist doch sicher nur noch eine Formsache, oder?« Franz-Ferdinand verdrehte die Augen. »Oh, Frau Schrumm.« Er begrüßte die Tochter des Notars. »Wo haben sie denn heute ihren schicken Rock gelassen?«

Sonja vermied es, an sich herunter zu blicken. Den Minirock mit der dunklen Strumpfhose trug sie nur im Büro, wenn sie wieder einmal die Urlaubsvertretung machte. Ihr Vater hatte sie dazu aber nicht aufgefordert, stattdessen hatte sie es im Fernsehen bei einer dieser amerikanischen Anwaltsserien gesehen, und sie liebte es, auf diese Weise ihre Wirkung auf Männer auszutesten. In ihrer Freizeit lief sie viel lieber in bequemen Jeans herum, und dazu trug sie auch viel lieber ihre Turnschuhe statt der High Heels.

Schließlich realisierte sie, dass der Neffe des Barons noch auf eine Antwort wartete. Sie beschloss, auf die Frage überhaupt nicht einzugehen. Stattdessen zuckte sie nur kurz mit den Schultern.

»Würden sie ihn anziehen, wenn ich sie in die goldene Traube einlade?« Wieder versuchte Franz-Ferdinand, mit ihr anzubandeln.

»Vielleicht.« Sonja war die Nähe wirklich unangenehm. »Ich muss den Bericht noch schreiben.« Sie tat so, als würde sie sich von ihrem Vater verabschieden.

´Dann eben nicht´, murmelte Franz-Ferdinand und gab sich Mühe, keine Anzeichen von Enttäuschung zu zeigen. Denn eigentlich verfolgte er einen viel wichtigeren Plan, mit dem er sich und vor allem seinen Onkel retten konnte. Er blickte dem Notar und seiner Tochter hinterher.

Er fragte sich, ob es nicht sinnvoller war, Maria gleich nach dem Tanz zu entführen. Doch er verwarf den Gedanken sofort wieder. Auf dem Ball würde es viel zu viele Zeugen geben, und bei dem Fototermin am Sonntag hätte er viel bessere Möglichkeiten. Außerdem waren er und Maria dann schon im Schloss, und die geplante Entführung würde er schnell hinter sich bringen können.

* * *

»So, hier ist es.« Andrea war mit ihrer Freundin in den Garderobengang gegangen und stand jetzt vor der Tür der Solistengarderobe.

»Willst du den Handschuh nicht wieder ablegen?« Uschi war verwundert. »Du trägst ihn doch schon ziemlich lange.«

»Dieses Interview noch.« Andrea schüttelte den Kopf. »Noch hat er nicht gemerkt, dass ich ihn damit nur ablenken wollte. Kannst du mir bei dem Interview helfen?«

»Was soll ich denn machen?« Uschi war es nicht gewöhnt, ihre Freundin auf diese Weise begleiten zu müssen.

»Du musst mir nur das Diktiergerät anschalten, wenn wir in der Garderobe sind und sie es erlaubt haben.« Andrea wollte ihr mühsam aufgebautes Vertrauen nicht unnötig verspielen.

»Und was erhoffst du dir davon?« Uschi war sich nicht sicher, was sie von dem Plan ihrer Freundin halten sollte.

»Ich möchte einfach die Stimmung aufnehmen.« Andrea hat sich wieder auf ihre Absicht besonnen. »Ich möchte noch einen Bericht über das Fest schreiben. Jetzt klopfe bitte.« Es war sehr ungewohnt für sie, auf ihre Arme verzichten zu müssen.

Ihre Freundin kam der Bitte nach. Gleich darauf wurden sie von Marias Mutter herein gebeten.

»Ich wollte fragen, ob Maria noch Zeit für ein kurzes Interview hat.« Andrea trug ihr Anliegen vor.

Frederike blickte auf die Uhr. »Aber nur noch zehn Minuten, dann müssen wir uns fertig machen.«

Maria drehte sich um. Sofort erkannte sie Andreas besondere Haltung. »Warum tragen sie einen Monohandschuh?«

Andrea war sichtlich verlegen. »Sieht man das sofort?« Sie lachte verlegen. »Ich dachte, mit dem Tuch kann ich das tarnen.«

»Ich erkenne es auch nur an den gekreuzten Riemen über der Brust.« Maria lächelte. »Und an der veränderten Haltung.«

»Schade.« Andrea lachte wieder. »Echt schade.«

»Warum tragen sie ihn?« Frederike wiederholte die Frage ihrer Tochter.

Andrea spürte sofort, dass sie die Wahrheit sagen musste. »Ich wollte Hans ablenken, damit er sich nicht heimlich in eure Garderobe schleicht, um Fotos von dem Venuskorsett zu machen.«

»Warum denn das?« Frederike war mehr als verwundert.

»Er ist sehr heiß darauf, davon ein Foto machen zu dürfen und es zu verwerten.« Andrea war es sichtlich unangenehm, dieses Thema zu erörtern.

»Wir haben doch schon einen Termin vereinbart.« Frederike war verwundert.

»Er ist aber sehr ungeduldig.« Andrea wurde rot. »Und damit er nichts davon merkt, trage ich ihn noch. Ich will es mir nicht mit ihm verderben.«

»Hat es denn funktioniert?« Frederike begriff, welches Opfer die Reporterin für sie erbracht hatte.

»Ja.« Andrea war zumindest in dieser Hinsicht erleichtert. »Er hing an mir wie eine Klette und wurde fast zudringlich. Das Korsett war vergessen.«

Maria erkannte jetzt auch, welches Opfer Andrea ganz selbstlos für sie gebracht hatte. Sie äußerte dies.

»Naja, ganz selbstlos war es nicht.« Andrea lächelte. »Ich wollte schon immer mal so einen Handschuh tragen.« Ihre Stimme wurde etwas leiser. »Und es ist sehr aufregend.«

»Sie sollten sich einen Keuschheitsgürtel dazu besorgen.« Mrs. Potter mischte sich ein. »Der erlaubt ein sehr viel sichereres Auftreten.«

Maria erkannte auf einmal, dass ihre Erfahrung gefragt war. »Nehmen sie ruhig ein teures Modell. Und es muss unbedingt eine Maßanfertigung sein. Nur dann lässt sich der Gürtel wirklich lange tragen.«

»Und sie müssen sich natürlich überlegen, wem sie den Schlüssel anvertrauen wollen«, ergänzte Frederike.

Andrea blickte zu Uschi. »Hans ganz bestimmt nicht.«

Uschi musste lachen. »Wir wird er wohl reagieren, wenn er es feststellt?«

Andrea verzog das Gesicht.

»Wie lange tragen sie den Handschuh jetzt?« Mrs. Potter war sehr aufmerksam.

»Ich glaube, eine halbe Stunde.« Andrea gab zu, dass sie nicht auf die Uhr gesehen hatte.

»Dann sollten sie in ihrem eigenen Interesse jetzt damit aufhören oder zumindest eine Gymnastikpause machen.« Mrs. Potter gab sich sehr viel Mühe, trotz der Ermahnung positiv zu klingen. »Es kann sonst zu Muskelzerrungen kommen.«

Andrea schluckte einmal, dann blickte sie sich zu Uschi um. »Läßt du mich bitte heraus?« Sie drehte sich mit dem Rücken zu ihrer Freundin. »Ich bin eigentlich wegen eines Interviews gekommen. Aber das mit dem Handschuh und der Gesundheit ist auch wichtig.«

Ein Gong ermahnte die Teilnehmer an den baldigen Beginn des Balles.

* * *

»Gibt es noch irgendetwas zu besprechen, bevor das Spiel beginnt?« Robert Greinert hatte die anderen Vorstandsmitglieder und den Bürgermeister zu sich gebeten.

Renate blickte in ihre Unterlegen. »Doris, die Schmiedstochter.« Ihre Stimme zitterte.

»Sie spielt die erste Dienerin.« Robert blickte Renate an. »Was ist mit ihr?«

»Es ist etwas seltsam.« Renate holte tief Luft. »Auf dem Ball trägt die Dienerin der Katerina keine Fesseln, am Sonntag in der Kirche schon.« Der Schmuck von Doris war Renate zwar aufgefallen, aber sie hatte seine fesselnden Eigenschaften nicht erkannt.

»Es reicht, wenn sie in der Kirche gefangen ist. Das entscheide ich jetzt einfach so.« Er seufzte. »Dieses Mal ist soo anders als das letzte Mal. Ein ganz neues Fest.«

Renate lächelte. »Naja, es ist aber auch eine Sensation, dass Maria in der Lage ist, die Originalhaltung zu tragen.«

»Schon.« Robert gab ihr recht. »Und ihre vielen Gästen bringen das Fest auch ordentlich durcheinander.« Er seufzte erneut.

»Auf jeden Fall waren die Sponsoren zufrieden und von Maria und ihrem Gebet sehr angetan.« Herr Schulte berichtete von den Nachbesprechungen, die er jeweils geführt hatte. »Von zweien haben wir sogar noch einen extra Betrag bekommen. Wir können dieses Mal etwas großzügiger sein.«

»Na immerhin.« Robert überreichte dem Bürgermeister die Liste mit den Ehrengästen. »Vor allem die Fünf hier solltest du noch einmal begrüßen.«

* * *

Schon den ganzen Tag war Sophie in Gedanken bei dem Ball, der heute über ihr im Schloss stattfinden würde. Von der Verlegung des Balles in die Stadthalle wusste sie nichts, auch weil der kleine Privatsender, den sie als einziges empfangen konnte, darüber nichts berichtet hatte. Im Gegenteil, sie wunderte sich eher, dass von den vielen Leuten, die jetzt sicher im Schloss waren, keine Geräusche zu ihr in den Keller kamen.

Hatte sie vorher noch erwogen, sich bemerkbar zu machen, war sie diesbezüglich jetzt entmutigt. Wenn sie die Leute nicht hörte, dann würden diese sie auch nicht hören.

Außerdem, so musste sie es sich eingestehen, hatte sie Angst vor der Welt da draussen. Ob sie ihr ihre Wandlung schon abnehmen würden, daran hatte sie große Zweifel. Die Schmach und die Demütigungen, die sicher auf sie warten würden, wollte sie sich noch ersparen.

Vor allem ihrem Vater wollte sie nicht begegnen, aber auch auf eine Begegnung mit Franz-Ferdinand oder Michael konnte sie verzichten. Sie beschloss, ihre wenigen Kräfte für andere wichtigere Sachen aufzuheben.

Vor sieben Jahren war die Welt noch in Ordnung gewesen. Damals hatte auch sie der Katerina zugejubelt, und wie jedes Mädchen in ihrem Alter hatte sie sich danach gesehnt, einmal selbst die Katerina spielen zu dürfen.

Sie war damals in dem Alter, welches für die Auswahl der Katerina in Frage kam, und es war für sie noch eine Überraschung, für die Rolle ausgewählt zu werden. Erst später kam ihre Arroganz dazu und ihre Meinung, dass sie als Baroness ein Anrecht auf diese Rolle hatte und dass sie nur zu Recht ausgewählt wurde. Heute konnte sie über ihre Anmaßung nur noch lachen.

Sie hätte liebend gern mit dem Handschuhtraining angefangen, doch ihre Mutter hatte ihr davon abgeraten, weil sie sich noch in der Phase der körperlichen Entwicklung befand. Aus diesem Grund wurde in der Regel erst ein Jahr vor dem Fest damit begonnen.

Doch das Problem stellte sich jetzt nicht mehr, Maria würde die Rolle spielen, und obwohl Sophie sie nur einmal erlebt hatte, war sie sich sicher, dass sie die Rolle mit Bravour spielen würde. Und Sophie empfand auch keinerlei Neid.

Immer wieder blickte sie zu dem Buch, welches ihr in der letzten Zeit so viel Trost gespendet hatte, sie gleichzeitig aber auch daran erinnerte, dass sie für ihre vielen Sünden zu büßen hatte.

Sie grübelte auch oft über die Gründe nach, die ihr Vater wohl gehabt haben musste, um sie auf so drastische Weise aus dem Verkehr zu ziehen. Natürlich war ihr klar, dass er damit das Fest retten musste, und sie musste sich eingestehen, dass dies auch wirklich nötig war.

Sie hatte jetzt lange genug darüber nachdenken können. Ohne ihren Unfall, oder was auch immer es gewesen war, wäre sie bei ihrer arroganten, ignoranten, selbstverliebten und verwöhnten Art geblieben. Sie war sogar kurz davor gewesen, mit Drogen anzufangen. Sie hätte das Fest ruiniert, darüber war sie sich jetzt sicher.

Vor ihr lagen die beiden Briefe, die sie schreiben wollte und zu denen sie sich immer wieder Notizen machte. Einer der Briefe war für Michael, bei dem sie sich vor allem dafür bedanken wollte, dass er ihr ihre Würde wiedergegeben hatte. Ohne ihn würde sie vermutlich immer noch auf der stickigen Bettwäsche liegen und mit verfilzten Haaren auf das Nichts warten, das sie erwartete.

Der andere Brief war für Maria. Es sollte ein besonderer Brief werden, deswegen wollte sie ihn morgen Vormittag schreiben, wenn die Katerina vor dem Altar stand. Darüber hatte der kleine Privatsender sie informiert. Natürlich hatte Maria ihr die Rolle weggenommen, aber andererseits war sie die Einzige, die sie jemals im Krankenhaus besucht hatte, und dafür wollte sie sich bedanken.

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ronn2321
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  RE: Maria Datum:25.05.17 14:42 IP: gespeichert Moderator melden


Eine sehr interessante Geschichte die man immer weiter lesen kannst.

Bin auf die Fortsetzung gespannt.


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kurtbauer
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  RE: Maria Datum:25.05.17 17:50 IP: gespeichert Moderator melden


ich bin zwar erst bei Kapitel 6 Teil 5, trotzdem muss ich schon mal ausdrücken, wie mich diese Geschichte fasziniert.
Das ist so toll geschrieben und spannend und erotisch und ... ich weiß gar nicht was ich alles sagen soll!
fantastisch!
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gag_coll
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  RE: Maria - Kapitel 14 - Das Katerinenfest - Teil Neunundvierzig Datum:26.05.17 07:29 IP: gespeichert Moderator melden


Maria
Kapitel 14 - Das Katerinenfest - Teil Neunundvierzig
Autor: Karl Kollar

(noch Samstag, 25. September 1984 - Festwochenende)

»Bitte nehmen sie hier Platz.« Robert Greinert hatte Karl, Rosalie und die vier Brasilianer in die Ehrenloge gebracht und ihnen dort die Plätze angeboten. »Von hier hat man den besten Blick auf die Bühne.«

»Wir sagen ´Dankeschön´.« Karl wartete, bis Rosalie sich gesetzt hatte, dann nahm er ebenfalls Platz. Er blickte sich um. Neben ihnen hatten die vier Gäste auf Südamerika Platz genommen und der Zuschauerraum unter ihnen füllte sich zusehends. Doch der Bühnenvorhang war noch zugezogen.

»Ihre Freundin ist bestimmt aufgeregt.« Karl versuchte ein wenig Smalltalk.

»Oh ja«, Rosalie nickte. »Immerhin fiebert sie schon seit einigen Monaten auf diesen Tag hin.«

»Wenn ich richtig informiert bin, dann sollte ja eigentlich jemand anders die Rolle spielen?« Karl nutzte die Zeit, um noch ein paar Wissenslücken aufzufüllen.

»Ja, die Baroness von Harsumstal.« Rosalie lächelte. »Sie wurde bald nach dem letzten Fest ausgewählt.«

»Aber dann hatte sie den Unfall?« Karl gab wieder, was er schon wusste.

»Ja, und man weiß im Moment auch nicht, wo sie sich befindet.« Rosalie berichtete davon, dass ihr Vater der Baron verhaftet wurde.

»Damit war das Spiel ja ziemlich in Gefahr.« Karl lehnte sich zurück.

»Ja, so könnte man das sehen.« Rosalie lächelte wieder. »Aber Maria ist ja eingesprungen.« Sie blickte noch einmal zur Bühne, doch noch tat sich dort nichts.

* * *

»Warum hast du denn den Handschuh schon wieder abgelegt?« Hans war über seine Freundin sowohl erfreut als auch enttäuscht.

»Marias Mutter hat mir dazu geraten.« Andrea wusste, dass sie an dieser Stelle sogar die Wahrheit sagen konnte.

»Warum denn dass?« Hans war seine Stimmung anzuhören.

»Es kann leicht zu Muskelzerrungen kommen, wenn man ihn am Beginn gleich zu lange trägt.« Andrea erkannte immer mehr, wie groß das Opfer war, welches sie für Maria gebracht hatte. Und sie wusste auch, dass es genauso ungeschickt wäre, sie hierfür um Dankbarkeit zu bitten.

»Du denkst darüber nach, den Handschuh öfters zu tragen?« Hans glaubte, bei seiner Freundin zwischen den Zeilen etwas Atemberaubendes gelesen zu haben.

»Jetzt mache uns schöne Fotos vom Theater.« Andrea vermied es, auf diese spezielle Fragen zu antworten. Doch als sie erkannte, dass Hans nicht locker lassen würde, fügte sie ein leises ´Ja, es ist sehr aufregend´ hinzu.

* * *

Kaum war der Klang des Gongs verklungen, als sich der Vorhang öffnete und das Orchester mit der feierlichen Fanfare begann.

Dominiert wurde das Bühnenbild durch den großen Baldachin, der den Thron symbolisierte und dessen zwei reichlich verzierte Stühle sofort erkennen ließen, dass dort der Herzog mit seiner Frau sitzen würde.

Auf der bemalten Leinwand hinter dem Thron waren neben diversen Barock-Schmuckelementen auch ein paar Fenster aufgemalt und ließen scheinbar einen Blick in die Ferne zu.

Auf der vom Zuschauerraum aus gesehen auf der rechten Seite saßen die Musiker des Blasorchesters, die mit der sehr feierlichen Fanfare für die richtige Stimmung sorgten. Zu sehen war zwar nur die erste Reihe der Musiker, trotzdem passten die historischen Uniformen der Musiker sehr gut in das Bühnenbild.

Auf der gegenüberliegenden Seite hatten die Barock-Pfeiffer Platz genommen und warteten auf ihren Auftritt. Fritz hatte sich gerade noch mit dem Dirigenten des Orchesters über einige Details ausgetauscht.

Anna vermied es, ins Publikum zu blicken. Sie hielt ihren Blick fest auf die Noten des ersten Stückes gerichtet, und genauso widerstand sie der Versuchung, den Blick von Florian zu suchen, der einer der vorderen Reihen saß.

Von Links betrat nun das Herzogspaar mit seinem Gefolge die Bühne. Sie gingen erst vor zum Bühnenrand, um sich zu verbeugen, um sich dann unter dem Applaus des Publikums um den Thron zu versammeln. Erst als die Musik verklungen war, nahmen Herzog und Herzogin auf den beiden Stühlen Platz. Paul stand gleich neben dem Herzog und blickte tief beeindruckt auf den vollen Saal.

Maria und Doris saßen noch außer Sichtweite des Publikums neben dem Bühneneingang und warteten auf ihren Auftritt. Sie trugen die gleichen Ketten wie gestern bei der ´Heimkehr von der Schlacht´ und blickten fasziniert auf die Dekoration, die von der Seite gesehen gar nicht wie ein Thronsaal aussah.

Doris strahlte bis über beide Ohren, weil sie unerwartet noch einmal ihre Ketten vorführen durfte. Sie hatte dies erst vor kurzem erfahren, und Theo war extra noch einmal zur Schmiede gegangen, um sie zu holen.

Und ihre Rolle war einfach. Sie musste nur im ersten Bild neben der Katerina vor dem Thron stehen. Einen Text hatte sie nicht. Trotzdem war sie sehr glücklich, und Renate musste sie immer wieder an das traurige Gesicht erinnern, dass die Rolle eigentlich verlangte.

* * *

Als erstes trat der Bürgermeister an das Rednerpult, welches vorn links auf der Bühne aufgestellt war. Er wartete ab, bis der Applaus verklungen war, dann begann er mit seiner Rede.

»Ich freue mich außerordentlich, dass wir dieses Fest in der neuen Stadthalle feiern können. Dafür schon einmal ein herzliches Dankeschön an Alle, die das möglich gemacht haben.« Er blickte sich um. »Es sieht wirklich aus, wie in einem Thronsaal.« Er machte eine Pause, um seine Worte wirken zu lassen.

»Des Weiteren möchte ich der ebenfalls neu gegründeten Theatergruppe danken, die den Ball dieses Jahr in etwas ganz besonders Festliches verwandeln. Und natürlich sind wir auch sehr dankbar, dass unsere beiden Musikgruppen sich bereit erklärt haben, das Fest wieder mit ihrer feierlichen Musik zu unterstützen, um ihm so den richtigen Rahmen zu geben.«

Wieder wartete er den Applaus ab. »Im Umgang mit Superlativen sollte man vorsichtig sein, denn sie nutzen sich schnell ab. Doch ich glaube, diesen Abend werden wir wirklich etwas ganz Außergewöhnliches zu sehen bekommen. Es hat sich schnell herum gesprochen, dass Maria Beller dieses Jahr die Originalhaltung tragen wird, und dafür wollen wir ihr vorab schon recht herzlich danken.«

Tosender Applaus brannte auf. Es war so stark, dass Renate sich genötigt sah, Maria einmal vor zum Bühnenrand zu schicken.

Erst jetzt, als Maria sah, dass das Publikum sogar aufgestanden war, begann sie zu ahnen, wie außergewöhnlich das Kunststück war, dass sie nun beherrschte, und es entschädigte für die Qualen, die sie auf dem Weg dahin in all den Jahren erlitten hatte.



»Es ist schon bekannt?« Karl Kollar war verwundert. »Ich dachte, das sollte geheim bleiben.«

»Seit der Generalprobe weiß es jeder. Landsbach ist in der Beziehung nur ein Dorf.« Rosalie lächelte. »So etwas geht rum wie nix.«

* * *

Nach dem Bürgermeister trat Robert Greinert an das Pult und begrüßte die Ehrengäste, die zahlreich erschienen waren.

Als sie ihren Namen hörte, zwang sich Maria, der Rede zuzuhören. Er begrüßte gerade ihre persönlichen Gäste, die eine außergewöhnlich weite Anreise hinter sich hatten. »Rosalie Dörtling ist mit ihren Eltern vor einiger Zeit nach Australien ausgewandert, trotzdem hat sie es nicht nehmen lassen, ihre beste Freundin bei ihrem Fest zu besuchen.«

Applaus setzte ein und Rosalie stand auf, als Herr Greinert deutlich sichtbar auf die Ehrentribüne blickte.

»Während ihres Aufenthaltes in Amerika hat Maria vier Brasilianer kennengelernt, und auch sie wollten bei unserem Fest unbedingt dabei sein.«

Betty sah, wie Sarah mit Hilfe von Juan aufstand, um sich ein wenig zu verbeugen, zumindest so weit, wie es das strenge Kleid erlaubte. Noch bevor sie sich zu Bertram umdrehen konnte, hatte sie dieser genauso angefasst und ihr beim Aufstehen geholfen. Sie war eigentlich noch dabei, sich über die Überrumpelung zu ärgern, doch dann erkannte sie, wie gut die Herren auf sie als hilflose Frauen aufpassten und sich um sie kümmerten.

Rosalie wandte sich an ihren Nachbarn. »Und sie, Herr Kollar?«

»Ich habe darum gebeten, nicht erwähnt zu werden.« Karl lächelte. »Schließlich habe ich keine solche Beziehung zu der Hauptdarstellerin.«

»Ich freue mich auch sehr, dass wir dieses Fest in der neuen Stadthalle feiern dürfen und möchte auch noch allen danken, die mitgeholfen haben, die Bühne in einen Thronsaal zu verwandeln.« Robert Greinert faltete seinen Zettel zusammen. »Und nun möchte ich an Herrn Kleinert übergeben, der als Moderator durch den weiteren Abend führen wird.«

* * *

Nachdem Herr Kleinert sich vorgestellt hatte, gab er einen kurzen Überblick über die historischen Ereignisse, die zu dem Fest geführt hatten. »Über die Wurzeln unseres Festes gibt es verschiedene Meinungen. Fest steht, dass es irgendwann im dreizehnten Jahrhundert eine Auseinandersetzung zwischen dem Herzog Franz von Schönborn und dem Grafen von Greiffenclau gegeben hatte, bei der der Graf verloren hatte.«

Er drehte sich zur Bühe und gab dem Bühnenpersonal das verabredete Zeichen, gleich darauf schloss sich der Vorhang.

»Was sich damals ereignet haben könnte, dass möchte ihnen jetzt unsere engagierte Theatergruppe vorführen.« Er ging zu dem Stuhl, der rechts vor dem Vorhang aufgestellt war und mit einem Scheinwerfer beleuchtet war und nahm darauf Platz. Es entstand der durchaus gewollte Eindruck einer Märchenstunde mit Erzähler.

* * *

»Ah, hier sind sie.« Robert Greinert war sichtlich nervös, als er Andrea und Hans gegenüber trat. »Es tut mir leid, dass ich sie so überrumpeln muss, aber wir haben einen ganz wichtigen Punkt in unseren Vorbereitungen übersehen.«

»Und der wäre?« Wie üblich übernahm Andrea das Reden. Sie war schon froh, dass ihr Freund, der Fotograf überhaupt mitgekommen war. Er würde wesentlich mehr Erfolg haben, wenn er an seiner Umwelt und den Mitmenschen etwas mehr Interesse zeigen würde.

»Wir haben uns überlegt, dass wir über Maria und ihren besonderen Auftritt einen Bildband in Auftrag geben möchten.« Robert holte tief Luft. »Und dafür brauchen wir viele Fotos vom Fest, von Maria und besonders natürlich von dem Gebet, und wenn sie es uns erlaubt, auch von dem besonderen Korsett, welches sie trägt.«

»Sie meinen von dem Venuskorsett?« Andrea hatte natürlich sofort die Möglichkeiten erkannt, die sich damit boten, und sie stellte die Frage nur, um unauffällig auch den Ehrgeiz ihres Freundes zu wecken.

»Ja, genau das.« Robert lächelte verlegen. »Viel dafür zahlen können wir aber nicht.« Robert hatte den Satz noch nicht zu Ende gesprochen, als Hans schon seine Kamera zur Hand genommen hatte und sich nach einem guten Platz für die Aufnahmen umblickte.

»Was bedeutet ´nicht viel´? Andrea musste sich wie üblich um die finanziellen Aspekte kümmern.

Robert nannte die Summe, die sie im Vorstand gerade noch verabredet hatten.

Andrea reichte ihm die Hand. »Damit sind wir einverstanden.« Es waren immerhin gut drei Monatsgehälter, wenn man ihre beiden Einkünfte zusammenrechnete.

* * *

»Wir befinden uns im Thronsaal der herzöglichen Burg. Der Herzog berät sich mit seinen Ministern über die zurückliegende Schlacht. Wie es damals üblich war, wurde die Tochter des Grafen, die Comtess Katerina von Greiffenclau als Geisel mit in die herzögliche Burg geholt, um so den Frieden abzusichern.« Herr Kleinert ließ das dicke Buch, das er in den Händen hielt, auf seinen Schloß liegen hatte sinken und gab das Zeichen. Der Vorhang öffnete sich.

»Nun, mein lieber Kriegsminister? Seid ihr mit dem Ausgang der Schlacht zufrieden?« Der Herzog blickte den uniformierten Herrn zu seiner Rechten an.

»Ja, Hoheit.« Der Minister verbeugte sich. »Die neuen Waffen haben sich bewährt.«

»Sie waren auch teuer genug.« Der Herr zu seiner Linken meldete sich zu Wort. »Verzeiht Hoheit, aber das Geld hätte man auch sinnvoller ausgeben können.«

»Das ist halt Politik, mein lieber Finanzminister.« Der Herzog ließ den Einwand nicht gelten. »Ich konnte mir die Eskapaden diees Grafen nicht mehr länger gefallen lassen.«

»Und wer soll sich jetzt um die Geisel kümmern?« Der Kriegsminister blickte aus dem Fenster auf den Hof. »Meine Truppen warten auf mich. Wohin sollen wir die Geisel bringen?«

»Ich werde sie meinem Sohn übergeben. Dann kann er auch mal etwas Nützliches tun.« Er wandte sich an den dritten Herrn, der etwas abseits stand und durch seine einfach Kleidung als Diener zu erkennen war. »Holen sie bitte meinen Sohn. Er ist sicher auf dem neuen Armbrustschießstand.«

Der Diener verbeugte sich, dann verließ er den Raum.



Kurz darauf kam der Prinz mit zackigen Schritten in den Saal. Er verbeugte sich kurz vor dem Herzog, dann lächelte er. »Vater, ihr habt mich rufen lassen?«

Der Herzog schien noch einmal kurz zu überlegen. »Ich muss das Reich verlassen, um mit dem Grafen einen guten Frieden auszuhandeln. Du wirst dich um die Geisel, die Comtess Katerina kümmern, ich vertraue sie dir an.«

Der Prinz verdrehte die Augen.

»Ich weiß schon, ihr wollt lieber mit der Armbrust herumtollen und auf die Jagd gehen. Aber jetzt werdet ihr die Geisel in der Stadt bekannt machen. Je mehr Leute sie kennen und davon wissen, desto besser ist das für unsere Zukunft.«

Der Prinz wollte etwas antworten, doch der Herzog schnitt ihm das Wort ab. »Bringt die Comtess herein.«

Gleich darauf betrat die Comtess Katerina zusammen mit ihrer Dienerin den Thronsaal. Beide trugen die Ketten, die sie deutlich als Gefangene kennzeichneten. Sie machten trotzdem einen stolzen und selbstbewussten Eindruck.

Der Herzog wandte sich an die Geisel. »Meine liebe Comtess Katerina von Greiffenclau. Ich werde jetzt euren Vater aufsuchen, um ihm den Frieden zu diktieren. Ich hoffe, ihr werdet euch bei uns wohlfühlen.«

Die Comtess hob einmal ihre Ketten und sagte stolz »So wohl man sich als Gefangene in Ketten fühlen kann. Wollt ihr mir nicht den Respekt erweisen, mir und meiner Dienerin die Ketten abzunehmen?«

»Das kann ich leider nicht tun, werte Comtess, denn um das Ende der Feindseligkeiten und unseren Sieg zu proklamieren, muss ich euch als Unterworfene zeigen.« Der Herzog machte eine Handbewegung in Richtung des Prinzen. »Mein Sohn wird sich um euch kümmern und euch bei uns im Reich vorstellen. Er wird versuchen, euch eure Rolle so wenig unangenehm wie möglich zu machen.«

Der Vorhang schloss sich und die Musik der Barock-Pfeiffer ertönte.

* * *

»Die Comtess wurde zunächst bei den Zünften vorgestellt.« Herr Kleinert las aus dem Buch vor. »Das haben wir gestern auf dem Marktplatz gesehen.«

Er machte eine Pause, um seine Worte wirken zu lassen. »Nach den Handwerkern wurde die Katerina auch bei den Honoratioren der Stadt vorgestellt. Schauen wir nun, was sich damals bei den reichen Kaufleuten abgespielt haben könnte.«

Wieder öffnete sich der Vorhang und zeigte einen Herrn, der an einem großen Schreibtisch saß und der offensichtlich mit dem Zählen von Geld beschäftigt war.

Es klopfte.

»Tretet ein.« Der Herr blickte auf. »Was gibt es, Johann?«

»Der Herzog schickt seinen Sohn herum und lässt überall die neue Geisel bekannt machen.« Der Diener blickte kurz aus dem Fenster.

»Geisel?« Der Kaufmann wunderte sich.

»Er hat doch den Krieg geführt gegen den Grafen von Greiffenclau geführt, und dessen Tochter ist jetzt bei uns.« Der Diener informierte über den unfreiwilligen Gast des Herrschers.

»Ach ja, der Graf.« Der Kaufmann nickte verständnig. »Er hat einmal auch einen Handelszug von mir überfallen. Es ist gut, dass er jetzt zur Ordnung gerufen wurde.«

»Der Krieg ist beendet und der Sieger hat sich zur Absicherung des Friedens die Tochter als Geisel mit in die Stadt genommen.« Der Diener zeigte auf die Tür. »Jetzt möchte er sie überall bekannt machen.«

»Dann lasst sie eintreten.« Der Herzog stand auf.

Der Diener drehte sich zur Tür und ging hinaus. Gleich war seine Stimme zu hören. »Der Herzog bittet in Gestalt seines Sohnes um eure Aufmerksamkeit.« Er ließ den Prinz und Comtess eintreten.

»Nun, Hoheit, was führt euch zu mir?« Der Kaufmann blickte gespannt auf den Vertreter des Herzogs.

»Darf ich euch die Comtess Katerina von Greiffenclau vorstelllen? Sie ist für einige Zeit Gast bei uns.«

»Eine sehr reizende Begleitung habt ihr.« Er kam von seinem Schreibtisch nach vorn und gab der Comtess einen Handkuss.

Wieder schloss sich der Vorhang und die Musik ertönte.

* * *

»Die ständige Nähe zwischen Prinz und Comtess bewirkte, dass sie sich immer näher kamen, und der Herzog war zunächst auch von der Entwicklung sehr positiv angetan, denn die Armbrust und die wilden Freunde des Prinzen waren vergessen.« Herr Kleinert las vor. »Doch Tratsch und Gerüchte gab es damals schon.« Er ließ das Buch sinken und blickte auf die Bühne, wo sich der Vorhang wieder öffnete.

»Nun, mein lieber Minister, ihr habt um eine Audienz gebeten?« Der Herzog saß mit zufriedener Miene auf dem Thron und empfing seinen Haushofmeister.

»Hoheit, seit einigen Tagen gibt es gewisse Gerüchte in der Stadt.« Er war deutlich zu sehen, dass der Haushofmeister verlegen war.

»Die Friedensverhandlungen laufen gut. Die Comtess wird doch hoffentlich gut behandelt?« Der Herzog blickte auf. »Welche Gerüchte?«

»Euer Sohn kümmert sich sehr gut um die Geisel, doch die ständige Nähe tut ihnen nicht gut.« Der Minister druckste etwas herum.

»Redet bitte Klartext.« Der Herzog horchte auf. »Was ist los mit den beiden?«

»Man hat sie schon mehrfach Hand in Hand spazieren gehen sehen.« Der Minister begann zu schwitzten. »Eine Dienerin behauptet, sie hätte sogar schon einen Kuss beobachtet.«

»Ich möchte keine familiäre Verbindung zu den Greiffenclaus.« Die Miene des Herzogs verdunkelte sich. »Habt ihr einen Vorschlag, was man machen könnte, um das zu unterbinden?«

»In zwei Wochen ist der Ball, auf den ohnehin alle hinfiebern.« Er machte eine bewusste Pause. »Wie wäre es, wenn euer Sohn auf diesem Ball seine Verlobung bekannt gibt?«

»Und wie wollt ihr verhindern, dass er sich die Geisel als Braut aussucht?« Dem Herzog schien der Vorschlag mit der Verlobung zu gefallen. »Wegen ihres Ranges kann ich sie nicht vom Ball ausschließen.«

»Aber ihr könntet verhindern, dass sie in der Lage ist, den Verlobungstanz zu tanzen.« Ein vorsichtiges Lächeln erschien auf dem Gesicht des Ministers.

»Wie wollt ihr das erreichen?« Der Herzog klang interessiert.

»Ich habe eine mir sehr ergebene Schneiderin, die mir entsprechende Vorschläge unterbreitet hat. Einer davon ist das ´Gebet auf dem Rücken´.« Er grinste. »Den Tanz ohne die Arme tanzen zu müssen, dürfte so gut wie unmöglich sein.«

»Ich verlasse mich auf euch. Macht bitte alles, was ihr für richtig haltet.« Er machte eine winkende Handbewegung. »Ich möchte meinen Sohn sprechen.« sagte er zu der Dienerin, die näher gekommen war.



»Vater, ihr wolltet mich sprechen?« Der Prinz trat vor den Thron.

»Mein Sohn, ich habe gewisse Gerüchte über euch und die Katerina gehört.« Er holte tief Luft. »Sie ist unsere Geisel und muss entsprechend behandelt werden.«

»Jawohl, Vater.« Der Prinz verbeugte sich.

»Versprecht ihr mir, dass ihr keine Gefühle für sie hegt?« Der Herzog gab sich energisch.

Doch der Sohn blieb das Versprechen schuldig. »Verzeiht Vater, aber die Pflicht ruft mich.« Mit stolzer Miene verließ er die Bühne.

»Der Herzog war gegen die Verbindung, und so mussten die beiden Verliebten eine Lösung finden, mit der sie glücklich werden und sich vor allem gegen die bösen Intrigen des Vaters stellen konnten.« Herr Kleinert ließ sein Buch sinken, der Vorhang schloss sich und wieder ertönte die Musik.

* * *

»Es war ein grausames Schicksal, welches auf die Comtess in Form der besonderen Armhaltung wartete.« Herr Kleinert blickte wieder in sein Buch. »Doch eine Dienerin hatte Mitleid mit der Geisel.«

Der Vorhang öffnete sich und zeigte ein kleines rundes Zimmer, in dem nur ein Sofa stand. Der Blick aus dem Fenster ließ vermuten, dass es das oberste Zimmer eines Turmes war. Der Prinz saß auf dem Sofa und hielt die Comtess im Arm. Sie schwiegen.

Es waren Schritte auf einer Treppe zu hören, dann ein Klopfen. Nach dem Herein betrat eine etwas atemlose Dienerin das kleine Turmzimmer. »Verzeiht Hoheit, wenn ich euch störe, aber ich habe euch etwas Wichtiges mitzuteilen.« Die Dienerin keuchte deutich hörbar.

Der Prinz blickte sich etwas missmutig um. Es war sehr ungebührlich vom Personal, die Herrschaften zu stören. Seine Miene zeigte dies deutlich. »Was gibt es denn?«

»Der Ball in zwei Wochen.« Die Dienerin keuchte immer noch. »Euer Vater möchte, dass ihr euch verlobt.«

»Das wissen wir.« Der Prinz war genervt. »Deswegen seid ihr doch nicht heraufgekommen, oder?«

»Er hat mich ausgewählt, der Comtess das Gebet auf dem Rücken anzulegen.« Ihre Stimme wurde lauter. »Und eine Schneiderin wird ein dazu passende Kleid nähen.« Sie drehte sich um und versuchte, mit ihren Armen die Haltung anzudeuten, die der Herzog ausgewählt hatte. Doch gerademal ihre Handflächen berührten sich.

Es war für einige Zeit still im Zimmer.

»Danke für die Botschaft.« Der Prinz machte eine Handbewegung. »Ihr könnt dann gehen.«

Die Dienerin machte einen Knicks, dann verließ sie das Zimmer. Gleich darauf waren ihre Schritte auf der Treppe des Turmes zu hören.

Die Comtess blickte den Prinzen mit Tränen in den Augen an. »Was machen wir jetzt?«

Der Vorhang schloß sich.

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*Gozar*
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  RE: Maria Datum:26.05.17 08:35 IP: gespeichert Moderator melden


" * NN EE II NN * *kreisch*

Du kannst doch nicht mittendrin aufhören.......

Was sollen denn meine Fingernägel bis zur nächsten Fortsetzung aushalten "

Zeige Gnade und setze schnell den nächsten Teil ein!
Bitte bitte bitte *dackelblick*

Ein schönes MLWE
Gruß Gozar

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  RE: Maria Datum:26.05.17 14:02 IP: gespeichert Moderator melden


Das ist gag-coll´s Art der psychischen Folter. Immerhin dauert es halt so noch eine gewisse Zeit bis zum Ende: Vielen Dank für´s Schreiben und euch allen ein schönes Wochenende.

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gag_coll
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  RE: Maria - Kapitel 14 - Das Katerinenfest - Teil Fünfzig Datum:29.05.17 05:52 IP: gespeichert Moderator melden


Maria
Kapitel 14 - Das Katerinenfest - Teil Fünfzig
Autor: Karl Kollar

(noch Samstag, 25. September 1984 - Festwochenende)

»Dank der Dienerin konnte sich das Paar auf die Intrige vorbereiten. Sie haben jede freie Minute genutzt, um sich auf die so grausame Armhaltung vorzubereiten und den Verlobungstanz ohne Arme zu üben.« Herr Kleinert ließ sein Buch kurz sinken und blickte ins Publikum. »In der damaligen Zeit gab es noch nicht viel Schriftverkehr und nur ganz wenige Sachen wurden mit einer Urkunde fixiert. So ein Verlobungstanz hatte damals etwas sehr Verbindliches. Es wurde wie ein Vertrag angesehen und durch die anderen anwesenden Adeligen bezeugt.«

Der Vorhang öffnete sich und gab den Blick frei auf die Gemächer der Comtess. Neben dem Bett stand eine Puppe und trug ein ärmelloses Kleid.

»Das ist also das Kleid, das die Katerina tragen wird?« Der Herzog stand neben der Puppe und begutachtete das Kleid.

»So ist es, Hoheit.« Die Schneiderin trat hinzu und erläuterte ihre Arbeit. »Man wird die Arme überhaupt nicht mehr sehen können, und sie hat trotzdem die von euch so gern gesehene schmale Taille.«

»Eine sehr gute Arbeit.« Der Herzog war beeindruckt. »Ich werde mich bei euch erkenntlich zeigen.«

Gemeinsam verließen sie das Zimmer.



»Kommt herein und bringt die Geisel mit, Ehrwürdiger Vater.« Die Dienerin betrat das Zimmer der Katerina und blickte sich um.

Ein Mönch kam herein, und hinter ihm betrat die Katerina den Raum. Es war deutlich zu sehen, dass sie geweint hatte.

»Ich danke euch, Vater, dass ihr mir die traurige Pflicht abnehmen wollt.« Die Dienerin blickte zu dem kleinen Kreuz, welches an der Wand hing.

»Es war richtig von euch, mit euren Sorgen zu mir zu kommen.« Der Mönch blickte zwischen der Comtess und der Dienerin hin und her.

Die Comtess schluchzte.

»Es ist eine grausame Haltung, zu der ihr gezwungen werdet.« Die Dienerin blickte die Comtess mitleidig an.

»Macht sie bitte bereit.« Der Mönch griff in die Tasche seiner Kutte und holte einige Riemen heraus.

Die Dienerin trat an die Katerina heran und nahm ihr das Tuch von den Schultern.

Der Mönch trat zu ihr und ergriff ihre Arme.

Die Comtess ließ kleine Schmerzensschreie von sich hören, als der Mönch ihre Arme langsam auf dem Rücken nach oben zog.



Maria stand mit dem Rücken zum Zuschauerraum, so dass das Publikum freien Blick auf ihre Arme hatte. Je näher sich ihre Ellenbogen auf dem Rücken näherten, desto leiser wurde es im Publikum. Alle starrten wie gebannt auf die grausame Prozedur, und Maria konnte sich darauf konzentrieren, möglichst glaubwürdig zu jammern.

Erst als Paul alle Riemen befestigt hatte und gemäß seiner Rolle zurücktrat, brannte auf einmal tosender Applaus auf und der Vorhang schloss sich.

Der Applaus war so stark, dass sich der Vorhang gleich darauf noch einmal öffnete, und eine diesmal strahlende Maria trat vor das Publikum. Sie drehte sich noch einmal um ihre eigene Achse und genoss dabei die vielen Jubelrufe.

Beim zweiten Vorhang traten auch die anderen Schauspieler dazu und Herr Kleinert kündigte die Pause an.

* * *

Nach der fulminanten Schlussszene war Maria zusammen mit den anderen Darstellern gleich wieder auf dem Weg in die Garderobe. Renate hatte dazu geraten, sich nicht unter das Publikum zu mischen, um die Spannung des Stückes halten zu können.

»Da wären wir.« Paul hielt die Tür zum Garderobengang der Stadthalle auf. »Wir werden schon erwartet.«

Notar Schrumm stand im Gang und blätterte in einer Mappe. Neben ihm stand seine Tochter Sonja und blickte fast etwas gelangweilt auf die Gruppe, die sich auf dem Weg in die Solistengarderobe befand.

»Sonja Schrumm? Was machst du denn hier?« Rosalie blieb vor Erstaunen stehen.

»Rosalie? Rosalie Dörtling?« Sonjas Miene wandelte sich zunächst in Erstaunen. »Wir haben uns ja eine Ewigkeit lang nicht gesehen. Was machst du hier?«

»Ich begleite Maria bei ihrem Fest.« Rosalie war sehr erfreut, ihre alte Schulfreundin wiederzusehen.

»Ich störe die Wiedersehensfreude ja nur sehr ungern, aber wir haben einen wichtigen Auftrag zu erledigen.« Notar Schrumm begrüßte die Anwesenden. »Könnt ihr euch bitte nach dem Fest verabreden?«

Sonja wurde etwas rot. »Das machen wir.«



Gemeinsam betraten sie die Garderobe. Dort wartete schon die Schneiderin zusammen mit ihrer Tochter. Das Ballkleid war auf einer Schneiderpuppe drapiert, und sowohl Judith als auch Frau Bartels blickten sehr erwartungsvoll auf Maria.

Maria wartete, bis Paul sie von den Riemen befreit hatte, dann begann sie sich ihr Kostüm auszuziehen.

»Aber das ist ja ein Keuschheitsgürtel.« Judith war sehr verwundert, als Marias stählerne Unterwäsche zum Vorschein kam. »Warum musst du so etwas tragen?«

Maria erkannte sofort, das sie direkt antworten musste. Sie legte ihre Bluse beiseite und ging auf Judith zu. »Das ist sogar ein Keuschheitsensemble.« Sie legte ihren Hände demonstrativ auf die beiden Halbkugeln, die ihre Brüste abschirmten. »Das gibt mir Schutz.«

Judith war immer noch sprachlos. »Warum... Und wer?«

»Maria ist mit dem Gebet sehr hilflos.« Paul hatte das Gefühl, dass er eingreifen beziehungsweise seiner Freundin helfen musste. »So sind wir sicher, dass sie keiner ungebührlich berühren kann.«

»Und die Schlüssel?« Judith hatte die verschiedenen kleinen Vorhängeschlösser entdeckt. »Wer hat die?«

»Es wäre ja nicht gut, wenn Maria die selbst bei sich tragen würde.« Paul hatte sich schon ein paar Antworten bereit gelegt. »Die Schlüssel habe ich.«

»Und du bist ihr Freund.« Judith war immer noch sehr verwundert.

»Können wir dann weitermachen?« Roswita ließ ihre Tochter zwar gern ihre Entdeckungen machen, doch jetzt galt es noch einen anderen Auftrag zu verfolgen.



Auch Notar Schrumm hatte sich zunächst höflich weggedreht, doch jetzt hatte er das Gefühl, dass es nicht weiter verletzend sein würde, wenn er Maria in der Stahlunterwäsche zu Gesicht bekam. »Es sieht aus wie ein etwas größerer Bikini«, flüsterte er zu seiner Tochter, die ihrerseits Marias Dessous sehr interessiert musterte.

»Wie lange tragen sie das?« Sonja war sichtlich fasziniert.

»In den letzten Tagen eigentlich rund um die Uhr.« Es war Marias etwas unangenehm, wegen ihrer Unterwäsche so im Mittelpunkt zu stehen. Sie selbst hatte den Stahl schon lange als etwas ganz Normales akzeptiert, auch weil er sie nur geringfügig behinderte und vor allem, weil er sich sehr gut tragen ließ. »Können wir dann mit den Stiefeln weiter machen?« Sie klang ein wenig genervt.

»Natürlich.« Sonja trat wieder zurück und blickte zu Paul, der die Stiefel schon in die Hand genommen hatte.

»Das sind also Marias Ballettstiefel?« Herr Schrumm trat hervor und sah sehr interessiert zu, wie Paul Maria langsam und sorgfältig die Stiefel anzog.

Paul schluckte ein wenig, als er sah, dass Sonja ihm jeweils ein Schloss reichte. »Wo sind die Schlüssel?«

»Die liegen bei mir im Tresor.« Herr Schrumm lächelte ein wenig verlegen.

»Aber Maria ist doch ohnehin völlig hilflos. Sie kann sich die Stiefel doch gar nicht ausziehen.« Es war Paul anzuhören, dass er über das Anliegen leicht empört war.

»Aber sie könnte dich bitten, ihr die Stiefel auszuziehen.« Frederike lächelte. »Und du würdest es auch machen.«

»Ja, das stimmt.« Paul schluckte einmal, dann lächelte er verlegen. »Aber warum ist es denn so wichtig?«

»Darf ich euch das später erklären?« Frederike wartete ab, bis Paul die beiden Stiefel verschlossen hatte, dann reichte sie ihm die Riemen für das Gebet.

»Ich finde es erstaunlich, dass man die Stiefel überhaupt absperren kann.« Judith war verwundert. »Warum eigentlich?«

»Es geht um eine juristisch sichere Nachweisbarkeit.« Die Tochter des Notars klang auf einmal sehr wichtig. »Es geht um viel...« Sie hielt inne, denn sie merkte, dass sie fast etwas verraten hätte, was noch geheim bleiben sollte. »Es geht um eine ganz wichtige Sache.« Sie lächelte etwas verlegen.



»Obwohl ich es schon einmal gesehen habe, bin ich doch sehr erstaunt.« Notar Schrumm war näher getreten und bestaunte Marias Armhaltung, als Paul mit den vier Riemen für das Gebet fertig war. »Sie sind eine außergewöhnliche Frau.«

»Danke.« Maria bedankte sich höflich. »Ich habe es auch lange geübt.«

Frederike reichte Paul das Venuskorsett. »Bitte mach weiter.«

»Also schummeln ist damit nicht mehr möglich.« Rosalie war näher getreten und sah zu, wie Marias Arme nach und nach unter dem Korsettstoff verschwanden. »Was ist, wenn du dich jetzt kratzen musst, weil es juckt?«

»Dann bitte ich Paul, mich dort zu kratzen.« Maria lächelte verträumt. »Manchmal muss ich ihn nur ansehen und er weiß, was mich gerade bewegt.«

»Ich habe einen Kurs ´Von den Augen ablesen´ belegt.« Paul lachte. »Das Geld war es wirklich wert.«



»Das ist das Kleid, welches Frau Beller gleich tragen wird?« Herr Schrumm war an die Schneiderpuppe herangetreten und hatte die Arbeit der Schneiderin begutachtet.

»So ist es.« Roswita trat hinzu. »Es ist eine Maßanfertigung.«

»Verständlich.« Herr Schrumm ließ ein kurzes Lächeln sehen, dann wurde er wieder ernst. »Wie wird das Kleid geschlossen?«

»Maria hat sich vorn einen Reißverschluss gewünscht. Dafür ist das Kleid hochgeschlossen gearbeitet.« Roswita führte den Verschluss vor.

Herr Schrumm begutachtete den Verschluss so genau, dass seine Tochter aufmerksam wurde. »Was schaust du denn da so aufmerksam?«

»Das mit dem Versiegeln wird aber schwierig.« Herr Schrumm zeigte auf die Mappe, die er auf den Schminktisch gelegt hatte.

Sonja sah ihn verwundert an. »Ist das wirklich notwendig?«

»Es gibt einen geheimen Zusatz zu dem Testament, und in dem werden ganz genaue Vorgaben gemacht.« Herr Schrumm sprach leise.

»Meinst du nicht, dass du ihrem Wort vertrauen kannst?« Sonja fühlte, dass sie Maria diese Demütigung ersparen musste. »Notfalls begleite ich sie auf die Toilette.«

Der Notar blickte seine Tochter lange an. Schließlich gab er der Schneiderin ein Zeichen. »Beginnen sie mit dem Kleid.«

Sonja war sichtlich erleichtert.



»Warum soll das Kleid denn versiegelt werden? Und was hat es mit diesem Testament auf sich?« Mrs. Potter hatte bisher nur zugesehen, wie Maria langsam in das Kleid gesteckt wurde. Sie stand neben Frederike und hatte nur geflüstert.

Marias Mutter lächelte, dann beugte sie sich zu ihr hinüber und flüsterte ihr ebenfalls etwas ins Ohr.

»Das ist natürlich ein guter Grund für alles.« Es war Marias Erzieherin anzusehen, wie sehr sie von der Information beeindruckt war.

»Bist du fertig, mein Schatz?« Frederike blickte zu ihrer Tochter. Zu ihrer Erleichterung schien sie von der Erwähnung des Testaments nichts mitbekommen zu haben. Zumindest hatte sie diesbezüglich keine Regung gezeigt.

»Von mir aus kann der Ball jetzt los gehen.« Maria blickte in den großen Spiegel über dem Schminktisch. »Es sieht toll aus.« Sie drehte sich ein wenig.

»Warte einen Moment.« Paul erkannte sofort, dass der Standspiegel auf Rollen jetzt wieder gute Dienste leisten konnte.

Doch Julia war schon dabei, den Spiegel hinter Maria zu rollen. »Bitte schön.«

»Danke.« Paul und Maria bedankten sich bei der so aufmerksamen Schneiderstochter.

* * *

Gerade hatte der Gong zum zweiten Mal geläutet. Damit wurden alle Darsteller daran erinnert, dass es nur noch fünf Minuten waren, bis der zweite Teil und damit der Ball beginnen würde.

Renate ging zu den einzelnen Garderoben, klopfte an und bat die Beteiligten, sich bereit zu machen.

Die Katerina und die Darstellerinnen der anderen Edeldamen führte sie an den Bühnenrand, wo einige vom Publikum aus nicht sichtbare Stühle standen. »Es dauert noch einen Moment, bis ihr dran seid, und so lange könnt ihr euch hier noch setzen, wenn ihr möchtet.« Dabei blieb ihr Blick immer wieder an Maria hängen. »Ich bewundere dich, dass du in solchen Stiefeln laufen kannst.«

Maria lächelte ihre Betreuerin an. »Es ist einfacher als es aussieht.«

»Ich finde diese Stiefel auch sehr faszinierend.« Amelie saß neben ihr und blickte gebannt auf Marias Stiefel, von denen jetzt etwas mehr zu sehen war. »Wenn ich sie trage, bin ich sehr unbeholfen.«

»Alles eine Frage der Übung.« Maria lächelte ein wenig verlegen, weil sie nicht wusste, wie viel sie von sich erzählen konnte.

Auch Sonja, die Tochter des Notars, stand mit ihrem Vater hinter der Bühne. Sie sagte zwar nichts, doch ihrem Blick war zu entnehmen, wie sehr sie von Marias Leistungen beeindruckt war.



»War es schwer, dich von den Ketten zu trennen?« Maria blickte auf Doris, die gerade neben ihr Platz genommen hatte. »Du trägst jetzt ja nur normalen Schmuck.«

»Er hat ihn mir geschenkt.« Doris lächelte sehr glücklich, doch auf einmal stutzte sie. »Wenn es nicht einmal dir auffällt?«

»Was sollte mir auffallen?« Maria blickte auf die Armbänder, die Doris´ Handgelenke schmückten.

»Ich bin genauso gefesselt wie sonst auch.« Ihre Stimme wurde leiser. »Schau mal.« Sie hob ihren rechten Arm. »Es gibt keinen Verschluß, den ich bedienen könnte. Er hat den Schmuck abgeschlossen.«

Jetzt erkannte Maria, dass von dem Armreif eine gleich aussehende Kette von ihrem Handgelenk zu ihrer Taille führte. Jetzt erkannte sie den Sinn des besonderen Schmuckes. »Aber das ist doch nur Spielzeug, oder?«

»Das habe ich auch erst gedacht.« Doris blickte verträumt in Richtung des Publikumsraum. »Aber er hat es aus vergoldetem Titanstahl machen lassen. Sehr robust.«

»Faszinierend.« Maria lächelte.

»Das ist noch nicht das Schönste.« Doris´ Augen leuchteten.

Maria blickte die Schmiedetochter nur an.

»Meine Mutter hat nichts dagegen, dass ich dieses Schmuckensemble auch während meiner Hochzeit trage.« Sie strahlte über das ganze Gesicht.

* * *

Claudia Wetzler stand während der Pause bei ihren Eltern. Auch sie hatte trotz ihrer eigenen Leistung als Darstellerin der Dienerin Maria begeistert applaudiert, denn sie war von ihrer Leistung ehrlich beeindruckt.

Außerdem ahnte sie, dass sie seit den ursprünglich so demütigenden Ereignissen vom Vortag auf ihre bisherigen Freundinnen keinerlei Rücksicht mehr zu nehmen hatte.

Denn jetzt fühlte sie sich seltsam befreit, und sie war fest entschlossen, Maria gegenüber wie eine Freundin aufzutreten, auch wenn diese ihr Angebot bisher nicht angenommen hatte.

Sie hatte in der Nacht lange wach gelegen und es war ihr klar geworden, dass sich mehrere Jahre der Demütigung nicht einfach durch eine Entschuldigung wegwischen lassen würden.

Der Auftritt auf dem Marktplatz hatte auch bewirkt, dass Claudia über ihre eigene Zukunft nachgedacht hatte, und es war ihr klar, dass sie sich ändern musste, wenn sie eines Tages einmal die Brauerei ihres Vater wirklich übernehmen sollte.

Der Gong ertönte zum dritten Mal.

* * *

»Der große Tag war gekommen. Heute fand der seit langem angekündigte Ball statt, auf dem der Prinz sich seine Braut aussuchen sollte. Von überall her waren die adeligen Familien eingeladen, die eine oder mehrere Töchter im heiratsfähigen Alter hatten.« Herr Kleinert ließ kurz sein Buch sinken. »Doch der Herzog hatte ein Problem. Er konnte seine Geisel wegen ihre Ranges nicht von dem Ball ausschließen, doch er wollte verhindern, dass sie als Braut in Frage kam.« Er blickte zum Vorhang, der gleich danach aufgezogen wurde.



»Nun, mein lieber Zeremonienmeister, ist alles bereit für den Ball?« Der Herzog blickte von seinem Thron in den noch leeren Saal.

»Es ist alles so vorbereitet, wie Hoheit es sich gewünscht haben.« Er griff zu einer Schriftrolle und schien darin zu lesen. »Die Comtess trägt das Kleid, welches ihre Arme verbirgt, und sie wird auch verschleiert sein. Aber sind Hoheit sicher, dass das ausreicht?«

»Ich kann sie von dem Ball nicht ausschließen.« Der Herzog wirkte nachdenklich. »Außerdem hat mir der Tanzmeister versichert, dass die Tänze ohne Arme nicht zu tanzen sind.«

»Ich habe mir erlaubt, mein Mündel genauso zu kleiden wie die Comtess.« Der Zeremonienmeister grinste verwegen. »Dann besteht auch noch Verwechslungsgefahr.«

»Wenn es hilft, die Verbindung zu verhindern...« Der Herzog zog seine Stirn in Falten. »Ich musste auch ihren Vater eingeladen, und ich möchte auf keinen Fall mit ihm verwandt werden.«

»Das wird nicht passieren, Hoheit. Ganz sicher nicht.« der Zeremonienmeister rollte seine Schriftrolle zusammen und verließ den Thronsaal.

Der Herzog stand vom Thron auf und ging langsam hinter. »Euer Wort in Gottes Ohr.« Er seufzte.

Der Vorhang schloß sich.

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Rainman
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Das Leben ist sch...., aber die Graphik ist geil!

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  RE: Maria Datum:29.05.17 21:04 IP: gespeichert Moderator melden


Hallo cag_coll.

Tolle Fortsetzungen. Machen immer wieder Spaß beim lesen.

Auch finde ich es toll, das du dir 2-3 Tage Zeit läst, bevor du einen Teil veröffentlichst. So hat man doch länger was von Maria & Co. Auch wenn ich gerne jeden Tag einen neuen Teil lesen würde.

Aber es gibt da doch ein paar Dinge die ich seltsam finde, weil mir auch irgendwie die nötigen ERklärungen nicht einleuchten.


1.
Du hast den Baron verhaften lassen, aber warum erzählst du nichts mehr von ihm? Mich würde ja mal interessieren, wie es ihm geht und ob er und wenn ja, unter den verhören leidet.

2.
Wie kommt dieser Knilch Franz-Ferdinant darauf, das ihm das Geld ausgezahlt wird. Da die Festleitung doch jetzt, wenn auch nur Komissarisch, von einem andern gemacht wird. Er müßte doch jetzt eigentlich aussen vorstehen. Wie soll das funktionieren?

3.
Naja, Claudia ist auch noch so ein Fall wo ich noch nicht wirklich durchblicke. Die hjat in den letzten 3 Folgen eine 180 Grad wendung gemacht und irgendwie kann ich das noch nicht wirklich nachvollziehen. So hoch wie die ihre Nase getragen hat, kann man die im realen leben bestimmt nicht umpolen. Und ihr Vater hat hat da zwar gute Ansätze gezeigt/gemacht, aber ob das wirklich schon ausreicht, das due sich so wandel wage ich doch zu bezweifeln.


Wie immer auf einen neuen Teil wartend,

LG Rainman
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*Gozar*
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  RE: Maria Datum:29.05.17 21:39 IP: gespeichert Moderator melden


Wieder einmal wunderbar cag_coll.

Lass mich nicht so lange warten bis zum nächsten Teil.

@Rainman
Las Gnade vor recht ergehen Rainman! Menschen ändern sich. Warum nicht auch Claudia
Ich glaube immer an das gute im Menschen

Grüße an alle die welche möchten
Gozar

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Machtdom
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wahre Freiheit ensteht in uns

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  RE: Maria Datum:30.05.17 06:03 IP: gespeichert Moderator melden


hallo gag_coll,

ich kann mich nur wiederholen.
Deine Geschichte ist wirklich toll und macht süchtig auf den jeweils nächsten Teil.

@ Rainman
Gestehe gag_coll die schriftstellerische Freiheit zu, auch mal bei einigen Nebendarstellern nicht alles so genau zu erzählen

Gruß
Machtdom

Meine Geschichte:
Schule für Sklavinnen
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gag_coll
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  RE: Maria - Kapitel 14 - Das Katerinenfest - Teil Einundfünfzig Datum:31.05.17 05:46 IP: gespeichert Moderator melden


Maria
Kapitel 14 - Das Katerinenfest - Teil Einundfünfzig
Autor: Karl Kollar

(noch Samstag, 25. September 1984 - Festwochenende)

Herr Kleinert wartete den Applaus ab, dann hob er sein Buch wieder hoch. »Alle waren dem Ruf des Herzogs gefolgt, die Töchter waren sehr gespannt auf den Prinzen, und die Eltern hofften, für ihre Töchter eine sehr gute Partie zu bekommen.«

Die Fanfare ertönte und der Vorhang öffnete sich. Mit viel Getöse und Pomp betrat das herzogliche Paar mit seinem Gefolge den Thronsaal, und der Herzog ließ sich auf dem Thron nieder. Als die Musik verklungen war, stand der Herzog auf und hielt seine Rede. Nach der Begrüßung der Gäste gab er bekannt, dass sich sein Sohn heute seine Braut aussuchen würde.

Nachdem er sich vergewissert hatte, dass die Damen bereit waren, trat der Zeremonienmeister neben den Thron. »Wenn Hoheit es erlauben, möchte ich nun die geladenen Damen vorstellen.« Er wartete die Antwort des Herzogs ab, dann griff er zu einer Papierrolle und begann, daraus vorzulesen.

Nach jedem Namen machte er eine Pause und wartete, bis die entsprechende Edeldame vor den Thron getreten war und einen Knicks gemacht hatte.



»Das sind aber prachtvolle Kleider.« Karl lächelte zu Rosalie. »Ich bin erstaunt über den Aufwand, der hier getrieben wird.«

»Soweit ich weiß, sind es die Mitglieder einer Barock-Tanzgruppe. Die Kostüme sind sozusagen ihre Uniform.« Rosalie gab wieder, was sie wusste. »Ich bin sehr auf Marias Kleid gespannt.«

»Ich auch.« Karl blickte zur Bühne. »Ich bin sehr auf das Gebet gespannt.«



Die Comtess Katerina von Greiffenclau wurde vom Zeremonienmeister als letzte vorgestellt. Kaum hatte sie ihren Knicks beendet, als auf einmal alle Schauspieler innehielten.

Herr Kleinert wartete den Applaus ab, dann las er wieder aus seinem Buch vor. »Die ersten Tänze dienten dem Kennenlernen. Es waren deswegen auch keine Paartänze, sondern eher Formationstänze und Reigen - Frauen und Männer machten Bewegungen und Schritte als Gruppe, und umtanzten sich paarweise, ohne sich zu berühren, oder maximal an ausgestreckten Händen. Nach ein, zwei Drehungen fand immer ein Partnerwechsel zu neuen Gegenübern statt.«

Er machte eine kurze Pause.

»Im Verlauf des Tanzes konnte der Prinz so mit den einzelnen Damen ein paar Worte wechseln und sie so näher kennenlernen. Man erzählte sich allerdings, dass der Herzog die Comtess unter dem Schleier sogar knebeln ließ, damit sie mit dem Prinzen nicht reden konnte.« Er ließ das Buch sinken. »Doch zuvor möchte ich die Comtess einmal bitten, vorn an die Bühne zu kommen und ihr Kleid zu zeigen.«

Maria kam der Bitte nach, und gleich darauf hielt es keinen im Saal mehr auf seinem Sitz. Der Saal tobte, und alle applaudierten im Stehen.

Bedingt dadurch, dass das der Zuschauerraum zirka einen Meter tiefer lag als die Bühne, konnte jeder, der darauf achtete, sehen, dass Maria in ihren Stiefeln auf Zehenspitzen stand. Doch fast alle Blicke richteten sich auf Marias Oberkörper, wo keine Arme zu sehen waren, aber eine sehr schlanke Taille.

Paul stand mit Tränen in den Augen am Rand der Bühne. Er freute sich sehr über Marias Triumph, denn kaum einer wusste so gut wie er, wie sehr sich Maria bisher für diese Leistung geschunden und gequält hatte.

Der Moderator bedankte sich noch einmal für diesen so beeindruckenden Auftritt. »Wir werden dann im Spiel weiter machen.«



»Warum trägst sie eigentlich diese merkwürdigen Stiefel?« Auch Karl war Marias seltsame Haltung aufgefallen.

»Sie hat mir dazu nichts gesagt.« Rosalie zuckte mit den Schultern. »Aber ich weiß, dass sie es durchaus gewohnt ist, auf diesen Ballett-Stiefeln zu laufen.« Rosalie berichtete, was sie von den Telefonaten mit ihrer Freundin erfahren hatte.

»Das ist aber schon heftig.« Karl kratze sich am Kopf. »Die Arme in dieser seltsamen Haltung und die Stiefel. Kann sie denn damit überhaupt tanzen?«

»Sie kann.« Rosalie grinste. »Sie kann es.«



Nach dem letzten der Kennenlerntänze erhob sich der Herzog und wartete, bis Ruhe eingekehrt war. »Nun, mein Sohn, wer soll denn nun eure Braut werden? Wen werdet ihr zum Tanz bitten?« Er blickte auffordernd zu seinem Sohn.

Der Prinz schritt langsam, aber sehr würdevoll durch den Thronsaal, vorbei an fast allen Damen, bis er vor einer verschleierten Dame stand. Er verbeugte sich tief, dann sprach er mit ruhiger Stimme. »Holde Dame, darf ich euch um diesen Tanz bitten?«

Die Katerina machte einen Knicks, dann hielt sie und mit ihr auch alle anderen Darsteller in ihrer Bewegung inne.



»Jetzt wird es spannend.« Herr Schrumm blickte abwechselnd zu Maria und zu seiner Tochter, die neben ihm stand.

»Hast du etwa Zweifel?« Sonja grinste.

»Nein, natürlich nicht.« Der Notar lächelte ebenfalls. »Aber es geht immerhin um acht Millionen D-Mark, die zur Auszahlung kommen könnten.«

»Stimmt, da wäre ich auch nervös.« Sonja lächelte und blickte zu Maria. »Ich bin überrascht, dass sie so ruhig ist.«

»Sie weiß noch nichts von dem Geld.« Herr Schrumm blickte kurz in seiner Unterlagen, die er dabei hatte. »Frau Beller hat mich darum gebeten, ihrer Tochter noch nichts zu sagen.«



»In der damaligen Zeit war so ein Verlobungstanz durchaus verbindlich.« Herr Kleinert las wieder aus seinem Buch vor. »Es waren genügend adlige Zeugen anwesend, auf die sich die Familie im Zweifel berufen konnte. Es gab damals noch nicht so viel Schriftliches.«

Er machte eine Pause.

»In diesem Moment zeigte sich aber auch ein Fehler in den Plänen des Herzogs. Dadurch, dass die ausgewählte Dame verschleiert war, konnte keiner sehen, wen der Prinz sich wirklich ausgesucht hatte. Und wenn der Herzog dazwischen gegangen wäre, hätte er sein Gesicht verloren.« Er blickte wieder auf die Bühne.



Die Musik setzte ein und der Prinz begann mit seiner Dame zu tanzen. Es sah wunderschön aus, und dass die Katerina keine Arme hatte, fiel überhaupt nicht auf.

Der Herzog und auch der Zeremonienmeister standen mit versteinerter Miene am Thron und mussten zusehen, wie der Prinz diesen so wichtigen Tanz tanzte, ohne das sie es verhindern konnten.



»Schade, das es heute so viel strenger geregelt ist.« Rosalie seufzte, als sie ihre Freundin mit dem Prinzen tanzen sah.

»Was meinen sie mit strenger?« Karl war nicht ganz klar, was Rosalie gerade bewegte.

»Es wäre doch schön, wenn sie mit dem Tanz auch gleich juristisch verbunden wären.« Rosalie hatte ein Strahlen im Gesicht. »Heute muss man ja erst auf das Standesamt.«

»Ach ja, die beiden Darsteller sind ja auch im echten Leben ein Paar.« Karl war sich bei seinen bisherigen Beobachtungen nicht so ganz sicher gewesen.

»Morgen stehen sie ja sogar vor dem Altar.« Rosalie grinste. »Deswegen bin ich eigentlich gekommen.«



Mit einem triumphierenden Lächeln trat der Prinz nach dem Tanz vor den Thron. Neben ihm stand die Comtess, die immer noch den Schleier trug.

»Nein, ihr werdet diese Dame nicht heiraten.« Der Herzog war aufgebracht.

»Vater, darf ich euch an eure eigenen Worte erinnern?« Der Prinz blieb bewusst ruhig. »Ich sollte mir meine Braut aussuchen, und das habe ich gemacht.« Er blickte sich um. »Und es gibt genügend Zeugen für beides.«

Der Herzog erkannte, dass er gute Miene zum bösen Spiel machen musste. »Nehmt eurer Braut den Schleier ab.«

Hilflos musste der Herzog mitansehen, wie sein Sohn der Comtess Katerina von Greiffenclau den Verlobungskuss gab.

Der Vorhang schloss sich und es setzte tosender Applaus ein.



»Kommst du kurz mit?« Herr Schrumm blickte seine Tochter verzückt an.

»Was ist denn?« Es war Sonja anzumerken, dass sie ihrem Vater nur ungern folgte.

»Ich möchte Marias Leistung beglaubigen, und du musst als Zeugin mit unterschreiben.« Er zeigte seine Papiere vor.

»Ja, das ist wichtig.« Sonja seufzte.

* * *

»Nach dieser wundervollen Darbietung möchten wir uns bei ihnen bedanken.« Der Bürgermeister persönlich hatte wieder zum Mikrofon gegriffen und bat das Prinzenpaar zu sich. »Sie haben unser Fest mit einem ganz besonderen Glanz versehen, der sicher noch lange durch unser kleines Städtchen strahlen wird.«

Maria und Paul waren immer noch überwältigt von dem jubelnden Applaus, der gleich nach ihrem Tanz ertönt war. Etwas verlegen traten sie dem Bürgermeister gegenüber.

»Die Sponsoren haben zusammengelegt und möchten ihnen für die kommende Zeit als Katerinenpaar ein kleines Auto ihrer Wahl schenken.« Herr Heinrich überreichte ihnen einen symbolischen Umschlag. »Und falls sie noch keinen Führerschein haben sollten - dieser ist im Geschenk mit inbegriffen.«

»Das ist sehr freundlich.« Paul stotterte ein wenig vor Überraschung. Er legte seinen Arm um Maria. »Wir bedanken uns recht herzlich.«

»Kein Grund zur Bescheidenheit.« Herr Steinhagen trat hinzu und reichte Paul die Hand, dann legte er Maria die Hand auf die Schulter. »So eine außergewöhnliche Leistung muss belohnt werden.«



Ursprünglich war die Idee mit dem Auto von Herrn Wetzler gekommen, und Claudia hatte die Idee zum Führerschein noch mit eingebracht. Dies ging ihr durch den Kopf, als Paul und Maria von dem besonderen Geschenk erfuhren. Doch Claudia war nicht mutig genug, um deswegen in den Vordergrund zu treten. Dazu war ihr schlechtes Gewissen noch zu groß.



»Auch die Stadt möchte sich bei ihnen bedanken.« Der Bürgermeister blickte kurz zur Ehrenloge. »Herr Kollar hat mich auf den Gedanken gebracht. Wir möchten vor dem Rathaus ein Katerinen-Denkmal errichten, und wir würden uns sehr freuen, wenn sie dafür mit dem Gebet Modell stehen würden.«

Maria begann kurz zu taumeln, bis sie Pauls festen Griff spürte.

»Meine Tochter bedankt sich für die große Ehre.« Frederike war ebenfalls auf die Bühne gekommen. »Als Mutter bin ich sehr stolz auf Maria, und ich habe auch ein kleines Geschenk für sie.«

Maria hatte sich wieder in der Gewalt. Sie blickte neugierig zu ihrer Mutter.

»Im Nachbarort hat eine langjährige Freundin von mir eine Reithalle und viele Pferde. Ihr dürft sie jederzeit besuchen, und wenn Pferde frei sind, auch reiten.« Frederike hatte auch einen Briefumschlag in der Hand, den sie jetzt überreichte. »Es wartet dort aber auch ein kleines Pony namens Wildfire auf euch, wenn euch das gefallen sollte.« Frederike zwinkerte kurz, als sie Marias erschrockenen Blick bemerkte.

»Danke Mama.« Maria war den Tränen nahe.

Paul zog seine Freundin zu sich heran. Er spürte, wie sehr sie von den Geschenken überwältigt war.

»Meine Tochter ist erschöpft und möchte sich kurz zurückziehen.« Frederike wartete die Antwort nicht ab, sie führte Paul und Maria hinter die Bühne und bot Maria einen Stuhl an.

»Danke, das tut gut.« Maria war immer noch überwältigt.

»Ich möchte ihnen die Stiefel ausziehen.« Sonja stand auf einmal vor ihnen und hielt einen Schlüssel in der Hand.

»Oh, die wollte ich aber noch weiter tragen!« Maria blickte auf und erkannte die Tochter des Notars. Sie lächelte verlegen. »Aber es wäre nett, wenn sie mir die Schlösser öffnen könnten.«

»Ich bin überrascht.« Sonja kniete sich vor Maria. »Ich bin immer froh, wenn ich endlich meine High Heels ausziehen kann.«

Maria blickte sich verlegen um. Sie wollte sich erst vergewissern, wer in Hörweite stand. »Ich freue mich seit einem Vierteljahr auf diesen Abend und habe mir vorgenommen, das Gebet so lange wie möglich zu tragen.«

»Aber diese Mörderstiefel?« Sonja öffnete die Schlösser und nahm sie ab.

»Auch die bin ich seit Jahren gewöhnt.« Sie wurde etwas rot bei dem Satz. »Es macht mir wirklich nichts aus.«

»Sie sind eine faszinierende Frau.« Sonja erhob sich wieder.



»Ich bitte um Erlaubnis, die Comtess Katerina von Greifenklau um einen Tanz bitten zu dürfen.« Paul verbeugte sich sehr formvollendet vor Maria. Er mochte diese recht gestelzt wirkenden Formulierungen aus den Sissi-Filmen, und jetzt fand er die Gelegenheit sehr passend. Es gehörte zwar nicht zum Spiel, aber in diesem Moment konnten sie auch nicht gehört werden.

»Eure Bitte sei gewährt.« Maria lächelte.

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*Gozar*
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  RE: Maria Datum:31.05.17 20:58 IP: gespeichert Moderator melden


*schnüff schnüff*

"Taschentücher Bitte, meine Tränen tropfen alles voll"

"! Superschön !"

gag heute hast du dich selber übertroffen. Ich flehe dich an um ein happyend für Maria und Paul.

Gruß Gozar
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gag_coll
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  RE: Maria - Kapitel 14 - Das Katerinenfest - Teil Zweiundfünfzig Datum:02.06.17 06:26 IP: gespeichert Moderator melden


Maria
Kapitel 14 - Das Katerinenfest - Teil Zweiundfünfzig
Autor: Karl Kollar

Sonntag, 26. September 1984 - Festwochenende


»War es schön gestern?« Selma lächelte, als Leonie und Holger pünktlich um sieben Uhr die Treppe herunter kamen. »Dorothea und ich sind ja gleich nach dem Ball nach Hause gegangen.«

»Ein Traum«, schwärmte Leonie. »Vielen Dank, dass sie uns das ermöglicht haben.«

»Immer wieder gern.« Selma lächelte. »Aber jetzt müssen wir uns beeilen. Soviel Zeit ist nicht mehr bis zum Gottesdienst. Ich freue mich, dass ihr helfen wollt.«

Den letzten Teil ihrer Gedanken hatte sie nicht ausgesprochen. Holger erkannte trotzdem, was ihre Gastgeberin bewegte. »Wir waren uns einig, dass wir zu müde waren, um noch etwas zu unternehmen. Wir haben uns nur noch erzählt, wie wir uns diese Nacht vorgestellt hatten.« Er folgte Selma in die Küche.

»Wir haben uns bei den Ideen gut ergänzt.« Leonie ging zum Schrank mit dem Geschirr und öffnete ihn. »Den Käfig wollen wir nur für kurze Zeiträume einsetzen, weil er sonst eher unbequem ist.«

»Unbequem ist aber kein Kriterium.« Selma öffnete den Kühlschrank und holte die vorgesehenen Lebensmittel heraus. »Aber ich glaube, ich weiß, was ihr meint. Körperliche Unversehrtheit ist wichtig. Es darf nicht zu Schäden kommen, erst recht nicht zu dauerhaften..«

Holger kümmerte sich um das Besteck. »Ich hatte die Idee eines längeren Käfigs, der vor dem Bett stehen würde.«

»Und ich träume von einem Käfig, der von oben auf mein Bett herabgelassen werden kann.« Leonie lächelte verträumt. »Dann kannst du mich noch streicheln, wenn ich im Käfig bin.«

»Ja, das könnte schön werden.« Holger legte das Besteck auf das das Tablett mit dem Geschirr und trug es ins Esszimmer.

»Wie seid ihr mit dem Kleid zurecht gekommen?« Selma war ehrlich neugierig.

»Es war wunderschön.« Leonie bedankte sich überschwänglich für das Kleid. »Es ist ein Traum, so hilflos zu sein.«

»Viele haben mir dir getanzt und nur wenige haben wirklich gemerkt, was wirklich mit dir los war.« Holgers Stimme zeigte, wie fasziniert er von dem Abend war.

»Meinst du?« Leonie blickte ihn verwundert an. »Dass mein einer Arm nicht beweglich war, war doch ziemlich offensichtlich.«

»Naja, wie auch immer.« Holger lächelte. »Es war ein sehr schöner Abend. Vielen Dank dafür.«

* * *

Auf Anraten der ´Erwachsenen´ hatte Paul und Maria die Nacht jeweils in ihrem eigenen Bett verbracht. Um so mehr freuten sie sich, als sie sich am Morgen wiedersahen, als Maria zusammen mit ihrer Mutter und ihrer Erzieherin zu Pauls Oma zum gemeinsamen Frühstück kam.

»Es war wirklich schön gestern.« Maria schwärmte. »Wie bei Sissi auf ihren ersten Ball.«

»Du warst wirklich toll.« Paul schwärmte. »Alle haben dich bewundert.«

»Jetzt kommt erst einmal herein.« Selma bat ihren Besuch ins Haus. »Schön, dass ihr gekommen seid.«



Der Tisch im Esszimmer war schon festlich gedeckt. »Anna und Leonie haben mir geholfen.« Selma bat ihre Gäste, sich einen Platz zu suchen. »Und die Männer holen frische Brötchen und Brot.«

Paul setzte sich neben Maria und blickte sie verliebt an. »Ich wusste erst nicht, was mit dir los war, als wir tanzten, doch dann hatte ich es begriffen.«

»Ja, es hat gut getan.« Maria lächelte. »Es fing an, weh zu tun, und damit hat Mama es so schön verlängert. Danach habe ich es noch jeweils eine Stunde länger ausgehalten.«

»Du warst auch sehr tapfer.« Frederike lächelte ihre Tochter an.

»Es hat aber auch Spaß gemacht. Alle haben mich bewundert und angestarrt.« Doch dann seufzte sie. »Und heute noch mal.«

»Das Gebet wollen alle sehen.« Selma lächelte ebenfalls. »Du wirst noch für Jahre das Stadtgespräch sein.«

»Meint ihr?« Maria wurde auf einmal etwas nachdenklich. »Das wäre mir eigentlich gar nicht recht.«

»Du stehst jetzt vor Claudia Wetzler und auch vor der Baroness.« Selma erinnerte Maria an die Personen, die in der Vergangenheit für Maria eine mehr oder weniger wichtige Rolle spielten.

»Meinst du wirklich?« Maria gab sich bescheiden. »Das wäre mir gar nicht so wichtig.«

»Komm, die Früchte darfst du wirklich ernten und genießen.« Paul verschluckte den Rest seiner Gedanken. Er wollte Maria jetzt nicht an die endlosen Qualen erinnern, die sie sich angetan hatte, um dieses Ziel erreichen zu können.

»Judith war glücklich, dass du soviel mit ihr getanzt hast.« Maria versuchte vorsichtig einen Themenwechsel.

»Sie war ja so süß.« Paul lächelte verträumt. »Sie träumt davon, beim nächsten Fest die Katerina spielen zu dürfen.«

»Welches Mädchen träumt nicht davon?« Selma seufzte. »Im richtigen Alter wäre sie ja, um ausgewählt zu werden.«

Es klingelte. Paul ging zur Haustür und ließ Rosalie sowie die Brötchenholer herein und führte alle ins Esszimmer. Selma reichte Paul die beiden Brotkörbe und wartete, bis die Herren nach dem Füllen der Körbe sich gesetzt hatten. »Jetzt greift zu. Es ist genug von allem da.«



Rosalie blickte Maria verwundert an. »Du bist so ruhig. Schließlich heiratest du heute.«

»Es ist ja nicht die richtige Hochzeit.« Maria zuckte nur mit den Schultern. »Wo ist eigentlich dein Freund Karl?«

»Er ist lediglich meine Flugbekanntschaft.« Rosalie verdrehte die Augen. »Er kommt direkt zum Gottesdienst. Er sagte, er müsse seine Notizen sichten.«

Ich habe ihn gestern auf dem Ball auch nicht gesehen.« Maria war ein wenig verwundert.

»Er hat sich bald nach dem Theaterspiel verabschiedet.« Rosalie lächelte. »Er sagte, dass er die Tänze nicht so mag.«

* * *

»Das war ein schönes Wochenende.« Leonhard öffnete den Koffer und begann, ihre Habseligkeiten wieder hinein zu packen.

Amelie ließ es sich nicht nehmen, ihren Schlafsack selbst einzurollen, nachdem sie ihn von innen mit einem Handtuch ausgewischt hatte. »Es war wundervoll, darin zu schlafen.«

»Du siehst damit auch sehr schön aus.« Leonhard lächelte. »Und so wunderschön hilflos.«

»Das bin ich auch.« Sie lächelte. »Und ich liebe es.« Doch dann verzog sie das Gesicht. »Nur den Knebel hätte es nicht gebraucht. Ich hätte gern noch etwas mit dir gesprochen.«

»Ich war hundemüde... und wollte meine Ruhe haben.« Er lächelte verlegen. »Ich habe ihn dir auch gleich heraus genommen, nachdem du eingeschlafen warst.«

»Du bist extra noch wach geblieben deswegen?« Amelie war verwundert.

»Es ist schön, dich dann zu beobachten.« Seine Stimme klang ein wenig verliebt.

»Ich bin ja heute auf die Hochzeit gespannt.« Amelie blickte verträumt aus dem Fenster. »Bleiben wir noch bis zum Mittagessen?«

Leonhard blickte auf die Uhr. »Können wir schon machen.«

* * *

Doris war es gewöhnt, jede Nacht an das Bett gekettet zu werden, und die vorgesehene Befreiung für den Notfall hatte sie noch nie benutzen müssen. Sie liebte es, bei jeder Bewegung durch das Rasseln der Ketten an ihren Zustand erinnert zu werden. Und natürlich beschränkten die Ketten auch ihre Bewegungsfreiheit und erinnerten sie jederzeit daran, dass sie seit einiger Zeit Theos Gefangene war.

»Guten Morgen, mein Schatz.« Sie blinzelte, als sie das Geräusch der Schlüssel hörte.

Theo erwiderte den Gruß und befreite seine Verlobte vom Bett, um ihr gleich danach das Kettengeschirr anzulegen, welches Doris in der Kirche tragen musste. »Die Pflicht ruft.«

Doch Doris protestierte. »Darf ich mich vorher noch etwas frisch machen und mich anziehen?«

Theo bemerkte seinen Fehler und war etwas verlegen. »Entschuldige, natürlich.«

»Stell dir vor, meiner Mutter hat der Schmuck gefallen, und sie hat nichts dagegen, wenn ich ihn zum Brautkleid trage.« Doris strahlte sehr.

»Das freut mich sehr.« Doch dann verdunkelte sich Theos Gesicht. »Und die Verwandtschaft?«

»Sie sagt, das will sie ihnen beibringen.« Doris lächelte. »Gestern hat es ja auch kaum jemand bemerkt.«

»Stimmt, selbst als ich die Ketten etwas verkürzt hatte, kamen keine Reaktionen.« Theos Stimme zeigte, dass auch er von dem gestrigen Abend sehr beeindruckt war. »Das wird eine schöne Hochzeit.«

»Ja, das wird es.« Doris verschwand ins Bad. Doch dann steckte sie noch einmal kurz den Kopf zur Tür heraus. »Ich liebe dich.«

Theo warf ihr einen Handkuss zu.

* * *

»Da bist du ja endlich, du Schlafmütze.« Sarah saß an Bettys Bett und blickte verliebt auf ihre Partnerin, die sich gerade den Schlaf aus den Augen rieb. »Guten Morgen.«

»Dir auch einen guten Morgen.« Betty blickte sich um und entdeckte die zwei Ballkleider, die am Schrank hingen. »Ich bin gestern wohl gleich eingeschlafen.«

»Das kann man wohl sagen.« Sarah verdrehte die Augen. »Wir hatten ganz schön Mühe, dich aus dem Kleid herauszubekommen.«

»Das Kleid ist aber auch anstrengend.« Betty stöhnte. »Man kann sich darin so gut wie überhaupt nicht mehr bewegen.«

»Wem sagst du das?« Sarah lächelte ein wenig verlegen. »Ich bin halt von klein auf daran gewöhnt.« Sie zögerte. »Vergiss nicht, dass du mir Rache versprochen hast.« Sie blickte die ehemalige Krankenschwester mit einem Schlafzimmerblick an.

»Oh, die Liste ist lang.« Betty richtete sich auf. »Und ich werde dir jeden einzelnen Schritt vergelten.«

Es klopfte. Nach dem ´Herein´ ließ Juan seinen Kopf sehen. »Seid ihr bereit für den Gottesdienst?«

»Wir müssen uns noch anziehen.« Sarah stand vom Bett auf und ging zum Schrank. »Ist für heute etwas Besonderes gefordert?«

»Ich dachte, wir ziehen heute alle vier die Uniformen an.« Juan blickte zum Fenster. »Dann fällt es nicht so auf, wenn wir ´richtig´ zusammen sitzen.« Unter ´richtig´ und ´falsch´ verstanden sie schon seid einiger Zeit, ob sie mit ihren echten Partner zusammen waren oder schauspielern mussten. »Wir treffen uns dann beim Frühstück.«

»Ich bin ja schon sehr auf die Braut gespannt«, schwärmte Sarah, als die Tür von Juan wieder geschlossen wurde.

»Ich auch.« Betty seufzte. »Ich auch.«

»Und jetzt raus mit dir aus dem Bett.« Sarah zog ihrer Geliebten die Bettdecke weg.

* * *

»Und was hat sich alles auf dem Ball ereignet?« Selma legte ihr Besteck weg und wischte sich den Mund ab.

»Es waren letztendlich so viele Mädchen, die ohne ihre Arme getanzt haben, dass es fast schon normal wirkte.« Paul gab wieder, was er beobachtet hatte.

»Stimmt, jeder dritte Tanz wurde von den Barock-Pfeiffern begleitet, und somit waren alle genötigt, sich mit den historischen Tänzen auseinanderzusetzen«, ergänzte Rosalie. »Und bei denen spielten die Arme eine nicht so große Rolle.«

»Du hast toll gespielt, Anna.« Maria blickte zu Florians Frau.

»Naja, die meisten der Stücke kannte ich ja.« Anna winkte bescheiden ab. »Und die anderen haben es mir auch leicht gemacht.«

»Ich wusste gar nicht, dass wir so viel Stücke im Repertoire haben.« Maria lachte.

»Habt ihr auch nicht.« Anna erwiderte das Lachen. »Wir haben vieles mehr als einmal gespielt.«

»Es hat sich kaum jemand getraut, Maria aufzufordern.« Paul grinste. »Ich hatte dich fast für mich allein.«

»Das dürfte auch an diesen mörderischen Stiefeln gelegen haben.« Rosalie lachte. »Ich glaube, die haben sehr abschreckend gewirkt.«

»Herr Steinhagen hat sich getraut.« Maria berichtete, wie vorsichtig der Sparkassendirektor zunächst mit ihr umgegangen war. »Erst als er erkannt hatte, dass ich auf den Stiefeln sicher gehen kann und auch meine Arme zum Balancieren nicht gebraucht habe, ist er etwas mutiger geworden.«

»Ich war gestern sehr stolz auf dich.« Frederike wischte sich ein paar Tränen weg.

»Diese älteren Herren, die mich so aufmerksam beobachtet haben.« Maria blickte ihre Mutter fragend an. »Waren das...« Sie zögerte.

»Ja, mein Schatz, das waren meine Auftraggeber.« Frederike blickte kurz aus dem Fenster. »Sie waren sehr zufrieden mit dir.«

»Amelies Kleid war toll.« Es war Rosalie anzuhören, wie sehr sie von dem Kleid fasziniert war.

»Was war das eigentlich für ein Kleid?« Florian zeigte unerwartet ebenfalls Interesse.

»Es geht auf den Entwurf eines Holländers zurück.« Maria lächelte. »Im Prinzip ist der Rücken des Kleides doppelt gearbeitet und in dem Zwischenraum können die Arme wie in einem Handschuh fixiert werden.«

Anna lächelte. »Ihr habt euch sicher schon die Adresse geben lassen.«

»Das nicht.« Paul lachte. »Aber der Schneider war so nett, ihnen eine Kopie der Entwürfe zukommen zu lassen, und wir haben schon einen Termin mit Frau Bartels ausgemacht.«

»Das dachte ich mir schon, dass ihr euch so eine Gelegenheit nicht entgehen lasst.« Rosalie lachte.

»Franz-Ferdinand hat auch mit mir getanzt.« Maria versuchte einen Themenwechsel. »Er war seltsam gelöst, so als wäre er von eine großen Last befreit.« Sie seufzte. »Mir war irgendwie komisch zumute.«

»Das war aber erst zu vorgerückter Stunde«, ergänzte Paul. »Juan und Sarah hatten sich dann auch getraut, mit ihren Liebsten zu tanzen.«

Rosalie wunderte sich. »Wie das?«

»Ich hatte dir doch davon erzählt. Sarah und Betty als Paar und Juan ebenfalls mit seinem Diener.« Maria wunderte sich ein wenig über ihre Freundin.

»Ach die unglücklichen Königskinder.« Rosalie lächelte. »Stimmt, davon hattest du erzählt.« Dann wurde sie nachdenklich. »Das haben sie aber geschickt verborgen.«

»In ihrer Heimat müssen sie sich verstecken.« Maria gab wieder, was sie von dem Leben der Brasilianer wusste. »Sie sind mittlerweile gut aufeinander eingespielt.«

»Sie sind manchmal sogar Hand in Hand gegangen, ich dachte es, es wären zwei normale Paare.« Aus Rosalie sprach die Bewunderung.

* * *

Es klingelte. Selma stand auf und ging zur Tür. Nach einem kurzen Moment kam sie zurück. »Frau Schrumm ist da und bittet sie, Frau Beller, um ein Gespräch.«

Frederike stand auf und blickte sich fragend um.

»Ich habe sie ins Wohnzimmer geführt.« Selma zeigte auf die entsprechende Tür.



»Frau Schrumm, was kann ich für sie tun?« Frederike ahnte natürlich, was das Anliegen der Notarstochter sein könnte.

»Mein Vater schickt mich, damit ich einen Termin mit ihnen ausmachen kann, an dem wir es bekannt geben.« Sonja holte tief Luft. »Nach dem Mittagessen muss er noch einen dringenden Termin vor Gericht am Montag Morgen vorbereiten.«

»Heute ist Sonntag.« Frederike war ein wenig erstaunt.

»Ein Klient hat eine Frist versäumt und jetzt versucht mein Vater zu retten, was zu retten ist.« Sonja nahm einen Zettel zur Hand. »Er sagt, dass er spätestens gegen sechzehn Uhr hier sein könnte.«

»Okay, das ist in Ordnung.« Frederike lächelte. »Das Geld läuft ja nicht weg.«

»Ach, noch etwas.« Sonja packte den Zettel wieder ein. »Gestern auf dem Ball wollte der Herr von Schleihtal mit mir tanzen. Erst dachte ich, dass er mich anbaggern wollte, doch dann hat er sich auffällig oft nach dem Testament erkundigt und wollte wissen, ob es jetzt zur Auszahlung kommen würde.«

Frederike blickte auf.

»Ich habe ihn nur auf meine Verschwiegenheitspflicht verwiesen und dass er sich direkt an meinen Vater wenden soll.« Es war Sonja anzumerken, wie unangenehm ihr der Kontakt zu dem Neffen des Barons war.

»Komisch.« Frederike war verwundert. »Was geht ihn das an?« Doch dann zögerte sie. »Ich hätte aber auch noch eine Bitte.«

»Und zwar?« Sonja blickte kurz auf ihre Uhr.

»Bitte sagen sie vorher nichts zu meiner Tochter.« Frederike sprach etwas leiser. »Sie soll das Fest ganz unbeschwert zu Ende spielen können.«

»Ja, das würde mich auch belasten. Sie können sich auf uns verlassen.« Sonja reichte Frederike die Hand. »Dann bis heute Nachmittag.«

* * *

Kaum hatte sich Frederike wieder an den Tisch gesetzt, als es erneut klingelte.

Selma ging wieder an die Tür und führte kurz darauf Fritz, den Leiter der Barock-Pfeiffer herein.

»Ich wollte Anna sprechen.« Er hielt einen großen Blumenstrauß in der Hand, den er Anna überreichte. »Als kleines Dankeschön für deinen so guten Einsatz gestern.«

Anna stand recht verlegen auf und bedankte sich.

»Ich hätte noch ein Anliegen.« Fritz reichte Anna eine Broschüre. »Meine Firma möchte ihr internationales Geschäft ausbauen und sucht jemand mit sehr guten englischen Sprachkenntnissen.«

Anna senkte betrübt den Kopf. »Ich habe aber nichts gelernt und kann auch nichts.«

»Das wissen meine Chefs, aber sie möchten dich trotzdem kennenlernen.« Fritz hatte sich ein paar Argumente zurecht gelegt. »Sie würden dich einarbeiten und du würdest nach einer verlängerten Probezeit vielleicht sogar eine Festanstellung bekommen.«

Anna hob langsam ihren Kopf. »Das wäre sehr schön.« Eine Träne lief über ihre Wange.

»Und jetzt muss ich mich noch entschuldigen. Ich habe gestern vergessen zu sagen, dass wir uns heute schon eine Stunde vorher treffen, damit wir uns die Choräle noch einmal in Ruhe ansehen können.« Fritz blickte etwas verlegen auf den gedeckten Frühstückstisch.

»Ich bin ohnehin schon fertig.« Anna blickte kurz in die Runde, dann stand sie auf und bedankte sich bei Selma für die Gastfreundschaft. »Ich hole nur schnell die Flöte.«

Gleich darauf hörte man sie auf der Treppe.

»Wie geht es Karin?« Selma blickte Fritz fragend an.

»Ein paar Wochen wird sie den Gips noch tragen müssen.« Fritz war das Bedauern deutlich anzuhören. »Und dann wird sie ihre Hand noch einige Zeit lang nicht belasten dürfen.«

»Ja, so etwas dauert lange.« Selma seufzte.

Anna kam etwas atemlos die Treppe herunter. »Wir können los.« Gemeinsam verabschiedeten sie sich.

* * *

Kaum war der Tisch abgeräumt, als es zum dritten Mal klingelte. Diesmal war es die Schneiderin, die zusammen mit ihrer Tochter das Brautkleid für Maria vorbeibrachte.

»Ich weiß nicht, ob es nicht ein großer Fehler war, aber das Kleid hat vorn einen Ausschnitt, der ein Stück oberhalb der Brust frei lässt.« Frau Bartels war sichtlich verlegen. »Ich fand es für ein Brautkleid einfach schöner, auch weil sie dann noch Schmuck tragen kann.«

»Wie haben sie es dann mit dem Reißverschluss gemacht?« Frederike erkannte die Zusammenhänge als Erste.

»Es gibt keinen Reißverschluss«, platzte Judith voller Faszination heraus. »Maria muss in das Kleid eingenäht werden.«

»Es lässt sich jetzt leider nicht mehr ändern.« Frau Bartels war sichtlich verlegen.

»Damit kannst du das Kleid nicht mehr ausziehen.« Paul hatte ebenfalls etwas Besorgnis in der Stimme. »Du musst das Gebet die ganze Zeit tragen, und ich kann es dir auch nicht erleichtern.«

»Doch, kannst du.« Maria fragte sich, wo sie gerade die Coolness hernahm. »Packe bitte die Fernbedienung ein.«

»Gestern hat es sehr gut funktioniert.« Frederike blickte aus dem Fenster.

»Du hast... Du bist...« Rosalie war fassungslos. »Vor allen Leuten?«

»Wenn es nicht einmal dir aufgefallen ist...« Maria grinste, dann wandte sie sich an die Schneiderin. »Also dann, nähen sie mich bitte in das Kleid ein.«

»Man erzählt sich ja, dass Sissi sich auch in ihre Kleider einnähen ließ.« Selma streichelte Maria kurz über den Kopf. »Und die ist ja dein großes Vorbild.«

»Ob ich auch wieder die Stiefel tragen kann?« Maria war etwas nachdenklich. »Gestern ging das ja ganz gut.«

»Aber die schwarzen Stiefel würden unter dem weißen Rock noch mehr auffallen.« Roswita erklärte, dass beide Röcke gleich lang gearbeitet waren. »Wenn sie wenigstens in Weiß wären.«

»Ich glaube, da kann ich helfen. Ich hatte so eine Ahnung.« Frederike griff hinter sich, und mit einem breiten Grinsen stellte sie einen sehr großen Schuhkarton auf den Tisch. »Jetzt mach ihn schon auf.« Sie blickte ihre Tochter ermutigend an.

Marias Hände zitterten ein wenig, als sie den Deckel des Kartons und die erste Lage Seidenpapier entfernte. »Die sind wunderschön.« Sie stand ehrfürchtig vor dem Karton und blickte hinein. Dort lag ein Paar schneeweiße knielange Ballettstiefel aus glänzendem Leder.

»Wir sollten dann mit dem Umziehen beginnen, sonst wird die Zeit knapp.« Die Stimme der Schneiderin zeriss die feierliche Stimmung.

»Rattenscharf.« Judith war hellauf begeistert. »Was müsste ich denn tun, wenn ich solche Stiefel auch tragen möchte?«

»Judith, bitte.« Frau Bartels war ihre eifrige Tochter etwas unangenehm.

»Ballettunterricht ist sehr hilfreich.« Pauls Stimme war ungewohnt trocken.

»Ja, das ist einzusehen.« Judith seufzte. »Dann wird es wohl ein Traum bleiben.«

* * *

»Die Pfarrerin hat bekannt gegeben, dass sie eine der alten Traditionen wieder aufgreifen möchte.« Selma reichte Leonie und Holger eine gepackte Tasche. »Je nachdem, wie mutig ihr seid, könnt ihr das eine oder andere aus der Tasche dafür nutzen.«

»Um welche Tradition geht es?« Holger gab Leonie einen Kuss.

»Bei den früheren Festen war es üblich, dass die jungen Mädchen, die für das nächste Fest als Darstellerin in Frage kommen würden, in diesem Gottesdienst ihre Arme versteckten.« Selma lächelte. »So als wollten sie sich für die nächste Katerina empfehlen.«

»Aber dafür bin ich doch zu alt.« Leonie ahnte noch nicht, was kommen würde.

»Aber auch die Mädchen, die im gleichen Alter wie die Katerina waren, versuchten, in gleicher Weise aufzutreten, so als wollten sie sagen ´Seht her, ich hätte die Katerina auch spielen können´.«

»Das wäre schon eher was.« Holger blickte in die Tasche hinein. »Sie meinen, wir sollten... Im Gottesdienst?«

»Wie ich es schon sagte, es kommt auf euren Mut an.« Selma lächelte. »Die ersten beiden Reihen sind für die jungen Mädchen reserviert, damit sie die Katerina gut sehen können, aber auch, damit sie von der Gemeinde gut gesehen werden können.«

Jetzt riskierte auch Leonie einen Blick in die Tasche. »Das wäre allerdings eine sehr interessante Geschichte.«

»Ich habe euch einen Handschuh mit Reißverschluss eingepackt.« Selma grinste. »Dann fällt es nicht so auf, wenn ihr euch erst in der Kirche entscheidet.«

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  RE: Maria Datum:02.06.17 17:37 IP: gespeichert Moderator melden


Wieder eine klasse Fortsetzung. Danke und ein schönes Wochenende.

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MartinII
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Versklavung einer Frau geht nur freiwillig.

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  RE: Maria Datum:03.06.17 17:51 IP: gespeichert Moderator melden


Einfach nur großartig! Ich warte sehnsüchtig auf jede neue Folge - Danke!
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Rainman
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Das Leben ist sch...., aber die Graphik ist geil!

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  RE: Maria Datum:04.06.17 20:23 IP: gespeichert Moderator melden


Hi cag_coll.

Maria ist ja schon einen ausergewöhnlichse Katerina. Aber jetzt bekommt sie auch noch ein Auto und den Führerschein bezahlt.

Jetzt fehlt nur noch die gemeinsame Wohnung. Bin ja mal gespannt, ob die auch noch kommt.

Lass uns bitte auf den nächsten Teil nicht so lange warten.


MfG Rainman
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gag_coll
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  RE: Maria - Kapitel 14 - Das Katerinenfest - Teil Dreiundfünfzig - Vorvorletzter Teil Datum:05.06.17 06:12 IP: gespeichert Moderator melden


Maria
Kapitel 14 - Das Katerinenfest - Teil Dreiundfünfzig - Vorvorletzter Teil
Autor: Karl Kollar

(noch Sonntag, 26. September 1984 - Festwochenende)

Auf einmal war Hufgetrappel vor dem Haus zu hören. Paul blickte aus dem Fenster. »Wir werden anscheinend mit einer Kutsche abgeholt.« Er war beim Ankleiden der Braut dabei gewesen, was ihm zunächst ein Stirnrunzeln von Frau Bartels eingebracht hatte.

Maria und Frederike hatten der Schneiderin sofort erklärt, dass nur Paul das Gebet anlegen durfte, und auch nur er kannte sich mit dem Venuskorsett aus, das Maria wieder über den Armen trug.

Doch dieses Mal war es ein anderes Korsett als gestern, denn es hatte vorn den gleichen Ausschnitt wie das Kleid. Außerdem musste Paul wissen, welche Naht er an dem Kleid zu öffnen hatte, falls er Maria im Notfall zu befreien hatte. Dafür hatte er extra ein kleines Messer eingesteckt. Doch er hoffte, es nicht benutzten zu müssen.

»Maria, ich weiß, wie stolz du auf deine Leistungen und auf das Gebet bist, und das auch zu Recht.« Frederike blickte ihre Tochter ernst an. »Doch heute solltest du dir helfen lassen. Du hast gestern sehr ausführlich gezeigt, wie gut du mit dem Gebet und den Stiefeln zurechtkommst. Heute solltest du eine helfende Hand nicht ablehnen.«

Es war der besondere Tonfall, der Maria den Kopf heben ließ. Ihr Blick wechselte zwischen ihrer Mutter, Paul und ihrer Erzieherin hin und her. Doch noch sagte sie nichts.

»Das Historienspiel erfordert heute eine sehr würdevolle Hochzeit, und eine stolpernde Braut würde den bisher so tollen Gesamteindruck kaputt machen.« Frederike blickte kurz zu Paul. »Also lass dir bitte helfen.«

Marias Blick wandelte sich von Ehrfurcht zu fröhlichem Lächeln. Die kleine Rede ihrer Mutter hatte sie wieder an ihre Pflichten erinnert, und hatte sie auch ein wenig aus dem Himmel wieder zurück auf die Erde geholt. »Danke, Mama.« Dann blickte sie zu Paul. »Mein Prinz, würdet ihr mir auf dem Weg zur Kutsche eure Hand reichen?«

»Der Wunsch der Prinzessin ist mir Befehl.« Paul ging bewusst langsam zu dem Stuhl, auf dem Maria noch saß, dann streckte er den Arm aus. »Meine liebe Prinzessin, darf ich euch zur Kutsche bringen?«

»Wartet einen Moment.« Frau Bartels unterbrach die Zeremonie. »Ich möchte euch noch etwas zu dem Kleid sagen.« Sie trat ebenfalls an den Stuhl heran. »Ich habe Teile der Rückenpartie doppelt gearbeitet.« Sie blickte zu Paul. »Du kannst diese Lagen nutzen, um Maria damit leichter festzuhalten. Probiere es einmal aus.«

»Oh ja, ich sehe, was sie meinen.« Paul begutachtete die Rückseite des Kleides. Er griff in die entsprechenden Öffnungen und konnte Maria so leicht beim Aufstehen unterstützen.

»Moment!« Judith sprang auf einmal recht hektisch auf. »Das Wichtigste fehlt doch noch.«

Frau Bartels lächelte, als sie sah, dass ihre Tochter den Schleier in der Hand hatte. »Maria, setzte dich bitte noch mal.«

»Darf ich, Mama?« Judith blickte ihre Mutter fragend an.

Die leuchtende Augen ihrer Tochter machten es der Schneiderin schwer, jetzt ´Nein´ zu sagen. »Das musst du die Braut fragen.«

Judith stutzte einen Moment, denn sie hatte eigentlich eine Ablehnung erwartet. Sie räusperte sich. »Comtess Katerina, darf ich euch den Schleier anlegen?«

»Sehr gern, Jungfer Judith.« Maria lächelte.



»Überraschung.« Kerstin saß auf dem Kutschbock und grinste. »Wir wussten nicht, ob es mit der Kutsche und den vier Pferden klappen würde, deswegen haben wir euch vorher nichts gesagt. Aber jetzt nehmt bitte Platz.« Doch dann stutzte sie. »Bringt es nicht Unglück, wenn der Bräutigam das Kleid der Braut vor der Hochzeit sieht?«

»Also erstens ist das nicht meine Hochzeit, sondern die der Comtess.« Maria grinste, nachdem sie in der Kutsche Platz genommen hatte. »Und außerdem muss Paul heute besonders auf mich aufpassen.«

»Damit ist die Latte aber ganz schön hochgelegt.« Kerstin lachte.

»Wie meinst du das?« Paul hatte den Zusammenhang noch nicht erkannt.

»Naja, bei eurer eigenen Hochzeit wollt ihr das vielleicht noch steigern.« Kerstin wartete, bis auch Paul sich gesetzt hatte, dann ließ sie die Pferde losgehen.

Maria verdrehte die Augen.



»Eine schöne Braut.« Frau Bartels hielt ihre Tochter im Arm. Gemeinsam blickte sie der Kutsche hinterher. »Jetzt sollten wir uns beeilen, damit wir auch rechtzeitig in die Kirche kommen.«

»Ja, Mama.« Judith wurde auf einmal etwas wehmütig.

»Hast du dein Armversteck dabei?« Frau Bartels blickte auf ihre Tochter herunter, die ihr schon bis zur Schulter reichte.

»Nein, das ist noch daheim.« Doch dann stutzte Judith. »Woher weißt du das?«

»Ich war auch einmal jung.« Die Schneiderin lächelte. »Und nachdem Frau Reger angekündigt hatte, dass sie die alte Tradition mit den versteckten Arme wieder aufleben lassen wollte, habe ich mich gefragt, ob du dir etwas Entsprechendes basteln würdest.«

Judith blickte ihre Mutter verwundert an.

»Und als du dann gefragt hast, ob du an die alte Maschine darfst, war mir klar, was du vor hast.« Frau Bartels strich ihrer Tochter über den Kopf. »Jetzt müssen wir aber los.«

* * *

Als der Klang der Kirchenglocken zu ihr in ihr kleines Gefängnis drang, wurde Sophie auf einmal sehr wehmütig. Heute würde die Katerina vor dem Altar stehen, und zusammen mit ihrem Prinzen würde sie dann in ihr zukünftiges Leben schreiten.

Sophie seufzte. Sie hatte sich zwar in ihrer Jugend zwar auch nach einem Prinzen gesehnt, doch spätestens nach dem Tod der Mutter hatte sie sich in dieser Beziehung sehr hemmungslos gegeben. Ihr war immer nur der schnelle Sex wichtig, ohne dass sie irgendwelche Konsequenzen zu fürchten hatte. Eine feste Bindung hatte sie nie eingehen wollen.

Erst seit Michael sie in ihrem Gefängnis besucht hatte, glaubte sie, wieder so etwas wie Gefühle entwickelt zu haben. Doch sie wusste auch, wie sehr sie Michael bisher gedemütigt und missachtet hatte, und dass es noch lange dauern würde, bis er ihr vielleicht verzeihen konnte.

Den Brief für ihn hatte sie gestern geschrieben, heute wollte sie sich bei der Person bedanken, die sie als Einzige im Krankenhaus besucht hatte.

Sophie setzte sich an ihren Tisch und lauschte dem Läuten der Glocken. Vor ihr lag der Block mit Briefpapier, und daneben lag ihr Schreibgerät. Wenn der Gottesdienst begann, wollte sie auch mit dem Dankesbrief an Maria beginnen. Und sie wollte ihr auch mitteilen, dass sie wegen des Festes nicht böse war, bei dem sie ihr die Rolle weggenommen hatte.

* * *

»Hier ist ja schon alles voll.« Karl war sehr verwundert, als er die Kirche betrat. Er blickte zu seiner Begleiterin.

»Ja, das wundert mich auch. So voll ist es sonst nicht einmal zu Weihnachten.« Rosalie blickte sich in der Kirche um. »Seltsam, ich hatte die Kirche größer in Erinnerung.«

»Ich glaube, den Effekt kenne ich.« Karl lächelte. »Es gibt in Hildesheim eine Kirche, Sankt Andreas. Wir waren dort öfters mit der Schule, und ich war damals beeindruckt über die Größe des Innenraums und vor allem von der Orgel.«

Rosalie blickte ihren Begleiter schweigend an.

»Später kam ich wieder einmal in diese Kirche und war regelrecht enttäuscht, als ich erkannte, dass es eigentlich eine kleine Kirche ist.«

»So geht es mir im Moment auch.« Rosalie lächelte. »Schauen wir mal, ob wir auf der Empore noch einen Sitzplatz bekommen. Von da sieht man die Braut auch besser.«

Karl war einverstanden.

Doch auch auf der Empore waren schon viele Plätze belegt. Neben Florian fanden sie schließlich noch Platz.

* * *

»Wartet noch mit dem Aufstehen, bis ich die Bremse angezogen habe.« Kerstin blickte kurz nach hinten zu dem Brautpaar, das sie mit ihrer Kutsche vor das Kirchenportal gefahren hatte. Sie hielt die Pferde an und hantierte danach an der Kutsche. »Jetzt könnt ihr.« Sie sprang vom Kutschbock, öffnete die Tür der Kutsche und klappte die Stufen aus.

Paul ging voran und half dann Maria beim Aussteigen. Im ersten Moment wollte Maria seine Hand noch mit einer Kopfbewegung zurückweisen, doch dann erinnerte sie sich an die Worte ihrer Mutter und befahl ihrem Ehrgeiz, sich heute der Sicherheit wegen zurückzuhalten.

Vor dem Kirchenportal wurden sie schon von der Pfarrerin erwartet. »Es ist alles bereit.« Frau Reger lächelte. »Kein Grund nervös zu werden.« Sie gab den Musikern, die nahe am Eingang standen, ein Zeichen.

Eine sehr feierliche Trompetenfanfare ertönte und gab der Gemeinde damit bekannt, dass das Brautpaar eingetroffen war.

Paul und Maria nahmen hinter der Pfarrerin Ausstellung, und gemeinsam warteten sie ab, bis die Trompeter mit ihrer Fanfare fertig waren. Gleich darauf ertönte der sehr eindrucksvolle festliche und laute Klang der Orgel, und unter den Blicken aller versammelten Gemeindeglieder schritten Maria und Paul langsam vor zum Altar.

Maria war geradezu überwältigt, als sie erkannte, wie voll die Kirche war. Sie strauchelte ein wenig, und Paul musste sie kurz fest festhalten.

Die Pfarrerin hielt ebenfalls sofort inne und drehte sich zu Maria um. »Ist alles in Ordnung?«

»Es ist nichts.« Maria versuchte zu lächeln. »Ich bin nur etwas überwältigt von den vielen Leuten.«

»Ja, die sind alle wegen dir gekommen.« Frau Reger war es klar, dass es falsch wäre, Maria in dieser Richtung zu schonen. »Alle wollen dein Kunststück sehen.«

»Wir können weiter gehen.« Maria hatte gesehen, dass auch ihre Mutter mit sorgenvoller Miene zu ihr herüber geblickt, und sie wusste, dass sie sich beherrschen musste.

Vor dem Altar standen zwei Stühle, und erst als das Brautpaar sich gesetzt hatte, nahm auch die Gemeinde Platz.



»Hätte nicht der Vater seine Tochter um Altar bringen müssen?« Rosalie war ein wenig verwundert.

»Das ist im deutschsprachigem Raum nicht üblich.« Karl gab sein Wissen wieder. »Das kommt eher aus dem englischen oder amerikanischen Raum.«

»Ich bin doch schon zu lange in Australien.« Rosalie berichtete mit leiser Stimme, dass sie vor kurzem erst der Hochzeit ihrer Schwester beigewohnt hatte.



Nach der Begrüßung der Gemeinde erinnerte die Pfarrerin noch einmal daran, dass heute eine Hochzeit von vor gut achthundert Jahren nachgespielt wurde. »Heute stehen der Prinz Anselm von Schönborn und die Comtess Katerina von Greiffenclau vor dem Altar, die von Paul Mohr und Maria Beller lediglich verkörpert werden.«

»Das Besondere an dieser Hochzeit ist das Gebet auf dem Rücken, welches uns Maria Beller heute so wunderschön präsentiert.« Sie deutete Maria an, einmal aufzustehen. »Ich denke, das ist einen Applaus wert.«

Der sehr stürmische Beifall verebbte nur langsam. Schließlich nahm Maria wieder Platz. »Wie ich es schon angekündigt habe, möchte ich gemäß der alten Tradition alle jungen Mädchen ermutigen, während des ersten Liedes mit ihren versteckten Armen nach vorn zu kommen und sich in die erste Reihe zu setzen.« Sie zeigte auf die beiden freigehaltenen Reihen.

»Und nun lasst uns den Gottesdienst beginnen im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes.« Sie begab sich wieder auf ihren Platz in der ersten Reihe.



Die Barock-Pfeiffer begannen mit dem Vorspiel für das erste Lied. Wie es zu erwarten war, traute sich zunächst keines der jungen Mädchen nach vorn. Erst als die Pfarrerin direkt auf die Damen zuging, fassten sich einige der Mädchen ein Herz, kamen tatsächlich nach vorn und setzten sich in die ersten beiden Reihen, die extra zu diesem Zweck freigehalten worden waren.

Bei den früheren Festen empfahlen sich so die jungen Mädchen für die Auswahl der nächsten Katerina, und das eine oder andere Mal hatte eine besondere Anmut eines Mädchen durchaus einen großen Einfluß auf die spätere Entscheidung. Aber auch Mädchen im gleichen Alter wie die Katerina kamen jeweils nach vorn, um ihre versteckten Arme zu präsentieren. Ihre Botschaft war ähnlich: ´Seht her, ich hätte die Katerina auch spielen können.´



»Jetzt verstehe ich, was Frau Mohr meinte.« Leonie strahlte Holger an. »Hilfst du mir bitte in den Handschuh?«

»Aber sehr gern.« Holger grinste bis über beide Ohren. Er fühlte mit Leonie und hatte wie sie begriffen, dass so eine tolle Gelegenheit so bald nicht wieder kommen würde. Er holte den Handschuh aus der Tasche und seine Hände zitterten nicht, als er ihn seiner Freundin anlegte.

Als Leonie dann langsam nach vorn ging, hielt sie trotzdem ihren Blick gesenkt, denn sie traute dem Frieden noch nicht. Doch zu ihrer Überraschung wurde ihr Auftritt zusammen mit allen anderen jungen Mädchen sogar von leichtem Applaus begleitet.



»Die Lesung für den heutigen Tag findet sich im ersten Brief an die Korinther Kapitel 13, Vers 1-13, das sogenannte Hohe Lied der Liebe.« Frederike hatte darum gebeten, diesen Text lesen zu dürfen.

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Wenn einer alle Sprachen der Menschen und sogar der Engel spricht, aber keine Liebe hat, ist er doch nur ein dröhnender Gong oder eine lärmende Pauke.

Wenn einer göttliche Eingebungen hat und alle Geheimnisse Gottes kennt, wenn er den Glauben hat, der Berge versetzt, aber ohne Liebe ist, hat das alles keinen Wert.

Wenn einer seinen ganzen Besitz verteilt und den Feuertod auf sich nimmt, aber die Liebe nicht hat, ist alles umsonst.

Wer liebt, hat Geduld. Er ist gütig und ereifert sich nicht; er prahlt nicht und spielt sich nicht auf.

Wer liebt, ist nicht taktlos, selbstsüchtig und reizbar. Er trägt keinem etwas nach.

Wer liebt, freut sich nicht, wenn der andere Fehler macht, sondern wenn er das Rechte tut.

Wer liebt, gibt niemals jemanden auf. In jeder Lage vertraut und hofft er für ihn. Alles nimmt er geduldig auf sich.

Liebe behält ihren Wert. Die Weisheit der Propheten wird ein Ende haben. Das Wissen um die göttlichen Geheimnisse wird ein Ende haben.

Denn unser Wissen und Reden erfasst von der Wahrheit nur einen kleinen Teil.

Wir werden einmal die ganze Wahrheit sehen.

Wir sehen jetzt nur ein Bild wie in einem Spiegel und können es nicht deutlich erkennen. Dann aber stehen wir Gott selbst gegenüber. Dann werden wir ihn erkennen, wie er uns schon jetzt kennt.

Alles wird aufhören; nur Glaube, Hoffnung und die Liebe nicht. Diese drei bleiben; aber die Liebe steht am höchsten.

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Nach dem Glaubensbekenntnis und einem weiteren gemeinsamen Lied begann die Pfarrerin mit der Predigt. »Als Text für die Predigt habe ich einen Text ausgewählt, der nicht aus der Bibel stammt. Er heißt ´Die Insel der Gefühle´ und ist von ´Le Poete Mos´:

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Vor langer Zeit existierte einmal eine wunderschöne kleine Insel. Auf dieser Insel waren alle Gefühle der Menschen zuhause: Der Humor und die gute Laune, die Traurigkeit und die Einsamkeit, das Glück und das Wissen und all die vielen anderen Gefühle. Natürlich lebte auch die Liebe dort.

Eines Tages wurde den Gefühlen jedoch überraschend mitgeteilt, dass die Insel sinken würde. Also machten alle ihre Schiffe seeklar um die Insel zu verlassen. Nur die Liebe wollte bis zum letzten Augenblick warten, denn sie hing sehr an ihrer Insel.

Bevor die Insel sank, bat die Liebe die anderen um Hilfe.


Als der Reichtum auf einem sehr schönen luxuriösen Schiff die Insel verließ, fragte die Liebe: »Reichtum, kannst du mich mitnehmen?«

»Nein, ich kann nicht. Auf meinem Schiff habe ich sehr viel Gold, Silber und Edelsteine. Da ist kein Platz mehr für dich.«


Also fragte die Liebe den Stolz, der auf einem wunderbaren Schiff vorbeikam. »Stolz, bitte, kannst du mich mitnehmen?«

»Liebe, ich kann dich nicht mitnehmen«, antwortete der Stolz, »hier ist alles perfekt und du könntest mein schönes Schiff beschädigen.«


Als nächstes fragte die Liebe die Traurigkeit: »Traurigkeit, bitte, nimm du mich mit.«

»Oh Liebe«, sagte die Traurigkeit, »ich bin so traurig, dass ich allein bleiben muss.«


Als die gute Laune losfuhr, war sie so zufrieden und ausgelassen, dass sie nicht einmal hörte, dass die Liebe sie rief.


Plötzlich aber rief eine Stimme: »Komm Liebe, ich nehme dich mit.«

Die Liebe war so dankbar und so glücklich, dass sie ganz und gar vergaß, ihren Retter nach seinem Namen zu fragen.


Später fragte die Liebe das Wissen: »Wissen, kannst du mir vielleicht sagen, wer es war, der mir geholfen hat?«

»Ja sicher«, antwortete das Wissen, »das war die Zeit.«

»Die Zeit?« fragte die Liebe erstaunt, »warum hat mir denn die Zeit geholfen?«

Und das Wissen antwortete: »Weil nur die Zeit versteht, wie wichtig die Liebe im Leben ist.«

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»Ein schöner Text«, flüsterte Karl leise zu Rosalie.

»Ja.« Rosalie wischte sich eine Träne weg. »Eine sehr moderne Pfarrerin.«



Nach der Predigt spielten die Barock-Pfeiffer das Largo von Händel, und es war deutlich zu hören, dass Anna an der ersten Flöte all ihre Gefühle in ihr Spiel legte, um den Augenblick so feierlich wie möglich zu gestalten.



Auf ein Zeichen von Frau Reger traten der Prinz und die Comtess an den Altar.

»So frage ich euch vor Gott und dieser Gemeinde: Prinz Anselm von Schönborn, wollt ihr die Comtess Katerina von Greiffenclau, die Gott euch anvertraut, als eure Ehefrau lieben, achten und ehren und die Ehe mit ihr nach Gottes Gebot und Verheißung führen - in guten und schlechten Tagen -, bis dass der Tod euch scheidet, so antwortet: ´Ja, mit Gottes Hilfe´.«

Prinz Anselm antwortete. »Ja, mit Gottes Hilfe.«



»Comtess Katerina von Greiffenclau, wollt ihr den Prinzen Anselm von Schönborn, den Gott euch anvertraut, als euren Ehemann lieben, achten und ehren und die Ehe mit ihm nach Gottes Gebot und Verheißung führen - in guten und schlechten Tagen -, bis dass der Tod euch scheidet, so antwortet: ´Ja, mit Gottes Hilfe´.«

Auch die Comtess Katerina beantwortete die Frage klar und deutlich.



Dann wandte sich die Pfarrerin an die Gemeinde. »Wollt ihr dies Paar nach Kräften begleiten mit der Liebe und Phantasie, die Christus uns gezeigt hat, so antwortet: Ja, mit Gottes Hilfe.«

Alle in der Kirche antworteten: » Alle: Ja, mit Gottes Hilfe.«



Für die gegenseitigen Versprechen hatte die Pfarrerin kleine Texttafeln vorbereitet, so dass Paul und Maria nur ablesen mussten. Trotzdem waren sie bemüht, in der feierlichen Stimmung zu bleiben.

»Katerina, ich nehme dich als meine Ehefrau aus Gottes Hand. Ich will dich lieben und ehren, dir vertrauen und treu sein. Ich will dir helfen und für dich sorgen, will dir vergeben, wie Gott uns vergibt. Ich will zusammen mit dir Gott und den Menschen dienen, solange wir leben. Dazu helfe mir Gott.«

»Anselm, ich will dich als meinen Ehemann von Gott annehmen. Ich will mein Leben mit dir teilen. Ich will mit dir lachen und weinen. Ich will mit dir reden und schweigen. Ich will immer bei dir bleiben. Dazu helfe mir Gott.«



»Jetzt müssen sie die Ringe tauschen.« Rosalie war sehr angespannt, obwohl sie wusste, dass die Hochzeit von Maria nicht echt war.

»Aber wie kann das gehen?« Karl war etwas verwundert. »Sie trägt doch die Arme im Gebet.«

Erst jetzt kam Rosalie ins Grübeln. »Stimmt, gute Frage. Keine Ahnung, wie sie das machen wollen.«



Das Herz von Doris schlug und sowohl Theo als auch ihre Mutter mussten sie beruhigen. Gleich würde ihr kleiner und für sie doch so großer Auftritt kommen. Noch nie hatte sie ihre Ketten vor so viel Leuten gleichzeitig gezeigt.

»Jetzt müssten die Brautleute die Ringe tauschen.« Die Pfarrerin gab Doris das verabredete Zeichen. »Da die Katerina aus offensichtlichen Gründen ihre Finger nur sehr eingeschränkt benutzen kann, wird ihre Dienerin ihr bei diesem Teil der Zeremonie helfen. Kommen sie bitte nach vorn.« Frau Reger blickte Theos Verlobte ermunternd an.

Doris fühlte Pudding in den Knien, als sie jetzt aus der Reihe trat und mit dem deutlich hörbaren Klirren ihrer Ketten langsam vor zum Altar trat.

»Ein Applaus für diese engagierte Schauspielerin.« Die Pfarrerin zwinkerte Doris kurz zu.

Nachdem der Beifall verebbt war, reichte Frau Reger dem Prinzen ein kleines mit Samt bezogenes Kissen, auf dem die zwei Ringe lagen.

Als Paul die Ringe sah, fiel ihm ein, dass er sich extra den Verlobungsring seiner Mutter eingesteckt hatte, weil er die Plastikringe so billig fand. Doch es war jetzt zu spät, etwas zu ändern.

Doris trat an Maria heran und öffnete den kurzen Reißverschluss im Nacken, der ihre Finger verbarg. Paul trat zu ihr und konnte so Maria den Ring an den Finger stecken.

Ursprünglich hätte Doris den Ring für Paul zwischen Marias Finger stecken sollen und Maria hätte ihn dann an Pauls Finger stecken sollen. Doch es war ihnen recht bald klar geworden, dass Maria gar nicht sehen konnte, was sie mit ihren Armen machen würde.

Doch die Lösung war einfach. Doris hielt Maria den Ring so hin, dass sie ihn mit der befreiten Hand zwischen Daumen und Zeigefinger halten konnte. Dann führte Doris Pauls Hand mit dem ausgestreckten Ringfinger direkt in den bereitgehaltenen Ring.

Danach ging sie bewusst würdevoll wieder auf ihren Platz zurück und setzte sich. Theo ergrff ihre Hand und drückte sie.



Mit dem abschließenden Trausegen beendete die Pfarrerin diesen Teil der Zeremonie:

Der gütige und menschenfreundliche Gott segne euch und euer gemeinsames Leben, das ihr im Vertrauen aufeinander und auf Ihn begonnen habt.

Er schenke euch Freude aneinander und Geduld miteinander. Er lasse eure Liebe wachsen und befähige euch zur Treue. Er schenke euch viele gute Tage und stärke euch in den bösen Zeiten.

Er segne euch in euren Kindern und helfe euch, gute Eltern zu sein. Er segne Eure Wohnung, damit ihr gern und gastfreundlich darin wohnt. Er segne eure Arbeit, damit sie euch nicht nur Last, sondern auch Freude sei.

Er schenke euch ein langes, zufriedenes und erfülltes Leben. Er umgebe euch mit Freunden und euch wohlgesinnten Menschen. Er lasse euch das Ziel eures Lebens nie aus den Augen verlieren.

Ein geglücktes Leben hier und die ewige Freude dort schenke euch der allmächtige Gott: der Vater, der Sohn und der Heilige Geist.

Als Lied nach der Trauung war ´Nun danket alle Gott´ vorgesehen, und als die Orgel mit dem Vorspiel einsetzte, blickten sich Paul und Maria erleichtert an.



Nach dem Lied wurden die Fürbitten vorgetragen, und nach der letzten Bitte trat Herr Greinert vor die Gemeinde. »Bei den bisherigen Aufführungen wurde spätestens nach dem Ja-Wort der Katerina der Handschuh abgenommen. Doch wir alle möchten sie, Frau Beller, bitte, uns das Gebet auch auf der Kutschfahrt zu zeigen. Ich denke, dass ist der allgemeine Wunsch.«

Der sofort einsetzende tosende Applaus bewirkte, dass Paul und Maria aufstanden, sich gemeinsam zum Publikum drehten und mehrmals verbeugten. Erst als der Beifall langsam abebbte, räusperte sich Maria und mit klarer Stimme gab sie ihre Antwort. »Ich erfülle ihnen diesen Wunsch sehr gern.«



»Sie hat auch gar keine Wahl.« Rosalie blickte zu Karl. »Soweit ich das mitbekommen habe, ist sie in das Kleid eingenäht.«

»Trotzdem, ein toller Gottesdienst.« Karl ignorierte Rosalies leichten Spott.



Nach dem obligatorischen Vaterunser erteilte die Pfarrerin noch den Abschluss-Segen und gleich darauf ertönte das Vorspiel zu ´Großer Gott, wir loben dich´.

Nach den drei Strophen, die von den Barock-Pfeiffern begleitet wurde, war es für einen kurzen Moment ruhig in der Kirche, und dann begann die Orgel mit ´Toccata und Fuge´ von Bach, deren sehr prägnanter Anfang dem Auszug noch einmal etwas sehr Feierliches gab.

Nach einigen Minuten stand die Pfarrerin auf und der Auszug des Brautpaares begann.

* * *

Als sie die Kirche verließen, hatte Paul eigentlich erwartet, die Kutsche vor der Kirche zu sehen. Nach einigem Umherschauen entdeckte er sie auch, doch sie stand noch etwas abseits, und Kerstin war gerade dabei, die Pferde mit etwas Wasser zu versorgen. Auf dem Platz vor der Kirche hingegen waren einige Stehtische aufgebaut und mit weißen Decken gedeckt. An der Seite stand ein Tisch mit gefüllten Sektgläsern.

»Wir geben noch einen kleinen Empfang, um die besondere Leistung zu würdigen.« Frau Reger hatte die Verwunderung bemerkt. »Hat euch Frau Bayer darüber nicht informiert?«

»Nein, das war uns nicht bekannt.« Paul schüttelte den Kopf. »Aber das gehört jetzt nicht mehr zum Katerinenfest, oder?«

»Nein! Das Fest ist vorbei. Oder eigentlich erst nach eurer Kutschfahrt nachher.« Die Pfarrerin lachte. »Aber es gibt viele, die euch und vor allem dir gratulieren und die Hand schütteln möchten.«

Maria erkannte sofort, dass die von ihrer Mutter angeregte Zurückhaltung immer noch galt. »Ich muss sie leider enttäuschen, aber das mit dem Händeschütteln wird schwierig.«

»Ach Gott, was rede ich da.« Frau Reger war etwas verlegen, als sie ihren Fehler bemerkte. »Aber ihr wisst doch sicherlich, wie es gemeint ist.

»Natürlich.« Paul lächelte.

»Aber auf ein Gläschen Sekt darf ich euch doch einladen.« Doch dann fiel der Blick der Pfarrerin auf Marias nicht mehr sichtbare Arme. »Ach wie ungeschickt von mir, Sekt geht ja auch nicht.«

»Sekt geht.« Maria erkannte, dass sie Farbe bekennen musste. »Paul wird mir das Glas halten.«

»Ich bin erleichtert.« Frau Reger blickte nach oben. »Und der Wettergott hatte auch ein Einsehen mit uns.« Sie lächelte. »Ich habe heute eigentlich schon genug geredet«, meinte sie etwas selbstironisch. »Aber so eine tolle Leistung muss einfach belohnt werden.«

Wieder hatten sich ein paar Redner gemeldet, die Maria wegen der außerordentlichen Leistung beglückwünschten und ihr auch Umschläge überreichten. Meistens bemerkten die Redner erst, dass Maria den Umschlag nicht entgegennehmen konnte, als sie etwas verlegen mit den Schultern zuckte. Paul nahm dann jeweils den Umschlag entgegen.



»Frau Beller, dies ist der Künstler, der die Statue von ihnen anfertigen wird.« Der Bürgermeister stellte einen Mann vor, dessen dichter Bart sein Alter schwer schätzen ließ. »Herr Rudolfo bittet sie um einen Besuch, damit sie die Statue gemeinsam entwerfen können.«

Maria bewegte schon lange etwas, jetzt erkannte sie, dass sich eine passende Gelegenheit bot. »Darf die Statue auch ein Paar darstellen?«

Der Bürgermeister und der Künstler blickten sich an. »Warum denn das?« fragte Herr Heinrich schließlich.

»Ich verdanke Paul so viel.« Maria blickte ihrem Freund ins Gesicht, während sie weiter sprach. »Er ist immer für mich da, verzichtet selbstlos auf eigene Wünsche und liest mir hingegen jeden Wunsch von den Augen ab. Er beschützt mich rund um die Uhr und gibt mir immer die Kraft für das Gebet.«

Während sie sprach, hatte Paul Mühe, die Fassung zu wahren und seine Tränen zurückzuhalten. Zu einer Antwort war er in diesem Moment nicht fähig.

Doch die spontane Liebeserklärung wirkte auch beim Bürgermeister und dem Künstler. Auch sie mussten erst einmal schlucken, bevor sie weitersprechen konnten.

»Das geht sicherlich.« Herr Heinrich versuchte zu verdrängen, dass der Preis für die Statue schon ausgehandelt war und eigentlich für Änderungen kein Geld mehr verfügbar war.

Frederike hatte das Zögern ebenfalls bemerkt. Sie trat an den Künstler heran und fragte unauffällig nach den Problemen.

»Es geht um die Materialkosten.« Er war bemüht, leise zu sprechen. »Ich müsste billigeres Material nehmen.«

Frederike war sehr stolz auf ihre Tochter. »Machen sie es wie von meiner Tochter gewünscht, und alle anfallenden Mehrkosten werde ich übernehmen.« Sie reichte ihm die Hand.

Auf einmal war Hufgeklapper zu hören. Kerstin näherte sich mit der Kutsche, nachdem Renate ihr diesbezüglich ein Zeichen gegeben hatte.

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  RE: Maria Datum:06.06.17 18:06 IP: gespeichert Moderator melden


Hallo gag_coll

Und wieder einmal kein Grund zur Beanstandung. Im Gegenteil, wieder einmal eine wunderschöne Fortsetzung!
Ich selber hatte ja ein wenig die Hoffnung, das Maria und Paul wirklich in den Hafen der Ehe fahren auf dem Fest aber das war wieder mal "wünschdirwas" von mir. Ich bin halt ein Träumer in der Beziehung.
Ich warte gespannt auf DIE nächsteN TeilE. Und vielleicht klappt das, mit Maria und Paul, ja noch mit dem Eheversprechen, in Ketten und Korsett.

Gruß Gozar
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  RE: Maria - Kapitel 14 - Das Katerinenfest - Teil Vierundfünfzig - Vorletzter Teil Datum:07.06.17 06:28 IP: gespeichert Moderator melden


Maria
Kapitel 14 - Das Katerinenfest - Teil Vierundfünfzig - Vorletzter Teil
Autor: Karl Kollar

(noch Sonntag, 26. September 1984 - Festwochenende)

»Wie kann ich mich dafür bedanken?« Paul sprach leise, als sie in der Kutsche Platz genommen hatten.

»Bleib einfach so, wie du bist.« Maria gab ihm einen Kuss. »Und jetzt lege bitte den Arm um mich. Die Leute wollen ein glückliches Brautpaar sehen.«

»Das sind wir doch, oder?« Paul achtete peinlichst genau darauf, Marias Hilflosigkeit nicht zu missbrauchen, vor allem da er wusste, dass Maria seinen Berührungen nicht ausweichen konnte. Doch dieser so netten Aufforderung kam er gern nach.

»Ihr seid ein wirklich tolles Brautpaar.« Eine bekannte Stimme erklang hinter ihnen.

Paul drehte sich um und sah, dass sich die vier Brasilianer in ihren schicken Uniformen wieder hinter der Kutsche aufgestellt hatten.

»Das Leibregiment ihrer Hoheit meldet sich zum Dienst.« Sarah hatte ein breites Lächeln auf den Lippen.

»Die Prinzessin lässt ihren Dank ausrichten.« Paul lächelte ebenfalls.



»Da drüben sind Wolkenbergs.« Maria blickte in eine bestimmte Richtung. »Winkst du mal?«

Paul kam der Bitte nach. Dieses Mal standen drei Paare beieinander. Leonie mit ihrem Freund, ihre Schwester mit deren Freund sowie die Eltern. Es war deutlich zu erkennen, dass Leonie ihren Handschuh noch trug.

»Leonie ist sehr glücklich.« Maria seufzte. »Jetzt hat sie endlich einen Freund, der sie versteht.«

»Ja, da hatte meine Oma ein sehr geschicktes Händchen bewiesen.« Paul winkte erneut. »Es war sehr faszinierend, Leonie in ihrer selbstgewählten Hilflosigkeit zu beobachten.«

»Habe ich Grund zur Eifersucht?« Maria hatte ein Lächeln in der Stimme.

Paul erkannte sofort, wie Maria es gemeint hatte. »Naja, solche Handschuhe hast du halt nicht.« Er grinste.

»Vielleicht hat deine Oma noch ein Exemplar.« Maria blickte verträumt in die Ferne. »Oder wir fragen Frau Bartels, ob sie uns so welche nähen kann.«



»Bis zur Bäckerei könnten wir auch zu Fuß gehen.« Renate lächelte. »Aber mit der Kutsche ist es viel romantischer.«

»Sie bietet auch einen gewissen Schutz vor ungewollten Berührungen.« Kerstin war hochkonzentriert, denn sie musste ihre Pferde unter Kontrolle halten. »Wo kommen bloß all die Leute her?«

Renate war ebenfalls ein wenig besorgt. »Es scheint, ganz Landsbach ist auf den Beinen. Hoffentlich kommen wir da überhaupt durch.« Sie blickte nach vorn zu den Pferden. »Schaffen sie es wirklich, alle vier Pferde unter Kontrolle zu halten?«

»Ich hoffe es.« Kerstin war ein wenig verlegen. »Es bedarf hoher Aufmerksamkeit. Aber wir werden begleitet.«

»Begleitet von wem?« Renate war wegen der Massen von Menschen, die sich mittlerweile um die Kutsche geschart hatten, nichts aufgefallen.

»Wir sind eigentlich zu fünft.« Sie machte darauf aufmerksam, dass jeweils einer von ihrem Reitverein sich um jeweils ein Pferd kümmern wird. »Sie gehen direkt neben ihnen und können sofort eingreifen. Es ist auch wichtig für das Pferd, dass jemand Vertrautes in nächster Nähe ist.«

»Ich verstehe.« Renate war beeindruckt.

»Und wir werden auch noch von der berittenen Polizei begleitet.« Kerstin blickte sich um. »Sobald sie da sind, geht es los.«

»Ich wusste gar nicht, dass Landsbach eine berittene Polizei hat.« Renate wunderte sich.

»Haben sie auch nicht.« Kerstin berichtete, dass der hiesige Polizeichef extra zwei Reiter aus München angefordert hatte. »Wir haben die Route schon abgesprochen.«

In diesem Moment war weiteres Hufgetrappel zu hören, und gleich darauf erschienen zwei berittene Polizeibeamtinnen neben der Kutsche. »Alles klar?«

»Seid ihr bereit?« Kerstin hatte sich vom Kutschbock her zu dem Brautpaar hin umgedreht.

»Es kann losgehen.« Paul gab Maria noch einen Kuss.

Kerstin stimmte sich noch kurz mit der Beamtin ab, dann hob sie die Zügel hoch. »Sobald sie vor der Kutsche sind, geht es los.«



Die Größe der Polizeipferde bewirkte, dass die Leute, die am Straßenrand und teilweise auch auf der Straße standen, respektvoll zurückwichen und so auch Kerstin mit der Kutsche Platz machten.

Vor der Bäckerei blieb Kerstin stehen. Herr Friedrich selbst kam in Begleitung seiner Schwester an die Kutsche und beglückwünschte das Paar. »Eine tolle Leistung.«

Auch Frau Friedrich war von Marias Haltung und vor allem von ihrer Erscheinung tief beeindruckt.



Ähnlich verlief der Empfang bei der Metzgerei, doch als Maria sah, dass sogar die alte Frau Sauer in ihrem Rollstuhl vor dem Haus stand, sagte sie Kerstin, dass sie kurz aussteigen wollte.

»Das ist eigentlich nicht vorgesehen.« Sie wandte sich an Carlos, der mit seinen Leuten die Kutsche ebenfalls begleitete.

»Wenn Maria kurz aussteigen möchte, dann machen wir das möglich.« Der Chef der Wachmannschaft trat an die Kutsche heran und öffnete selbst die Tür.

Paul hatte sofort erkannt, was Maria bewegte. Sie wollte der ältesten noch lebenden Darstellerin der Katerina die Ehre erweisen, und er wusste, dass er sie dabei zu unterstützen hatte.



Frau Sauer war zu Tränen gerührt, als Maria vor ihr in die Hocke ging. »Dass ist das noch erleben darf.« wiederholte sie mehrfach, dabei strich sie ihr zärtlich über den Kopf.

Maria schluckte nur, sie war nicht zu einer Antwort fähig.

»Die Comtess muss jetzt weiter.« Es war ihre Enkelin Anna Sauer, die ihre Oma schließlich darauf aufmerksam machte, dass Maria noch weitere Termine hatte.

»Es ist gut, mein Kind.« Frau Sauer lehnte sich in ihrem Rollstuhl wieder zurück. »Ihr seid ein schönes Paar.«

Paul hatte einen Kloß im Hals, als er ihr die Hand reichte. Nur mühsam fand er ein paar Dankesworte.



Als sie wieder in der Kutsche saßen, schwiegen sie einige Zeit, so ergriffen waren sie von der Begegnung.

»Danke, dass du mich festgehalten hast.« Maria lächelte. »Ich habe erst an die Stiefel gedacht, als ich schon in der Hocke war.«

»Es war eine Schrecksekunde.« Paul lächelte ebenfalls. »Mir war sofort klar, dass du umfallen würdest, und das musste ich verhindern.«

»Ihr seid wirklich gut aufeinander eingespielt.« Renate drehte sich bewundernd nach hinten. »Es ist überhaupt nicht aufgefallen.«

Maria gab Paul einen Kuss. »Was ist die nächste Station?«

»Es kommen noch die Sparkasse und auf euren persönlichen Wunsch hin noch Herr Weiterer.« Renate blickte noch einmal kurz in die kleine Mappe, die sie fast immer bei sich trug. »Und dann kommt noch das Abschlussessen im Rathaus.«

»Dann haben wir es ja bald geschafft.« Paul drehte sich zu Maria. »Wie geht es dir?«

»Naja, das sind jetzt schon fast drei Stunden.« Maria drehte ihren Kopf langsam zu Paul und blickte ihn eindringlich an.

Paul erkannte sofort, was Maria bewegte, und er war bemüht, ihrer nicht ausgesprochenen Aufforderung nachzukommen. Er griff zu der Fernbedienung in seiner Tasche und drückte den entsprechenden Knopf. Gleichzeitig legte er den Arm um seine Freundin.

Maria gab ihm einen Kuss, dann schloss sie die Augen und ließ sich in seine Arme fallen. Das sanfte Schaukeln der Kutsche mischte sich mit den Vibrationen, die sie an so prominenter Stelle spürte, und schon bald hatte sie ihre Umgebung vergessen und gab sich ganz ihren Gefühlen hin. Sie achtete lediglich darauf, nicht zu auffällig zu stöhnen.

Paul erkannte ihren Höhepunkt sofort und er streichelte sie an den Stellen, von denen er wusste, dass Maria es mochte und jetzt auch noch spüren konnte.



Kerstin war extra etwas langsamer gefahren, und als Maria ihre Augen wieder öffnete, sah sie das Gebäude der Sparkasse gerade näher kommen, und jetzt realisierte sie auch, dass ihr schon die ganze Zeit zugejubelt wurde.

»War das die ganze Zeit schon?« fragte sie sehr verlegen.

»Keine Sorge, ich habe Kerstin gesagt, dass wir etwas Zeit brauchen, und ich habe für dich gewinkt.« Paul hatte erkannt, worum sich seine Freundin sorgte. »Es hat keiner gemerkt, und du hattest die ganze Zeit ein Lächeln im Gesicht.«

»Na dann.« Maria gab Paul wieder einen Kuss. »Jetzt werde ich es noch einige Zeit aushalten.«

»Es kommen ja nur noch das Mittagessen und der Fototermin.« Paul klang erleichtert. »Dann haben wir es geschafft.«

Maria seufzte, und es war nicht zu erkennen, ob sie es bedauerte oder ob sie erleichtert war.



Vor der Sparkasse wurden sie von Herrn Steinhagen persönlich begrüßt, und auch er überreichte ihnen einen Umschlag. »Für ihre ganz außergewöhnlichen Leistungen.«

»Wir sagen danke.« Paul deutete eine Verbeugung an.

Dieses Mal mussten sie zwar nicht aussteigen, aber dafür wurde wieder Sekt gereicht. »Jetzt habt ihr es doch fast überstanden.«



»Wir müssen dann weiter.« Kerstin fühlte, dass sie nun etwas auf das Tempo drücken durfte, ohne dass die Sparkasse in Gestalt von Herrn Steinhagen beleidigt sein würde.

»Natürlich.« Der Sparkassendirektor selbst nahm die Gläser entgegen und gab dann Kerstin das Signal zum Weiterfahren.



Der Besuch bei dem alten Monohandschuhlehrer war für Maria eine Herzensangelegenheit. Natürlich wusste sie, dass sie ihre ´Qual´ damit deutlich verlängerte, weil er etwas abseits wohnte, doch der Besuch war ihr sehr wichtig. Sie hatte einfach eine zu große Achtung vor dem Herrn.

Er saß wie üblich vor dem Haus, doch als er die ersten Geräusche der Kutsche hörte, wurde er neugierig. Er stand auf und trat an vor an seinen Gartenzaun. Doch erst, als er sah, wer in der Kutsche saß, glitt auf einmal ein Lächeln in sein Gesicht.

Die Kutsche blieb vor seinem Haus stehen, und Carlos öffnete wieder die Tür der Kutsche.

Mit Hilfe von Paul stieg Maria aus der Kutsche aus und machte vor Herrn Weiterer einen tiefen Knicks.

»Ich wusste es«, Herr Weiterer war sichtlich fasziniert von Maria und ihrem Gebet. »Ich wusste es die ganze Zeit, dass du das kannst und machen wirst. Und du warst toll in der Kirche.«

Maria brachte kein Wort heraus. Sie wiederholte ihren Knicks.

»Das ich das noch erleben darf.« Tränen liefen über seine Wangen. »Und dass ihr an mich gedacht habt.«

Auch Paul war sehr ergriffen von der Szene. Er legte die Hand auf Marias Schulter.

»Wenn alles vorbei ist, dann kommt ihr noch einmal zu mir zum Kaffee.« Herr Weiterer blickte zu der Kutsche. Erst jetzt realisierte er auch die beiden Polizistinnen, die der Szene etwas unsicher zusahen. »Ich glaube, ihr müsst dann weiter.« Er verbeugte sich vor Maria. »Danke für den Besuch. Es war für mich eine große Ehre, und ich habe mich sehr gefreut.«

Mit einem Kloß im Hals bestieg das Paar wieder die Kutsche. Die Fahrt bis zum Rathaus verlief schweigend.

* * *

»Ich denke, es wurden genug Reden gehalten.« Robert Greinert war aufgestanden und hatte sein Glas gehoben. »Mit diesem Essen möchte ich mich bei ihnen allen für das rundum gelungene Fest bedanken.«

Alle, die irgendwie mit dem Fest zu tun hatten, waren an der großen Tafel im Rathaussaal versammelt. Sofort wurde applaudiert.

»Sieben Jahre Vorbereitung und nun ist es wieder vorbei.« In diesem Moment klang er etwas wehmütig. »Aber ich bin mehr als erleichtert, dass alles so gut gelaufen ist.« Er erhob sein Glas. »Lassen sie uns auf das wunderschöne Fest anstoßen.« Ein Meer von Glasklirren durchflutete den Saal. »Und nun wünsche ich ihnen allen einen guten Appetit.«



»Wollt ihr das Kleid nicht lieber ausziehen?« Robert lächelte. »Jetzt ist das Fest doch vorbei.«

Paul und Maria blickten sich kurz an. Schließlich rang sich Maria zu einer Antwort durch. »Das geht nicht. Ich bin in das Kleid eingenäht.«

»Und wie macht ihr das mit dem Essen?« Der Vorsitzende war etwas verlegen.

»Wir sind das gewöhnt.« Maria lächelte stolz. »Er wird mich füttern.«

Auch Leonie trug noch ihren Handschuh, und auch sie wurde von Holger gefüttert, doch es war deutlich zu sehen, dass sie bei weitem noch nicht so gut aufeinander eingespielt waren.

* * *

»Wollt ihr das Kleid nicht langsam mal ausziehen?« Amelie lachte. »Man könnte ja meinen, es wäre eure echte Hochzeit.«

»Wir üben schon dafür.« Maria lächelte kurz. »Ich bin in das Kleid eingenäht.«

»Ein anderes Kleid haben wir auch nicht dabei«, ergänzte Paul.

»Wir wollten uns verabschieden.« Leonhard reichte Paul die Hand und verbeugte sich vor Maria.

»Vielen Dank, dass wir bei diesem außergewöhnlichen Fest dabei sein durften.« Amelie lächelte verträumt. »Wir sehen uns bei meiner Hochzeit.«



»Wir fahren jetzt noch einmal zum Schloss, weil dort die offiziellen Fotos gemacht werden.« Carlos war zu Maria an den Tisch gekommen. »Ich habe meinen Leuten frei gegeben, es reicht, wenn ich und Franz-Ferdinand auf dich aufpassen.«

Maria hatte auf einmal ein seltsames Gefühl, doch sie wagte nicht, dem Chef der Wachmannschaft zu widersprechen.

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Sei vorsichtig mit dem was du dir wünschst, es könnte in Erfüllung gehen.

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  RE: Maria Datum:07.06.17 13:09 IP: gespeichert Moderator melden


Hallo gag_coll

das sind ja schlimme Neuigkeiten. Da fährt man mal in den Urlaub und wenn man wieder kommt dann steht da plötzlich Vorletzte Teil.

Ok, alles hat einmal ein Ende und so ist es wohl auch bei dieser Geschichte.

Für den leten Teil hast du dir ja einiges dann vorgenommen, bin echt gespannt.

Für die andern Teile sage ich Danke und hoffe darauf, das dir etwas Neues einfällt und du es hier veröfentlichst.

Gruß klaus
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