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eröffnet von M A G N U S am 09.05.21 04:44
letzter Beitrag von M A G N U S am 05.10.23 21:13

1. DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 09.05.21 04:44

Im Jahr 2030 lernt ein junger Mann über das Motorradfahren eine
sadistisch veranlagte Frau kennen; zusammen mit deren Lebenspartnerin und einer
weiteren Bekannten mit ausgeprägter devoter Neigung fahren sie in einen gemeinsamen
Urlaub nach Italien, wo sie erstmals die Auswirkungen des sogenannten »Condoma-
Virus'« bemerken, der die Geschlechtsorgane befällt. Gegen den jungen Mann laufen
polizeiliche Ermittlungen, er gerät immer tiefer in Verwicklungen, sein Schicksal
wird durch einen Brunnen besiegelt, den die devote Frau gegraben hat.

Der 1959 geborene, seit 1986 verheiratete Autor lebt in Erlangen; er möchte in
seinem ersten hier vorliegenden schriftstellerischen Versuch die Vorstellungskraft
der Leser anregen und diese teilhaben lassen an den Erfahrungen von Liebe und
Schmerz, Sehnsucht und Begierde, Lust und Tragik, indem er sich selber als Prota-
gonist in die Handlung einbringt. Seine lange Lebenserfahrung geben dem Roman eine
realistische Grundlage, auf welcher sich die einzelnen Episoden in ihren phantasie-
anregend gestalteten Überhöhungen aufbauen.
Soweit es die beruflichen und ehrenamtlichen Verpflichtungen zulassen, werden
die jeweiligen kurzen Abschnitte wöchentlich zum Wochenende hier eingetragen; wer
längere Geschichten im Zusammenhang lesen möchte, möge entsprechend warten und im
zweiwöchigen oder monatlichen, gar vierteljährlichen Turnus nachsehen.
Gute Unterhaltung wünscht M A G N U S.



ANFANG und ENDE berühren sich – Nach dem Sterben kommt neues Leben:
PROLOG = EPILOG

An diesem Morgen kommt es ihm vor, daß seine Herrin irgendwie in einer besonderen
Eile war, geradezu in wilder Hast: Kaum daß sie ihm, wie auch sonst üblich, die
Trinkflasche und eine trockene Semmel auf den Boden geworfen hat, stürzt sie wortlos
hinaus und knallt die Haustür hinter sich zu. Doch schon wenige Augenblicke später
schwingt die Tür wieder auf, die Herrin stürmt schnaubend herein, rafft von dem Tisch
ihre Handtasche, die sie liegengelassen hat, und eilt in gleicher Weise wieder davon,
ohne ihn nur eines Blickes zu würdigen.

Nachdem es für einige Minuten still geblieben ist, wagt er seinen Kopf zu heben
und seinen Blick durch das von der Morgensonne schwach erleuchtete Zimmer schweifen
zu lassen. Und da gewahrt er es, er muß zweimal hinsehen, um es zu begreifen: Seine
Herrin hat ihr Smartphone liegen lassen!

Wie ein Blitz durchzuckt ihn nur der eine Gedanke: Jetzt ist der Fall eingetreten,
den er sich schon lange aus dem Kopf geschlagen hat, die große einmalige Chance, tele-
phonieren zu können, um dem elendigen Sklavendasein ein Ende zu bereiten. Kurz hadert
er mit sich, ob er es wirklich tun sollte, doch dann streckt er die Beine aus, soweit
es die Ketten erlauben, und tatsächlich gelingt es ihm, mit den Zehen ein Tischbein zu
berühren.

Plötzlich überkommen ihn Skrupel, ob er sich trauen sollte, das Handy zu erheischen,
denn die Konsequenzen wären fürchterlich, wenn die Herrin ein weiteres Mal zurückkehrte,
um nach der vergessenen Handtasche nun auch das Gerät zu holen. Er malt sich im Geiste
die Strafen aus: Dunkelhaft, Hunger, Dauerbeschallung mit schmerzhaften Sirenentönen,
dann natürlich das übliche Auspeitschen und all die anderen schrecklichen Foltermetho-
den zur Bestrafung des Versuchs, an ihr Telephon heranzukommen, für dieses Kapitalver-
brechen, das einem Fluchtversuch gleichzusetzen wäre.

Es kommt ihm in den Sinn, sich rasch entschließen zu müssen, es gibt nur zwei extreme
Alternativen: Entweder wartet er noch einige Minuten, gar eine Viertel Stunde, um sicher-
zugehen, daß die Herrin nicht nochmals zurückkehrt, um ihr Smartphone zu holen, auf diese
Weise würde er sodann in aller Ruhe telephonieren können, allerdings mit der Möglichkeit,
daß sie während der Wartezeit doch zurückkäme, ihn zwar in Ruhe ließe, indes wäre die
Chance dann vergeben. Oder er handelt sofort auf die Gefahr hin, bei dem Versuch, das
Handy zu erlangen, auf frischer Tat erwischt zu werden mit allen Konsequenzen...

Er beschließt, sofort zu handeln: Das Handy im Blick, die wohl einmalige Chance zu
ergreifen, jetzt oder nie, das Sklavendasein gegen das Gefängnis einzutauschen. Mit
aller Kraft streckt er die Füße, die schweren Schellen schneiden in das Fleisch der
Unterschenkel, doch er ignoriert den Schmerz, mit äußerstem Willen drücken sich die
großen Zehen Millimeter um Millimeter um das quadratische Tischbein herum. Als die
Zehen jeweils eine Seite des Tischbeins berühren, versucht er, die Zehen so fest es
geht an das Holz zu drücken und seine Knie sodann anzuwinkeln, um das Tischbein auf
diese Weise zu sich herzuziehen, indes gelingt es nicht: Der Tisch ist zu schwer, die
Zehen rutschen ab, ohne daß sich der Tisch auch nur einen Millimeter bewegt hätte.

Frustriert starrt er auf seine Füße, schier fassungslos sitzt er da, für einige Sekun-
den wie gelähmt. Dann faßt er den Entschluß, die Schellen um seine Füße mit den Händen
so weit wie möglich nach oben über das Schienbein zu schieben, um wertvolle Millimeter
an Bewegungsradius zu gewinnen. Tatsächlich gelingt es ihm, trotz seiner gefesselten
Hände, die mit Handschellen nahe an seinen Bauch befestigt sind, die Eisenringe einige
Zentimeter weiter in die Waden zu drücken. Mit pochendem Herzen streckt er wieder die
Beine durch, erreicht mit den Füßen das Tischbein und jetzt gelingt es ihm, mit den gro-
ßen Zehen das Holz wie mit einer Zange zu umklammern, so daß sich die Zehen vorne berüh-
ren. Mit größter Anstrengung schafft er es, den Tisch ein bißchen in seine Richtung
zu bewegen, doch nach wenigen Sekunden muß er den rechten Fuß zurückziehen, ein wahn-
sinniger Schmerz durchzuckt den gesamten Unterschenkel, der Fuß verkrampft, er muß die
mühsam hinaufgeschobene Schelle von der Wade auf die Knöchel zurückstreifen und den Fuß
anwinkeln, um den Krampf abklingen zu lassen. Schnell zieht er auch das linke Bein zu
sich heran, denn sollte in dem Moment die Herrin hereinstürzen, darf nichts darauf hin-
deuten, daß er den Versuch unternommen habe, ihr Smartphone zu erangeln.

Glücklicherweise bleibt es an der Haustür still, der Schmerz läßt nach und er drückt
wieder die rechte Fußschelle so weit wie möglich auf die Wade, um einen neuen Versuch
einzuleiten, den Tisch zu sich herzuziehen. Tatsächlich gelingt es ihm nun, mit einem
beherzten Ruck das Tischbein um mehrere Zentimeter zu bewegen. Nach diesem kleinen Erfolg
zieht er seine Füße wieder an sich heran, um die Fußeisen von den Waden herunterzuziehen,
denn nun muß er nicht mehr um jeden Zentimeter Bewegungsfreiheit geizen, den die Fußket-
ten hergeben. Beim dritten Anlauf gelingt es ihm, das Tischbein soweit zu sich zu
ziehen, daß er nun mit den beiden Fersen das Holz umklammern kann und auf diese Weise
bewegt er kraftvoll den Tisch. Er zieht ihn bis auf etwa einem halben Meter heran, zieht
seinen rechten Fuß ganz zu sich zurück, hebt das Bein, bis der Fuß auf der Tischplatte
zu liegen kommt. Vorsichtig ertastet er mit den Zehen das Smartphone, schiebt es bis
zur Tischkante, gibt ihm einen festen Stoß, es fällt in einem leichten Bogen herab,
fliegt auf seine Brust, so daß er es schließlich mit den Händen auffängt.

Mit zitternden Fingern umfaßt er das Gerät, nach mehrfachen Herumdrücken erreicht er
schließlich das Notfall-Menü. Er atmet schwer ein und aus, rekapituliert nochmals das
Geschehen, wie alles ganz harmlos begonnen hat, wie das Spiel aus Lust und Leidenschaft
eine Eigendynamik entwickelt hat, wie es aus dem Ruder gelaufen ist. Mit pochendem Herzen
drückt er sodann wild entschlossen die drei Nummern auf die Mattscheibe, die er bis dahin
noch nie in seinem Leben gewählt hat – 1 1 0.
2. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 14.05.21 15:32

1

♪ Dinng-Donng – ding,ding,ding,Doonnng ♪

„Meine Damen und Herren, ich begrüße Sie zur Tagesschau! Heute ist
Dienstag, der 19. Februar 2030.
In Berlin sind die Landwirtschaftsminister der Länder zu einer Sonder-
sitzung zusammengekommen, um über die unterschiedlichen Auswirkungen der
Klimaerwärmung in den Bundesländern zu beraten. Es wurde eingehend über
einen Erfahrungsbericht aus Italien diskutiert, wo in einigen Regionen
nach der Getreideernte ein zweites Mal ausgesät wird, um im Spätherbst
eine weitere Ernte einzufahren. Auch in Deutschland erfolgt die Getreide-
ernte von Jahr zu Jahr früher, je nach Region bereits Anfang Juni, in Aus-
nahmefällen sogar schon Ende Mai. In diesem Zusammenhang fordern die Inte-
ressensverbände einen finanziellen Ausgleich für all jene Landwirte, deren
Äcker auf höher gelegenen Gebieten liegen, wo das Getreide erst später
reift und somit eine zweite Aussaat und Ernte nicht möglich ist. Die Mini-
ster kamen überein, daß die Subventionierung der Landwirtschaft aus EU-
Mitteln entsprechend umstrukturiert werden müsse, Details werden in Arbeits-
gruppen erarbeitet.

Bundeslandwirtschaftsminister Knoll betonte in einem Interview, daß die Folgen
der Klimaerwärmung im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern in Deutschland
für die Landwirtschaft bisher nicht nachteilig gewesen seien. Dank der starken
Regenfälle bleibt der Boden trotz der hohen Temperaturen feucht, das Pflanzen-
wachstum wird dadurch nicht beeinträchtigt. Dennoch sieht er die Forderung nach
Begrenzung der globalen Erwärmung weiterhin für ein erstrebenswertes Ziel, wenn
auch die 2-Grad-Grenze bereits jetzt, im Jahr 2030, gegenüber der Durchschnitts-
temperatur der vorindustriellen Epoche, deutlich überschritten ist.

Nach einer repräsentativen Umfrage des renommierten Konsumforschungsinstituts
Fragdum sehen 73 Prozent der Deutschen den Anstieg der Erwärmung in Deutschland
positiv, vor allem hinsichtlich der ausgeweiteten Freizeitmöglichkeiten beim
Baden und Wassersport. Allerdings stellt Fragdum fest, daß 45 Prozent der Befrag
ten kältere Winter in den Bergen wünschten, um während des Winterurlaubs natürli
chen Schnee vorzufinden.

Klimaforscher verschiedener Institute räumten ein, daß die Konsequenzen des Tem-
peraturanstiegs in Mittel- und Nordeuropa deutlich milder ausfallen als befürch-
tet, der CO-2-Ausstoß sei dank wesentlich verringerten Heizungsbedarfs in Wohnun-
gen, Schulen, Verwaltungen und Gewer-bebetrieben spürbar zurückgegangen. Auch der
Reiseverkehr ging zurück,da viele Menschen im Land ihren Urlaub verbrächten, vor
allem fällt der Tourismus in den Süden Europas deutlich geringer aus. Drastisch
verschlimmert hat sich dagegen die Situation in den südeuropäischen Ländern, dort
sei der CO-2-Ausstoß gestiegen aufgrund des vermehrten Einsatzes von Klimaanlagen
und Wasserpumpstationen.

Nun noch eine Meldung aus Asien: Wie erst heute bekannt wurde, ist vergangene
Woche in Taipeh, der Hauptstadt von Taiwan, ein neuartiges Virus entdeckt worden.
Einige Dutzend Patienten sind in Klinken eingewiesen worden, als bei ihnen starke
Rötungen der Geschlechtsorgane aufgetreten waren, einhergehend mit hohem Fieber.
Zudem klagten viele Betroffene über Atemprobleme und allgemeine Schwächeanfälle.
Virologen vermuten eine Mutation des sogenannten Corona-Virus', das vor zehn Jah-
ren in der Volksrepublik China ausgebrochen war und sich dann schnell auf alle
Regionen der Erde zu einer bedrohlichen Pandemie ausbreitete.
...

Die weiteren Aussichten: Auch in den kommenden Tagen erreichen die Temperatu-
ren Tageshöchstwerte bis 25 Grad, die Niederschlagsneigung bleibt gering, ledig-
lich in den höheren Lagen der Mittelgebirge und in den Alpen können örtlich lei-
chte Regenschauer niedergehen.
Wir melden uns wieder mit der Spätausgabe der Tagesschau um 23 Uhr und wünschen
Ihnen einen schönen Abend!“

Gangolf beugte sich leicht von seinem Sofa nach vorne, um die Fernbe-
dienung von dem Wohnzimmertischlein zu ergreifen und den Fernseher
damit auszuschalten. Herzhaft gähnend legte er die Fernbedienung zurück
und nahm statt ihrer die Motorradzeitschrift „Zweirad“ in die Hand, um
darin ein bißchen herumzublättern. Im Gedanken war er noch bei dem eben
gehörten Wetterbericht, daß in den kommenden Tagen weiterhin optimale
Wetterverhältnisse für das Motorradfahren herrschen würden: Temperatu-
ren bis 25 Grad, kaum Regenwahrscheinlichkeit, mit Vorfreude fieberte
er den März entgegen, denn ab diesen Monat durfte er dank des Saisonkenn-
zeichens nach der Winterpause wieder sein Motorrad fahren. Er wollte
bereits letztes Jahr auf die Zulassungsstelle gehen, um den Anmeldungs-
zeitraum verlängern zu lassen statt bisher von März bis Oktober auf Feb-
ruar bis November; zwei Monate Winterpause genügten bei den milden Win-
tern der letzten Jahre.

Nachdenklich blickte Gangolf zurück auf die Zeit, als es diese Saison-
kennzeichen noch nicht gab: Brav montierten damals die meisten Motor-
radfahrer Ende Oktober das Kennzeichenschild ab, marschierten damit zur
Kraftfahrzeugzulassungsstelle, um dort den Stempel auf dem Kennzeichen-
schild herauskratzen zu lassen und in dem Fahrzeugschein den Vermerk
„abgemeldet“ eingestempelt zu kriegen. Die gleiche Zeremonie erfolgte
dann am Ende des Winters in umgekehrter Weise: Wieder zum Amt, Wieder-
zulassung beantragen, endlich nach Hause, das Kuchenblech wieder an-
schrauben und die Saison konnte beginnen.

Doch wie oft war es, daß Gangolf einfach nicht dazu kam, auf das Amt zu
rennen, dort teilweise stundenlang zu warten, so daß er häufig erst wie-
der im späteren Frühjahr fahren durfte, einmal schaffte er es gar erst
im Juni. Und im Winter war es manchmal ähnlich, daß er das Abmelden erst
kurz vor Weihnachten erledigte, als er längst wegen den damaligen Witter-
ungsverhältnissen nicht mehr Motorradfahren mochte.

Ohne nach etwas Besonderem Ausschau zu halten, blätterte Gangolf gedan-
kenverloren das Heft durch, bis er schließlich auf der vorletzten Seite
bei der kleingedruckten Rubrik „Kontakte“ hängen blieb; eine Kontaktan-
zeige stach ihm förmlich in’s Auge:



Hey, wo bist du mit deiner Rennmaschine,
wilde Fegerin sucht dringend Soziaplätz-
chen für geile Ausritte, Lüggen-Schlee-
wald und Umgebung, Bild wäre schön,
[email protected]


‚Wilde Fegerin, wie ist die denn drauf’, kam es Gangolf sofort in den
Sinn, so etwas liest man nicht alle Tage. Unverzüglich schwang er sich
aus den Tiefen des Sofas empor, schlappte zu seinem Computer, öffnete
seinen E-Mail-Account und antwortete, ohne groß darüber nachzudenken,
was er da so zusammenschrieb:
„Hey wilde Fegerin, super, wenn Du dich traust, auf meiner R1 ist noch
ein Platz frei, ruf mich einfach an, dann können wir alles besprechen,
wie und was: 0172 8141377 Magnus.“

Dann suchte er ein nettes Bildchen heraus, das er als Dateianhang zufügte.
Es zeigte seine Yamaha R1 mit ihm, wie er lässig darauf saß, den Helm unter
den linken Arm geklemmt.
Eigentlich erwartete Gangolf keine ernstgemeinte Antwort; es klang zu auf-
regend, um wahr zu sein: Da suchte eine Sozia, die sich selber als ‚wilde
Fegerin’ bezeichnete, eine Mitfahrgelegenheit, die sie als ‚geilen Ausritt’
bezeichnete, das wäre ja alles viel zu schön, um Wirklichkeit zu werden,
doch er sollte sich täuschen. Mit dem Klick auf den Senden-Button leitete
er einen Prozeß ein, dessen Verlauf und dessen schicksal-haftes Ende er
sich selbstverständlich nicht in den kühnsten Träumen hätte ausmalen kön-
nen. Jäh fiel ihm ein, was er in Kindertagen lernen mußte:
‚et ne nos inducas in tentationem’ – oder mit den Worten Eugen Roths zu
sprechen:
‚Den Teufel wird man nie erwischen, er steckt von Anfang an dazwischen’.

Der Anfang war gemacht.
3. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 21.05.21 21:46

2
In Gedanken vertieft schlurfte Gangolf in die Küche, um sich aus dem
Kühlschrank die angebrochene Bierflasche herauszuholen und eine neue
hineinzustellen. Er fand es bei den bereits Ende Februar herrschenden
Temperaturen wichtig, stets gekühlte Getränke im Schrank vorzufinden.
Nicht daß er übermäßig viel tränke, neben dem Bier ab und zu ein Gläs-
chen Weißwein, aber niemals einen Schnaps, er hatte gar keinen zuhause.

»Gangolf,« sein Name kam ihm in den Sinn, welch ein blöder Name, wie seine
Eltern wohl darauf gekommen waren, oder wer auch immer bei der Namensgebung
beteiligt gewesen war. »Hätten sie mich doch lieber Wolfgang genannt,
ein Name, der nicht so häufig vorkommt, aber doch allgemein bekannt war,
Mozart hieß so, Goethe, aber Gangolf, wer heißt denn Gangolf, irgendwo in
Bamberg gab es wohl im Mittelalter einmal ein Kloster mit diesem komischen
Heiligen, aber ich wüßte nicht, daß unsere Familie in irgend einer Weise
einmal mit Bamberg etwas zu tun gehabt hätte.«

In den E-Mails bezeichnete er sich als ‚Magnus’, Magnus, dieser Name
strahlt Stärke aus, wahre Männlichkeit, Karl der Große, lateinisch Caro-
lus Magnus, in Köln gibt es eine Magnus-Straße, ja, so wollte er heißen,
so wollte er genannt werden.

Mit seinem Bier stieg er die Kellertreppe hinab in seine kleine Elektro-
nikwerkstatt. Als Elektrotechniker hat er zwar bereits tagsüber mehr als
genug Aufgaben, besonders im Bereich Photovoltaikanlagen, dennoch mochte
er die allabendlichen Bastlereien nicht missen. Es bereitete ihm geradezu
erotische Freuden, an seinem augenblicklichen Projekt zu arbeiten: Fernge-
steuerte Handschellen. Im Internet kursierten zwar bereits etliche Konstruk-
tionen mit einem Zeitmechanismus, aber richtig einfach per Smartphone zu öff-
nende Schellen fand Gangolf noch nicht, einmal von einfachen Plastikteilen
abgesehen. Es sollten schon richtige stählerne Fesseln sein, wobei Sicherheit,
einfache Funktion und platzsparende Bauweise eine große Herausforderung dar-
stellten.
Freilich gab es immer wieder Rückschläge bei der Konstruktion, doch als gedul-
diger Mensch steckte er diese meist mit einem kurzen Seufzer weg, schaltete
in solchen Fällen den Lötkolben aus, schlappte die Kellertreppe hinauf, um
sich im Wohnzimmer auf das Sofa zu fläzen mit der Fernbedienung für den Fern-
seher in der Hand. Beim Durchzappen war er in solchen Situationen nicht wäh-
lerisch, was die Programmqualität anbetraf, indes sehr, was die Hauptdarstel-
ler anging: Sie mußten natürlich Frauen sein, schöne junge Frauen, schlank,
verführerisch gekleidet, mit modischen Sneakers an den Füßen, oder alternativ
mit Stiefeln oder Schuhen mit ordentlichen Absätzen, was leider selten zu sehen
war.
Meist gelang es ihm auf diese Weise, sich von dem Mißerfolg bei seinem Hand-
schellenprojekt abzulenken. Um dann nicht nachts vor dem Einschlafen in’s
Grübeln zu kommen, las er im Bett noch ein paar Seiten eines Kriminalromans,
bis er schließlich so müde geworden war, daß er den Inhalt nicht mehr klar
aufnehmen konnte. Mit letzter Kraft fügte er das Einmerkkärtlein in den Falz,
schloß das Buch und löschte das Licht.

4. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von piercedcock am 21.05.21 23:08

Ich finde, die Geschichte fängt spannend an und ich danke dir, dass du sie mit uns teilst.

Hast du deine Story-Line schon im Kopf?
Warte gespannt auf die nächsten Teile ...
5. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 22.05.21 03:55


Hab' Dank für dein Lob; tatsächlich ist die Geschichte vollkommen fertig,
im Gegensatz zu vielen anderen hier, die sich nur mühsam einem Ende
entgegenwinden. Das Ende habt Ihr ja bereits gelesen, aber ich verrate
nicht, wie viele Kapitel dazwischen liegen; gute Unterhaltung!
6. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 28.05.21 23:07

3
Bundeskanzlerin Prank-Barrenkauer eilte zu der dringlichen Kabinettsitzung, die sie aufgrund besorgnis-
erregender Nachrichten aus Taiwan kurzfristig einberufen hatte. Alle Minister samt ihrer Staatssekretäre
waren bereits anwesend, ausgerechnet Gesundheitsminister Scham mit seiner Mannschaft fehlte noch. Somit
bat Prank-Barrenkauer zwischenzeitlich Wirtschaftsminister Fettmeier, seine Einschätzung der Gesetzes-
novelle zum Regenerative Energien-Gesetz kurz darzulegen.
Nach diesem Gesetz mußten nun nicht nur bei Neubauten, sondern auch bei bestehenden Gebäuden auf den Dächern
oder an den Fassaden Photovoltaikplatten angebracht werden, gepaart mit einer Akkumulatorenanlage zur Spei-
cherung des gewonnenen Sonnenstroms. Zumindest für die ersten Abendstunden sollte dann der gespeicherte Strom
in den jeweiligen Gebäuden verwendet werden, bevor in den späteren Abend- und Nachtstunden Strom aus dem Netz
bezogen wurde.


Kurz vor dem Ende von Fettmeiers Vortrag kam sein Kabinettskollege Scham mit seiner Delegation herein, er
entschuldigte sich für die Verspätung mit der sich in die Länge gezogenen ressortinternen Besprechung der
alarmierenden Vorfälle in China. Scham bat einen seiner Staatssekretäre, Herrn Doktor Unwohl, die Ereignisse
zu schildern. Bereits nach wenigen Sätzen wurde er von der Umweltministerin Graumaus etwas gereizt unterbro-
chen, ob es sich nun um China handelte, wo der neue Virus ausgebrochen sei, oder um Taiwan. Staatssekretär
Gscheid vom Auswärtigen Amt gab ungefragt geschichtspolitischen Nachhilfeunterricht:

„Also Taiwan ist auch China, genau genommen Nationalchina, im Gegensatz zum Festland-China, das früher als
Volksrepublik China oder auch Rot-China bezeichnet worden war wegen der kommunistischen Diktatur, die dort
seit Jahrzehnten, seit Mao-Tse-Tungs Revolution diktatorisch herrscht. Der gewählte Staatschef Tschian-Kai-Schek
mußte mit seiner Regierung auf die Insel fliehen, wo bis heute eine Demokratie etabliert ist. Allerdings betrachten
die kommunistischen Machthaber Taiwan als abtrünnige Provinz, sie versuchen seit Jahren, die Insel von der Weltge-
meinschaft abzuschirmen und zu isolieren, um auf diese Weise Taiwan in die Knie zu zwingen. Und tatsächlich machen
wir doch fast ausschließlich mit Rotchina unsern Handel, dorthin exportieren wir unsere Autos, von dort holen wir
die billigen Massenartikel, während das demokratische China fallengelassen wird wie eine heiße Kartoffel!“
Staatssekretär Gscheid redete sich in Rage, bis die Kanzlerin Einhalt gebot. Die kurze Lücke nützte nun Fettmeier,
der sich als Wirtschaftsminister auf den Schlips getreten fühlte:
„Herr Doktor Gscheid, Sie brauchen uns nicht Nachhilfeunterricht in Demokratie und Diktatur erteilen und“
Ehe Fettmeier seinen Satz zu Ende bringen konnte, fiel Gscheid ihm in das Wort und geiferte zurück:
„Anscheinend doch, denn gerade Sie waren doch erst kürzlich mit hochrangigen Vertretern der Wirtschaft in Peking,
aber nicht in Taipeh!“
„Meine Herrn, mäßigen Sie sich“, mischte sich wieder Kanzlerin Prank ein, „Ende dieser Diskussion jetzt. Wir sind
hier zusammengekommen, um über die Virusepedemie zu sprechen, nicht über Wirtschaftsbeziehungen zu China.“
Ein neben Prank sitzender Staatssekretär beugte sich schnell zu der Kanzlerin und flüsterte ihr zu:
„Frau Kanzlerin, das heißt Epiiidemie“.
Prank erregte sich daraufhin, sie versuchte gar nicht, ihren Versprecher oder ihr sprachliches Unwissen zu verheh-
len:
„Ja bin ich denn heute nur noch von Gescheit-Männern umgeben, also Epidemie, hoffen wir bloß, daß sie nicht auch
wieder, wie vor zehn Jahren, sich zur Pandemie entwickelt. Kollege Scham, jetzt sagen Sie uns doch endlich, wo der
neue Virus herkommt, vom Festland-China oder von der Insel?“
Beinahe wäre ihr Sitznachbar, der Besserwisser-Mann, schon wieder hörbar geworden, doch er verkniff sich die Anmer-
kung, daß das Virus im Gegensatz zu vielen anderen Substantiven lateinischen Ursprungs auf –us endend sächlich sei.
Nun ergriff Scham das Wort und klärte auf: „Nach unseren Informationen wurde der Virus, ähm, oder ist richtiger das
Virus?“
Sein Blick richtete sich kurz zu dem Kulturstaatsminister Professor Siebenklug, der seine Frage mit einem lächelndem
Nicken zu beantworten schien. Scham fuhr fort:
„Also, ähm, der Virus, also die Informationen stammen aus Taipeh, also aus Taiwan, wo in einem staatlichen Institut
der oder das Virus festgestellt worden ist.“
Er tat sich hörbar schwer mit seiner Redekunst, so daß er die weiteren Ausführungen seinem Staatssekretär Unwohl über-
ließ, der bereits ein-gangs das Wort ergriff, bevor Ministerin Graumaus die Debatte über die beiden China-Länder vom
Zaun brach. Er berichtete von einigen Dut-zend Patienten, bei denen dort dieses neuartige Virus festgestellt worden
war. Prank fragte dazwischen, was man unter einigen Dutzend zu versehen habe, ob es genauere Infizierten-Zahlen gäbe,
gar Todesfälle. Der Staatssekretär warf einen kurzen Blick auf seine vor ihm liegenden Papiere:
„Nach unseren Informationen Stand 25. Februar waren es 335 Menschen, bei denen das Virus nachgewiesen wurde.“
„335?“ ereiferte sich Graumaus, „das sind ja dann nicht bloß ein paar Dutzend, sondern schon mehrere Hundert!“
„Wir sollten die Zahlen immer in Relation mit der Gesamteinwohnerzahl sehen, Herr Doktor Gscheid, wieviel Einwohner
hat denn Taipeh und wieviele die ganze Insel?“
Gscheid mußte indes einräumen, daß er das nicht wüßte, er meinte lediglich, daß es wohl schon mehrere Millionen seien.
Auch sein Chef, Außenminister Schmollz, wußte es nicht, doch bereits nach wenigen Sekunden meldete sich ein weiterer
Staatssekretär zu Wort, der hurtig per Smartphone das Internet konsulierte:
„Die Hauptstadt Taipeh hat fast 3 Millionen Einwohner, die gesamte Insel 25,3 Millionen.“
„Danke, da sind 335 Infizierte noch nicht so sehr viele im Verhältnis.“
Nun konterte Scham: „So fing das vor zehn Jahren auch an, erst waren es ein paar Wenige irgendwo in einer chinesischen
Provinz, die Behörden sagten, sie hätten alles im Griff, und dann war der Virus plötzlich überall.“
„Ja, das stimmt schon, ich will das ja nicht herunterspielen. Was sollten wir ihrer Meinung nach tun, Herr Scham,
wie verhalten sich andere Staaten, weiß man da schon was?“
Nachdem Scham nicht gleich antwortete, meldete sich Schmollz zu Wort:
„Nach unseren Erkenntnissen liegen die Dinge heute etwas anders: Taiwan ist ein Inselstaat, so daß die Verbreitung
des Virus’ nicht so einfach erfolgt wie vom Festland aus.“
Sein Staatssekretär Gscheid hakte sofort ein: „Aber ich bitte Sie, meinen Sie etwa, daß damals das Coronavirus mit
Karawanen über die Seidenstraße nach Europa gelangte?“
Ein allgemeines Schmunzeln wurde auf den Gesichtern in der Runde sichtbar, das zu leisem Gelächter mutierte. Prank
rief zur Ordnung:
„Meine Damen und Herren, ich darf doch bitten, das Thema ist zu ernst, bleiben wir sachlich. Besteht also die Gefahr,
ähnlich wie damals, daß sich der Virus schnell über die Insel hinaus ausbreiten wird?“
Wieder war es Gscheid, der sofort zum Besten gab:
„Selbstverständlich wird sich daaas Virus genauso ausbreiten, wie vor zehn Jahren das Coronavirus, denn die Verkehrs-
anbindung nach Taiwan ist die gleiche wie nach Festland-China: Personen per Flugzeug, Waren per Schiff. Nur den einen
Unterschied gibt es, aber das darf ich ja nicht mehr sagen.“
„Ja welchen denn?“, wollte Prank wissen, „und wer hätte Ihnen verbo-ten, diesen Unterschied uns zu sagen?“
„Wie ich schon ausführte, es sind die deutlich niedrigeren Wirtschafts-beziehungen zu Taiwan, so daß einfach die Wahr-
scheinlichkeit viel geringer ist, daß der Virus nach außen getragen wird.“
Wirtschaftsminister Fettmeier warf gereizt ein, daß prozentual zur Einwohnerzahl gesehen die Wirtschaftsbeziehungen
zu Taiwan vermutlich wesentlich höher lägen als zu Festland-China. Außenminister Schmollz meinte dazu, daß neben Festland-
China bereits viele andere Länder, darunter die meisten europäischen, Flugverbote in Erwägung zögen. Gscheid konterte
daraufhin, daß das wohl leicht in Kauf genommen werden könnte:
„... denn die Handvoll Mercedes’, die nach Taiwan jährlich verkauft werden, die könnten wir auch in Deutschland behalten,
ohne daß unsere Autoindustrie kollabiert, aber zu den Rotchinesen, da ist es ja wichtig, daß unsere Edelkarossen dorthin
verfrachtet werden, hunderttausendfach!“
Kanzlerin Prank-Barrenkauer unterbrach erneut Gscheids Redeschwall und verkündete eine viertelstündige Pause. Die mei-
sten Anwesenden verließen daraufhin den Saal, um sich die Beine zu vertreten. Auf dem Flur wurde in kleinen Gruppen weiter
eifrig über das Thema diskutiert. Nur Kulturstaatsminister Siebenklug blieb einsam in dem großen Raum sitzen, spannte
seinen Rücken über die Sessellehne weit nach hinten und blickte nachdenklich-konzentriert auf die Decke.

Nach der Pause forderte Prank die Vertreter des Gesundheitsministeriums auf, nun etwas über den Krankheitsverlauf und die
Symptome des neuartigen Virus zu berichten. Staatsekretär Unwohl ergriff wieder das Wort:
„Nach den Meldungen aus China, pardon, aus Taiwan, löst das Virus immer wieder kräftige Fieberschübe aus, im Abstand von
einigen Tagen. Nach Abklingen des Fiebers scheint die Krankheit überwunden zu sein, doch nach wenigen Tagen kommt es wieder
zu starkem Fieber. Das Fieber geht einher mit Atemproblemen, aber auch mit Verdauungsstörungen. Todesfälle sind noch nicht
gemeldet worden. Genauere Angaben liegen uns nicht vor, jedoch versprachen die taiwanesischen Behörden um sofortige Benach-
richtigung an alle Länder der Welt, sobald sie nähere Erkenntnisse erlangt haben werden.“
Umweltministerin Graumaus hakte nach: „Wie sieht es mit den Sym-ptomen aus, wenn ich mich recht erinnere, waren die damals
beim Corona vor allem Geschmacksverlust. Kann man da schon was sagen?“
Unwohl blickte bei dieser Frage etwas betreten in die Runde, fast alle Anwesenden hafteten ihre Blicke auf ihn, er fuhr
leicht irritiert fort:
„In der Tat berichtete das Institut in Taipeh von seltsamen Begleiterscheinungen, die mit den Fieberschüben einhergehen.“
Wieder machte er eine Pause und ließ seinen Blick in die Runde schweifen.
„Nun machen Sie es nicht so spannend“, kritisierte ihn die Kanzlerin.
„Also“, fuhr Unwohl fort, und es war ihm anzusehen, daß er sich dabei unwohl fühlte, er nestelte mit den Papieren herum,
die bislang unberührt vor ihm auf dem Tisch lagen. Er holte nochmals Luft und sprach dann beherrscht:
„Der Bericht berichtet von Juckreiz und Schwellungen der Geschlechts-organe.“
Es entstand eine kurze Stille, erstaunte Blicke waren auf allen Gesichtern zu erkennen.
„Und das können Sie uns nicht gleich frei heraus sagen?“, ereiferte sich Graumaus.
„Bitte lassen Sie mich ausreden“, entgegnete Unwohl etwas ungehalten, in dem Bericht stehen weitere Details dazu. Da wir uns
nicht sicher waren, ob es sich möglicherweise um Übersetzungsprobleme handelt, holten wir auch den englischen Text heran,
aber die Übersetzungen aus dem Chinesischen besagen das gleiche: Dieser Juckreiz geht bei einigen Patienten soweit, daß sie
sich die Brustwarzen und teilweise auch die Genitalien mit den Fingernägeln dermaßen aufreißen, daß sie blutig werden. Die
meisten Patienten mußten deshalb gefesselt werden zum Selbstschutz, sie bäumten sich dann in den Betten auf, der Juckreiz
muß schier unerträglich sein, er trieb einige in den ausgesprochenen Wahnsinn. Leider sind herkömmliche medizinische Mittel
nur kurzzeitig wirkungsvoll, sowohl Salben, als auch Tabletten.
Für die Behörden ist dieses Symptom, das den Patienten überaus peinlich ist, das eindeutige Erkennungsmerkmal für die Infek-
tion mit diesem neuartigen Virus. Die Insider gaben dem Virus einen entsprechend vul-gären Namen: Das Corona-Virus benannte
man damals nach seiner kronenhaften Erscheinungsform, die Leute in dem Institut in Taiwan sprechen vom ‚Condoma-Virus’.“
Wieder gab es lange Gesichter, bei einigen breitete sich das schiere Entsetzen aus. Nachdem das Raunen in der Runde nach-
gelassen hat, war es Minister Fettmeier, der sich zu einer Frage aufraffte:
„Weiß man schon was über das Ansteckungsrisiko?“
„Darüber steht in dem Bericht nichts konkretes, nur, daß sich alle bis-her festgestellten Infizierten in der Stadt Longtan
befinden, das ist mit über Hunderttausend Einwohnern ein Stadtviertel der Millionenstadt Ta-o-yuan, wenn ich das jetzt richtig
entziffere, die Polizei riegelte Longtan ab, bei uns würde man sagen, es handelt sich um eine Großstadt, dort ist es indes
nur ein Stadtviertel. Von Infektionen außerhalb ist nichts bekannt. Ich könnte mir gut vorstellen, daß es eine hohe Dunkel-
ziffer gibt, denn wer möchte mit diesen Symtomen zum Arzt gehen, das glaubt dem Kranken doch niemand, daß das ein krankhafter
Juckreiz ist, den man nicht mit Willenskraft unterlassen kann.“
Nach einer kurzen Atempause fuhr Unwohl fort:
„Ich erzähle Ihnen eine persönliche Geschichte: In meiner Jugendzeit hatte ich einmal die Krätze, ich sag Ihnen, dieser
Juckreiz war schlim-mer als jeder Schmerz, es war zum wahnsinnig werden. Was müssen da erst jetzt diese Patienten erleiden
mit dem – Condoma-Virus“.
Unwohl blickte wieder in verstörte Gesichter, jetzt war es Kultur-staatsminister Siebenklug, der eine Frage stellte:
„Könnte bitte jemand gleich einmal feststellen, wo dieses Longtan liegt, gibt es da irgendwelche Besonderheiten, etwa auch
ein Viren-Forschungslabor, wie damals in Wuhan in China, in dessen Nähe das Corona-Virus ausgetreten ist?“
Noch bevor Siebenklug seine Frage zuende formuliert hatte, sah man in der Runde bereits eifrige Staatssekretäre, die hurtig
ihre Smartphones in die Hand nahmen. Prompt meldete sich jemand und las vor:
„In Wikepedia steht: Longtan ist bis heute ein ländlich geprägter Bezirk mit einer relativ niedrigen Bevölkerungsdichte in der
Millionenstadt Taoyuan. Nach dem Ende der japanischen Kolonialzeit erlangte Longtan durch die Errichtung der Shimen-Talsperre 
(1964) und des Haupt-quartiers der taiwanischen Armee eine größere nationale Bedeutung. Auch das mit dem Militär zusammenarbei-
tende National Chung-Shan Institute of Science and Technology (gegründet 1969) ist hier angesiedelt. Das 1968 errichtete 
Institute of Nuclear Energy Research zählt zu den ältesten Forschungseinrichtungen für Kernphysik in Taiwan.“
Wieder breitete sich ratloses Schweigen in dem Saal aus. Minister Siebenklug ergriff erneut das Wort:
„Mir ist ein düsterer Verdacht gekommen, Verdacht ist vielleicht ein zu starker Begriff, lassen Sie mich es als eine Möglich-
keit formulieren. Stellen wir die Ereignisse Corona-Virus vor zehn Jahren und dem jetzigen gegenüber, wie sagten die Chinesen
dazu, Condoma-Virus?“
„Ähm, ja, Herr Siebenklug, völlig richtig“, pflichtete Unwohl bei.
„Also ich sehe jetzt zwei Szenarien:
Damals haben die Rotchinesen, wie Kollege Gscheid sich auszudrücken pflegt, den Virus-Ausbruch erstmals in Wuhan gehabt, ausge-
rechnet dort, wo auch ein Virus-Forschungsinstitut angesiedelt ist. Es könnte natürlich damals reiner Zufall gewesen sein, daß
dieses Corona-Virus plötzlich dort aufgetreten ist und rasch die ganze Welt besiedelte. In gleicher Weise könnte es sich jetzt
in Taiwan um einen reinen Zufall handeln, daß ausgerechnet in der Nähe dieses Forschungsinstituts, das mit dem Militär zusammen-
arbeitet, dieses abscheuliche Condoma auftritt.
Oder aber, und jetzt kommt mein böser Verdacht, das Condoma-Virus wurde von den Rotchinesen heimlich auf die Insel gebracht,
um es dort in Longtan auszusetzen, wo, wie wir gehört haben, das taiwanesische Militär-Hauptquartier liegt. Es würde sich also
um einen gezielten biologischen Angriff handeln, sauber-leise-unsichtbar, vor zehn Jahren ist ihnen das Corona-Virus wahrschein-
lich unabsichtlich ausgekommen, aber in Taiwan, das könnte doch wirklich eine kriegerische Absicht sein. Herr Gscheid berichtete
uns eingangs, daß Rotchina die Insel als abtrün-nige Provinz betrachtet, auszuschließen ist diese Theorie des biologischen
Angriffs nicht. Und sehen Sie, meine Damen und Herren, wann war das, wohl auch so vor etwa zehn bis fünfzehn Jahren, da kam Hong-
kong als britische Kronkolonie an China, und obwohl den Menschen in Hongkong Autonomiestatus und freie Wirtschaft vertraglich
zugesichert wurden, vereinnahmten die Kommunisten in den letzten Jahren diese Stadt vollkommen, alle Proteste wurden niederge-
schlagen. Und jetzt ist eben Taiwan dran, eine schauderhafte Vorstellung.“
Außenminister Schmollz überkam eine schlimme Ahnung: Vor zehn Jahren hat er es als Finanzminister geschafft, erstmals einen
ausgeglichenen Bundeshaushalt vorzulegen; dank niedrigstem Zinsniveau aller Zeiten ist ihm das gelungen, doch wenige Wochen dar-
nach wurden alle Sparziele zunichte gemacht mit den Milliardenhilfen für die Wirtschafts-hilfen, um die vielfach drohenden
Geschäfts- und Industrieinsolvenzen aufzufangen. Er malte sich aus, was geschieht, käme das neue Virus nun auch nach Europa
geschwappt; seinem Amtsnachfolger Pleitgei hin-terließ er seinerzeit einen riesigen Staatsschuldenberg, ein erneuter Niedergang
der Wirtschaft käme dem Staatsbankrott gleich.
Professor Siebenklug forderte Verteidigungsminister Schießmann auf, zu seiner These des chinesischen Konflikts Festland – Insel
Stellung zu nehmen. In militärischer Kürze äußerte sich Schießmann:
„Dem Verteidigungsministerium liegen keine Anzeichen einer besonderen Bedrohungslage für Taiwan vor. Die militärische Lage in
Fernost erscheint stabil.“
Nun fühlte sich Kanzlerin Prank-Barrenkauer bemüßigt, zum Thema der militärischen Situation in China ein Wort zu verlieren:
„Als damalige Verteidigungsministerin, als die Ausschreitungen in Hongkong stattfanden und auch als der Corona-Virus in Wuhan aus-
brach, gab es die von Professor Siebenklug und Doktor Gscheid beschriebenen Spannungen zwischen China und Taiwan, in der Tat geben
mir ihre Äußerungen sehr zu denken. Vielleicht sollten wir Frau von der Leyen konsultieren, was sie zu dieser prekären Situation
dort zu sagen hat, als meine Amtsvorgängerin und nunmehr bereits seit zehn Jahren Präsidentin der Europäischen Kommission dürfte
sie die tiefsten Einblicke in die politischen und militärischen Gegebenheiten dort haben.
Schließlich bat Regierungssprecher Schmarr um das Wort, wie er sich der Presse gegenüber verhalten sollte. Der Bericht in China
sei ja bereits vor einigen Tagen durch die Medien gegangen, wie er die Dinge einschätzt, bleibt ihm wohl nichts anderes übrig als
zu bestätigen, daß die Bundesregierung den Bericht aus Taiwan sehr ernst nimmt, daß aber vorerst noch abzuwarten sei, wie das Infek-
tionsgeschehen dort verläuft.
Kanzlerin Prank entgegnete: „Sie brauchen ja nicht gleich in’s Detail gehen, das mit den Symptomen nennen oder gar diesen obszönen
Namen für diesen Virus, den sich da die Taiwaner ausgedacht haben.“
„Das wurde aber alles schon veröffentlicht, sogar die Tagesschau brachte das alles bereits in der letzten Woche.“
„Tja, dann teilen Sie einfach mit, daß von Seite der Regierung noch keine konkreten Maßnahmen geplant sind.“
Nachdem auf diese nüchternen Worte keine weiteren Wortmeldungen mehr eingingen, beendete Prank die Sondersitzung mit der Bitte,
daß in den Ausschüssen und Arbeitskreisen der einzelnen Ressorts das Thema Virus weiter im Augen behalten werde.
7. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von EXTREM-shop am 30.05.21 08:06

Ich find die Namen in der Story ECHT GEIL. Endlich kann man hier mal die Wahrheit lesen. Bitte weiter so. und DANKE
8. RE: "Ich find die Namen in der Story ECHT GEIL... "

geschrieben von M A G N U S am 31.05.21 15:08

Freut mich, wenn allein schon die Namen "geil" machen;
die in den nächsten Fortsetzungen genannten Ortsnamen
lassen Rückschlüsse zu, wo sich die Geschichte abspie-
len wird!
9. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 04.06.21 21:23

4

Bewaffnet mit einer Erdnuß-Flips-Tüte und einer Flasche Bier schlen-
derte Gangolf den mit dichten Pflanzen des Erlenbruchwalds besäum-
ten Pfad zum Kanal hinunter, der nach wenigen Metern in den See mündet.
An der Mündungsstelle setzte er sich auf die niedrige Uferböschung;
nur an dieser Stelle kann man auf den See blicken, frei von dem sonst
rings um das gesamte Seeufer dicht stehenden Schilfrohrgürtel.
Von diesem Platz aus genoß er, wie er es an vielen Abenden tat, die
aufziehende Abendstimmung über dem leicht gewellten Wasserspiegel. An
diesem Abend hatte er wieder einmal das besondere Glück, die Sonne
kurz über dem Horizont über dem See untergehen zu sehen, das Abbild
des glutroten Feuerballs spiegelte sich auf der weiten Oberfläche und
tauchte das Ambiente in einen tiefen Frieden.
Im Gedanken versunken beobachtete Gangolf das Naturschauspiel, von
ganzem Herzen war er überzeugt, das Richtige getan zu haben, als er
vor knapp zwei Jahren seine bayrische Heimat verließ und die Erbschaft
verwendete, um hier in der Niederlausitz, fünfzig Kilometer südöstlich
von Berlin, einen alten Bauernhof zu erwerben. Er empfand es als aus-
gesprochenen Glücksfall, diesen einsamen Hof, weit entfernt von der
nächsten Ansiedlung, am Rande des Erlenbruchwalds am Röthener See zu
erstehen. Freilich verspürte er immer wieder Sehnsucht nach den Bergen,
die seine alte Heimatstadt umgaben, auf der anderen Seite genoß er diese
schier unendliche Stille am Nordufer dieses einsam gelegenen Sees.

Das Besondere an dem Gehöft war indes ein ganz seltenes Bewandtnis: Zu
dem Anwesen gehörte die große Insel, die sich gegenüber von seinem Ufer-
platz in 300 Meter Entfernung in dem See erstreckt. Auf der abgewandten
Seite der Insel beträgt der Abstand zum Festlandufer nur etwa 30 Meter,
allerdings ist diese Seite durchgängig mit einem sehr breiten undurch-
dringlichen Schilfgürtel umgeben. Nur an der Nordseite der Insel gab
es eine schmale Stelle, an welcher man mit einem kleinen Boot zum Insel-
ufer gelangen konnte, dort gab es einen einfachen Bootssteg, der nur aus
einer Holzbohle bestand.
Zwar war die gesamte Insel Naturschutzgebiet und niemand durfte sie ohne
behördliche Genehmigung betreten, doch war Gangolf sehr stolz auf seine
Errungenschaft: Immerhin war die Insel 400 Meter lang und 200 Meter breit.
Er war schon viele Male hinübergerudert, die Schneise in dem hohen Schilf-
gürtel, die zu dem Steg führte, war so versteckt gelegen, daß er sich sehr
sicherfühlte, nicht gesehen zu werden, wenn er dort hineinpaddelte.

Gangolfs Körper durchströmte jedes Mal ein unbeschreibliches Glücksgefühl,
wenn er seine Insel durchstreifte; fast überall war sie mit dichtem Gebüsch
und hohen Erlen bewachsen, die Vegetation hatte etwas Urwaldhaftes an sich,
so wie der gesamte sich im Süden anschließende Schleewald. Ständig peitschten
ihm Zweige entgegen, wann immer er sich einen Pfad durch das Gesträuch bahnte.
Lediglich in der Mitte der Insel befanden sich kleine Stellen ohne Baumbewuchs;
er nahm sich vor, in diesem Frühjahr, spätestens aber im Sommer ein Zelt auf-
zustellen, um dort zu übernachten und ein bißchen das Gefühl eines Robinson
Crusoe zu erleben. Was er so besonders an dieser Insel liebt, war ihre Größe
und gleichzeitig die Einsamkeit, denn dank des dichten Erlenbruchwalds und
des breiten Schilfgürtels war man vor Eindringlingen und neugierigen Blicken
ziemlich geschützt.
Die Erdnuß-Flips waren fast gänzlich aufgezehrt, die Bierflasche zur Hälfte
geleert, als gegen sechs Uhr die Sonne untergegangen war und der See in einen
kurzen Dämmerungszustand versetzt wurde. Gangolf blieb noch solange sitzen,
bis der Abendhimmel in seinen romantischen Farben blau, gelb, rot, glutrot
in den immer dunkler werdenden Nachthimmel überging. Im Osten und Süden glit-
zerten die ersten Sterne von dem Firmament hernieder, während im Nordwesten
immer noch ein tiefroter Streifen am Horizont stand. Nach wenigen Minuten
verschwand auch dieser letzte Zeuge des Tageslichts und ein tiefschwarzer Nacht-
himmel umspannte den See, aufgehellt durch das Funkeln zahlloser Sterne, unge-
trübt jedweden künstlichen Lichts aus Häusern oder Straßenlaternen.

Allmählich begann Gangolf zu frösteln, es war trotz aller Klimaerwärmung erst
Anfang März, und sobald die wärmenden Strahlen der Sonne versiegten, breitete
sich die nächtliche Kühle über den ruhenden See. In sentimentaler Stimmung kam
ihm das alte Abendlied aus Kindertagen in den Sinn:

1. Still ruht der See, die Vöglein schlafen, ein Flüstern nur, du hörst es kaum.
Der Abend naht, nun senkt sich nieder auf die Natur ein süßer Traum.

2. Still ruht der See, durch das Gezweige der heil’ge Odem Gottes weht.
Die Blümlein an dem Seegestade, sie sprechen fromm ihr Nachtgebet.

3. Still ruht der See, vom Himmelsdome die Sterne friedsam niederseh’n.
O Menschenherz, gib dich zufrieden, auch du, auch du wirst schlafen geh’n.

Nicht im Entferntesten hätte sich Gangolf ausmalen können, daß die letzte
Liedzeile bald auch in seinem Leben bittere Wirklichkeit werden würde,
indes wird es nicht er gewesen sein, der schlafen ging, sondern eine ihm
bislang unbekannte Person, vollkommen hilflos und einsam...

Gangolf entwand sich seiner Gefühlsduselei, daß die deutschen Volkslieder
auch fast immer so wehmütig mit dem Hinweis auf den Tod endeten, raffte
sich auf und setzte vorsichtig Fuß vor Fuß in dem in vollkommener Dunkel-
heit gehüllten Pfad zu seinem Gehöft.
Dort angekommen schaltete er den Fernseher ein, seit Jungendzeiten war er
es gewöhnt, die allabendlichen Nachrichten zu verfolgen. Er fand es gegen
allen Zeitgeist einfach angenehmer, sich bequem zurücklehnen zu können und
sich die Nachrichten vorlesen zu lassen, als auf dem winzigen Smartphone-
Bildschirm herumzutippen, um mühsam die Neuigkeiten selber ablesen zu müssen.






10. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 12.06.21 12:16

5

Gangolf kam anscheinend etwas zu spät, die charakteristische Erken-
nungsmelodie zu Beginn der Tagesschau war schon vorbei.
‚Im Grund genommen eine sehr simple Tonfolge,’ kam es ihm in den Sinn,
‚eine Quinte abwärts und dann die fünf Töne wieder aufwärts zum Anfangs-
ton zurück, dermaßen simpel, daß es schon wieder genial ist.’
In Hersbruck hat ein Organist diese einfache Melodie einmal zur großen
Verwunderung der Anwesenden auf einer Kirchenorgel gespielt. Doch dann
konzentrierte sich Gangolf auf die Meldungen:
„... weltministerin Graumaus empörte sich über die verharmlosenden
Verlautbarungen einiger Kabinettskollegen, welche die schädlichen Aus-
wirkungen des Klimawandels herunterspielten. Nach ihren Worten müsse
man von der Klimakatastrophe sprechen.“
Es folgte ein kurzer Filmbericht über den Zustand der weitgehend kah-
len Wälder im Erzgebirge und in Oberfranken. Bayerns Ministerpräsident
Schnöder bezifferte den Rückgang der Fichtenbestände auf ein Zehntel
des Bestandes von 2020, die Tanne sei in Bayern fast vollkommen ver-
schwunden. Die Aufforstung mit der norditalienischen Pinie kann die
enormen Verluste des Nadelholzes noch lange nicht ausgleichen, ein
Lichtblick sei es, daß das Wachstum der Pinienpflanzungen zufrieden-
stellend verliefe.
Der Nachrichtensprecher fuhr fort: „Der Präsident des Hamburger Schiff-
fahrsamts Stowasser mahnte in einem Interview rasche Maßnahmen gegen
das weitere Fortschreiten der Polkappenabschmelzung mit dem einher-
gehenden Anstieg des Meeresspiegels an, insbesondere schmelze das Pack-
eis auf der Westseite Grönlands in einem weit schnellerem Maße, als es
bisher angenommen wurde. Es wird immense finanzielle und technische
Anstrengungen kosten, die Hafenanlagen auszubauen, damit sie den immer
öfter auftretenden Hochwasserschüben standhielten. Schon heute kommt es
zu erheblichen Behinderungen des Hafenbetriebs, da häufig Hafenstraßen
und Kaimauern unter Wasser stünden.
Stowasser räumte ein, daß der Anstieg des Meeresspiegels für die Schiff-
fahrt bis zu einem gewissen Maße förderlich sei; so können seit einigen
Jahren bei auflaufendem Wasser höchste Tonnagen in den Hamburger Hafen-
anlagen gelöscht werden. Der auf der Sohle quer über dem Flußbett errich-
tete alte Elbetunnel behindere jetzt nicht mehr die Frachter. Auch die
Werft in Papenburg profitiert von der höheren Wasserführung, so gelingt
es heute wesentlich leichter, Kreuzfahrtschiffe und andere Ozeanriesen
über die Ems zu der Werft zu ziehen.

Berlin. Regierungssprecher Schmarr bestätigte auf Anfrage unseres Haupt-
stadtstudios, daß die Bundesregierung den jüngst von einem Forschungsla-
bor in Taiwan veröffentlichten Bericht sehr ernst nähme, man verfolge
in Arbeitsgruppen den Verlauf des von den taiwanesischen Behörden als
Condoma-Virus bezeichneten Erregers. Die Tagesschau berichtete bereits
vergangene Woche; Schmarr bestätigte auch die erstaunlichen Symptome in
Form starker Schwellungen und Juckreize der Geschlechtsorgane...“

Geradezu elektrisiert sprang Gangolf von seinem Sitzplatz auf, plötzlich
erinnerte er sich daran, bereits letzte Woche die Schlagzeile gehört zu
haben, doch hat er offenbar den Inhalt nicht weiter verinnerlicht. Mit
Schaudern kam es ihm in den Sinn, wie er vor zehn Jahren die Corona-Epi-
demie erlebt hatte. Vor allem die stumpfsinnige Maskentragerei nervte ihn
sehr, geradezu depressive Niedergeschlagenheit ereilte ihn an den Tagen
um Ostern herum, als damals außer Lebensmittelgeschäften und Tankstellen
alles geschlossen hatte. Sogar die Kirchen mußten geschlossen bleiben, in
2000 Jahren Kirchengeschichte eine einzigartige Situation: Der Papst las
die Ostermesse ganz allein in der riesigen Peterskirche in Rom, ein skur-
riler Anblick. Schlimm waren die Besuchsverbote quer durch die Familien,
die eigenen Eltern durfte man nicht mehr besuchen, die Altenheime waren
geradezu hermetisch abgeschlossen, Kinder nicht mehr auf Spielplätze,
keine Freunde besuchen, selbst in kleinsten Gruppen durfte man nicht auf
dem Gehweg zusammenstehen.
Gangolf hat noch gut den damaligen Ministerpräsidenten von Baden-Württem-
berg im Ohr, der in der Tagesschau sagte:
„So schöh' des isch, mit de Nachbarn ei Schwätzle zu halte, des geht halt
ez nimmer.“
Gangolf überlegte, ob wohl mehr Menschen an Depression gestorben seien als
am Virus; er fürchtete, daß sich die Verhältnisse wiederholen könnten, auch
damals wurde zunächst abgewiegelt, man habe alles im Griff, ausreichend
Intensivbetten und so weiter, doch dann währte die Bedrohungslage über Jahre.
Erst mit den überraschend schnell entwickelten Impfstoffen legte sich die
Aufregung, zwar ließen sich nur 70 Prozent der Bevölkerung in Deutschland imp-
fen, weltweit gesehen noch viel weniger, aber das genügte, daß die Behörden
die Zwangsmaßnahmen aufhoben und die Epidemie damit faktisch für beendet
erklärten.

Beglommen ergriff Gangolf die Fernbedienung und schaltete den Fernseher aus;
er hätte nicht gedacht, daß seine Befürchtungen bezüglich des neuen Virus’
mehr als berechtigt waren, daß dessen Auswirkungen auf das Leben alles bislang
Dagewesene weit übertreffen werden.

























11. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 19.06.21 08:00

6
Wie fast jeden Abend, wollte auch heute Gangolf nach der Tagesschau mit seinen
Handschellen-Bastlereien weitermachen; nach einigen Rückschlägen ist er in den
vergangenen Tagen gut vorangekommen. Es wird nicht mehr lange dauern, daß er
den fernsteuerbaren Öffnungsmechanismus eingehenden Tests unterziehen würde.
Doch bevor er in seine Elektronikwerkstatt hinabstieg, schlenderte er zum Com-
puter, seine E-Mails abzurufen. Während des Tages machte er das normalerweise
nicht, da er sich bei seiner Arbeit nicht davon ablenken wollte, darüber hinaus
war ihm das Tippen und Ablesen auf dem Smartphone-Bildschirm zu mühsam.

Die erste Mail kam vom DARC, das ist der Deutsche Amateur-Radio-Club, eine Ver-
einigung der Amateurfunker. Bereits in jungen Jahren beschäftigte sich Gangolf
mit dem Radiobasteln, sein Vater unterstützte ihn dabei. 16-jährig legte er die
Amateurfunk-Prüfung ab; er durfte dadurch kleine Sendeanlagen bauen und mit Funk-
sprüchen, sei es Sprechfunk oder mit Morsezeichen, mit anderen Amateurfunkern in
Kontakt treten. In seiner neuen brandenburgischen Heimat hat er indes noch nicht
die umfangreichen Antennen gespannt, obwohl er hier viel mehr Platz gehabt hätte
als an seinem elterlichen Wohnhaus.
Dann stach ihm die E-Mail der 'wilden Fegerin" in's Auge: Gangolf hatte gar nicht
mehr daran gedacht, schließlich war es schon einige Zeit her, daß er sie ange-
schrieben hatte. Er hielt es von Anfang an für eher unwahrscheinlich, daß eine
Antwort käme, deshalb hat er die ganze Geschichte in Vergessenheit geraten lassen.
Was er dann zu lesen bekam, ließ ihn stutzen: "Komm am Sonntag vormittag zur Eis-
diele in Grausneg um 10 Uhr und sei pünktlich, M."
'Wie ist denn die drauf', dachte sich Gangolf und wollte schon mit der nächsten
Mail weitermachen, als er doch nochmals zurückkehrte und eine Antwort formulierte:
"Hallo M., 10 Uhr geht nicht bei mir, aber 11 Uhr, das paßt mir gut, da ich um die
Zeit dann ohnehin in Grausneg sein werde. Liebe Grüße, in Vorfreude,
MAGNUS - 0172 8141377."

Gangolf gab nochmals seine Handy-Nummer an in der Hoffnung, daß sie anriefe; er
fand, daß gerade bei Terminplanung ein Telephongespräch viel einfacher zum Ziel
führte als das ewige Hin- und Hergeschreibe. Ohne sich weitere Gedanken zu machen,
stieg er in den Keller hinab. Mit großer Freude tippte er auf seinem Smartphone
einen Code ein und wie durch Geisterhand öffneten sich die mit von ihm entwickelte
Elektronik präparierten Handschellen. Es ging jetzt darum, Zuverlässigkeitstests
durchzuführen; sein Ziel war die absolute Sicherheit, das heißt, daß die Schellen
sich nicht nur bei Empfang des GPS-Signals hundertprozentig sicher öffneten, son-
dern auch bei Stromausfall oder nach einem längeren Ausfall des GPS-Signals.
Die Größe des Elektronikkästchens an der Seite der Schellen bereitete ihm ein Pro-
blem: Einerseits wünschte Gangolf sich ein kleines Gehäuse, das nicht so klobig an
den Schellen daran hängt, andererseits wollte er eine möglichst lange Betriebsdauer
gewährleistet haben, was nur mit großen Batterien verwirklicht werden konnte. Zwi-
schenzeitlich gingen ihm Gedanken durch den Kopf, einen rein passiven Sender zu ver-
wenden, wie er in Chip-Karten verwendet wird, ohne eigene Stromversorgung. Mit die-
sen als Zugangsberechtigung programmierten Chips konnte man problemlos Türen öffnen
oder Alarmanlagen ein- und ausschalten. Diese Schaltvorgänge verlangten dem Chip
indes keinen nennenswerten Strom ab, denn es erfolgte nur ein Datenaustausch. Der
Strom zum Öffnen der Tür kam von einem fest im Türrahmen eingebauten Netzteil.
Bei den Handschellen schaut die Sache anders aus: Zwar benötigte man zur für den win-
zigen Entriegelungshebel nur einen sehr kleinen Elektromagneten mit entsprechend ge-
ringem Stromverbrauch, doch mußte im geschlossenen Zustand der Schellen dieser Magnet
ständig unter Strom sein, um im Falle einer leeren Batterie oder einer sonstigen ei-
nen Stromausfall verursachenden Störung den Hebel zurückschnalzen zu lassen und die
Schellen damit zu öffnen. Die Technik könnte man als 'Ruhestrom-Prinzip' bezeichnen:
Waren die Handschellen im Ruhezustand, also geschlossen, floß immer ein Strom durch
den Auslöse-Magneten, andernfalls fiel die Magnetkraft ab und die Rückholfeder beweg-
te den Entriegelungshebel. Die 'Tragzeit' der Schellen war dadurch begrenzt, Langzeit-
fesselungen waren damit nicht möglich.
Lustvoll spielte Gangolf mit dem Gedanken, sich von der Ausfallsicherheit zu verab-
schieden und zum 'Arbeitsstrom-Prinzip' zu wechseln: Mit dieser Technik wäre der Strom-
verbrauch hundertfach geringer, es würde wohl eine Knopfzelle reichen, denn nur für den
Bruchteil einer Sekunde würde von der GPS-Elektronik das Signal zu dem Auslöse-Magneten
gelangen, der Magnet würde kurz anziehen und dadurch dem Entriegelungshebel einen Impuls
geben. Stromausfall wäre jedoch fatal, die Schellen blieben dann geschlossen, bis jemand
kommt, der mit einem dünnen Stift den Entriegelungshebel betätigte.
Immerhin könnte man argumentieren, daß ein Störungsfall unwahrscheinlich sei und der Ge-
fesselte eben dann zwar möglicherweise recht lange ausharren müßte, aber lebensbedrohlich
wäre das wohl nicht. Andererseits bleibt ein ungutes Gefühl auf beiden Seiten, wenn die
Spielpartner vielleicht Hunderte von Kilometern entfernt sind. Hinzu kommt das Schlupf-
loch für die Notentriegelung: Was hindert den Gefesselten, sich eine Büroklammer zu an-
geln, sie aufzubiegen und mit dem Draht in das Loch hineinzustochern, um den befreienden
Hebel damit zu betätigen.

Unschlüssig darüber, welches grundsätzliche Prinzip er weiter favorisieren sollte, beschloß
Gangolf, für diesen Abend Schluß zu machen; sein per Smartphone gesendetes GPS-Signal wurde
störungsfrei von seiner Elektronikschaltung an den Handschellen empfangen und es führte zu
einer zuverlässigen Betätigung des Entriegelungshebels.

Bevor es ins Schlafzimmer ging, warf er nochmals einen Blick auf seine E-Mail; die 'wilde
Fegerein' hat, wie er vermutet hatte, nicht geantwortet und angerufen hat sie erst recht
nicht. Jedenfalls wollte Gangolf seine Terminplanung nicht abändern: Er war für viele Dinge
meist kurzfristig verfügbar, sei es für eine Nachbarschaftshilfe, sei es für eine spontane
Zusammenkunft mit Freunden und Bekannten. Doch am Sonntag, das war ja bereits übermorgen,
wollte er an seinem kleinen Ehrenamt festhalten: Als nebenberuflicher Organist spielte er
als Vertretung des bereits 87 Jahre alten Hauptorganisten die Orgel in einigen Dörfern im
Gebiet des Schleewalds. Er freute sich darauf, am Sonntag in Grausneg den Gottesdienst in
dieser besonderen Kirche auf dem Hügel über dem Dorf zu spielen; wie üblich war auch hier
der Gottesdienst um 9.30, so daß ihm ein Teffen mit der Motorrad-Lady gegen 11 Uhr in Graus-
neg sehr gelegen kam, aber halt nicht schon um 10 Uhr.

Nachdem sich Gangolf für die Nacht bereitet hatte, schnappte er sich seinen Roman und las
darin, wie jede Nacht vor dem Einschlafen, einige Seiten. Manchmal ärgerte er sich über
die völlig unrealistischen Vorstellungen der Romanschreiber: Nur um dem Leser ein Gruseln
zu bereiten, wird da minutiös beschrieben, wie muskulöse Männer brutal niedergeschlagen
oder angeschossen werden und diese sich dennoch mit letzter Kraft in Sicherheit bringen
können, wie sich andere in letzter Sekunde aus brennenden Autowracks stürzen, bevor diese
explodieren, oder gar wie Frauen in dunklen Kellerverliesen gefangen gehalten werden.
Andererseits mußte sich Gangolf eingestehen, daß ferngesteuerte Handschellen sicherlich auch
nicht zu den gewöhnlichen Dingen des Alltags gehörten; er wußte selbst nicht mehr, wie es
überhaupt dazu kam, sich mit Handschellen zu beschäftigen, jedenfalls konnte er sich erinnern,
daß er früher immer von dem Anblick fasziniert gewesen war, wenn die Eisen am Gürtel der Poli-
zisten aufblinkten. Später wurden die Schellen meistens in spezielle Gürteltaschen gesteckt,
so daß sie nicht mehr so schön sichtbar waren, und Gangolf vermutete zudem, daß die Polizi-
sten anstelle der Schellen vermehrt Platikbinder dabeihatten.

Den folgenden Tag verbrachte Gangolf mit den unterschiedlichsten Arbeiten in seinem Hof,
vom Saubermachen bis zu kleineren Reparaturen, dann Einkaufen und Motorradpflege, alles,
was während der Woche liegenblieb und üblicherweise am Samstag erledigt wird. Am Abend er-
hielt er dann doch noch überraschend eine Nachricht, daß er sich morgen pünktlich um 10 bei
der Eisdiele einzufinden habe, sonst striche sie ihn von der Liste.
'Was für eine Liste', überlegte sich Gangolf, 'die ist ja völlig durchgeknallt, vergiß es,
hätte sie wenigstens angerufen, könnte ich ihr das plausibel erklären, aber so, dann halt
nicht.'
Mit diesen Gedanken beendete Gangolf den Samstag, er schlängelte sich den Pfad zum See hin-
durch und betrachtete am Ufer die friedlich vom Himmel blinkenden Sterne.
12. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von folssom am 19.06.21 23:10

Hallo Magnus,

ich lese deine sehr gut geschriebene Geschichte gern und bin gespannt, wie es zum Treffen mit der "wilden Fegerin" kommen wird.

Freundl. Gruß
13. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 21.06.21 13:46


Hallo Sarah,
es freut mich, daß Du meine Geschichte gern liest; ich fürchtete schon, sie sei
langatmig-langweilig, in anderen Stories hier erfolgt viel mehr "Action".
- Eigentlich hat Gangolf die "wilde Fegerin M." bereits aufgegeben, nachdem diese
stur auf ihren Termin um 10 Uhr besteht. Oder meinst Du, Gangolfs männliche Be-
gierde würde siegen und er sagt seine Termine ab?
14. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 25.06.21 18:17

7

- Obwohl er eigentlich das Thema Motorrad-Sozia gedanklich streichen
wollte, schlich Gangolf am Sonntagmorgen gleich nach dem Aufstehen
zum Computer, um nachzusehen, ob in der Nacht doch noch eine Antwort
bezüglich des an diesem Vormittag geplanten Treffens eingegangen wäre.
Wie er schon vermutet hatte, war das nicht der Fall, dennoch beschloß
Gangolf, so wie er es immer machte, wenn das Wetter paßte, mit dem
Motorrad zur Kirche nach Grausneg zu fahren. Er verstaute Noten und
flache Schuhe in den Tankrucksack, auf dessen Unterseite starke Mag-
nete eingenäht waren. Dieser Tankrucksack war eigentlich gar kein Ruck-
sack, sondern eine spezielle Tasche, die man einfach auf den Tank des
Motorrads auflegte und die dank der Magnete darauf erstaunlich guten
Halt fand ohne lästige Schnürerei mit Bändeln und Schnallen.

- Als er die Hauptstraße in Grausneg entlangfuhr, sah er schon von wei-
tem Giuseppe mit der Kurbel die Markise über die Sitzplätze vor seiner
Eisdiele ausbreiten. Obwohl er die Motorrad-Sozia vergessen wollte, kam
ihm wieder diese ominöse Frau in den Sinn. Spontan beschloß er, kurz
anzuhalten, um Giuseppe zu begrüßen. Es war erst kurz nach neun, doch
saßen schon ein paar Gäste an den kleinen Tischen und genossen den italie-
nischen Kaffee.
- Giuseppe begrüßte Gangolf freundschaftlich und bat ihn mit einer ein-
ladenden Handbewegung Platz zu nehmen. Gangolf wiegelte ab, er müsse erst
zur Kirche, käme dann aber zurück. Jäh fiel ihm ein, daß er Giuseppe das
vermeintliche Treffen mit der Unbekannten mitteilen könnte. Er sprach mit
ihm italienisch, denn er wollte nicht, daß die Gäste ihre Ohren spitzten.
Seine häufigen beruflichen und touristischen Aufenthalte in Italien mach-
ten sich bezahlt, daß er zumindest einfache Konversation durchführen konnte:
- "Ascolta, aspetto una ragazza, non la conosco ancora, voleva essere lì
alle dieci, ma io verrò verso le undici. Ti prego di dicere la aspettarmi."
- Giuseppe schaute etwas verwundert, Gangolf wußte nicht, ob es an seiner
holprigen Grammatik lag oder an der Bitte selbst. Schließlich antwortete
Giuseppe:
- "Ah, dirò alla donna di aspettarti, è questo che vuoi?"
- "Si, grazie, a dopo, ciao!"
<-"Ciao!"

- Neun Jahre hatte Gangolf an einem neusprachlichen Gymnasium täg-
lich Englisch-Unterricht, absolvierte leidlich das Abitur in diesem
Fach, dennoch blieb ihm diese Fremdsprache fremd, geschmeidig-elegant
fand er dagegen Französisch und Italienisch und er war der Ansicht,
daß man spätestens mit dem Ausscheren Großbritanniens aus der Europä-
ischen Union kein Englisch mehr auf dem Festland bräuchte. Mit diesen
Gedanken ging er wieder zu seinem Motorrad, noch im Gehen faßte er
den Entschluß, es gleich hier stehen zu lassen und das kurze Stück
zur Kirche zu Fuß zurückzulegen. Er befestigte seinen Helm an einem
Haken unter dem Soziussitz und zog die Motorradtasche von dem Tank,
was dieser mit einem Pflopp-Geräusch quittierte.

- Um Viertel nach neun erreichte Gangolf die Kirche; bevor er in die
Sakristei ging, um den alten Prädikanten Schönred zu begrüßen, stieg
er auf die Orgelempore, um sich die Motorradstiefel und die Lederjacke
auszuziehen. Er holte die Schuhe aus der Tasche, die er immer zum Orgel-
spielen benutzte, lockerte die Bändel aus der seitlichen Schnürung,
schlüpfte hinein und zog die Bändel wieder fest, gekrönt mit einem schö-
nen Knoten. Er achtete stets darauf, die beiden Schleifen gleichmäßig
lang aus dem Knoten zu ziehen, damit weder die Schleifen, noch die losen
Enden der Bändel zu weit herabhingen und dadurch beim Treten der Pedale
hinderlich werden könnten.
- Als Gangolf die Sakristei betrat, fand er diese leer vor, weder der Prä-
dikant, noch der Mesner, der hier Küster genannt wurde, noch sonst wer war
anwesend. Das war ungewöhnlich, da der alte Herr Schönred sehr gewissenhaft
war und immer zeitig seine Vorbereitungen für den Gottesdienst traf. Nur
einen kurzen Augenblick nach Gangolfs Eintreten kam eine junge Frau herein,
Gangolf ging davon aus, daß es sich um eine Lektorin handelte. Erstaunlich-
erweise hatte sie einen großen Sack unter dem Arm geklemmt, den sie mit
einem leichten Seufzer abstellte. Gleich darauf wandte sie sich Gangolf zu,
reichte ihm die Hand und noch während ihres Händeschüttelns ließ sie sich
auf einen Stuhl plumpsen.

- "Bettina", stellte sie sich vor, "ich vertrete Herrn Schönred."
- Gangolf blickte sie etwas verwundert an und stellte sich vor: "Gangolf Stumpf."
- Seine Verwunderung steigerte sich, als die junge Frau den Sack öffnete, ein
schwarzes Knäuel herauszog, es schwungvoll auf den Tisch legte und schließlich
ein paar Schuhe herausholte. Noch während sie damit beschäftigt war, diese neben
sich abzustellen, streifte sie sich mit den Füßen ihre anscheinend sehr lose
gebundenen Chucks ab, die in einiger Entfernung im Raum zu liegen kamen.
- Sprachlos beobachtete Gangolf das weitere Geschehen: Erst jetzt gewahrte er,
um welche Schuhe es sich handelte, die von der Frau mitgebracht worden waren.
Es waren schwarze Plateau-Stiefeletten mit gewaltig hohen Absätzen, sie waren
deutlich höher als handbreit. Während das Mädel geschickt mit ihren Füßchen in
die Ungetüme schlüpfte, fragte sie ihn ohne aufzuschauen:
- "Und Sie lesen?"
- Gangolf starrte gebannt auf ihre Füße, die jetzt deutlich von dem Fußboden
erhöht waren. Erst als Bettina zu ihm aufschaute, begriff er, daß er mit der
Frage gemeint war, und leicht irritiert stotterte er:
- "Äh, nein, ich versuche, die Orgel zu spielen."
- Nun traf ihn ein breites Lächeln, das die gesamte Breite ihrer schmalen läng-
lichen Gesichtsfront einnahm. Sie antwortete, während sie sich von dem
Stuhl erhob:
- "Das trifft sich gut, daß du da bist, dann muß ich nicht mehr auf die Empore
hinaufsteigen."
- Bettina drehte sich um, dem abgelegten Knäuel zugewandt, entfaltete dieses,
ergriff den schwarzen Stoff und zog ihn zu sich heran.
- "Sei so gut und hilf mir, den Talar überzuziehen!"
- "Äh, ja, gern", stammelte Gangolf, immer noch perplex über die so unerwartet
eingetretenen Gegebenheiten. In dem Moment kam der Mesner aus der Kirche herein,
er stolperte leicht über Bettinas abgestreiften, mitten im Weg liegenden Leinen-
schuhe, erfaßte mit Kennerblick die Situation und den schweren schwarzen Pfaffen-
rock und schon stand das Mädel ganz in schwarz gehüllt vor ihnen. Dank der enorm
hohen Absätze, die von dem fast bis zum Boden reichenden Saum des Talars verdeckt
wurden, stand sie jetzt auf Augenhöhe mit den beiden Männern. Sie wandte sich an
den Mesner:
- "Ich hörte, daß in der Gemeinde schon lang kein Abendmahl gehalten worden ist,
weil ja meistens Prädikanten hier den Gottesdienst halten, und da hab' ich mir
gedacht, daß wir heute das Abendmahl feiern. Bitte bereite doch schon mal alles
vor!"

- Wie selbstverständlich ist sie zum Du übergegangen, der Mesner blickte kurz
erstaunt auf, nickte aber gleich darauf und wandte sich ab, entsprechend alles
vorzubereiten.
- Gangolf begriff zwischenzeitlich, daß es sich bei Bettina um eine hauptamtliche
Pfarrerin handelte; er fragte sie nach dem liturgischen Ablauf, ob irgendwelche
Besonderheiten zu beachten wären, wie sie es mit dem Psalmsingen hielte. Als alles
geklärt war, stieg er zur Orgel hinauf, bereits kurz darauf läuteten nochmals die
Glocken und der Gottesdienst begann.
- Gangolf fiel es schwer, sich auf das Orgelspielen zu konzentrieren, das Erlebnis
mit der Pfarrerin mit ihren wahnsinnig hohen Stiefelchen erregte ihn immer noch.
Nach dem einleitenden Orgelspiel stellte sich Bettina der Gemeinde vor:
- "Ich bin Bettina Litte und habe die Ehre, heute Prädikant Schönred zu vertreten,
der kurzfristig verhindert ist. Wir werden heute das Abendmahl
feiern, ich danke dem Küster und dem Organist für ihren Dienst und allen,
die sonst noch dazu beigetragen haben, daß wir hier zusammen den Gottes-
dienst feiern können..."

- Plötzlich kam Gangolf wieder die Motorrad-Lady in den Sinn und er verspürte
eine teuflische Lust, während der Predigt hinauszugehen und schnell zur Eis-
diele hinunterzulaufen. Seine Erregung steigerte sich immer mehr, prompt ver-
spielte er sich auch einmal. Nach dem Glaubensbekenntnis wurde, wie üblich,
noch ein Choral gesungen, bevor die Predigt begann. Es war vier Minuten vor
zehn Uhr, entschlossen schaltete Gangolf das Orgelgebläse aus, schwang sich
von der Orgelbank und stieg leise die Stufen zum Ausgang hinunter.
- Schwerfällig bestieg derweil die junge Pfarrerin die Kanzel, Gangolf konnte
ein verschmitztes Lächeln nicht verkneifen, da er wußte, warum sie sich so lang-
sam die Kanzeltreppe hinauf bewegte. Er hatte bereits den Griff der Kirchentür
in der Hand, als er ihre Stimme von der Kanzel hörte:
- "Da ich keine Zeit fand, mich eingehend auf eine Predigt vorzubereiten und
heute auch das Abendmahl gefeiert wird, möchte ich mich kurz halten und nur
ein paar spontane Gedanken zu dem Text aus dem Alten Testament wiedergeben..."
- Gangolf stockte der Atem: Während Prädikant Schönred stets langatmige Pre-
digten zu halten pflegte, die schier kein Ende nahmen, scheint es die Pfarrerin
flott zu machen; sollte er doch hierbleiben und ganz unauffällig wieder zur
Orgel hinaufschleichen? In seiner Wallung war er jetzt zu angeregt, um noch-
mals umzukehren und seinen spontanen Plan aufzugeben. Lautlos öffnete er die
Kirchentür, schnell lief er den Kirchenhügel hinunter zu der Hauptstraße. Dort
angelangt ging er dann bedeutend langsamer, um bei der Wärme des strahlenden
Sonnenschein nicht außer Atem zu kommen.

- Am Sonntag Vormittag war gewöhnlich wenig Verkehr auf der Hauptstraße des
Dorfes. Als Gangolf auf dem Gehweg Richtung Eisdiele dahintrabte, fuhr mit
hohem Tempo ein Lada Niva in seiner Richtung vorbei. Das Erstaunliche an dem
Fahrzeug war weniger seine grundsätzliche Eigenschaft, daß die würfelförmige
Karosserie seit Jahrzehnten unverändert gebaut wird, als vielmehr seine unde-
finierbare matte Farbgebung, die je nach Lichtverhältnissen zwischen dunkel-
grün über grau-blau bis braun zu schwanken schien.
- Noch im Gedanken daran, daß es sich um das Auto seiner seltsamen Motorrad-
Bekanntschaft handeln könnte, erkannte Gangolf, daß der Lada weiter vorne am
Straßenrand anhielt. Die Fahrerin stieg aus, beugte sich von der Straße aus
nochmals in den Wagen und zog eine Jacke heraus.
- 'Das könnte sie sein', folgerte Gangolf blitzschnell und beschleunigte seine
Schritte. Tatsächlich konnte er von der Ferne erkennen, wie sie in den Bereich
der Eisdiele eintrat. In diesem Moment begann die Kirchturmuhr mit den Schlägen
für zehn Uhr. Erschrocken hielt Gangolf inne, er hätte nicht gedacht, daß er
bereits vier Minuten unterwegs gewesen war, er mußte jetzt unbedingt umdrehen,
um rechtzeitig vor dem Ende der Predigt in der Kirche zurück zu sein. Giuseppe
wird ihr schon ausrichten, daß sie auf ihn warten soll, außerdem hat er ihr ja
geschrieben, daß er erst gegen elf da sein konnte.

- Leicht außer Atem keuchte Gangolf den Kirchenhügel hinauf, auf halber Anhöhe
hörte er aus der Kirche den Gesang anstimmen: Er war zu spät, die Gemeinde sang
das Predigtlied notgedrungen ohne Orgelbegleitung. Es war ein schauderhafter
Gesang, ihm wurde auf diese Weise bewußt, wie wichtig doch die Orgel war. Mit
hochrotem Kopf eilte er zur Empore hinauf, prompt knarrten einige ausgetretene
Treppenstufen, Pfarrerin Bettina blickte kurz von ihrem Gesangbuch auf.
- 'Auh, wie peinlich,' schalt sich Gangolf selbst, 'und das bloß wegen der blö-
den Kuh da unten an der Eisdiele, wär ich doch dageblieben'.
- Gangolf mußte sich eingestehen, daß es ihn mit einer gewissen Lust erfüllte,
jetzt zumindest schon einmal das Auto dieser seltsamen Motorrad-Begeisterten zu
kennen; sobald dieses Fahrzeug irgendwo ihm begegnete, würde er es selbstver-
ständlich sofort wiedererkennen wie den sprichwörtlichen Bunten Hund.

- Wie üblich endete der Gottesdienst mit dem Orgelnachspiel. Als Gangolf fertig-
gespielt hat und die Faltbretter über die Tasten klappte, richtete er unwillkürlich
seinen Blick über die Emporenbrüstung nach unten in das Kirchen-schiff. Erstaunt
stellte er fest, daß die Pfarrerin anscheinend seinem Schlußspiel gelauscht hatte,
sie saß auf der ersten Reihe der Kirchenbänke, erhob sich nun, wandte sich dabei
um, hob den Blick zur Orgel empor, bedachte Gangolf mit einem anerkennenden Lächeln
und hob zum Gruß die Hand, ehe sie würdigen Schrittes entschwand.
- Gangolf fiel ein Stein vom Herzen, anscheinend hat sie ihm seinen Austritt wie
selbstverständlich verziehen. Nachdem er die Schuhe mit den Motorradstiefeln
getauscht und seine Lederjacke über eine Schulter gehängt hatte, machte er sich
wieder auf den Weg zur Eisdiele. Eigentlich hatte er gar keine große Lust mehr,
die seltsame Lady kennenzulernen, es war vielmehr die kesse Pfarrerin, die ihn
vollkommen in den Bann zog.

- Auf der Straße zur Eisdiele stellte er fest, daß der Lada nicht mehr da stand,
tatsächlich erzählte ihm Giuseppe, daß die Ragazza gleich wieder weggefahren sei,
obwohl er ihr sagte, auf Gangolf zu warten.
- „Ist keine für dich“, raunte ihm Giuseppe zu, „voll verrückt alles schwarz ange-
zogen, mit Lederjacke mit Nieten überall und Piercing und so.“

- Von dieser Nachricht: >ist keine für dich< erleichtert, trank Gangolf seinen
Cappuccino aus und schwang sich auf seine Yamaha R1, um ein paar Dörfer weiter
zu fahren und dort ein Mittagessen einzunehmen. Es war schon gegen drei Uhr,
als er wieder zuhause war. Es drängte ihn jetzt, mit seinem neuen Kajak eine
Paddeltour zur Insel zu unternehmen. Hurtig entledigte er sich seiner Kleidung
und holte sein ärmelloses Neopren-Shorty heraus, ein ‚Sailfish Pacific’. Wäh-
rend die meisten Shortys Ärmelchen aufwiesen, war sein Teil vollkommen ärmel-
los, er hatte sich vor einiger Zeit dieses Modell bestellt, da er beim Rudern
die Achseln frei haben wollte, zumindest bei den nachmittäglichen Temperaturen.

- Jedesmal überkam Gangolf eine gewisse Erregung, wenn er in die Neoprenröhren
stieg und dieser besondere Stoff über seine Knie strich, um schließlich mit den
Oberschenkeln zu verschmelzen. Mit nicht unerheblichen Verrenkungen gelang es ihm,
das Reißverschlußplättchen an seinem Rücken in die Höhe zu ziehen; das in seinen
Augen alberne Zugband hatte er abgeschnitten, denn es baumelte beim Rudern bei
jeder Drehung des Oberkörpers, mithin bei jedem Ruderschlag, auf seinem Rücken
hin und her. Als das Neopren seinen Oberkörper fest umschlungen hatte, wurde es
Gangolf richtig warm, und ein wohliges Gefühl der Geborgenheit durchzog seinen
eingepackten Leib.
- Seine Erregung steigerte sich noch, als Gangolf schließlich in seine gummier-
ten Wassersportschuhe schlüpfte, und obwohl er es schon unzählig oft getan hat,
betrachtete er sich anschließend in dem großen länglichen Spiegel des Hausflurs,
um sich selbst zu gefallen, wie er so da stand in dem leicht glänzenden schwar-
zen Neoprenanzug mit den grauen Seitenteilen; der typische Geruch zog durch
seine Nase und ließ seine Erregung nochmals anwachsen.

- Langsamen Schrittes wandelte Gangolf zu dem Schuppen hinüber, in welchem er
seine Boote aufbewahrte; jede Unebenheit des Bodens übertrug sich über die dün-
ne Gummisohle auf die empfindsamen Nerven seiner Fußsohlen. Das Kajak war ein
Prijon-Falcon GFK, ein ausgesprochenes Schnellboot mit nur 55 Zentimeter Breite
und 17 Kilo Leergewicht. Letztes Jahr hatte er sich seinen Wunsch erfüllt und
sich dieses edle Stück zu einem Wahnsinnspreis geleistet. Es hätte auch eine
Ausführung in Carbon-Aramid gegeben, das war nochmals drei Kilo leichter, aber
der Preis dafür astronomisch höher.

- Das Kajak in der Rechten, die Paddel in der Linken watschelte Gangolf den
Weg zu dem Kanal hinunter, der an seinem Grundstück entlang führte. Nachdem
er das Paddel entlang auf den Steg gelegt hatte, nahm er nun auch die freige-
wordene linke Hand zu Hilfe, um das Kajak längs des Stegs in das Wasser zu las-
sen. Dann setzte er sich an den Rand des Stegs, griff mit der linken Hand an
den Wulst der Luke hinter dem Sitz, hob das linke Bein in die Luke, während er
sich mit der rechten Hand am Steg abstützte. Anschließend zog er auch noch das
rechte Bein nach, das Schifflein begann stark zu schwanken, doch als er schließ-
lich zu sitzen kam, beruhigten sich die Schaukelbewegungen, und Gangolf ergriff
das Paddel vom Steg. Obwohl er es bereits unzählig oft vollzogen hatte, verlangte
der Einstieg in das extrem schmale Boot stets höchste Konzentration.
- Nach wenigen Metern öffnete sich vor ihm die Weite des Sees, für ihn immer
wieder ein faszinierender Anblick. Während auf dem Kanal das schmale Kajak
problemlos-ruhig dahinglitt, zeigte sich auf dem offenen See schnell der Nach-
teil des schmalen Bootes, es neigte in den leichten Wellen hin- und herzukip-
peln. Doch Gangolf kam gut damit zu recht, er freute sich immer wieder, wie
schnell er mit diesem schwimmenden Pfeil vorankam.

- Man mußte den Schilfgürtel genau kennen, um die schmale Lücke nicht zu ver-
fehlen, welche die Einfahrt zu der Insel gestattete. Von dem meterhohen
Schilf links und rechts umgeben war das Paddeln hier sehr schwierig, da man
die Paddelblätter kaum seitlich in das Wasser stechen konnte. Meist genügte
der Schwung, um bis an das schmale Stegbrett der Insel zu kommen, das Paddel
benützte Gangolf nur zum Lenken.

- Berauscht von der Fülle der Natur, umgeben von der vollkommenen Einsamkeit
des Erlenbruchwaldes, setzte Gangolf vorsichtig Fuß vor Fuß; nach einer Weile
kam er in der östlichen Hälfte der Insel auf eine Lichtung, auf der er sich
niedersetzte. Die Baumkronen gaben in einem schmalen Oval den Blick frei auf
den blauen Himmel; Gangolf blickte gedankenverloren in die unendliche Ferne,
er ertappte sich, wie er im Gedanken zu philosophieren begann, doch er gestat-
tete es sich und träumte:
- Es war der richtige Entschluß, seine alte Heimat aufzugeben und hierhin zu
ziehen, wo ihm alles die vollkommene Freude bereitete, ja noch mehr, sein
ganzer Lebenswandel war die reinste Lustbarkeit: In dem engen Kajak einge-
zwängt die baumkronenumschlossenen Kanäle entlang zu gleiten, die große
Fläche des Sees zu überqueren, dann natürlich das Motorradfahren, diese
Lust, die schier unendliche Kraft des Motors so zu dosieren, daß man mit gekonn-
ter Schräglage durch die Kurven pfeilt, dazu die stimulierenden Anzüglichkeiten,
hier das Neopren, dort das Leder, selbst die Arbeit auf den Dächern mit den
Photovoltaikplatten war ihm meistens eine lustvolle Herausforderung:
- Die knöchelhohen Chucks, an den Füßen fest verschnürt, erlaubten dank der
sagenhaft rutschfesten Gummisohlen, auch auf steilen Dächern herumzuturnen;
im Verein mit seinen Kräften und seinem drahtig-schlanken Körper schwang Gan-
golf sich problemlos zwischen den Modulen hin und her, um die Anschlüsse her-
zustellen. Freilich war er nicht ganz schwindelfrei, die ersten Minuten vermied
er es, nach unten zu sehen, sondern richtete seinen Blick zunächst stets auf das
Dach. Nach wenigen Minuten legte sich das ungute Gefühl in der Magengegend, es
steigerte sich zu einem Glücksgefühl, wenn er dann weithin über das Land umher-
schaute.

- Gangolfs Gedanken schweiften zum Orgelspielen, auch das war für ihn die rein-
ste Lust, zum einen eine prickelnde Konzentrationsübung, stets die Gemeinde als
Ohrenzeuge seines Spiels zu wissen, aber auch das Bewußtsein einer dominanten
Komponente, den Gemeindegesang zu führen. Besonders gern spielte er auf der
150 Jahre alten sehr kleinen Orgel in Grausneg, zwar nur mit einem Manual aus-
gestattet, aber mit einem Pedal vollen Umfangs und vor allem sehr schöne helle
Register erlaubten ein kunstvolles Spiel mit ansprechenden Klangfarben. Im
Gegensatz zu seiner bayrischen Heimat, wo viele Orgeln aus dieser Zeit mit
sehr unzuverlässigen Spielsystemen ausgestattet wurden und zudem häufig nur
über dunkel-dumpfe Säuselpfeifen verfügten, die allenfalls romantische Schnul-
zen zu spielen zuließen, genoß Gangolf die barocke Orgelmusik, die er hier zu
Gehör brachte.

- Dann war da noch das Radiobasteln, Sender und Empfänger bauen, überhaupt
die vielen Bastlereien in seiner Hobby-Werkstatt, bei diesen Gedanken kamen
ihm seine ferngesteuerten Handschellen in den Sinn, auch das war natürlich
die reinste Lustsache, obschon er sich überhaupt nicht vorstellen konnte, wie
und wo er diese jemals zur Anwendung bringen würde.
- Gangolf vergaß, vorsichtig mit seinen Wünschen zu sein, bekanntlich könnten
sie in Erfüllung gehen...

- Bevor er die Insel verließ, begab sich Gangolf an das hintere Ende der Lich-
tung, scharrte an einer bestimmten, ihm wohlvertrauten Stelle das Laub mit sei-
nen Füßen weg, bis der silbrig glänzende Deckel einer eingegrabenen Aluminium-
kiste zum Vorschein kam.

15. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 02.07.21 20:32

8


Verkehrsministerin Umleid-Tung fing gerade an, in der wöchentlich ein-
berufenen Sitzung des Regierungskabinetts über den Eurotunnel zwischen
Frankreich und England zu referieren, als Staatssekretär Gscheid unge-
stüm in den Saal hereinstürmte. Fast alle Anwesenden warfen ihm einen
abfälligen Blick zu, Umleid-Tung unterbrach ihren Vortrag. Während sich
Gscheid auf einen freien Platz niederließ, rief er grinsend in die Runde:
- „Es ist da!“
- „Ja, Sie sind endlich da“, konterte Bundeskanzlerin Prank-Barrenkau-
er ungehalten, „bitte Frau Umleid, fahren Sie mit ihrem Bericht über den
Eurotunnel fort.“
Umleid murmelte, daß dieses Verlustloch nach ihren neuesten Informatio-
nen jetzt wohl endgültig zugeschüttet werden müsse, doch verkniff sie
sich, das laut zu äußern.

Zehn Jahre sind vergangen, daß Großbritannien aus der Europäischen Union
ausgetreten war; es kam kein Vertrag zustande über die Beziehungen zwi-
schen Großbritannien und der EU, schließlich kam es zu dem befürchteten
harten Brexit’, dem Ausscheiden ohne vertragliche Vereinbarungen. Das Ei-
senbahntunell war in den ersten Betriebsjahren defizitär, da zum einen
die geplanten Baukosten um das Doppelte überschritten worden waren, zum
anderen, weil das Fahrgastaufkommen viel geringer gewesen war als geplant.
Durch Umschuldungen und Gläubigerverzicht gelang es, das Tunell gewinnbrin-
gend zu führen. Mit dem ‚Brexit’ ging der Fracht- und Personenverkehr stark
zurück, so daß seitdem der Betrieb wieder Verluste einbrachte. Die Fahrzeit
für die Personenbeförderung hat sich mehr als verdoppelt, da nun wieder
strenge Zollkontrollen durchgeführt wurden.
Ministerin Umleid-Tung berichtete ausführlich, wie diese Kontrollen vonstat-
ten gingen:
Das früher geltende Verfahren der ‚juxtaposed controls’ wurde abgeschafft,
damals wurden die Grenz- und Zollkontrollen vor Antritt der Überfahrt in dem
jeweiligen Ausgangsland durchgeführt; Großbritannien erlaubte seit dem Bre-
xit den Franzosen nicht mehr, auf der Insel die Kontrollen für Reisende und
Fracht zum Festland vorzunehmen.
Seit einigen Jahren wurden die Kontrollen mitten im Tunell durchgeführt: Der
Zug hält an, alle Reisende müssen aussteigen und mit ihrem Gepäck durch einen
kurzen Querschacht zu der ‚Serviceröhre’ gehen, dort wurden lange Tische auf-
gebaut, auf denen die Gepäckstücke aufgelegt und zur Inspektion geöffnet wer-
den müssen. Derweil rangiert der Zug zur Rückfahrt über die Umführung zu der
anderen Gleisröhre, während ein neuer Zug aus dem Zielland heranrangiert wird,
in dem die Reisenden nach Beendigung der Kontrollen einsteigen und die Reise
fortsetzen.

Außenminister Schmollz ergänzte die Ausführungen der Verkehrministerin bezüg-
lich der allgemeinen Zollproblematik mit England. Er vermied dabei den Begriff
Großbritannien, da dieser Staat seit einigen Jahren nur noch aus England,
Wales und Nordirland bestand; den Schotten gelang es nach langem Hin- und Her,
sich von Großbritannien abzuspalten und als unabhängiger Staat wieder in die
Europäische Union einzutreten. Ein von verschiedenen Seiten vorgeschlagener
Zusammenschluß mit der Republik Irland konnte nicht vollzogen werden, das
Nationalbewußtsein ist in beiden Ländern bis heute zu stark ausgeprägt und
man wollte unbedingt verhindern, vom Regen in die Traufe zu kommen.
Als warnendes Beispiel wurde damals die Tschechoslowakei genannt: Die Slowaken
versuchten mehrfach, aus dem Staatenbund mit den Tschechen auszutreten, zuletzt
erfolglos während des Aufstandes gegen die stalinistische Diktatur 1968, bis
es endlich 1992 zu der endgültigen Losspaltung kam.
Während die Loslösung der Slowakei friedlich vollzogen wurde und der damalige
tschechische Präsident Havel sofort sich um beste nachbarschaftliche Beziehun-
gen bemühte, obwohl er die Trennung als Fehler ansah, war die Abspaltung der
Länder aus dem jugoslawischen Staatenbundes ganz und gar unfriedlich verlaufen,
es kam zu den blutigen Balkankriegen, die sich von 1991 bis 2001 dahinzogen und
zu einer völligen Auflösung von Jugoslawien führte.

Schmollzens Staatssekretär Doktor Gscheid grinste vor sich hin, als er den Aus-
führungen über die Situation in Großbritannien lauschte. Sein rüpelhaftes Herein-
platzen in den Saal war anscheinend längst vergessen worden. Kanzlerein Prank
schickte sich bereits an, die Sitzung für beendet zu erklären, als es schließ-
lich doch noch zu einer Wortmeldung kam. Eine Staatssekretärin hat sich an
Gscheids Worte erinnert, als er hereingestürmt war:
- „Herr Gscheid, Sie kamen herein mit den Worten, es sei da. Was hat es damit
auf sich, was ist da?“
Gscheid wendete sich zu der Kollegin und setzte dabei eine bedeutsame Miene auf:
- „In der Tat, es, das Virus, ist da, und zwar in England! Es freut mich, daß
wenigstens Sie, verehrte Kollegin, sich für diese meiner Meinung nach höchst
brisanten Nachricht interessieren, vielen Dank, daß Sie mir die Möglichkeit
einräumen, Ihnen das mitteilen zu dürfen.“

Sprachlos wendeten sich nun alle Blicke zu Staatssekretär Doktor Gscheid in Er-
wartung, daß dieser weiter spräche. Doch Scheid lächelte weiter in die Runde,
ohne dem etwas hinzuzufügen. Schließlich forderte Prank ihn auf, nicht so geheim-
nisvoll einfach eine Meldung in den Raum zu werfen, sondern endlich dazu Erläute-
rungen zu geben. Geschmeichelt fuhr nun Gscheid fort:
- „Ja, meine Damen und Herren, das ist ganz brandneu, wie Sie viel-leicht wissen,
verfüge ich über die amtlichen Kontakte unseres Ministeriums hinaus noch persön-
liche Kontakte nach England; ein Informant rief mich heute morgen an und steckte
mir diesen Hinweis mit der Bitte, diesen vertraulich zu behandeln, nicht daß die-
se Information gleich wie-der zur DPA gelangt und damit in die Medien, wo wie der
Bericht aus Taiwan vor zwei oder drei Wochen, das war ja ganz Formosa.“
Wieder legte er eine bedächtige Pause ein und wartete sichtbar darauf, daß jemand
nachfragte. Nun war es Gesundheitsminister Scham, der es genauer wissen wollte:
- „Und da handelte es sich eindeutig um das gleiche Virus?“
- „Ja, der Betroffene, also der, besser gesagt, die Infizierten leiden unter den
gleichen Symptomen wie die in Taiwan.“
- „Was war das nochmals, Reizung der Geschlechtsorgane?“
- „Ja genau und die Engländer, also die Ärzte dort, sprechen auch vom Condoma-Vi-
rus.“
- „Und das gelangte dort noch nicht in die Presse?“, wollte Regierungssprecher
Schmarr wissen.
- „Anscheinend noch nicht, und auch wir sollten meiner Meinung nach stillhalten.“
Kanzlerin Prank mischte sich ein: „Auf jeden fall sollten wir das noch nicht in
die Öffentlichkeit geben, denn zu schnell könnten falsche Schlüsse daraus gezogen
werden. Die Bevölkerung ist ja hochsensibilisiert, wenn sie das Wort Virus hört.
Ich erinnere mich gut daran, wie Sie, Kollege Schmollz, damals vor zehn Jahren
sinngemäß davon sprachen, daß wir nach der Corona-Krise auf jeden Fall andere Men-
schen sein werden.“
Schmollz setzte sein charakteristisches Lächeln auf, strich sich mit beiden Händen
über seinen nicht zu übersehenden Bauch und bejahte das Gehörte mit einem Nicken.

„Stop“, rief die Kanzlerin darauf hin, „bevor es jetzt zu einer wilden Diskussion
kommt, möchte ich Sie bitten, in den einzelnen Ressorts Arbeitsgruppen einzurich-
ten, was es alles für Möglichkeiten gibt, mit dieser neuartigen Ausgangslage umzu-
gehen und wie wir verfahren müssen, damit sich das Fiasko von damals nicht wieder-
holt! Ich schlage vor, daß wir bereits Anfang nächster Woche wieder zusammenkommen,
um in einer Sondersitzung nur über dieses Thema zu sprechen. Also sammeln Sie Vor-
schläge, denken Sie mit ihren Mitarbeitern in alle möglichen Richtungen, aber bitte
lassen Sie nichts nach draußen dringen, erst wenn wir uns einig sind, war wir ma-
chen wollen, also mit konkreten Schritten aufweisen können, dann werden wir frei-
lich unverzüglich diese der Bevölkerung mitteilen.“

16. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 10.07.21 06:30

9

Gangolf holte sich gerade eine Bierflasche, um sich auf dem Wohn-
zimmersofa niederzulassen als vorbereitende Maßnahme für das Kon-
sumieren der Tagesschau, als unvermutet das Telephon schrillte. Er
gehörte zu den wenigen jungen Menschen, die noch einen Festnetz-
Telephonanschluß im Haus hatten, denn er fand das ständige Herum-
schleppen des Smartphone gar nicht smart.
Im Winter war das erträglicher im wahrsten Sinne des Wortes, weil
man das Gerät dann doch recht einfach in eine Jackentasche stecken
konnte. Jetzt aber, im beginnenden Frühjahr, wo er kaum mehr Jacken
trug, bestenfalls Westen ohne tiefe Taschen, fand er das Mitsichführen
dieser Intelligenz-Geräte ziemlich lästig. Im Unterbewußtsein wider-
sprach das ständig für andere Erreichbarsein seiner ausgeprägten domi-
nanten Gefühlswelt, nichts haßte er mehr, als fremdbestimmt zu sein, er
wollte immer so unendlich frei sein.
Da noch einige Zeit bis zu den Nachrichten gewesen war, erhob er sich
nochmals und holte den Hörer von der Ladeschale. Zu seiner Über-
raschung meldete sich eine helle Stimme:
- „Guten Abend, hier spricht Bettina, die Pfarrerin vom Sonntag in
Grausneg, ich wollte mich bei Ihnen bedanken für ihr wunderschönes
Orgelspielen und vor allem für das Psalmsingen, das traue ich mir nicht
so zu.“
- ‚Erstaunlich’, dachte sich Gangolf, ‚wie schnell doch manche Leute beim
Du sind, wenn sie einem gegenüber stehen, und wie sie dann wieder
zum Sie zurückkehren, wenn man telephoniert oder schreibt.’
- „Danke“, entgegnete Gangolf, „es freut mich auch, daß Sie mir das
verziehen haben, daß ich während der Predigt hinausgegangen bin und
nicht rechtzeitig für das Lied danach zurück war“.
- „Aber bitte, Sie werden ihre Gründe gehabt haben, das war sicherlich
keine Absicht, Herr ... , ah, waren wir nicht schon beim Du?“
- „Ja gern, Gangolf heiß’ ich.“
- „Schön, Gangolf, ich möchte Dich einladen, daß wir uns bald einmal
treffen, ich finde es angenehmer, wenn man sich beim Sprechen
ansehen kann.“
Eine Einladung eines Geistlichen zu einem Gespräch ist Gangolf bislang
nur sehr selten vorgekommen, um so mehr freute ihn, daß ausgerech-
net dieses liebe Pfarrersmädel sich mit ihm unterhalten wollte. Sie ver-
einbarten, sich zwei Tage später im Pfarrhaus von Lüggen am frühen
Abend zu treffen. Bettina gab ihm eine Ortsbeschreibung:
- „Das Pfarrhaus liegt etwas außerhalb vom Zentrum, Paul Gerhard-
Straße 2, das ist eine Seitenstraße von der Logenstraße, Richtung Bahn-
hof, wirst schon finden mit Navi.“
Gangolf hörte gar nicht richtig hin, wird halt neben der Paul Gerhard-
Kirche, der altehrwürdigen Stadtkirche am Marktplatz, sein. Seine
Gedanken schweiften zu Paul Gerhard, dieser berühmte evangelische
Theologe, der die Texte zu vielen Chorälen geschrieben hat, lebte und
wirkte vor 400 Jahren hier an dieser Kirche.

Kurz zögerte Gangolf, ob er lieber mit dem Auto nach Lüggen fahren
sollte, doch das schöne Wetter ließ ihn dann doch das Motorrad aus dem
Schuppen holen. Er dachte sich, wenn Frau Pfarrerin im Gottesdienst 15
Zentimeter Absatz unter den Fersen hat, wird sie sich nicht stören, wenn
sie ihn in Motorradstiefel erblickt.
Die Kirche in Lüggen war nicht zu verfehlen, vor dem großen Markt-
platz mitten in der Stadt baut sich der gewaltige, fast 600 Jahre alte
weiße Kirchturm auf. Gangolf stellte seine Yamaha ab und umrundete
guten Mutes die Kirche. Er betrat die Kirchgasse und die Kirchstraße,
dann die Hauptstraße. Als er an der Sparkasse vorbeiging, lief ihm ein
kalter Schauder über den Rücken. Schließlich ging er über die Poststraße
zurück, doch eine Paul Gerhard-Straße konnte er nicht entdecken.
- ‚Verdammt’, schalt sich Gangolf, ‚hat sie nicht was gesagt von etwas
außerhalb?’
Das ausgedehnte Herumstiefeln bereitete ihn ebensowenig Gefallen wie
die Vorstellung, nach den Weg fragen zu müssen; es rächte sich seine
Arroganz, das Smartphone nicht mitgenommen zu haben. Die Lüggener
Paul Gerhard-Kirche war ja selbst für Blinde nicht zu übersehen, dann
mußte logischerweise die Paul Gerhard-Straße gleich da in der Nähe sein
und überhaupt pflegen Pfarrhäuser neben der Kirche zu stehen, damit
die Hochwürdige Geistlichkeit nicht weit zu gehen hat.
Gangolf spielte mit dem Gedanken, nochmals nach Hause zu fahren,
doch dann faßte er sich ein Herz, überquerte die Poststraße und sprach
zwei Jugendliche vor der Eisdiele an. Natürlich wußten diese nichts von
einer Paul Gerhard-Straße und vermutlich auch nichts von der in Sicht-
weite stehende Paul Gerhard-Kirche, doch waren beide anscheinend
geradezu angetan, gefragt worden zu sein, sie schienen unaufgefordert
einen Wettstreit einzugehen, wer von ihnen als erstes auf dem Smart-
phone den gefragten Straßennamen entdecken würde.
Fast gleichzeitig hielten beide ihre Bildschirmchen mit dem Stadtplan-
ausschnitt Gangolf entgegen, dieser erinnerte sich wieder an die Logen-
straße, davon hat die Bettina was erzählt, verdammt, hätte er doch ihr
zugehört und gleich zuhause auf dem großen Bildschirm den Stadtplan
konsultiert. Immerhin hatte er großes Glück, daß die Jugendlichen ihm
alle Zeit der Welt ließen, auf dem Display zu >scrollen< und zu
>zoomen<, bis er sich die Route eingeprägt hatte.

Verwundert stellte Gangolf fest, wie viele Autos in der Sackstraße
geparkt standen; unschwer fand er Dank eines großen Schildes das Paul
Gerhard-Gemeindezentrum. Auf der anderen Straßenseite gab es eine
Lücke zwischen einem Cabriolet und einem kastenförmigen Lieferwagen,
die gerade groß genug war, um seine Yamaha dort abzustellen.
Gangolf befestigte seinen Helm an einem Haken unter dem Soziussitz,
denn er haßte es, auch nur für kurze Strecken den Helm herumzutra-
gen, in ähnlicher Weise, wie er sein Smartphone nicht herumschleifen
wollte. Nach wenigen Sekunden baumelte die blau-weiße Kugel an der
Seite über dem Auspuff, er öffnete das Visier, stopfte die Handschuhe in
das Innere des Helms und klappte das Visier wieder zu.
Gerade wie er das schmale Vorgärtlein durchschritt, um zu der
Tür des großen Hauses zu gelangen, öffnete sich die Tür und eine große
Frau mit schwarzen Haaren schritt an ihm vorbei, ohne ihn nur eines
Blickes zu würdigen. Etwas verdutzt blickte Gangolf der Diva nach,
blinkte da nicht ein Ringlein aus der Unterlippe in dem schwachen
Abendlicht?
Die Tür war bereits wieder in das Schloß gefallen, so daß Gangolf sich
nach dem Klingelknopf umschaute. Bei den modernen Sprechanlagen
war das oftmals gar nicht so einfach, herauszufinden, an welcher Stelle
man drücken mußte, wenn man Klingeln wollte. Während er noch etwas
unsicher die Symbolik Licht und Klingel betrachtete, gewahrte er im
äußersten Rand seinen Blickfeldes, wie die Diva die Straße überquerte
und zu seinem Motorrad schritt. Während sie es einmal umrundete,
versuchte sie sich anscheinend irgend ein Detail einzuprägen.
Gangolf drückte beherzt den Klingelknopf, besser gesagt, die kaum
auszumachende rechteckige Fläche, hinter der er den Klingelkontakt
vermutete. Während er auf das Gequäke des Lautsprechers hinter dem
kleinen Aluminiumgitter wartete, ‚ja bitte’, schaute er nochmals auf die
Straße. Die Lady hat sich mittlerweile von dem Motorrad abgewandt und
öffnete die Tür zu dem Wagen davor – erst jetzt erkannte er den
Wagen, es war kein Lieferwagen, wie er zunächst flüchtig vermeinte, es
war ein Lada Niva!
Perplex starrte er auf die Schwarzhaarige, wie ihr Haarschopf
herumwirbelte, als sie sich in den Russen-Jeep schwang. Beinahe wäre
er gestürzt, als unvermittelt die Haustür aufging; er vernahm weder
Lautsprecher-Gequäke, noch Türöffnermagnet-Gesumme, vielmehr
dröhnte der startende Lada-Motor herüber, begleitet von einer kernigen
Qualmwolke.
Leicht irritiert stolperte Gangolf Bettina entgegen, die ihm lachend die
Hand reichte und ihn gleich aufklärte:
- „Das ist Martina, eine gute Bekannte von mir, eine Freundin, wenn du
so willst, ich glaube, die braucht eigentlich gar keinen solchen gelände-
gängigen Jeep, aber so ist sie eben, immer irgendwie extrem drauf.
Aber jetzt komm erst mal herein!“

- ‚Aha, das ist also der >wilde Feger<, so einfach ist das, wenn der
Zufall mithilft.’ Gedankenverloren folgte Gangolf Bettina in ein großes
Zimmer, wo sie ihm andeutete, sich zu setzen. Er hatte tatsächlich die
wilde Sozia längst aus dem Gedächtnis gestrichen, aber jetzt war sie
wieder ganz präsent, Giuseppe hatte recht mit den Piercings, und
schlagartig wurde ihm die Ausstrahlung ihrer unfaßbaren Dominanz
bewußt: Sie wartete damals nicht das halbe Stündchen auf ihn, sie
würdigte ihn keines Blickes, als sie beim Vorbeigehen sich fast berühr-
ten, nur sein Motorrad, das fand sie anscheinend begehrenswert.

Bettina und Gangolf unterhielten sich angeregt über die verschieden-
sten Themen, es war ein Geben und Nehmen, das heißt, ein gegensei-
tiges Sprechen und Zuhören, eine ungemein anregende, offene Unter-
haltung. Dabei kam natürlich auch Gangolfs berufliche Tätigkeit zu spre-
chen; als Bettina erfuhr, daß er nicht nur Elektrotechniker für Photovol-
taikanlagen sei, sondern sich darüber hinaus gut mit elektronischen
Anlagen und Funkgeräten auskannte, starrte sie ihn einen Augenblick
lang mit geöffnetem Mund an, ihre Augen zwinkerten ein paarmal, dann
schüttelte sie kurz den Kopf und ergriff ihr Glas, um einen Schluck zu
trinken.
- „Habe ich dich jetzt damit irritiert, darf das in deiner Erfahrungswelt
nicht sein, daß ein Organist beruflich ein Techniker ist?“
- „Ähm- nein, also durchaus kann ich mir vorstellen, daß das möglich ist,
sieht man ja an dir, ich bewundere dich, wie du Musik und Technik
betreibst.“
Gangolf bemerkte, daß sie dennoch irgendwie verdutzt war, aber er
ging nicht weiter darauf ein. Sie schien mit sich selbst zu ringen, ob sie
etwas zu seinem Elektro-Beruf sagen sollte. Doch sie wechselte darauf
hin das Gesprächsthema, Bettina erzählte etwas von ihrem Werdegang,
wo sie lebte und als Vikarin tätig war, bevor sie nach Lüggen kam.
Als scheinbar alle Themengebiete für’s Erste abgehandelt worden
waren, kam Bettina nochmals auf Gangsolfs elektrotechnischen Tätig-
keiten zu sprechen. Offenbar traute sie sich jetzt, ihn diesbezüglich
anzusprechen und ihm war klar, daß Handwerker im kirchlichen Bereich
immer gefragt waren. Bettina druckste etwas herum, ehe sie mit der
Sprache herausrückte:
- „Also die Martina, die du vorhin gesehen hast, die mit dem Jeep da
weggefahren war, die hat eine Freundin, also eine wirklich ganz Liebe,
unheimlich schüchtern, und die hat ein ganz schweres Los zu tragen. Sie
bräuchte einen ganz guten Elektrofachmann, der sich mit Elektronik und
so Sachen sehr gut auskennt, seit Jahren versuche ich schon, genauso
wie Martina, für sie jemanden zu finden, dem sie vollkommen in ihr Ver-
trauen einschließen kann.“
- „Was hat sie denn für ein Problem?“, fragte Gangolf arglos.
Bettina druckste wieder herum, wurde sogar leicht rot. Gangolf kam ihr
zuvor:
- „Wenn es dir schwerfällt, darüber zu reden, will ich gar nicht weiter
fragen, aber ich kann dann natürlich nicht helfen.“
- „Danke für dein Verständnis, das ist wirklich eine heikle Sache, auf der
einen Seite benötigt sie wirklich handwerkliche Hilfe, auf der anderen
Seite darf sie nur wirklich zutiefst vertrauenswürdige Menschen an sich
heranlassen. Dich würde ich nach unserem ausführlichen Kennenlernen
heute Abend dazu zählen, aber ich meine, die Entscheidung sollte ich
natürlich der Magda überlassen. Ich werde mit Martina darüber spre-
chen, das wäre eine Erlösung für das arme Mädel, aber bitte frag nicht
weiter, sondern sag nur, ob ich Martina von dir erzählen darf und ob du
dir gegebenenfalls natürlich ganz unverbindlich einmal Magdas Problem
ansehen willst.“
- „Ja schon, klar, kann ich machen, klingt ja sehr geheimnisvoll, ich
werde schweigen wie ein Grab!“
- ‚Wenn Bettina wüßte, daß ich mit Martina bereits im E-Mail-Kontakt
stand, daß sie der Grund war, daß ich während des Gottesdienstes
hinausging und somit das Predigtlied versäumte’, dachte sich Gangolf im
gleichen Atemzug, aber er konnte Schweigen und erzählte nichts von
dem zufälligen Kontakt zu der >wilden Fegerin< Martina.























17. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von kodan am 11.07.21 12:07

Tolle Geschichte mit stetig steigender Spannung. Ich warte gespannt auf den nächsten Teil.
18. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 17.07.21 09:02


Es freut mich, wenn die Geschichte "mit stetig steigender Spannung"
empfunden wird; als Autor kann ich das kaum beurteilen, denn ich
weiß, wie es weitergeht, und so fehlt mir die
Spannung. Viel Spaß beim Lesen, Magnus.


10
Bundeskanzlerin Prank-Barrenkauer eröffnete die Kabinett-Sonder-
sitzung zum Thema Condoma-Virus.
- „Um es gleich vorneweg zu sagen, wir müssen heute zu Beschlüssen
gelangen, die Zeit rennt uns davon, wir wissen nicht, wie lange noch die
Briten den Virus geheim halten werden.“
Innenminister Schneehoffer meldete sich zu Wort: „Wir müssen ver-
meiden, zögerlich vorzugehen, nicht den Fehler von vor zehn Jahren
wiederholen, als scheibchenweise Verbote und Gebote eingeführt und
wieder zurückgenommen wurden. Wir brauchen jetzt gleich zu Beginn
klare Regelungen, die in Gesetzesform verankert werden müssen.“
Justizministerin Juxa konterte: „So einfach geht das nicht, Herr Kol-
lege, wie Sie wissen, braucht es für Gesetzesänderungen, erst recht für
neue Gesetze, Vorlagen, die im Parlament besprochen und nach den
Lesungen verabschiedet werden, also im jetzigen Krisenfall ein viel zu
zeitraubender Prozeß.“
- „Haben wir denn schon den >Krisenfall<, wie Sie es nennen?“
- „Das ist Ansichtssache, aber dafür sind wir heute ja zusammenge-
kommen, um darüber zu beraten“, entgegnete die Kanzlerin. Darauf hin
sagte Juxa:
- „Wenn es sehr schnell gehen muß, bleiben noch die Notstandsgesetze“.
- „Die sind aber noch nie seit ihrer Einführung 1968 zur Anwendung
gekommen“, konterte Schneehoffer.
- „Für alles gibt es ein erstes Mal“, so Juxa wieder.
- „Also jetzt mal langsam“, mischte sich Prank ein, „die Notstandgesetze
wären wohl das letzte Mittel. Klären wir doch erst einmal die Frage, ob
wir mit dem neuartigen Virus eine akute Bedrohungslage haben. Was
meinen Sie dazu, Herr Doktor Unwohl, wie weit reichen die Erkenntnisse
im Gesundheitsministerium?“
Staatssekretär Unwohl räusperte sich und blickte kurz seinem Chef,
den Gesundheitsminister Scham, dieser nickte ihm freundlich zu und die
Kanzlerin wußte wohl, warum sie ihm das Wort erteilte und nicht dem
Minister selbst.
- „In England spricht man von mysteriösen Nervenleiden, die von einem
bisher unbekannten Virus ausgelöst wird. Die Symptome sind die glei-
chen wie in dem Bericht aus Taiwan vermerkt, es ist also zu befürchten,
daß es sich tatsächlich um diesen, wie sagen die Asiaten dazu, diesen
Condoma-Virus handelt.“
Jemand stellte die Zwischenfrage: „Weiß man denn jetzt was über die
Ausbreitung und die Ansteckungsgefahr?“
Unwohl fuhr fort: „Es ist zu befürchten, sehr hoch, also der Anstek-
kungsgrad; in Taiwan riegelten die Behörden gleich die gesamte Region
um Longtan ab, so richtig hermetisch, während in England das Virus
streute und dort wohl schon überall im Land Infektionen auftreten. Die
Patienten werden dort in den örtlichen Krankenhäusern versorgt, wobei
unklar ist, wie die Versorgung, also die Behandlung der infizierten
Patienten wirklich aussieht.“
Wieder wollte jemand wissen: „Gibt es Heilungschancen, wie lange
dauern die Erkrankungen, sind die Geheilten immun gegen erneute
Ansteckung?“
- „Darüber liegen uns leider keine Angaben vor, wir wissen nur aus Eng-
land und auch aus Taiwan, daß bislang wohl noch keine Patienten ent-
lassen worden sind. In den Berichten steht nur, daß nach Tagen des
scheinbaren Abklingens die Symptome plötzlich erneut auftreten.
Immerhin hat man nachgewiesen, daß die Ansteckung nicht so hinter-
hältig ist wie damals von zehn Jahren bei dem Corona-Virus, das ja
schon ansteckend war, bevor der Träger selbst von seiner Infizierung
wußte, also bevor er bemerkte, daß er überhaupt krank geworden ist.“
- „Eine tröstliche Erkenntnis ist das aber noch lange nicht’, warf Umwelt-
ministerin Graumaus ein, „vor allem, wenn kein Ende der Infektion
durch die natürliche körpereigene Immunabwehr zu erkennen ist.“
- „In der Tat eine sehr bedenkliche Erscheinung“, pflichtete Unwohl bei.
- „Den Engländern wird nichts anderes übrig bleiben, als die Infizierten
aus den Klinken zu entlassen, täglich werden es mehr, noch reichen die
Kapazitäten, aber ohne Heilungsaussichten, sei es durch körpereigene
Abwehrkräfte oder durch medizinische Stoffe, wird man die Patienten
ungeheilt gehen lassen.“
- „Und wie sieht es mit Quarantänemaßnahmen aus?“, wollte Schneehof-
fer wissen.
- „Quarantäne ist wohl sinnlos, wenn es keine Heilung gibt. Man müßte
die Patienten dann für immer darin einbehalten.“
- „Einsperren“, warf Juxa ein.
- „So deutlich wollte ich das nicht sagen, aber es geht in die Richtung.“
Nun ergriff Kanzlerin Prank das Wort: „Hab ich das jetzt richtig verstan-
den: Der Virus, Verzeihung, das Virus ist ansteckend, aber erst, wenn
die Krankheit ausgebrochen ist; sobald jemand damit infiziert ist, bleibt
er es, da es bislang keine Heilung gibt, er bleibt damit auch weiterhin
ansteckend.“
- „Ja genau“, antwortete Unwohl, „das sehe ich auch so, das ist der
Stand unserer Erkenntnisse im Ministerium“.
Gesundheitsminister Scham nickte wiederum sozusagen als Bestäti-
gung dessen, was sein Staatssekretär berichtet hatte. Graumaus dachte
sich, ob Scham wohl zu verschämt sei, das alles selber zu berichten; sie
jedenfalls würde es nicht zulassen, daß ein Sekretär ausführlich über
eine Sache berichtet, während sie als Chefin dabei nur zuhört.
Nach einer kurzen Pause fuhr Unwohl fort: „Das Eigenartige an dem
Virus ist seine Beständigkeit, seine Hartnäckigkeit, so etwas hatten wir
nach meiner Erkenntnis noch nie. Freilich gab es schon immer schlimme
Epidemien, denken wir an Ebula oder Pest und Cholera, so makaber das
klingen mag, aber an der Pest sind die Menschen im Mittelalter letzt-
endlich gestorben und nur auf diese Weise konnte zusammen mit
Hygiene- und Abstandsvorkehrungen die Pest besiegt werden. Aber hier jetzt
ist die Krankheit nicht tödlich, an kann das als Glücksfall ansehen,
aber sie gilt bis jetzt als nicht beherrschbar.“
- „Und wie sieht es mit Impfstoffen aus, wird daran gearbeitet?“, wollte
jemand wissen.
- „Angeblich arbeiten die Institute sowohl in England, wie in Taiwan, fie-
berhaft an einem Impfstoff. Doch solche Forschungen brauchen ihre
Zeit, auf die Schnelle geht da sicher nichts, erinnern wir uns an die
Seuche vor zehn Jahren, wie lange es gedauert hat, bis ein wirksamer
Stoff gefunden wurde. Die schnell auf den Markt geworfenen Arzneien
aus Rußland und Amerika haben nicht gewirkt. Erst die chinesischen
waren erfolgreich.“
Nun meldete sich Staatssekretär Doktor Gscheid vom Auswärtigen Amt
zu Wort: „Vor zehn Jahren, ich kann es nicht mehr hören, was jetzt los
ist, das ist wichtig, nicht, was damals war, vor zehn Jahren, ja damals
war Corona, damals begann die Klimaerwärmung, damals wurden wir
die Engländer los, was ist denn mit den Chinesen, also mit den Festland-
Chinesen, forschen die vielleicht schon an einem Impfstoff, sozusagen
als Gegenmittel zu den von ihnen nach Taiwan verschleppten Virus?“
- „Mäßigen Sie sich in ihrer Wortwahl“, rügte ihn Prank, "wären wir die
Engländer los, bräuchten wir uns hier und heute keine Gedanken
machen, daß das Virus auf Festland übergreifen könnte. Und das Virus
wird kommen, denn selbst wenn die Weltgemeinschaft die britische Insel
hermetisch ausgrenzen würde, wie das offensichtlich zur Zeit mehr und
mehr mit Taiwan geschieht, wird der Virus Richtung Schottland wan-
dern, Schottland wird sich nicht abschotten können, und darüber
wird der Virus auf’s Festland kommen.“
Juxa meinte daraufhin: „Also steht wohl zweifelsfrei fest, daß das
Virus, wie auch immer, nach Deutschland kommen wird und daß wir uns
über Gegenmaßnahmen Gedanken machen müssen“.
- „Vollkommen richtig“, stimmte Prank zu, „und zwar sehr schnell, des-
halb sind wir heute zusammengekommen und ich möchte nochmals
betonen, daß wir nicht auseinandergehen, bis wir konkrete Beschlüsse
gefaßt haben werden. Und die Zeit drängt, ist das Virus erst einmal da,
könnte es zu spät sein, wir müssen sofort handeln können, sozusagen
den Plan griffbereit in der Schublade haben.“

Es folgten weitere Fragen, beispielsweise nach dem Alter der Erkrank-
ten. Den Berichten zufolge sei bislang der Jüngste 15, der Älteste 65
gewesen. Anscheinend steht die Infektion mit der Ausbildung der
Geschlechtsorgane im engen Zusammenhang.
Nachdem eine Weile Stille eingetreten ist, fuhr Prank fort: „Fassen wir
zusammen: Das Virus wird kommen, Gegenmittel gibt es nicht, auch
keine Selbstheilung, das Ansteckungsrisiko ist hoch, aber vorhersehbar,
die Erkrankten werden weiter in der Gesellschaft leben, es werden
zwangsläufig immer mehr werden, eine düstere Ausgangslage. Ich
möchte jetzt die Sprecher der Arbeitsgruppen der einzelnen Ministerien
bitten, eine Zusammenfassung ihrer jeweiligen Erkenntnisse und Vor-
schläge vorzutragen, bitte das Gesundheitsministerium zuerst.“
Wieder war es Unwohl, der sich weiterhin als Sprecher seines Ressorts
ausgab: „Als einzige Abwehrmaßnahme bleibt der Schutz vor Ansteckung,
um die Verbreitung des Virus herauszuzögern, bis hoffentlich dann in
einigen Jahren ein wirksamer Impfstoff gefunden sein wird. Die
Ansteckung geschieht wohl ähnlich wie bei anderen Viren durch die
Tröpfcheninfektion. Die einfachen Masken, wie sie vor zehn Jahren
getragen wurden, haben damals nicht den gewünschten Effekt gezeigt,
sie waren eher ein psychologisches Beruhigungsmittel, aber auch zum
Teil ein gefährliches Mittel, denn viele Menschen dachten, wenn sie eine
Maske trügen, könnte ihnen nichts passieren. Neben dem Gebot des
Abstandhaltens sehen wir einzig hilfreich das Tragen von wirklich dich-
ten Masken, also von Gasmasken mit speziellen Filtern. Diese Filter
müßten natürlich regelmäßig ersetzt werden.“
Ein merkliches Raunen wabberte durch den Saal. Kanzlerin Prank bat
um Ruhe und nahm Stellung:
- „Das Tragen von schweren Gasmasken mit Filtern würde aber eine
erhebliche Belastung für die Betroffenen darstellen, aus meiner Zeit als
Verteidigungsministerin weiß ich, ich hab so eine Maske mehrfach auf-
gehabt bei meinen Truppenbesuchen, das wird wohl schwer, die Not-
wendigkeit eines solchen Vorhabens der Bevölkerung zu vermitteln.
Doch hören wir erst einmal, was die Arbeitgruppen der anderen Ressorts
zu berichten haben.“
Der Sprecher des Innenministeriums gab zu bedenken, daß Gesetze
nur so gut sind, wie ihre Einhaltung überwacht werden könne. Das sei
bei dem jetzt schon herrschenden Personalmangel bei der Polizei
schwierig, damals bei der Corona-Krise konnte die Polizei nur punktuell
die Einhaltung der behördlichen Anordnungen kontrollieren. Auch der
Sprecher des Verteidigungsministeriums wiegelte aus dem gleichen
Grund ab. Verteidigungsminister Schießmann ergänzte belehrend, daß
die Bundeswehr im übrigen nur zur militärischen Verteidigung bereit
stehe und nicht für Polizeiaufgaben.
Die Arbeitsgruppe des Justizministeriums gab bekannt, daß mit dem
Infektionsschutzgesetz allein nicht argumentiert werden kann, wenn es
darum gehen sollte, beispielsweise bundesweit Ausgangsverbote zu
erlassen. Die Gesundheitsgesetzgebung sei in erster Linie Länderange-
legenheit, die Länder würden zudem viele Regelungen auf Bezirks- und
kommunaler Ebene abwälzen. Bei der damaligen Corona-Krise hat sich
das zwar teilweise bewährt, daß nicht überall die gleichen Maßnahmen
ergriffen worden sind, die unterschiedlichen Beschränkungen stießen
indes auf Unverständnis in der Bevölkerung.
Ein Sprecher des Außenministeriums gab zu bedenken, daß nicht län-
ger auf Ergebnisse der Nachbarländer oder von der Europäischen Zen-
trale gewartet werden sollte. Dort blickt man mit gelähmten Entsetzen
nach Großbritannien und Taiwan, ohne selbst etwas zu unternehmen.
Staatssekretär Gscheid fiel seinem Ressort-Kollegen in’s Wort mit der
Bemerkung, daß man in Deutschland bislang auch noch nichts unter-
nommen habe. Kanzlerin Prank bedachte ihn mit einem bösen Blick,
worauf Gscheid den Sprecher fortfahren ließ. Viel gab es von ihm nicht
mehr zu berichten, einzig, daß wohl in den italienischen Gremien hitzig
über das Thema debattiert werde, ohne daß es bislang zu konkreten
geplanten Maßnahmen gekommen sei.
Als alle Ressortsprecher die Berichte vorgetragen hatten, unterbrach
die Kanzlerein für eine halbe Stunde die Sitzung, damit die Anwesenden
in kleinen Gruppen das bisher Gehörte besprechen konnten.

Die Beratungen zogen sich zäh dahin, jeder hatte zu dem Thema etwas
zu sagen, Bedenken, Vorschläge, Erinnerungen an >damals<, nach
mehreren kleinen Unterbrechungen läutete die Kanzlerin die Schluß-
runde ein:
- „So wie ich das sehe, möchte ich Folgendes zusammenfassen: Die
Bedrohungslage ist akut, niemand kann voraussehen, wann das Virus
kommen wird, aber das Übergreifen auf Deutschland kann nicht ver-
hindert werden. Wir werden wahrscheinlich keine punktförmige Aus-
gangslage vorfinden, sondern vielmehr die Situation wie in Großbri-
tannien erleben, wo der Virus plötzlich überall im Land fast gleichmäßig
und gleichzeitig aufgetreten ist. Vermutlich werden sich viele Infizierte
aufgrund der peinlichen Symptome gar nicht melden, nur in schweren
Fällen, die mit starken Atembeschwerden und sonstigen Komplikationen
einhergehen, werden sich die Infizierten zu den Klinken begeben. Somit
werden wir die Situation haben, daß plötzlich überall im Land mit der
Krankheit gerechnet werden muß. In dieser Hinsicht unterscheidet sich
die Verbreitung des Virus mit bisherigen Viren, die einigermaßen zurück-
verfolgt werden konnten.
Wegen der bundesweit zu erwartenden Verbreitung muß eine bundes-
weit einheitliche Regelung geschaffen werden, das heißt, es müssen
neue Bundesgesetze verkündet werden oder bestehende entsprechend
erweitert werden. Das übliche parlamentarische Gesetzgebungsverfah-
ren ist oft sehr langwierig, gerade wenn sich die Fraktionen uneins sind.
Ich sehe jetzt schon, wie sich die NfD gegen alles sträuben wird, was die
Freiheit des deutschen Bürgers einschränkt. Wir müssen jetzt alles Demo-
kraten darin vereinen, von der Wichtigkeit der Umsetzung unse-
rer Beschlüsse überzeugen. Parteitypische Eitelkeiten müssen hintan
bleiben, so sehr sie die politische Vielfalt unserer parlamentarischen
Demokratie bereichern, hier geht es um eine ganz existentielle Sache.
Im Gegensatz zu Corona und anderen schweren Epidemien ist das neue
Virus zwar nicht tödlich, wird aber die Leistungskraft der gesamten
Bevölkerung immer weiter schwächen. Ziel muß es bleiben, die Anzahl
der Infektionen so gering wie irgend möglich zu halten, bis hoffentlich
bald ein wirksames Gegenmittel gefunden sein wird.
Als probates Schutzmittel wird einzig das Tragen schwerer Gasmasken
angesehen, die auch die Augen mit einbeziehen, denn die Atemorgane
stehen auch mit den Augen in Verbindung, das Absondern von Augen-
flüssigkeiten in Form der Tränen, seien sie durch kalte Luft oder Trauer
ausgelöst, muß unbedingt vermieden werden. Dieser Umstand wurde bei
der Bekämpfung des Corona-Virus vor zehn Jahren vernachlässigt bezie-
hungsweise gar nicht erkannt. Um die millionenfache Aushändigung der
Masken in kurzer Zeit zu ermöglichen, wird die Bundeswehr ihre
Bestände zur Verfügung stellen, die für den militärischen Ernstfall gela-
gert sind, darüber hinaus Altbestände, die zur Ausmusterung anstehen,
aber für den nichtmilitärischen Einsatz noch einige Zeit tauglich sind.
Sobald ein eindeutiger Nachweis für die Infektion mit dem neuen Virus
vorliegt, werden verpflichtende Reihenuntersuchungen für alle Bürger
flächendeckend durchgeführt. Das Tragen der Masken wird von speziel-
len Polizeikräften überwacht. Diese Spezialeinheiten werden aus den
bislang abgewiesenen Polizeianwärtern rekrutiert, sie durchlaufen eine
verkürzte Ausbildung ohne Waffen.
Die Bevölkerung wird aufgerufen, schon jetzt verdächtiges Verhalten
der Mitmenschen sofort zu melden und einen großen Abstand zu diesen
Menschen einzuhalten. Alle Behörden und behördenähnliche Institu-
tionen werden verpflichtet, die Bevölkerung von der Wichtigkeit der
einschneidenden Maßnahmen nach Kräften zu erläutern. Kanzlerin
Prank-Barrenkauer schloß nach vielen Stunden der Aussprache und
Beratung die Sitzung mit den pathetischen Worten:
- „Noch nie haben wir eine derart dramatische Situation vor uns gehabt,
wir fürchteten uns bisher vor Naturkatastrophen und Kriegen, die
Befürchtung, ja noch mehr, die Gewißheit, daß bald ein lähmender Virus
einsickern wird, der die Menschen unaufhörlich geiseln wird, raubt mir
den Verstand und ich möchte hier schon fraktionsübergreifend an die
Einheit aller Demokraten appellieren, an einem politischen Strang zu
ziehen, daß wir zumindest eine Chance haben, diese mit Sicherheit kom-
mende Krise bestmöglich zu meistern!“















19. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von Ihr_joe am 17.07.21 20:42

Hm, versteh es bitte nicht als Meckern,

Aber mit was, grummel, grummel, schreibst Du Deine Geschichte?

Du gibst Dir viel Mühe mit der Formatierung um anderen ein schönes Schriftbild zu liefern.

Zwar ist das hier nicht die optimale Plattform für Geschichten, aber eines haben alle gemeinsam, sie geben den Text wieder und brechen selbstständig um. Je nachdem, wie hoch die Auflösung ist oder ob Quer- oder Hochformat, wird die Schrift eigenständig umgebrochen.

Modernere Seiten als diese können, auch innerhalb von Wörtern selbsttätig umbrechen, nur als Info, da könnte Dein Trennen noch problematischer sein.

Aber auch so, auf dem Smartphone ergibt sich folgendes Schriftbild:

Bundeskanzlerin Prank-Barrenkauer eröffnete
die Kabinett-Sonder-
sitzung zum Thema Condoma-Virus.
- „Um es gleich vorneweg zu sagen, wir müssen
heute zu Beschlüssen
gelangen, die Zeit rennt uns davon, wir wissen
nicht, wie lange noch die
Briten den Virus geheim halten werden.“
Innenminister Schneehoffer meldete sich zu
Wort: „Wir müssen ver-
meiden, zögerlich vorzugehen, nicht den Fehler
von vor zehn Jahren


Ich hoffe, Du verstehst was ich meine. Ich könnte jetzt ein Tablet oder irgend ein anderes Ausgabegerät auch benutzen, immer ergeben sich irgendwelche Probleme.

Ansonsten lese ich Deine Geschichte sehr gerne, vielen Dank,
dass ich sie lesen darf

Ihr_joe



20. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von folssom am 17.07.21 23:25

Hallo Magnus,

mich stört deine Formatierung nicht.

Ich lese gerne deine Darstellung der Politik in den 2030er Jahren, freue mich aber schon auf ein erstes Treffen mit Martina.

mfg
21. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von Ihr_joe am 18.07.21 11:01

@ folssom

Es sollte doch nur der Hinweis sein, wenn M A G N U S nur seine Ansicht sieht, kann er er nicht wissen wie es bei anderen Aussehen kann.

Allein durch die Formatierung der Nummer aber auch bei seinen anderen Posts , erkenne ich, dass M A G N U S auf so etwas wert legt.

Es bedeutet doch einen großen Mehraufwand an Zeit, die Geschichte so zu formatieren? Mit einem solchen (für mich unbefriedigenden) Ergebnis:

- „Und wie sieht es mit Quarantänemaßnahmen aus?“, wollte
Schneehof-
fer wissen.

Sollte ich mich falsch ausgedrückt haben, und aus irgend einem Grund es genau so gewünscht sein, tut es mir außerordentlich leid!

Vielleicht kam zu wenig zum Ausdruck, dass ich die Geschichte auch gerne lese.

Ihr_joe

22. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 18.07.21 19:28

Liebe Lese-Freunde, ich freue mich um jede Rückmeldung, tatsächlich ist Joes Einwand vollkommen berechtigt: An die "Smartphone-Leser" hatte ich überhaupt nicht gedacht, ich übernahm vielmehr den Zeilenumbruch aus dem "Word"-Manuskript. Auf meinem breiten Bildschirm ziehen sich andernfalls die Zeilen sehr lange hin und meine alten Augen haben Mühe, den Anfang der nächsten Zeile zu finden.
Ich würde mich freuen, wenn weitere Leser hierzu ihre Meinung schreiben. Gerne lasse ich den Zeilenumbruch aus Word sodann weg, wenn das mehrheitlich gewünscht wird.
Darüber hinaus ehrt es mich, wenn meine in ehrlicher Selbsteinschätzung doch recht träge und tröge dahindümpelnde Geschichte gern gelesen wird; als ich vor über einem Jahr erstmals schriftstellerisch tätig wurde, viel es mir schwer, richtig "in Fahrt" zu kommen, in den späteren Kapiteln wird viel mehr Handlung geschehen.
"Das erste Treffen mit Martina", liebe Sarah, immerhin kam es endlich zu einem wenn auch einseitigen zufälligen Zusammentreffen, und dann ist da noch die seltsame Bekannte mit ihrem geheimnisvollen Problem...
Nächsten Freitag abend oder Samstag früh kommt die Fortsetzung!
Magnus.
23. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 18.07.21 19:34

... und jetzt hab' ich mich glatt verschrieben: "Es fiel mir natürlich schwer", und es fällt mir immer noch, wie peinlich. Und die automatische Rechtschreibkorrektur erkennt so einen Fehler "natürlich" nicht!
24. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 23.07.21 19:25

Das folgende Kapitel wird versuchsweise ohne Formatierung dargestellt mit der Bitte um Nachsicht, sollten vereinzelt Trennungsstriche nicht entfernt worden sein:


11

♪ Dinng-Donng – ding,ding,ding,Dülülülü – Dülülülü – Dülülülü – Dülülülü ♪

Schnöd wurde die Tagesschau-Fanfare durch den nervtötenden Klingelton des Festnetz-Telephons unterbrochen, verärgert griff Gangolf nach dem Hörer und drückte die Stumm-Taste. In seiner Kindheit wurde ihm gelehrt, daß man nur aus sehr wichtigen Gründen nach acht Uhr Abends anriefe und auch darnach nicht mehr, da sich die Menschen zum wohlverdienten Feierabend vor dem Fernseher versammelten und nach den Nachrichten noch einen Film ansahen, bevor sie gegen zehn sich zum Schlafen bereiteten.

Für Gangolf galt die Tagesschau nach wie vor zu der verläßlichsten Informationsquelle, denn was alles im Internet, aber zunehmend auch in den seriös erscheinenden Tageszeitungen zu lesen war, basierte seiner Meinung nach vielfach auf Mutmaßungen. Das war ihm auch verständlich, denn seriöse Nachrichten-Recherche brauchte Zeit, und die hatte niemand mehr.

- ‚Der Anruf kann warten’, dachte sich Gangolf und lenkte seine Aufmerksamkeit dem Nachrichtensprecher zu:
- „In Venedig ist heute am Nachmittag gegen 16 Uhr der Palast Ca’ d’Oro eingestürzt, die prachtvolle Fassade ist größtenteils in den Canal Grande gestürzt. In dem Palazzo war eine bedeutsame Galerie untergebracht, die jedoch schon seit Jahren geschlossen war. Über Personenopfer kann derzeit keine genaue Angabe gemacht werden; ein Mann, der offenbar das Zusammenbrechen erahnte, versuchte sich aus dem zweiten Stockwerk aus der Loggia durch einen gewagten Sprung in den Kanal zu retten, er wurde jedoch im Wasser durch die herabfallenden Trümmer erschlagen und konnte nur noch tot geborgen werden. Eine weitere Leiche wurde mittlerweile aus dem Wasser gezogen, es ist zu befürchten, daß weitere Opfer sich unter den auf dem Ufer zu liegen gekommenen Trümmern verbergen.

In einer ersten Stellungnahme gehen Fachleute davon aus, daß die Durchfeuchtung der Ziegelmauern an den vom Canal Grande abgewandten Seiten des fast 700 Jahre alten Palastes für den Einsturz verantwortlich ist, aber auch die ständige Umspülung der kanalseitigen Säulen könnten als Grund für das große Unglück in Frage kommen. Der seitlich von dem Gebäude sich befindliche Schiffsanleger wurde nicht im Mitleidenschaft gezogen, allerdings der dorthin führende Steg entlang des Palastes.
Auf dem Canal Grande kam durch den starken Wellengang während des Eintrags der gewaltigen Steinmassen eine Gondel in’s Schlingern und kenterte, die Passagiere und der Gondoliere konnten sich an das Ufer retten. Auch der benachbarte Palazzo Miani Coletti Giusti wurde schwer beschädigt.

Nach den Worten des kommunistischen Bürgermeisters von Venedig, Morto, sei das Unglück auf die systematische Vernachlässigung der uralten Bauwerke in der Stadt zurückzuführen, weder von der italienischen Zentralregierung in Rom, noch von den Provinzbehörden, noch von der Europäischen Union kämen die seit Jahrzehnten zugesagten finanziellen Beteiligungen an dem Weltkulturerbe; die Wirtschaft der Stadtkommune Venedig liege vollkommen am Boden, auch die Einnahmen aus dem Tourismus sinken kontinuierlich, Venedig sei mit dem Problem der uralten Bauwerke und deren Gefährdung durch das ständig steigende Hochwasser allein gelassen.

Durch die Aufgabe des Hochwasserschutzsystems Mo.S.E. sei die Stadt den Fluten schutzlos ausgeliefert, der Einsturz des Ca’ d’Oro stünde erst am Anfang einer ganzen Reihe von Unglücken, die sich in den nächsten Jahren ereignen werden. Staatspräsident Maffisi eilte noch am Abend mit dem Hubschrauber an den Unglücksort, er versprach unbürokratische Wiederaufbauhilfen aus Rom. Morto kommentierte diese Zusage mit dem Hinweis, daß es da nichts mehr zum Aufbauen gäbe.
Hier im Ersten gibt es nach der Tagesschau eine Sondersendung zu dem Thema Venedig. Die sich anschließenden Sendungen werden sich um etwa fünfzehn Minuten verschieben.

Entsetzt sprang Gangolf auf, um aus der Nähe die eingeblendeten Filmszenen genauer verfolgen zu können: Venedig, seine Lieblingsstadt in Italien, einer der schönsten Paläste am Canal Grande ist eingestürzt, er traute seinen Sinnen nicht, das durfte doch nicht wahr sein. Beinahe hätte er vor Schreck sein Bierglas umgeschüttet, gerade noch konnte er es im Flug auffangen, so daß nur ein paar Tropfen sich über das Wohnzimmertischlein versprühten.
In der Sondersendung zum Einsturz des Palastes wurden zunächst Bilder des uralten riesigen Bauwerks gezeigt; nicht nur die darin aufbewahrten Kunstgegenstände sind nunmehr unwiderruflich verloren gegangen, das Gebäude selbst mit seinen reichverzierten Loggien, die Kassettendecken, Mosaikfußböden, die Säulenhalle zum Kanal hin.

Während man auf alten Photographien deutlich die Stufen zum Kanal hinunter erkennen konnte, wurden diesen neuere Aufnahmen gegenüber gestellt, wo die Stufen längst dauerhaft unter Wasser standen. Auf den derzeitigen Bildern sind die Stufen überhaupt nicht mehr zu erkennen gewesen, vielmehr stand das Wasser in den letzten Jahren ständig in der säulengestützten Eingangshalle. Die Dünung durch den starken Schiffsverkehr schlug auf diese Weise ständig auf die Innenmauern der Eingangshalle. Während die Außenmauern mit großen Steinquadern fugenlos errichtet worden waren, wurde bei der Errichtung der Innenmauern nicht damit gerechnet, daß diese ständig mit dem Wasserdruck beaufschlagt würden.

In der Sondersendung wurden noch weitere Mutmaßungen genannt, die zu dem Einsturz geführt haben könnten, bis hin zu dem undichten Dach, daß nicht auszuschließen ist, das eingedrungene Regenwasser sei für den Einsturz ursächlich gewesen. Doch waren sich die Kommentatoren einig, daß das immer häufiger eintretende Hochwasser in Venedig, >Aqua alta< genannt, schon zu unermeßlichen Bauschäden geführt hat.

Vor zehn Jahren wurde das seit vielen Jahrzehnten geplante Sturmflutsperrwerk, genannt >MO.S.E.< für >Modulo Sperimentale Elettromeccanico< vollendet. Mit diesem Sperrwerk konnten die drei Verbindungsstellen der Lagune mit dem offenen Meer verriegelt werden. Die Baukosten von einigen Milliarden Euro waren immens, Korruptionsskandale verzögerten über viele Jahre die Fertigstellung. Der erste Probebetrieb im Juli 2020 unter Beisein von Premierminister Conte verlief erfolgreich, die gewaltigen 78 Stahltore konnten problemlos nacheinander aufgefahren werden, so daß die Lagune tatsächlich vom Meer abgeriegelt worden ist.

Das Mose-Projekt ist schließlich zwei Jahre nach Inbetriebnahme schon wieder stillgelegt worden: Die jährlichen Betriebskosten beliefen sich auf viele Millionen Euro, der wirtschaftlich schwer angeschlagene italienische Staat wollte sich das Projekt nicht mehr leisten. Die internationalen Kulturstiftungen sahen sich zwar in der Pflicht, anteilig die vielen Baudenkmäler Venedigs zu erhalten, aber der Hochwasserschutz sei eine nationale Angelegenheit.
Das war schließlich das Ende des >Projekts<, die italienischen Konstrukteure waren sich anscheinend schon bei der Namensgebung im Klaren, daß das Vorhaben scheitern könnte, wörtlich übersetzt lautet der Text für >MO.S.E<: Elektromechanisches Versuchs-Modul, doch es scheiterte nicht an der Technik, sondern an den laufenden Kosten!

Es gab auch einen betrieblichen Grund: Die Lagune sollte erst bei wirklich hohem Hochwasser abgeschlossen werden, um die Gezeitenströmungen in der Lagune aufrecht zu erhalten und damit den ökologischen Anschluß an das Meer zu gewährleisten. Auch wollte man die Schiffahrt nicht unnötig einschränken. So sollten die Tore erst ab 110 Zentimeter über normalem Wasserstand geschlossen werden, dieser Wasserstand reichte aber bereits aus, daß der Markusplatz komplett unter Wasser stand.

Ab dem Jahr 2022 blieben die gigantischen Stahltore auf dem Meeresboden unter den drei Einlaufstellen in die Lagune nach nur zwei Betriebsjahren. Als 2027 sich eine neue dramatische Hochwasserflut anbahnte, versuchte man nochmals, das Sperrwerk zu reaktivieren. Während der Scirocco gnadenlos den Technikern um die Ohren blies und die Gischt sich immer höher auftürmte, um die Flut durch die drei Einlässe in die Lagune hineinzupeitschen, bemühten sie sich verzweifelt, die Kompressoren in Gang zu setzen, um die riesige Preßluftmenge zu erhalten, welche das Wasser aus den Stahlkammern der Tore drückt und auf diese Weise deren Auftrieb bewirkt.

Das war natürlich wieder eine Schnellschuß-Entscheidung, wie sie nur von Nichtfachleuten gefordert werden konnte: Der notwendige Überdruck konnte nicht innerhalb weniger Minuten aufgebaut werden, auch nicht in Stunden, selbst wenn die Kompressoren nach den Jahren des Stillstands sofort mit voller Leistung arbeiteten. Als schließlich das Hochwasser bereits seinen Scheitelpunkt erreicht hatte, hoben sich endlich die ersten Absperrtore in den Durchfahren von Malamocco und Chioggia, die Tore bei Punta Sabbioni waren indes nicht zu bewegen. Es war ein trauriger Anblick, daß man nach nur wenige Minuten die Ventile öffnen mußte, damit die Luft aus den Stahlkammern wieder entweichen konnte und an ihrer Stelle das Wasser eindrang, welches die Teile, nun wohl für alle Zeiten, auf den Grund des Meeres zurückdrückte.

Das Hochwasser schlug in diesem Jahr mit einer Rekordhöhe von 2,16 Meter über Normal auf die Lagunenstadt, sie stand komplett unter Wasser, selbst die Hilfsstege wurden unpassierbar überflutet, der damals entstandene Schaden bis heute längst nicht behoben. Aufgrund der schwachen Wirtschaftslage in Italien und Europa insgesamt werden die Bauschäden auch nicht mehr vollständig zu beheben sein, die Kosten sind immens, schon allein deshalb, weil man nicht mit Baufahrzeugen anfahren kann, sondern alles per Barken und Pontons durchgeführt werden muß.

Es gab sogar schon Überlegungen, die weltberühmte Rialto-Brücke von 1591 abzutragen, zum einen, um ihrem Einsturz zuvorzukommen, aber auch, daß die Schiffe ungehindert den Kanal entlang tuckern konnten. Durch den ständig steigenden Wasserspiegel müssen sich die >Vaporetti< nämlich in der Mitte des Kanals durch die Brücke drängeln, um an der höchsten Stelle des Bogens gerade noch hindurchzupassen.
Venedigs Ruf als düstere Stadt mit den höchsten Selbstmordraten weltweit wird durch den Einsturz dieses außergewöhnlich schönen 700 Jahre alten Palastes neue Nahrung erhalten, wie es der Bürgermeister Morto auf den Punkt gebracht hat: Wir stehen erst am Anfang, viele weitere Einstürze werden folgen, das Ende der gesamten Stadt ist im Grunde genommen besiegelt.
Ein Trost bleibt den Venezianern: Die Sturmfluthöhen von bis zu zehn Metern an der deutschen Nordseeküste bleibt ihnen wohl erspart, dort führen die Bewohner einen Kampf gegen das Wasser mit ganz anderen Dimensionen.

Schockiert griff Gangolf zur Fernbedienung und schaltete den Fernseher aus. Eigentlich wollte er sich den anschließenden Krimi ansehen, ein alter Tatort mit Maria Furtwängler als Kommissarin Lindholm. Heute werden solche Filme fast nie mehr gedreht, die modernen Streifen handeln nur noch von bodenloser Gewalt und völlig überzogenen Action-Szenen. Er konnte sich nicht vorstellen, wie man sich an dieser Art von Filmkunst erfreuen konnte, schon allein der rasante Szenenwechsel, gepaart mit schriller Musik, ließen ihn zurückschrecken.
Gangolf schloß für kurze Augenblicke die Augen, genoß die Stille, war im Gedanken bei seinem letzten Venedig-Besuch, dieser war schon einige Jahre her. Er wollte unbedingt noch einmal dort hin, bevor die Stadt endgültig zusammenbricht und aufgegeben wird. Tief in Gedanken versunken wird Gangolf durch das Trällern des Telephons aufgeschreckt, jäh wurde er daran erinnert, daß bereits vor einer halben Stunde jemand ihn sprechen wollte.

Nachdem er sich gemeldet hatte, vernahm er eine junge Frauenstimme: „Martina Weiß“.
- ‚Das ging ja schnell’, dachte sich Gangolf, nachdem er sich erst am Tag zuvor mit der Pfarrerin getroffen hatte, 'da gibt es anscheinend eine wirklich dringende Sache zu besprechen’.
- „Hallo Herr Stumpf! Also Pfarrerin Litte hat mir gesagt, Sie haben miteinander gesprochen und daß ich bei Ihnen anrufen darf, weil Sie so ein Fachmann für elektronische Geräte sind“.
- „So pauschal würde ich das jetzt nicht von mir behaupten, Elektronik ist ein weites Gebiet“.
- „Schon klar, aber bisher fanden wir noch keinen, der unser Problem hätte lösen können; es ist aber auch so, daß wir noch niemanden in unser Vertrauen zogen, denn es ist eine heikle Sache.“
- ‚Schon wieder diese Geheimniskrämerei’, dachte sich Gangolf und war dabei, sich einen Satz zu formulieren, mit welchem er das Thema abwiegeln konnte und das Gespräch damit beenden. Doch seine Gesprächspartnerin kam ihm zuvor:
- „Also ich möchte Ihnen vorschlagen, daß wir uns einmal wo treffen könnten, um uns Kennenzulernen und dann könnten wir weitersehen. Selbstverständlich würde ich mich ganz nach ihren Vorschlägen richten, wann und wo, sagen Sie einfach, wenn Sie ein bißchen Zeit haben, es wäre wirklich sehr wichtig.“
- ‚Vor der Arroganz keine Spur mehr’, dachte sich Gangolf, als er diese zuckersüßen Worte aus dem Telephonhörer vernahm. Als er ihr damals wegen der Motorradfahrerei eine E-Mail schrieb, kam nur eine ganz knappe, herrische Antwort: Zehn Uhr, und sei pünktlich, in diesem Sinn, wie anders klang das jetzt!

- „Laß’ mich kurz überlegen“, bat Gangolf und gab nach einer Weile zur Antwort:
- „Wie wär’s mit Sonntag Vormittag, so um elf Uhr, kennen Sie die Eisdiele an der Hauptstraße von Grausneg?“
Es war eine gehässige Provokation, freilich war sich Gangolf im Klaren darüber, daß Martina den Ort kannte und auch den Zeitpunkt, damals als angehende Motorrad-Sozia.
- „Ja klar“, schoß es ihm sofort aus dem Hörer, „kenn’ ich, da sitzt man schön, prima, also Sonntag gegen elf Uhr, ich werde auf jeden Fall da sein, Danke für Ihr Angebot, dann können wir alles in Ruhe besprechen, Ciao“.

Sie blieb hartnäckig bei’m >Sie<, offensichtlich wußte sie immer noch nicht, mit wem sie es zu tun hatte, und heimlich fand Gangolf Freude daran, den Unbekannten zu spielen.
Sinnend blieb Gangolf noch eine Weile auf dem Sofa liegen, dachte an die kesse Pfarrerin, an ihre Bekannte Martina und an deren Bekannte mit dem geheimnisvollen technischen Problem.
- ‚Wie hieß sie gleich wieder?’ versuchte er sich zu erinnern, Bettina hat ihren Namen erwähnt. Schließlich ergriff er doch wieder die Fernbedienung, um den Furtwängler-Tatort anzusehen, auch wenn er nun schon gut eine Viertel Stunde begonnen hatte. Er verspürte heute keine Lust mehr, an seinem Handschellen-Projekt weiter zu machen.


Liebe Leser,
wie findet ihr die Darstellung mit den unbegrenzt-langen Zeilen? Schreibt euere Meinung dazu, ich hoffe, ihr findet weiterhin Gefallen an der Geschichte,
Magnus.

25. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 30.07.21 18:55

12

Gelangweilt schlenderte Hauptwachtmeister Olaf Brause durch den kurzen Flur im ersten Stock der Polizeidienststelle in Lüggen; das große Gebäude wurde sehr schön mit roten und okerfarbenen Backsteinen und kunstvollen Fensterbögen vor über 100 Jahren gemauert. Am Ende des Flurs traf er auf den Dienststellenleiter, dieser bat ihn gleich in sein Büro herein, zu einem Gedankenaustausch, wie er es zu nennen pflegte. Im Grunde genommen war ihm genauso langweilig wie seinem Kollegen. Freilich durften sie das nicht zugeben, im Gegenteil, bei der übergeordneten Polizeidienststelle in Kaiserswuselhausen forderten sie, wie alle Polizeiwachen der Region, alljährlich wieder Budgeterhöhungen und zusätzliches Personal.
In früheren Jahren war mehr zu tun: Immer wieder verursachten betrunkene Autofahrer Unfälle, überladene landwirtschaftliche Anhänger kippten in engen Kurven um, Mopedfahrer kamen in's Schlingern und landeten im Straßengraben. Aber auch Wohnungsbrände kamen vor, doch in den letzten Jahren ist es still geworden. Die Wirtshausschlägereien verschwanden, weil die Bauern nur noch selten die Nächte in den Wirtshäusern durchzechten, die Verkehrsunfälle ließen nach, denn die drakonischen Strafen auf alkoholisiertes Fahren und Geschwindigkeitsübertretungen zeigten Wirkung.
- "Na, was gibt's Neues, Olaf," fragte Dienststellenleiter Nisselpriem und wies dem Hauptwachtmeister mit einer einladenden Geste, Platz zu nehmen, "was macht eigentlich Marlies Armdran, hast du sie wieder einmal besucht?"
- "Nee, die lief mir vorgestern auf dem Markt über den Weg, hat mich gleich gegrüßt, ich hätte sie wahrscheinlich gar nicht bemerkt; nee, die ist in Ordnung, die läuft uns nicht weg!"
- "Ruf doch mal in der Gülle an, ob die irgend welche Auffälligkeiten erkannt haben."
- "Ja klar, werde ich machen."
- "Sag mal, Olaf, was war damals eigentlich los mit dieser Marlies Armdran, ich war damals ja noch nicht da, was ist deine Meinung, was da damals abging?"
- "Eine seltsame Sache", antwortete Brause und setzte eine nachdenkliche Miene auf. "Ich glaube nicht, daß sie es war, aber wir werden ja nicht groß nach unserer Ansicht gefragt, alles Kriminelle geht ja gleich an die Kriminaler in Kaiserswuselhausen. Die hat so schnell gestanden, wahrscheinlich setzte der Staatsanwalt sie gehörig unter Druck, wenn sie nicht gestehe, käme es zur Mordanklage."
- "Du meinst also, sie hat gar nicht den mutmaßlichen Vergewaltiger erschlagen?"
- "Ja das weiß ich natürlich auch nicht, sicher ist nur, daß sie den Typ mit einer Blumenvase niederschlug, bevor dieser sich an ihr vergriffen hätte. Deshalb wollte der Staatsanwalt ihr daraus einen Mord anhängen. Erst durch das schnelle umfassende Geständnis und durch die Aussage ihrer besten Freundin wurde die Tat zum Totschlag heruntergestuft."
- "Und was sagte diese Freundin?"
- "Die wurde tatsächlich kurz vorher vergewaltigt und hat das auch angezeigt, das wurde auch bestätigt. Sie identifizierte den Getöteten sofort als den Mann, der sie wenige Wochen zuvor vergewaltigt hatte. Es war also naheliegend, daß dieser Scheißkerl auch die arme Armdran packen wollte."
- "Dann ist ja wohl doch alles geklärt worden", meinte der Dienststellenleiter.
- "Ja, vermutlich lief das so ab", entgegnete Brause, "doch gab es keinerlei Spurenaufnahme in der Wohnung der Armdran, ob es wirklich die Blumenvase war, ob das Teil ausreichte, ihn zu Fall zu bringen, immerhin war er ja nicht einfach benommen dagelegen, sondern war tot. Und dann ist die Marlies so ein zierliches, geradezu zerbrechliches Mädchen gewesen, mit ihren gerade mal 22 Jahren."
- "Du meinst, es könnte jemand anders zumindest nachgeholfen haben, den Kerl zu töten und diese Marlies hat die alleinige Schuld einfach auf sich genommen."
- "Ja, das könnte so gewesen sein, ist halt schon einige Jahre her, so genau kann ich mich nicht mehr erinnern, aber ich bin mir ziemlich sicher, daß da kaum in eine andere Richtung noch ermittelt wurde, ob da doch noch ein anderer Täter in Frage gekommen wäre."

Die beiden Polizisten pflegten noch eine Weile ihren >Gedankenaustausch<, schließlich kamen sie auf einen Raubüberfall auf die Sparkasse in Lüggen zu sprechen, der vor zwei Jahren für große Aufmerksamkeit sorgte. Auch dieser Kriminalfall wurde nicht restlos aufgeklärt; gesichert galt, daß vor dem Eingang ein Motorrad mit zwei Männern vorfuhr, der Sozius schwang sich vom Sattel und lief in die Sparkasse, ohne seinen Helm abzunehmen. Mit vorgehaltener Pistole erzwang er die Herausgabe von 45.000 Euro, offenbar wußten die Räuber, daß sich an diesem Tag ein dermaßen hoher Betrag in der Filiale befand. Ein Kunde meldete einige Tage zuvor die Barauszahlung an. Der Räuber stopfte das Geld und die Pistole in eine Umhängetasche, lief nach draußen und während der Alarm ertönte, brausten die beiden davon.
- "Das Merkwürdige war der zweite Motorradfahrer gegenüber", erläuterte Brause redselig, "vielleicht stand der rein zufällig mit seiner Maschine gegenüber vor der Bäckerei. Vielleicht war er aber ein Kumpan. Zeugen berichteten jedenfalls übereinstimmend, daß dieser Zweite seinen Helm aufsetzte und den beiden anderen nachjagte."
- "Waren die Banditen tatsächlich tot, als sie aus der Kurve flogen?", wollte der Dienststellenleiter wissen.
- "Ja genau, zwischen Schlepptsich und Grausneg flogen sie im hohen Bogen in den Wald, haben wohl die Rechtskurve nicht gekratzt. Der eine war vermutlich gleich tot, der andere lebte schwerverletzt, starb aber später im Krankenhaus. Interessant ist, daß der bei einer ersten Befragung noch im Wald sagte, daß der unbekannte zweite Motorradfahrer sie verfolgte und daß dieser nach ihrem Abflug in die Büsche anhielt und zu ihm kam, ihm die Umhängetasche entriß und damit davonlief. Kurz darauf hörte er den aufbrausenden Klang eines davonjagenden Motorrads."
- "Dieser hatte demnach nichts mit den eigentlichen Räubern zu tun?"
- "Das behauptete zumindest dieser Schwerverletzte, als die Polizei ihn und den toten Ganoven fanden. Der hat einfach den Geldsack mitgenommen und ist damit abgehauen".
- "Und man fand nicht heraus, wer das war?"
- "Nein, die Zeugen konnten sich nur an ein blaues Motorrad erinnern, zwar wurden alle Besitzer von blauen Motorrädern in der ganzen Umgebung besucht, alle ließen bereitwillig ihre Wohnungen durchsuchen, aber so blöd war natürlich keiner, die Geldscheinbündel unter das Kopfkissen zu legen, die liegen sicher irgendwo gut versteckt."
- "Aber ganz auszuschließen war es auch nicht, daß dieser Zweite doch ein Komplize war."
- "So ist es, das wurde nie weiter untersucht, denn dieser Zweite wurde ja nie identifiziert, die Suche nach ihm wurde irgendwann eingestellt."

Während die beiden Kreisstadt-Polizisten ihrem Gedankenaustausch frönten, wurde im Bundesgesundheitsministerium lautstark und kontrovers diskutiert. Es kam zu einem regelrechten Schlagabtausch, Minister Scham ließ die Wortverfechter gewähren, er selbst war kein guter Redner, so lehnte er sich lieber still zurück und hörte sich an, was seine Staatssekretäre und Referatsleiter alles zum Besten gaben. Neben den Regierungsbeamten waren auch namhafte Mediziner eingeladen, ihre Meinung kundzutun, Staatssekretär Doktor Unwohl bemühte sich redlich, leider nicht ganz erfolgreich, die Debatte auf einer sachlichen Auseinandersetzung zu halten.
Ein Beteiligter sagte: "Aus England hört man, daß der Krankheitsverlauf gar nicht so schlimm sein soll."
Ein anderer entgegnete prompt: "Nicht so schlimm? Nennen Sie das >nicht so schlimm<, wenn sich jemand vor lauter Juckreiz die Eier aufkratzt?"
Ersterer blökte zurück: "Er wird nicht daran sterben!"
- "Muß man erst sterben, um eine Krankheit als schlimm zu bezeichnen?" geiferte der andere zurück.
Jetzt donnerte Unwohl dazwischen: "Meine Herren, ich darf doch bitten, schlimm oder nicht so schlimm, es geht darum, die Ausbreitung dieses unheimlichen Virus' mit allen Mitteln zu verhindern".
Wieder ein Anderer aus der Runde schnappte prompt, kaum daß Unwohl den Satz vollendet hatte:
- "Mit allen Mitteln? Soll man die Erkrankten erschießen? Dann wär' das Problem gleich erledigt."
Eine Woge der Empörung schlug dem Redner mit seiner völlig unqualifizierten Bemerkung entgegen, und es dauerte mehrere Minuten, bis in dem kleinen Saal wieder einigermaßen Ruhe eingetreten war.
Doch der Wortführer gab nicht auf und fuhr fort: "Entschuldigen Sie bitte, das war sarkastisch, das habe ich natürlich nicht im Ernst gemeint, aber es ist doch wirklich was dran, wenn da so ein Ärmster auf völlig unbestimmte Zeit in die Quarantäne gesteckt wird, weil die Infektion durch körpereigene Abwehrkräfte nicht besiegt werden kann und medizinische Gegenmittel fehlen."
Minister Scham klatschte in die Hände, nach kurzer Zeit endete das Gemurmel und jeder in der Runde wandte sich ihm zu. Doch statt einer erwarteten kurzen Rede, was der oberste Chef zu der Sache zu sagen hätte, formulierte er mit viel Mühen einen kurzen Satz:
- "Es wird wohl sein, daß wir die Infizierten herauslassen müssen in den normalen Alltag".
Da nun nichts weiter kam, ergriff Unwohl das Wort zu einer Frage: "Meinen Sie damit, daß man die Menschen, nachdem man sie eindeutig als mit dem Virus infiziert getestet hat, einfach wieder hinaus in das Alltagsleben gehen läßt, wo sie dann beliebig viele weitere anstecken werden?"
Scham räusperte sich und setzte verlegen an: "Äh, ja, wir können sie ja nicht ewig einsperren, also wir brauchen Schutzmaßnahmen, daß sie dann keine anderen Leute anstecken."
- "An welche Schutzmaßnahmen denken Sie", warf jemand ein, "übertragen wird das Virus über Tröpfcheninfektion, wie damals beim Corona."
Ein anderer entgegnete: "Dann müssen halt die gleichen Gegenmaßnahmen wie damals her!"
- "Die billigen Stoffetzen, die sich die Leute vor den Mund geschnallt haben?"
Der Redner, der für Empörung gesorgt hatte, ergriff erneut das Wort: "Das mit den Stoffmasken war doch eher eine symbolische Maßnahme, Sie können das als psychologische Gegenwehr bezeichnen, wobei wir beim Placebo-Effekt wären. Meiner Meinung nach war das mit den einfachen Stoffmasken ein solidarischer Akt, die meisten haben mitgemacht, um ein Zeichen zu setzen, in der Gemeinschaft einzustehen, in dem Gefühl, das Virus damit aktiv zu bekämpfen."

Nun trat erstmals während der hitzigen Debatte eine Stille ein. Schließlich unterbrach sie Unwohl:
- "Mir ist jetzt Folgendes klar geworden, bitte unterbrechen Sie mich jetzt nicht, damit ich mich auf das zu Sagende konzentrieren kann! Also zum ersten muß ich Herrn Minister Scham Recht gegen, wir können die Infizierten nicht beliebig lang in Quarantäne halten, ganz gleich, wie diese auch aussehen möge. Wir benötigen folglich geeignete Schutzmaßnahmen, um die Verbreitung der Infektion wirksam zu verhindern. Wenn die einfachen Stoffmasken nicht ausreichen, müssen eben die wirklich gasdichten Gasmasken her, wie das bereits neulich in der Kanzlerrunde besprochen wurde und sogar als unabkehrbarer Beschluß gefaßt wurde."
- "Und wie soll das gewährleistet werden, daß die Betroffenen die Maske dann wirklich tragen?", fragte jemand nach.
"Das ist eine berechtigte Frage", entgegnete Unwohl, "mir ist bei dem Gedanken tatsächlich unwohl, daß die Betroffenen zu ihrer Plage auch noch die schwere Gasmaske tragen sollen, zum Spott der Gesunden, die sich gar einen Spaß daran machen, die Armen mit ihrer Maske, schwer schnaufend, belustigt anzugaffen."
- "Wurde denn diese Tragepflicht-Problematik im Kanzleramt nicht angesprochen?", wollte jemand wissen.
- "Die Details sollen in den Arbeitskreisen der einzelnen Ministerien ausgearbeitet werden, somit müßten wir uns hier eigentlich nicht damit befassen, wie wir das Tragen der Masken für die Infizierten verpflichtend durchsetzen können", meinte Unwohl. Nach einer kurzen Pause fuhr er fort:
- "Da soll eine eigene polizeiähnliche Schutzmannschaft aufgestellt werden, die speziell das Maskentragen beaufsichtigt. Wie das gehen soll, kann ich mir nicht vorstellen, aber das ist jetzt nicht unsere Sorge. Wir sollten uns um die medizinischen Gesichtspunkte der Maßnahmen sorgen."
Wieder ergriff der Redner das Wort, der zwar anfangs für Empörung sorgte, indes zunehmend als ernstzunehmender Gesprächspartner anerkannt worden war, auf dessen kritische Einwände hin zum Kern der Sache vorgedrungen wurde:
- "Was halten Sie davon, allen eine Maske zu verpassen, also den einen, um die anderen nicht anzustecken, den anderen, um nicht von ersteren angesteckt zu werden?"
Ein Gemurmel erhob sich in dem Raum, bis sich Scham nicht dafür schämte, stotternd das Wort zu ergreifen, nicht ohne seinem vorausgehenden typischen Händeklatschen, um sich Gehör zu verschaffen:
- "Sie meinen also, die Infizierten kriegen ein Filter wo sie beim Ausatmen den Virus im Filter zurückhalten, und die Nichtinfizierten müssen beim Einatmen durch ein Filter einatmen, damit sie beim Einatmen also nicht die vielleicht mit den Viren voller Luft, also die Luft voller Viren, einatmen."
~ 'Wie konnte der nur Bundesminister werden', dachte sich Unwohl und mit ihm wohl so mancher unter den Anwesenden, 'der ist ja nicht einmal Mediziner, reiner Politiker, und schafft es nicht, einen einfachen Satz zu formulieren.'
Nachdem niemand Schams Ausführungen kommentiert hatte, wandte dieser sich nochmals in die Runde:
- "Also was halten Sie von dem Vorschlag mit den zwei Masken, für alle eine".
Nun meldete sich der Sprecher des Ministeriums zu Wort: "In der Tat halte ich das für einen gangbaren Weg, eine Art Gleichberechtigung zwischen Gesunden und Erkrankten herzustellen. Auch die Frage der Überwachung wäre damit einfach, wenn jeder eine Maske tragen muß."
Nun platze wieder der Provokant in die Runde: "Können Sie sich vorstellen, daß jeder von uns hier sitzt mit der Gummifotz` vor dem Maul und wir uns durch das Gummi anblöken? Wie skurril ist denn so was, beim Barras haben wir als Rekruten solche Späßchen gemacht, es war richtig affengeil gewesen!"
- "Mäßigen Sie sich in der Wortwahl", entrüstete sich Unwohl, "wir sind hier nicht im Wirtshaus".
Jetzt entgegnete Scham in Person, indem er kurz die Hand hob als Zeichen, daß eine Chefansage käme:
- "Mir gefällt Ihre Wortwahl auch nicht, aber Sie haben Recht, manchmal braucht es derbe Worte, die aufrütteln und uns den ganzen Wahnsinn vor Augen führen, wie einen Spiegel, wie das dann alles sein könnte, mit Gasmasken dasitzen und diskutieren, oder draußen die Leute, wenn sie arbeiten müssen, das geht doch eigentlich gar nicht. Aber was anders fallt mir auch nicht ein."
Nach einem Moment der Stille meldete sich ein Redner zu Wort, der bislang noch nichts gesagt hat:
"Man müßte zweifarbige Filter einführen, die einen grün für gesund, die anderen rot für krank, als Zeichen für Gefahr, die von dem Träger ausgeht. Freilich wäre das eine Art Stigmatisierung, wie es schon in der Bibel steht von den Aussätzigen, Moses verfügte: >Solange das Übel besteht, bleibt er unrein; er ist unrein. Er soll abgesondert wohnen, außerhalb des Lagers soll er sich aufhalten.<"
Ein anderer ergänzte: "Da gab es doch sogar so Warnglocken oder Warnklappern, mit denen der Aussätzige die Gesunden waren mußte, damit diese Abstand hielten, oder sie mußten >unrein, unrein!< rufen.“
Dann meldete sich ein Virologe zu Wort: "Was bisher noch nicht angesprochen wurde und was auch damals bei dem Corona-Virus meiner Erinnerung nicht erkannt wurde ist die Tatsache, daß sich das Virus außerhalb der menschlichen Atemwege nur sehr kurz, sowohl räumlich, als auch zeitlich, aufhält. Somit besteht in geschlossenen Räumen, also überhaupt in Räumen, in denen es trocken ist, so gut wie gar kein Infektionsrisiko. Ganz anders ist die Situation draußen im Freien: Wenn die Luftfeuchtigkeit hoch ist und überhaupt draußen im Wald zum Beispiel ständig, bei Regen, an Gewässern, da hält sich das Virus lange Zeit und bleibt ansteckend. In Räumen aber nicht und auch nicht bei Trockenheit, also beispielsweise tagsüber an heißen Tagen auf den Straßen unserer Städte."
"Das ist ein ganz neuer Aspekt", gab Unwohl zur Antwort, doch wollte er diese Aussage durch weitere Meinungen untermauert sehen: "Weiß dazu sonst noch jemand was zu sagen?"
Ein anderer Mediziner bekräftigte die Aussage des Vorredners und ergänzte: "Wie schon gesagt wurde, war das gesamte Maskentragen bei dem Corona-Virus meiner Meinung nach nur ein politisches Machtspiel, ein Test, wie weit sie die Bevölkerung steuern können, etwas zu tun, um damit vermeintlich etwas gegen den Virus zu unternehmen. Im Feuchten ja, da wären die Gasmasken wohl hilfreich, in beiden Richtungen, aber im Trockenen braucht man keine Angst haben."
Ein Raunen ging durch den Saal, als ob es sich um ein Aufatmen handelte, nachdem die beiden gleichlautenden Meinungen zur Übertragbarkeit eine gewissen Hoffnung gaben, daß das maskenlose Miteinander in Räumen weiter möglich sei, auch an warmen Tagen draußen. Somit könnte man weiterhin zusammen plaudern, essen, spazierengehen.
- "Da werden sich die Wirtsleute freuen", warf ein Schlaumeier ein, "aber wie sieht es bei den Frisören aus, dürfen die dann nur Trockenschnitt durchführen? Und in den Kirchen, wenn das Weihwasser verspritzt wird?"
- "Lassen Sie den Zynismus", tadelte Minister Scham den provozieren-den Schlaumeier, "seien wir froh, daß wir jetzt doch einen kleinen Schritt weiter sind."
Unwohl meldete sich zu Wort und führte aus: "Darf ich zusammenfassen: Wir werden aus medizinischer Sicht empfehlen, Masken mit Ansaug- und Ausblasfilter verpflichtend für alle einzuführen, die in feuchten Gebieten getragen werden müssen. Ich denke, für heute machen wir hier vorerst einmal einen Schlußpunkt, immerhin sind wir zu einem Ergebnis gekommen, als zukünftige Themenschwerpunkte müssen wir uns unterhalten, wie wir die Reihenuntersuchungen durchführen, erstmalig und dann wiederkehrend, und wie wir vermeiden können, daß Menschen absichtlich oder unabsichtlich die falsche Maske nehmen, um sich zum Beispiel in einer Gruppe nicht ausgegrenzt zu fühlen."
- "Ich dachte, daß alle durch die Maske keuchen müssen, wenn es feucht wird", entgegnete der Schlaumeier, der sich bereits eine Rüge eingehandelt hatte.
- "Ja aber der Aussätzige hat einen roten Schnorchel vor der Gosche, der Reine einen grünen", belehrte der mit seinen provozierenden Bemerkungen bekannt gewordene Wortführer höhnend. Scham klatschte daraufhin in die Hände und verkündete:
- "Also bevor wir jetzt handgreiflich noch werden, beenden wir die Sache, ich danke Ihnen für ihr Kommen, und dann treffen wir uns bald wieder, wie wir das mit der Kontrolle machen, vielleicht könnten wir damit auch gleich das HIV-Virus mit den Pflichtuntersuchungen in den Griff kriegen, denn das Virus breitet sich ja in letzter Zeit wieder stärker aus!"

Hauptkommissar Brause wählte in seinem kleinen Dienstzimmer die Nummer der GÜL in Näherdorf, die >Gülle<, wie die Zentralstelle polizeiintern genannt wurde, sie meldeten keine Vorkommnisse für den Bereich Lüggen.



26. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von Ihr_joe am 30.07.21 21:51

Zitat

Liebe Leser, wie findet ihr die Darstellung mit den unbegrenzt-langen Zeilen? Schreibt euere Meinung dazu, ich hoffe, ihr findet weiterhin Gefallen an der Geschichte, Magnus.


Na dann schreib ich mal Dankeschön,
Jetzt hörten die unbegrenzt langen Zeilen, dort auf, wo sie sollen, an deren Ende.

Noch einmal Danke für die Geschichte.

Ihr_joe


27. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von folssom am 01.08.21 23:48

Hallo M A G N U S,

ich lese auch weiterhin deine kurzweilige Geschichte sehr gern.

Die anfängliche Formatierung würde ich jedoch bevorzugen.

mfG
28. RE: Formatierung...

geschrieben von M A G N U S am 04.08.21 13:03

"lese auch weiterhin deine kurzweilige Geschichte sehr gern."

Das freut mich sehr, obschon ich selber im Rückblick dazu neige, die ganze Geschichte als recht schwerfällig zu betrachten, wie bei einem alten Roman.

Mein Schwiegersohn zeigte mir, daß man durch "Klicken" auf die beiden übereinander liegenden Rechtecke den Bildschirmausschnitt verkleinern und anschließend den Rand des "Fensters" mit der Maus nach links oder rechts bewegen kann, was zur Folge hat, daß die Zeilen kürzer und die Texte dadurch leichter lesbar werden. Die Verschmälerung der Fensteransicht hat indes seine Grenzen, treibt man die Einschnürung zu eng, werden die Zeilen nicht mehr automatisch umgebrochen, sondern abgeschnitten.

Somit möchte ich Dich, Sarah, bitten, diese Betrachtungsweise auf deinem Bildschirm auszuprobieren.

Es ist schon wieder Mittwoch, die Zeit rast dahin, übermorgen kommt die nächste Fortsetzung, bis dahin alles Gute!

- M a g n u s. -
29. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 06.08.21 19:10

13

Die Vögel zwitscherten an diesem Sonntag in aller Frühe dermaßen laut, daß Gangolf sich überwand aufzustehen, um das gekippte Fenster des Schlafzimmers zu schließen. Schläfrig warf er kurz einen Blick auf den Sternenhimmel, bevor er den Vorhang wieder schloß, den er einen spaltbreit zurückgeschoben hatte, um an den Fenstergriff zu gelangen.
Eigentlich hätte Gangolf sich beliebig lang ausschlafen können, denn an diesem Sonntag hatte er keinen Orgeldienst. Er legte sich wieder nieder, doch wollte sich kein richtiger Schlaf mehr einstellen. So döste er in einer wohligen Müdigkeit vor sich hin, bis er dann doch einen Blick auf sein Smartphone warf, um die Uhrzeit festzustellen.
Es war kurz vor sechs Uhr, um diese Uhrzeit herum pflegte er üblicherweise stets ohne Wecker aufzuwachen. Trotz seiner Schläfrigkeit verspürte Gangolf eine unerklärliche Unruhe, als ob etwas ganz Besonderes ihn an diesem Tag erwarten würde. Wie sich zeigen sollte, lag er mit diesem Gefühl richtig, und so gab er sich einen Ruck und erhob sich nochmals aus den Federn, diesmal, um endgültig aufzustehen und sich dem Kommenden zu stellen.
Immerhin hatte Gangolf heute Vormittag um elf Uhr wieder einmal einen Termin an der Eisdiele, wieder einmal mit dieser ominösen Dame, vor Wochen war sie die unnahbare Lady M., jetzt die zuckersüße Madam Weiß.

'Wenn ich mich beeile, könnte ich wieder einmal einen Sonnenaufgang über dem See erleben’, kam es Gangolf durch den Sinn. Da es an diesem fünften April nach der sternenklaren Nacht recht frisch sein dürfte, nahm Gangolf diesmal nicht sein Neopren-Shorty aus dem Schrank, sondern den >Long John<-Neoprenanzug, vertauschte diesen mit seinem Schlafgewand und streifte sich darüber eine warme Kapuzenwollweste. Sollte es ihm beim Rudern zu warm werden, konnte er den Reißverschluß dieser Weste leicht öffnen, um so die kühle Luft von vorne zu seinem Oberkörper streichen lassen.
Gangolf nahm schnell einen Schluck Wasser, bevor er in den Schuppen hinübereilte, um sein geliebtes schnelles Kajak herauszuholen. Nachdem er es in’s Wasser gesetzt hatte, klemmte er sich vorsichtig in die enge Luke und setzte sich mit seinem Pfeil in Bewegung. Als er nach wenigen Metern aus dem den Kanal säumenden Bruchwald auf die weite Seefläche hinauskam, wurde es im Osten bereits dämmerig. Während er mit schnellen Ruderschlägen nördlich der Insel nach Westen paddelte, wurde es immer heller. Nach etwa einem Kilometer blickte er auf die Uhr, es war dreiviertel Sieben. Er beschloß, jetzt zu wenden, um beim Zurückpaddeln den bald zu erwartenden Sonnenaufgang beobachten zu können.

Tatsächlich schimmerte wenige Minuten später das Licht gespenstisch durch die Baumstämme am Ufersaum, bis der rotglühende Feuerball sich majestätisch über den Wipfeln erhob, begleitet von schmalen Wolkenschlieren. Gangolf hörte mit dem Rudern auf, ließ das Paddel quer vor sich auf der Luke ruhen und betrachtete schier andachtsvoll das Naturschauspiel. Schnell verfärbte sich das Rot in ein gleißendes Gelb, die Intensität nahm stark zu, so daß er selbst mit zu einem Schlitz geschlossenen Augenlidern nicht mehr in das Sonnenlicht blicken konnte.

Gangolf wendete sein Kajak Richtung Süden und umrundete seine Insel. Im Süden war die Insel nur wenige Meter weit von dem Land getrennt, an dieser Stelle lag das Dörflein Röthen. Nachdem er die Insel umrundet hatte und wieder nordwärts in den Kanal einbog, freute er sich auf ein gutes Frühstück. Noch im Neoprenanzug steckend betätigte er Kaffeemaschine, Eierkocher und Toaster, auf diese Weise konnte er, nachdem er sich umgezogen hatte, unverzüglich mit dem Frühstücken beginnen.

An diesem Sonntag wollte Gangolf wieder einmal einen katholischen Gottesdienst besuchen. Er informierte sich im Internet, daß in Lüggen ausnahmsweise nach längerer Zeit ein richtiger Priester die Messe lesen würde. Das kam in den letzten Jahren nur noch selten vor, denn der Beruf des Priesters war in Nord- und Ostdeutschland so gut wie ausgestorben.
Den Priestern war es immer noch untersagt zu heiraten. Kaum vertraute sich ein Priester seinem Bischof an, daß er eine Frau liebe, war es mit seinem Priesteramt vorbei, mehr noch, meist wurden ihm sämtliche Ämter genommen, so auch den Schulunterricht, und der Mann stand dann buchstäblich auf der Straße, des Pfarrhauses verwiesen, ohne finanzielle Unterstützung von Seite der Kirche. Gangolf kannte einen Organisten-Kollegen, der auf diese Weise zu einem ehemaligen Priester wurde, immerhin erlaubte ihm die Ortsgemeinde, die Orgel zu spielen, nach dem Kirchenrecht dürfte er selbst das nicht mehr tun.
Umgekehrt munkelte man hinter vorgehaltener Hand, daß fast ein jeder Priester im Laufe seines Lebens einmal bei einer Frau war, solange darüber nichts bekannt wurde, blieb das ohne Folgen; ein drastischer Widerspruch zur Wahrhaftigkeit, jenem Gebot, das seit Moses in einem Atemzug mit der Keuschheit genannt wurde.
Die Kirchenleitung geht pragmatisch vor: Anstelle der von Priestern gelesenen Heiligen Messen gab es fast nur noch sogenannte >Wort Gottes-Feiern<, die von Laien gehalten wurden, von >Ungeweihten<, im Grunde genommen begab man sich auf die Ebene eines evangelischen Gottesdienstes, nur mit dem qualitativen Unterschied, daß die katholischen Laien zwar manchmal, doch eher selten Theologie studiert hatten.
Mit diesen Gedanken betrat Gangolf die Trinitatis-Kirche in Lüggen, ihn interessierte neben dem eigentlichen Gottesdienst, wie seine Organistenkollegen spielten, wie sie mit den Vorspielen auf die Choräle einstimmten, welche Orgelstücke nach dem Ende des Gottesdienstes erklangen.

Der Gottesdienst begann mit einem Paukenschlag: Ein alter Mann hinkte aus der Sakristei in die Kirche, mit dem rechten Arm auf einen Stecken gestützt, die linke Hand an dem Arm des Meßdieners geklammert. Plötzlich gab es einen markerschütternden Schlag, es hallte im gesamten Kirchenraum, erschrocken wandten sich die Gottesdienstbesucher um, die Orgel verstummte.

Der gebrechliche Priester stieß an das an einer schmalen Stange befestigte Mikrophon und riß es nieder; als es mitsamt der Stange umfiel und auf den Boden aufschlug, übertrug sich dieser Aufprall über die Lautsprecheranlage in Form eines ohrenbetäubenden Knalls. Immerhin erfaßte der Meßdiener rasch die Situation, und um zu verhindern, daß Hochwürden über das am Boden liegende Gestänge stolperte, kickte er es elegant auf die Seite, während sich der alte Priester vor Schreck gleich noch fester mit der linken Hand an ihn klammerte.

Durch das Wegstoßen des Mikrophons kam es zu einem Art Trommelwirbel, angstvoll rief der alte Mann, ob denn die Kirche einstürzte. Doch der Ministrant beruhigte ihn mit der Nachricht, daß nur das Mikrophon umgefallen sei. Der Organist setzte sein Vorspiel fort, der Priester ließ sich zu dem breiten Sessel führen, der seitlich des Altars aufgestellt war, und ließ sich mit einem Seufzer darauf niederplumpsen.

‚Was haben die denn da für einen Opa ausgegraben’, dachte sich Gangolf, dann bemerkte er, daß der gute Mann anscheinend schwer sehbehindert war, denn er ließ der Lektorin nicht nur die Epistel lesen, sondern sogar das Evangelium, ein Privileg, das bei Anwesenheit eines Priesters nur dieser inne hatte. Zuvor hatte die Lektorin auch das Tagesgebet gesprochen, das sonst ebenso nur der Priester sprechen durfte.
Dann wurde es interessant: Was würde uns dieser Seh- und Gehbehinderte predigen? Der alte Mann unternahm keine Anstalten, sich zu erheben, sondern gab dem Meßdiener ein Zeichen, den Mikrophongalgen, den er beim Einzug umgeworfen hatte, vor ihm aufzustellen. Der Priester drückte den >Schwanenhals< so weit es möglich war nach unten und begann im Sitzen mit der Predigt.
Er verwendete dabei keine Aufzeichnungen, sondern sprach vollkommen frei. Gangolf war von seiner klaren hellen Stimme überrascht, er sprach langsam, dadurch war seine Ansprache gut verständlich.

- „Liebe Christen, wahrscheinlich sind Sie enttäuscht, heute anstelle eines jugendlichen Predigers einen alten Mann zu hören. Immerhin birgt das Alter auch Vorteile: Man kann zurückschauen auf gute Zeiten, auf schlechte Zeiten, und schlechte Zeiten hatte ich vor allem in meiner Kindheit, als ich fünfjährig das Kriegsende in Berlin erlebte. Als ich neulich im Fernsehen die Bilder sah, wie in Venedig ein Palast eingestürzt ist, wurde ich unwillkürlich an die Szenen in Berlin erinnert, 1945, als reihenweise die Häuser durch die Bomben zum Einsturz gebracht wurden, und wo wir als Kinder dann über die Schuttberge gestiegen sind, um aus ihnen etwas Brauchbares herauszuzerren. Dabei waren uns die Größeren natürlich immer überlegen und ich war schon mächtig stolz, meiner Mutter ein paar Holztrümmer zum Heizen gebracht zu haben.
Aber darauf will ich gar nicht näher eingehen, viel interessanter, ja viel wichtiger erscheint mir die Verinnerlichung des Textes, den wir soeben in der Lesung im Korinther-Brief gehört haben, das Hohe Lied der Liebe. Erinnern Sie sich noch, wie das begann:

>Wenn ich mit Menschen- und mit Engelszungen reden würde und hätte die Liebe nicht, so wäre ich ein tönendes Erz.<

Nun ja, mit Engelszungen würde ich wohl nie reden, ich krächze höchstens mit meiner menschlichen angegriffenen Kehle herum, aber, und jetzt kommt das Entscheidende: Wenn ich dabei die Liebe nicht hätte, dann wäre das Reden vergebens, >wie tönendes Erz<, also vielleicht wie eine Glocke, aber die Glocke kann nur ihren einen Ton erzeugen, nicht im Klingen die Liebe übertragen, welche die Herzen der Zuhörer bewegt. Paulus bringt in weiteren Versen, wie wichtig bei allem menschlichen Tun und Handeln es ist, daß die Liebe dabei mitwirkt, ohne ihr Mitwirken bleibt alles nichtig, ich würde einmal sagen, es bleibt alles oberflächlich.“

In diesem Sinne sprach der alte Mann noch eine Weile weiter, bis er sich entschieden an die Gemeinde wandte:
„Und nun möchte ich mit Ihnen ein Experiment wagen, eine Bitte an Sie aussprechen für etwas, worum ich bislang noch nie gebeten habe, aber vielleicht ist es wirklich so, daß man für gewisse Dinge des Lebens alt werden muß, um weise zu werden, und deshalb fordere ich Sie nun auf, so wie Sie hier sind, sich gegenseitig diese Liebe zu zeigen. Stehen Sie auf, begegnen Sie ihren Banknachbarn, umarmen Sie ihn, vielleicht wagen ganz Mutige gar, sich zu küssen.
Ich kann das ja aus der Ferne nicht mehr erkennen, mein Augenlicht hat zu stark nachgelassen, als daß ich ihre Liebesbezeugungen sehen könnte, aber ich möchte Sie doch ganz herzlich bitten, erfüllen Sie mir diesen einen Wunsch!“

Die Gottesdienstbesucher sahen sich verwundert an: ‚Was will der Alte da, daß wir aufeinander zugehen und uns umarmen, gar küssen?’
Nach einer Weile überwanden sich die ersten Besucher, die als Paar gekommen sind und ohnehin nebeneinander saßen, sich einander zuzuwenden, sich zu umarmen und auch zu küssen. Angeregt durch dieses Tun standen darnach auch Einzelne auf, gingen zu ihrem Banknachbarn, zu ihrer Nachbarin, oder sie drehten sich um zu den hinter ihnen Sitzenden, umarmten sie als Zeichen der Liebeserweisung.

‚Warum eigentlich nicht,’ setzte sich die Meinung mehr und mehr durch, ‚warum immer nur zum Friedensgruß sich die Hand reichen; der alte Priester wandte sich nach links um und umarmte den neben ihn sitzenden Ministranten, dann kam die Lektorin die zwei Stufen zum Altarraum hinauf, setzte sich auf den leeren Stuhl neben den Priester, umarmte ihn gleichfalls – und gab ihm einen ganz tiefen, langanhaltenden Kuß.

Tief bewegt kamen dem alten Mann die Tränen, die Gottesdienstbesucher sahen dabei gerührt zu. Nach einer Weile erhob der Priester wieder seine Stimme:
- „Ich danke Ihnen allen, mir diesen Herzenswunsch erfüllt zu haben, ich konnte Sie nicht sehen, wie Sie im Einzelnen diese Liebesbezeugung durchgeführt haben, aber ich habe es gespürt, hier ist die Liebe des Heiligen Geistes unter uns wirksam. Mir ist schon klar, daß es im Urtext der Heiligen Schriften vielerlei differenziertere Ausdrucksweisen dafür gibt, was wir im Deutschen einfach mit Liebe bezeichnen, natürlich spricht Paulus in diesem Zusammenhang nicht von der erotischen Liebe, davon könnte ich ja auch gar nichts sagen, denn die sexuelle Liebe ist uns Priestern ja versagt. Und da brauchen sich die Kirchenoberen nicht wundern, daß es kaum mehr junge Priester gibt. Wissen Sie, zu meiner Zeit war das vermutlich noch eine andere Sache, mit heute nicht mehr vergleichbar:

Wir waren als Schüler froh, in das bischöfliche Internat zu kommen, denn die Eltern hätten ja nie die Kosten für ein weltliches Internat aufbringen können, damals, nach dem Krieg, mein Gott, und dann war der Weg im Grunde fast automatisch geebnet, viele andere aus der Klasse kamen anschließend mit mir in das Priesterseminar. Auf diese Weise war uns der Militärdienst erspart geblieben, denn wir wären damals als junge Männer gleich mit die ersten Jahrgänge gewesen, die wieder hätten den Krieg üben müssen.

Mein Gott, kaum die totale Niederlage verschmerzt, ging das schon wieder los mit dem Militarismus. Ja, ach so, ich muß aufpassen, mich nicht zu verzetteln, was ich sagen wollte, da im Priesterseminar, da waren wir junge Männer im Grunde vollkommen abgeschirmt vom Leben draußen in der Stadt. Freilich durften wir die Eltern besuchen, aber die üblichen Lustbarkeiten, da war wenig los, wir hatten ja schon praktisch gar kein Geld dafür.
Und auf diese Weise blieb uns als angehende Priester die Sache mit der Liebe fremd, mit der Liebe zu den jungen Frauen, das haben wir damals wohl irgendwie gepackt, ohne deshalb schwul geworden zu sein, es war halt einfach so, ohne das groß zu hinterfragen und zu thematisieren. Doch bleiben wir bei Paulus: Die Liebe, die er der Gemeinde in Korinth anempfiehlt, ist die Liebe des Herzens, daß man alles menschliche Tun und Reden im Geiste des Wohlwollens verrichtet, nicht des Müssens, weil man zum Beispiel Arzt ist und deshalb einem Menschen hilft, weil man das aus beruflichen Gründen tun muß, sondern entscheidend ist, daß man es gern tut, weil man den Patienten liebt.

Das ist freilich ein schwere Anforderung, und man kann nicht immer alle Menschen lieben. Auch ich habe und hatte in meinem langen Leben meine Probleme damit. Und wenn ich mich dann besonnen habe, kam mir der letzte Vers in den Sinn:
>Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei, aber die Liebe ist die Größte unter ihnen<.

Die Worte dieses alten Mannes machten Gangolf betroffen, er überlegte, daß dieser, wenn er fünfjährig das Kriegsende erlebt hatte, jetzt 90 Jahre alt sein muß, und dabei war er so wach im Geist, so klar in seiner Ausdrucksweise, wenn auch die Worte langsam über seine Lippen kamen. Vielleicht war es aber gerade diese Langsamheit, überlegte Gangolf weiter, welche die Worte so eindringlich in das Bewußtsein des Zuhörers eindringen ließ.
Wie oft hatte Gangolf das gegenteilige Gefühl empfangen, daß der Prediger, so gut auch der Inhalt war, mit monotoner und hastiger Redeweise das Gehör und damit die Aufnahmefähigkeit bereits nach kurzer Zeit überforderte.

Und dann war Gangolf natürlich noch ganz gerührt, daß sich die junge Frau mit den langen blonden Haaren, die sie über die Banklehne nach hinten fallen ließ, zu ihm umdrehte und ihn küßte.

Es sollte an diesem Tag nicht die einzige Frau sein, die ihm einen Kuß gab...


30. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 13.08.21 22:18

Und schon wieder ist es Freitag-Abend, Zeit für die nächste Episode!

14

Als Gangolf an diesem Sonntag von der Kirche mit seinem Golf nach Hause fuhr, verursachte er, im Gedanken versunken, beinahe einen Verkehrsunfall. Nachdem er in den letzten Tagen nur noch mit dem Motorrad unterwegs gewesen war, kamen ihm die Fahrstreifen beim Autofahren sehr eng vor, so daß er in einer Rechtskurve etwas über die Mittellinie hinaus geriet. Glücklicherweise reagierte der entgegenkommende Fahrer mit einer Notbremsung und einem langanhaltendem Dauerhupton.
Gangolf riß ruckartig am Lenkrad nach rechts, prompt kam das Auto in’s Schlingern, und er hatte alle Mühe, einen Zusammenstoß zu verhindern; der Entgegenkommende quittierte das Ende des Strafhupens mit dem Vogel-Zeichen auf die Stirn, anschließend gab er kopfschüttelnd Gas und brauste davon, während Gangolf mit leicht pochendem Herzen und Schweißperlen mit deutlich reduzierter Geschwindigkeit seinen Weg fortsetzte.
Zuhause angekommen nahm sich Gangolf erst einmal etwas zu trinken und setzte sich, immer noch leicht benommen unter dem Eindruck des gerade noch entgangenem Unfalls. Nicht im geringsten hätte er sich gedacht, daß er nur eine Stunde später erneut knapp einem Unfall entkommen würde, der noch wesentlich verheerendere Folgen für ihn und für eine andere gehabt hätte.
Eigentlich ist Gangolf die Lust an dem Treffen mit der mysteriösen Martina Weiß ziemlich vergangen, doch es war sein Grundsatz, einen einmal zugesagten Termin nicht ohne wirklich sehr triftigen Gründen abzusagen. Schon während der Messe überlegte er sich, ob er nicht nach dem Ende des Gottesdienstes der jungen Frau mit den langen blonden Haaren folgen sollte, die ihm so überraschenderweise einen Kuß verpaßte, als der alte Priester während seiner komischen Liebes-Predigt aufgefordert hatte, den Banknachbarn eine Liebesbezeugung zu erweisen.

Gedankenverloren blickte Gangolf auf die Uhr und stellte erschrocken fest, daß er sich jetzt aber beeilen müsse, um rechtzeitig um elf Uhr in der Eisdiele von Grausneg zu sein. Er holte seine Lederkombi aus dem Schrank, zog sich die Hose über die Beine und zwängte sich in die Jacke. Diese war zwar längst nicht so eng wie das Neopren-Oberteil, das er meistens zum Kajakfahren anzog, doch ihr speziell für das Sitzen auf dem Motorrad ausgelegte Schnitt nötigte den Träger, die Arme leicht nach vorne gedreht zu halten.
Mit dem Taillen-Reißverschluß verband Gangolf die Jacke mit der Hose und betrachtete sich vor dem Spiegel im Flur. Die Kniehöhlen waren stark ausgebeult, im Stehen rutschten sie mitsamt den eingearbeiteten Protektoren über die Knie hinunter auf das Schienbein, erst beim Sitzen saßen die Protektoren dann einigermaßen richtig auf den Knien. Überhaupt hatte Gangolf das Gefühl, daß das Leder an vielen Stellen ausgedehnt an seinem schlanken Körper herumhang, beim Sitzen auf dem Motorrad fiel das nicht so auf.
Sehr ärgerlich empfand Gangolf auch die besonders an der Vorderseite der Jacke ausgeblichene Farbe. Ursprünglich waren hier dunkelblaue Streifen im gleichen Farbton des Motorrads, Fahrer und Maschine bildeten eine Einheit: Neben der farblich abgestimmten Lederkombi ergänzten die schwarz-weiß-blau gefärbten Handschuhe, die schwarz-blauen Stiefel und der blau-weiße Helm die Zughörigkeit des Fahrers zu der blau-weiß lackierten Yamaha R1.
Gangolf besah sich nochmals im Spiegel und schüttelte den Kopf: Nein, so wollte er sich nicht der Dame präsentieren, mit dieser verwaschenen, abgelederten Kluft. Zudem waren sie heute nicht verabredet, um eine Motorradtour zu starten, sondern um die Lösung eines seltsamen technischen Problems zu besprechen. Er schälte sich wieder aus dem Leder, warf es in eine Ecke und zog sich eine neue Jeans an, dazu ein Kapuzen-Shirt.
Als Gangolf sich mit seiner Yamaha auf der Bundesstraße befand und entsprechend schneller fahren konnte, bemerkte er, daß es recht frisch war an diesem Vormittag des fünften April. Die Klimaerwärmung ist noch nicht so weit fortgeschritten, daß bereits sommerliche Temperaturen herrschten, und er überlegte nochmals umzukehren, um statt des einfachen Kapuzen-Shirts die Lederjacke anzuziehen. Andererseits war er schon spät daran, es war fünf vor elf und es lagen noch fast zehn Kilometer zu fahren vor ihm.

Gangolf drosselte die Geschwindigkeit, damit es ihm nicht zu kühl wurde, ihn freute das Gefühl der wiedererlangten Freiheit, besonders bezüglich des großen Freiraums, den er im Gegensatz zum Autofahren rechts bis zum Fahrbandrand und links bis zum Mittelstreifen ausnutzen konnte. Als er auf die Hauptstraße von Grausneg kam, sah er schon von Weitem den Lada auf der anderen Straßenseite stehen. Vor der Eisdiele legte er in Angeber-Manier ein scharfes Bremsmanöver hin, er genoß die Vorstellung, wie die Gäste ihre Blicke auf ihn richteten. Er hätte nicht gedacht, daß dieses Bremsmanöver eine gute Vorübung werden sollte für den Ernstfall...

Entgegen seiner Gewohnheit, den Helm an dem Motorrad festzumachen, nahm Gangolf ihn diesmal mit. Lässigen Schrittes betrat er den Platz mit den Tischchen vor der Eisdiele, an denen sich bereits etliche Gäste niedergelassen hatten. Sofort erkannte er Martina, wie sie allein an einem der Tischchen saß, sie winkte ihm heftig zu, denn sie war sich nicht sicher, ob Gangolf sie wiedererkannt hat, nachdem sie neulich, ohne ihn eines Blickes zu würdigen, schnellen Schrittes an ihm im Vorgarten des Lüggener Pfarrhauses vorbeiwetzte.

- „Martina Weiß“, stellte sie sich vor und wollte bereits aufstehen, um Gangolf zu begrüßen. Doch der entgegnete schnell:
- „Gangolf Stumpf, bleiben Sie sitzen!“
Sitzend gaben sie sich die Hände und setzten dazu ein Lächeln auf. Keiner von beiden wußte, wie sie die Konversation beginnen sollten, doch Giuseppe, der stets aufmerksame Eiskellner, rettete die Situation, indem er zu ihnen kam:
- „Ah, da habt ihr euch heute also doch gefunden, letztes Mal warst du einfach zu spät, also was wollt ihr haben?“
Martina blickte ihn etwas irritiert an, bestellte einen Früchteeisbecher mit einem Espresso, während Gangolf einen Schokoeisbecher mit Cappuccino orderte. Als Giuseppe gegangen war, um die Bestellung auf den Weg zu bringen, blickte Martina Gangolf mit großen Augen an und fragte:
- „Sag’ mal, bist du der M a g n u s ?“
Das Eis schien gebrochen zu sein, Gangolf gab zu, diesen Namen zu bevorzugen und sich mit ihm auszugeben, da er seinen richtigen nicht so mochte. Das Heimlichtun-Spiel war damit beendet, ehe es richtig begann. Gangolf vermeinte, ein leichtes Schuldgefühl in Martinas Stimme zu verspüren, als diese anhub:
- „Also neulich war ich etwas im Streß, ich konnte nicht länger hier warten, eigentlich hat mir der Termin gar nicht gepaßt, entschuldige bitte, ich hätte dir das sagen sollen.“

‚Ja, das hättest du’, dachte sich Gangolf, ‚doch ich glaube nicht, daß du wirklich fort mußtest, es war eher deine Arroganz und Dominanz, du wolltest absolut deine Terminvorstellung durchsetzen; wie hieß es in der knappen E-Mail-Nachricht: Sonntag 10 Uhr und sei pünktlich, sonst kommst du von Liste.’
Offenbar wurde er tatsächlich von der Liste gestrichen, dachte sich Gangolf weiter, anscheinend führte sie eine Liste, auf der sie gnädig alle in Frage kommenden Motorradfahrer notierte und bei Nichtgefallen wieder strich. Doch er sagte nichts, er ließ sich nichts anmerken, daß er ihr diesen plumpen Entschuldigungsgrund nicht abnahm. Vielmehr wiegelte er ab:
- „Egal jetzt, schön, daß wir uns heute getroffen haben!“
- „Kommst du wieder von der Kirche?“ fragte Martina.

‚Woher wußte sie, daß er damals von der Kirche kam’, überlegte er sich, ‚aha, da hat die Frau Pfarrer ihr das gesteckt, daß ich an dem besagten Sonntag dort die Orgel gespielt hatte.’
- „Ähm, ja, ich war wieder in der Kirche, ich geh’ eigentlich fast jeden Sonntag irgendwo in die Kirche“, gab Gangolf zur Antwort.
- „Aber du kamst aus der anderen Richtung.“
- „Richtig, ich war heut’ nicht hier in Grausneg, sondern in Lüggen.“
- „Ah, wieder bei der Pfarrerin Litte.“
- „Nein, diesmal in der katholischen Kirche.“
- „In der katholischen, spielst du dort auch?“
- „Nein, das nicht, würd’ ich aber auch gern einmal machen.“

Giuseppe kam mit einem kleinen Tablett heran und kredenzte die bestellten Eisbecher und die Kaffee auf das Tischchen.
- „Prego, buon appetito. Möchtet ihr noch Extra-Sahne dazu oder sonst was?”
Gangolf fühlte sich jedesmal leicht gekränkt, daß die italienischen Kellner zwar die Grußfloskeln auf italienisch zum Besten gaben und auch das >prego< und >grazie< den deutschen Gästen zu verstehen abverlangten, ansonsten wieder auf deutsch weiterredeten. Entsprechend gab er höhnisch zurück:
- „Krazie“.
Eigentlich mochte er Giuseppe gern und sie sprachen auch hie und da ein paar Worte auf italienisch, aber so ganz konnte sich Giuseppe nicht vorstellen, daß ein biederer Elektriker aus Brandenburg einigermaßen fließend italienisch sprach. Das Thema Orgelspielen war jedenfalls erst einmal beendet. Beide stachen jetzt ihre Eisberge an und schlürften den Kaffee.
Wieder trat diese peinliche Stille ein, bis Martina das Wort ergriff:
- „Was hat dir denn die Pfarrerin alles über mich erzählt?“
- „Das gleiche wollte ich gerade dich fragen“, entgegnete Gangolf, und beide schenkten sich wieder ein verlegenes Lächeln. Gangolf fuhr fort:
- „Sie erzählte was von einem Problem, das deine Freundin, wie hieß sie gleich noch, Martha, glaub’ ich, hat sie gesagt, hat, irgendwas furchtbar Geheinmisvolles, es geht um etwas Vertrauliches und ich soll erst mir dir reden.“
- „Ja, so ist es, sie heißt Magda, also wir nennen sie so, und ich meine, es ist das beste, wenn du sie mit ihrem Problem kennenlernen wirst, ich versprech’ dir, das ist ein ganz liebes Mädel, sehr schüchtern erst einmal, aber wirklich lieb!“

‚Das hilft mir jetzt auch nicht weiter’, dachte sich Gangolf, und ohne das Thema weiter zu behandeln, kamen sie auf das Motorradfahren zu sprechen. Jetzt erst entwickelte sich ein lockeres, aber gleichzeitig doch interessiertes Zuhören und Erzählen. Martina berichtete von einem früheren Freund, den sie zwar in die Wüste geschickt hatte, nun aber doch das Motorradfahren mit ihm vermisse, und daß sie seine rasante Fahrweise genoß, sich ihm dabei voll auslieferte, während sie sonst in der Beziehung durchaus die Oberhand hatte.
So etwas ähnliches hatte sich Gangolf damals gedacht, als er die Anzeige in der >Zweirad<-Zeitschrift gelesen hatte, >wilder Feger<. Daß sie dazu die >Oberhand< in der Beziehung ausübte, auch das konnte sich Gangolf gut vorstellen.

Die Eisberge schmolzen dahin, der Kaffee war ausgetrunken, als Martina anregte:
- „Jetzt lass’ uns doch noch eine Runde fahren, ich möchte endlich wieder einmal auf einer Maschine sitzen, und du hast auch so eine richtige Rennmaschine!
- „Ja – jetzt hab’ ich aber keinen zweiten Helm dabei,“ entgegnete Gangolf, und überhaupt war das eigentlich für heute gar nicht das Thema, sondern doch nur diese seltsame Magda mit ihrem noch seltsameren Problem.
- „Ich hab’ meinen im Auto liegen,“ antwortete Martina, und nachdem Gangolf die Rechnung bezahlte, >tutto insieme<, was Martina offensichtlich geradezu selbstverständlich betrachtete, machte sich diese auf dem Weg zum Lada, um ihren Helm zu holen.

Irgendwie war es Gangolf nicht wohl bei dem Gedanken, ohne die Sicherheit suggerierende Lederkombi durch die Gegend zu brettern, doch Martina, die wilde Fegerin, hat ihn dazu eigens nochmals angestachelt, sie bräuchte das Gefühl der totalen Hingabe, der Schwerelosigkeit hoffnungslos ausgeliefert zu sein, wie sie es nannte. Sie war im motorradmäßigen Sinn auch nicht besser gekleidet: Jeans, dünnes kurzes Lederjäckchen mit allerhand Nieten gespickt, immerhin einigermaßen taugliche feste Stiefel, ebenfalls mit den neckischen Nieten, und in gleicher Weise dünne Lederhandschuhe.

Wenn Gangolf eine neue Braut hintenauf geladen hatte, bemerkte er gewöhnlich nach wenigen Metern, wie es mit der Sozia bestellt war, ob sie sich ängstlich an ihn klammerte, ob sie einigermaßen locker blieb, oder ob sie, wie in diesem Fall heute wie selbstverständlich sich dem Fahrtrythmus unterwarf und damit dem Fahrer vergessen ließ, daß überhaupt jemand hinter ihm sitzend mitfuhr.

Die Sonne hat die Luft angenehm erwärmt, es war weder schwül noch windig, der Verkehr hielt sich in Grenzen; zwar waren die Sonntagsausflügler aus Berlin deutlich zu erkennen, doch kamen die Hauptstädtler entgegen, die Fahrspur Richtung Westen und Norden war dagegen ziemlich frei. Martinas Lust übertrug sich in unerklärlicherweise auf Gangolfs Glücksempfindung, so daß er hemmungslos Gas gab, auf die Kurven zuraste, im letzten Augenblick abbremste und in schwindelerregender Schräglage abwinkelte.
Martina ging dabei spielerisch mit, sie griff mit ihren Händen durch Gangolfs Arme und stützte sich beim Bremsen auf dem Tank ab, gleich darauf mußte sie geistesgegenwärtig die Hände nach innen abwinkeln, um sich bei dem folgenden Beschleunigungsvorgang an Gangolfs Bauch festzuhalten, sonst hätte sie gnadenlos ihren Sitzplatz nach hinten verlassen und Gangolf wäre allein weitergefahren.

In einem Dorf ist es dann eingetreten, was eintreten mußte. Ein großer Lieferwagen stand am Straßenrand abgestellt, Gangolf bog auf die linke Fahrbahnhälfte, um an ihm vorbeizufahren. In diesem Moment kam ein Bauer mit seinem Traktor aus der Hofeinfahrt heraus, er blickte wohl nach rechts und überzeugte sich, daß von dort keiner kam. Links konnte er wegen des Lieferwagens nicht in die Straße einsehen, zudem kam er nicht auf die Idee, daß von links jemand kommen könnte, da ja das Lieferauto da im Weg stand.
Gangolf packte den Bremshebel und drückte ihn, daß dieser gefühlt fast an dem Lenkergriff anschlug, das Hinterrad hob ab, Martina knallte mit ihrem Helm an Gangolfs Helm, so schnell konnte sie gar nicht reagieren, daß sie sich hätte abstützen können, mit voller Wucht landete ihre Brust an Gangolfs Oberkörper, und nicht nur ihre Brust! Gangolf durchfuhr ein jäher Schmerz im Lendenbereich, als Martinas Vorderpartie einen tiefen Abdruck in seinem Rücken hinterließ.
Gleichzeitig durchströmte beiden ein gewaltiger Adrenalinschub, so daß Gangolf diesen seltsamen Schmerz zunächst gar nicht richtig wahrgenommen hatte. Erst als sie wenige Zentimeter vor dem riesigen Hinterrad des Traktors zu stehen kamen, tat es ihm wirklich weh und er mußte unbewußt gleich mit rechten Hand nach hinten an die Stelle der Lendenwirbel greifen, als ob er damit hätte fühlen können, ob ihm dort jemand ein Messer in den Rücken gerammt hätte.

Gangolf legte schon viele Notbremsungen hin, doch so heftig noch keine; meistens war er ja alleine unterwegs, und dadurch war der zu vernichtende Bewegungsimpuls wesentlich niedriger, auch die Schwerpunktsverhältnisse waren beim Alleinefahren günstiger, denn der Soziusplatz war um einige Zentimeter erhöht, damit der oder, wie es meistens der Fall war, die Mitfahrende über die Schulter des Fahrers schauen konnte.

Vollgepumpt vom Adrenalin setzten die beiden ihren Weg fort, am Ortsausgang befand sich neben der Straße eine kleine befahrbare Fläche, die Gangolf ansteuerte, um dort anzuhalten. Martina stütze sich gekonnt auf Gangolfs Schultern ab, hob den linken Fuß von der hoch angebrachten Fußraste und streckte das Bein durch, streckte gleichzeitig das rechte Bein durch, so daß sie auf der linken Seite von ihrem Sitz hinunterrutschte; als sie mit dem linken Fuß auf den Boden aufkam, spreizte sie die Beine und zog mit einer eleganten Drehung das rechte Bein nach hinten über das Heck.

Während Gangolf anschließend mit immer noch stark pochendem Herzen gleichfalls abstieg, entledigte sich Martina ihres Helms, ließ ihn zu Boden sinken und schmiegte sich an Gangolfs Vorderfront, umarmte ihn, und ehe er begriff, wie ihm geschah, stellte sie sich auf die Zehenspitzen, umgriff jetzt seinen Helm, drückte diesen etwas zu sich hinab und plazierte auf dem geschlossenen Visier einen dicken Kuß!

Gangolf starrte durch das zwischen den beiden befindliche Plastikteil auf große Augen in Martinas Gesicht, ganz nahe, ihre Lippen bildeten ein wunderschönes rotes Oval. Es war eine skurrile Situation, vollkommen unwirklich, er konnte ihren Kuß nicht erwidern, die Scheibe begann anzulaufen, ihr Antlitz verschwamm.

Endlich ließ Martina von Gangolf ab, so daß er sich gleichfalls von dem Helm befreien konnte; kurz darauf fanden sich beide im Gras liegend wieder, jetzt bekam auch er die Gelegenheit, seine neue Bekanntschaft ausgiebig zu umarmen und zu küssen. Kurz schweiften seine Gedanken an die liebe Blonde von heute Morgen in der Kirche, er wollte ihren Kuß als ehrenvolle Anerkennung bezeichnen, Martinas Kuß hingegen war die reinste Hingabe, die hemmungslose Leidenschaft schon lange nicht mehr ausgelebter Triebe.
Dabei kam ihm Tersteegen in den Sinn, wie Paul Gerhard war Gerhard Tersteegen ein Kirchenlieddichter, er schrieb den Text zu der bekannten Hymne:
>Ich bete an die Macht der Liebe, die sich in Jesus offenbart, ich geb’ mich hin dem freien Triebe, wodurch auch ich geliebet ward...<
‚Eigentlich schon großartig und weitherzig’, dachte sich Gangolf, ‚wie die Alten von der Liebe sprachen und sangen, und wie prüde war die kirchliche Praxis noch bis weit in seine Jugendzeit hinein, zum Teil sogar noch heute. Der alte Priester heute Morgen stellte da eine wohltuende Ausnahme dar’.

Tersteegen dichtete diesen Text bereits vor 280 Jahren; wie doch die Wortwahl des >freien Triebes< heute einen negativen Touch erhalten hatte! Als der größte Liebessturm vorbei war, raffte sich Gangolf in die Sitzposition auf. Mühsam gelang es ihm, ein paar Worte zu formulieren:
- „So knapp war es noch nie, entschuldige bitte, so eine Vollbremsung hab’ ich noch nie hingelegt, daß gleich das Hinterrad abgehoben ist.“
Martina saß und kniete gleichzeitig im Gras, die Knie zwischen Gangolfs leicht gespreizten Oberschenkeln, die Zehen leicht nach vorne gedrückt auf den Fersen sitzend. Sie wollte seine Entschuldigung nicht hören, im Gegenteil, sie empfand die Notbremsung mit Aufprall auf Gangolfs Rücken als den ultimativen Kick, den Höhepunkt der Lustgefühle, den sie in dieser Weise noch nie erlebte; sie hatte sich schon an unvorstellbar bizarren Handlungen berauscht, doch mit der unmittelbar bevorstehenden Lebensgefahr wurde sie bislang in ihrem jungen Leben noch nie konfrontiert.

Als Martinas Helm an jenen von Gangolf aufschlagen und ihr Oberkörper gleich darauf eine Handbreit nach oben gedrückt worden war, erfüllte sie der Anblick des riesig-hohen Traktorreifens mit seinen tiefen furchteinflößenden Profilrillen mit einer unbeschreiblichen Lust, es schüttelte sie geradezu im Unterleib, während sich Gangolf, als sie zu Stehen kamen, den Kopf zerbrach, was sich da in seinem Lendenbereich leicht schmerzhaft hineingebohrt hatte.
Martina hielt Gangolf den Mund zu, er genoß den Duft des Lederhandschuhs unter seiner Nase. Sie hauchte:
- „Das war das Geilste, was ich je erlebt habe.“

‚Die ist schon irr’, dachte sich Gangolf, ‚knapp dem Tod entronnen oder zumindest einer schweren Verletzung, und da spricht sie vom geilsten Erlebnis, das sie je erlebt hatte; ist die denn komplett wahnsinnig?’
Als Martina ihre Hand von Gangolfs Mund wegzog, neigte sich sein Blick nach unten, und er erblickte eine seltsame Wölbung in ihrem Unterleib, die er bislang nicht wahrgenommen hatte. Diese Wölbung kam anscheinend nur in dieser besonderen halb sitzenden, halb knienden Körperhaltung zum Vorschein, es sah sehr merkwürdig aus, als ob sie einen erigierten Penis hätte, den sie nur mit Mühe unter der engen Jeans verbergen konnte.
Gangolf wollte sie nicht danach fragen, doch er beschloß, vor der Abfahrt, wenn sie wieder aufgesessen war, mit einer Hand nach hinten zu greifen und zu fühlen, was sich da gar so Hartes in Martinas Taillenbereich versteckte. Martina unterbrach seine diesbezüglichen Gedankengänge mit einer ganz und gar unerotischen Frage:

- „Ich hab’ jetzt Hunger, du auch?“
Bevor Gangolf zu einer Antwort ansetzen konnte, nahm Martina diese schon vorweg:
- „Wir fahren jetzt zur Magda, die soll uns ein gutes Mittagessen kochen!“
Und bevor Gangolf irgend etwas entgegnen konnte, zog Martina ihr iPad heraus und rief Magda an:
„Hey, ich bin’s, mach’ eine Portion mehr, ich bring noch jemand mit!“
Gangolf konnte nicht verstehen, was Magda geantwortet hatte, Martina fuhr indes fort:
- „Und zieh’ deine kurzen Pantis an!“
Anscheinend zeigte sich Magda von diesem Vorschlag, oder sagen wir besser, von diesem Befehl, nicht begeistert; Martina rief jetzt gereizt in das flache Telephongerät:
- „Das soll er ja sehen, der Typ ist in Ordnung, der kann dich davon erlösen!“

Gangolf wurde die Sache immer rätselhafter, was sollte er da sehen und wovon sollte er sie erlösen, was hatte das mit einer kurzen Hose zu tun? Hatte sie eine Beinverletzung, die er auf diese Weise leicht betrachten könnte, doch da wäre ein Sanitäter, ein Arzt der richtige Fachmann. Kurz war Gangolf geneigt, auf kürzestem Weg nach Grausneg zurückzufahren, um Martina an ihrem Lada abzusetzen und die Sache als einmaligen Tagesausflug zu betrachten, doch sie durchkreuzte erneut seine Überlegungen und sprach zu ihm in ihrem Befehlston weiter:
- „Also wir fahren jetzt zu ihr nach Lüggen, auf dem kürzesten Weg, ich sag’ dir dann, wohin wir dort müssen!“

Als beide auf dem Motorrad wieder ihre Sitzpositionen eingenommen hatten, und Martina als Sozia ihre Stiefelchen artig auf den sehr hoch angebrachten Fußrasten oberhalb des Auspufftopfs plaziert hatte, wodurch sie genötigt war, ihre Knie stark anzuwinkeln, griff Gangolf, noch bevor er seine Handschuhe sich überstülpte, mit der linken Hand hinter seinen Rücken, um Martinas Unterleib zu ertasten.
Martina wollte schon empört aufschreien, doch besann sie sich im letzten Moment und ließ ihn gewähren; er würde es ohnehin früher oder später erfahren. Gangolf ertastete durch den Jeansstoff genau in der Mitte über ihrem Schritt ein erstaunlich hartes Teil, das ihm den Schmerz bei dem durch die Notbremsung ausgelösten Aufprall bereitete; ratlos zog er seine Hand wieder ab, fragte nicht danach, sondern legte sich seine Handschuhe an und startete den Motor.

In der Nordost-Ecke der Lüggener Altstadt wurden in den letzten Jahren leerstehende Lagerhäuser zu einfachen Wohnungen umgebaut. Martina lotste Gangolf in den tristen Hof mit sich in die Länge hinziehenden grauen Fassaden. Es war nicht ausgesprochen schön, hier zu leben, aber die neu eingerichteten Wohnungen waren zweckmäßig ausgestattet und einigermaßen preiswert. An der Haustür befand sich ein einfaches Messingschild mit zwei Klingelknöpfen. Martina drückte auf den oberen, Gangolf konnte daneben einen mit A beginnenden Namen entziffern, als zu seinem Verwundern Martina einen Schlüsselbund aus einer Innentasche ihrer Lederjacke hervorholte und die Haustür damit öffnete.

‚Es sind also jedenfalls recht eng befreundete Mädels’, dachte sich Gangolf, als er ihr die Stiege in das Obergeschoß hinauf folgte. Sie machte keine Anstalten, ihm den Vortritt zu lassen; die Alte Schule des Benehmens ist diesbezüglich längst vergessen und selbst im gehobenen Bürgertum nicht mehr bekannt. Als sie oben angekommen waren, ging die Wohnungstür auf und eine zarte Frau mit Schürze stand lächelnd im Türrahmen. Martina umarmte sie, Gangolf konnte hinter ihnen stehend nicht erkennen, ob sie sich auch ein Küßchen gaben.
Anschließend trat die mädchenhafte Person, Gangolf nahm an, daß es sich wohl um die geheimnisvolle Magda handeln müsse, zur Seite, um die beiden Neuankömmlinge hereinzulassen. Martina ging stracks zum Tisch, auf welchem bereits aufgedeckt worden war, und winkte Gangolf herein:

- „Komm’, setz’ dich, Magda hat ihr Wort gehalten und gekocht!“
Der Essensduft strömte Gangolf entgegen, jetzt verspürte auch er ein gewisses Hungergefühl, und er freute sich darauf, ein frisch gekochtes Mittagessen zu bekommen. Überrascht gewahrte er, daß bereits eine Frau mit dem Rücken zur Tür an dem Tisch saß, als sich Martina näherte, stand sie auf und die beiden umarmten sich. Erst jetzt erkannte er die Frau wieder, überrascht stellte er fest, daß es die Pfarrerin Bettina war.

- „Ihr kennt euch ja schon“, rief Martina frivol in den Raum, und Bettina wandte sich an Gangolf, um ihm die Hand zu reichen. Ihm fiel auf, daß die Gastgeberin, diese Magda, bei der Begrüßung ganz außen vor blieb, niemand hielt es für nötig, ihr ihn vorzustellen. Sie schickte sich bereits an, wieder in die Küche zu entschwinden, als Gangolf sie gerade noch mit einem kurzen >Hallo< -Ruf erreichen konnte, ihr die Hand anbot, die sie dann mit einem verlegenen Lächeln nahm.
Auch hier war die Alte Schule längst dahin, daß die Frau dem Mann die Hand reiche, erst recht die Gastgeberin dem Gast.
- „Gangolf Stumpf“, stellte er sich vor, manche sagen auch Magnus zu mir.
- „Magda“, lächelte sie ihn schüchtern an und verschwand in die Küche. Martina hat während dessen sich neben Bettina niedergelassen, sie fanden anscheinend sofort einen Gesprächsstoff. Gangolf folgte Magda in die Küche und fragte sie, ob er ihr in irgend einer Weise behilflich sein konnte. Magda verneinte, nicht anders hatte es er erwartet, es hat den Anschein, daß Magda hier, wie ihr Name es suggeriert, die Magd da war.
Magda meinte lediglich, daß sich Gangolf ein Getränk aus dem Kühlschrank aussuchen solle, oder ob er lieber etwas Warmes hätte, Tee oder Kaffee.

‚Mein Gott, wie ist die rührend-besorgt, viel zu lieb für die Welt’, dachte sich Gangolf, als er sich ein Bier nahm. Schon sprang Magda zu ihm mit einem Flaschenöffner und einem Bierglas. Während er sich das Bier eingoß, blickte er verstohlen in das Zimmer mit dem Eßtisch. Die beiden Damen waren in eine angeregte Plauderei vertieft, so daß Gangolf es vorzog, in der Küche stehen zu bleiben und der Magda zusah, wie sie geschickt mit den Küchenutensilien hantierte.
Für Gangolf ergab sich jetzt die beste Gelegenheit, Magda eingehend zu betrachten. Mit ihrem schmalen Gesicht glich sie in gewisser Weise der Bettina, ihre Wangenknochen waren aber nicht so hervorstechend wie bei dieser, ihre Haare wiesen eine undefinierbare Farbgebung zwischen blond und braun auf, sie hingen etwas ungleichmäßig geschnitten bis auf der Höhe des Kinns herab.
Unter Magdas Schürze gab sich ein T-Shirt zu erkennen, tatsächlich trug sie, wie ihr von Martina aufgetragen wurde, eine kurze Hose aus Jeansstoff mit ungleichmäßig ausgefransten Säumen. An den Füßen hatte Magda dicke Wollstrümpfe übergezogen, die fast bis zur halben Höhe der Schienbeine reichten. Gangolf betrachtete eingehend ihren schlanken Körper, er konnte keine Ungewöhnlichkeiten feststellen, einzig, daß ihm ihre Haut sehr hell vorkam.
Als Magda sich anschickte, einen der schweren Töpfe mit zwei Tüchern an den Henkeln anzufassen, um ihn auf den Tisch hinauszutragen, ließ sie diese Tätigkeit Gangolf ausführen, denn er kam sich schäbig vor, nur dazustehen und zuzusehen, wie die Magda die ganze Arbeit alleine vollbrachte. Gangolf bereitete das Kochen keine Freude, er kochte sich zwar ab und an selber etwas, aber über Nudeln oder Kartoffeln, zu welchem er eine Konservenbüchse entleerte, deren Inhalt er einfach im Mikrowellenherd erhitzte, kam er nie hinaus. Somit ehrte es ihn, wenigstens beim Servieren behilflich zu sein.


Hauptkommissar Brause hatte an diesem Sonntag Nachmittag Dienst. Nachdem er sämtliche auf der Dienststelle auffindbare Zeitungen und Zeitschriften durchgeblättert hatte, faßte er den Entschluß, der Marlies Armdran einen kurzen Überraschungsbesuch abzustatten. Er überlegte sich, daß Sonntag Nachmittag ein günstiger Zeitpunkt sei, die Frau zuhause anzutreffen, denn weder Einkäufe, noch Konzert- oder Kirchenbesuch war um diese Zeit angesagt. Freilich bestand immer die Möglichkeit, daß sie am Fluß entlang spazieren ging oder am Markt in einem der Cafés saß.

Brause gab einem Kollegen Bescheid über sein Vorhaben, ging in den Hof hinunter und nahm sich ein Polizeiauto. Auf seinem Weg in die Innenstadt führte ihn die Straße am Fluß entlang, er hielt nach Armdran Ausschau, bog dann über die alte Brücke in die Altstadt ein. Dort umrundete er den Marktplatz, doch auch dort konnte er sie nicht erblicken. Es wäre auch ein Zufall gewesen, indes war das ungeplante Zusammentreffen zweier Personen in einer Kleinstadt gar nicht so unwahrscheinlich wie in einer größeren Stadt.

Guter Dinge bog Brause in nördlicher Richtung in die Kirchgasse ab und erreichte nach wenigen Metern den nordöstlichen Teil der Altstadt. Auf dem langgestreckten Areal der vormaligen Lagerhallen fand er problemlos einen Parkplatz. Er blieb neben einem Lada-Niva stehen und wunderte sich, daß diese >Russenkarren< immer noch herumfuhren.
Es dauerte eine ganze Weile, bis er Schritte auf der Stiege vernahm, nachdem er geläutet hatte. Er wollte bereits ein zweites Mal den Klingelknopf drücken, doch fiel ihm noch rechtzeitig ein, daß es hier keinen elektrischen Türöffnermagneten gab, so daß Frau Armdran herunterkommen mußte, um einem Besucher zu öffnen.

Brause konnte seine Überraschung nicht verbergen, als er anstelle von Frau Armdran Martina erblickte, die ihm die Haustür öffnete.
- "Brause mein Name", begrüßte er sie, "wir haben uns auch schon gesehen, aber jetzt fällt mir ihr Name nicht mehr ein!"
- "Martina Weiß", erwiderte sie und trat zu Seite, damit er eintreten konnte, "Marlies ist oben in ihrer Wohnung!"
Brause war etwas enttäuscht darüber, daß er nicht allein mit Frau Armdran sein würde, seine Enttäuschung steigerte sich, als er weitere zwei Personen in dem kleinen Raum an dem Tisch sitzend versammelt sah.

- "Ah, Frau Pfarrer Litte, Sie sind auch da, freut mich", log er und setze sein charakterisierendes Grinsen auf, "und Sie kenn' ich auch irgendwo her, wir sind uns auch schon mal wo begegnet!"

'Begegnet ist gut gesagt', dachte sich Gangolf, 'der schnüffelte den ganzen Tag in meinem Hof herum in der Hoffnung, das bei dem Raubüberfall auf die Sparkasse erbeutete Geld zu finden.
- "Gangolf Stumpf", half er Brause auf die Sprünge.
- "Ja richtig, Sie haben doch den großen Hof da in Wesserbarg, ganz am Ende, fast schon am Röthener See gelegen."
Gangolf bestätigte das Gehörte mit einem leichten Nicken, sagte aber nichts dazu, denn er wollte ein Gespräch mit Brause vermeiden. In dem Moment kam Magda aus der Küche, sie errötete, als ihr Blick den Wachtmeister traf.
- "Wie geht's Ihnen, Frau Armdran?", begann Brause seine Konversation, den Blick auf Magda gerichtet, "ich sehe, Sie haben Besuch, da will ich gar nicht lange stören."
- "Gut", antwortete Magda artig, obwohl ihr anzusehen war, daß es ihr in diesem Augenblick alles andere als gut ging, "bitte setzen Sie sich, ich wollte gerade den Nachtisch bringen, es gibt Schokoladenpudding, wollen Sie auch einen?"
- "Nein, nein, ich bin im Dienst, wissen Sie, aber trotzdem herzlichen Dank für Ihr Angebot!"
- "Aber wenigstens einen Kaffee?", fragte Magda.
- "Ja gern, das wird mir schon erlaubt sein", grinste Brause.
Magda ging in die Küche, füllte die Kaffeemaschine mit Wasser, falzte das Filterpapier, steckte es in den Trichter, löffelte das Kaffeepulver mit Hilfe des Meßbechers hinein und drückte auf den kleinen Kippschalter, worauf ein rotes Lämpchen erglühte und die Maschine mit fauchend-gurgelnden Geräuschen ihre Arbeit aufnahm.
Anschließend brachte Magda die große Schüssel mit dem Nachtisch herein, die Schüsselchen standen bereits auf dem Tisch, die Teller waren abgeräumt. Nun verdrehte Brause seine Äuglein, nahm seine Dienstmütze ab und meinte schmeichelhaft:
- "Das riecht ja köstlich".
Jetzt war es Martina, die ihn aufforderte:
- "Nun probieren Sie doch auch was davon, dann müssen Sie den Kaffee nicht so trocken hinunterschütten!"
Brauses Grinsen weitete sich zu einem ehrlichen Lachen und er freute sich sichtlich, nun doch eine gehörige Portion des frischgekochten Puddings zu erhalten, Dienstvorschriften hin oder her. Magda verschwand wieder in die Küche, um die Kaffeetassen zu holen. Brause stand unvermittelt auf und folgte ihr. In der Küche angelangt, schloß er die Tür hinter sich zu und fragte Magda:
- "Was macht ihr Dings da, gibt's irgendwelche Probleme, darf ich es einmal sehen?"
Magda bückte sich hurtig und schob den Saum ihrer linken Wollsocke weit auf den Fuß hinunter, so daß die gesamte Wade sichtbar wurde - und nicht nur diese.
- "Danke", entgegnete Brause knapp und half ihr, die Zuckerdose und das Milchkännchen in den Raum hinauszutragen, während Magda die Tassen mitsamt den Untertassen und Löffelchen jonglierte.
Bettina gelang es, eine oberflächliche Plauderei in Gang zu setzen und am Leben zu erhalten; als ein jeder seinen Pudding aufgegessen hatte, verabschiedete sich Brause und bedankte sich für die Gastfreundschaft.

'Was war denn das für ein Blitzbesuch eines Gendarmen', überlegte sich Gangolf, ihm war nicht klar, warum der Polizist unvermittelt auftauchte und warum er selbst zu diesem Kränzchen geladen worden war.
Doch die Lösung folgte auf den Fuß, im wahrsten Sinne des Wortes. Martina wandte sich Magda zu und forderte sie auf:
- "Nun zeig' doch endlich auch Gangolf deinen Fuß!"
Magda errötete wiederum und wiederholte die Zeremonie, die sie bereits kurz zuvor in der Küche in Gegenwart des Polizisten vollzog. Interessiert erhob sich Gangolf und blickte über den Tisch. Erstaunt gewahrte er es - ein unscheinbares hautfarbenes Ding an der Außenseite von Magdas linkem Knöchel.


31. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von folssom am 15.08.21 00:31

Dann schau'n wir doch mal, ob M a g n u s in der Lage und Willens ist, Magda von der Fußfessel zu befreien.

mfg
32. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 20.08.21 22:02

"Willens" wird er wohl schon sein, Magda von der elektronischen Fußfessel zu befreien, doch ob er auch in der Lage sein wird?
Viel Vergnügen bei der Lektüre!

Magnus.



15

Wie an jedem ersten Freitag des Monats fand auch an diesem lauen Abend des dritten Mai der Vereinsabend der Schleewald-Amateurfunker statt. Gangolf besuchte diese Abende nur unregelmäßig, da er das Amateurfunk-Hobby zwar nicht ganz aufgegeben, aber doch ziemlich zurückgestellt hatte. Die per SMS ferngesteuerten Handschellen haben nur am Rande etwas mit der eigentlichen Funktechnik zu tun, doch heute wollte er an dem Clubabend teilnehmen, um zwei Funker-Freunde zu treffen.
Leider stellte sich heraus, daß weder der langjährige Gerätewart Hans da war, noch der Computer-Freak Joe. Gangolf hörte mit halben Ohr den Ausführungen eines Fachmanns zu, der über neuartige Antennen für einen Höchstfrequenzbereich dozierte. Immer wieder ertappte er sich, wie seine Gedanken von dem Vortrag abschweiften zu jener Aufgabe, der er sich seit des Besuchs bei der Magda verpflichtet fühlte. Er verwendete lieber den Begriff >Aufgabe< anstelle von >Problem<.
Als der Vortrag zu Ende war, pirschte Gangolf sich zu dem Vereinsvorsitzenden vor und schilderte ihm seinen Wunsch, spezielle sich im Eigentum des Ortsvereins befindliche Frequenzmeßgeräte auszuleihen. Der Vorsitzende gab ihm die Telephonnummer des Gerätewarts und er meinte, daß der Hans üblicherweise am Samstag Vormittag in den Räumen des Vereinsheims anzutreffen wäre. Mit der Telephonnummer des Joe war es etwas schwieriger, nach längerem Suchen fand der Vorsitzende jedoch auch diese. Gangolf plauderte noch mit einigen Clubkollegen und verabschiedete sich relativ bald.

Tatsächlich erreichte Gangolf am nächsten Morgen den Gerätewart Hans, ein älterer Herr mit einem reichen Erfahrungsschatz, was die alte Funktechnik anbetraf, mit der Höchstfrequenz- und Computertechnik wollte er sich nicht mehr beschäftigen. Der Hans war sehr erfreut über Gangolfs Besuch, doch als dieser darum bat, ihm die speziellen Frequenzmeßgeräte leihweise auszuhändigen, wurde er sehr zurückhaltend.
- „Bring’ doch deine Schaltungen her, dann können wir sie gemeinsam durchmessen,“ begeisterte sich Hans.

‚Wenn du wüßtest’, dachte sich Gangolf, mit ihm konnte er über seine >Aufgabe< nicht sprechen, mit Joe schon eher, als äußerst aktives Mitglied des Berliner Caos Computer Clubs war dieser gewohnt, Nachforschungen in der geheimen Computerwelt und des Netzwerks anzustellen, welche, vorsichtig formuliert, am Rande des Legalen standen. Gangolf hörte davon, daß es in dem Berliner CCC sogar eine eigene Abteilung Funktechnik gäbe, doch er hatte mit diesem Club bislang keine Berührungspunkte.
Endlich gelang es Gangolf, den Hans zu überreden, ihm doch einige seiner Heiligtümer leihweise auszuhändigen. Als Vereinseigentum standen die Geräte allen Mitgliedern zur Verfügung, doch gab es die Anweisung, möglichst keine dieser kostbaren Dinger zu entleihen. Gangolf schaukelte ihm vor, daß es um umfangreiche Schaltungen eines Probeaufbaus handelt, die er nur mühsam hierher bringen konnte, und als schließlich der Vereinsvorsitzende telephonisch sein Einverständnis gab, händigte Hans die Geräte aus. Er half Gangolf, diese hinunterzubringen und in den Golf zu verstauen, nicht ohne mahnende Worte, umsichtig damit umzugehen, und auf jeden Fall statische Aufladungen zu vermeiden.

Gangolf fühlte sich ein bißchen in seinem Ehrgefühl verletzt, war er doch längst kein unachtsamer Jugendlicher mehr, der im Eifer des Gefechts möglicherweise einen Schaden hätte herbeiführen können. Andererseits weiß man ja nie, dachte er sich, es kann immer einmal was passieren, und dann hat der Gerätewart wenigstens warnende Worte gesprochen. Im Grunde war er ihm dankbar, daß er über seinen Schatten sprang und die Geräte doch noch herausgerückt hatte. Zum Glück bestand der Hans nicht darauf, mit ihm zu seiner Bastelbude zu kommen, um die >umfangreichen Schaltungen< zu begutachten.
Gangolf holte tief Luft, startete seinen Golf und fuhr vorsichtig zu sich nach Hause. Das letzte Wegstück auf einer Länge von fast einem Kilometer bestand aus einem Feldweg, dort mußte er besonders vorsichtig fahren, je nach Schlaglochtiefe häufig kaum mit Schrittgeschwindigkeit. Die asphaltierte Straße führte von der Bundesstraße nur bis zu den verstreut stehenden Häusern von Wesserbarg. Es wäre ihm sehr peinlich gewesen, wenn die sensiblen Geräte allein durch die Erschütterungen des Transports in Mitleidenschaft geraten wären.

Als Gangolf gegen Mittag endlich zu seinem Hof kam, fuhr er das Auto in die Garage, welche er gegen seiner sonstigen Gewohnheit verschloß, und holte sich sein Kajak aus dem Schuppen, um in’s nächste Dorf zu rudern, wo er Mittag essen wollte. Das Paddeln versöhnte ihn wieder mit der Welt, kräftig schlug er die Blätter in’s Wasser, die Gischt spritzte ihm entgegen, er konnte sich dabei hervorragend abreagieren.

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Sie waren bereits ziemlich weit fortgeschritten, doch kamen sie ohne Worte überein, das Finale noch etwas hinauszuzögern. Die silikonummantelten Teile lagen griffbereit auf den Nachtkästchen des Doppelbetts, auch die dazu gehörenden Fernbedienungen.
- „Meinst du, er wird es schaffen?“ vernahm man den leisen Flüsterton in dem von Jasmin-Duft geschwängerten Raum.
- „Ja klar, der ist der totale Technik-Freak“.
- „Und daß er doch einmal Bedenken kriegt, was er da macht?“
- „Nöö, glaub’ ich nicht; hast du ihn angesehen, als ihn der Brause begrüßte und mit ihm ein Gespräch anfangen wollte?“
- „Ne, hab’ ich nicht mitgekriegt, was war da?“
- „Irgendwie kannten sie sich, doch Gangolf wollte da nichts davon wissen, nickte nur kurz und sagte nichts weiter. Wird wohl nicht bloß ein Strafzettel wegen Parkverbot gewesen sein.“
- „Du meinst, Gangi hätte von sich aus schon gar kein Interesse zur Nähe zur Polizei?“
- „Ja genau, das Gefühl hatte ich, wahrscheinlich war da `mal was, denn der Brause wußte plötzlich wieder Bescheid, daß er da bei ihm war in Wesserbarg.“
- „Ah, aus Wesserbarg kommt er, das wußte ich gar nicht.“
- „Hm, wir wissen vielleicht vieles noch nicht über ihn, irgendwie ist er schon auch ein geheimnisvoller Typ. Ich werd’ ihn morgen fragen, wie er die Chancen einschätzt, daß er was machen kann.“
- „Siehst du ihn morgen?“
- „Ja, wieder in Grausneg, und er spielt immer so schön, komm’ halt auch, dann hörst’ ihn auch einmal und dann kannst’ ihn gleich fragen, ob er die Meßgeräte hat, von denen er was gesagt hat.“
- „Hm, weiß noch nicht, ja, wenn ich nicht verschlafe!“
- „Du Dumpfbacke!“
- „Aua“, riefen plötzlich beide gleichzeitig auf, denn sie waren miteinander in lustvoll-schmerzhafter Weise verbunden: Das Piercing-Stäbchen der linken Brustwarze der Einen war über ein dünnes Messing-Kettchen mit dem Piercing-Ring der rechten Schamlippe der anderen verbunden und umgekehrt: Die rechte Warze Letzterer mit der linken Lippe Ersterer. Manchmal hängten sie in der Mitte, wo sich die beiden Kettchen überkreuzten, ein Häkchen ein mit einem kleinen Gewicht, damit auf ihnen immer etwas Zug herrschte.

Im Geiste malte sich Martina bereits die bizarrsten Vorstellungen aus, was sie mit ihrer Magda alles anstellen würde, sobald diese endlich wieder den Stadtbereich von Lüggen verlassen konnte, um zu ihr hier hinauszukommen. Die Frau Pfarrerin war durchaus lieb, aber nicht ausgesprochen masochistisch veranlagt, doch als Sadistin begehrte Martina nach unterwürfigen Personen, nach >Objekten<, wie sich auszudrücken pflegte, was sie freilich im Bettinas Beisein vermied.

Martina war froh, Bettina in langsamen Schritten vorsichtig etwas in die bizarre Welt des Sadomasochismus eingeführt zu haben, doch sie erkannte, daß sie bei Bettina schnell an Grenzen stieß. Um sie nicht zu verschrecken, dämpfte Martina ihre sadistischen Neigungen und gab sich mit den andeutungsweisen Spielchen zufrieden. Im Geheimen sehnte sie sich nach Magda, da würde es dann richtig zur Sache gehen. Sie würde Gangolf befehlen, spezielle Einrichtungsgegenstände zu montieren, um ihr Reich zu vervollständigen. Bettina würde sie dann wohl nicht mehr brauchen...

Schließlich sahen sich beide an, blinzelten sich einvernehmlich zu, rückten auf den Kopfkissen noch etwas höher, was beiden ein leichtes Aufstöhnen entlockte, und griffen zu den Lustspendern.









33. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 27.08.21 21:58


Die namhaften Schriftsteller waren fleißig in den letzten Tagen und versorgten uns mit reichlichem Lesestoff; wie jeden Freitag möchte ich nun meinerseits der verehrten Leserschaft die nächste Fortsetzung meiner kleinen Geschichte bieten, ich wünsche viel Freude beim Lesen,
M a g n u s .



16


Von seiner kleinen Kajak-Tour zurückgekehrt wollte Gangolf den späten Nachmittag nutzen, die kostbaren Frequenzmeßgeräte, die er heute Morgen ergattert hatte, in Magdas Wohnung zur Anwendung bringen. Da er ihre Telephonnummer nicht hatte, versuchte er, Martina zu erreichen, sie zu bitten, ihm ihre Nummer zu sagen. Es war das erste Mal, daß er Martinas Nummer aus dem Kontakte-Verzeichnis seines Smartphones heraussuchte; es traf ihn fast der Schlag, als er Martinas Spruch auf der Mail-Box vernahm:

- „Hallo, sag’ jetzt, was du zu sagen hast, fasse dich kurz, ich entscheide dann, ob ich zurückrufe!“

Das war Gangolf dann doch zu blöd, er drückte die rote Beenden-Taste und beschloß, ohne Vorankündigung bei der Magda aufzutauchen. Wachtmeister Brause nahm sich das neulich auch heraus, warum sollte er das nicht dürfen, wo er ja eine höhere Mission hatte.

‚Wie kann die Martina nur so arrogant sein’, ärgerte sich Gangolf, >ich entscheide, ob ich zurückrufe<, so ein arroganter Mist, das will ich gar nicht darauf ankommen lassen, ob ich dann in der Gnade stünde, zurückgerufen zu werden.’
Als er in Lüggen die Kirchstraße entlang fuhr, entdeckte er auf der anderen Straßenseite einen Lada-Niva.
‚Daß es diese Karren immer noch gibt, die Martina hat auch so eine Gurke, was sie nur an so einem Vehikel empfindet’, überlegte er im Vorbeifahren, beachtete das Fahrzeug nicht weiter, sondern konzentrierte sich darauf, die Einfahrt in den Hof zu finden, wo sich Magdas Wohnung befand. Während bei dem ersten Besuch Martina vorausgegangen war und als Vorwarnung ihres Nahens den Klingelknopf gedrückt hatte, obwohl sie gleich darauf mit ihrem Schlüssel die Haustür aufgesperrt hatte, war Gangolf heute auf sich gestellt, den richtigen der beiden Knöpfe zu wählen. Da sich Magdas winzige Behausung im Dachgeschoß befand, würde es wohl der obere der beiden Klingelknöpfe sein, schlußfolgerte Gangolf und erspähte daneben ihren Namen: Armdran.

‚Was es nur für seltsame Namen gibt’, durchfuhr es Gangolf, und gerade als er das Knöpfchen drückten wollte, ging die Tür auf. Der Mann, der im Begriff war, auszutreten, wich leicht erschrocken etwas zurück, als er Gangolf vor der Tür stehen sah, ging zur Seite, um ihn einzulassen, und als Gangolf die Stiege betrat, ging der Fremde hinaus, und die Haustür fiel hörbar in’s Schloß.

Gangolf traute seinen Ohren nicht, als er gedämpfte Schreie aus Magdas Wohnung vernahm. Rasch nahm er die Stufen hinauf und hielt vor der Wohnungstür inne. Es war kein lautes ununterbrochenes verzweifeltes Schreien oder Rufen um Hilfe, sondern kurze Aufschreie, dazwischen unterschiedlich lange Pausen von einigen Sekunden. Gebannt lauschte er an der Tür, manchmal vermeinte er, ein Zischen oder Knallen zu vernehmen, das den Schreierufen vorausging.

Von einem ihm unerklärlichen Instinkt geleitet wandte sich Gangolf um und stieg, so leise es ihm möglich war, die Stufen wieder hinunter. Die Haustür ließ er nicht einfach von dem Verschließmechanismus selbsttätig in’s Schloß fallen, sondern führte sie vorsichtig, daß es zum einen nicht das typische In’s-Schloß-fallen-Geräusch gab, zum anderen hoffte er, dadurch die Zunge einige Millimeter vor dem Einrasten in die Falle anhalten zu können, was bei schlecht geölter Mechanik manchmal möglich war. Tatsächlich gelang es ihm auf diese Weise, daß er die Tür notfalls wieder hätte öffnen können.
Unschlüssig, was er tun sollte, schlenderte er zu seinem Auto, das er in der Nähe in dem großen Hof abgestellt hatte. Dann kehrte er jedoch wieder um und ging an dem Haus entlang, ob er auch hier draußen die seltsamen Schreie hören würde. Entweder waren die Fenster entsprechend schalldicht, oder sie haben aufgehört, er vernahm sie jedenfalls von hier unten nicht.
In seinem Auto sitzend kam ihm die Idee, Bettina anzurufen, was sie von der merkwürdigen Begebenheit hielte:
- „Soll ich nochmal hinaufrennen und läuten?“ fragte er mit erregter Stimme.
- „Hm, warte mal, laß’ mich kurz überlegen“, bat Bettina. „Ich glaube nicht, daß Magda wirklich in Gefahr ist, das ist `was anderes“, versuchte sie ihn zu beruhigen. Gangolf spürte indes in ihrer Stimme eine gewisse Unsicherheit, als ob sie die Wahrheit wüßte, diese aber ihm nicht mitteilen wollte. Statt den von ihr vermuteten Sachverhalt zu erläutern, stellte sie rasch eine Gegenfrage:
- „Wo bist du denn?“
- „Ja vor ihrem Haus!“
- „Können wir uns wo treffen, ich bin hier gerade in Holzbuch fertig, dann könnten wir über alles sprechen.“

‚Schon wieder diese Geheimnistuerei’, ärgerte sich Gangolf, am liebsten wäre er mit Vollgas davongebraust, um dem Hans die Meßgeräte wieder zu bringen; ‚blöde Weiber’, knurrte er im Gedanken, doch dann lenkte er ein:
- „Ja dann komm’ doch einfach bei mir vorbei, wenn du jetzt in Holzbuch bist!“
- „O ja gern, sag’ mit noch schnell, wie ich zu dir komme!“
- „Bieg’ von der Bundesstraße ab nach Wesserbarg, dann die Ortsstraße immer weiter, bis der Asphalt aufhört und dann noch fast einen Kilometer weiter den Feldweg fahren, der macht dann einmal eine Biegung, und ganz am Ende findest du dann meinen Hof. Aber fahr’ vorsichtig, daß dir mit deinem Wägelchen keine Achse bricht!“

Als Gangolf von Lüggen zurück kam, sah er Bettinas rotes Elektroauto in seinem Hof stehen; sie war natürlich schon vor ihm da, denn von Holzbuch her war es nicht so weit wie für ihn von Lüggen her. Bettina hatte die Wartezeit genutzt, um auf dem Hof herumzutigern; sie hatte bei dieser Gelegenheit Gangolfs Fuhrpark inspiziert, sowohl das Motorrad, als auch die drei Boote: Das Schnell-Kajak, dann ein breiteres, kürzeres und schließlich einen normalen Ruderkahn.

Als sie Gangolf auf den Hof einfahren sah, wandte sich Bettina zu seinem Auto um; nach einer herzlichen Umarmung meinte sie lapidar:
- „Das ist also deine Residenz“.
- „Residenz ist gut gesagt, ich würde dir auch gern gleich eine Schloßführung geben, vor allem die ausgedehnten Parklandschaften laden zwar nicht zum Lustwandeln ein, eher zum Autoparken, aber jetzt möcht’ ich doch gleich wissen, was du davon hältst, von diesen kurzen Aufschreien aus Magdas Wohnung. Kannst du dir vorstellen, was da war?“
- „Ach Gangolf, ja, schon aus Berufsgründen darf ich nicht lügen und dir will ich auch nichts vormachen, doch laß’ uns bitte erst mal in’s Haus reingehen, also wenn du erlaubst.“
- „Aber bitte,“ entgegnete Gangolf in einer Mischung von Verwunderung und Erleichterung, denn offenbar konnte es nichts sehr Schlimmes sein, das sich hinter den Schreien verbarg. Er öffnete die Haustür und ließ ihr den Vortritt.
- „Einfach immer geradeaus durch den Flur und dann rechts!“
Bevor Gangolf Martina etwas zu Trinken anbot ließ er sich in einen Sessel plumpsen und wies Bettina an, ein Gleiches zu tun.
- „Jetzt aber sag’ endlich, wird da oben bei ihr jemand stoßweise zu Tode geprügelt oder gehört das zu einer besonderen Atemtechnik?“

- „Gangolf“, erhob Bettina mit einem leichten Seufzer die Stimme, blickte ihn mit großen Augen an, „ich weiß’ nicht richtig, wie ich dir das erklären soll. Dürfte ich um etwas zu Trinken bitten?“
„Dürfte ich um etwas zu Trinken bitten, das klingt ja sehr geschwollen, gehört das zu deinen Stilmitteln, die du für deine Predigten anwendest, um die Spannung zu steigern, bis du endlich zum Kern der Sache kommst? Ja, du darfst, und dürfte ich fragen, mit welchem Getränk ich mir deine huldvolle Zuwendung erheischen könnte?“
Nun brach Bettina in ein herzhaftes Lachen aus, das Gangolf erwiderte.
- „Ich mach’ jedenfalls jetzt einen Kaffee. Magst du auch einen?“

In der Zwischenzeit, während Gangolf den Kaffee bereitete, überlegte sich Bettina, wie sie ihm ihre Vermutung erläutern sollte. Es fiel ihr schwer, auf die Schnelle kluge Formulierungen zu finden. Als er mit dem Kaffeeservice in das Wohnzimmer zurückkam, warf sie alle ihre Überlegungen über Bord und sprach frei heraus:
- „Ich glaub’, die spielen miteinander da oben; also Martina und Magda.“
Nach einer kurzen Pause, die sie nutzte, um Gangolf in’s Gesicht zu sehen, um abzuschätzen, wie er das Gehörte aufnahm, fuhr sie fort, dabei schoß ihr das Blut in die Wangen, denn ihr war bewußt, daß sie jetzt nicht die ganze Wahrheit sagen würde:
- „Also du hast ja wohl sicherlich schon `mal von so SM-Spielchen gehört, von der Sado-Maso-Szene, für mich wär’ das ja nichts, ich liebe gern und werde gern geliebt, aber ohne Schmerzen und ich kann mir nicht so vorstellen, daß man dann da erst recht Lust verspürt dabei.“

‚Aha, so ist das also’, machte sich Gangolf derweil Gedanken, ‚aber warum wirst du jetzt so rot, könnte es nicht sein, daß du da doch ein bißchen Gefallen find’st, zumindest so im Geiste, vielleicht beim Zusehen.’
Er mußte sich selber eingestehen, daß er gleichfalls gewisse Neigungen in diese Richtung empfand: Genüßlich geilte er sich vor dem Fernseher auf, wenn in einem Film in einem tiefen Keller Menschen gefesselt werden und hilflos alleine in der Dunkelheit angekettet blieben, besonders wenn es sich dabei um junge Frauen handelte, die auf diese Weise schmachten mußten.
Bettina blickte ihn wieder mit einem fragenden Gesicht an, als ob sie auf seine wohlwollende Antwort wartete. Noch in seinen Gedankengängen verstrickt entgegnete Gangolf leicht stammelnd:
- „Äh, ja, freilich, so was hab’ ich schon gehört, also meinst du wirklich, aha, ja, das könnte ich dann schon verstehen, daß da immer so kurze Aufschreie waren.“
Von dem Zischen in der Luft erwähnte er erst einmal nichts, auch behielt er für sich, daß er etwas weiter entfernt, auf der Straße draußen einen Lada gewahrte.

Als sich der Duft des frisch gebrühten Kaffees bis in das Wohnzimmer gezogen hatte, sprang Gangolf auf, um ihn zu holen. Bettina nutze die kurze Weile des Alleinseins, um tief durchzuatmen und um auf diese Weise ihre Röte aus dem Gesicht zu verlieren, derer sie sich nur zu gut bewußt war.
Mit der Glaskanne in der Hand kam Gangolf nach wenigen Sekunden wieder herein, goß die Brühe in die Tassen, stellte die Kanne auf einer kerzenbefeuerten Warmhalteplatte ab und sagte mehr zu sich selbst:
- „Ach, jetzt hab’ ich wieder den Zucker vergessen, und die Milch muß ich auch noch holen.“

Als diese Utensilien herangebracht worden waren, wandte sich Gangolf noch zu einer Kommode, auf welcher er Naschereien abzustellen pflegte. In Daumen und Zeigefinger beider Hände geklemmt ging es einer Erdnuß-Flips-Tüte an den Kragen, welche sein Platzen mit einem charakteristischem Ploppen kundtat. Anschließend ratschte die Plastikumhüllung einer After-eight-Packung mit einem nestelnden Geräusch entzwei und verhalf den pfefferminzummantelten Schoko-Täfelchen zum Aufatmen nach wochenlangem luftdichten Einschluß.
- „Laß’ doch“, wehrte Bettina mit einer Hand ab, Gangolf kam sofort Wachtmeister Brause in den Sinn, der auch erst einmal Magdas Nachtisch verschmähen wollte, indes gefangen in seiner Eß-Begierde schwach geworden war.
- „Dann eß’ ich sie eben allein auf“, antwortete Gangolf mit einem Lächeln und setzte nach:
- „Ich glaub’, die Martina hätte sich da nicht so geziert, die ist da gradan, wie man bei uns in Bayern sagt, und die hätt’ wahrscheinlich sogar im Befehlston gefordert: >Hey, hast du Nichts zum Kaffee dazu?<“
Wieder lachte Bettina auf und stimmte ihm zu: „Ja, da kennst du Martina schon ganz genau, sie hat oft so was Forderndes in ihrer Stimme. Aber sie kann auch so lieb sein.“
Nun kam Gangolf die Sache mit der Ansage auf dem Anrufbeantworter in den Sinn:
- „Sag’ einmal, hast du schon einmal die Ansage auf der Mailbox gehört von der Martina, die ist ja total kraß!“
- „Da hast du recht, ich mag’ oft gar nicht anrufen bei ihr, weil immer erst diese Ansage kommt, richtig blöd meiner Meinung nach, aber wenn ich dann bloß kurz was sage, antwortet sie sofort und gibt sich erkennen, wahrscheinlich, weil sie auch gleich meine Nummer auf dem Display sieht.“
- „Also ich ruf’ da so schnell nicht mehr an, eigentlich wollte ich nur Magdas Nummer, ich wollte ihr sagen, daß ich kommen wollte mit den Frequenzmeßgeräten, aber so bin ich dann einfach so hin in den Hof, zufällig kam ein Mann unten heraus, so daß ich ohne Läuten hinaufsteigen konnte und vor ihrer Wohnungstür hab ich das dann gehört.“
- „Ja, so ist es, und wer da wen behandelt, wird dir vermutlich auch klar sein.“
- „Ja klar, ich hab’ noch nie so einen dominanten Mensch kennengelernt wie die, macht mir ein bißchen Angst.“
- „Auf der andern Seite fährt sie so gern auf dem Motorrad mit, sie hat mir von eurem Ausritt erzählt und wie du so stark die Nerven behieltst bei der Vollbremsung. Da ist sie dann ganz ausgeliefert, dem Können des Fahrers unterworfen, und natürlich auf ihren Schutzengel angewiesen.“

Eigentlich hatte sich Gangolf vorgenommen, nicht danach zu fragen; er hatte eine Aufgabe, und die sollte er lösen, ohne lang zu fragen, warum und wieso. Doch nun kam es ihm geradezu beiläufig über die Lippen:
- „Sag’ einmal, was ist da eigentlich passiert, daß die Magda so ein Ding an ihrem Bein hat?“
- „Eine schlimme Geschichte, sie wurde beinahe vergewaltigt, und nicht nur sie, und seitdem schnallen sich die beiden immer einen Chasti um, bevor sie sich mit fremden Männern einlassen.“
- „Waaas schnallen sie sich um?“, wollte Gangolf erstaunt wissen.
- „Ihren Chastity belt, ihren Keuschheitsgürtel.“

Gangolf starrte Bettina sprachlos an, ihm fiel die Kinnlade hinunter. Er wußte natürlich, daß es im Mittelalter so etwas gegeben hatte und im Internet surfend stolperte er auch auf Beiträge, in welchen etwas von Keuschheitsgürteln im Zusammenhang mit SM-Praktiken und erotischen Liebesspielen stand, doch er beachtete das nicht weiter.
Da Gangolf weiterhin wie vom Blitz getroffen dasaß, fragte Bettina ihn:
- „Hast du davon noch nichts gehört?“

Gangolf war nach ein paar Sekunden wieder aus den Tiefen seiner Verwunderung aufgetaucht und sagte:
- „Jetzt ist mir klar, was das war, das sich in meinen Rücken bohrte!“
Nun war es Bettina, die ihn fragend ansah. Gangolf klärte auf:
- „Als ich neulich so scharf abbremsen mußte mit dem Motorrad und die Martina hintenauf, die ist durch das scharfe Bremsen mit voller Wucht auf mich drauf geflogen und da hab’ ich dann plötzlich so einen unerklärlichen Stich gespürt. Und dann, als wir wieder weitergefahren sind, hab’ ich an der Hose von der Martina vorn ein bißchen herumgefummelt und hab’ dabei bemerkt, daß die da wirklich irgend was Hartes drin hat, aber ich hab’ dann nichts weiter gesagt.“
Ein Schmunzeln huschte über Bettinas Gesicht, sie malte sich aus, wie dieser Vorgang abgelaufen war; sie überlegte sich, ob es die Rache des Schicksals gewesen sei, die Passive gab dem Aktiven einen Stich.
- „Ja, ja, du edler Ritter, ich hoffe, du hattest deinen dominanten Part genossen!“

Gangolf hätte sich nicht in seinen kühnsten Träumen ausmalen mögen, daß er in gar nicht mehr allzu weiter Ferne nur noch den devoten Part innehaben würde, und das wider Willen...




























34. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von folssom am 01.09.21 22:22

"Es ist schon wieder Mittwoch, die Zeit rast dahin, übermorgen kommt die nächste Fortsetzung, bis dahin alles Gute!"

und ich freue schon jetzt darauf.

mfg
35. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 03.09.21 19:23


"und ich freue schon jetzt darauf"
Rückmeldungen freuen mich immer, auch kritische Anmerkungen; ich bin dabei, einen weiteren Roman zu verfassen, und in diesen könnte ich entsprechende Anregungen einfließen lassen!
Viel Vergnügen beim Lesen,
M a g n u s .


17


Es ist spät am Abend geworden, als sich Bettina von Gangolf verabschiedet hatte, die beiden hätten sich noch endloslang miteinander unterhalten können; Gangolf führte liebend gern Gespräche mit der Pfarrerin, sie wußte über so vieles Bescheid, sie waren in vielen Dingen gleicher Ansicht, er fühlte sich zu ihr hingezogen. Sie war keine ausgesprochene Schönheit, ganz im Gegensatz zu Martina, doch Bettina war schön, wie jede junge Frau von Natur aus schön ist.

Das traf auch für Magda zu, überhaupt ähnelten sich die beiden Frauen von Statur und Aussehen her, allerdings nicht, wie sie sich gaben: Während Bettina wert auf schöne Kleidung legte, die durchaus modern sein durfte, erinnerte sich Gangolf an die abgewetzten Shorts, welche Magda an dem Sonntag getragen hatte, als er mit den anderen beiden Frauen bei ihr zum Mittagessen war. Ihr T-Shirt war ausgebleicht gewesen, auf dem Sofa, das ihr des Nachts als Bett diente, war eine schäbige Jeans und eine ausgefranste Jacke gelegen. Daneben standen vollkommen ausgelatschte Chucks, an den Fersen aufgerissen, die Schnürsenkel mehrfach verknotet.

All diese Gedanken schwirrten Gangolf durch den Kopf, bis er durch das Läuten der Glocken von diesen befreit wurde, und der Klang ihn zur Besinnung brachte, sich endlich auf den in Kürze beginnenden Gottesdienst zu konzentrieren. Doch während der Predigt ertappte sich Gangolf erneut, mit seinen Sinnen nicht bei der Sache zu sein. Er war im Gedanken bei dem Gespräch mit Bettina, das sie am Vorabend geführt hatten.

Die Bekanntschaft mit den drei jungen Frauen ist über Gangolf einfach so hereingebrochen, sie hat sich irgendwie unheimlich rasch entwickelt, eine Eigendynamik angenommen. Konnte er noch zurück, noch nein sagen? Schwerlich, denn zu sehr war er bereits gefangen in Begeisterung, Liebe, Neugier, Nervenkitzel, Vorhaben am Rande der Illegalität. Seine bohrende Frage, warum Magda unter Überwachung stand, blieb ihm immer noch unbeantwortet.

Gangolfs Sinne wurden jäh wieder auf Bettinas Predigt gelenkt, als jene etwas vom Sturm auf dem See Genezareth erzählte und wie wir uns das hier in unserer Gegend kaum vorstellen könnten, da unsere Seen doch viel kleiner seien und hier kein ernsthaft gefährlich werdender Sturm einsetzten würde:

- "Ich bin selber kein Wassersportler, doch sehe ich manchmal begeistert und mit Bewunderung den vielen Touristen zu, wie sie in ihren Booten die Fließe im Schleewald durchkreuzen, doch auf den Seen sehe ich eigentlich nur selten jemanden. Einsam auf einer weiten Seefläche in einem schmalen schaukelndem Bötlein zu sitzen, hunderte Meter vom Ufer entfernt, vielleicht kann uns das eine Vorstellung der Nöte der Jünger vermitteln, als diese mit ihrem Segelboot in einen Sturm gerieten."

'Höre ich da aus dem Mund der Frau Pfarrerin einen geheimen Wunsch heraus?', machte sich Gangolf gleich wieder seine Gedanken, 'trifft das Bibelwort zu: >Wovon das Herz voll ist, davon redet der Mund. Gangolf würde es bald erfahren.

Nachdem Gangolf sein Orgelnachspiel beendet hatte, traf er am Kirchenausgang auf Bettina, wie sie im Gespräch mit anderen Gottesdienstbesuchern war; sie gab ihm beiläufig einen Wink, auf sie zu warten. Gangolf trat aus der Kirche und blinzelte geblendet vom grellen Sonnenlicht auf die Niederung des Dorfes und der umgebenden Flur hinab.
Nachdem Bettina die letzten Kirchenbesucher verabschiedet hatte und anschließend in der Sakristei den Talar abgelegt und ihre waffenscheinpflichtigen Plateau-Stiefeletten gegen die flachen Chucks gewechselt hatte, verließ auch sie die Kirche und schlug Gangolf vor, irgendwo noch einen Kaffee zu trinken. Sie einigten sich rasch auf die Eisdiele; Bettina war erfreut, auf diese Weise dort auch einmal hinzukommen, denn bislang war sie immer nur daran vorbeigefahren.

Gangolf war immer wieder davon überrascht, mit welcher ballettänzerhaften Geschmeidigkeit es jungen Frauen gelang, vor einem Stuhl stehend das linke Bein anzuwinkeln, es im angewinkelten Zustand auf die Sitzfläche zu plazieren, um sich darauf niederzusetzen, so daß der obere Bereich des rechten Oberschenkels zur Hüfte hin auf der linken Wade zu liegen kam. Mit der rechten Hand begann Bettina sodann, den seitlich abstehenden Schuh an der gummierten Zehenkappe zu umgreifen und mit den Fingern massierende Bewegungen daran vorzunehmen.
Das Faszinierende an dieser besonderen Art von Körperverrenkung war die Eleganz, mit welcher Bettina diesen Vorgang absolvierte; sie lächelte dabei unentwegt abwechselnd Gangolf und die Gäste an, welche an den benachbarten Tischchen saßen. Giuseppe kam hinzu und begrüßte die beiden:

- „Buon giorno, Signorina , ciao amico!”
Bettina erwiderte mit einem einfachen: „Ciao“, dagegen setzte Gangolf an:
- „Niente di signorina, diciamo è pastorella!”
- “Pastorella? Ah, pastore evangelica, e vero?”
- “Si, certo.”
- “Ah, mi piace, bella, bella.”

‘Alter Charmeur’, kam es Gangolf in den Sinn, dann bestellten sie Eis und Kaffee.

Als Giuseppe wieder gegangen war, wollte Bettina wissen: „Woher kannst du so gut italienisch?“
- „Soo gut kann ich das gar nicht,“ erwiderte Gangolf, „im Gegenteil, ich hab’ das nie richtig gelernt, aber ich war halt oft dort, beruflich, in Mailand und auch anderswo in der Poebene, da half mir mein Schul-Französisch ganz gut weiter, die Sprachen sind ähnlich, und so entwickelte sich das im Lauf der Zeit.“
- „Find’ ich toll“, meinte daraufhin Martina, doch Gangolf wiegelte ab:
- „Ihr Theologen müßt ja gerade reden: Latein, Griechisch, Hebräisch, und dann noch die halbe Bibel auswendig hersagen!“
- „Jetzt übertreib’ mal nicht,“ dämpfte sie ihn nun ihrerseits, „Latein, ja so einigermaßen, aber Griechisch, also genauer Altgriechisch und Hebräisch, das haben wir im Seminar nur ganz ganz oberflächlich gehabt.“
- „Trotzdem sehr bemerkenswert, und schaust du da manchmal nach, wie etwas im Urtext geschrieben steht?“
- „Ehrlich gesagt, fast nie, es gibt ja mittlerweile für jeden Vers vielfache Kommentare auf deutsch, interessant finde ich dann die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Bibelstellen, vor allem die Voraussagen im Alten Testament, die sich dann im Neuen erfüllten.“

In diesem Augenblick kam Giuseppe mit dem Tablettchen zurück, auf dem er das bestellte Eis und den Kaffee jonglierte:
- „Prego Signora, prego Gianni!”
An den Vornamen Gangolf wollte sich Giuseppe nicht gewöhnen, er sprach Gangolf immer mit Gianni an. Als Gangolf hörte, daß Giuseppe nun Signora anstelle Signorina sagte, kamen ihm Skrupel, ob am Ende doch Signorina richtiger gewesen wäre. Als Giuseppe wieder gegangen war, fragte er sie:
- „Entschuldige bitte, wenn ich das so direkt frage, was trifft für dich jetzt zu, Signora oder Signorina?“
- „Ja, hm, nicht so einfach zu beantworten“, meinte Bettina und rührte dabei etwas verlegen ihren Kaffee um, und sie spürte, wie das Blut in ihren Kopf stieg.

‚Daß ich auch immer so schnell Verlegenheit verspüre’, schalt sie sich selber, ‚das möchte ich doch gar nicht, daß ich immer so rot anlaufe.’ Andererseits war ihr bewußt, daß man diesen Vorgang nicht willentlich steuern kann.
Nachdem ihre Verlegenheit etwas gewichen war, fuhr sie fort:
- „Es ist so, sagen wir `mal so, daß ich in gewisser Weise liiert bin.“
- „Ah ja, freut mich für dich“, log daraufhin Gangolf, ebenfalls leicht errötend.

Als nun beide sich über ihre Eiskugeln hermachten, trat dadurch zwangsläufig eine Gesprächspause ein. Beide ergingen sich in Grübeleien, Gangolf dachte sich:
‚Was will sie damit sagen, >in gewisser Weise liiert
Gangolf beschloß, ein bißchen vorzufühlen, wie weit er gehen konnte, wie weit sie ihn gewähren ließ. Sie saßen sich nicht gegenüber an dem Tischchen, sondern über Eck. Als das Eis gebracht worden war, zog sie ihr linkes Bein aus der Sitzfläche heraus, schwang sich rechts herum, Gangolf zugewandt, und schlug nun das linke Bein über das rechte. Auf diese Weise wippte ihr linker Fuß in Gangolfs Richtung. Er schlug daraufhin gleichfalls die Beine übereinander, das rechte über das linke, und berührte mit seiner Fußspitze die ihrige.

Entgegen seiner Gewohnheit, zum Orgelspielen die flachen schwarzen Puma-Schuhe mit seitlicher Schnürung anzuziehen, holte Gangolf am Morgen seine Chucks heraus, die er üblicherweise anhatte, wenn es darum geht, auf den Hausdächern zu den Photovoltaik-Platten zu gelangen. Während dort die griffigen Gummisohlen von Vorteil waren, erwiesen sie sich beim Orgelspielen nachteilig; das Vor- und Zurückgleiten auf den Pedaltasten war deutlich erschwert, auch das Druckgefühl durch die dickeren Sohlen war beeinträchtigt. Doch Gangolf nahm das in Kauf und es freute ihn sehr, daß er nun mit seinen gleichartigen Schuhen an die von Bettina anstoßen konnte.

Bettina bemerkte natürlich sofort sein Anstupsen an ihre Zehenkappe, sie lächelte Gangolf an, sagte aber nichts dazu. Nach einer Weile wurde Gangolf die Sitzhaltung, welche einen leicht gedrehten Oberkörper erforderte, zu unbequem, und er stellte seine Füße wieder nebeneinander unter den Tisch. Ohne von seinem Eis aufzusehen, griff er mit der linken Hand unter den Tisch, löste die Schnürsenkel von seinem linken Schuh, schlüpfte aus diesem heraus, zog mit einem Ruck den Socken vom Fuß und tappte vorsichtig mit den Zehen auf Bettinas rechten Schuh.

Vorsichtig arbeiteten sich Gangolfs Zehen weiter vor Richtung Fußrücken, als seine Fußsohle die Gummikappe von Bettinas Schuh erreichte, durchströmte ihn ein leichtes Lustgefühl; er hätte nicht gedacht, daß seine Fußsohle auf diese Berührung so sensibel reagieren würde. Bettina honorierte diese neue Form der Zuwendung mit einem weiteren vielsagenden Lächeln. Sie nahm ihr linkes Bein herunter, zog das Knie herauf, so daß ihr linker Fuß mit der Ferse auf der Sitzfläche auflag, löste nun gleichfalls das Schuhbändel, warf Schuh und Socken unter den Tisch und legte den seiner Bekleidung beraubten Fuß auf Gangolfs Fuß, der weiterhin auf Bettinas rechtem beschuhten Fuß ruhte.

Dieser Vorgang verlief dermaßen geschmeidig-schnell, daß Gangolf zunächst gar nichts von Bettinas Aktion mitbekam; als ihre weiche Fußsohle auf seinem Fußrücken zu ruhen kam, fühlte er sich wie elektrisiert, er lehnte sich, so weit es möglich war, auf seinem Stuhl zurück und genoß die wohlige lustversprühende Wärme ihres Fußes auf dem seinen. Sie saßen unbewegt da und blickten sich regungslos an, das Leuchten in ihren Augen ging in ein strahlendes Glänzen über, wie das nur bei Verliebten geschehen konnte.

Nach einer halben Ewigkeit hob Bettina ihren Fuß an, um ihn von Gangolfs Fuß zu nehmen. Blitzschnell griff Gangolf unter den Tisch, faßte Bettinas Fuß, zog ihn unter dem Tisch zu sich hinauf und plazierte ihn auf die Sitzfläche zwischen seinen Oberschenkeln. Auch diese Vergewaltigung ließ Bettina wortlos über sich ergehen, sie genoß es sichtlich, als nun Gangolf damit begann, ihre Zehen einzeln sanft mit seinen Händen zu massieren. Bettina rückte dazu mit ihrem Stuhl noch ein wenig nach rechts, damit ihr linkes Bein in eine bequeme Lage kam, doch sie vermied es, den Fuß durchzudrücken, unter allen Umständen wollte sie es verhindern, Tuchfühlung mit seinem empfindlichsten Körperteil aufzunehmen.

Beide hatten das Eisessen eingestellt; während der letzte Rest ihres Kaffees kalt wurde, schmolz das Eis in der warmen Luft dahin, so daß sich unten in der Schale bald nur noch eine undefinierbare Soße befand. Bettinas Atem wurde schneller, hörbar stieß sie die Luft durch ihren lächelnden Mund, die Augäpfel vergrößerten sich zu einem Kreis. Als Giuseppe auftauchte, entwand sie ihre Zehen aus Gangolfs massierenden Händen und setzte den Fuß artig unter dem Tisch ab.

An dem kleinen Parkplatz neben der Kirche angekommen öffnete Bettina die Fahrertür ihres schnuckeligen roten Elektrowägelchens, lehnte sich, bevor sie einstieg, an den Türholm; Gangolf kam hinzu, blieb einen halben Meter vor ihr stehen, bückte sich leicht, öffnete hoffnungsvoll seinen Mund, doch Bettina preßte ihre Lippen zusammen und schüttelte leicht den Kopf. Jetzt war Gangolf klar, wo die Grenzlinie für ihn bei Bettina lag.
























36. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 11.09.21 06:31

18


Als am frühen Nachmittag Magda die Haustür öffnete, blickte Gangolf entsetzt in ein verheultes Gesicht mit blutunterlaufenen Augen. Während Magda hinter der Tür zur Seite trat, um ihn hereinzulassen, griff sie zu dem Reißverschluß ihres abgewetzten Trainingsanzugs und zog den Reißverschluß bis ganz nach oben, so daß ihr Hals bis zum Kinn hinauf mit dem Stoff bedeckt worden war. Gangolf war dieses Tun vollkommen unverständlich, da in dem Stiegenhaus eine stickig-warme Luft waberte; erst beim Eintreten erfaßte ihn das Entsetzen über Magdas Aussehen.

- "Hallo", flüsterte Magda als Begrüßung, Gangolf grüßte sie mit einem:
- "Hallo Magda, wie siehst du denn aus?".
Sie entgegnete nichts, schweigend stiegen sie die Stiege hinauf. Er wollte sie oben in ihrer Wohnung zur Rede stellen, ihm kamen immer stärkere Zweifel, ob das Sadomaso-Spiel am Vortag einvernehmlich verlief. Als er Magdas Stube betrat, sah er zu seiner Verwunderung Martina auf dem Sofa liegen: Den Kopf auf der zusammengerollten Bettdecke gestützt hielt sie auf dem Schoß ihren Laptop; sie hatte es nicht für nötig gehalten, ihre 10-Loch-Dr. Martens-Stiefel auszuziehen, sondern stemmte diese mit angezogenen Knien auf das saubere Bettuch, das über dem Sofa gebreitet lag.

- "Hallo Martina", begrüßte Gangolf sie, doch sie hob nur ganz kurz den Blick von dem Bildschirm weg zu ihm, knallte ihm ein "Hi" entgegen und beschäftigte sich sofort wieder mit ihrem Computer.
'Wie ist denn die heute drauf', wunderte sich Gangolf, sagte aber nichts weiter. Er stellte seine Geräte, die er übereinander gestapelt heraufgeschleppt hatte, auf dem Tisch ab. Nun flötete Magda:
- "Möchtest du noch was essen, wir haben noch was, soll ich es dir aufwärmen?"

Schon allein deswegen, weil sie die Frage mit einem geradezu flehenden Ton gestellt hatte, aber auch, weil er tatsächlich Hunger verspürte, da das Eisessen mit Bettina bereits über eine Stunde zurücklag, nahm er dankbar an. Während sich Magda in die Küche zurückzog und bis in die Stube hinaus gut vernehmbar den Reißverschluß ihrer schäbigen Sportjacke öffnete, arrangierte Gangolf die Meßgeräte auf dem Tisch, holte kleine Antennen aus einer mitgebrachten Tasche heraus und schloß sie mit speziellen Kabeln an die Verstärker an.

Als Gangolf an der Rückseite der Gehäuse die dort in kleinen Schlingen aufgewickelten Netzanschlußkabel löste, fiel im ein, daß er keine Mehrfach-Steckdosenleiste mitgebracht hatte. Er ging in die Küche, um Magda nach einer solchen zu fragen. Als er eintrat, erschrank Magda dermaßen, daß sie sich auf einen Küchenhocker fallen ließ, die Hände vor das Gesicht nahm und in Tränen ausbrach.
Nun seinerseits erschrocken über Magdas heftige Reaktion ging Gangolf in die Hocke, um mit ihr auf Augenhöhe zu sein.
- "Magda", rief er entsetzt, "bitte entschuldige, ich wollte dich wirklich nicht erschrecken, es tut mir furchtbar leid, ich hätte anklopfen müssen."
Magda schüttelte den Kopf, nahm die Hände herunter und flüsterte:
- "Nein, nein, du kannst nichts dafür."
Nun hob sie ihren Kopf und richtete den Blick auf Gangolf. In diesem Moment erkannte er Striemen, die quer über ihren Hals verliefen wie nach einer Strangulation.

'Um Gottes willen', schauderte es Gangolf, 'wollte sie sich das Leben neben? Doch warum sitzt dann die Martina einfach wortlos da, völlig desinteressiert?'
Gangolf wurde der Martina immer unsympathischer, ihr Macho-Gehabe widerte ihn an. Er überlegte, daß es jetzt wohl die letzte Gelegenheit wäre, die Notbremse zu ziehen, die Funkmeßgeräte wieder einzupacken und Martinas Dunstkreis für immer zu verlassen. Doch dann dauerte ihn Magda, die Ärmste, mit dem zutreffenden Zunamen Armdran. Er konnte sie gerade jetzt nicht verlassen, ganz unabhängig von der blöden Fußfessel, von welcher er sie befreien sollte.

- "Kann ich dir was helfen?", stotterte Gangolf verlegen.
- "Nein, nein, es ist gleich fertig, setz' dich schon mal", entgegnete sie und erhob sich.
Auch Gangolf erhob sich daraufhin und setzte sich draußen an den Tisch. Martina würdigte ihn weiterhin keines Blickes. Wenige Augenblicke später kam Magda herein mit dem Teller in der Hand, sie wünschte ihm Guten Appetit und schickte sich an, wieder in die Küche zurückzukehren.
- "Ach bleib' doch bitte da", rief Gangolf ihr nach, "Die Martina scheint heut' ja nicht gerade sehr gesprächig zu sein!"
Immerhin hob daraufhin Martina ihren Kopf und richtete den Blick auf ihn. Magda hatte sich zu ihm an den Tisch gesetzt, Gangolf stellte nun seine Frage nach einem Verlängerungskabel, jene Frage, mit der er wenige Minuten zuvor in die Küche gekommen war und dabei Magda so unheimlich tief erschreckt hatte. Magda blickte etwas hilflos umher und starrte dann Martina an. Diese knurrte:
- "Ist das deine einzige Verlängerung?"
Magda flötete schüchtern: "Ja, ich glaub' schon."
Martina beugte sich seitlich und war im Begriff, den Stecker des Ladegeräts für ihren Laptop auszustecken. Gangolf intervenierte:
- "Laß' ihn noch stecken, bis ich gegessen hab'."

Gangolf genoß das hervorragend schmeckende Nudelgericht, blickte dabei abwechselnd die beiden jungen Frauen an, doch es kam kein Gespräch zustande: Martina verkroch sich hinter ihrem Bildschirm, und Magda fiel es schwer, überhaupt einigermaßen gerade auf dem Stuhl zu sitzen. Gangolf erkannte die Peinlichkeit und wandte sich zu ihr:
- "Also ich will dich nicht aufhalten, wenn du was zu tun hast, das Essen ist hervorragend, woher kannst du so gut kochen?"
Magda stammelte ein schüchternes "Danke", erhob sich dann und ging in die Küche. Als Gangolf fertig gegessen hatte, wandte er sich an Martina und bat nun um das Kabel mit der Dreifach-Steckdose. Martina zog den Stecker des Ladekabels heraus und überwand sich zu den zwei Worten:
- "Da, nimm'!"

Gangolf mußte schwer an sich halten, um nicht zu explodieren, er dachte sich:
'Da opfere ich meinen Sonntag-Nachmittag, um deine beste Freundin von ihrer Fußfessel zu befreien, da riskiere ich eine Straftat, schon wieder eine, und du schnauzt mich blöd an, bloß weil dein verdammter Computer jetzt nicht mehr aufgeladen wird. Geh' doch damit in eine andere Ecke, wo eine freie Steckdose ist'.

Irgendwie schaffte es Gangolf, seine Empörung herunterzuschlucken und nichts zu sagen. Er verband die Meßgeräte mit dem Stromnetz und schaltete sie ein. Sowohl mit dem Spektrumanalysator, als auch mit dem Oszillograph erkannte er schnell einige Signale im Frequenzbereich 700 Megahertz und 1,7 Gigahertz. Nun mußte er die beiden Mädels auffordern, ihre Smartphones abzuschalten, damit er bei den Messungen nur die Signale der Fessel-Elektronik erfaßte, sein eigenes hatte er bereits abgeschaltet.

- "Wieso denn das?", knurrte Martina und Magda sagte, sie habe gar keines, zumindest kein funktionsfähiges. Eigentlich war sie verpflichtet, bei der Polizei die Rufnummer zu hinterlassen, unter welcher sie ständig erreichbar war, doch konnte Martina den Beamten verdeutlichen, daß Magda noch einen Festnetz-Anschluß habe, und da sie sich ohnehin fast immer nur zuhause aufhielte, von den kurzen Besorgungen in der Stadt abgesehen, sollte damit die Erreichbarkeit gewährleistet sein.
Seit drei Jahren wurden keine neuen Festnetz-Anschlüsse mehr hergestellt, Altanschlüsse wurden von der Telekom als Netzbetreiber in der untersten Ebene aber weiterhin gepflegt.
- "Ich kann sonst nicht die Signale von der Fußfessel-Elektronik auswerten", erläuterte Gangolf, "denn die sendet auf ähnlichen Frequenzen wie der Mobilfunk".


Mißmutig zog Martina ihr iPad heraus und maunzte:
- "Ja gleich, aber ich muß erst noch einen Anruf machen!"
Gangolf lehnte sich zurück, als Martina zu telephonieren begann:
- "Hi Süße, bist du jetzt endlich zuhause?" ... "Ja super, ich komm' dann gleich!" ... "Ja, der ist da, der braucht noch länger, der fängt gerade erst an." ... "Nee, seh' ich kein Problem, die steckt in ihrem Chasti!"

Gangolfs Aufmerksamkeit wurde wachgerufen, dann stimmte es also, was Bettina ihm gesagt hatte, daß die beiden Keuschheitsgürtel aus Schutz vor männlichen Angreifern trugen. Während Gangolfs Gedanken kreisten, klappte Martina ihren Laptop zu, steckte ihn in eine schmale Umhängetasche, die sie vom Fußboden aufhob und drehte sich mit einem leichten Schwung seitlich aus dem Bett. Dabei stieß sie sich mit dem Kopf an die Dachschräge, sie fluchte:
- "Verdammte Krachbude hier".
Ihre Docs verursachten auf dem weißen Bettuch den typischen Abdruck der Profilsohle, doch Martina kümmerte sich nicht im Geringsten darum, schulterte die Umhängetasche mit dem Laptop und stürmte grußlos aus dem Zimmer. Auf den hölzernen Stufen der Stiege hörte man das Trampeln der Stiefel, die Haustür quittierte das Zuschlagen mit einem donnernden Knall, der zu den Zurückgebliebenen hinaufhallte.
Gangolf blickte Magda verdutzt an, diese sagte:
- "Ja, so ist sie oft."
Nun hielt es Gangolf für geraten, seine bohrende Frage loszuwerden:
- "Also Magda, es geht mich ja eigentlich nichts an, aber es ist so, daß ich bereits gestern einmal da gewesen bin und da hörte ich furchtbare Schreie aus deiner Wohnung. Ich bin dann wieder gegangen. Was war da los, war sie da beteiligt irgendwie?"

Magdas Gesichtszüge erstarrten, ihre Wangen wechselten die Farben, von rot bis weiß, die Sommersprossen traten einmal mehr, einmal weniger stark hervor. Anstelle eine Antwort abzuwarten fuhr Gangolf fort:
- "Ich hab' mit der Bettina darüber gesprochen, sie meinte, also sie leugnete es zumindest nicht, daß ihr solche Sadomaso-Spiele betreibt, aber jetzt sag' ehrlich, geht die Martina nicht zu weit dabei, so wie du geschrien hast, und dann die Spuren auf deinem Hals, red' jetzt offen zu mir, ich bin da jetzt in eueren Kreis hereingezogen worden, um dich von der Fußfessel zu befreien, wobei ich noch längst nicht weiß, ob mir das gelingen wird, aber davon unabhängig, also ich möchte dir überhaupt helfen, bitte sag' mir jetzt, ob du diese brutale Härte wirklich magst."

Magda brach in Tränen aus, sie legte ihre Handrücken nebeneinander auf den Rand der Tischplatte und drückte ihr Gesicht in sie hinein. Als sie sich etwas beruhigt hatte, stammelte sie:
- "Manchmal ist die Herrin zu streng zu mir, dabei hab' ich doch alles für sie getan."

Gangolf griff über den Tisch und wuschelte in ihren Haaren, derweil sie ihren Kopf weiterhin in ihren Händen auf der Tischplatte geneigt hielt. Nach einer Weile hob sie ihren Kopf, er zog seine Hand zurück. Sie sprach jetzt mit klarer Stimme:
- "Bitte mach' mir das Ding ab, damit ich wieder frei bin und zu ihr kommen kann, dann wird sie nicht mehr so böse auf mich sein."

Gangolf wußte nicht mehr, was er denken sollte, ihm lagen so viele Fragen auf der Zunge, doch er hatte das Gefühl, daß mit jeder mühsam errungenen Antwort gleich eine Vielzahl weiterer Fragen sich aufdrängten. Er wurde von einer vagen Ahnung ergriffen, was zwischen den beiden Frauen ablief, daß es eine starke Abhängigkeit gab; unklar blieb ihm der Grund für Magdas Verurteilung, eine elektronische Fußfessel tragen zu müssen. Er beschloß, das Gehörte erst einmal setzen zu lassen und antwortete:
- "Magda, ich kann dir nicht versprechen, ob es gelingen wird, aber ich werde das auf alle Fälle nur für dich machen, damit du ein freies Leben führen kannst, ich will gar nicht wissen, warum du dieses blöde Ding tragen mußt, ich kann mir nicht im Geringsten vorstellen, daß du irgend ein Verbrechen begangen hättest."

- "Bitte, Gangolf, reden wir jetzt nicht darüber", bat Magda und ihre Gesichtsfarbe wechselte in ein Knallrot. Gangolf wollte es dabei bewenden lassen, doch irritierte ihn ihre abwehrende Haltung. Er überlegte sich, ob sie vielleicht doch aus einem Impuls heraus etwas getan hat, daß sie sich einmal nicht beherrschen konnte im Erleiden ewiger Knechtschaft. Und das nutzt Martina aus, dachte er sich weiter, Magda ist ihr hörig, Martina, die Sadistin, hat ihr Opfer gefunden, wahrscheinlich erpreßt sie Magda, nötigt sie zu ihren sadistischen Spielen, da sie vielleicht noch mehr weiß und Magda dann am Ende wieder einfahren müßte.

- "Also dann fangen wir einfach an," wollte Gangolf ihr Geheimnis vorerst auf sich beruhen lassen, "oder machst du mir bitte noch einen Kaffee, bevor wir loslegen".
Magda taute allmählich auf aus ihrer Verhärmung, die Röte wich aus ihrem Gesicht, sie wischte sich die Tränen weg und lächelte ihn an:
- "Sie sagt nie >bitte<, sie fordert und befiehlt immer nur."

Magda kam mit den Kaffeetassen aus der Küche und fragte: "Darf ich mich neben dich setzen?"
- "Ja freilich, was für eine Frage, das ist hier doch deine Wohnung, du bist hier die Hausherrin, niemand sonst, ich, wir sind nur die Gäste."
Unwillkürlich schnitt Gangolf damit wieder das Thema an, doch entfaltete es sich nicht weiter. Mit großen Augen verfolgte Magda die beeindruckenden Signalkurven auf den Geräten.
"Nachdem wir nun hier keine Handys mehr an haben, müßten diese Signale von deinem Ding da kommen. Geh' doch bitte einmal ein paar Schritte weg, dann müßte die Amplitude schwächer werden."

Magda verstand nur Bahnhof, erhob sich aber und ging zur Küchentür. Tatsächlich bildete sich Gangolf ein, daß sich die Signalstärke verringert habe, doch war es aufgrund der Vielzahl von Impulsen gar nicht so einfach, das eindeutig festzustellen.
"Und nun komm' wieder her, ganz nah, stell' am besten den Fuß auf den Stuhl".
Magda kam herzu und stellte ihren rechten Fuß auf die Sitzfläche. Gangolf nahm die Antenne vom Tisch und führte sie zu ihrem Fuß. Doch dann stellte er fest, daß es der falsche war und beide lachten über das Mißgeschick. Als nun Magdas linker Fuß neben dem Meßaufbau stand und Gangolf die Antenne ganz nahe an das Kästchen mit der Fußfessel-Elektronik hielt, sahen sie auf den Diagrammen deutlich den Anstieg der Signalkurven.
- "Das sind also jetzt eindeutig die Signale von der Elektronik da drin", kommentierte Gangolf und bat:
- "Kannst du noch eine Weile so verharren, bis ich alles aufgenommen habe?"
- "Aber klar doch", bekräftigte Magda, "wenn du wüßtest, in welchen Verrenkungen ich oft sein muß!"
'Schon wieder dieses Thema', dachte sich Gangolf, 'was muß das Mädel alles erleiden'. Doch er schwieg, er wollte seine Meßreihen zu Ende bringen.

- "Prima, dann werde ich die Signale da alle speichern, damit der Joe sich das ansehen kann. Ich bin schon neugierig darauf, was er dazu sagt und was wir dann machen können!"
'Was für ein Joe', durchzuckte es Magda. Gangolf bemerkte ihre plötzliche Nervosität, er war besorgt wegen ihrer Reaktion.
- "Hat dir die Martina nichts davon erzählt, daß ich das allein nicht alles machen kann, ich brauch' dabei auf jeden Fall den Joe, das ist so ein Computer-Experte, der das alles analysiert und auswertet, und wenn wir dann wissen, wie diese Funkelektronik da drinnen funktioniert, brauchen wir nochmals jemanden, der uns diese Elektronikschaltung nachbaut, die dann die Fesselelektonik simuliert."

Magda verstand gar nichts mehr, sie dachte, Gangolf würde hier und heute sie von dem verhaßten Teil befreien. Sie stand davor, wieder in Tränen auszubrechen:
- "Das kann dann noch lange dauern, sag'!"
- "Ja, sicher, das ist alles nicht so einfach, was hast du gedacht. Aber jetzt sei nicht gleich so enttäuscht, heute haben wir einen Anfang gemacht und wenn du willst, werden wir auch weiter machen. Aber wir brauchen Zeit. Ich muß erst mit dem Joe Kontakt aufnehmen und wenn der soweit ist, dann muß noch ein guter Funkelektroniker heran, den wir in das Vertrauen einbeziehen können. Immerhin machen wir da ja eine strafbare Handlung, wir versuchen, eine Vollzugsmaßnahme zu brechen, so was wie eine Flucht aus dem Gefängnis planen."

Magda sank vor ihm auf die Knie, umarmte Gangolf und drückte ihre Tränen an seine Brust.
















37. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von folssom am 13.09.21 21:54

Wieder eine tolle Fortsetzung. Z. Zt. ist es für mich kaum vorstellbar, wie Gangolf in die Fänge von Martina gerät, aber so wird die Spannung noch längere Zeit aufrecht erhalten, muss er doch erst einmal Magda von der Fußfessel befreien.

mfg
38. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 18.09.21 00:10

"Wieder eine tolle Fortsetzung"

Danke für das Kompliment, Sarah, das spornt mich an, meinen nächsten Roman zu schreiben!
Viel Spaß beim Lesen, und viel Geduld!
M a g n u s .



19

Graumaus provozierte. Sie provozierte immer. Mit ihren 37 Jahren die Jüngste unter den Kabinettsmitgliedern kleidete sie sich stets aufsäßig. Während ihre Kolleginnen im Kostüm, im Hosenanzug, im langen Rock in den ehrwürdigen Hallen des Reichstagsgebäudes wandelten, begleitet von dem Klacken ihrer mehr oder weniger hohen Absatzschuhe, schlich Graumaus in sackartigen Hüllen aus derben Stoff auf leisen Sneakers-Sohlen durch die Gänge, ihre blonden Haare aufgesteckt.
Doch heute rief die Frau Bundesumweltministerin eine wirklich atemberaubende Provokation hervor: Sie watschelte in gummierten Wathosen in die Plenarsitzung, in das grüne Gummi gekleidet von den Fußsohlen durchgängig bis über die Brust, fast bist zum Halsansatz, der buschige Pferdeschopf rundete die skurrile Gesamterscheinung ab.

Kanzlerin Prank-Barrenkauer warf ihr einen verächtlichen Blick zu, wandte sich aber gleich wieder ihrem Manuskript zu. Die Tagesordnung für die heutige Sitzung war lang. Es blieb selbstverständlich nicht aus, daß sich das übliche Getuschel vor Beginn der Sitzung zu einem deutlich wahrnehmbaren Gemurmel steigerte, beispielsweise unkte Wirtschaftsminister Fettmeier, ob das eine neue Art der Empfängnisverhütung sei. Er rief damit bei vielen ein lautes Gelächter hervor, einige der Anwesenden grinsten nur, wenige ignorierten seine Anmerkungen. Alle bewunderten indes im Geheimen den Mut der jungen Ministerin, wie sie durch ihre Provokationen wachrüttelte und die wahren Probleme in der Gesellschaft ansprach.

Kanzlerin Prank eröffnete wie immer die Sitzung, hieß alle willkommen und bat, die Tagesordnungspunkte diszipliniert abzuarbeiten; die Liste sei lang, unnötige Kommentare sollten vermieden werden, und das heute ganz besonders wegen der Vielzahl der Themen. Sie ließ sich nicht durch Graumaus' Erscheinung irritieren, zwar knisterte die Wathose ab und zu durchaus hörbar, aber außer einem Grinsen bei den in der Nähe Sitzenden führte das nicht weiter zu einer Störung des Sitzungsablaufs.

Die Berichte aus den verschiedenen Ressorts waren deprimierend, es gab, wie so oft, nur Negatives zu berichten; besorgniserregend waren vor allem die militärischen Eskalationen in fast allen Ecken der Erde: Selbst der längst vergessene Tschetschenenkonflikt brach wieder auf, der Dauerkonflikt Palästina, die Einverleibung Weißrußlands nach Rußland, die Spaltung der Ukraine in einen rußlandhörigen Teil und in den sich nach der Europäischen Union strebenden Teil, der Grenzzaun der USA zu Mexiko mit den Tausenden, die von Mexiko aus den Zaun zu überwinden suchen, die Spannungen zwischen Nord- und Südkorea, die Kämpfe in Zentralafrika, die militärischen Provokationen Chinas mit seinen Nachbarn in Form von Truppen- und Seemanövern.

Dagegen wirkte Graumaus' Verkleidungs-Provokation geradezu friedlich; als Prank sie aufforderte, ihren Bericht zur Umweltsituation zu liefern, erhob sie sich, um nicht nur die akustische Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, sondern auch die optische. Alle Augen waren auf sie gerichtet, als sie das vor ihrem Platz montierte Schwanenhalsmikrophon empor bog, so daß es auf der Höhe ihrer olivgrün eingepackten Brüste zu ruhen kam. Üblicherweise verlasen die Minister und ihre Staatssekretäre ihre Berichte im Sitzen, doch sie wollte auf diese Weise auffallen, provozieren um jeden Preis. Sie kam auch gleich auf den Punkt:

- "Meine Damen und Herren, mag die militärische Bedrohung in der Welt noch so furchtbar sein, die Klimakatastrophe wird alles andere auf unserem Planeten in den Hintergrund treten lassen, es ist nicht mehr fünf vor zwölf, es ist fünf nach zwölf. In einem internen Papier kamen die Experten aller Nordseeanrainerstaaten überein, daß der Anstieg des Meeresspiegels in den nächsten Jahren weit dramatischer ausfallen wird als bisher selbst in >worst case< -Szenarien errechnet wurde. Die Fachleute raten, die deutschen und niederländischen Nordseeinseln aufzugeben. Vor allem sind die nordfriesischen Halligen nicht mehr zu halten, das sie umgebende Wattenmeer durch die ständigen Sturmfluten schwer geschädigt, die mühsame Stabilisierung der Küstenlinien durch natürliche Buhnen-Deichbaumaßnahmen vollkommen zunichte gemacht.
Seit Jahren sind die Weideflächen der Halligen aufgrund der häufigen Überschwemmungen versalzen, Weidetiere finden kaum mehr ausreichend genießbare Gräser, so daß die Beweidung sowohl mit Rindern, als auch mit Schafen, aufgegeben wurde. Die Touristen bleiben aus, da sowohl die Wattwanderungen ausfallen, als auch die Sparziergänge rings um die Warften durch die ständigen Hochwasserschübe, die noch dazu oft ganz plötzlich eintreten, zu gefährlich werden. Einzig die Sensationstouristen kommen in ihren Wathosen herangestiefelt, um sich daran zu ergötzen, wie die Halligbewohner auf ihren Warften vom Wasser eingeschlossen sind. Der Damm für die Lorenbahn, der vom Festland über die Hallig Oland zur Hallig Langeneß führt, der vor 20 Jahren mit immensem Aufwand errichtet wurde und die alte hölzerne Schienenbefestigung ablöste, dieser Damm droht an vielen Stellen unterspült zu werden, da die seitlichen Strömungen stärker ausfallen als vermutet wurde. Sonach waren die in den Wattboden gerammten Holzpfähle stabiler, da das Wasser durch die Lücken zwischen den Pfählen problemlos quer hindurchströmen konnte."

Graumaus unterbrach für kurze Augenblicke ihren Redeschwall, holte kurz Luft, und ereiferte sich weiter:
- "Die über Jahrzehnte verfehlte Klimapolitik überall in der Welt, auch unsere in Deutschland, führt zu diesen wahnsinnigen Auswirkungen, die die Verantwortlichen nicht wahrhaben wollten, jetzt sind sie da und wir müssen hilflos zusehen, wie die Halligen aufgegeben werden müssen, wie die Deiche überall ständig erhöht werden müssen, die Sperrwerke an der Eider immer öfter geschlossen werden müssen, auch die in der Themse vor London, von Venedig gar nicht zu sprechen, die Malediven sind bereits verschwunden,"
An diesem Punkt der Ausführungen wurde Graumaus von der Kanzlerin unterbrochen:
- "Bleiben wir bei der Situation in Deutschland, kommen Sie auf den Punkt, welche Empfehlungen haben die Ausschüsse in ihrem Ressort erarbeitet?"
Ohne nur einen kurzen Augenblick sich besinnen zu müssen, gab sie trocken zur Antwort:
- "Für die Bewohner Norddeutschlands Watstiefel ausgeben!"
Nur mit Mühe konnten die Anwesenden ein Lachen unterdrücken, zu ernst war das Thema, von Graumaus mit beißendem Sarkasmus in dem knappen Satz zusammengefaßt.

Nach einer kurzen Pause drängte Prank auf die Fortsetzung der Besprechungen. Nachdem endlich alle Redner ihre Berichte vorgetragen hatten, an welche sich Diskussionen unterschiedlicher Qualität und Quantität anschlossen, stellte Staatssekretär Gscheid in seiner typischen schnoddrigen Art eine Frage:
- "Hat man eigentlich `mal wieder was vom Condoma gehört?"
- "Wie bitte, von was?" fuhr Prank ihn an.
- "Na, von dem Virus, der doch da auf der formosen Insel ausgebrochen sein soll und zur anderen Insel verschleppt wurde, wie hieß sie noch mal, England glaub' ich, ja England."
Prank bedachte ihn mit einem grimmigen Blick und schaute fragend in die Runde, doch niemand hob die Hand für eine Wortmeldung.
- "Das fällt doch in ihr Ressort", ergriff schließlich Prank das Wort, "Sie sind doch vom Äußeren!"
- "Seit wann hat das Äußere mit dem Virus zu tun, dafür haben wir doch die vom Gesundheit", echauffierte sich Gscheid. Doch auch die Vertreter des Gesundheitsministeriums wußten dazu nichts zu berichten, und so einigte man sich darauf, daß die Epidemie anscheinend nicht das europäische Festland erreicht hat und hoffentlich als lokale Erscheinung in Großbritannien eingedämmt würde. Doch als sich einige Minister bereits erhoben, um den Sitzungssaal nach den Stunden der Beratungen endlich zu verlassen, meldete sich Verteidigungsminister Schießmann zu Wort:
- "Wenn es darum geht, ausreichend Masken zu liefern, die Bundeswehr hat Wort gehalten und ihre Bestände katalogisiert und für die Austeilung an die Bevölkerung bereitgestellt."
- "Danke, Herr Schießmann", wandte sich Prank an ihn, dankte allen Beteiligten für die sachliche Abhandlung der Themen und wünschte einen guten Nach-Hause-Weg. Als sich bereits alle Mitglieder der hehren Versammlung erhoben hatten, ging sie zu Ministerin Graumaus und lächelte sie mit den Worten an:
- "Also, allen Respekt, Sie bringen es immer wieder auf den Punkt, aber jetzt schauen Sie bloß, daß sie aus dem Zeug herauskommen, Sie müssen ja tierisch schwitzen in dem Gummi."
- "Ach, geht schon, die Eisbären schwitzen sicher viel mehr, wenn ihnen das Eis unter ihrem Fell davonschmilzt!"
'Eine tolle Antwort', dachte sich Kramp und bewunderte sie wegen ihrer Schlagfertigkeit, 'wenn sie nur nicht bei der falschen Partei wäre'.

Graumaus schlappte in ihrem Aufzug hinaus, den Flur entlang zum Stiegenhaus, um bis in den dritten Stock hinaufzusteigen. Sie haßte das Aufzugfahren, aus Prinzip-Gründen, der Umwelt verpflichtet betrachtete sie das Aufzugfahren als Energieverschwendung, denn, wie sie zu sagen pflegte: "Bei den kleinen Dingen im Leben muß man anfangen".
Als Graumaus schließlich in ihre Abteilung gekommen war, hatte sich der Schweiß in ihren Stiefeln zu einer Lache gefüllt, ihre Söckchen waren hoffnungslos durchnäßt, die Feuchtigkeit an ihren Füßen suggerierte ihr das Gefühl, sich mit einem lauten Quietsch-Geräusch zu bewegen, obwohl nur das leise Knistern des gummierten Stoffs im Knie- und Hüft-bereich zu vernehmen war. Sie betrat hurtig ihr Dienstzimmer und sperrte die Tür entgegen ihrer Gewohnheit ab. In ihrem privaten Hinterzimmer entledigte sie sich ihrer olivgrünen Umhüllung und warf Söckchen, Slip und Bluse in die Ecke.
Als sie nun völlig entblößt dastand, öffnete sie die unterste Schublade ihres kleinen Privat-Schreibtisches und kramte aus einem Holzkistchen ihren silikonummantelten Liebling hervor, lümmelte sich auf den Schreibtischsessel, zog die Füße unter die Sitzfläche zurück, verschloß die Augen und suchte mit langsamen kreisenden Bewegungen den Eingang in ihr Allerheiligstes.

Der Gedanke an Schießmanns Gasmasken brachte sie zum Höhepunkt.





















39. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 24.09.21 21:20

Und schon wieder ist eine Woche um; das merke ich vor allem daran, daß wieder eine Fortsetzung fällig wird!
Magnus.


20

Gangolf wußte um Joes Homosexualität, doch daß dieser dermaßen durch und durch schwul war, das hätte er nicht gedacht. Gangolf verspürte keine Berührungsängste, allerdings überkam ihm ein leichtes Unwohlsein, als er die dunkle Kneipe in einer Seitengasse in Kaiserswuselhausen betrat, in welche Joe ihn zu einem ersten Treffen bestellt hatte. Hinter dem Tresen stand ein barhäuptiger Muskelmann mit Schnauzbart, über seinem Oberkörper spannte sich eine ärmelloser Lederweste.

Nach einigen Orientierungssekunden gewahrte Gangolf Joe auf einem der Barhocker entlang des Tresens.
- "Hey", begrüßten sie sich und Joe versetzte Gangolf sogleich einen leichten Faustschlag auf die Schulter.
- "Setz' dich", forderte Joe ihn auf, und während Gangolf sich streckte, um mit seinem Hintern den hohen Hocker zu erglimmen, gab der Muskelmann mit einem Bierkrug ein stummes Zeichen; Gangolf blieb gar nichts anderes übrig, als mit einem Nicken sein Einverständnis zu geben, vielleicht hätte ein lauter Protestruf den alkoholhaltigen Ausschank vermieden. Gangolf drehte sich auf dem Hocker und wandte sich Joe zu, auch dieser vollzog eine leichte Körperdrehung und hob unvermittelt sein rechtes Bein und drückte den Ranger-Stiefel-ummantelten Fuß geschickt zwischen Gangolfs Oberschenkel hindurch auf dessen wertestes Teil.

Dieser Vorgang lief mit einer derartigen Selbstverständlichkeit ab, daß niemand von den Anwesenden davon irgendwie erstaunt Notiz nahm; Gangolf schluckte, ließ es indes wortlos geschehen.
'Vermutlich gehört das zur Willkommenszeremonie in diesen Kreisen', dachte sich Gangolf und überlegte sich, wie die Konversation beginnen könnte. Er bekam etwas Bedenkzeit, indem ihm der Muskelmann das Bier reichte, und Joe ergriff seinen Krug und stieß mit Gangolf an.
'Der erste Schluck ist immer der beste', kam es Gangolf banal in den Sinn und er bekräftigte seine Empfindung:
- "Ah, das tut gut!"

Gangolf starrte auf Joes ausgestrecktes Bein, die Stiefelsohle in seinem Schritt, die schwarze Stiefelspitze zu ihm aufgerichtet. Wie bei fast allen Anwesenden steckte auch Joes Bein in einer mattschwarzen Lederhose, und während er über die unwirklich erscheinende Szenerie nachdachte, erhielt er auf sein empfindliches Teil einen Stoß, der ihn leicht aufseufzen ließ, und Joe nahm seinen Stiefel herunter. Ein bäriger Ledertyp schlurfte am Tresen entlang, versetzte Gangolf einen Faustschlag, brummte etwas vor sich hin und trollte sich wieder.
- "Hey geil," entfuhr es Joe, "sag' mal, hungerst du, daß du gar so eine dürre Latte bist?"
- "Äh, nein, eigentlich gar nicht, alles Veranlagung", entgegnete Gangolf, "aber du bist ja auch nicht gerade dick!"

In der Tat war auch Joe ein drahtiger Typ, etwas kleiner als Gangolf, damit wirkte er nicht ganz so schlank. Unvermittelt drehte sich Joe in die andere Richtung, schnappte sich eine auf dem Tresen liegende Zeitschrift, blätterte darin umher und begann irgend einen Artikel darin zu lesen. Gangolf kam sich richtig blöd vor: Da fuhr er Dutzende von Kilometern, um diesen Joe zu treffen, und dieser wandte sich ab, um in einer Zeitschrift zu lesen.

'Bin ich hier im falschen Film?' überkam es Gangolf, und er beschloß, Joe ohne Umschweife mit seinem Anliegen zu konfrontieren, sobald er die Zeitschrift wieder aus der Hand legen würde. Er hatte Joe erst zwei- oder dreimal bei einem Vereinsabend der Amateurfunker gesehen, doch ist er nie mit ihm in's Gespräch gekommen. In ihm kam leichter Ärger auf, vor allem ärgerte er sich über sich selber, daß er sich da in eine Sache hineinziehen ließ, die er noch vor wenigen Wochen als völlig undenkbar eingestuft hätte. Er wollte nicht seinen Abend damit verbracht haben, kilometerweit nach Kaiserswuselhausen zu wuseln, in einer muffigen Schwulenbar ein Bier zu trinken, ein paar Faustschläge auf die Schultern abzukriegen, einen Tritt in die Eier zu erhalten, den Geruch des allgegenwärtigen Leders einzuatmen, um nach ein paar blöden Sprüchen wieder nach Hause zu gurken.

Als Joe nach einigen Minuten die Zeitschrift wieder auf den Tresen zurückwarf, räusperte sich Gangolf und sprach zu ihm:
- "Also können wir einmal, wenn es dir paßt, auf die Sache zu sprechen kommen?"
- "Ja klar doch, also schieß' los, was wolltest du da gehackt haben?"
- "Können wir das ein bißchen diskret behandeln, vielleicht in der Ecke da hinten?"
- "Ups, so geheim? Ja, also komm' mit!"
Sie ließen sich von den Hockern rutschen, Joe dirigierte Gangolf in einen Nebenraum, dessen Zugang mit einem schweren schwarzen Vorhang verschlossen war. In diesem Raum war das Licht gleich noch diffuser, drei kleine Deckenstrahler versprühten ein schwaches bläuliches Leuchten. Gangolf fühlte sich unwohl in dieser unheimlichen Umgebung, in diesem fensterlosen Raum mit dem fahlen Licht.

- "Also, um was geht's genau?", wollte Joe wissen, "welchen Code muß ich dir knacken?"
- "Elektronische Fußfessel", entgegnete Gangolf ihm knapp.
- "Was, so richtig eine Fußfessel von den Bullen? Ouh ja", entfuhr es Joe, "das ist mal was Neues, affengeil, zeig' mal her, wo has'te das Teil."
`- "Nein, nicht bei mir, also nicht ich hab' das Teil dran", gab Gangolf zur Antwort.
- "Ein Freund von dir, ich verstehe."
- "Äh, ja, also ein Bekannter", stotterte Gangolf.
-"Muß aber schon ein ganz dicker Freund sein, daß du so was Kriminelles vorhast, aber ist schon klar, so eine Fußfessel ist schon eine verdammte Einschränkung."

'War die arme Magda ein >ganz dicker Freund?<', überlegte sich Gangolf, 'egal jetzt, da muß ich und sie jetzt durch'.
- "Super, geil, bin dabei, wird sicher nicht ganz einfach, endlich wieder mal 'ne richtige Herausforderung, wird nicht ganz billig für euch!"
Gangolf blickte ihn etwas irritiert an und fragte: "Wieviel willst du haben?"
- "Ja aber doch kein Geld, Mann, von so einem geilen Kerl wie dich will ich doch kein Geld, da will ich schon was ganz anders, viel was schöners!"
Gangolfs Verwirrung steigerte sich, ihre Blicke kreuzten sich in dem diffusen Licht des fensterlosen Raumes.

- "Knie dich da an die Säule hin, mit dem Rücken an die Säule!"
Gangolf glaubte seinen Ohren nicht zu trauen, doch Joe bedachte ihn mit einem strengen Gesichtsausdruck, so daß es Gangolf vorzog, nicht nachzufragen, sondern gehorsam seine Knie auf den Boden setzte.
- "Füße auseinander und jetzt hinter mit dir an die Säule!"
Joe zog Gangolfs Füße nacheinander seitlich an der Säule vorbei. Dann herrschte er ihn an:
- "Hände nach hinten!"

Leicht verängstigt neigte sich Gangolf etwas nach vorne, Joe ergriff nun seine Hände, zog sie, wie zuvor seine Füße, links und rechts an der Säule vorbei nach hinten. Kaum hatte Joe diese Handgreiflichkeit vollzogen, vernahm Gangolf ein ratschendes Geräusch, und gleich darauf spürte er, wie sich etwas um seine Handgelenke spannte, dann gab es nochmals ein kurzes Klicken. Es dauerte ein paar Sekunden, bis Gangolf begriffen hatte, was mit ihm geschehen ist; als er seine Hände nach vorne ziehen wollte, bemerkte er, daß diese offenbar in Handschellen steckten, daß er somit an die Säule gefesselt worden war. Gerade wollte er den Mund zu einem Protest öffnen, da kam ihm Joe zuvor:

- "Hey, wenn ich schon deinem Typ aus den elektronischen Fußfesseln herausholen soll, dann mußt du mir schon ein bißchen Fesselfreuden an dir gönnen, Freiheitsgewinnung gegen Freiheitsberaubung, einverstanden?"
- "Äh, na ja", stammelte Gangolf, und ohne eine präzisierende Antwort abzuwarten, ratschte es jetzt auch an Gangolfs Füßen. Er drehte sich an der Säule vorbei nach hinten um, soweit es die gefesselten Hände zuließen. Tatsächlich erkannte er in dem fahlen Licht, daß auch seine Füße in Schellen steckten, die denen für die Hände glichen, indes deutlich größer waren. Er wußte gar nicht, daß es solche Schellen auch für die Füße gab, allgemein ist ja nur von Fußketten die Rede. Noch bevor er sich der für ihn völlig neuartigen Situation bewußt geworden war, die der totalen Freiheitsberaubung, dazu in einem finsteren fensterlosen Raum, verspürte er eine gewisse Erregung, er wollte sich das geile Gefühl nicht eingestehen, aber es war da, er konnte es nicht leugnen.

Jäh wurde Gangolf aus seiner neuartigen Gefühlswelt herausgerissen, als Joe mit einem Ring zu ihm kam, an dem zwei Riemen befestigt waren. Darüber hinaus waren an dem Ring gebogene Metallspieße angebracht; Gangolf konnte sich überhaupt nicht erklären, was dieses seltsame Teil für eine Bewandtnis aufsich hatte, doch er sollte es gleich zu spüren bekommen, denn Joe befahl ihm schroff:
- "Maul auf!"

Gangolf blickte erstaunt zu ihm auf, doch Joe fackelte nicht lange, er griff in Gangolfs Haare, zog sie erst seitlich, dann nach hinten an der Säule vorbei. Der leichte Schmerz, aber vor allem der Schreck über diese weitere unerwartete Behandlung führte dazu, daß Gangolf sogleich seinen Mund öffnete. Sofort drückte Joe ihm den Ring in den Mund, zog je einen der beiden Riemen links und rechts an seinen Wangen nach hinten in den Nacken und verband die Enden vermittels einer Schnalle, indem er diese so weit zuzog, daß der Ring fest in Gangolfs Mund zu liegen kam.

- "Hey", wollte sich Gangolf empören, doch es gelang ihm nur, undefinierbare Laute zu lallen, der Ring zwischen seinen oberen und unteren Zahnreihen verhinderte, verständliche Worte zu sprechen. Er versuchte, den Unterkiefer seitlich hin- und her zu bewegen, doch sogleich drückten die vier halbrund gebogenen Spieße in seine Wangen. Gangolf spürte eine aufkeimende Panik in seinem Innersten emporsteigen, doch konnte er sie mit dem Gedanken überwinden, daß er immerhin lallende Schreirufe erzeugen konnte, die wohl durch den Vorhang hindurch bis in den Kneipenraum zu hören gewesen wären. Überhaupt fand er es irgendwie beruhigend, nicht in diesem furchtbaren Raum eingesperrt zu sein, auch wenn ihn die Hand- und Fußschellen hinderten, ihn zu verlassen.
- "Sei still", raunzte Joe ihn an, "oder wills'te noch 'n Knebel dazu haben?"

Freilich war sich Joe bewußt, eine leere Drohung ausgesprochen zu haben, denn ein Knebel würde seinem Vorhaben entgegenstehen. Gangolf schwieg augenblicklich, denn er wollte seine ohnehin schon reichlich prekäre Lage unter keinen Umständen noch verschlimmern.
Fassungslos beobachtete Gangolf aus nächster Nähe, wie Joe das mit Druckknöpfen an der Lederjeans befestigte Vorderteil löste, sofort sprang sein praller Zapfen heraus, er bäumte sich bedrohlich vor Gangolfs verängstigtem Gesicht auf. Joe zog ein Kondom aus einer Gesäßtasche, schob das Gummi über und ging ein paar Schritte zurück zum Lichtschalter.

'Immerhin ist er so anständig und benutzt ein Kondom", kam es Gangolf in den Sinn, denn er ahnte mittlerweile, was Joe als Nächstes mit ihm vorhatte. Dieser schaltete das Licht aus, der Raum war nun vollkommen dunkel. Mit dem Licht ging auch ein Kontrollämpchen in dem Durchgang zur Kneipe aus, das war das Zeichen dafür, daß der Raum belegt war und die darin befindliche Person oder Personen ungestört sein wollten. Vorsichtig tastete Joe sich wieder in Gangolfs Richtung vor, als er Gangolfs Kopf fühlte, nahm Joe mit der anderen Hand sein in Gummi verhülltes Teil, ertastete mit der Spitze des Zeigefingers Gangolfs Mund und schob den Gummibolzen vorsichtig in die Öffnung.

Die totale Finsternis steigerte bei beiden die sexuelle Stimulation: Gangolf verspürte, wie seine Mundhöhle immer weiter gefüllt wurde, seine Zunge war gezwungen, auf einen weichen warmen Gegenstand zu lutschen, ein für Gangolf bis dahin gänzlich unbekanntes Gefühl. Joe hingegen genoß es, Gangolfs Wärme zunächst nur auf der gummibewehren Eichel, dann auch immer weiter in rückwärtiger Richtung des Penis' zu spüren. Ab einem gewissen Punkt mußte Gangolf wider Willen mit massierenden Bewegungen seiner Zunge beginnen, der Würgereiz steigerte sich in's Unermeßliche, Gangolf versuchte vergeblich zu schlucken. Sein Rachen füllte sich mit Speichel, der das unsägliche Geschmackserlebnis bis zum Abwinken steigerte, die Tränen drückten sich aus seinen Augen, es schüttelte ihn am ganzen Leib.

Vergeblich versuchte Gangolf, den Kopf nach hinten zu drücken, um dem unerbittlichen Zapfen zumindest ein Stück weit aus seinem Rachen herauszudrücken, ein geradezu lächerliches Vorhaben: Zum einen hinderte die Säule ihn daran, sein Hinterkopf ruhte bereits an ihr, zum anderen hätte sich Joe nur ein wenig weiter vorbeugen müssen, um den entstehenden Spielraum sofort wieder zu vernichten. Nun versuchte Gangolf mit einer Kopfdrehung, sich Joes Teil zu entwinden, doch spürte dieser sofort die aufkeimende Gefahr, die seinem Lustorgan drohte: Einmal darinnen hätte es Joe eine riesige Enttäuschung bedeutet, wenn es vor dem ultimativen Höhepunkt herausgezogen worden wäre.

Um der drohenden Gefahr zuvor zu kommen, griff Joe mit beiden Händen jeweils seitlich an Gangolfs Kopf, drückte mit den Handballen auf dessen Ohren und schob die Fingerspitzen an Gangolfs Hinterkopf herum, drückte ihn auf diese Weise einen Finger breit von der Säule weg, so daß Gangolfs Kopf nunmehr weder eine Drehung, noch eine Auf- oder Abwärtsbewegung vollziehen konnte. Joes Umgreifung erforderte eine gewisse Kraftanstrengung, die sich automatisch steigerte, sobald Gangolf versuchte, mit einer Kopfbewegung sich Joes Klauen zu entwinden.

Für Joe bedeutete dieses Kräftemessen eine zusätzliche Luststeigerung; während Gangolf mit schnellen Atemzügen durch die Nase den entsetzlichen Würgereiz zu unterdrücken suchte, atmete Joe schwer durch den Mund ein- und aus; obwohl es in dem kleinen Raum stockfinster war, schloß er die Augen und gab sich ganz der Lustentfaltung hin.

Gangolf glaube nicht, daß es noch schlimmer kommen könnte, doch plötzlich krümmte Joe die Finger, seine Fingernägel bohrten sich schmerzhaft in seinen Nacken, die Handballen rutschten von den Ohren weiter nach unten herab, Joe drückte erbarmungslos mit den Daumen auf seinen Kehlkopf. Gangolf stieß einen erstickten Schrei aus und im gleichen Moment explodierte der Zapfen in seinem Rachen; wäre es nicht ohnehin pechschwarz in dem Raum gewesen, wäre ihm schwarz vor den Augen geworden.

Joe setzte sich irgendwo auf dem Boden und stütze sich mit den Händen nach vorne ab. Gangolf war nahe am Hyperventilieren, rasend schnell, wie sein Herz schlug, atmete er ein und aus, jetzt nicht mehr durch die Nase, sondern durch die wieder frei gewordene Mundöffnung. Allmählich beruhigte sich seine Atmung, er beugte sich vor, soweit es die hinter der Stange gefesselten Hände erlaubten. Nach einigen Minuten normalisierte sich seine Atemfrequenz, nun erst spürte er seine schmerzenden Knie.

- "Das mach' ich nicht mehr mit", raunte er Joe zu, als dieser ihm den Riemen hinter seinem Nacken gelöst und den Ring aus dem Mund gezogen hatte.
- "Ganz im Gegenteil", versicherte Joe ihn, "das wirst du jetzt immer machen, während ich für dich die Algorithmen in den Compu hacke, denn allein muß ich immer einhändig auf der Tastatur herumhacken."
- "Das versteh' ich jetzt nicht, was hat das Tippen auf der Tastatur mit deinem Lustbedürfnis zu tun?"
- "Ganz einfach, weil ich ohne jemand unter meinem Schreibtisch immer nur eine Hand frei habe zum Schreiben!"




























40. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von folssom am 28.09.21 00:08

Da ist Gangolf ja in eine wirklich prekäre Lage geraten.
41. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 01.10.21 19:36

Tja, was tut Mann nicht alles, um die Herzen der Frauen zu erobern...
Viel Spaß beim Lesen, M a g n u s.



21

Joe trug Gangolf auf, weitere Meßprotokolle zu erstellen: Er mußte wissen, ob sich die Impulsfolgen der Fußfessel änderten, wenn der Aufenthaltsort wechselte. Darüber hinaus sollte er feststellen, was die Fes-sel aussendet, wenn die Akkuladung der Elektronik schwach wird. An der Fessel begann in einem solchen Fall ein rotes Lämpchen zu blinken, im Zehn-Minuten-Abstand ertönte dazu ein kurzer Piep-Ton, um den Träger zu erinnern, die Fessel aufzuladen.
Rein bildlich gesehen bedeutete diese Zeit, an welcher die elektronische Fußfessel mit dem Ladekabel an das Ladegerät verbunden war, die eigentliche Fesselung: Der Träger war jetzt tatsächlich an die Netzsteck-dose gefesselt. Magda wurde damals bei der Einrichtung ihrer Fessel von Hauptwachtmeister Brause instruiert, jeden Abend die Elektronik etwa zwei Stunden lang aufzuladen, spätestens jedoch, wenn der Piep-Ton ertönte und das Lämpchen zu blinken begann. Sollte der Akku in der Fessel restlos entladen worden sein, leuchtet und piept da natürlich nichts mehr, das Ding funkt dann auch nicht mehr in den Himmel zu den alles überwachenden Satelliten mit der Folge, daß in der >GÜL<, der >gemeinsamen elektronischen Überwachungsstelle der Länder< in Näherdorf ein Alarm aufliefe. In einem solchen Fall würde sie sofort von der örtlichen Polizeiwache angerufen werden. Sollte sie sich nicht melden, würde umgehend nach ihr gefahndet.

- "Magda, wir müssen heute weitere Tests mit deinem Ding machen", erklärte Gangolf, "wir brauchen die Signale, die das Ding aussendet, wenn du das Haus verläßt und auch, wenn der Ladealarm auslöst".
Längst sprachen sie von dem >Ding<, wenn sie die Fußfessel meinten. Gangolf montierte sich in seinem Golf ein Stromversorgungsgerät, damit er dort über einen 230-Volt-Stromanschluß verfügte.
- "Wie weit darfst du eigentlich hinaus, also außerhalb von deinem Haus dich bewegen?" Gangolf bemerkte, wie Magda mit den Tränen kämpfte. Auch er fühlte sich unwohl bei dem Gedanken, daß ein Mensch eine Pseudo-Freiheit besitzt, daß er sich selbst beschränken, sehr diszipliniert mit seiner kleinen Freiheit umgehen mußte. Lieber würde er, dachte er sich, wirklich gefesselt sein, zum Beispiel mit einer langen Stahlkette, die an einer eingemauerten Öse in der Mitte der Wohnung angebracht ist, so daß er alle Räume betreten könnte, aber eben nicht darüber hinaus.

Da Magda immer noch nicht antwortete, spann Gangolf seine Fessel-Gedanken weiter, denn er erkannte sofort die Schwachstelle an dem realen Kettensystem: Die gefesselte Person konnte sich dann ja nicht versorgen, also Einkaufen gehen, oder auch nur wenige Meter vor die Tür treten, um sich etwas zu bewegen, um frische Luft zu tanken. Ihm kamen teuflische Gedanken in den Sinn: Man müßte einfach die Ketten lang genug machen, einige Hundert Meter, daß der Gefesselte, oder besser geschlechtsneutral gedacht die gefesselte Person, sich entsprechend weit um ihren Wohnsitz herum bewegen könnte.
Lustvoll malte sich Gangolf aus, wie sich die Person abmühen müßte, die schwere Kette hinter sich nach zu ziehen; Hausecken, Verkehrsschilderstangen und Laternenmasten wären exponierte Stellen, wo sich die Kette nicht ohne weiteres herumziehen ließe. Zudem käme die Schmach, in der Öffentlichkeit von jedermann, natürlich auch von jederfrau begafft zu werden, >schau an, eine Elektronische<, es stellt sich die Frage, ob man dann doch nicht lieber gleich im Gefängnis bliebe.
Ideal wäre es freilich, wenn da ein ganz guter Freund wäre, der die Nahrungsmittel und was man sonst für's Leben braucht, alle paar Tage vorbeibringt, dann wäre das Leben in den eignen vier Wände doch noch viel angenehmer als im Gefängnis, auch wenn man Tag und Nacht mit einem Bein angekettet wäre. Gangolfs skurrile Gedankengänge endeten mit der Erkenntnis, daß die Kette selbstverständlich aus speziell gehärtetem Edelstahl sein müßte mit einem exakten elektrischen Widerstandswert, welcher durch eine Auswerteelektronik ständig überwacht würde und bei Abweichungen, welche auf eine Manipulation der Kette hindeutete, Alarm schlug.

Magda hob ihren Kopf und stammelte: "Ich darf mich in der ganzen Stadt bewegen, hat Brause gesagt, aber weiter als zum Markt bin ich noch nie gegangen."
- "Ja, das ist gut", meinte Gangolf daraufhin, doch Magda begann jetzt in Strömen zu weinen.
'O Schreck, was hab' ich bloß Falsches gesagt', schoß es Gangolf durch den Kopf, und gleich darauf kam es ihn: Es war natürlich alles andere als >gut<, daß die arme Magda nie mehr über den Marktplatz hinaus gekommen war.
- "Ach Magda, es tut mir Leid, das wollte ich doch wirklich nicht damit sagen, ich wollte nur ausdrücken, daß ich es gut finde, jetzt zu wissen, wie weit wir gehen können, aber bitte, doch nicht, daß du so eingeschränkt bist in deiner Bewegungsfreiheit, ganz im Gegenteil, ich möchte doch, daß du frei kommst von dem blöden Ding, daß du wieder überall hin kannst, zum Baden fahren, Boot fahren, Urlaub machen!"
Gangolf erkannte, daß Magda fix und fertig war, er umarmte sie, er ergriff ihr Kinn und hob es sanft in die Höhe. Ihre Blicke trafen sich, Magdas Tränenstrom versiegte, und sie sprach schluchzend:
- "Und das würdest du alles tun mit mir?"
- "Aber freilich", entgegnete Gangolf ohne zu zögern. Wieder begannen Tränen über Magdas Wangen zu fließen. Er machte sich ernsthafte Sorgen um sie, warum sie gar so labil war. Warum war sie so mit den Nerven am Ende, jetzt, wo doch er nun schon seit vielen Wochen auf der Bildfläche erschienen ist? Machte er es nur noch schlimmer, das schwere Los zu ertragen, hoffte sie die schnelle Erlösung, verkraftete sie die Enttäuschung nicht, daß er wieder nur irgend welche Messungen durch-führte, anstelle die Zange zu nehmen, das Band durchzuzwicken, ohne daß bei der Polizei ein Alarm ausgelöst werden würde?
'Und dann, wie ist das, wieder allein gelassen zu werden, allein mit dem Ding dazusitzen, das Ladegerät holen müssen, den kleinen Stecker in die Buchse stecken, zwei Stunden an das Stromkabel, so dünn es auch ist, gefesselt zu sein, damit sie wieder vollständig überwacht werden konnte?'
Dann kam Gangolf Martina in den Sinn: 'Hatte ihre Herrin wieder zu dick aufgetragen, war sie der Grund, oder zumindest mit ein Grund für Magdas Verzweiflung?'

Magda schmiegte ihr Gesicht an Gangolfs Brust, er streichelte sie dabei, wuschelte leicht in ihren Haaren, glitt mit den Händen an ihrem Rücken entlang. Der Saum ihres verwaschenen T-Shirts ließ ein Stück Haut an ihrer Taille frei, er berührte ganz sanft die blanke Haut, bewegte im Zeitlupentempo seine Finger darauf hin und her. Sie hob nun den Kopf, blickte ihn mit großen feuchten Augen an. Gangolf wagte es, eine Hand unter ihrem Shirt hindurch auf dem Rücken vorsichtig nach oben zu bewegen. Schon bald fühlte er quer über den Rücken sich hinziehende Unregelmäßigkeiten auf ihrer zarten Haut. Wenige Zentimeter höher wiederholten sich diese ihm zunächst unerklärliche Stellen.
Gangolf hielt inne in seinen Bewegungen und durchbohrte Magda mit einem fragenden Blick. Magda nickte stumm, faßte ihr Shirt mit beiden Händen und zog es über ihren Kopf. Gangolfs fragender Blick wandelte sich in einen begehrenden, doch schnell wurden seine sündigen Gedanken zerschlagen: Magda drehte sich um und Gangolf stockte der Atem, als er ihren Rücken erblickte.

Als sie am Flußufer westlich der Altstadt angekommen waren, parkte Gangolf seinen Golf in eine Parklücke und bat Magda, auf der Rückbank Platz zu nehmen, denn er wollte auf dem Beifahrersitz die Meßgeräte aufbauen. Nachdem er alle Kabelverbindungen hergestellt hatte, wiederholte er die Messungen, die er bereits vor einiger Zeit in Magdas Wohnung durchgeführt hatte. Magda starrte derweil paralysiert aus der Seitenscheibe auf die Schlee; wie lange war es her, daß sie nicht mehr an diesem lieblichen Fluß entlang wandelte, so wie sie das früher so gerne tat. Auch wenn Wachtmeister Brause ihr erlaubte, im gesamten Lüggener Stadtgebiet sich aufzuhalten, wagte sie es nicht, bis dahin zu gehen, denn ihre Angst, sich doch zu weit zu bewegen und am Ende wieder in das Gefängnis zu müssen, überstrahlte alle Wünsche.

- "So, das hätten wir," meinte Gangolf und verfluchte sich, kaum daß er die Worte ausgesprochen hatte.
'Ich hätte das >wir< nicht sagen sollen, Magda kommt sich sicher blöd vor, als ob sie irgend etwas beitragen könnte bei der Sache. Sie war ja im Gegenteil dazu gezwungen, einfach nur dazusitzen und geduldig abzuwarten, bis er fertig war.'
Dieses bedenkend fuhr Gangolf fort: "Also ich meine, ich bin jetzt mit den Messungen hier fertig".
Magda schenkte ihm ein Lächeln, indem sie sich zwischen den Kopf-stützen der Vordersitze vorbeugte.
'Na Gott sei Dank', dachte sich Gangolf, 'daß sie nicht wieder eine Wein-Attacke erlitten hat'.
Er verglich abschließend die Meßsignale mit den bereits damals in ihrer Wohnung aufgezeichneten und gespeicherten Kurven und stellte zufrieden fest, daß die gesendeten Impulsreihen die gleichen sind, der Standort folglich keine Rolle spielte, was die ausgesendeten Signale betraf. Er verstaute die Geräte wieder in den Kofferraum, bat Magda auf den Beifahrersitz, um schließlich auf den Marktplatz zu fahren. Als er dort einparkte, schaute Magda ihn mit großen Augen an.

- "Ja, aussteigen, wir sind da!", scherzte Gangolf, doch sie nahm das für bare Münze, stieg aus, bückte sich nochmals in das Auto und bedankte sich überschwenglich für alles.
Gangolf wehrte ab, erst als er sich endlich auch aus dem Wagen bequemte, sah er, wie sich die Magda bereits deutlich ostwärts davon machte.
- "Magda", rief er ihr nach, "so warte doch, wo willst du denn hin?"
Sie wandte sich um: "Ja nach Hause, danke nochmals, daß du da warst und das alles für mich machst!"
- "Aber nein, halt!", rief Gangolf und lief zu ihr. Er legte seinen Arm um ihre Schulter und zog sie wieder zurück.

Magda war immer noch so überwältigt, zum Eisessen eingeladen zu wurden, daß sie ihren Eiswunsch dem Kellner nicht mitteilen konnte, sie war sprachlos, völlig aufgelöst in Schwäche. Gangolf fragte sie:
- "Willst du vielleicht einen Vanille-Erdbeer-Becher, oder lieber einen Schoko-Becher, so wie ich?"
Magda konnte immer noch nichts sagen, sondern blickte den Kellner verschämt an. Somit ergriff Gangolf das Wort:
- "Bringen Sie uns bitte den Vanille-Erdbeer-Becher und einen Schoko-Becher, dann kann sie sich aussuchen, was sie will, danke!"

Der Kellner bedankte sich seinerseits für die Bestellung. Wortlos saßen sie sich gegenüber, bis der Kellner mit dem Eis kam. Gangolf kam es in den Sinn, wie er mit Martina und mit Bettina beim Eisessen in Grausneg war, jetzt also war er mit der Dritten im Bunde dabei. Mit den anderen beiden war das wesentlich einfacher, die wußten, was sie wollten.
- "Also welchen willst du jetzt?" fragte er Magda, und da sie immer noch schier regungslos dasaß, mischte er einfach die beiden Becher, so daß jeder von beiden etwas von allem abbekam. Magda bedankte sich wieder überschwenglich, ihm war es peinlich, dermaßen für diese kleinsten Gefälligkeiten gelobt zu werden.
- "Das ist doch gar kein Vergleich mit den Mittagessen, die ich immer von dir bekomme, das hier, da kann ich doch gar nichts dafür, das haben die fleißigen Eisköche fabriziert."

Endlich begann Magda ihren Löffel in die Hand zu nehmen. Immer wieder richtete sie ihren Blick auf Gangolf und lächelte ihn an.
- "Du bist so ein guter Mensch", flüsterte sie und streckte die linke Hand nach ihm aus. Er ergriff sie und erst, als sie ihre Becher so weit geleert hatten, daß sie diese leicht schräg anheben mußten, um auch das sich ganz unten gesammelte im Schmelzen begriffene Eis herauszulöffeln, lösten sie ihre Hände. Als sie fertig waren, saßen sie sich wortlos gegen-über, jetzt mit jeweils beiden Armen über die Tischfläche gestreckt.
'Drei Frauen, drei ganz andere Naturen', kam es Gangolf in den Sinn, 'hier die Zerbrechliche, die Zuwendung sucht, dann die Dominante, die zwar auch mit allen Sinnen lieben konnte, aber eben stets dabei die Oberhand behalten wollte, und dann die Gelehrte, die mir durchaus Zuneigung zeigte, aber nicht im erotischen Sinn, sondern auf geistig-geistlicher Ebene'.

Gangolf sinnierte noch eine Weile, hoffte, daß er bald in Magdas Woh-nung die Messungen für den >Betriebszustand< wiederholen konnte, wenn die Fessel-Elektronik vor niedriger Akkuladung warnte. Er ahnte natürlich nicht, was dieser Abend und vor allem diese Nacht noch alles für ihn zu bieten haben würde...




















42. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 08.10.21 19:20

22


In Magdas kleiner Wohnung angekommen baute Gangolf erneut die Meßeinrichtungen auf. Magda beäugte ihn dabei. Schließlich fragte sie:
- "Willst du gleich was zum Abendessen haben oder willst du erst die Messungen durchführen?"
- "Also da richte ich mich ganz nach dir", gab Gangolf zur Antwort und betonte dabei das >dir<. "Es ist deine Wohnung, ich bin der Gast, der sich nach der Gastgeberin zu richten hat!"
Daraufhin eilte Magda zu ihm, kniete sich vor ihm nieder, umfing seinen Kopf mit ihren zarten Händchen und gab ihm einen langanhaltenden Kuß.

Nachdem Magda und Gangolf gegessen hatten, warteten sie darauf, daß der Akku in der Fußfessel erstmals seine zu Ende gehende Ladung melden würde. Sie wußten nicht, wann das geschehen würde, denn Magda steckte jeden Abend brav vor dem Bettgehen das Ladegerät an. Es kam bei ihr nie vor, daß sich das rote Lämpchen mit einem Blinken gemeldet hätte, auch nicht der Piep-Ton. Gangolf stellte sich auf eine lange Wartezeit ein, vielleicht dauerte es die halbe Nacht, vielleicht erreichte der Ladestand erst am nächsten Tag die kritische Schwelle.
- "Erzähl' mir doch ein bißchen von dir", forderte Gangolf Magda auf, "also nur, wenn du das willst, ich will dich natürlich nicht ausfragen und aushorchen."
- "Ach Gangolf, was soll ich da groß sagen, in einem Kinderheim aufgewachsen ohne Eltern, nichts gelernt außer Kochen."

Magdas Stimme stockte und Gangolf fürchtete, daß sie bald wieder zu weinen beginnen würde. Einerseits wäre das für ihre Psyche nicht schlecht, sich endlich einmal alles aus der Seele zu reden, andererseits waren sie beide in ihrer Beziehung noch längst nicht so weit, intimste Dinge sich anzuvertrauen. Gangolf entgegnete:
- "Was heißt da >nichts gelernt außer Kochen<, das ist ein ganz großes Können und du kannst das ganz besonders gut!"
Gangolf hatte das Gefühl, nicht die richtigen Worte zu finden, zu sehr war er in dem Moment von dem Gehörten beeindruckt, ohne Eltern aufgewachsen zu sein, in einem Kinderheim, nichts gelernt zu haben,
'verdammt, verdammt, verdammt', fluchte er im Geiste vor sich hin, 'was haben die da nur mit ihr gemacht!'
Er ahnte das Schlimmste und es kam ihm in den Sinn, daß sie sich irgendwann dermaßen gegen die ewige Bevormundung gewehrt hätte, daß es dann richtig krachte. Er verdrängte die Gedanken und nahm sich vor, an etwas anderes denken zu wollen.

- "Was machst du hier, wenn du allein bist, bevor du zu Bett gehst?", versuchte Gangolf ein anderes Thema anzuschlagen.
- "Meistens schalte ich den Fernseher ein, leg' mich dazu in's Bett und schließ' das Ladekabel an die Fessel an".
- "Ja, dann mach' doch das jetzt auch, also daß wir gemeinsam was anschauen, aber halt gerade nicht das Ding aufladen, damit ich dann messen kann, wenn es die schwächer werdende Ladung meldet."
- "Was möchtest du denn sehen?" wandte sie sich an Gangolf und holte dabei die Fernbedienung hervor, "da, nimm' und such' dir ein Programm aus."
- "Aber nein, Magda, es ist wie mit dem Abendessen, du bist hier diejenige, die anschafft, ich bin der Gast."

Freilich hätte Gangolf nur zu gern die Programme durchgezappt, bis er bei einem Film hängen geblieben wäre, wo schöne Frauen mitspielten, noch besser, wo eine kesse Kommissarin unerschrocken die Schurken jagte und ihnen Handschellen anlegte. Doch genau das wollte er Magda natürlich nicht zumuten, so zappte er weiter und blieb bei einem Film stehen, wo Kajaktouren durch die mecklenburgische Seenplatte gezeigt wurden.
- "Leg' dich doch hin, wie du es immer tust", empfahl Gangolf ihr, ich bleib' hier sitzen und wenn das Ding pfeift, dann schalt' ich die Meßgeräte ein".
- "Ich geh' erst mal ins Bad", entschuldigte sich Magda und verschwand in die winzige Badzelle. Als sie wieder herauskam, trug sie einen geblümten Pyjama, sie sah richtig gut darin aus im Vergleich zu ihren sonstigen schäbigen Kleidungssachen. Verstohlen blickte sie zu Gangolf und zu seiner größten Überraschung ergriff sie seine Hände und zog ihn zu ihrem als Bett dienendem Sofa.
- "Paß' auf die Dachschräge auf".
- "Äh, ja wart', ich müßte auch erst einmal auf's Klo und dann wollte ich mir doch die Hose ausziehen, um nicht dein Bett damit zu beschmutzen.
Als er jetzt nur mit dem T-Shirt und der Unterhose aus der Badzelle heraustrat, kam er sich schäbig vor, so vor die junge Frau zu treten. Doch Magda winkte ihn heran:
- "Komm' schnell mit her, schau, wie schön die da mit ihren schmalen Booten rudern, ach, das wäre so schön, hast du so was schon einmal gemacht?"
Gangolf war gerührt, er konnte ihr das nicht antun, wenn er jetzt die Wahrheit sagte. Er wich aus:
- "Ich versprech' dir, wenn es uns gelungen ist, dein blödes Ding da zu knacken, dann machen wir eine Kajaktour, solange du es möchtest, so weit du es magst, wohin du willst."
Magda zog ihn ganz nah zu sich heran, Schulter an Schulter saßen sie eng aneinander.

Als die Sendung zu Ende war, schaltete Magda den Fernseher aus. Sie fragte Gangolf:
- "Sag' mal', wartet niemand auf dich bei dir zuhause?"
Er war über diese Frage erstaunt, andererseits war es eigentlich logisch und auch sehr anständig, daß sie ihn das fragte. Er antwortete:
- "Nein, bei mir wartet niemand, und wie sieht es bei dir aus, kommt manchmal ein Prinz zu dir?"
- "Ja", hauchte sie ihn jetzt an und umarmte ihn dabei, "ja, heute erschien ein Prinz - und er ist immer noch da."

Magda entledigte sich ihres Oberteils, ließ sich auf das Kopfkissen fallen und zog dabei ihren Prinz mit auf sich. Gangolf konnte sich gerade noch rechtzeitig abstützen, um nicht mit dem gesamten Gewicht seines Oberkörpers auf ihr zu landen. Er winkelte seine Beine an und rutschte damit tiefer, um mit seinen Lippen die zarte Haut entlang ihrer Taille zu berühren. Langsam arbeitete er sich weiter hinauf und kam mit seinem Mund zwischen ihren Brüsten an. Es elektrisierte sie beide, als seine Wangen links und rechts ihre Brüste streiften, dann wanderten seine Lippen zuerst auf die linke, nach einigen Minuten auf die rechte Brust, seine Lippen umfaßten ganz vorsichtig ihre Brustwarzen und drückten sie leicht zusammen.
Gangolf hob seinen Kopf leicht an, auf diese Weise wurde Magdas Brust leicht nach oben gezogen, beide spürten eine anschwellende Erregung.

Nach einer Weile ließ er die Brust wieder absinken, öffnete leicht den Mund, legte ihn um die Brustwarzen und begann zu saugen. Er spürte, wie sich die Warzen ihren Weg durch seine Zahnreihen bahnten, er erhöhte den Saugdruck, bis einiges ihres Brustfleisches in seinen Mundraum gelangte, öffnete den Mund weiter, hielt dann den Atem an.
Magdas Augen begannen zu glänzen, ihre Lippen formten sich zu einem breiten Strahlen. Gangolf schloß langsam seinen Mund, die Zähne griffen in das Brustfleisch, seine Zungenspitze betupfte ihre Warze. Hingebungsvoll breitete Magda ihre angewinkelten Arme symmetrisch rechts und links neben ihrem Kopf auf dem Kissen aus.

Als Gangolf nach einiger Zeit ihre Brust entließ, hauchte Magda:
- "Stütz' dich auf meinen Armen ab".
Gangolf kam diese Aufforderung sehr gelegen, denn er wollte seine Körperhaltung tatsächlich etwas auflockern und entspannen. Er ergriff Magdas Unterarme und stützte sich darauf ab; das Gewicht seines Ober-körpers drückte ihre Arme tief in das Kissen, ihr Oberkörper wurde dadurch etwas hervorgehoben. Ihre vollen Brüste grüßten ihn wie überdimensionale Augen, auf den Warzenhöfen zeichneten sich Gangolfs Bißspuren ab. Sein Teil bäumte sich spürbar in dem engen Höschen auf, er ruschelte mit seinem Unterleib etwas hin und her, um ihm Erleichterung zu verschaffen, als er plötzlich auf Magdas Unterleib eine harte Stelle verspürte.
Magda flötete: "Martina hat den Schlüssel".

Gangolf war leicht irritiert, jäh fiel ihm ein, daß tatsächlich Martina bei ihrem ersten gemeinsamen Besuch Magdas Haustür aufgesperrt hatte; somit konnte Martina jederzeit einfach in Magdas Wohnung hereinkommen. Magda bemerke Gangolfs Irritation, sie hauchte: "Es tut mir Leid, es wäre so schön jetzt".
Erst jetzt begriff Gangolf, daß sie nicht den Haus- und Wohnungstürschlüssel gemeint hatte.
'Diese verdammten Käfige', fluche Gangolf im Gedanken, 'doch wer weiß, wozu es gut ist'.
Er hob nacheinander seine Beine, um das Höschen von seinem Leib herunterzuziehen, entledigte sich seines T-Shirts und zog dann auch Magdas Pyjama-Hose herunter. Einen Augenblick lang starrte er auf das glänzende Metall, das ihre Taille umschloß und an der Mitte einen Abzweig hatte, der nach unten in ihren Schritt führte.
- "Fessel mich", bat Magda ihn und streckte ihr Hände ganz nach oben durch die Sprossen der Armlehne des Sofas hindurch, ihren Kopf zwischen den Oberarmen eingeklemmt. Gangolf richtete sich auf und ließ seinen Po nach hinten auf Magdas Knie sinken. Seine Füße hielt er an ihre Schenkel gedrückt, halb kniend, halb sitzend beugte er sich leicht seitlich herunter, um nach seinen Chucks zu angeln. Nachdem er diese heraufgeholt hatte, stellte er sie vorsichtig dort ab, wo dickere Menschen üblicherweise ein Bäuchlein hatten, doch bei der gertenschlanken Magda befand sich über der stahlumrankten Taille eine Mulde in ihrem Oberleib. Deutlich zeichneten sich die untersten Rippen ihres Brustkorbs ab, als sie gestreckt vor ihm lag.

Hurtig zog Gangolf die Schnürsenkel aus seinen knöchelhohen Chucks, stellte die Schuhe wieder neben der Liegestatt auf den Fußboden und fesselte Magdas Handgelenke an die Sprossen. Wieder hatte er alle Not, seine Erregung im Zaum zu halten, den Höhepunkt wollte er sich mit Magda teilen. Er verließ seine knieend-sitzende Position, stützte sich mit den Ellenbogen neben Magdas Schultern ab, wuschelte ihre Haare, drückte die Strähnen an ihre Ohren und hielt auf diese Weise ihren Kopf mit seinen Händen umfangen.
Magdas Gesicht strahlte verklärt, auch Gangolf verspürte die in sich aufbrechende Wallung, er küßte sie auf die Stirn und begann, mit seinem besten Teil auf dem metallenen Schrittband ihres Gürtels auf- und abzureiben. Obwohl das Eisen natürlich alles andere als weich war und rein physikalisch-sachlich betrachtet das Reiben auf dem harten Teil mit seinem empfindlichsten Körperorgan schmerzhaft sein mußte, steigerte sich dieser nicht als Schmerz empfundene Reiz zu einem unsäglichen Glücksgefühl.

Mitten in der Lustbewegung spürte Gangolf plötzlich eine Hitzeentfaltung an seinem Hodensack, Magdas heiße Flüssigkeit rieselte durch die Löchlein im unteren Teil des gemeinen Eisens, welches den Zugang in ihre Höhle verhinderte, Dank der Löchlein indes den reinsten Wein aus der Höhle heraustreten ließ. Im selben Augenblick schoß es aus Gangolfs Kanonenrohr heraus, er hielt mit der Bewegung ein, beide atmeten schwer, Magda verschoß die Augen, Gangolf winkelte die Beine an, um auf Magdas Leib etwas weiter fußwärts zu rutschen, kraftlos streckte er seine Arme durch und legte sein Haupt auf Magdas linke Schulter und seinem sich daran angeschmiegten Oberarm.

Irgendwann in der Nacht wurde es Gangolf kühl, er zog die bis dahin seitlich verruschelte Bettdecke über ihre beiden nackten Körper und versuchte dabei, sich möglichst wenig zu bewegen, um nicht Magda aufzuwecken. Sie hat sich im Schlaf nach rechts gedreht und lag jetzt auf ihrer rechten Schulter. Er knipste das Wandlämpchen aus, das leuchtturmartig einen friedsamen Strahl über ihr Lustnest gebreitet hatte. Schließlich hob er sein linkes Bein näher zu sich heran und kuschelte sich, gleichfalls auf der rechten Seite liegend, ganz nah an Magdas leicht abgewinkelte Körperlinie. Sein Lustbolzen kam jetzt auf dem hinteren Teil des Schrittbands zu liegen mit der ovalen Öffnung, die über Magdas Poloch zu liegen kam.

Mit den Zehen seines linken Fußes zog er die Bettdecke tiefer, damit Magdas Füßchen unter ihr zu liegen kamen, denn er fühlte, wie diese bereits deutlich ausgekühlt hervorlugten. Bei dieser Bewegung stieß er an das Ding, mit dem sie psychisch gefesselt lag, und das der eigentliche Grund für sein nächtliches Dasein war. Mit dem Gedanken daran, daß er völlig nackt an Magdas Seite geschmiegt lag, während sie gleichfalls nackt, indes mit dem Keuschheitsgürtel und der elektronischen Fußfessel beringt war, senkte sich der Schlaf auf ihn herab.

Es war geradezu vollkommen selbstverständlich, daß beide, jetzt im traumreichen Tiefschlaf gefangen, unter einer dicken Bettdecke eingehüllt, nichts mehr um sich her wahr nahmen, und so kam es, wie es kommen mußte...






































43. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von folssom am 15.10.21 23:24

Hallo M A G N U S,

Zitat

Und schon wieder ist eine Woche um; das merke ich vor allem daran, daß wieder eine Fortsetzung fällig wird!
Magnus.


In wenigen Minuten schließt sich das wöchentliche Zeitfenster für eine weitere Fortsetzung deiner tollen Geschichte.

Bitte......

mfg

44. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 16.10.21 06:21

Hallo Sarah, liebe Leser!
Endlose Debatten, ob frau mit 62 Jahren noch Overknee-Stiefel tragen dürfte, ohne sich abgrundtief genieren zu müssen, ließen die Zeit gestern Abend dahin rinnen, so daß ich entschieden hatte, lieber jetzt, am Samstag Morgen etwas früher aufzustehen, um die nächste Episode zu veröffentlichen; gute Unterhaltung wünscht M a g n u s .



23

Angeblich ist die Koinzidenz eine Männern schwer zu Schaffen machende Erscheinung, das Zusammentreffen von gleichzeitig ein-tretenden Ereignissen, die parallel zu einander verarbeitet werden müssen, aber ursächlich nichts mit einander zu tun haben. Hauptwachtmeister Schlafgern unterlag dieser angeblich typisch männlichen Schwäche, als in der Nacht vom Mittwoch zum Donnerstag zwei Telephonanrufe unmittelbar hintereinander in der Polizeidienststelle in Lüggen eingingen; während in der Nacht zum frühen Morgen hin üblicherweise lähmende Ruhe im Revier herrschte, wurden jetzt gleich zwei Kriminaldelikte gemeldet.

Um 3.20 h ging der erste Anruf einer Anwohnerin ein, die laute Geräusche an dem Tor einer benachbarten Lagerhalle vernommen hatte. Als sie aus dem Fenster ihres Schlafzimmers sah, gewahrte sie im fahlen Mondlicht tatsächlich einen Mann mit einer dünnen Stange in der Hand, der offenbar ein Schloß aufgebrochen hatte. Hauptwachtmeister Schlafgern notierte die Daten der Anruferin und war im Begriff, sich umzudrehen, um mit der an der Rückwand befindlichen Funkstation eine Meldung an den Streifenwagen herauszugeben, als das Telephon erneut schrillte. Dieses Mal war es die GÜL, die zentrale Überwachungsstelle für fußgefesselte Delinquenten, ein Beamter meldete Alarm für eine unter Überwachung stehende Person in dem Zuständigkeitsbereich der Lüggener Polizei. Die GÜL kannte nicht den Namen des Überwachten, es wurde nur die dieser Person zugeordnete Überwachungsnummer ausgetauscht.

- „Ja, danke, soeben erhielten wir bereits eine Meldung, Herr Kollege, danke nochmals“, sprach Schlafgern mit leicht erhöhtem Herzschlag zu seinem Kollegen in Näherdorf, dieser wunderte sich, wie seine Alarmmeldung bereits nach Lüggen durchgedrungen sei, ging aber nicht weiter darauf ein. Schlafgern setzte nun einen Funkspruch ab:
- „... aber seid vorsichtig, der Einbrecher ist vermutlich bewaffnet, er steht vermutlich unter der Gülle-Beobachtung, und die schlug soeben Alarm, also wenn ihr ihn habt, seht `mal nach, ob er noch seine elektronische Fußfessel am Bein hat!“

Als Gernschlaf am Morgen danach gefragt wurde, ob er das Wörtchen >vermutlich< bei seiner Meldung verwendete, gar mehrfach, konnte er das nicht mehr mit Sicherheit sagen, jedenfalls kam es zu einem folgenschweren Mißverständnis: Der KfZ-Teile-Händler Samel fuhr mitten in der Nacht zu seinem Außenlager, um für eine Autowerkstatt ein dringendes Ersatzteil zu holen; es handelte sich um das Fahrzeug eines noblen Kunden, der Wagen mußte unbedingt bis zum Morgen repariert sein.

Samel sicherte die Tür seines Lagers in der alten aus DDR-Zeiten stammende Halle mit einem einfachen Vorhängeschloß, damit Einbrecher von vorne herein gar nicht auf die Idee kämen, daß sich in dem verlassen und verfallen wirkenden Gebäude irgend welche stehlenswerten Gegenstände befänden. Leider hatte er das Schlüsselein tags zuvor in der Tasche einer anderen Jacke stecken lassen, die im Schlafzimmerschrank hing. Da er um den notorischen Schlafmangel seiner Frau wußte nach der erst wenige Tage zurückliegenden Geburt der Tochter, wollte er nicht nach Hause fahren, sondern betätigte sich als Einbrecher in das eigene Gebäude.

Nach einigen Minuten hatte Samel das gesuchte Ersatzteil gefunden, schaltete das Licht aus, und gerade in dem Augenblick, als er durch die Tür in’s Freie trat, kam der Streifenwagen herangefahren. Im Strahl des Scheinwerferlichts sahen die Streifenpolizisten den vermeintlichen Einbrecher stehen, wie dieser verdutzt in das blendende Licht blickte, während die Polizisten aus dem Auto sprangen und seitlich im Schatten des Scheinwerferkegels stehen blieben.
Samel ließ, wie ihm befohlen wurde, das Ersatzteil fallen; als die Polizisten sich vergewissert hatten, daß er dem ersten Anschein nach allein und unbewaffnet war, näherten sie sich ihm und legten ihm Handschellen an. Samel begann sofort, sich zu rechtfertigen, daß es sein Lagergebäude sei und daß er lediglich seinen Schlüssel vergessen habe und daß er ein dringend benötigtes Ersatzteil holen wollte.

- „Ja, ja, und das mitten in der Nacht“, entgegnete ihm einer der beiden Polizisten, „laßt’ euch doch `mal eine andere Ausrede einfallen!“
Während Samel erneut anhub, den Sachverhalt darzulegen, griff ihm der Polizist an das Knie und zog den Stoff der Hosenbeine in die Höhe. Mit seiner Taschenlampe beleuchtete er die Knöchel. Samel wurde jetzt richtig ärgerlich:
- „Hey, lassen Sie das, sind Sie schwul oder was, meine Eier sind übrigens weiter oben, nicht am Knöchel!“
Jetzt mischte sich der andere Beamte beschwichtigend ein:
- „Wir fahren jetzt einfach zu Ihnen nach Hause, dann zeigen Sie uns den Schlüssel für das Vorhängeschloß, das nehmen wir hier gleich mit; wenn Schlüssel und Schloß passen, dann ist alles geklärt!“
Der andere Polizist ergänzte: „Und dann zeigen Sie uns auch gleich die Fußfessel, die Sie offensichtlich entfernt haben!“
- „Was für eine Fußfessel?“, empörte sich Samel, „lassen Sie mich endlich geh’n. Und zu mir nach Hause fahren geht schon gar nicht, meine Frau braucht dringend den Schlaf und die Aufregung, das verkraftet sie nicht!“
- „Bringen wir ihn erst `mal auf die Wache“, entgegnete der andere Beamte und dirigierte Samel zum Polizeiauto.

Nach wenigen Minuten gelangten sie zu dem altehrwürdigen Polizeigebäude an der Straße nach Leipzig. Samel beschloß während der Fahrt, eisern zu schweigen, vor allem nicht seinen Namen zu nennen, denn er wollte jegliche Beunruhigung für seine Frau und dem Neugeborenen verhindern. Als er bei dem Verhör tatsächlich beharrlich schwieg und nur den Sachverhalt wiederholte, den er bereits am vermeintlichen Tatort geschildert hatte, sperrte man ihn einvernehmlich in die Polizeizelle ein. Samel selbst schlug das vor, erst nach Tagesanbruch wollte er seinen Namen und seinen Wohnort nennen.

Hauptwachtmeister Brause war in dem Alter, in welchem er keinen Nachtdienst und gewöhnlich auch sonst keinen Schichtdienst mehr absolvieren mußte; im Innendienst tagsüber war er eine wertvolle Hilfe im Revier, denn sein Erfahrungsschatz, den er sich im Laufe von fast 40 Jahren Polizeidienst angeeignet hatte, schien unermeßlich zu sein. Er spürte genau, wenn ihm etwas seltsam vorkam, andererseits ignorierte er erstaunlich oft Hinweise und Meldungen, die sich dann meist tatsächlich als unbedeutende Randerscheinungen im gesellschaftlichen Alltag erwiesen.

An diesem Morgen war es anders; da einige Kollegen erkrankt waren, andere im Urlaub, wieder andere an auswärtigen Lehrgängen teilnahmen, selbige Brause spöttisch als >Leergänge< schmähte, sah er sich an diesem Morgen genötigt, bereits um sechs Uhr im Schichtdienst mitzuhelfen. Etwas mürrisch kam er gegen dreiviertel sechs in’s Revier und erfuhr erstaunt, daß ein Einbrecher auf frischer Tat gefaßt worden war und daß dieser Einbrecher sich freiwillig einsperren ließ, nur daß seine Familie in der Nacht unbehelligt bliebe.

‚Da stimmt was nicht’, brummte Brause, und als er dann noch erfuhr, daß dieser Einbrecher ein Fußfesselträger sei, der seine Fessel vom Knöchel ablöste und somit Alarm in der Gülle auslöste, brauste Brause auf:
- „Und da ist keiner von euch auf die Idee gekommen, nachzusehen, wie die Person unter der durchgegebenen Überwachungsnummer heißt und wo sie wohnt?“
Betroffen blickten sich die beiden Streifenpolizisten gegenseitig an, Brause echauffierte sich weiter:
- „Wir haben im ganzen Bereich ohnehin nur eine überwachte Person, und das ist eineeee Überwachte, eine junge Frau in der Altstadt drüben, gleich über dem Markt; jetzt holt mir gleich den Kollegen herein, der den Gülle-Anruf entgegen nahm!“

Nach kurzer Zeit kam der betreffende Polizist herein und gab kleinlaut zu, daß er da wohl ganz unbewußt einen Zusammenhang zwischen dem gemeldeten Einbruch und dem GÜL-Alarm herstellte. Er räumte ein, daß es nur seine Vermutung war, die er bei dem Funkspruch den beiden Streifenkollegen äußerte, keiner der drei konnte sich erinnern, ob das Wörtchen >vermutlich< Verwendung fand oder nicht. Brause setzte der Debatte ein Ende:
- „Das ist jetzt auch egal, es ist geschehen und ich werd’ den armen Kerl jetzt gleich holen.“
Nach einer kurzen Gedankenpause fuhr er fort: „Was hat er da gesagt, daß er geholt hat, Auto-Erstatzteile?“
- „Äh, ja, glaub’ ich jedenfalls“, stotterte einer der beiden Streifenbeamten, der andere stimmte ihm zu.
- „Und wo war das?“ wollte Brause weiter wissen.
- „Da wo die alten Hallen stehen hinter der katholischen Kirche“.
- „Ah, da weiß ich schon, wer das ist, das ist sicher der Samel, schon sein Vater hatte dort einen Teile-Handel, bei dem has’te alles gekriegt, war `n toller Kumpel“.

Wortlos schauten ihm seine drei Kollegen nach, als Brause sich erhob, um zur Arrestzelle zu schlurfen.
- „Guten Morgen, Brause mein Name, sind Sie Herr Samel?“
Samel blickte erstaunt aus seinen müden Augen in das freundliche Gesicht des Fragenden.
- „Ja. – Wie sind Sie jetzt darauf gekommen? Ach ja, über mein Auto natürlich, daher wissen Sie das.“
- „Sie sind mit dem Auto dort hingefahren?“ Die Verwunderung lag jetzt bei Brause.
- „Ja freilich, ich kann ja nicht hinfliegen“.
- „Und da sind meine Kollegen, diese Idioten, entschuldigen Sie, daß ich das jetzt einmal sagen muß, gar nicht drauf gekommen, Sie haben ihr Auto vermutlich nicht versteckt abgestellt, sondern wohl ganz normal vor das Tor ihres Lagers?“
- „Ganz genau!“
- „Jetzt kommen Sie, ich fahr’ Sie zu ihrem Auto, doch zuvor halten wir am Markt an und ich lade Sie zu einem prächtigen Frühstück ein, ihrer Wahl, auf unsere Kosten natürlich, ich hab’ auch noch nicht gefrühstückt“.

Brause und Samel reichten sich die Hände, ohne Vernehmung, ohne Gesprächsnotiz, brauste Brause mit dem vermeintlichen Einbrecher im nächstbesten Polizeifahrzeug davon Richtung Innenstadt. Brause war tief beeindruckt, wie rücksichtsvoll Samel gegenüber seiner Frau mit dem neugeborenen Kind war, da nahm dieser lieber erst einmal ein paar Stunden Arrestzelle in Kauf. Brause selbst hatte größtes Verständnis für die Ruhebedürftigkeit junger Mütter, er selbst ist vor kurzem Großvater geworden und er kann am Beispiel seiner Tochter nur zu gut mitfühlen, was stillende Mütter leisten, die ganze Nacht über.

Als sie ihr reichhaltiges Frühstück beendet hatten, während dessen sie sich über die alten Zeiten austauschten und Brause immer wieder betonte, wie gefällig Samels Vater vor über 40 Jahren war, als es für ihn als Jugendlicher schwierig war, an Moped- und Motorradteile heranzukommen, brachte Brause zu Samels Lieferwagen, der glücklicherweise, obgleich nicht abgesperrt, unbeschadet im Hof stand. Im Morgenlicht glänzten die Buchstaben auf dem Wagen:
- >Eugen Samel – KfZ-Ersatzteile – Lieferdienst<
Insgeheim war Samel froh über die aufmerksame Nachbarin, die das von ihm erzeugte Einbruchsgeräusch meldete, es hätte sich ja auch um einen illegalen Einbruch handeln können.

Auf dem Rückweg kam Brause noch etwas anderes in den Sinn, er mußte jetzt eine weitere dienstliche Handlung vollziehen, und er fuhr nochmals zum Markt zurück, um von der Bäckerei, in welcher er soeben mit Samel gefrühstückt hatte, frische Semmeln für einen Besuch einzukaufen...























45. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von folssom am 22.10.21 00:04

Da bin ich doch gespannt, welche Situation der Hauptwachtmeister Brause bei seinem Besuch vorfindet.
46. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 22.10.21 20:11

Voilà...

24


Wie von einer Tarantel gestochen sprang Magda aus dem Bett, als die Haustürklingel ertönte. Gangolf war schon einige Zeit etwas wach, er döste an Magdas Seite in einem Dämmerzustand zwischen Schlaf und Hellwachsein.
- "Schnell, zieh' dich an", rief Magda in größter Erregung, "sie darf dich nicht so sehen, sie schlägt mich tot!", kreischte Magda geradezu. Verdutzt rieb sich Gangolf den Schlaf aus den Augen, als ihm schon sein T-Shirt und seine Jeans entgegenflogen. Langsam dämmerte es ihm, daß Magda wohl Martina meinte, und sie vor ihr offensichtlich panische Ängste hatte.
'Wie kam sie nur in so eine wahnsinnige Abhängigkeit, eine Hörigkeit, daß es so was überhaupt gibt', kam es Gangolf in den Sinn, als er sich seine Kleidungsstücke anzog. Da auf den Stufen draußen immer noch keine Tritte zu hören waren, die Martinas Kommen verkündet hätten, ging Gangolf zum Fenster, öffnete es und gewahrte zu seiner Überraschung unten vor der Haustür Wachtmeister Brause. Dieser hob seinen Blick zu ihm herauf und grüßte ihn:
- "Guten Morgen Herr Stumpf, freut mich, Sie zu sehen, ist denn Marlies auch da?"
'Marlies, Marlies?' grübelte Gangolf, wahrscheinlich meinte er Magda.
- "Ja", rief er, "ich komme gleich herunter!"
'Was will denn der schon hier in aller Frühe', überlegte Gangolf. Er schlüpfte in seine Chucks, ohne sie zuzubinden, und war schon fast an der Wohnungstür, als sein Blick auf die Meßgeräte fiel, die mitten auf dem Tisch standen.
'Verdammt, wohin mit ihnen nur?', brummelte er vor sich hin, denn in der engen Wohnung stand jedes Fleckchen mit irgendwelchen Gegenständen voll. Schließlich stapelte er die Geräte vor das Bett und zog die Bettdecke darüber, die somit halb auf dem Boden, halb auf dem Bett zu liegen kam. Dann eilte er die Stiege hinunter, um Brause hereinzulassen.
"Ich will nicht lange stören", entschuldigte sich Brause. Aus seiner Tüte duftete es verheißungsvoll, Gangolf ging in die Offensive:
- "Haben Sie was Gutes mitgebracht?"
- "Ja, ich kam g'rad am Markt vorbei und ich muß ohnehin mit Marlies sprechen, also alles kein Problem, seien Sie unbesorgt!"
Brause blickte verstohlen auf die etwas unnatürlich sich ausbreitende Bettdecke und gewahrte verschiedene Kabel, die darunter hervorlugten, doch er wendete schnell seinen Blick auf den Tisch zurück uns ließ sich sein Erstaunen über die rätselhafte Augenfälligkeit nicht anmerken.

Magda war damit beschäftigt, die Kaffeemaschine mit Wasser und Kaffeepulver zu befüllen, als die beiden Männer die Stube betraten.
- "Guten Morgen Frau Armdran", rief Brause frohgemut, "ich hab' was vom Markt mitgebracht".
Er stellte die Tüte mitten auf den Tisch, Magda kam mit Geschirr aus der Küche, sie erwiderte seinen Gruß mit den Worten:
- "Schön, daß Sie wieder `mal da sind, ich hab' grad Kaffee zubereitet. Er wird gleich fertig sein!"

In gewisser Weise mochte sie Brause, auch wenn er als Polizist Repräsentant der Staatsmacht und damit indirekt mitschuldig an ihrem Schicksal war, vermeinte sie, in seiner Gegenwart eine Aura väterlicher Umsorgung zu verspüren.
- "Ja nur langsam", entgegnete Brause, "und bitte entschuldigen Sie die frühe Störung. Eigentlich hab' ich ja schon gefrühstückt, aber wissen Sie, es heißt doch: >Ein leerer Sack steht nicht!<"
Dabei streichelte er sich über seinen deutlich hervorstehenden Bauch und rückte seine Krawatte zurecht, daß sie genau in der Mitte darauf zu liegen kam. Als schließlich alles bereitet war für das gemeinsame Frühstück, nahm Brause einen großen Schluck aus seiner Tasse, biß in seine dick mit Marmelade beschmierte Semmel und räusperte sich:
- "Also, Frau Armdran, ich hoffe, es macht Ihnen nichts aus, wenn ich das jetzt in Anwesenheit von Herrn Stumpf sage, aber ich glaube doch, daß Sie sich bereits so gut kennen und längst wissen, was los ist."
Magda und Gangolf hielten in ihren Kau- und Schluckbewegungen ein und sahen ihn erwartungsvoll an. Er fuhr fort:
- "Heute Nacht, eher gegen Morgen wohl, kam aus der zentralen Überwachungsstelle eine Alarmmeldung, daß da was nicht stimmt. Bitte nehmen Sie mir das nicht übel, mir war vollkommen klar, daß ich Sie hier antreffen werde, also war das wohl ein Fehlalarm mit ihrer Fußfessel".

‚Als ob es >meine< Fußfessel sei’, ärgerte sich Magda im Stillen, ‚es ist euere und ich muß sie dran haben als Klotz am Bein’.
Gangolf fiel es wie Schuppen von den Augen: Die elektronische Fußfessel war entladen.
- "Würden Sie mir einen Blick darauf werfen lassen?" fragte Brause höflich, aber mit einem fordernden Unterton. Magda streckte ihr linkes Bein in die Höhe und zog dabei den Stoff der Hose etwas zurück.
- "Wir haben vergessen, es zum Aufladen", verhaspelte sich Gangolf, "wir waren gestern Nacht so im Gespräch vertieft, ach, ich bin schuld daran!"
- "So was kommt vor, ist doch kein Problem, deshalb bin ich ja gleich gekommen, wie oft hab ich schon das Dingens da nicht aufgeladen, und am nächsten Morgen war es dann leer".
Bei diesen Worten zog er sein Smartphone heraus und bat Gangolf: "Wären Sie so nett und geben Sie mir `mal ihre Nummer, dann könnte ich Sie einfach anrufen, falls da wieder einmal was sein sollte; es soll ja auch vorkommen, daß einfach ganz grundlos ein Alarm kommt."
Ganz wohl war es Gangolf nicht dabei, als er Brause die Nummer mitteilte. Dieser speicherte sie denn auch gleich in sein Kontakte-Verzeichnis. Gangolf fragte:
- "Haben Sie nicht die Festnetz-Nummer von Magda hier?"
- "Ja, ich glaub' schon, Moment, ja da steht es, Armdran Marlies; aber jetzt sagen Sie `mal, gerade haben Sie von Magda gesprochen, haben wir da einen Fehler?"
Magda errötete leicht, Gangolf blickte irritiert zwischen beiden hin und her. Schließlich klärte sie auf:
- "Mein richtiger Vorname ist schon Marlies, aber meine Freundin meinte, zu mir paßt besser Magda".
'Vermutlich assoziierte Martina mit Magda einfach den Begriff der Magd', sinnierte Gangolf,
'ob die beiden wüßten, was es mit der biblischen Magdalena auf sich hat, eine Figur, die in der Forschung wohl immer noch nicht restlos geklärt worden ist. Sie sollten sich das am besten einmal von der Pfarrerin darlegen lassen.'

-

Endlich war es ihnen gelungen, die Vorwarnung des Entladezustands der elektronischen Fußfessel abzupassen, ohne daß sie in der Wartezeit wieder zusammen eingeschlafen waren. Schüchtern meldete sich das Überwachungsteil mit einem dezenten Piep-Ton, das rote Lämpchen blinkte fleißig. Gangolf konnte die Messungen vervollständigen; zu seiner Verwunderung war dieser Betriebszustand der Vorwarnung nicht in die Impulskette mit eingebaut, das Gerät war somit einfallslos: Es lieferte an die Satelliten und an die Mobilfunkmasten immer die gleichen Impulsfolgen auf den festgelegten Frequenzen, ganz gleich, ob der Akku voll aufgeladen war oder nicht. Das kam seiner Absicht entgegen, ein einfaches Gerät zu konstruieren, das sich von der Ausstrahlung genauso verhielt wie jenes an Magdas Bein.
Gangolf brachte die Frequenzmeßgeräte wieder in das Vereinsheim der Amateurfunker zurück, er mußte dem Gerätewart Hans ein bißchen was vorlügen, was seine erforschten Schaltungen anbetraf, doch bot dieser großherzig an, ihm jederzeit zu Hilfe zu kommen, wenn er bei seinen Schaltkreisen einmal klassische Funktechnik zur Anwendung brächte.
'Ach, lieber Hans', dachte sich Gangolf, 'wenn du wüßtest, was alles los ist'.

Gangolf bedankte sich nochmals, und beide verabschiedeten sich. Gangolf war bewußt, daß er für die Erprobung der Simulationsschaltung und für deren Synchronisierung wesentlich genauere Meßmittel benötigte, immerhin dienten Hansens einfache Geräte dazu, grundlegende Messungen durchzuführen und damit zu beurteilen, daß das Vorhaben prinzipiell möglich wäre. Ab jetzt konnte nur der dunkle Kreis um den Berliner CCC helfen, er mußte sich auf Joe und seinen Leuten verlassen, so widerlich ihm der Gedanke daran war.

Als Gangolf zu Joes Wohnung kam, stand dieser genauso gekleidet im Türrahmen wie bei dem ersten Treffen in der Schwulenkneipe in Kaiserswuselhausen: Lederhose mit spezieller abknöpfbarer Vorderfront und Rangers-Stiefel. Joe setzte ein gepreßtes Grinsen auf und verabreichte Gangolf den anscheinend in der Szene üblichen Faustschlag auf die linke Schulter. Auf dem Schreibtisch gewahrte Gangolf sofort den ekelerregenden Ring mit den vier gebogenen Spießen, einen solchen ihm Joe im Hinterzimmer der Kneipe in den Mund nötigte. Ahnungsvoll betrachtete Gangolf das fürchterliche Teil und überreichte dabei Joe den Datenstick mit den Meßprotokollen.
Während Joe sich leicht bückte, um den Stick in den Schlitz der an der Front seines Computers befindlichen USB-Schnittstelle zu stecken, nickte er in die Richtung der hinteren rechten Ecke des Schreibtisches und forderte Gangolf auf:
- „Da, nimm’ den Spider!“
- „Wen soll ich nehmen?“, fragte Gangolf verwundert, obwohl er ahnte, was Joe meinte.
- „Ja das da!“, entgegnete Joe barsch, „das ist ein Spider-Gag!“
Nachdem Gangolf weiterhin unschlüssig herumstand, packte Joe den Gag und trat zu Gangolf. Dieser verstand sofort und öffnete artig den Mund; so wie er Joe kennengelernt hatte, wäre ein Protest jeglicher Art chancenlos geblieben.
- „Runter mit dir!“, herrschte Joe ihn an. Gangolf kroch auf allen Vieren von der anderen Seite unter den Schreibtisch. Wieder kam ein scharfer Befehl:
- „Pfoten her!“
Kniend ließ sich Gangolf auf den Unterschenkeln und Fersen nieder und streckte die Arme nach hinten auf den Rücken. Das charakteristische Ratsch-Geräusch erklang, er fühlte sich sogleich handgeschellt. Als ob diese Fesselung der Hände und die erzwungene Mundspreizung in der niederträchtigen Körperhaltung unter der Schreibtischplatte nicht genug Demütigung darstellte, kamen nun auch noch die Fußfesseln zum Einsatz: Im Gegensatz zu den Handschellen, deren beide Schellen nur mit einem Scharnier in der Mitte in Verbindung standen, waren die beiden Fußschellen mit einer etwa einen halben Meter langen Kette verbunden, so daß bei normaler Verwendung der Fußgeschellte kleine Schritte vollziehen konnte. Hier jedoch führte Joe eine Schelle zweimal durch Gangolfs gefesselte Arme hindurch, so daß die Verbindungskette das Handschellenscharnier umschlang. Anschließend ratschte Joe die Fußschellen um die Knöchel. Gangolf war fast ebenso wenig bewegungsfähig wie damals in dem Hinterzimmer der Kneipe, einzig die Begrenzung nach hinten durch die Säule fehlte.

Gangolf atmete ein paarmal kräftig ein und aus, denn er wußte, was als nächstes folgen würde: Prompt knöpfte sich Joe den Hosenladen ab, holte eine Kondompackung hervor und setzte sich breitbeinig auf seinen Schreibtischsessel. Gangolf schluckte nochmals, denn ihm war vollkommen klar, daß es ab jetzt zu einem fortgesetzten Gewürge kommen würde. Er wartete gar nicht Joes Aufforderung ab, sondern versuchte sofort, Joes Gemächt durch den Ring in seinen Mundraum zu bringen; ein gar nicht einfaches Unterfangen, denn er konnte seine an die Füße gefesselten Hände nicht zu Hilfe nehmen, der Bewegungs-freiraum seines Kopfes unter der Tischplatte war sehr eingeschränkt.

Gangolf ekelte sich vor Joes Bolzen, den er jetzt im Halbdunkel unter dem Schreibtisch wenige Zentimeter vor seinen Augen ausmachte. In der Kneipe kam ihm der Vorgang einfacher vor: Joe hielt ihm den Kopf fest und dirigierte das Teil in der vollkommenen Dunkelheit durch den Ring; hier jedoch mußte er sich selber bemühen, das gummiüberzogene Teil durch den Spidergag zu bekommen. Immer wieder verfehlte das Objekt das Ziel, Gangolf spürte den warmen Gummi einmal auf den Backen, dann auf der Nase, einmal sogar stieß es in ein Auge, oder es rutschte auf das Kinn, wenn er seinen Kopf zu weit nach oben hob. Bei dieser Gelegenheit stieß er sich jedesmal den Kopf an die Schreibtischplatte. Joe nahm das dumpfe Aufschlaggeräusch zum Anlaß, ihn anzuherrschen, sich zu beeilen, er würde erst dann mit der Arbeit an der Computertastatur beginnen, bis sein Allerheiligstes der vollumfänglichen Behandlung in Gangolfs Höhle sicher sein konnte.

Als es Gangolf endlich gelungen war, den gummierten Zapfen durch den Ring zu zirkeln, preßte er ihn mit der Zunge fest Richtung Oberkiefer und saugte daran, damit er nicht mehr zurückflutschen konnte. Vorsichtig erhob sich Gangolf in seiner gebückten Haltung, soweit es die Schreibtischplatte zuließ, um mit den Knien etwas nach vorne zu rutschen. In dieser neuen, sich näher an Joes Unterleib befindlichen knieend-sitzenden Stellung mußte Gangolf nicht mehr den Kopf weit nach vorn überdehnen, sondern konnte ihn einigermaßen entspannt mit Joes Gemächt im Mund zwischen den lederumhüllten Oberschenkeln halten.

Der Geruch des Leders stieg Gangolf in die Nase und er schämte sich dafür, daß ihm der Vorgang eine gewisse Lust bereitete, diese steigerte sich unwillkürlich, als Gangolf im Gegensatz zu damals beim ersten Mal im Kneipen-Hinterzimmer Joes Bolzen nicht ganz so tief in seinem Rachen verspürte, und somit der grausame Würgereiz weniger brechend wirkte. Genußvoll kaute Gangolf an dem Gummi, der immer weiter anschwoll; auch sein einen halben Meter tiefer hängendes Teil schwoll spürbar lustvoll an. Nicht mehr ganz bei der Sache zog er unbewußt seinen Kopf etwas nach hinten, so daß Joes Teil herauszurutschen drohte. Sofort erhielt Gangolf einen Tritt in seinen Schritt, der Schmerz rief einen unterdrückten Schrei hervor, gedämpft durch Joes Gummibolzen in seinem Mund.

- „Bleib da“, knurrte Joe und rückte mit seinem Sessel weiter unter den Tisch. Gangolf konnte es nur als Strafe interpretieren, als Joe nun seine Stiefel auf Gangolfs Oberschenkel abstützte, und jedesmal, wenn Joe vermeinte, bereits eine schwache Andeutung eines Zurückweichens zu verspüren, drückte er die Stiefel kräftig auf Gangolfs Beine. Dieses Signal reichte aus, daß Gangolf sich sofort wieder leicht nach vorne beugte, um das Ding in voller Länge bis in seinen hintersten Rachen zu schieben.
‚So schnell kann ein Lernerfolg eintreten’, dachte sich Joe, tatsächlich wollte Gangolf unter allen Umständen vermeiden, nochmals einen Stiefeltritt auf seine Eier zu erhalten, denn neben dem Schmerz war es deprimierend zu erleben, wie seine Lust schlagartig zusammenbrach und sie sich darnach nur langsam wieder aufbaute.
Joe legte eine Pause ein, verschränkte die Hände hinter seinen Kopf und rückte mit seinem Stuhl wieder etwas nach vorn, was Gangolf mit einem kurzen grunzenden Laut quittierte.

- „Massier’ jetzt besser, beweg’ dein Maul vor und zurück, saug’ an der Eichel, ich möcht’ jetzt endlich kommen!“, befahl Joe. Gangolf bemühte sich redlich, mit entsprechenden Kopf- und Zungenbewegungen Joes Befehl nachzukommen, beinahe wäre ihm das Teil dabei entflutscht, konnte es gerade noch einfangen, als es schon deutlich vor dem Ring zu sehen war.
- „Schneller“, keuchte Joe und drückte seine Oberschenkel weiter auseinander, bog seinen Rücken zu einem Hohlkreuz, schloß die Augen und stellte die Atmung ein. Plötzlich knickte sein Rücken ein, aus dem Hohlkreuz wurde ein Rundrücken, mit letzter Kraft stemmte er sich mit den Füßen von Gangolfs Oberschenkeln, der Schreibtischsessel rollte ein Stück weit nach hinten. Gangolf spürte im gleichen Augenblick die Veränderung an Joes gummiverhülltem Teil, dessen flüssigkeitsgefüllte Spitze sich fest in seinen Rachen drückte. Bevor der Stopfen jedoch den gefürchteten Brechreiz hervorrufen konnte, wurde der gesamte Lustbolzen durch Joes Zurückrücken Gangolfs Mund entzogen.

Beide Lüstlinge hörte man nun im Duett ein- und ausatmen, während Gangolf es schwer hatte, eine einigermaßen entspannte Körperposition unter dem Tisch zu finden, legte Joe die Unterarme übereinander auf die Schreibtischkante und setzte seine Stirn auf die dadurch gebildete Erhöhung. Nach etwa zwei Minuten hob er seinen Kopf wieder an, stützte sich mit den Händen ab und blickte eine Weile auf den Bildschirm. Dann rückte er sich den Sessel zurecht und verabreichte Gangolf unter dem Tisch einen ungezielten Tritt. Gangolf kippte mit einer leichten Drehung nach hinten auf seine rechte Schulter, aufgrund der eng an seine Füße gefesselten Hände konnte er den Stoß nicht abfangen und war dem Tritt wehrlos ausgesetzt.

So schmerzhaft das seitliche Umkippen auch gewesen war, war Gangolf nun doch froh darüber, endlich eine andere Körperhaltung einnehmen zu können, eine seitlich-liegende, zwar auch alles andere als bequem, doch erlangten seine Füße, die ständig das Gewicht des auf ihnen ruhenden Oberkörpers tragen mußten, eine wohltuende Erlösung. Er spürte das Blut, das wieder bis in die Zehenspitzen hervordrang, nachdem diese die ganze Zeit über abgewinkelt auf dem Boden gepreßt waren, während die Sohlen senkrecht nach oben zeigten, die Fersen als Sitzfläche für die Pobacken.

Gangolf war es gewohnt, als selbstbestimmender Mensch durch das Leben zu schreiten. Joes Bekanntschaft ließ ihn den düsteren Gewitterhimmel ahnen, unter welchem er fürder hindurchtreten würde.








































47. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 29.10.21 17:00

Mit mulmigen Gefühl gewahre ich das Verschieben des "Chatverlaufs zwischen zwei Transsexuellen" mit der Sorge, auch mein Roman könnte in einer zukünftigen Episode den Bedingungen der unbeschränkten Veröffentlichung nicht mehr entsprechen; es wäre schade um die viele Mühe, die mir das Schreiben bereitet hatte.


25

Es fiel im zusehends schwerer, sich auf die Arbeit zu konzentrieren. Seine Gedanken bewegten sich wie auf einer Achterbahn. Was war das nur für ein verrücktes Frühjahr. Mit den ferngesteuerten Handschellen fing alles an. Dann kam die verhängnisvolle Anzeige, die Wilde Fegerin. Dann die junge Pfarrerin. Dann die Quasi-Sklavin. Schließlich der schwule Typ, der ihn dominieren wollte. 'Wo bin ich da hineingeraten'.

Gangolf drehte eine schnelle Runde um seine Insel; bevor er zurückpaddelte, besuchte er sie und suchte dort seine kleine Schatzkiste auf. Entgegen der weitverbreiteten Tendenz, alles, auch kleinste Beträge in kleinsten Läden mit Karte zu bezahlen, zahlte er aus naheliegenden Gründen alles bar. Er hatte ja seine Schatztruhe auf der einsamen Insel, wie im Roman. Manchmal übertrifft das wirkliche Leben die Traumwelt des Romans, auch die Traumwelt der Romantik.

Er hatte fast alles. Haus. Hof. Arbeit. Auto. Motorrad. Kajak. Insel. Nur eines fehlte ihm noch. Eine.
Er konnte vieles. Elektroarbeiten. Installateurarbeiten. Holzarbeiten. Bauarbeiten. Mechanische Bearbeitung. Italienisch. Orgelspielen. Nur eines konnte er nicht. Lieben. Richtig Lieben. Lieben mit Konsequenzen. Nicht am glänzenden Metall von der innigen Liebe ausgeschlossen werden.
Da war die Dominante. Abgesperrt. Egal. War ihm ohnehin zu dominant.
Da war die Intelligente. Kam nicht an die Wäsche. Nicht einmal an den Mund. Wäre erstrebenswert.
Da war die Sklavin. Abgesperrt. Egal. Zu devot.
Da war die schöne Katholikin. Kurzer feuchter Kuß. Ja. Sie. Anbaggern. Ein Versuch wäre sie wert.
Gangolf beschloß, wann immer es ihm möglich wäre, von nun an in die katholische Kirche zu gehen. Er mußte sie wieder sehen. Kirchgänger sind normalerweise Gewohnheits-Christen. Wenn sie gehen, gehen sie immer. Gewohnheit.

Am nächsten Tag hatte Gangolf einen Termin bei einer Familie Werner. Als er am Morgen aufwachte, erschrak er beinahe: Sein Vorhang erstrahlte glutrot. Er wälzte sich aus dem Bett und zog den Vorhang etwas zur Seite, um hinausschauen zu können. Fasziniert betrachtete er den flammenden Morgenhimmel. Er konnte sich nicht erinnern, wann er zuletzt eine dermaßen ausgeprägte Morgenröte erblickt hätte. Minutenlang stand er da und beobachtete die Silhouette. Dann riß er den Vorhang gänzlich auf und ließ sich wieder auf sein Bett fallen. Alle Wände des Schlafzimmers wurden in dezentes Rot getaucht, die dem Fenster gegenüberliegende Wand erglühte. Bei dieser Faszination kam ihn plötzlich Wilhelm Hauffs Reiterlied vom Morgenrot in den Sinn, jener wahnsinnige Gesang, der gnadenlos das Schicksal der in den Krieg ziehenden Soldaten beschreibt, vor 205 Jahren geschrieben, von Silcher vertont:

Morgenrot, Morgenrot,
leuchtest mir zum frühen Tod?
Bald wird die Trompete blasen:
dann muß ich mein Leben lassen,
ich und mancher Kamerad!

Kaum gedacht, kaum gedacht,
war der Lust ein End' gemacht.
Gestern noch auf stolzen Rossen,
heute durch die Brust geschossen,
morgen in das kühle Grab!


Gangolf schalt sich selbst, was er für ein gefühlsduseliger Mensch geworden war. Wieso sollte ihm das Morgenrot zum Tod leuchten? Sicherlich war seine Arbeit auf den oftmals steilen Dächern nicht ungefährlich, aber nein, an den Tod wollte er nicht denken. Und daß der Lust ein Ende gemacht würde, augenblicklich sieht es für ihn nicht danach aus, aber in dem Vers könnte schon etwas Prophetisches enthalten sein. Gangolf überlegte, ob die stolzen Rosse der Gegenwart die Motorräder seien, und tatsächlich hätte es gut sein können, daß einer der von ihm Verfolgten die Pistole gezogen hätte, um ihn in die Brust zu schießen, schließlich waren die Räuber bewaffnet gewesen.

'Hauff war kaum 20 Jahre alt, als er diese düsteren Verse dichtete,' sinnierte Gangolf erneut, als er seinen Kaffee trank, 'ob er sein eigenes Schicksal beschrieb, die Ahnung, daß er bereits wenige Jahre, 25-jährig, sein Leben lassen müßte:
>morgen in das kühle Grab!<'

Kaum daß Gangolf an der Haustür geläutet hatte, öffnete ihm die junge Frau Werner mit einem kleinen Kind auf dem Arm und begrüßte ihn:
- "Guten Tag, sind Sie Herr Stumpf?"
Nachdem Gangolf den Gruß erwiderte, bat sie ihn herein und rief im Stiegenhaus hinauf:
- "Papa, Herr Stumpf ist da!"
Offenbar wollte sie bei der Reparatur der Photovoltaikanlage ihren Vater dabeihaben. Als dieser etwas schwerfällig die Stiege heruntergekommen war, blickten sie sich erstaunt an und sprachen gleichzeitig mit einem Ton der Verwunderung:
- "Ah, Herr Stumpf!" - "Ah, Herr Brause!"
Sie schüttelten sich die Hände und stellten übereinstimmend fest, welche Zufälle es doch gäbe, daß sie sich nach wenigen Tagen auf diese Weise schon wieder getroffen haben. Gangolf lehnte den angebotenen Kaffee ab mit den Hinweis, bereits bei sich zu Hause einen getrunken zu haben. Frau Werner drückte ihr Kind dem Großvater auf den Schoß und holte sich aus der Küche eine Tasse voll Tee.
- "Willst du auch einen?", richtete sie die Frage an ihren Vater, doch dieser lehnte dankend ab.
- "Sehen wir uns doch gleich die Anlage auf dem Dach an", schlug Gangolf vor. "Von wo aus kann man am besten auf das Dach hinaussteigen?"
- "Ja, hm, wohl nur von der Dachgaube von unserem Schlafzimmer aus", antwortete Frau Werner etwas unschlüssig, "ich geh' schon 'mal hinauf und richte das her, damit Sie an das Fenster können."
'Wer weiß, was sie da alles schnell verräumen muß', dachte sich Gangolf und plauderte mit Brause über ein paar belanglose Dinge, bis dessen Tochter wieder heruntergekommen war.

Als Gangolf mit Brause das Schlafzimmer betrat, konnte er nicht erkennen, daß in dem Zimmer etwas aufgeräumt worden wäre, die Decken und Kissen auf dem Doppelbett lagen ziemlich zerknäult herum. Er machte sich darüber weiter keine Gedanken, seine Sorge galt vielmehr dem Wetter, denn bei seinem Blick durch das Dachgaubenfenster gewahrte er eine bedrohlich heranziehende Regenwolke. Jäh fiel ihm der Merkvers ein, den er als Schüler häufig durcheinander brachte: >Abendrot: Gutwetterbot', Morgenrot: Schlechtwetterbot'<

Gangolf leerte seine Hosentaschen und legte alles ab, was ihm beim Klettern auf das Dach hinderlich sein könnte: Geldbeutel, Schlüssel, Handy. Auch den Werkzeuggürtel legte er auf den Boden, er wollte erst einmal hinausklettern, um zu sehen, was Sache war. Er öffnete das Fenster, schwang sich auf das schmale Fensterbrett, hielt sich mit einer Hand an dem Rahmen fest und beugte sich heraus, um an der Seite der Gaube vorbei auf das Dach hinaufsehen zu können. Sofort erkannte er das Problem: Ein beim letzten Sturm abgebrochener Ast hat sich unter eine Photovoltaikplatte geklemmt und dabei ein Kabel immer weiter hinter der Platte nach unten gezogen, bis es schließlich abgerissen war.

Vorsichtig drehte sich Gangolf zurück auf das Fensterbrett, griff nun mit beiden Händen links und rechts an den Fensterrahmen, kniete sich auf das Brett und ließ die Füße nach außen baumeln. Dann gab er die kniende Position auf und ließ seine Beine langsam das Dach hinuntergleiten, bis seine Zehen die Dachrinne erreichten. Sein Gewicht immer noch über die Arme am Fensterrahmen haltend prüfte er vorsichtig die Tragfähigkeit der Rinne, indem er nach und nach das Gewicht von den Armen auf die Beine übertrug. Er hatte es zwar noch nie erlebt, daß eine Dachrinne unter seinem Gewicht nachgegeben hätte, doch wollte er nie ungeprüft darein steigen, denn es gibt Dinge, die dürfen im Leben niemals geschehen, sei es ein wie auch immer gearteter Motorradunfall, oder eben ein Absturz von einem Dach.

Aber für alles gab es im Leben ein erstes Mal.

Nachdem er seine in Handschuhen mit gummierten Innenflächen gehüllten Hände flach auf die Dachziegel legte, zog er vorsichtig das linke Knie an und hob damit den Fuß aus der Rinne, um ihn auf den Traufziegel zu positionieren. Dabei wurden die Zehen stark abgewinkelt. Noch vorsichtiger zog er anschließend auch den rechten Fuß aus der Rinne und prüfte dabei, ob der linke Fuß sein Gewicht halten würde. Sollten seine Zehen indes abrutschen, müßte er sofort den rechten Fuß wieder in die Rinne stellen, das Dach wäre für eine Besteigung zu steil.

Für das Klettern auf Dächern wollte Gangolf mit keinen anderen Schuhen tauschen, er verwendete dazu immer seine geliebten knöchelhohen Chucks, sie boten dem Fuß mit der engen Schnürung guten Halt, die dünne, aber sehr griffige Gummisohle verlieh große Haftung und eine hohe Sensibilität auf die Zehenunterseite und die Fußsohle; für ihn war das eine ganz wichtige Eigenschaft, die ihm Rückmeldung über die Beschaffenheit des Untergrundes lieferte, seien es Leitersprossen, Dachlatten oder Dachziegel. Die von den Arbeitsschutzgesetzen vorgeschriebenen Sicherheitsschuhe konnte er überhaupt nicht gebrauchen: Deren harte starre Sohle diente allenfalls dazu, Dachziegel zu zertreten, die Zehen konnte man kaum abwinkeln, mit diesen klumpigen Dingern an den Füßen käme er sich vor wie der Elefant im Porzellanladen.

Gangolf hatte allerlei verschiedenes Schuhwerk ausprobiert, die einen hatten zwar Gummisohlen mit guten Grip, doch waren sie zu dick und damit zu unsensibel, um den Untergrund zu erfühlen. Andere hatten eine dünne Sohle, die jedoch keine ausreichende Haftung boten. Er blieb bei den Chucks. Gerne hätte er einmal spezielle Kletterschuhe probiert, irgendwann würde er, wenn er wieder einmal nach Dresden käme, solche ausprobieren; in Dresden gab es ein riesiges Sportgeschäft, dort hatte er auch seine Kajaks gekauft: Ausgestattet mit einem großen Basin konnte er darin die Boote proberudern! In Zeiten des immer weiter umsichgreifenden Internet-Shoppings war dieses Sportgeschäft mit seinen mehreren Etagen eine wohltuende Ausnahme.

Mit Mühen gelang es Gangolf, den Ast unter den Photovoltaikplatten zu greifen, auf seinen Zehenspitzen und Knien abgestützt rüttelte er an ihm und zog ihn hin und her, als es zu regnen begann.
'Verdammt, verdammt', fluchte Gangolf in sich hinein, 'die alte Wetterregel hat wieder recht behalten, verdammt, jetzt muß ich mich aber beeilen.'
Instinktiv ließ er sich dazu hinreißen, was er ohne den einsetzenden Regen niemals gewagt hätte, denn, anstatt das Unternehmen abzubrechen, ergriff er jetzt mit beiden Händen den Ast, rüttelte noch stärker, und mit einem Ruck gab dieser seine Umklammerung an die Photovoltaikplatte auf, aus dem Gleichgewicht geraten begann Gangolf abzurutschen. Das allein brachte ihn noch lange nicht in Panik, reflexartig streckte er seine Füße durch und wartete darauf, mit den Zehen voran in der Dachrinne zu landen. Ihn reute bei solchen Abrütschen lediglich die schöne weiße Gummikappe auf der Zehenoberseite, für solche Vorkommnisse wären möglicherweise die Stahlkappen der Arbeitsschuhe vorteilhafter, indes wäre das über die Kappen gespannte Leder wohl auch schnell zerschlissen.


Gerade als Gangolf in's Rutschen kam, beugte sich Brause, soweit es sein an das Fensterbrett gepreßte Bauch zuließ, aus dem Fenster und rief:
- "Kommen Sie herunter, es fängt zu Regnen an!"

Brause drückte seinen Kopf noch ein Stück weit nach vorn, um seitlich an der Dachgaube vorbeizusehen. Mit Entsetzen sah er Gangolf mit den gekrümmten Fingern einer Hand am Rand der Dachrinne hängen, wenige Sekunden darauf zerriß der Urschrei der Menschheit, dem Urknall einer neu entstandenen Galaxis gleich, die friedsame Stille der Siedlung. Brauses Polizisten-Instinkt hielt ihn ab, in Panik die Stiege hinunterzueilen, um am Ende dabei zu stürzen; gefaßt zog er sein Handy heraus und wählte die Notrufnummer. Er begleitete Gangolf im Rettungswagen; Gangolf wollte seinen Abtransport zunächst abwehren, denn er stand unter Schock und spürte seine Verletzungen nicht. Kaum lag er auf der Trage im Rettungswagen, kamen die ersten Schmerzwellen über ihn, er verzog das Gesicht, biß sich auf die Lippen, doch konnte er schließlich ein Stöhnen nicht mehr unterdrücken.

Brause fragte ihn, wen er verständigen sollte. Gangolf stotterte mit schmerzverzerrter Miene herum, noch nie war er in seinem Leben in einer solchen Situation. Brause half ihm auf die Sprünge:
- "Soll ich diese, wie heißt sie gleich, die Freundin dieser Marlies-Magda, anrufen?"
Gangolf entgegnete: "Nein, lieber die Pfarrerin Bettina."
- "Wie heißt sie mit Zunamen?"
Gangolf kam indes wieder in's Stammeln, ihm fiel ihr Name nicht ein. Ihm wurde schwarz vor Augen, er war nicht mehr ansprechbar.

Selten erinnerte sich Gangolf an einen Traum, doch in dieser Nacht, oder war es noch am Tag, schüttelte ihn ein Alptraum nach dem anderen: Das Morgenrot brachte nicht nur Regen, sondern die Sintflut, er hatte größte Mühe, sich bei dem Sturm auf dem First eines Hauses festzuhalten. Gleich darauf entzündete das Morgenrot mit seinem gleißendem Glühen unendliche Feuer, wieder mußte sich Gangolf auf ein Hausdach retten, dann vermeinte er, auf einem Pferd zu sitzen, irgendwo hörte er das Martinshorn eines Sanitätswagens, und auf dieses Signal hin mußte er in die Schlacht reiten. Dann fiel und fiel er, und das Fallen schien kein Ende zu nehmen.

Es war wie beim Bungee Jumping. Vor einigen Jahren hatte Gangolf einen Sprung aus 110 Meter Höhe absolviert; er nahm sich vor, nicht zu schreien, er fand es unmännlich, als die vor ihm Springenden diesen affigen Urlaut sich aus dem Leibe schrien. Doch als man ihn auf dem schmalen Brett vor der Gondel stehend ausklinkte und er mit einem Sprung in die scheinbar unendliche Tiefe stürzte, konnte er gar nicht anders, als diesen Urschrei des Lebens sich aus dem Leibe herauszuplärren. Noch nach Jahren wachte er in manchen Nächten auf, als er im Traum das Erlebnis zu verarbeiten suchte, und dann an dem Schrei aufwachte.

Als die schlimmsten Träume in dieser Nacht ein Ende genommen hatten, überkam Gangolf die Vorstellung, in einen Mistwagen gestürzt zu sein. Er stank darnach ganz fürchterlich, und es ekelte ihn unermeßlich, doch wurde sein Stoß abgefedert, so daß er einigermaßen glimpflich ohne größere Schäden davon kam. In seinem Traum vermischte sich das ihm Widerfahrene mit der geschichtlichen Begebenheit des Prager Fenstersturzes, wo ein Vertreter der katholischen Liga bei einer Besprechung mit den evangelischen Landesfürsten kurzerhand aus dem Fenster gestoßen wurde; dieser Vorgang war der Auslöser des unsäglich grausamen 30-jährigen Krieges.

Dank Internet war es für Brauses Kollegen ein Leichtes, eine Pfarrerin mit dem Vornamen Bettina ausfindig zu machen: Sie war an der hiesigen Paul-Gerhard-Kirche angestellt und hieß Litte, indes war es schier unmöglich, sie telephonisch zu erreichen. Der Anrufbeantworter nudelte fleißig die Öffnungszeiten des Pfarrbüros herunter und gab auch eine Handy-Nummer preis für Notfälle, unter welcher ein Krankenhaus-Seelsorger zu erreichen wäre, die persönliche Nummer der Frau Litte blieb indes unter Verschluß.

- „Wenn man einmal die Pfaffen braucht, sind sie nicht erreichbar“, brummte Brause vor sich hin und beschloß, selber zu Gangolfs Hof hinauszufahren, um dessen persönlichste Habseligkeiten für den Krankenhausaufenthalt zu holen; Gangolfs Schlüssel hatte er aus dem Haus seiner Tochter mitgenommen, Gangolfs Anwesen kannte er zur Genüge, seit er mit den Kollegen nach dem Sparkassenraub dort alles durchsuchen mußte.
Brause stellte Gangolfs Sachen in dem Krankenzimmer ab und verstaute sie entsprechend in dem Schrank und in das Bad. Dann gab er jenem einen Brief mit handgeschriebener Adresse, der in seinem Briefkasten lag. Brause war sehr überrascht, daß junge Menschen sich noch Briefe schrieben, wo es nun bereits seit zwei Generationen den E-Mail-Verkehr und sonstige elektronische Nachrichtenmedien gab.

Gangolf blicke ihn überrascht an, errötete auch leicht, bedankte sich für Brauses Aufmerksamkeiten; nachdem sie sich verabschiedet hatten, öffnete er den Brief. Ihm war sofort klar, von wem er stammte: Als die Sache mit Magda ernst wurde, forderte Joe, jeglichen Kontakt nur noch per Briefpost zu pflegen, kein Telephonanruf, keine E-Mail, denn alle diese elektronischen Nachrichten wurden im Hintergrund irgendwo aufgezeichnet und gespeichert. Als quasi-professioneller >Hacker< wußte er um diese Vorgänge, die natürlich von offizieller Seite stets geleugnet wurden.

Die alte Briefpost hingegen, noch dazu handgeschrieben verfaßt, schien überhaupt nicht mehr nachrichtendienstlich interessant zu sein, vergleichbar mit dem Kfz-Teile-Händler Samel, der sein Lager mit einem billigen einfachen Vorhängeschloß verriegelte. Gangolf erkannte sofort zweifelsfrei Joes Handschrift, dieser unterließ es wie immer, sich als Absender preiszugeben, es war nur ein Einzeiler:
>Es bleibt dabei Samstag gegen Mittag, komme mit ihm direkt zu ihr!<

‚Sehr geheimnisvoll’, dachte sich Gangolf, ‚selbst wenn das jemand zu Lesen bekäme, verstünde er nicht, um was es geht’.
Am Samstag sollte das große Finale bei >ihr< vollzogen werden, und es schmerzte Gangolf sehr, nicht dabei zu sein, er müßte hier vermutlich noch einige Tage in dem stickigen Krankenhauszimmer liegen. Mit >ihm< meinte Joe dessen Busenfreund Kalle, jenem Typen, der im Berliner CCC der Funksparte angehörte, der den sendetechnischen Teil des Projektes anfertigte.

Beide hatten sich bereits vor ein paar Tagen bei Magda getroffen, um sich in aller Ruhe ohne Streßbedingungen kennen zu lernen; Martina hat darauf bestanden, damit Magda nicht durchdrehen würde, wenn dann beim Finale gleich zwei neue Männer dastünden. Bei dieser Gelegenheit brachte damals Gangolf gleich das Holzschränkchen mit, das er für die Unterbringung des Senders mit der zugehörigen Elektronik geschreinert hatte. Im unteren Teil fand ein großer Akku Platz, der als Pufferbatterie fungierte, sollte einmal aus irgend einem Grund der Strom ausfallen. Gangolfs Kenntnisse aus dem Bereich der Photovoltaikanlagen machten sich hier bezahlt, somit wurde das Projekt, mit welchem Magda von der Wirkung der elektronischen Fußfessel befreit werden sollte, eine Gemeinschaftsaufgabe der drei Männer.

Was Gangolf nicht ahnte, waren die Umstände, wie das Projekt in Magdas Wohnung vollendet würde; und es war tatsächlich oftmals besser, wenn man nicht alles im vornherein wußte...








48. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 05.11.21 22:27


26


- „Wo bleibt eigentlich Magnus?“, wollte Joe wissen, als er mit Kalle schon eine halbe Stunde bei Magda saß. Zusammen mit Martina tranken sie Kaffee und hatten alle Not, ein oberflächliches Gespräch am Laufen zu halten.
- „Ruf’ ihn einfach an“, entgegnete Martina.
- „Nee du, auf keinen Fall, alles wird abgehört und automatisch gespeichert, mein Anschluß soll niemals auf irgend einer Liste stehen, die mich in irgend einer Weise mit einer von eueren Nummern in Verbindung bringt! Ruf’ du ihn doch an, wir machen die ganze Scheiße doch bloß für euch!“
Leicht gekränkt verzog Martina das Gesicht, nicht daß sie sich von dem unverhohlenen Rüffel angegriffen gefühlt hätte, es ging ihr vielmehr gegen ihren dominanten Stursinn, sich herabzulassen und den >Magnus< anzurufen. Sie brachte es auf den Punkt:
- „Brauchen wir den überhaupt dazu?“

Gangolf versuchte zur gleichen Zeit vergeblich, Bettina zu erreichen. Er wollte sie bitten, Martina zu verständigen, daß er im Krankenhaus läge und nicht zu dem für heute geplanten finalen Treffen zur Magda kommen könne. Dummerweise hatte sich Gangolf nie die Nummer von Magdas Festnetzanschluß gespeichert. Seiner Meinung nach wäre es das einfachste, die Aktion aufzuschieben, bis er wieder mobil wäre. Nur eines weigerte er sich, nämlich Martina anzurufen: Sicherlich würde sich ihre arrogante Mailbox melden mit dem noch arroganteren Text: >ich entscheide dann, ob ich zurückrufe!<

- „Nee, fangen wir einfach schon ´mal ohne ihn an“, meinte Joe, und Kalle begann damit, den Sender in dem von Gangolf angefertigten Schränklein aufzubauen. Als nach einigen Minuten alles soweit war, sprach Joe mit Grabesstimme:
- „Also jetzt wird es wirklich ernst, wir brauchen höchste Konzentration, ihre Fessel und unseren Sender zu synchronisieren. Vor allem muß das Ding vollkommen ruhig liegen, daß wir keine Interferenzen kriegen.“
- „Was sollen wir nicht kriegen?“, fragte Martina, die dieses Wort noch nie bewußt gehört hatte.
- „Interferenzen“, wiederholte Joe, und Kalle ergänzte: „Magdas Fußfessel muß vollkommen ruhig liegen, darf sich nicht im Geringsten bewegen, sonst beeinflussen sich die Funkwellen, also kannst du vielleicht dein Bein hochlegen auf einen Stuhl, oder so?“
Magda stellte ihren linken Fuß auf einen Stuhl, doch war allen sofort klar, daß ihr Knöchel dadurch nicht absolut ohne Bewegung positioniert war.
- „Ist das denn gar so wichtig?“, wollte Martina wissen.
- „Ja, durchaus, schau, die Wellenlänge beträgt zur wenige Zentimeter, und da sind Bewegungen von einigen Millimetern schon zuviel. Sonst haben wir Interferenz.“
‚Wenn das so ist’, dachte sich Martina und unterbreitete folgenden Vorschlag:
- „Am besten, wenn du dich auf den Boden legst und dein Bein angewinkelt auf den Stuhl lehnst und das binden wir dann an der Sprossen der Stuhllehne fest.“
- „Das könnte funktionieren“, meinte Kalle, „probieren wir’s `mal!“

Artig kam Magda der Anweisung nach, legte sich mit dem Rücken auf den Boden, winkelte ihr linkes Bein an und hob den Fuß auf die Sitzfläche. Martina öffnete die unterste Schublade der Anrichte und zog ein Fesselseil heraus. Bei dieser Gelegenheit konnte Joe einen Blick in die Schublade werfen: Neben einigen Seilen entdeckte er mehrere andere Fesselutensilien, aber auch Dildos und Masken.
‚Aha, so seid ihr also d’rauf’, kam es ihm in den Sinn, und er faßte einen teuflischen Plan, die Inbetriebnahme des Senders lustvoll herauszuzögern.

Als Martina Magdas Knöchel stramm an die Stuhllehne gefesselt hatte, war die Fußfessel absolut unbeweglich fixiert. Die beiden Männer setzten sich an ihre Geräte, drückten und drehten mit ernster Miene an den Bedienungsknöpfen herum, und als Magda versehentlich mit ihrem rechten Fuß an ein Stuhlbein anstieß, ließ Joe einen verächtlichen Schrei los:
- „Also so geht das schon `mal gar nicht, das war jetzt soeben eine Riesenabweichung, mit solchen Interferenzen können wir nichts machen.“
Schuldbewußt errötete Magda und flötete ein „Verzeihung“.

Joe ging in die Offensive und schlug die Fesselstellung des Hogtie vor. Martina wußte natürlich sofort, was gemeint war, und beide waren sich im Geiste einer Meinung, daß es besser war, daß Gangolf nicht anwesend war, sonst hätten sie langwierige Erklärungen vornehmen müssen, vermutlich hätte er auch scharf dagegen protestiert. Natürlich war es Joe und Kalle klar, daß die geäußerten Bedenken wegen Interferenz unzutreffend waren, die Fixierung an der Stuhllehne wäre vollkommen ausreichend gewesen, der Vorgang der Synchronisierung wäre in wenigen Sekunden vollzogen gewesen.

Mit bewundernden Blicken beobachteten Joe und Kalle, wie Martina gekonnt den Hogtie an Magda vollzog: Magda legte sich auf den Bauch, Marina setze sich auf die Oberschenkel und verknotete Magdas Hände und Ellenbogen hinter den Rücken. Dann strich sie die Haare zu einem Pferdeschwants zusammen, verknotete daran mehrfach ein dünnes Seil, eher eine dicke Schnur, die Enden ließ sie zunächst seitlich nach unten baumeln.

Als Martina mit Magdas Oberkörper fertig war, erhob sie sich, winkelte Magdas Kniee ab, drückte diese auseinander, soweit es möglich war, legte die Füße im Winkel von etwa 90 Grad übereinander, schob die elektronische Fußfessel etwas nach vorne herum und fesselte die Füße in dieser Stellung. Sie führte die Seile mehrfach in vielen Schlingen wechselweise um die Knöchel, damit diese unverrückbar miteinander in Verbindung blieben. Sie nahm es in Kauf, daß die Blutzirkulation stark beeinträchtigt würde, doch wußte sie, daß Magda hart im Nehmen war und sie diese Behandlung bisher schadlos überstanden hatte.

Schließlich nahm Martina ein Seil, nahm es doppelt, legte es auf den Boden vor Magdas Kopf, führte es unter ihren Kopf hindurch bis zu den Brüsten, zog an es an beiden Enden an den Oberarmen herum nach hinten, so daß die Schultern noch ein wenig mehr zusammengedrückt und dabei die Brüste noch weiter nach unten auf den Fußboden herausgepreßt wurden. Die Seilenden zog sie an den Schultern herum und führte auf Magdas Rücken unterhalb der Nackenwirbel die beiden losen Seilenden durch die Schlinge. Die hindurchgeführten Seilenden zog sie straff, führte sie einmal hindurch und bildete damit einen Knoten. Dann ging sie mit den beiden Enden nach hinten in Richtung Magdas Füße. Dort ging Martina in die Hocke, drückte ihre Knie auf Magdas Unterschenkel, bis die Fersen ihrer gekreuzt gefesselten Füße die Hände berührten, welche auf dem Po auflagen.

Während Martina auf diese Weise mit ihren Knien Magdas Füße nach unten drückte, hatte sie beide Hände frei, um das soeben hinter den Schulterblättern verknotete Seil in aller Ruhe durch die gefesselten Füße zu führen. Sie zog an den beiden Seilenden so stark wie sie konnte, Magdas Oberkörper erhob sich um einige Zentimeter. Ruckartig verknotete sie das Seil an Magdas Füßen, legte die erste Knotenschlinge, riß nochmals an den Seilenden, aus Magdas Mund war ein leichter Seufzer zu vernehmen. Schließlich legte sie die zweite Knotenschlinge und nahm ihre Knie von Magdas Waden.

Magdas Rücken war zu einem gewaltigen Hohlkreuz gespannt, ihre weit auseinander auf dem Boden gedrückten Knie bildeten im Verein mit ihrem Brustkorb ein stabiles Auflagedreieck, so daß ihr gesamter Körper unbeweglich auf dem Boden dalag. Einzig ihr Kopf war noch frei beweglich. Doch auch dieses Körperteil fixierte Martina, indem sie nun das Seil, das sie an Magdas Pferdeschwants gebunden hatte, nach hinten führte und gleichfalls an die bereits vielfach verknoteten Füße band.
Magdas Kopf wurde dadurch nach hinten gezogen, ihr Kehlkopf nach vorne herausgedrückt, ihr Kinn blieb aufgrund der Dehnung im Nacken unten, während ihr Oberkiefer mitsamt dem restlichen Kopf nach oben und nach hinten gedrückt wurde. Ihr Mund blieb dadurch leicht geöffnet. Martina erhob sich, um ihr Werk zu betrachten. In dem Moment bewegten sich Magdas Zehen etwas vor und zurück, als ob sie Winken wollten.

- „Na warte“, grollte Martina, löste das zuletzt verknotete Seil wieder von den Füßen, Magdas Kopf fiel nach unten. Fester als zuvor zog sie das Seil wieder nach hinten, was Magda mit einem deutlich hörbaren Aufschrei quittierte, führte die dicke Schnur jeweils durch die Zwischen-spalten zwischen großer Zehe und der zweiten Zehe, wickelte einmal die Schnur um die großen Zehen und spannte diese kräftig an, um die beiden Enden im verbleibenden etwa handbreiten Zwischenraum zwischen den beiden Zehen zu verknoten.

Als nun Magda versuchte, ihren Kopf etwas seitlich zu bewegen, führte das nicht nur zu einem unangenehmen Zug an ihren Haaren und damit an der Kopfhaut, sondern rief zugleich ein schmerzhaftes Einschneiden in die empfindliche Haut der großen Zehen. Magda beschloß, keinerlei Bewegungsversuche mehr zu unternehmen, da sie nur ein Mehr an Schmerzen bedeuteten. Sie spürte, wie ihre Füße kalt wurden und es in ihren Zehen kribbelte, die behinderte Blutzirkulation machte sich bemerkbar. Sie kannte dieses Gefühl, sie wußte, daß nach ein paar Minuten die durch die Seile eingeschnittenen Hautstellen taub wurden, der Schmerz wurde dadurch nicht mehr spürbar, sie mußte nur darauf achten, keine Bewegungen auszulösen. Andererseits mußte sie diese Sorge dieses Mal nicht haben, denn die Fesselung war dermaßen streng, daß ihr nicht der geringste Bewegungsspielraum blieb.

Joe und Kalle nickten anerkennend, als sie Martinas Kunstwerk betrachteten. Sie rüttelten probehalber an den Füßen und an den Schultern, nichts bewegte sich.
- „Dann können wir ja beginnen“, meinten sie übereinstimmend. In diesem Augenblick meldete sich auch der piepsende Ton aus der elektronischen Fußfessel, um vor der drohenden Entladung des kleinen internen Akkus zu warnen. Gleichzeitig begann die Leuchtdiode zu blinken. Magda gab ein bizarres Bild ab: Im Hogtie gefesselt, die Füße gekreuzt über dem Po gebunden, der Rücken ein gewaltig gespanntes Hohlkreuz, und dann das blinkende Teil an dem linken Fußknöchel.

„Es so geil“, entfuhr es Kalle, „machen wir doch die Vorhänge zu, dann sehen wir es besser Blinken und unsere Meßgeräte können wir auch besser ablesen!“
Martina verschloß mit einem schnellen Ratsch die Vorhänge und alle drei betrachteten für eine Weile schweigend Magdas unbeweglich daliegenden Körper, als ob es sich um ein bildhauerisches Kunstwerk in einem Museum handelte. Schließlich setzten sich Joe und Kalle auf die Stühle vor ihren elektronischen Versuchsaufbau, bestehend aus dem Sender, mehreren Meßverstärkern und einem Laptop. Martina fläzte sich auf das Bett, lehnte ihren Kopf auf das in den Nacken geknüllte Kopfkissen und betrachtete die Experten bei ihren Tätigkeiten. Konzentriert beobachteten die beiden die Meßgeräte, Joe tippte mehrmals etwas auf der Laptop-Tastatur, Kalle drehte mit einem winzigen Schraubenzieher in den Schaltkreisen des Senders herum. Nach wenigen Minuten blickten sie sich einander an, nickten sich zu, und Joe sprach mit gefaßter Stimme:

„Jetzt!“








49. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von folssom am 07.11.21 00:30

Zitat

„Jetzt!“


wird die Öffnung der Fußfessel noch nicht gelingen, oder täusche ich mich mit meiner Vermutung?
50. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 08.11.21 14:04

Zitat

wird die Öffnung der Fußfessel noch nicht gelingen, oder täusche ich mich mit meiner Vermutung?


Es gibt drei Möglichkeiten:

1. Die "Öffnung" gelingt nicht, die Polizei erfährt nichts von dem Versuch, das Leben der Beteiligten geht wie bisher weiter;

2. Die "Öffnung" gelingt nicht, aber die Polizei erfährt davon über die "GÜL" (Gemeinsame Überwachungsstelle der Länder); Gangolf könnte verdächtigt werden;

3. Die "Öffnung" gelingt, Magda kann sich überall hin frei bewegen, doch das Verhältnis zu ihrer Herrin Martina und ihrem neuen Bekannten Gangolf könnte sich schwerwiegend ändern.

Nächsten Freitag gibt`s die Auflösung...

51. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von folssom am 09.11.21 00:49

Zitat

Nächsten Freitag gibt`s die Auflösung...

Ich glaube mal, schon jetzt den Fortgang deiner tollen Geschichte zu erkennen.

Tendiere zur Nr. 2 und warte gespannt auf die Auflösung am Freitag, die bestätigt, das ich mit meiner Vermutung richtig lag.
52. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 12.11.21 18:18

Ich wußte es selber nicht mehr, wie die Geschichte weitergeht; es ist schon ein Jahr her, daß ich sie geschrieben hatte - und so muß ich leider nochmals vertrösten, was die Befreiung von der Fußfessel betrifft; viel Freude beim Lesen!
Magnus.




27

Mit seinem Zimmer- und Leidensgenossen einigte sich Gangolf rasch auf ein gemeinsames Fernsehprogramm, auf diese Weise konnten beide ihr Gerät mit Lautsprecher laufen lassen, dadurch erübrigte sich das lästige Ohrhörer-Gefummel. Sobald auf der Mattscheibe eine begehrenswerte Frau erschien, sei es in einer Filmszene oder als Moderatorin, als Nachrichtensprecherin oder als Wetterkartentante, schärften die beiden Männer ihre Fachkenntnisse bezüglich Absatzhöhe, Taillenumfang, Oberweite und Körbchengröße. Als die beiden wieder einmal ihre Plädoyer hielten und sich dabei eine lautstarke Debatte entwickelte, entging ihnen das Eintreten einer Krankenschwester.

Die Krankenschwester schloß leise die Tür und blieb eine Weile dahinter stehen, bis sie zu den Betten vorging und sich schwungvoll auf das an der Wand stehende Tischlein setzte und die in weißen Sneakers steckenden Füßchen frech in’s Zimmer baumeln ließ. Den beiden Männern blieb das Wort im Hals stecken, schuldbewußt starrten sie die junge Frau an. Gangolf kam in’s Grübeln, irgendwo her kannte er doch diese schöne Frau.

- „Ich bin die Ramona“, stellte sich die Krankenschwester vor, „und bin heute für Natalie da“.
Jetzt fiel es Gangolf wieder ein, sie war die schöne Frau gewesen mit den langen Haaren, die ihm in der Kirche einen Kuß gegeben hat. Hier im Dienst hatte sie ihr Haar in die Höhe gebunden, deshalb erkannte er sie nicht sofort.
- „Die hat sicher mehr als 60 unter den Rippen“, knüpfte Ramona den jäh gerissenen Gesprächsfaden wieder auf, „was habt ihr nur für Vorstellungen!“
‚Wieviel doch die Haartracht ausmacht’, dachte sich Gangolf, ‚in der Kirche sah sie viel attraktiver aus, als ihr blondes, leicht gewelltes Haar vor ihm bis über die Banklehne herabfiel’. Als Krankenschwester auf dem Tisch sitzend war sie für ihn längst nicht so begehrenswert, dennoch nahm er sich vor, mit ihr bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit in’s Gespräch zu kommen.

Die Gelegenheit ergab sich erstaunlich schnell: Gangolfs Bettnachbar erhob sich aus dem Bett, mit seinem gebrochenen Arm war er wesentlich mobiler als Gangolf.
- „Ich geh’ `mal eine rauchen“, war sein ganzer Kommentar; ihm war es immer noch peinlich, bei dem männlichen Gehabe von der Krankenschwester erwischt worden zu sein. Mit Ramona allein im Zimmer zurückgeblieben ergriff Gangolf die Initiative:
- „Kann es sein, daß ich Sie neulich einmal in der katholischen Kirche gesehen habe und Sie haben sich zu mir hinter umgedreht?“
Ramona lächelte, ließ sich von dem Tischchen rutschen und ging zu Gangolfs Bett:
- „Ja, jetzt kann ich mich erinnern, da war doch der uralte Pfarrer, der forderte uns auf, ein Zeichen der Liebe zu geben“.
- „Und da bekam ich ein Küßchen“, ergänzte Gangolf. „Übrigens würde ich gern nochmal den alten Herrn sehen, wissen Sie zufällig, wie man ihn erreichen kann?“
- „Ja, das kann ich leicht arrangieren, er ist nämlich der katholische Krankenhausseelsorger hier“.
- „Oh, was für ein Zufall, ja das wäre toll.“
- „Ich ruf’ ihn dann gleich an. Und wollen wir nicht du sagen zueinander, also ich bin die Ramona“, sprach’s und reichte ihm die Hand.
- „Gangolf“, erwiderte er und setzte ein beseeltes Lächeln auf. So einfach konnte das Leben sein. Daß er sich an ihr indes die Zähne ausbeißen würde, das hätte er sich in dieser Situation nicht vorstellen können.

Der alte Krankenhausseelsorger war ein erstaunlicher Mann. Schwer hinkend kam er in Begleitung einer Krankenschwester in Gangolfs Zimmer herein; die Schwester schob ihm einen Stuhl an die Bettkante, seufzend ließ er sich nieder.
- „Klingeln Sie einfach nach jemand, wenn Sie gehen wollen“, rief ihm die Schwester zu und verließ das Zimmer. Der Seelsorger bedankte sich und war dann ganz Ohr für Gangolfs Anliegen. Es fiel Gangolf schwer, die richtigen Worte zu finden:
- „Ich will eigentlich keine Beichte ablegen für begangene Sünden, sondern für zukünftige.“
- „Wir sündigen immer, wir werden auch in Zukunft sündigen, so sehr wir uns auch vornehmen, das nicht zu tun“, war seine Antwort.
- „Ich will auf etwas anderes hinaus, ich hab’ vor, eine Straftat zu begehen, und hab’ deshalb Skrupel, und es wär’ mir natürlich viel wohler dabei, wenn Sie mir sozusagen schon davor Absolution erteilen könnten.“
Der Seelsorger sah ihn verwundert an und meinte:
- „Eine schwierige Sache, da müßte ich schon genauer wissen, was Sie da vorhaben, ich hoffe, nicht etwas ganz Schlimmes, dafür hätte ich kein Verständnis. Und Sünde bleibt Sünde, nein, das hat in meinem langen Leben noch nie jemand von mir verlangt, daß ich ihm sie bereits vergeben würde, bevor sie begangen wird.“
- „Es ist so“, setzte Gangolf wieder an, „Sie haben vor einiger Zeit einmal gepredigt über die Liebe, daß die das Wichtigste ist im Leben.“
- „Ja, so ist es!“
- „Ich kenn’ da ein Mädel, die wurde verurteilt, ich weiß nicht, warum genau, aber sie muß immer so eine elektronische Fußfessel tragen und kann deshalb nicht die Stadt verlassen.“
- „Was haben Sie da gesagt, was ist das für eine Fessel und wieso kann sie da die Stadt damit nicht verlassen?“

Gangolf erklärte ihm, was es damit aufsich hatte, der alte Priester hörte interessiert zu und runzelte die Stirn:
- „Hab’ ich das richtig verstanden: Sie meinen, sie könnte unschuldigerweise verurteilt worden sein und Sie wollen sie von dieser Fessel befreien.“
- „Ja genau, so sehe ich das.“
- „Und Sie sind verliebt in sie?“
- „Ein bißchen, also ich möchte sie nicht im sexuellen Sinn lieben, aber sie ist so arm dran, so hilfsbedürftig, so schüchtern und einsam, ich möchte sie befreien, ich kann mir nicht vorstellen, daß sie jemals etwas Böses getan hat.“
- „Tun Sie das, was ihr Gewissen Ihnen sagt; man kann sich in beiden Richtungen versündigen, im Confiteor wurde früher bekannt, heute wird es kaum mehr wo gesprochen: >Daß wir Gutes unterlassen und Böses getan haben<.
Sehen Sie, das Gute zu unterlassen, das steht noch vor dem Bösen, das getan wird. Viele Menschen fassen Sünde einseitig auf, immer was Böses tun, lapidar gesprochen, aber daß es genauso sündig ist, ja noch viel mehr vielleicht, das Gute nicht zu tun. Freilich fällt es schwer zu entscheiden, was das Gute und das Böse ist. Und man kann ja nicht dauernd nur Gutes tun, Sie haben ihre Arbeit, Sie müssen sich erholen, Sie wollen Freunde besuchen und Freude haben. Das ist für mich das Gute, das man tut, nicht immer etwas ganz besonderes leisten, einfach im alltäglichen Leben die vielen Kleinigkeiten machen, die andere Menschen glücklich machen, die Gefälligkeiten, ja bereits die guten Gedanken, pflegt man sie nicht, unterläßt man das Gute, und das ist die Sünde.“

Der 90-jährige Priester sprach noch eine Weile weiter in diesem Sinne, Gangolf fand seine Sichtweise interessant, ihm war die doppelte Richtung des Sündigwerdens bis dahin nicht klargeworden, obwohl er das >Confiteor<, das Sündenbekenntnis, in seiner bayrischen Heimatkirche in Kindertagen allsonntäglich gesprochen hatte, sozusagen automatisch, ohne darüber groß nachzudenken.

Gangolf beschloß, etwas in Erfahrung zu bringen über Magdas zur Last gelegten Verbrechen. Wachtmeister Brause müßte doch etwas darüber wissen. Dann erst würde er in sich gehen, sein Gewissen befragen und anschließend entscheiden, was gut oder böse sei, ob er Gutes tut, indem er eine zu unrecht oder zu übermäßiger Härte Verurteilte zur Freiheit verhilft, oder ob er Böses tut, indem er sie befreit, obwohl sie ein Ver-brechen begangen hatte und sie dieses wiederholen könnte.

Schließlich bat der Krankenhausseelsorger Gangolf, einen Ruf in das Stationszimmer zu tätigen; eine Schwester kam, half ihn auf die Beine und reichte ihm die Krückstöcke. Bevor er die Krücken nahm, segnete er Gangolf, zog aus der Jackentasche eine an den Ecken zerknitterte Visitenkarte heraus und gab sie ihm:
- „Rufen Sie mich an, wann auch immer, bevor Sie etwas Falsches tun oder eben etwas Richtiges unterlassen, Gott gebe Ihnen eine weise Urteilungskraft!“

‚Im Grunde genommen ist die Entscheidung bereits gefällt worden’, sinnierte Gangolf, ‚vermutlich unternehmen die drei Mädels bereits eine erste Spritztour zusammen und brausen kreuz und quer durch die Märkische Heide. Und ich liege hier, kann nicht mit ihnen in Kontakt treten, ach ist das blöd: Bei der Bettina meldet sich immer nur der Anrufbeantworter, jenen der Martina will ich gar nicht hören, von der Magda hat er die Nummer nicht, Joe und Kalle haben ihm verboten, aus Sicherheitsgründen anzurufen oder sonstwie Kontakt aufzunehmen; verdammt, und ich lieg’ hier untätig herum.’

Nur zu gern hätte Gangolf gewußt, wie es Magda erginge, wie sie es genoß, die neu erlangte Freiheit. Plötzlich überkamen ihn Zweifel: Vielleicht ist das Projekt auch gescheitert, vielleicht ist es ihnen nicht gelungen, Fessel und Sender zu synchronisieren, vielleicht waren die Interferenzen zu stark? Die Ungewißheit über Erfolg oder Mißerfolg machte ihn nervös, es dauerte viele Stunden, bis er in dieser Nacht in einen unruhigen Schlaf gefallen war.

Und dann waren sie wieder da, die wilden Träume, die schaurigen Lieder, nicht nur jenes vom Morgenrot, sondern ein viel bekannteres, das vom >Brunnen vor dem Tore<, mit seinem tragischen Schlußvers:
>und immer hör’ ich’s rauschen: Du fändest Ruhe dort!<.

Verarbeitet man im Traum nur bereits Erlebtes? Oder können Träume auch die Vorsehung erkennen lassen?

Ahnte Gangolf im Traum, daß die Ruhe im Brunnen für ihn und für Magda eine unendlich bittere tragische Wirklichkeit werden würde?













53. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 19.11.21 18:00

28

Als Joe sein „Jetzt“ ausgesprochen hatte, aktivierte Kalle den von ihm konstruierten und angefertigten kleinen Sender, welcher das Funksignal der elektronischen Fußfessel simulierte. Nachdem beide nochmals für einige Sekunden alle ausgesendeten Signale kontrolliert hatten, umarmten sie sich und gaben sich einen lang anhaltenden Kuß. Nach der Umarmung öffneten sie sich den Hosenladen und massierten sich gegenseitig die Penisse. Schließlich gaben sie zum besten:
- „Jetzt wär’ was zu Trinken recht, aber warten wir noch so lange, bis der Scheiß-Akku in dem Ding leer ist und unser Sender allein zum Himmel funkt.“
Mit großen Augen blickte Martina sie an und dachte sich dabei: ‚Aha, so tickt ihr also.’
Ihr kam ein teuflischer Gedanke: ‚Man muß das Eisen schmieden, solange es glüht’.
Hurtig holte sie ihr I-pad hervor und rief Bettina unter deren geheimen Privatnummer an:
- „Hallo Süße, es ist vollbracht!“ ... „Möchtest Du nicht herkommen, ach komm’ doch bitte, wir müssen hier noch warten, bis ihr Akku leer ist“ ... „Ja, und bring’ einen Sekt mit, oder wollt ihr lieber Bier?“, fragte sie mit erhobener Stimme die beiden Männer, das Handy etwas von ihrem Gesicht weghaltend.
- „Beides“, war die einfache Antwort.
- „Hast du gehört, die beiden mögen beides, also sei so gut, bitte.“
- „Versorgung kommt“, bemerkte sie knapp an die Adresse der beiden und beendete das Gespräch. Dann fragte sie schelmisch:
- „Wann wart ihr zum letzten Mal bei einer Frau? Wollt ihr nicht zwischendurch einmal eine andere Massage haben als immer nur so oral, habt ihr Gummis dabei?“

Erstaunt blickten die Kerle auf Martina, die sich mittlerweile erhoben hatte und sich in ihrer beachtlichen Größe aufgebaut hat. Martina ließ ihnen keine Bedenkzeit, sie wählte sofort wieder Bettinas Nummer:
- „Und schnall’ dir deine Towers unter, die Kerls sind groß, ich hab’ eine Überraschung für uns, einmal was anderes als das Silikon“.
Es gab vor Jahrzehnten Buffalo-Schuhe mit der durchaus zutreffenden Bezeichnung >Towers<, sie besaßen eine bis zu 30 Zentimeter dicke Plateausohle. Bettinas Stiefeletten hatten zwar >nur< 15 Zentimeter hohe Absätze mit fünf Zentimeter Sohle im vorderen Bereich, sie waren von dem amerikanischen Hersteller Pleaser, doch sie nannten diese gewaltigen Treter weiterhin Towers in Erinnerung an die Buffis mit der dicken Sohle, die sie als Teenager damals haben mußten.
- „Räumen wir erst `mal die Sachen weg“, schlug Kalle vor, „nicht daß dann die Bullen kommen und sich wundern, was wir da alles aufgebaut haben!“
- „Warum sollen die kommen“, entgegnete Joe, „aber ja, machen wir das, dann ist das schon `mal erledigt, bis der Saft kommt“.
- „Hey, bist du heut’ wieder doppeldeutig mit deiner Wortwahl“, prustete Kalle und auch Martina stimmte in den Scherz mit ein. Überhaupt stieg die Laune der drei immer weiter an, während Magda weiter unbeweglich auf dem Boden lag. War es die überwundene Anspannung, das Projekt heute vollendet zu haben, war es die Aussicht, nach sehr langer Zeit wieder einmal echten Sex zu haben, Martina entwand sich ihrer sadistisch-dominanten Ader, die Männer legten ihr männlich-überlegenes Gehabe ab.

Endlich klingelte es und Martina lief hinunter, um Bettina die Haustüre zu öffnen. Sie umarmten sich ausgiebig und küßten sich, bevor sie die Stufen hinaufstiegen. Entgegen ihrer dominanten Gewohnheit nahm Martina Bettinas voll bepackte Umhängetasche und stürmte damit in die Stube. Bettina reichte Joe und Kalle ihr zartes Händchen, das in den Pranken der beiden förmlich verschwand. Die Männer mußten acht geben, nicht zu fest zuzudrücken, denn das Spiel hatte noch nicht begonnen.
Hurtig verstauten sie den Sekt in den Kühlschrank, während das vorgekühlte Bier die kurze Autofahrt einigermaßen gut überstanden hatte. Alle vier gönnten sich einen tiefen Schluck, bis Bettina zur Sache kam:
- „Also es ist euch geglückt, Magdas Ding an ihrem Bein auszutricksen?“
- „Das wollen wir doch hoffen“, meine Joe und Kalle setze nach: „Wenn nicht, dann werden uns die Bullen das schon sagen“.
Martina prustete los und verschluckte sich prompt. Als sich ihr Würgereiz beruhigt hatte und es still in der Runde wurde, fragte Martina:
- „Warum habt ihr die Liebe gar so fest auf dem Boden verzurrt, also ich weiß ja, daß sie so was liebt, aber das scheint mir schon ein wenig zu fest zu sein.“
- „Sie muß unbedingt völlig bewegungslos liegen, damit es keine Interferenzen gibt zwischen unserem Sender und ihrem Ding.“

Bettina ließ sich ihre Unwissenheit nicht anmerken, meinte aber: „Na, wenn jetzt doch alles vorbei ist, dann soll sie doch jetzt aufstehen und mit uns anstoßen“.
- „Warten wir noch, bis ihr Akku alle ist, dann ist ihr Ding erst sicher außer Betrieb.“
Joe wußte natürlich, daß seine Sorge wegen der Interferenz übertrieben war; sicherlich war zum Zeitpunkt der Synchronisierung ein ruhiges Referenzsignal wichtig, aber gleich darnach war jedwede Bewegung ohne Einfluß. Doch er genoß es, das >Objekt<, wie er im Geiste Magda betitelte, in dieser absoluten Bewegungslosigkeit zu wissen.

Martina konnte es nicht mehr länger erwarten. Sie forderte Bettina auf:
- „Jetzt zieh’ schon deine Towers an, dann bist du wenigstens einmal größer als ich und kommst einigermaßen auf Augenhöhe mit den Kerls! Die sollen sich doch nicht bücken müssen wegen dir.“
Auf Bettinas heller Gesichtshaut zeichneten sich die rot anlaufenden Wangen ab. Sie wollte jedoch keine Debatten anzetteln und holte gehorsam ihre Delight-1020 aus dem Sack. Martina begann zwischenzeitlich, sich zu entkleiden. Glücklicherweise hatte sie an der Innenseite ihrer Zehn-Loch-Boots einen Reißverschluß, so daß sie nicht umständlich die Bändel aus den Ösen ziehen mußte. Eine solche Geduldsübung, und dauerte sie auch nur wenige Sekunden, liefe ihrer Ungeduld schwer zuwider; auch darin spiegelte sich ihre Dominanz.

Die Männer kamen nicht aus dem Staunen heraus, als sie Martinas Keuschheitsgürtel auf deren entblößten Körper wahrnahmen.
- „Komm’ schon, meine Süße, die haben sicher schon mehr Frauen gesehen“, feuerte Martina Bettina an, wobei jene sich nicht sicher war, ob das stimmte. Bettina hingegen hat noch nicht so richtig begriffen, daß die beiden Herren ebenso homosexuelle Neigung zueinander hatten, wie sie es zu Martina verspürte.
Als dann beide Damen völlig nackt vor ihnen standen bis auf die matt schimmernden, aus Edelstahl gefertigten Keuschheitsgürtel, entfleuchte Kalle ein anerkennender Pfiff. Während sich die Mädels bückten, um ihre Stiefel anzuziehen, Bettina ihre 15-Zentimeter-Pleasers, Martina ihre Dr.Mertens-Kampfstiefel, rieben sich die Männer ihre Penisse. Martina lächelte in sich hinein bei dem Gedanken, daß es ihr als Frau gelungen war, Schwule zum Staunen zu bringen.

Während Martina nochmals in die Hocke gehen mußte, um das golden glänzende Schlüsselein aus ihrer am Boden liegenden Jeans herauszuangeln, hatte Bettina ihres bereits in weiser Voraussicht beim Ablegen der Hose herausgeholt, so daß sie sich jetzt, nachdem sie ihre >Towers< an den Füßen hatte, nicht nochmals wackelig bücken mußte.
Martina und Bettina öffneten sich gegenseitig ihre Gürtel; da diese die Unterleiber stramm unter Verschluß hielten, zeichneten sich gut sichtbar auf der Haut die Druckstellen ab, der silbrig glänzende Stahl wich den rötlich-blassen Schwellungen. Ungeniert faßte Martina ihrer Freundin an den Venushügel, strich sanft mit der einen Hand durch den Schritt, während ihre andere Hand über die Pobacken glitt.

Für Bettina war es sehr ungewohnt, dank ihrer enorm hohen Absätze heute einmal eine Handbreit größer als Martina da zu stehen, das war ein Zustand, den diese ihr nur selten gönnte, denn Martina wollte nicht nur im übertragenen Sinne auf sie herabschauen. Freilich wußten beide, daß es rein vom Intellekt betrachtet genau umgekehrt bleiben würde, ganz gleich, welche dominanten Allüren sich Martina einfallen ließe.
Schließlich forderte Martina die Männer auf:
„Nun macht schon, in der untersten Schublade da in der Kommode liegen Schnüre und bindet uns damit zusammen, sonst hört unser Gegrapsche nie auf!“
Sie hätte darauf nicht hinweisen müssen, denn beide waren dabei, als sie Magda gefesselt hatte. Es lagen nicht mehr viele Seile in dem Kasten, denn die meisten wurden schon für Magdas Hogtie verwendet. Während Joe die letzten zwei Seile unter den anderen Geheim-Utensilien hervorzog, packte Kalle Martina an ihrem rechten, Bettina an ihrem linken Handgelenk und zog sie weg von den weiblichen Genitalien. Er faßte sie seitlich an den Hüften der Mädels zusammen, so daß die Handflächen aufeinander zu liegen kamen.

Höhnisch grinste Kalle seine Opfer an und setzte noch eines darauf, als er mit seiner schier endlosen Kraft in den Fingern die rechte Hand kurz öffnete, mit welcher er Martinas Handgelenk umklammert hielt, schob Bettinas Handgelenk hinzu und umgriff jetzt die Gelenke beider Frauen gleichzeitig mit seiner Pranke. Gelassen zog er seine nun nicht mehr erforderliche linke Hand zurück und fing eines der beiden Seile auf, die Joe ihm zuwarf.

Beide Mädels stießen einen kurzen Schmerzenslaut aus, als Kalle ihre Handgelenke mit seiner Rechten fest aneinandergepreßt umklammert hielt, seine Linke formte er zur Faust, die er Bettina zwischen die Brüste setze und sie damit zurückdrängte, so daß sie schließlich mit ihrem Rücken an jenen von Martina zu stehen kam. Joe kam herzu und legte eine Bondage-Schlinge oberhalb Kalles Umklammerung; geschickt fesselte er die zarten Händchen aneinander, ohne daß das Seil in die Haut einschnitt. Die Fesselung wurde an der anderen Seite mit den noch freien Händen wiederholt.
Rücken an Rücken standen sie nun aneinander, Bettinas Po kam dank ihrer hohen Absatzschuhe in die Ausbuchung an Martinas Rücken oberhalb des Steißbeins zu liegen, während Martinas Hinterkopf sich in Bettinas Nacken schmiegen konnte. Joe führte die von den Händen herunterhängenden Seilenden vorne an den Leibern der Gefesselten herum und verknotete sie. Dann zog er sich den Hosengürtel heraus und zurrte ihn um die Hälse der beiden, so daß sie gezwungen waren, Rücken an Rücken aufrecht zu stehen.

Joe und Kalle betrachteten genüßlich ihr Werk, als die beiden Gefesselten jedoch damit begannen, mit den Füßen hin- und herzutippeln, griff Joe kurzentschlossen an die Bändel von Martinas Stiefel, zog sie aus den oberen fünf Löcherpaaren heraus, führte sie an Bettinas Stiefeletten durch den Zwischenraum zwischen Absatz und Vordersohle hindurch und verknotete damit diese mit jenen.
Kurz überlegte sich Joe, ob es nicht einfacher gewesen wäre, die Bändel aus dem oberen Teil der Schnürung von Bettinas Stiefeletten zu ziehen, doch hatte er Sorge, daß deren schmales Füßchen dann möglicherweise wegen des dann lose herunterhängenden Schaftes sich aus den Delights herausziehen hätten können.

Als nun die Mädels ziemlich unbeweglich splitternackt da standen, geilten sich alle vier bei diesem seltenen Anblick auf. Freilich konnten die Gefesselten sich nicht gegenseitig sehen, allenfalls ihre Köpfe, soweit die sie zusammenhaltenden Halsstricke es zuließen, etwas zur Seite drehen und nach vorne beugen.
Die Vorstellung, daß die weiblichen Lippen an die behaarten Männerbrüste zu liegen kämen, mißfiel Kalle; er kramte aus dem Schub zwei große Tücher hervor, erzeugte Dreiecke mit ihnen, indem er die Ecken übereinander legte, spannte sie zuerst der einen Frau über das Gesicht und verknotete sie am Hinterkopf. Dann vollführte er die gleiche Handlung am Kopf der anderen Frau, hier schob er jedoch den Zipfel unter dem zuvor gelegten Knoten hindurch, so daß jetzt beide Häupter mit den Tüchern verbunden waren.

Joe nickte anerkennend, daß jetzt Augen, Nasen und Münder des schwachen Geschlechts verhüllt waren. Sicherheitshalber zog Kalle als zusätzliche Maßnahme nun auch seinen Hosengürtel heraus und schlang ihn unterhalb der sich unter den Tüchern abzeichnenden Nasen um die beiden Köpfe. Als jedoch die beiden Gutbetuchten anfingen, mit ihren Lippen herumzumachen, rutschte der Riemen nach unten und kam auf den Schultern zu liegen.
- „Na wartet“, schimpfte Kalle, öffnete die Gürtelschnalle, ertastete die Münder der Delinquentinnen unter dem Stoff, drückte mit Daumen und Zeigefinger seitlich neben den ertasten Lippen fest zwischen obere und untere Zahnreihe, und schon öffnete sich der Mund mit einem leichten >Ah<-Ruf. Gnadenlos zurrte er den Riemen über die gespreizten Münder, die Tuchzipfel rutschten auf diese Weise etwas nach oben in die Mundhöhlen, sie bedeckten nun gerade noch so die Kinne.
Alles in allem war es ein köstlicher Anblick: die kunstvoll drapierten Kopftücher, die aneinander gefesselten Hände, die zusammengebundenen Stiefel, die ultimative Lusthandlung konnte beginnen.

Während Joe als der kleinere von ihnen vor die absatzlose Martina trat, wandte sich Kalle ihnen gegenüber und baute sich vor der 15 Zentimeter erhöht stehenden Bettina auf; dennoch konnte er noch mühelos über sie hinwegblicken. Nachdem die Männer ihre Gummis übergeschoben hatten, führten sie ihre allerheiligsten Körperteile in die göttlichen Höhlen, ein für sie vollkommen ungewohnter Vorgang, sie konnten sich nicht mehr erinnern, wann sie das zuletzt getan hatten. Sie gingen dabei sehr vorsichtig vor, denn sie wußten, daß ihre Geräte bereits zu dicken Zapfen angeschwollen waren und sie erinnerten sich auch noch daran, daß das erstmalige Einführen immer schmerzhaft für das Gegenüber war. Sie lauschten auf das leise Aufstöhnen aus den geknebelten Mündern, es erregte sie gleich noch mehr, vorsichtig ging es weiter vor und zurück, sie umrundeten mit ihren langen Armen die zwischen ihnen eingeschlossenen weiblichen Oberkörper, ergriffen sie an den Schulterblättern und am Nacken und bewegten sie in sanften Wogen im Gegentakt zum Rhythmus ihrer Lustzapfen.

Ihre Lustzapfen drückten sich zur gleichen Zeit auch Gangolf und sein Bettnachbar im Krankenzimmer, als sie in Annelie Wühls Talkshow Umweltministerin Graumaus mit weit aufgerissenen Mündern auf dem Fernsehbildschirm anstarrten, als diese sich vor laufender Kamera erhob, ihre bademantelförmige weit herunterreichende Jacke aufknöpfte und Einblick in ihren bis auf das verhüllende Eisen nackten Unterleib gewährte.
















54. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 26.11.21 23:23

Soeben erfahre ich von der gefährlichen Virus-Mutation, die in Südafrika wütet und im Begriff steht, sich über die Welt auszubreiten und damit alles Bemühen im Kampf gegen Corona zunichte machen könnte; mit gemischten Gefühlen veröffentliche ich die nächste Episode meiner Fantasiegeschichte, als ich sie schrieb, glaubte ich, das Corona-Virus stünde kurz vor der endgültigen Ausrottung...
M a g n u s .





29

- „Sind Sie jetzt vollkommen verrückt geworden?“, entzürnte sich Prank-Barrenkauer, „wir kennen Sie schon mit ihren Provokationen, aber jetzt haben Sie ja wirklich den Bogen überspannt!“
Graumaus ahnte, daß sie sich heute rechtfertigen müßte, und sie hatte sich gewappnet. Im ruhigen Ton antwortete sie:
- „Mäßigen Sie sich, Frau Kanzlerin, und präzisieren Sie die Anschuldigungen!“
- „Ihr Auftritt bei Annelie Wühl, als Ministerin, als Mitglied der Bundesregierung, geben Sie im öffentlich-rechtlichen Fernsehen eine Striptease-Einlage!“, empörte sich Prank weiter.
- „Nicht als Ministerin habe ich gesprochen, ich hab’ gar nichts gesprochen in dem Augenblick, es war vielmehr ihr christlicher Parteigenosse Scham, ausgerechnet er als Gesundheitsminister fragte mich ganz unverschämt, welche Antwort ich als Privatperson, also ganz und gar nicht als Ministerin, auf die Frage des HIV-Virus’ hätte, dabei ist es doch sein Ressort und es zeigt mir wieder seine Unfähigkeit, denn er blieb sämtliche Antworten schuldig, die im Lauf der Sendung gestellt wurden.“
- „Und welche Antwort haben Sie gegeben?“
- „Ja haben Sie die Sendung nicht gesehen?“
- „Nein, mir wurde nur davon berichtet.“
- „Aha, Sie haben mich also gar nicht gesehen; mich natürlich auch nicht gehört, denn ich hab’ darauf gar nichts gesagt“.
- „Sie beantworteten gar nicht Schams Frage?“
- „Doch, so:“ Die Umweltministerin erhob sich, öffnete ihre lange Jacke und ließ ihre Nacktheit darunter sichtbar werden, ohne ein Wort zu sagen.

Prang starrte verdutzt auf die nackte Schönheit. Graumaus ließ sie einige Sekunden in der stillen Anbetung verharren und meinte dann:
- „Und, sehen Sie meinen Mons veneris, meine Schamlippen, meine Schamhaare, sonst irgend etwas Verschämtes?“
Ihr Keuschheitsgürtel mit dem breiten Schrittband verdeckte perfekt ihren rasierten Venushügel, läßt diesen indes aufgrund der anatomisch-individuellen Formung des Schrittbandes eindeutig erahnen. Als Prank immer noch sprachlos auf ihren Unterleib glotzte, fuhr die Umweltministerin fort:
- „Das ist meine Antwort auf das HIV-Virus, sollte jede Frau so einen haben, wenn sie allein wohin geht, dann wär’ auch gleich die Kriminalstatistik besser.“
Nach einer kurzen Atempause fuhr sie fort: „Wissen Sie noch, was Bundespräsident Herzlos sagte: >Durch Deutschland muß ein Ruck gehen<“.

Nun fand Prank wieder ihre Fassung und entgegnete: „In welchem Zusammenhang hat er das geäußert?“
‚Was, du warst doch damals dabei, nicht ich, ich war noch kaum auf der Welt’, empörte sich Graumaus im Gedanken, doch sie ließ sich nichts anmerken und erläuterte ruhig:
- „Es ging um die Probleme nach der Wiedervereinigung, die Wirtschaft vor allem im Osten lag total danieder, die sozialen Probleme wuchsen, Staatsverschuldung und so weiter, man hätte die Rede eher von einem Sozialisten erwartet als von einem Präsidenten ihrer christlichen Partei. Er sagte:
>Wir müssen Abschied nehmen von liebgewordenen Besitzständen. Alle sind angesprochen, alle müssen Opfer bringen, alle müssen mitmachen.<
Und das Thema ist heute so aktuell wie damals vor 33 Jahren: Alle sind angesprochen, keiner kann den Viren entfliehen, jede ist `mal mit einem Fremden im Bett“.
Prang bewunderte Graumausens breites Spektrum an Allgemeinwissen und an politischen Details, sie bedauerte schon oft, daß diese in der falschen Partei stand. Sie bewunderte auch die Unverblümtheit, wie sie die Dinge zur Sprache brachte, >jede ist `mal mit einem Fremden im Bett<, Moral hin oder her, es ist wohl die nackte Wahrheit.

Die Stirnfalten in die Höhe ziehend nickte Prank mehrmals, atmete tief ein und sagte:
- „Du hast ja recht, vor zwanzig Jahren hatte ich auch einen, aber jetzt bin ich viel zu dick geworden für so was. An den fetten Bäuchen sieht der Gürtel gar nicht erotisch aus, meine ich jedenfalls, aber für junge Frauen wie dich, noch dazu mit der Idealfigur, find’ ich toll und richtig, aber bei uns älteren, wir laufen ohnehin kaum Gefahr, wer will uns noch haben.“

Nun war es Graumaus, die verwundert aufschaute und sich dabei die Jacke zuknöpfte.
‚Anscheinend hab’ ich sie überzeugt’, dachte sie sich, ‚Beispiele sagen viel mehr als Hundert Worte’.
Dann kam ihr der ominöse Condoma-Virus in den Sinn; sie wechselte jetzt auch zum Du:
- „Sag’ mal, weil wir schon bei der Virusabwehr sind, was hört man denn von dem Condoma-Virus, ist der jetzt doch verschwunden von selbst oder wie?“
- „Im Gegenteil, eine schlimme Sache, aber bitte sag’ das jetzt nicht weiter, das möchte ich solange vertraulich behandeln, bis wir es im Kabinett besprechen, kannst du mir das versprechen?“

Prank sah Graumaus tief in die Augen, diese hielt ihrem Blick stand, so daß die Kanzlerin mit einer tiefen Stimme anhob:
- „Wir stehen kurz davor, überall in Europa schwere und strenge Maßnahmen gegen den Virus einzuführen, gerade in den südlichen Ländern ist er schon weit verbreitet, aber ich wundere mich selbst, wie es die Italiener und Spanier schaffen, den Virus immernoch so geheim zu halten. Schießmann hat jedenfalls an die Hundert Millionen Gasmasken bereits gestapelt, in den Kasernen überall verteilt, dort fallen die nicht als ungewöhnlich auf, so daß wir sie jederzeit einfach herausholen können, ohne daß wir jetzt schon die Menschen in Aufregung versetzen.“
- „Und den Leuten dann allen eine verpassen?“
- „Ja genau, die einen kriegen die mit den grünen Filter, die Einatem-Filter, um sich zu schützen vor der Atemluft; die anderen kriegen die roten, die Ausatem-Filter, um die Außenluft zu schützen vor ihrem infizierten Atem.“

Nach einer kurzen Gedankenpause meinte Graumaus:
- „Da wären wir wieder bei der Rede vom Herzlos: >alle müssen Opfer bringen, alle müssen mitmachen< Für den Corona-Virus trifft das noch viel mehr zu, keiner kann sich entziehen, man kriegt ihn nicht im Bett, sondern einfach draußen an der frischen Luft. Und die Opfer, die wir bringen müssen, wären dann die Gasmasken, mit denen wir dann herumlaufen müßten, und daß sie wirksam werden, das Filtern der Luft, da müssen dann alle mitmachen.“
- „Ja, so sehe ich das auch. Es wird wohl sauschwer, das der Bevölkerung zu vermitteln“.
- „Ah, das glaub’ ich nicht“, meinte Graumaus, „wir haben ja schon vor zehn Jahren gesehen, mit den Leuten kann man fast alles machen, die machen alles mit, was man ihnen befielt. Weißt du noch, wie die alle brav mit ihren nichtsnutzigen Stoffhadern vor dem Gesicht herumliefen, weil man ihnen weismachte, das würde helfen, das Corona-Virus vor der Verbreitung zu verhindern?“
- „Du meinst also, die Bevölkerung würde es akzeptieren, jetzt mit den schweren Gasmasken herumzulaufen?“, fragte die Kanzlerin nach, „hattest du schon `mal eine auf, weißt du, wie schwer die sind, wie man dann wirklich nach Atem ringen muß, wenn man nur eine einfache Treppe steigen will?“
- „Äh, nein, hatte ich noch nicht, aber du vielleicht, in der Zeit als Verteidigungsfrau“.
- „Ja, mehrmals probierte ich so ein Teil, als ich die ABC-Schutz-Abteilungen der Bundeswehr besuchte, war echt ein irres Gefühl und vor allem zu sehen, wie die da alle damit herumliefen, sogar Auto fuhren. Wart’ mal!“

Noch während sie die letzten Worte aussprach, erhob sich Prank, ging zu einem kleinen Schrank, öffnete ihn und zog die unterste Schublade heraus. Sie kramte ein bißchen herum und zog eine olivgrünen Gummitasche hervor, öffnete sie und legte sie geöffnet auf dem Schreibtisch ab.
Mit leuchtenden Augen griff Prank in die Tasche und zog eine Gasmaske heraus, griff diese am Filter und ging damit zu der Ministerin Graumaus.
- „Willst du die `mal probieren?“, fragte Prank.
Verdutzt blickte Graumaus sie an und stotterte leicht: „Äh, ja klar, wie geht das?“

Prank hielt die Maske mit der rechten Hand über deren Kopf, zog mit der linken Hand die rückseitigen Gummibänder in Richtung ihres Nackens und hielt diese fest, spannte die Gummibänder, indem sie mit der rechten Hand das Filter nach vorne und nach unten zog über die Nase bis über das Kinn hinunter. Als sie schließlich die Hände wegnahm, hing die Maske schlaff über Graumausens Kopf. Prank griff zu den vier einstellbaren Gummibändern oberhalb und unterhalb der Ohren, zog an ihnen nach vorn, bis sie meinte, der Gummizug wäre ausreichend.

Tatsächlich vernahmen jetzt beide Politikerinnen das charakteristische Ausblasgeräusch aus dem Ventil der Maske. Graumaus spürte, wie ihr Puls deutlich anstieg, und nicht nur dieser: Der Geruch des Gummis, der in nächster Nähe vor ihrer Nase aufstieg, stimulierte sie unermeßlich, Prank sah es ihr deutlich an, als sie durch die Maskenscheiben die weit geöffneten Augen der Bemaskten beobachtete.
- „Einfach geil“, murmelte Graumaus in das Gummi, sie dachte nicht, daß ihr Gemurmel hörbar wäre, doch Prank vernahm es durchaus, wenn auch sehr dumpf in für Frauenstimmen unnatürlich-tiefer Tonlage.
Schließlich griff Graumaus mit beiden Händen an das Filter und versuchte, die Maske von ihrem Kopf abzuziehen. Es gelang ihr nicht recht, so daß ihr Prank riet:
- „Einfach das Filter kräftig nach vorne ziehen und dann nach oben weg ziehen.“

Graumaus überreichte ihr die Maske, Prank nahm sie entgegen und lockerte die längenverstellbaren Gummibänder.
- „Die Soldaten lassen die fest eingestellt“, erläuterte sie, „aber ich lockere sie lieber und ziehe sie dann fest, wenn ich die Maske auf ab. Vor allem bei deinen langen Haaren ist das angenehmer und einfacher, meine ich.“
Als sie das edle Teil in die Gummitasche verstaut hatte, blickte sie in die leuchtenden Augen ihres Gegenübers; Graumaus stand unter den Nachwirkungen des Erlebten, die Faszination konnte nicht verborgen bleiben. Prank sah es ihr an und fragte:
- „Möchtest du sie haben, ich hab’ zuhaus’ noch einige“. Ohne ihre Antwort abzuwarten, drückte sie ihr die Gummitasche mit der Gasmaske in die Hand und meinte mit einem verschmitzten Lächeln:
- „Und viel Vergnügen damit, schaut sicher gut aus zusammen mit deinem Gürtel, rundherum von den Viren geschützt!“




















55. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von modex am 27.11.21 21:55

Magnus, zunächst einmal vielen Dank für Deine spannende und verschlungene Geschichte. Ich meine, Deine Geschichte ist erst recht realistischer denn je.


Ohne Anspruch auf inhaltliche Richtigkeit - und auch die sogleich zitierte "Entdeckerin" der Variante macht sich Sorgen, aber:

Omicron Variant "presents mild disease with symptoms being sore muscles and tiredness for a day or two not feeling well. [...] as medical practitioners, we do not know why so much hype is being driven"
Angelique Coetzee, chairwoman of SAMA
56. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 03.12.21 20:17

Dein Kommentarr, Modex, bestärkt mich in zweierlei Hinsicht: Im realen Leben, daß >Omicron Variant "presents mild disease..."<, und in der Phantasiewelt des Romans, >spannende und verschlungene Geschichte<; das beflügelt mich, eine weitere Episode zu veröffentlichen!


30

Hauptwachtmeister Brause plagte das schlechte Gewissen. Vor zwei Jahren war er geradezu besessen von seiner Überzeugung, daß Gangolf es gewesen sein mußte, der mit seinem blauen Sportmotorrad die Bankräuber verfolgt hatte, und als diese mit ihrem Motorrad aus der Kurve in den Wald flogen, ihnen das erbeutete Geld abgenommen hatte, um es nun seinerseits zu rauben.
Die Zeugin in dem Bäckerladen war selbst begeisterte Motorradfahrerin, sie konnte genau das Modell beschreiben, eine blaue Yamaha R1. Der Fahrer trug eine gleichfarbige Lederkombi des Fabrikats IXS, einen blau-weißen Helm des Fabrikats AGV. Sogar die Handschuhe waren aus schwarz-blau-weiß-gegerbtem Leder. Brause konnte der Zeugin nicht verübeln, daß sie nicht hinauslief, um sich das Kennzeichen zu merken, als der Fahrer den Laden verlassen hatte und die Verfolgung der Bankräuber aufnahm.

Andere Zeugen, die auf der Straße vor der Bäckerei standen und ebenfalls das davor abgestellte blaue Motorrad sahen, bestätigten die Angaben der Verkäuferin, ohne jedoch Detailangaben liefern zu können. Diese anderen Zeugen beobachteten vorrangig das Geschehen auf der anderen Straßenseite, wo einer der Bankräuber auf einem dunkelfarbigen Motorrad gewartet hatte, bis sein Ganoven-Kumpan aus der Sparkassenfiliale mit der großen Umhängetasche herausgestürmt und sich auf den Soziussitz geschwungen hatte.

Als Brause dann zusammen mit Kollegen der Kriminalabteilung aus Kaiserswuselhausen alle Besitzer von blauen Motorrädern in der ganzen Region besuchte, kam für ihn nur Gangolf in Frage; die Beschreibung der Zeugin traf auf seine Kleidungsstücke hundertprozentig zu.
Es folgten tagelange Hausdurchsuchungen, Gangolfs Haus und Hof wurde bis in die kleinsten Ecken durchsucht; Möbel verschoben, Bilder von der Wand genommen, Fußböden nach geheimen Versteckmöglichkeiten abgeklopft, ebenso Dachpfetten und –sparren. Die gesamte Hof- und Gartenfläche wurde umgegraben, die große Hecke rund um das Gelände zerzaust, keine Spur von der Beute.
Was Brause bis zum jetzigen Tag umtrieb war die Tatsache, wie geduldig Gangolf die Durchsuchungen geschehen hatte lassen, ohne Empörung, sondern im Gegenteil mit verdächtig viel Verständnis; den Beamten wurde gar Kaffee und Gebäck angeboten.

Und nun stürzte dieser Gangolf Stumpf von dem Hausdach seiner Tochter und lag mit gebrochenem Bein im Krankenhaus. Als Brause ihn dort besuchte, brachte er das Thema zur Sprache:
- „Ich wollte mich bei Ihnen entschuldigen, Herr Stumpf“, doch Gangolf winkte ab und unterbrach ihn:
- „Keine Ursache, da können Sie doch nichts dafür, daß ich so blöd war und abgestürzt bin, im Gegenteil, Sie haben mich ja noch gewarnt vor dem Regen.“
- „Ja das meinte ich auch gar nicht, das war freilich ein sehr bedauerlicher Unglücksfall, Sie sollten sich bei solchen Aktionen lieber anseilen. Aber was ich sagen wollte war wegen dem vor zwei Jahren, als ich Ihnen alles auf den Kopf gestellt hatte. Das war völlig überzogen, doch ich war so überzeugt, das Geld bei Ihnen zu finden.“
- „Ach so, ja, das war schon kraß, aber längst vergessen, das Gras wächst jetzt viel besser, nachdem die Erde richtig umgegraben wurde und der Hausputz hat sich auch gelohnt.“

So sehr sich Gangolf bemühte, dabei entspannt-heiter zu wirken, kamen seine Worte nicht ganz locker-natürlich herüber; Brause verspürte in seinem Innersten weiterhin eine unerklärliche Unstimmigkeit in diesem seltsamen Kriminalfall. Da er nicht sofort etwas dazu sagte, fuhr Gangolf mit einer Frage fort:
- „Hat man eigentlich die Täter gefaßt, also den Verfolger, der denen angeblich das geraubte Geld entrissen hat?“
Es gelang ihm, bei der Frage nicht zu erröten, Brause antwortete:
- „Nein, es wurde nie gefunden und auch der Verfolger mit dem Motorrad nicht identifiziert, vielleicht kam er aus Berlin oder aus Polen oder weiß Gott, woher. Wir können ja nicht die halbe Welt nach blauen Motorrädern absuchen. Das Verfahren wurde eingestellt.“

- „Wo wollen Sie eigentlich hin, wenn Sie hier wieder halbwegs hergestellt sind und entlassen werden?“, erkundigte sich Brause.
- „Ja, das ist eine gute Frage, Herr Brause, sehr aufmerksam von Ihnen, ich hab’ mir darüber auch schon Gedanken gemacht. Wissen Sie, ich bin zum ersten Mal in einem Krankenhaus, zumindest als Erwachsener, und das kam alles so plötzlich, daß ich jetzt irgendwie hilflos bin.“
- „Das kann ich mir vorstellen“, entgegnete Brause und dachte einen Moment lang an seine Tochter, die in ihrem Häuschen durchaus noch ein Zimmer für ihn freiräumen könnte. Vielleicht kämen sie sich auf diese Weise näher, es würde ihn freuen, denn nach der Scheidung fehlt doch irgendwie ein Mann im Haushalt, vor allem, der so praktisch begabt war wie Stumpf.

- „Ich dachte schon an Magda, also an Marlies Armdran, die ist doch so allein“, sprach Gangolf seine Gedanken aus.
- „Hm, ach ja, Sie haben recht, und gut kochen kann sie auch, bei ihr wären Sie gut versorgt“, antwortete Brause.
- „Würden Sie mir bitte ihre Nummer geben, ich hab’ sie nämlich immer noch nicht eingespeichert, weil ich bisher immer nur mit ihrer Freundin bei ihr oben war. Aber so eine Frage würde ich doch lieber direkt mit ihr besprechen, ohne Beisein der Martina.“

Brause zog sein Smartphone heraus, tippte langwierig auf dem Display herum, bis er endlich die gespeicherten Kontaktdaten fand. Er las vor:
- „Null drei fünf vier ...“
- „Langsam, Moment bitte, ich muß mir das aufschreiben“, unterbrach Gangolf und nahm sein Smartphone vom Tischlein an seinem Bett. Hurtig öffnete er das Eingabefeld für einen neuen Eintrag, und Brause wiederholte die Rufnummer.
Gangolf bedankte sich; die Gelegenheit am Schopfe ergreifend faßte er Mut, Brause nach den Hintergründen von Magdas Verbrechen zu fragen.
- „Hm“, räusperte sich Brause, „aber zuvor möchte ich was von Ihnen dazu wissen.“
- „Ja bitte“, forderte Gangolf ihn auf, „wenn ich da was sagen kann.“
- „Was stand da neulich neben ihrem Bett, von der Bettdecke zugedeckt, unten sahen die Kabel heraus, da war doch was, was da nicht hingehörte.“

‚Verdammt’, durchzuckte es Gangolf, ‚der bemerkt doch alles, leugnen hat jetzt wohl keinen Sinn’.
Gangolf beschloß, nicht herumzulügen: „Ja, das waren Meßgeräte für Frequenzen, ehrlich gesagt, wollte ich wissen, welche Signale so eine elektronische Fessel ausstrahlt, das hat mich sehr interessiert, so etwas bin ich ja noch nie begegnet.“
- „Aha, und dann haben Sie die Geräte schnell unter der Decke versteckt, als ich die Treppe heraufkam.“
- „Ja genau, ich wollte nicht, daß Sie, oder wer auch immer da hereinkommen würde, sieht, was ich da so mache; es war natürlich blöd von mir, denn Sie kommen ja doch dahinter und es ist ja auch kein Geheimnis eigentlich.“
- „Wenn ich mich recht erinnere, sind Sie Amateurfunker, zumindest haben Sie allerhand Elektronik in ihrem Keller da rumstehen.“
- „Ja, so ist es. Und drum hab’ ich mir von dem Hans, unseren Gerätewart, die ausgeliehen, um Messungen zu machen.“

Brause ließ das Gehörte etwas sacken und meinte dann: „Hans, kenn’ ich den?“
Es war ihm klar, daß das eine rein rhetorische Frage war, wie sollte er einen Hans kennen, der in einem Amateurfunkverein Gerätewart war. Doch die Welt ist klein, wie sich schnell herausstellen sollte:
- „Hans Altmann“, gab Gangolf zur Antwort, „wohnt, glaub’ ich, hier irgendwo hinten an der Schlee“.
Erstaunt hob Brause seinen Kopf, blickte kurz zur Decke und sagte dann: „Ist das der alte Altmann, der früher mit dem Fahrrad herumfuhr mit der Werkzeugkiste hintenauf und die alten DDR-Fernseher reparierte, Luxomat hießen die Dinger, der war gut drauf, ja, ich glaub’, das war der Fernseh-Hans, so nannten ihn meine Eltern“.
- „Das kann gut sein, ich schätze ihn an die siebzig, ist der totale Bastler für alte Schaltungen, ein toller Kollege, von ihm kann man alles haben, nur die Meßgeräte wollte er erst einmal nicht herausrücken, bis der Vorstand ihm es erlaubte.“
- „Ja, ja,“, freute sich Brause, „das wird er wohl gewesen sein, der hatte immer so Röhren dabei in seiner Holzkiste, dann so Kondensatoren, oder wie das Zeugs heißt, natürlich seinen dicken Lötkolben, mit selbstgewickelter Heizspule, wie er immer beschwor, und die Kiste aus Holz war sein Heiligtum, hatte diese von seinem Vater übernommen, wissen Sie, damals war Holz Mangelware in der DDR, die machten alles aus Plaste oder Blech.“

Brause war vollkommen überzeugt davon, daß Gangolf die Wahrheit sprach, daß dieser tatsächlich rein aus technischem Interesse handelte und jene Messungen an der elektronischen Fußfessel durchführte. Er hatte das Gespür, wenn jemand die Wahrheit sagte, aber auch, wenn herumgedruckst wurde oder wenn sonst etwas an einer Geschichte nicht ganz stimmig war. Darüber hinaus befand er sich nicht in einem Verhör mit Gangolf, und somit beschoß er, die Angelegenheit nicht weiter zu hinterfragen. Er forderte jetzt Gangolf auf, seine Frage an ihn zu stellen.

- „Ehrlich gesagt, Herr Brause, nachdem ich jetzt die Magda, also die Marlies, seit einiger Zeit jetzt kenne, kann ich mir nicht vorstellen, wie die Frau jemals ein Verbrechen begangen hat. Die kann doch keiner Fliege was zuleide tun, total schüchtern, auch so zart und schwächlich, ich komm’ da nicht zurecht, was ich von dem Ganzen halten soll“
- „Mir geht das genauso, Herr Stumpf“, pflichtete ihm Brause bei, „aber bitte, das muß jetzt ganz unter uns bleiben; ich hab’ zwar meinem Chef auch schon meine Vermutung gesagt, aber ich möcht’ nicht, daß das in der Öffentlichkeit herumerzählt wird.“
Gangolf schwor hoch und heilig, zu schweigen wie ein Grab, auch Magda gegenüber und ihrer Freundin.
- „Meiner Meinung verhält sich das so,“ hub Brause an, „ihre Freundin, die Martina, glaub’ ich, daß sie so heißt, ja, die wurde einmal vergewaltigt. Unter uns gesagt, die jungen Frauen legen es ja oft darauf an, wie sie sich geben, da muß doch ein labiles männliches Gemüt verrückt werden, aber das können sich die Mädels anscheinend nicht vorstellen; ich jedenfalls hab’ meine Tochter immer gewarnt, keine falschen Signale auszusenden, das geht bei der Kleiderwahl los und endet dort, wo man Nachts allein hilflos am Flußufer steht.“

Brause legte eine kurze Besinnungspause ein, ordnete seine Erinnerungen und fuhr fort:
- „Sie brachte die Vergewaltigung zur Anzeige, ließ sich untersuchen und es wurde alles dokumentiert. Kurz darauf rief die Armdran bei der Zentrale an und sagte, ein Mann wäre bei ihr hereingekommen und wollte ihr an die Wäsche. Sie flüchtete sich angeblich in die Küche, konnte eine Blumenvase ergreifen und schlug mit ihr auf den Mann ein, bis dieser tot dalag.“

Es folgte ein betretenes Schweigen. Schließlich ergriff Gangolf das Wort:
- „Also war es eine Art Notwehr von ihr“.
- „Ja, sie wurde wegen Totschlags verurteilt. Und das nur, weil sie sofort gestanden hatte. Was mich nur wundert, ist das, daß keinerlei Untersuchungen in ihrer Wohnung stattfanden. Man fand zwar ein paar Blutflecken auf dem Fußboden, wo er gelegen hat, aber da müßten richtig große Lachen sich gebildet haben, denn er hatte offene Wunden, auch ist sie selber nicht untersucht worden, ob es Kampfspuren gab. Ich kann mir nicht vorstellen, daß es ihr so leicht gelungen ist, mit der Vase auf ihn einzuschlagen: Entweder hat er sich gewehrt, immerhin war er zwei Kopf größer als sie, dann müßte auch die, ich bleib’ jetzt bei ihrem Namen Magda, also auch die etwas von dem Kampf abgekriegt haben, oder der Angegriffene wäre zurückgewichen und hätte das Haus schleunigst verlassen.“

- „Sie hatte sofort die Tötung gestanden?“, wiederholte Gangolf fragend.
- „Ja, sonst wäre sie wegen Mord d’ran gewesen, denn es kam ja zu keiner Vergewaltigung.“
- „Und so kam es zu keinen genaueren Untersuchungen“, reflektierte Gangolf.
- „So ist es, aber ich bitte Sie, das zarte Mädel konnte doch so einen Hühnen von Mannsbild nicht mit dem Väschen niederstrecken; also meiner Meinung nach hat sie die Tat für jemand anders auf sich genommen, aber bitte, das muß unter uns bleiben, das ist meine rein persönliche Meinung, ich spreche da nicht als Polizist.“
- „Ja, danke für ihre Einschätzung“, entgegnete Gangolf, „das bleibt freilich unter uns“.

Gangolf fühlte sich bedeutend leichter, als er Brauses Einschätzung vernahm; um mit den Worten des alten Priesters zu sprechen: Mit der Befreiung von der Fessel würde Gangolf etwas Gutes tun und nicht im Gegenteil, etwas Gutes unterlassen, was ja Sünde bedeutete.
- „Und noch was“, fuhr Brause fort, „diese Freundin Martina hat den Getöteten sofort eindeutig identifiziert und die forensische Untersuchung ergab tatsächlich, daß es der war, der sie vergewaltigte. Und dann lag er wenige Tage später in Magdas kleiner Wohnung tot auf dem Fußboden. Mehr möchte ich dazu jetzt nicht mehr sagen.“

Es stellte sich für beide die unausgesprochene Frage, für wen Magda die Schuld auf sich genommen hatte, Gangolf verspürte eine vage Ahnung, Brause hatte diesbezüglich wohl Gewißheit.


































57. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von folssom am 06.12.21 00:03

Ob das von Gangolf so klug war, dem Herrn Brause das Vorhandensein der Messgeräte zu offenbaren, wage ich zu bezweifeln.
58. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 08.12.21 18:35

Was hätte er tun sollen? Ich glaube, Gangolf ist ein schlechter Lügner, Wachtmeister Brause hätte wahrscheinlich nicht locker gelassen, wenn jener herumgedruckst hätte; warten wir ab, wie es sich entwickelt, übermorgen kommt die Fortsetzung!
59. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 10.12.21 21:38

31

Der Ambulanz-Fahrdienst brachte Gangolf bis an Magdas Haustür. Der Fahrer half ihm aus dem Auto und stellte die Gepäcktasche vor der Tür ab. Als Magda heruntergekommen war und die Tür geöffnet hatte, verabschiedete sich der Fahrer mit einem Wink, wünschte gute Genesung, schwang sich in sein Fahrzeug und brauste davon.
Magda stellte sich vor Gangolf auf die Zehenspitzen und umarmte dessen Kopf.
- „Nicht so stürmisch“, rief Gangolf, „sonst falle ich noch um, ich bin es noch nicht so gewohnt, mit diesen Krücken zu stehen, das Gehen fällt mir leichter damit.“

Gangolf neigte seinen Kopf, Magda gelang es, ihr zartes Mündchen zuerst auf sein Kinn, dann auch auf seine Lippen zu setzen. Nach dem kurzen Begrüßungskuß hielt sie ihm die Tür auf. Vor der ersten Stufe reichte Gangolf ihr seinen rechten Krückstock, damit er sich am Handlauf festhalten konnte. Erstmals erglomm Gangolf eine Stiege, es fiel ihm schwer, er mußte tief atmen.
Geduldig verharrte Magda hinter ihm, bis Gangolf oben angekommen war. Sie übergab ihm den Krückstock und öffnete die Wohnungstür. Während er hineinhumpelte, eilte sie wieder hinunter, um Gangolfs Tasche zu holen. Kaum daß er sich auf einem Stuhl niedergelassen hatte, kam sie schon wieder herauf und stellte die Tasche ab. Sie kniete sich vor ihn nieder und nun war sie es, die ihr Haupt neigen mußte, damit sich ihre Münder treffen konnten.

Gangolf fühlte sich in die Szene zurückversetzt, in welcher Martina ihn nach dem Beinahe-Zusammenstoß mit dem Traktor herzhaft-ausdauernd geküßt hatte. Er konnte es sich nicht erklären, warum Magda ihm so sehr zugetan war. Als sie schließlich von ihm abließ, sahen sie sich schweigend in die Augen, aus Magdas drückten sich zwei Tränchen hervor.
‚Was haben die mit dir nur gemacht?’, fragte sich Gangolf, ‚warum ist sie dermaßen ergriffen, daß sie einem Krüppel gegenüberkniet, dem sie Obdach gewährt.’

Magda durchbrach das Schweigen: „Was möchtest du haben, Kaffee, oder lieber was Kaltes? Hast du überhaupt was zu Frühstücken bekommen?“
- „Ja, ja, mach’ dir keine Umstände.“
- „Ach Gangi, darf ich dich überhaupt so nennen?“
- „Aber gerne, wenn dir das gefällt.“
- „Es sind überhaupt keine Umstände, es ist so lieb, daß mich endlich einmal jemand braucht, also so richtig im Leben; ich hab’ mit dem Frühstück gewartet, denn ich hab’ bisher immer allein Frühstücken müssen, es ist so schön, daß du da bist!“
Gangolf schaute ihr nach, wie sie hurtig in die Küche verschwand, und reflektierte ihre Worte: >es ist so lieb, daß mich jemand so richtig im Leben braucht.<
‚Könnte es sein, daß sie bisher immer nur >mißbraucht< wurde?’
Ihm kamen die Schmerzensrufe in den Sinn und natürlich auch Brauses Einschätzung, daß sie sogar die Schuld an einem Totschlag für jemand auf sich genommen hätte. Kann es sein, daß die Hingabe eines Menschen dermaßen weit ginge?

Das Gluckern der Kaffeemaschine riß Gangolf aus den Gedankengängen, Magda hantierte emsig in der Küche und kam nach kurzer Zeit in die Stube zurück, stellte das Geschirr auf den Tisch, anschließend eine Vielzahl von Köstlichkeiten, um ein opulentes Frühstück einnehmen zu können. Als sie den Kaffee einschenkte, ertönte das Signal des Eierkochers.
- „Ich hab’ dich gar nicht gefragt, ob du ein Ei magst, wenn nicht, dann lasse ich es für mich zum Mittagessen.“
- „Aber sehr gern, Magda“, antwortete Gangolf und seine Vorfreude auf ein richtig deftiges Frühstück steigerte sich in’s Unermeßliche. Das Krankenhaus-Frühstück war, wie überhaupt die Verpflegung dort, durchaus gut, aber es ist eine ganz andere Atmosphäre, wenn man das Essen in Magdas Ambiente einnehmen konnte. Er war sich immer noch nicht im Klaren, warum sich Magda dermaßen für ihn engagierte, daß sie gar eine Träne verloren hatte.

Als sie das Frühstück beendet hatten, für Gangolf war es bereits das zweite an diesem Tag, bat er Magda, ob er sein krankes Bein hochlegen dürfte. Sofort sprang sie auf, nahm von ihrem Sofa-Bett das Kopfkissen und legte es auf eine Stuhlfläche. Doch dann fiel ihr eine Alternative ein:
- „Oder willst du dich überhaupt ein bißchen hinlegen?“
Gangolf nahm das Angebot gerne an, die Anstrengung ging nicht ganz spurlos an ihm vorüber, das reichhaltige Essen tat sein Übriges, schläfrig zu werden. Hurtig streifte Magda das frisch bezogene Laken glatt, legte das Kopfkissen zurück und nahm Gangolfs Krückstöcke in Empfang, als sich dieser auf die Bettkante niedergelassen hatte. Dann war sie ihm behutsam behilflich, sein krankes Bein in das Bett zu hieven; als er sich schließlich zurecht gerückt hatte, deckte sie ihn liebevoll zu, kniete sich vor das Bett und verabreichte ihm wieder einen lang andauernden Kuß.
Gangolf fiel tatsächlich in einen leichten Schlaf, Magda räumte sehr umsichtig den Tisch ab, um auf keinen Fall ein lautes Geräusch dabei zu erzeugen. Jedesmal, wenn sie aus der Küche herauskam, schenkte sie ihm einen liebevollen Blick und lächelte ihn innigst an, wie das starke Geschlecht mitten am Vormittag in ihrem Bett schlief.

Als Gangolf erwachte, eilte Magda sofort wieder zu ihm, kniete wieder nieder und fragte:
- „Hast du gut geschlafen, soll ich dir was bringen, sag’ immer, wenn du was brauchst, ich bin nicht immer so aufmerksam.“
- „Aber ganz im Gegenteil, ich bin noch nie so umsorgt worden, warum machst du das alles für mich?“
Magda hielt ihm den Mund zu, nach einer Weile zog sie ihre Hand zurück und küßte ihn wieder hingebungsvoll. Bei Gangolf regte sich allmählich eine erotische Empfindung, bislang fand er sie nett, aufmerksam, fürsorglich, lieb im Sinne des alten Priesters, aber jetzt spürte er, daß sich mehr entwickeln könnte. Freilich schossen ihm jäh Erinnerungen durch den Kopf, an die katholische Krankenschwester Ramona, an Brauses schöne Tochter, natürlich an die bezaubernde Martina und an die interessante Bettina, doch gelang es ihm, diese Wunschbilder aus dem Kopf zu schlagen und sich auf Magda zu konzentrieren.

- „Komm’, setz’ dich auf meinen Bauch, ich möchte nicht, daß du immer vor mir kniest“, forderte Gangolf sie auf und schüttelte die Bettdecke nach unten.
- „Ich bin doch viel zu schwer“, wandte Magda ein, was ein leichtes Lachen bei Gangolf hervorrief:
- „Du und schwer? Du hast Idealfigur! Komm’ jetzt, steig’ über mich d’rüber!“

Magda erhob sich, kniete sich jetzt an Gangolfs Seite, stütze sich mit den Händen in der Nähe seiner Schultern ab und zog vorsichtig ihr linkes Bein über Gangolfs Beine. Sie blieb nun in dieser Schwebeposition über Gangolfs Oberkörper, mit ihren Knien an seiner Seite.
- „Setz’ dich“, forderte Gangolf sie auf und spannte seine Bauchmuskeln an.
- „Meinst du wirklich?“ flötete Magda, „aber sag’ sofort, wenn ich dir zu schwer bin.“
- „Magda!“, entgegnete Gangolf mit gedehnter Stimme, daraufhin senkte sie vorsichtig ihren Po auf seinen Bauch. Gangolf spürte sofort, daß sie sich nicht mit ihrem gesamten Gewicht darauf niederließ, sondern mit einer starken Anspannung ihrer Beine weiterhin eine große Kraftkomponente über ihre Knie auf das Bett abführte.
Gangolf ergriff ihre Oberschenkel und drückte sie fest nach unten.
- „Entspann’ dich“, forderte er sie auf, endlich kam Magda seiner Aufforderung nach.

Gangolf begann, mit seinen Fingerspitzen sehr langsam an der Innenseite von Magdas Oberschenkeln entlang zu streichen; er übte dazu mäßige Kraft aus, denn er beurteilte den Stoff ihrer verwaschenen Jeans als verhältnismäßig dick.
‚Wahrscheinlich hat sie nur diese eine’, überlegte sich Gangolf, ‚die ist eher was für die kalten Wintertage’.
- „Stütz’ dich auf meinen Schultern ab“, schlug nun Gangolf vor, „dann mußt du nicht so gekrümmt dasitzen, oder noch besser, du setzt dich ganz aufrecht!“
- „Ist dir das wirklich nicht zu schwer?“, fragte Magda ihn besorgt und richtete sich vorsichtig auf.
- „Aber nein“, entgegnete Gangolf und spannte seine Bauchmuskeln wieder etwas an, um den Druck abzustemmen.

Wortlos blickten sie sich mit verliebten Augen an, während Gangolfs Finger von den Oberschenkeln weg Richtung Brüste wanderten, begannen nun Magdas Händchen seinen Brustkorb zu betasten. Minutenlang führten sie ihre zarten Bewegungen fort, bis Magda dann auch einmal an seine Wangen und an seine Stirn griff. Überrascht rief sie:
- „Oh, du bist ja heiß, möchtest du was zu Trinken, was willst du haben?“
- „Ja, ich bin heiß und hab’ auch einen Wunsch“, antwortete Gangolf leise.
Magda blickte ihn fragend an, er präzisierte: „Zieh’ deine Jeans aus, und wenn es dir nicht zu kühl ist, auch das T-Shirt, das wäre mein Wunsch.“

Jetzt verstand Magda, hurtig wälzte sie sich über Gangolf und richtete sich neben dem Bett auf. Nur noch mit Slip und BH bekleidet trat sie wieder an das Bett, Gangolf gab ihr mit einer Kopfbewegung das Zeichen, sich wieder niederzusetzen. Diesmal ließ sie sich nicht lange bitten, geschmeidig wie eine Katze nahm sie auf Gangolfs Bauch Platz, ohne zuvor erst in die Knie gegangen zu sein. Ihre Füße setze sie nun neben seine Schultern, legte die Ellenbogen auf die Knie und wuschelte Gangolfs Haare.
Gangolf umfaßte sie an ihrer schmalen Taille, sofort spürte er durch den Slip das harte Eisen des Keuschheitsgürtels.
- „Hoffentlich bist du nicht enttäuscht“, flötete Magda, „aber nur Martina hat den Schlüssel, leider kann ich dich nicht reinlassen.“

In der Tat konnte Gangolf seine Enttäuschung nicht ganz verleugnen, wieder endete seine Begierde an dem schnöden Eisen vor Magdas Eingang.
‚Wenn ich wieder auf den Beinen bin’, schwor sich Gangolf, ‚bring’ ich meine Flex mit.’

Es dauerte zwar noch eine längere Zeit, bis es soweit gekommen war, und Gangolf glaubte auch nicht im Ernst daran, daß er tatsächlich eines Tages zu dieser Maßnahme greifen müßte...


















60. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von folssom am 12.12.21 01:46

Ich frage mich, warum hat sich gangolf nicht zuerst nach der elektronischen Fußfessel erkundigt?
61. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 13.12.21 19:49

Vielleicht hatte Gangolf erwartet, daß Magda ihm gleich freudestrahlend von der Befreiung von der Fußfessel berichtet; weil sie aber nichts darüber sagte, könnte Gangolf meinen, es wäre schief gelaufen, und um die Traurigkeit einer Enttäuschung zu umgehen, fragt er lieber nicht nach.

Magda hingegen hatte wahrscheinlich angenommen, er wüßte es längst; sie zeigt ihre Dankbarkeit nicht in einem Redeschwall, sondern in der liebenden Zuneigung zu ihm - so entstehen Mißverständnisse! Für Gangolf bleibt es jedenfalls spannend, wie es weitergehen wird - und vielleicht nicht nur für ihn...
62. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 17.12.21 22:09

32

Martina war alles andere als begeistert, als sie davon erfuhr, daß Gangolf bei Magda Unterschlupf finden sollte für die Zeit, da er sein gebrochenes Bein schonen mußte. Ihr Ärger galt weniger der Tatsache als solche, sondern vielmehr dem Umstand, nicht vorab gefragt worden zu sein, ob sie mit dieser Lösung einverstanden wäre. Sie machte Magda diesbezüglich schwere Vorhaltungen, bis sich schließlich Gangolf einmischte:

- "Stop, es lag an mir, ich bin schuld, ich hab' mich bei der Magda eingeladen und sie war so nett, mich aufzunehmen. Aber ich will euere Beziehung nicht stören."

Sie sind übereingekommen, daß Magda schon allein deshalb, da sie kein zweites Bett hatte, die Nacht über bei Martina verbringen würde. Obwohl sie sich dank des Senders, der anstelle der Fußfessel die Signale an die Überwachungsstelle funkte, jetzt überall hin frei bewegen konnte, wollte sie am Tag erst einmal weiterhin in ihrer Wohnung bleiben und im Nahbereich ihre Einkäufe tätigen, denn es könnte immerhin doch noch sein, daß die Leute in der Überwachungsstelle etwas bemerkt haben könnten und Wachtmeister Brause plötzlich wieder vor der Tür stünde. In diesem Fall könnte Magda eine zutiefst bedauerliche Miene aufsetzen, daß sie vergessen habe, das Ding aufzuladen.

Eigentlich wollte Martina Magda richtig hart bestrafen, doch sie besann sich und nahm sich vor, den sadistischen Akt erst am Abend bei ihr zuhause auszuleben. Durch das Erlebnis mit Joe und Kalle ist sie wieder auf den Geschmack gekommen, wie lustvoll es sein kann, ein echtes Teil im Leib zu verspüren. Sie nahm sich vor, Gangolfs Bettlegrichkeit auszunutzen, um mit einer speziellen Stellung seinen Lustzapfen zu empfangen.

Martina entblößte sich und stellte sich vor Gangolfs Bett. Dieser blickte auf die große Schönheit und es fiel ihm sofort auf:
- "Du hast heute ja gar keinen Keuschheitsgürtel um".
- "Weißt du auch, warum ich ihn abgelegt habe?"
Gangolf ahnte es, er wurde in seiner Gefühlswelt hin- und hergerissen. Einerseits fühlte er sich augenblicklich Magda viel näher verbunden und bedauerte, daß diese im Gürtel eingeschlossen gehalten wurde, andererseits konnte er seine Erregung nicht leugnen, als Martina mit ihrer ganzen Pracht vor ihm stand: Lange gewellte Haare, einen wohlgeformten Körper, dezent lackierte Fingernägel.

Als Martina merkte, daß Gangolf bereits vom Anblick ihrer nackten Schönheit geil wurde, zog sie einen Stuhl heran, setzte sich auf die vordere Hälfte der Sitzfläche, spreizte die Beine und befahl Magda, sie zu verwöhnen. Prompt eilte diese heran, kniete sich zwischen Martinas Oberschenkel und liebkoste ihre Schamlippen mit ihrem Mund; bald strich sie vorsichtig mit ihrer Zunge darüber, bald saugte sie diese leicht ein, bald massierte sie die Schamlippen mit ihren Mundlippen.

Nach einigen Minuten hatte Martina genug, sie drückte Magda weg und erhob sich. Sie holte Gangolfs Penis hervor und stülpte ihm ein Kondom über. Wie ein dicker schwarzer Finger ragte er aus Gangolfs flach daliegendem Körper; mit gekonntem Schwung stieg Martina mit einem Bein über ihn hinweg, plazierte ihre Füße an seine Seite, ähnlich wie es am Vormittag Magda getan hatte, mit dem Unterschied, daß sie sich nicht auf seinen Bauch niederließ, sondern weiter unterhalb im Stand kreisende Bewegungen durchführte, bis ihr Eingang auf Gangolfs gummierte Spitze traf.

Vorgefeuchtet durch Magdas Behandlung flutschte Gangolfs Teil wie von selbst hinein; Martina wippte in ihrer hockenden Stellung leicht auf und ab, stets darauf bedacht, es nicht herausspringen zu lassen. Als es soweit war, sank sie erschöpft nieder, was Gangolf einen gedehnten Seufzer ausstoßen ließ. Nach einiger Zeit erhob sie sich, sein Zapfen rutschte heraus, sie hob ihr Bein zurück und legte sich etwas gekrümmt an Gangolfs Seite. Dieser drehte sich, soweit sein krankes Bein es zuließ, an sie heran und drückte sie mit einem Arm an sich. Sein wertestes Teil befreite er von der Gummihülle und drückte es in Martinas Pofalte.

Beiden überkam ein kurzer wohliger Schlaf. Magda schlich in die Küche davon. Nach einigen Minuten erwachte Martina, stand auf und zog sich an. Dann forderte sie Magda auf, die Klemmstangen aus dem Winkel hinter dem Schrank hervorzuholen. Diese Stangen waren dafür gemacht, eine Kinderschaukel in einem Türrahmen aufzuhängen. Sie waren geteilt und über ein großes Gewinde miteinander verbunden. An den Enden der Stangen befanden sich tellerförmige Flansche, durch das Auseinanderdrehen der unterteilten Stangen konnten diese in die Türzargen gedrückt werden.

Martina brauchte diese Stangen natürlich nicht, um daran eine Kinderschaukel aufzuhängen.
- "Nimm' sie mit", forderte sie Magda auf, "die nehmen wir heute zu mir, da können wir sie auch gut gebrauchen, Gangolf wird sie nicht vermissen."
Gangolf schaute verwundert den beiden Frauen nach, als diese zunächst wortlos zur Wohnung hinausgingen. Magda drehte sich unter der Tür zu ihm um, lächelte ihn zum Abschied an und sagte:
- "Also bis morgen früh wieder, schlaf' gut."
Martina hingegen murmelte nur ein "Ciao" und drängte Magda hinaus.

Gangolf zog sich sein Laptop heran und tippte ihm Suchfeld des Internet-Browsers "Keuschheitsgürtel" ein. Er war baßerstaunt, was es da alles zu sehen und zu lesen gab. Dieses Thema hatte offensichtlich seinen Nimbus ebenso eingebüßt wie jenes der Handschellen. Er stieß sogar auf ein Forum, auf welchem sich Interessierte über Erfahrungen mit den verschiedenen Modellen austauschten. Dann entdeckte er dort eine Sparte, wo Mitglieder Geschichten schrieben, welche Keuschheitsgürtel und andere SM-Spielzeuge zum Inhalt hatten.

Stunde um Stunde verrann, als Gangolf schließlich auf eine ganz besondere Fantasiegeschichte stieß, welche beschrieb, wie Sklavinnen auf die Ruderbänke einer Galeere gefesselt sind und unbarmherzig ausgepeitscht werden. Das besondere daran war, daß diese Frauen als zusätzliche Qual ununterbrochen Keuschheitsgürtel tragen mußten, die nicht mehr geöffnet werden konnten.
In unregelmäßigen Abständen von zwei bis vier Wochen veröffentlichte der Amateurschreiber eine Fortsetzung, ergreifend ließ er die Leser in die Gefühlswelt der Frauen eintauchen, sowohl in jene der Sklavinnen, als auch der Aufseherinnen. Aufgrund des Schreibstils und der profunden Sachkenntnis vermutete Gangolf den Autor als österreichischen Sanitätsoffizier.

Am nächsten Morgen kam Magda mit einer großen Einkaufstüte in die Stube herein. Außer den frischen Semmeln hatte sie rohen und gekochten Schinken gekauft. Bevor sie das Frühstück bereitete, kniete sie vor das Bett und liebkoste Gangolf. Aus ihren Augen drückten sich ein paar Tränen.
- „Was hat die Martina mit dir nur wieder gemacht?“, erkundigte sich Gangolf besorgt.
- „Ach nichts“, wollte Magda die ehrliche Antwort vermeiden, „jetzt frühstücken wir erst einmal was.“

Gangolf nickte und erhob sich mühsam aus der Liegestatt, während Magda bereits hurtig in die Küche verschwunden war. Sie bereitete wieder ein köstliches Frühstück vor, doch kam sie nicht umhin, sich in der Küche auf einen Hocker niederzulassen, um ihr Gesicht leise schluchzend in die Hände zu vergraben, die Ellenbogen auf die Knie gestützt.
Wortlos begannen Magda und Gangolf zu frühstücken, er wollte ihr erst einmal ein paar Bissen gönnen und auch Schlucke des starken Kaffees, bevor er nachbohrte:`
- „Also was ist jetzt, willst du mir nicht sagen, warum du so traurig schaust?“

Magda schob ihren Teller beiseite, ergriff mit beiden Händen jene von Gangolf und drückte ihr Gesicht auf ihre Unterarme. Sofort schossen ihr die Tränen aus den Augen, Gangolf blieb nichts weiter übrig, als abzuwarten. Als sie sich wieder beruhigte und ihren Kopf empor hob, sah sie ihn mit verheultem Gesicht an und stammelte mit sich überschlagender Stimme:
- „Weißt du, ich diene gerne und mach’ alles, damit es die Menschen lieb haben und gut haben und schön, aber ich möcht’ nicht immer so arg bestraft werden, wenn ich was falsch gemacht habe oder nicht so ganz richtig und so, ach Gangi.“
Wieder kamen ihr einige Tränen, die sie mit dem Taschentuch wegwischte.
- „Laß’ doch einmal sehen“, entgegnete Gangolf, stand auf, humpelte zu ihr hinüber, indem er sich mit den Händen auf der Tischfläche abstütze. Er erfaßte ihr T-Shirt, das er mit einem Ruck hinter der Stuhllehne hervorzog bis zu ihren Schultern hinauf. Magda ließ ihn widerstandslos gewähren; was er auf ihrem Rücken erblickte, ließ ihn erschaudern: Zahlreiche Striemen zeichneten sich kreuz und quer auf ihrer blassen Haut ab.

- „Sie ist so hart“, sprach Magda nun gefaßt weiter, während Gangolf vorsichtig ihr Hemdchen über den mißhandelten Rücken zurückstreifte. Magda fuhr fort:
- „Vielleicht wäre es besser, deine Freunde hätten den Sender da gar nicht aufgestellt, dann könnte mich die Herrin nicht zu sich nehmen, aber das war es, was sie immer wollte und jetzt hat sie die Möglichkeit.“
Gangolf sah sie schweigend an. Er wußte nicht, was er sagen sollte, erstarrt vom Entsetzen. Beide tranken vom Kaffee und setzen ihr Frühstück fort. Nach einer Weile sagte Magda:
- „Weißt du, wie gemein das war, als sie den Sender aufgestellt hatten, da sind die vier alle gegangen dann und haben einfach das Licht ausgemacht und dann traute ich mich schnell noch zu rufen, sie sollen mich doch losbinden.“
- „Äh – nein, wieso losbinden und was war da alles, ich konnte ja leider nicht dabei sein mit dem blöden Sturz von dem Dach.“
- „Sie banden mich in einen ganz strengen Hogtie, so fest, daß ich mich überhaupt nicht rühren konnte, die Beine gespreizt, die Hände weit nach hinten, sogar die Zehen fest mit einer Schnur an die Haare, das hat so arg gezogen, es hat alles so weh getan, ganz lang war das so und dann haben sie sich alle amüsiert.“
- „Ah, was, wieso haben die das gemacht, warum hast du dich nicht gewehrt?“
- „Ich konnte doch nichts machen, die haben immer so was von Interenz gesagt oder so was, Interfenz oder was, und da mußte ich absolut ruhig bleiben, sonst gibt es Störungen.“
- „Interferenz, ja, ich verstehe, aber das dauert doch nur wenige Sekunden, höchstens Minuten, um den Sender zu synchronisieren mit der verdammten Fußfessel, und da haben die dich so lange bewegungsunfähig gefesselt?“
- „Ja und noch schlimmer, sie haben sich dabei amüsiert, jeder von den Männern bekam eine Frau, so wie ich das gehört habe, ich konnte sie nicht sehen, da ich ja immer mit gespanntem Kopf auf dem Boden lag.“
- „Du lagst auf dem Boden?“
- „Ja freilich, es war so hart.“
- „Unverschämt. Wer war denn noch alles da, du sagtest von vier.“
- „Die Bettina auch.“
- „Die Bettina! Sag’, kann das sein, daß die was mit der Martina hat?“
- „Ja freilich, wußtest du das nicht, die sind doch schon lang ein Paar und mich brauchen sie, also Martina, um Spaß zu haben“.

Gangolf verstand nun, wie es um die Frau Pfarrerin stand, er mußte sich nicht mehr in ihre Richtung bemühen. Und Magda hielten sie sich als Lustsklavin.
- „Und wie ging es weiter, sie ließen dich im Dunkeln liegen?“, wollte Gangolf wissen.
- „Nein, als ich rief, kam Bettina zurück und löste ein paar Knoten, so daß ich mich dann selbst befreien konnte. Mir tat alles weh, es war fast so schlimm...“
Magda hielt ein, doch Gangolf bohrte nach: „Fast so schlimm als was?“
Sie blieb ihm eine Antwort schuldig, statt dessen schüttelte sie nur leicht den Kopf.

Es gelang Gangolf, Bettina telephonisch zu erreichen. Sie führten ein längeres Gespräch, er forderte sie auf, Martina zu mahnen, keine Handgreiflichkeiten mehr an Magda zu verüben, schon gar nicht mehr das brutale Auspeitschen. Er argumentierte mit dem ersten Korintherbrief:
>Wisset ihr nicht, daß euer Leib ein Tempel des heiligen Geistes ist<
Bettina äußerte sich bestürzt, sie hätte nicht gedacht, daß Martina, ihre Geliebte, dermaßen brutal war.

Es wurde Abend und es wurde Nacht, doch Martina kam nicht, um Magda abzuholen. Schließlich beschlossen Magda und Gangolf, sich das Bett zu teilen. Magda bat Gangolf, daß sich dieser ohne Pyjama-Oberteil niederlegen sollte. Eigentlich hätte sie ihn natürlich gänzlich nackt gehabt, doch wagte sie es nicht, wegen seines kranken Beins ihn darum zu bitten.
Gangolf willigte ein mit der Maßgabe, daß auch sie oben ohne sich zu ihm gesellen sollte. Die schwül-heiße Luft der Juli-Nacht ließ das schon allein aus Temperaturgründen problemlos zu. Magda streifte sich auch die Hose ab und stand nun nackt neben dem Bett, lediglich mit den beiden unheimlichen Fesseln bedeckt, dem Keuschheitsgürtel und der deaktivierten Fußfessel.
Als sich Magda sich niederlegte und sich neben ihm ausstreckte, griff Gangolf um sie herum und drückte sie ganz nahe an sich heran. Sie genoß es, sich mit ihrem Kopf unter seine Achsel zu schmiegen, ihm vorsichtig mit ihren zarten Lippen seine Flanke zu küssen, ihre und seine Lust steigerten sich von Minute zu Minute. An Schlaf war nicht zu denken. Magda flüsterte:
- „Bist du noch wach?“
- „Ja“, hauchte Gangolf.
Magda hob ihren Kopf und fragte: „Darf ich dich um etwas Unverschämtes bitten?“
‚Was wird jetzt wohl kommen’, überlegte sich Gangolf und forderte sie auf: „Ja, nur zu!“
- „Würdest du mich bitte an dem blöden Ding massieren?“

Im ersten Moment wußte Gangolf nicht, welches der beiden Teile sie jetzt als >blödes Ding< bezeichnete, blöd waren beide, aber eines davon noch blöder, das er jetzt massieren sollte. Als ob sie seine Gedanken lesen konnte, richtete sie sich auf, schob die gemeinsame Bettdecke von sich, so daß im Dämmerlicht der Keuschheitsgürtel sichtbar wurde.
- „Bitte drück’ fest auf das Schrittband, da wo die Löcher sind, ich werd’ sonst noch verrückt!“

Gangolf richtete sich nun auch auf und tastete sich zwischen ihre Beine hindurch zu dem Schrittband. Er konnte deutlich die Löchelein fühlen, durch welche ihre Flüssigkeiten austreten konnten. Bereits ein erstes kurzes Berühren des Eisens führte zu einem Aufstöhnen; als Gangolf nun auf- und niederdrückte und das Schrittband auch seitlich bewegte, wurde Magdas Stöhnen immer lauter, schließlich legte er seine andere Hand auf ihren Oberkörper und ließ die Finger spinnengleich ganz langsam in Richtung Brüste wandern.

Magdas Stöhnen ging in ein vernehmliches Keuchen über; als schließlich Daumen und Zeigefinger Magdas Brustwarzen umfaßten und an ihnen wechselweise herumzupften, war es ihr mit einem lauten Aufschrei gekommen; warm drückte sich ihre teuerste Flüssigkeit aus den Löchelein und an den seitlichen Begrenzungen des lusthemmenden Materials hindurch.

Magda wurde auch an den darauffolgenden Tagen nicht mehr abgeholt; Martina begnügte sich mit Bettinas Zärtlichkeiten, doch sie schwor sich, Gangolfs Einmischung an ihm zu rächen, nicht sofort, denn sie wollte doch noch einmal mit ihm Motorrad fahren. Sie wußte auch noch nicht, wie ihre Rache aussehen könnte, und sie ahnte natürlich nicht, daß die schicksalhafte Vorsehung in nicht allzu weiter Ferne ihre sadistischen Rachegelüste befriedigen würde.

















63. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von folssom am 22.12.21 21:14

Da kommen wohl harte Zeiten auf Magnus zu.
64. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 23.12.21 23:10

Da ich morgen vielleicht nicht die rechte Ruhe dazu finden werde gibt es heute bereits eine neue Episode; passend zum morgigen Tag geht es um Geschenke, und passend für das lange Wochenende fällt die Fortsetzung länger als üblich aus:



33

Gangolfs Gesundheitszustand besserte sich zusehends, eines Tages beratschlagte er sich mit Magda und sie beschlossen, zu seinem Hof in Wesserbarg umzusiedeln. Offenbar funktionierte der Sender einwandfrei, andernfalls hätte längst die Überwachungsstelle in Näherdorf Alarm geschlagen und Brause in Marsch gesetzt.
Nachdem Magda ihre Habseligkeiten in Taschen und Tüten verstaut hatte, bestellte Gangolf ein Taxi, das sie nach Wesserbarg brachte. In der kleinen Ortschaft angekommen fragte der Taxifahrer, wo er die beiden hinbringen sollte. Als Gangolf in anwies, noch über die Teerstraße hinaus weiterzufahren, brummte der Fahrer mißmutig, denn sein schönes Fahrzeug wurde in dem ausgewaschenen Feldweg unschön hin- und hergerissen.

Kaum waren sie auf dem Hof angekommen, sprang Magda aus dem Wagen, um Gangolf beim Aussteigen behilflich zu sein.
- „Laß’ nur, es geht schon“, sagte er zu ihr und wandte sich dem Fahrer zu, um die Fahrt zu bezahlen. Dann stieg der Fahrer aus, öffnete den Kofferraum, nahm Taschen und Tüten heraus und verabschiedete sich.
Als Magda und Gangolf alleine in dem weiten Hof standen, umarmten sie sich. Nach zahlreichen Küssen ließ Magda schließlich von ihm ab, hob seine Krücken auf und reichte sie ihm. Gangolf konnte sich zwar schon recht gut auch ohne sie bewegen, doch war er vorsichtig genug, um vor allem auf dem unebenen Pflaster die Gehhilfen weiterhin in Anspruch zu nehmen.

Im Haus angekommen wurde Gangolf gleich wieder umarmt, wieder setzte es lang andauernde Küßchen, endlich durfte sich Gangolf auf seine Couch flacken, wie er es so gerne tat, bevor er von dem Dach stürzte. Eigentlich wollte er Magda durch das Haus führen, um ihr die Örtlichkeiten zu zeigen, doch sie meinte, sie fände alles alleine.
Als erstes inspizierte sie die Küche. Die Sachen im Kühlschrank waren augenscheinlich noch einwandfrei, während sie mit großem Bedauern den Brotrest wegwerfen mußte. Anschließend verstaute sie die mitgebrachten Lebensmittel. Sie machte sich mit den Gerätschaften vertraut und lief dann wieder in das Wohnzimmer.
Voller Freude stürmte Magda auf Gangolf ein und drückte seinen Oberkörper nieder. Ihm gelang es gerade noch rechtzeitig, seine Beine in die Höhe zu ziehen, als sie schon auf ihm lag, mit den Händen auf seinen Schultern abgestützt. Vorsichtig beugte sie sich immer weiter auf Gangolf hinab, bis ihr Kopf auf seinem Brustkorb zu liegen kam.

Magda genoß das Leben auf dem Land. Natürlich hatte das Städtchen Lüggen durchaus seine Reize, doch war diese absolute Einsamkeit für sie eine ganz neue Erfahrung. Gangolf richtete ihr sein Fahrrad her, indem er die Sattelstange vollständig in den Rahmenschaft absenkte. Der Sattel war für Magda zwar immer noch zu hoch, doch konnte sie mit den Zehenballen auch an der tiefsten Pedalstellung die Pedale bei durchgestreckten Beinen erreichen.
Magda liebte es, die Feld- und Waldwege zu befahren; es ging wegen der vielen Schlaglöcher nur langsam voran, indes wollte sie gar nicht schnell fahren, sie genoß einfach alles, sie empfand sich als Bestandteil der Natur. Eines Tages kam sie auf ihren Erkundigungstouren in Holzbuch heraus; die Ortschaft gefiel ihr auf Anhieb. Daß es sich dabei sogar um eine Stadtsiedlung handelte, mochte sie kaum glauben.

Die Rückfahrt zu Gangolfs Hof gestaltete sich schwierig, sie fand nicht mehr auf die verschlungenen Feldwege zurück. Nach einigen Versuchen, nach welchen sie immer wieder an dem Kanal ankam und nicht darüber hinaus, beschloß sie umzukehren, um über die Bundesstraße nach Weserbarg zu radeln. Der starke Autoverkehr störte sie sehr, doch es blieb ihr nichts anderes übrig.
Dank Google-Maps druckte Gangolf mehrere Karten aus, die er Magda auf ihren einsamen Erkundigungen mitgab. Auf diese Weise gelang es ihr, nicht nur immer neue Ecken in diesem herrlichen Naturreservat zu erkunden, bald erledigte sie die Einkäufe ganz alleine mit dem Fahrrad, indem sie problemlos zu dem Einkaufsmarkt nach Holzbuch radelte, ohne auf der Bundesstraße fahren zu müssen.

An einem regnerischen Samstag Vormittag schlug Gangolf vor, mit dem Auto >hinauszufahren<, wie er sich ausdrückte. Er hielt Magda die Beifahrertür auf, wartete, bis sie eingestiegen war und drückte dann die Tür langsam zu. Nach kurzer Fahrt kamen sie in Magdas vertrautes Städtchen Lüggen. Sie nahm an, daß hier das Ziel der kurzen Reise gewesen wäre. Gangolf grinste hingegen und verschwieg weiterhin das Reiseziel. Nach wenigen Kilometern kamen sie nach Altenburg, eine kleine Ortschaft südwestlich von Lüggen.

Magda erahnte, wohin Gangolf steuern würde, denn sie erspähte eine Yamaha-Motorradwerkstatt. Tatsächlich bog er auf die Seitenstraße ein. In dem Ladengeschäft betrachteten sie eingehend die auf den Stangen hängenden Motorradjacken und –hosen, Magda bestaunte die ihrer Meinung nach große Auswahl an Helmen, Handschuhen und Stiefeln.
Gangolf schien von der Auswahl nicht begeistert zu sein, er meinte: „Die haben ja nicht einmal richtige Lederkombis, nur so einfache Hosen und Jacken, ich glaub’, da brauchen wir nicht länger schauen, da gehen wir lieber wieder.“
Magda entgegnete nichts darauf, ohne sich darüber weiter Gedanken zu machen, nahm sie einfach an, daß sich Gangolf etwas Neues beschaffen wollte. Als sie wieder aus dem Laden traten, fing es stärker zu regnen an. Gangolf beherrschte sich und ging langsamen Schrittes zum Auto, auch wenn er dadurch ziemlich naß wurde.
- „Lauf’ zu“, feuerte er Magda an, „das Auto ist offen, steig’ ein, damit du nicht auch noch total naß wirst!“
Doch Magda war so verliebt in ihn, sie blieb solidarisch an seiner Seite und nahm sich vor, ihn dann im Auto wieder stark zu liebkosen.

Als sie sich von ihrer Umarmung loslösten, startete Gangolf den Golf, Magda strahlte ihn an, als ob sie ein riesiges Geschenk erhalten hätte.
- „Jetzt hast du doch gar nichts gekriegt, warum freust du dich so?“, wollte Gangolf wissen.
- „Einfach so, und ich hab’ dich gekriegt, das ist das größte Geschenk!“
Gangolf war es unangenehm, wenn sie von >Geschenk< sprach, freilich fand er sie außerordentlich nett, unglaublich hilfsbereit, aber eben auch hilfsbedürftig. Im Grunde genommen wußte er, daß er sich nicht mehr richtig von ihr lösen konnte, das würde einen unheimlichen Schaden in ihrer Seele anrichten.
Sie fuhren die Straße weiter in südliche Richtung, bis sie auf die Autobahn kamen. Der Regen wurde immer stärker, der Scheibenwischer kam jetzt zum Dauereinsatz. Als sie auf der Autobahn waren, ergriff Gangolf mit der rechten Hand Magdas linken Unterschenkel und zog diesen in die Höhe, faßte nach, um ihren Knöchel mit der verhaßten elektronischen Fußfessel zu ergreifen, und zog ihren Fuß zu sich auf seinen Schoß.

Überrascht ließ Magda Gangolfs >Handgreiflichkeit< geschehen, vollzog eine leichte Drehung nach links, ihre rechte Schulter kam jetzt auf der Fensterscheibe der Beifahrertür zu liegen. Genußvoll umfaßte Gangolf die gummierte Zehenkappe ihrer zerschlissenen Chucks und drückte den Fersenbereich zwischen seine Oberschenkel.
Magda erkannte sofort seine Absicht und drückte ihr Ferse auf seinem besten Teil auf und ab, während Gangolf ihre Zehen durch die Kappe hindurch zu massieren versuchte. Der immer stärker werdende Regen gab Gangolf die Rechtfertigung, ganz gemütlich hinter einem Lastauto herzufahren, ohne sich einem Überholstreß aussetzen zu müssen.

Gangolf freute sich, im ausreichenden Abstand zu den durch die Wassermassen leuchtenden Rücklichter mit gemächlichen 90 Kilometern die Stunde die Landschaft rechts und links der Autobahn zu betrachten, auch hin und wieder den Kopf zu Seite zu wenden, wobei er stets Magdas fortwährend strahlendes Gesicht gewahrte. Und er genoß natürlich die stimulierende Anwesenheit von Magdas Schuh.
- „Warst du schon einmal in Berlin?“ durchbrach Gangolf seine Sinnlichkeit. Magda antwortete nur mit einem mehrmaligen leichten Nicken, das er im rechten Augenwinkel gewahrte.
‚Was hab’ ich nur wieder für eine dämliche Frage gestellt’, überlegte sich Gangolf, ‚daß sie nicht antwortet, nur dieses stille Nicken, da stimmt also wieder was nicht.’

Gangolf vermied es, weiter nachzufragen; als es in eine leichte Linkskurve ging, griff er unbewußt mit seiner rechten Hand zum Lenkrad. Magda empfand das als Aufforderung, ihren Fuß zurückzuziehen. Sie konnte es freilich nicht verstehen, daß Gangolfs Handgriff lediglich dem sicheren Lenken durch die Kurve geschuldet war, umgekehrt vermutete Gangolf, daß Magda die Gelegenheit nutzen wollte, aus ihrer unbequemen Sitzhaltung herauszukommen, um wieder gerade im Sitz zu sitzen.

Der Regen ließ nach, Gangolf behielt seine rechte Hand am Lenkrad und leitete einen Überholvorgang ein. Sie näherten sich jetzt rasch der Hauptstadt, ohne Zuhilfenahme von Navigationsgeräten und sonstigen elektronischen Hilfsmitteln navigierte er sich mit seinem Gedächtnis nach Friedrichshain, kurvte noch ein paar Straßen herum, um schließlich auf dem Parkplatz eines großen Zweiradausstatters zu fahren.
Der Regen reduzierte sich freundlicherweise zu einem sanften Tröpfeln, Magdas und Gangolfs T-Shirts waren während der Autofahrt wieder einigermaßen getrocknet, sie wurden beim Verlassen des Fahrzeugs glücklicherweise nicht erneut naß. Beim Eintreten in die riesige Verkaufshalle wirkte Magda sichtlich erstaunt, Gangolf führte sie über breite Gänge zu der Verkaufsfläche mit endlos langen Reihen unterschiedlichster Motorradbekleidung.

Magda glaubte schon, bei der Yamaha-Werkstatt in Altenburg eine große Auswahl vorgefunden zu haben, doch war die Kollektion hier geradezu atemberaubend, das im wahrsten Sinne, denn das gegerbte und behandelte Leder verströmte hier seinen typischen Geruch.
Zielsicher steuerte Gangolf durch die Regalfronten, voll von bunten Helmen, Handschuhen und Stiefeln, hin zu den Lederkombis. Eine schier unglaubliche Vielzahl an Farben und Varianten schlug ihnen entgegen. Doch anstatt bei seiner Männergröße 98 stehen zu bleiben, zog er Magda weiter zu den Frauengrößen. Irritiert blickte sie ihn an, er entgegnete ihrem Blick mit der Frage:
- „Welche Größe hast du?“

Magda starrte ihn förmlich an, als ob er sie nach der Schuhgröße eines Mondkalbs gefragt hätte. Eine Verkäuferin gewahrte die beiden, sie war vielleicht wenige Jahre älter als Magda, hatte ein freundliches Gesicht, sie erkannte die Unschlüssigkeit der Kundschaft, kam herzu und lächelte Magda und Gangolf mit einem freundlichen „Hallo“ an. Gangolf ergriff das Wort:
„Wir wissen jetzt nicht, welche die Größe die richtige für sie wäre.“
Die Verkäuferin war sehr nett, sie hob nacheinander die schweren Kombis von der Stange, hielt sie an Magdas Schultern, um zu sehen, welche ihr am besten passen könnte. Magda war immer noch sprachlos, sie konnte es nicht begreifen, wie ihr geschah.
- „Da hinten sind die Kabinen“, sprach die Verkäuferin und zeigte in die entsprechende Richtung. Die Kombi schleppend ging sie voran, während Gangolf kurz davor war, die Magda zu schleppen, um sie endlich zu den Umkleiden zu bringen.
- „Jetzt mach’ schon“, drängte er sie, „die Verkäuferin hat auch noch andere Kunden, die auf sie warten.“

Mit geschicktem Schwung hing die Verkäuferin den Bügel mit der Motorradkombi an die umlaufende Stange vor der Kabine, an welcher auch der Vorhang befestigt war. Sie löste mit dem Taillenreißverschluß Ober- und Unterteil und legte letzteres in die Kabine. Immer noch verstört trat Magda ein, und die Verkäuferin zog mit einem raschelnden Geräusch den Vorhang zu.
Jetzt beeilte sich Magda, denn ihr wurde klar, daß es für Einwendungen zu spät war. Die Chucks hat sie in aller Eile einfach von den Füßen abgestreift, ohne erst die Bändel zu lösen. Auch ihre verbeulte Jeans landete achtlos in der Ecke, während sie bereits mit klopfenden Herzen zu dem Lederhaufen vor ihr griff und sich erst einmal orientieren mußte, wo hier überhaupt vorne und hinten, unten und oben war.

Als Magda wußte, woran sie war, flutschte sie behände in die mit gleitendem Futter versehene Hosenbeine; mit leicht rotem Kopf zog sie den Vorhang beiseite und lächelte Gangolf und Verkäuferin an. Diese prüfte mit fachfrauischem Blick die Situation, griff in Richtung Bund und fragte:
- „Darf ich?“
Magda nickte nur, wurde noch röter, es ging ihr irgendwie alles zu schnell, noch vor wenigen Minuten dachte sie nicht im Traum daran, jemals eine wie auch immer geartete Lederkleidung anzuprobieren, gar einen Motorradanzug. Die nette Verkäuferin führte ihren Finger in den Hosenbund aus kräftigen Elastan, das den Bund eng an die Taille schmiegte. Die Verkäuferin prüfte, ob der Zug angemessen war, weder zu locker, daß beim Gehen nicht sofort die Hose herunterrutschte, noch zu straff, daß es zu Einschnürungen kam.

Nachdem diese erste Vorprüfung erfolgreich bestanden war, bat die Verkäuferin Magda heraus und holte die Jacke vom Bügel. Sie half ihr in die Ärmelröhren, die Stretcheinsätze in den Armbeugen waren für Magda ganz ungewohnt, sie wollte schon abwehren, doch die Verkäuferin kannte das Problem mit den Mädels, die erstmals ausstaffiert werden sollten:
- „Einfach kräftig durchfahren mit der Hand.“
Nach einigem Hin- und Hergezerre steckte Magda in der Jacke, sie flötete etwas von zu eng, doch die Verkäuferin setzte ein verständnisvolles Lächeln auf und meinte:
- „Zieh’ den Reißverschluß nochmals auf, wir schließen erst `mal die Hose an.“
Magda verstand nur >Bahnhof<, erinnerte sich dann aber schnell, daß Jacke und Hose mit dem Taillenreißverschluß verbunden war zu einem einzigen Kleidungsstück. Die nette Verkäuferin ging in die Hocke, bog den Ledersaum der Jacke etwas in die Höhe und fädelte den Zipp ein. Dann versuchte sie, den Zipp zu verschieben, um den Reißverschluß zu verschließen, doch er klemmte.

- „Beug’ dich etwas nach vorn und zur Seite“, forderte sie Magda auf, „damit es nicht so spannt, dann geht es leichter mit dem zuziehen. Das Leder ist noch neu, es wird mit der Zeit geschmeidiger.“
Magda beugte sich, wie ihr geheißen wurde, und der Verkäuferin gelang es, eine handbreit den Reißverschluß zur Seite hin zu verschließen.
- „Jetzt leicht nach hinten beugen.“
Wieder konnte sie den Verschluß weiter bewegen, Magda verspürte schnell, daß jetzt der Verschluß auf der Höhe des Steißbeins angekommen war. Sie beugte sich jetzt ohne erneute Aufforderung weiter nach hinten rechts, dann ganz auf die rechte Seite, schließlich wieder leicht nach vorne.
- „Zu groß“, kommentierte die Verkäuferin sofort, „das dachte ich mir schon, Knie hängen auf die Waden, die Hände verschwinden in den Ärmeln.
- „Geh’ jetzt in die Hocke und streck’ die Arme nach vorn“, forderte die Verkäuferin auf. Die Händchen kamen jetzt zwar wieder zum Vorschein und die Kniee rutschten etwas weiter hinauf, insgesamt hing aber alles zu lapperig an Magdas schlanken Körper.
„Mindestens eine Nummer kleiner, das Leder dehnt sich ohnehin noch, es muß schon gut anliegen, daß da nichts flattert und so“.
Gangolf stimmte ihr zu. Magda konnte das gar nicht glauben, sie schwitzte jetzt schon in dem engen Anzug, und da sollte sie einen noch engeren probieren. Sie betrachtete sich in dem großen Spiegel, der an der Kabinenrückwand angebracht war. Mit Schreck gewahrte sie im Spiegelbild die elektronische Fußfessel, die leicht aus der Hose hervorlugte. Die Hose hatte genauso wie die Ärmel kurze Reißverschlüsse, damit das Leder sich auch an den engsten Körperstellen anschmiegte.

Mit hochrotem Kopf vollführte Magda das Falscheste, was sie machen konnte: Sie beugte sich jetzt nach links und starrte auf das Hosenbein. Von oben konnte sie ihr verhaßtes Ding nicht sehen, nur im Spiegelbild, doch die Verkäuferin wurde durch Magdas Verhalten auf die Fußfessel aufmerksam. Sie erkannte diese nicht gleich als solche, ging in die Hocke, um nachzusehen, was sich da so seltsam über dem Knöchel abhob.
Dann begriff die Verkäuferin schnell, um welches Teil es sich handelte, auch ihr stieg leicht die Röte in das Gesicht, sie erhob sich und meinte leicht irritiert:
- „Wir sollten auf jeden Fall eine Nummer kleiner probieren, dann kommt der Hosensaum jedenfalls höher über dem Knöchel zu liegen und dann drückt da nichts mehr.“
In dem Moment traten andere Kunden auf sie zu, die bereits länger im Hintergrund gewartet hatten. Gangolf erfaßte die Situation und sagte:
- „Vielen Dank für deine Hilfe, wir machen das schon allein, da warten schon andere.“
- „Ja gut, ruft einfach, dann komm’ ich wieder.“

Magda fiel ein Stein von ihrem Herzen, als sie mit Gangolf endlich allein vor der Kabine stand. Er sagte:
- „Ich hol’ dir jetzt eine Nummer kleiner, du kannst dich ja schon mal aus dieser herauszwängen, aber löse nicht den Taillenreißverschluß, sonst ist es schwierig, ihn dann wieder zusammenzubringen.“
- „Ich wart’ lieber auf dich“, meinte Magda und setzte sich auf den Hocker in der Kabine. Während Gangolf die nächstkleinere Kombi holte, beugte sich Magda noch einmal zur Seite, griff mit dem Arm nach unten und schob den Hosensaum nach oben, um die verfluchte Fessel betrachten zu können, als ob sie diese noch nie gesehen hätte. In dem Augenblick kam die nette Verkäuferin wieder herbei, nachdem sie die Fragen der anderen Kundschaft schnell beantworten konnte. Sie ging vor Magda in die Hocke und flüsterte neugierig:
- „Sag’ mal, darfst du mit der elektronischen Fessel überhaupt weit Motorrad fahren? Mein Freund hatte auch so eine, der durfte nicht aus dem Kiez heraus.“

Wieder errötete Magdas Gesicht in’s Unermeßliche, bevor Magda auch nur ansatzweise eine Antwort hätte stottern können, kam Gangolf heran, er erfaßte die Situation und klärte auf:
- „Das ist nur noch eine Attrappe, die wirkt nicht mehr, die haben wir ausgetrickst.“
Diese Erklärung war indes offenbar nicht geeignet, Magdas Röte zu mildern, die verständnisvolle Verkäuferin blickte nun Gangolf gar nicht mehr verständnisvoll an und fragte:
- „Geht so was?“
- „Eigentlich nicht, war sehr kompliziert.“
Wortlos griff sich die Verkäuferin an ihren eigenen Hosensaum, schob ihn in die Höhe und Gangolf erkannte das gleiche Modell der Fußfessel, wie sie Magda trug.
‚Nicht die auch noch’, stöhnte Gangolf im Geiste, ‚wo bin ich da bloß hineingeraten, hört das denn gar nicht mehr auf.’

Als ob die Verkäuferin Gedanken lesen konnte, sagte sie: „Egal, ich hab’ nur noch drei Wochen, dann bin ich frei, dann kommt die weg und ich hab’ schon ein Ziel, ich werd’ gleich nach Italien fahren, ich hab’ noch den ganzen Urlaub auch vom letzten Jahr.“
Gangolf atmete erleichtert auf, gemeinsam halfen sie Magda aus der Montur und wiederholten die Zeremonie mit der neuen Hülle. Nach und nach legte sich auch Magdas Nervosität, es tat ihr sichtbar gut, daß sie jetzt auch einer anderen fast gleichaltrigen Frau begegnete, die mit einer elektronischen Fußfessel ausgestattet war. Offenbar waren diese Fesseln bereits weiter verbreitet, als man das gemeinhin annehmen wollte.

Tatsächlich schien die neue Kombi in jeder Richtung gut zu passen; als Magda probeweise auf dem Hocker sitzend das linke Knie stark anwinkelte und damit die Sitzposition auf dem hohen Soziussitz der R1 simulierte, zog sich das Kniepolster genau an die richtige Stelle über das Knie und der Hosensaum rutschte über das lästige Kästchen der Fesselelektronik. Gangolf freute sich, indes hegte er im Geheimen die Sorge:
‚Jetzt haben wir nur noch das Problem dann bei den Stiefeln, da müssen wir sehen, daß wir welche finden, die da im Schaft weit genug sind und nicht drücken’.

- „Was für eine Maschine habt ihr denn?“, erkundigte sich die Verkäuferin.
- „R1“, gab Gangolf knapp zur Antwort.
- „Ah, dann sicherlich die blaue, da paßt die Kombi dann farblich auch ganz genau zu dem Motorrad, ich freue mich für euch.“
- „Kannst du uns auch noch für die anderen Sachen beraten?“, setzte Gangolf nach. Als die Verkäuferin ihn fragend ansah, ergänzte er:
- „Also wir brauchen für sie alles neu, und dann auch für mich, mein Zeug ist schon völlig abgeledert.“
- „Für die Helme da vorn ist ein Kollege zuständig, aber ich kann gern mitkommen, ist doch egal, ich bin übrigens die Birgit.“
- „Gangolf“, stellte er sich mit einer leichten Verbeugung vor, „und Magda“.

Magda war dabei, sich aus der Kombi zu schälen, was ihr indes nicht so leicht gelang, da sie in dem Umgang mit dem Taillenreißverschlusses noch nicht geübt war.
- „Laß’ ihn an“, rief Birgit ihr zu, „dann können wir besser Stiefel und Handschuhe anprobieren. Geht schon `mal vor, ich häng’ noch schnell die erste Kombi auf.“
Birgit war wieder hingebungsvoll bemüht, die richtigen Größen herauszufinden und holte geduldig die Teile von der Stange. Sie freute sich selbst, die beiden mit den neuen Sachen zu beglücken und sie freute sich natürlich auch auf den Bonus, den sie bekam, wenn sie mit den beiden auf diese Weise diesen maximal erzielbaren Umsatz für das Geschäft erzielte.

Nachdem beide komplett neu eingekleidet waren, im identischen Partnerlook, versteht sich, entledigten sie sich ihrer Lederhäute und schritten zu den Helmregalen. Sie gab dem dort zuständigen Kollegen einen Wink, daß sie übernähme, nachdem dieser ohnehin in mit einem anderen Kunden zu tun hatte.
Birgit riet den beiden zunächst zu einem Helm mit integrierter Sonnenschutzscheibe, die man durch einen Hebel herabdrücken konnte. Gangolf lehnte jedoch diese seit vielen Jahren bereits weit verbreitete Variante ab, da solchermaßen ausgestattete Helme deutlich schwerer waren. Überhaupt war für ihn das Gewicht kaufentscheidend neben den sonstigen höchstqualitativen Ansprüchen, die er beim Helmkauf stets geltend machte.

‚Was hilft ein Helm, wenn er im Ernstfall den Schlag nicht optimal dämpft’, war immer sein Reden, ‚oder wenn er so schwer ist, daß einem der Hals verspannt, oder daß das Visier nicht gut anliegt und Pfeifgeräusche erzeugt, oder wenn die Lüftung nicht klappt, daß man wegen des Hitzestaus im Stadtverkehr dauernd das Visier aufklappen muß, und, und, und’.
Birgit bemerkte schnell, daß der Preis bei Gangolf anscheinend keine Rolle spielte und so entschieden sie sich für Helme der oberen Preisklasse. Magda konnte es immer noch nicht richtig begreifen, was hier mit ihr geschah, doch schleppte sie zusammen mit den anderen beiden ihre Beute den weiten Weg zum Kassenbereich am Ausgang. Birgit führte dort ein kurzes Telephongespräch mit der Geschäftsleitung, sie einigten sich auf einen satten Preisrabatt für diesen Großeinkauf.
Der Kassier wunderte sich, daß Gangolf den mehrstelligen Tausender-Betrag in bar bezahlte, zusätzlich zu dem saftigen Rabatt erhielten die Neubekleideten jeweils ein blau-getöntes Wechselvisier und Lederpflegecreme gratis; Gangolf überlegte sich, ob dieses großherzige Entgegenkommen vielleicht auch damit zusammenhängen könnte, daß Birgit in Magda eine Ganoven-Kollegin wahrgenommen hatte.

Natürlich ahnte keiner der dreien, daß sich Gangolf einmal für Birgits preislichem Entgegenkommen auf eine ganz andere Weise bei jener bedanken würde.


Allen Lesern wünsche ich vergnügliche Stunden an den Festtagen, besonders jenen, die mich mit ihren Kommentaren folssom-folgsam auf dem Weg begleiten.
Die Geburt in einem Stall kommt mir vor wie eine SM-Story der besonderen Art; sie wird erst 33 Jahre später übertroffen...
65. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von folssom am 29.12.21 23:44

Wie wird Martina auf den Ausflug der beiden Turteltauben reagieren?

Wie wird Birgit in die Geschichte eingebunden?

Es bleibt spannend.

PS.
Wünsche dir ein schönes und gesundes neues Jahr.
66. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 31.12.21 19:12

In der Tat wird es wohl ein angespanntes Verhältnis geben, Eifersucht und Machtanspruch werden vermutlich deutlich hervorbrechen. Schauen wir, wie es im Neuen Jahr weitergehen wird, wie Gangolf inmitten seiner Mädels seinen Weg findet!
Vielen Dank für die Anmerkungen, sie zeigen mir, daß der Roman zumindest bei Dir, Sarah, anscheinend gut ankommt.




34

Wie an jedem Morgen schlich sich Magda bereits kurz nach Sonnenaufgang in die Küche, um das Frühstück vorzubereiten. Immer wenn sie dann Gangolf aufstehen hörte, drückte sie auf das Knöpfchen der bereits befüllten Kaffeemaschine und warf den Toaster an, auf dessen Ablagefläche sie zwei Semmeln legte, die sie am Vortag in Holzbuch gekauft hatte. Aus einem besonderen Grund hörte sie am heutigen Sonntag nicht, als Gangolf sich aus den Federn erhob.
Gangolf blinzelte aus den verschlafenen Augenwinkeln, er glaubte nicht richtig zu sehen, als er aus der Schlafzimmertür hinauslugte: Magda stand im Flur, komplett eingekleidet in ihre Motorradkombi, mit Handschuhen, Stiefeln und aufgesetztem Helm! Genießerisch betrachtete sie sich in dem großen Spiegel, sie strich mit den Handflächen über den Helm, klappte dabei das Visier zu, betastete anschließend ihre Brüste und beugte sich schließlich etwas nach vorne, um sich in den Schritt zu fassen.

'Da sage noch einmal einer, daß es keine Mondmenschen gäbe’, zitierte Gangolf im Geiste seinen Vater, und er freute sich riesig, daß Magda offensichtlich ihre neue Kleidung gefällt; mehr noch, er vermutete, daß die Lederkombi, in welcher sie steckte, im Verein mit Handschuhe, Stiefel und Helm einen geradezu erotischen Reiz in ihr auslöste. Er schlich sich heran und blieb hinter ihr stehen. Sofort gewahrte sie ihn im Spiegel und bewegte sich mit einem Ruck zu ihm herum.
Bevor Gangolf irgendwie reagieren konnte, hatte Magda ihn schon umarmt, und sie drückte die Vorderpartie des Helms an seine nackte, leicht behaarte Brust. Ihm kam die groteske Situation bekannt vor, vor einigen Wochen war es umgekehrt: Während er noch seinen Helm auf dem Kopf trug, kam Martina heran und küßte ihn auf das geschlossene Visier.

Nach Gangolfs Empfindung waren es endlose Minuten, wie sie so im Flur umarmt dastanden, bis Magda endlich von ihm abließ und an dem Kinnriemen herumfingerte, um den Helm ablegen zu können. Es gelang ihr nicht, ihre Fingerbewegungen wurden immer ruckhafter. Gangolf ergriff ihre Hände und begrüßte sie:
- "Guten Morgen, lieber Mondmensch, jetzt zieh' doch erst einmal deine schönen Handschuhe aus, dann wird alles leichter gehen."
Magda wurde indes noch nervöser, es gelang ihr nicht einmal, die Handschuhe abzustreifen.
- "Schau, zuerst das Klettbändchen da hinten lösen, dann kannst du sie von den Fingern ziehen", belehrte Gangolf sie. Als ihre zarten Händchen zum Vorschein kamen, nahm er ihr die Handschuhe ab und legte sie auf die kleine Kommode.
- "So, jetzt den Helm", fuhr er fort, nahm ihre rechte Hand und führte sie an den roten, etwa zwei Zentimeter langen Textilstreifen, der von dem Helmschloß herabragte.
- "Fühlst du den Textilstreifen da, an dem mußt du ziehen, dann geht das Schloß auf".

'Sie hätte das erst einmal üben sollen, bevor sie den Helm aufsetzt und verschließt', dachte sich Gangolf, anderseits war ihm klar, daß die Lust alle Vernunft zu besiegen in der Lage war.
'Wenn nur alle Schlösser so leicht aufspringen würden', dachte sich Magda, als es ihr tatsächlich mit einem kurzen Ruck gelang, das Kinnband zu öffnen. Sie nahm sich vor, mit Gangolf über ihr Problem zu sprechen, daß sie nun doch wieder einmal zu ihrer Herrin mußte, damit diese sie, wenn auch nur für kurze Zeit, von dem Keuschheitsgürtel befreite.

- "Willst du deinen Lederanzug nicht anbehalten", richtete Gangolf eine Frage, eher einen Wunsch, an Magda, "du schaust so bezaubernd in dem Leder aus und dann der Duft dazu, der Duft des Leders wird sich schnell verziehen, wenn wir ein paar Mal gefahren sind."
Magda himmelte ihn an und streckte sich, um ihm einen Kuß geben zu können. Sie erreichte jedoch nicht einmal sein Kinn, denn in den noch recht harten Motorradstiefeln gelang es ihr nicht so recht, sich auf die Zehenspitzen zu stellen. Gangolf beugte sich herab, um seinen Kuß abzuholen. Daraufhin verschwand Magda in die Küche, um endlich Kaffeemaschine, Toaster und Eierkocher in Gang zu setzen.

Als sie sich gemeinsam am Frühstückstisch niederließen, Magda in Lederanzug und Stiefeln, Gangolf barfuß in der Schlafanzughose, fragte er sie, wohin der erste Ausritt gehen sollte. Für sie war es das erste Mal, daß sie auf einem Motorrad mitfahren würde, auch Roller- oder Mopedfahren kannte sie nicht. Magda war jedes Ziel recht, sie kannte sich nicht im geringsten in der Gegend aus.
Gangolf fragte sie: "Darf ich dir eine persönliche Frage stellen?"
Im gleichen Augenblick, da er diese Worte ausgesprochen hatte, kam es ihm in den Sinn, daß praktisch alle Fragen an Magda persönlicher Natur waren.
- "Aber ja doch, immer", entgegnete Magda und sah ihn gespannt an.
- "Wo kommt du eigentlich her, der Sprache nach sprichst du ein akzentfreies Hochdeutsch, also ich kann dich überhaupt nicht einordnen."
- "Ach Gangi, ich komm' aus Berlin." Das war ihre knappe Antwort, und weil sie nichts weiter sagte, ließ es Gangolf damit bewenden. Ihm fiel ein, daß er sie am Vortag auf der Autofahrt gefragt hatte, ob sie schon einmal in Berlin gewesen sei, sie nickte nur als Antwort.
'Berlin", sinnierte Gangolf, 'und darüber will sie nicht sprechen, es muß da einen schlimmen Vorfall gegeben haben, wahrscheinlich der Grund für ihr ausgeprägtes devotes Verhalten'.

Gangolf erkundigte sich im Internet nach Gottesdiensten in der Gegend. Ein Besuch einer Kirche wäre ein lohnendes Ziel. Eigentlich wollte er endlich wieder in die katholische Kirche in Lüggen in der Hoffnung, dort die langhaarige Blonde zu treffen, die Krankenschwester Ramona, in die er sich etwas verliebt hatte. Doch dann sah er, daß um elf Uhr die Bettina in Schlepptsich predigen würde, und Magda war damit einverstanden, dort mit Gangolf in die Kirche zu gehen.
- "Macht das nichts aus, wenn wir da mit dem Motorrad-Klamotten im Gottesdienst sind?", fragte Magda besorgt.
- „Meinst du, daß der Heilige Geist dann nicht mehr in unsere Körper dringen kann?“, gab Gangolf schelmisch zur Antwort.
- „Also ich meine nur, die anderen Leute, was die meinen, wenn sie uns so sehen“.
- „Die anderen Leute, das ist dann deren Problem, wenn sie sich von unserer Erscheinung ablenken lassen.“

Gangolf kam auf ein anderes Thema zu sprechen: "Bevor wir losfahren, müssen wir das Leder gut eincremen", mahnte Gangolf, "es schaut heute nicht aus, daß es regnen wird", er warf einen prüfenden Blick aus dem Fenster und fuhr fort: "Im Gegenteil, es hat wohl gestern alles heruntergeregnet, es wird ein toller Tag heute, aber trotzdem müssen wir das Leder beim erstenmal jetzt eincremen."
Nun holte auch Gangolf seine neue Motorradkombi und schlüpfte hinein. Er fühlte sich sehr wohl in ihr, auch wenn sie wesentlich enger an seinem Leib zu liegen kam, oder vielleicht besser, weil sie enger seinen Körper umschlang und ihm damit den lustvollen Reiz des Eingewickel-seins verschaffte; beim aufrechten Stehen drückte sein Teil in der Mitte stark an das Leder, die Kombi war so geschnitten, daß sie beim Sitzen die beste Paßform hatte und nicht beim Stehen.
Magda und Gangolf rieben sich ausgiebig gegenseitig mit der speziellen Ledercreme ein, das Leder im Schritt behandelten sie besonders intensiv. Schließlich kamen auch noch die Handschuhe und Stiefel daran. Dann ging es los. Mit starkem Herzklopfen trat Magda in den Hof hinaus, Gangolf sperrte die Haustür ab und folgte ihr.

Nachdem Gangolf die Yamaha aus dem Stadel herausgeschoben und angelassen hatte, röchelte der leistungsstarke Motor mit ungleichmäßiger Leerlaufdrehzahl vor sich hin, als ob seine Seele zum Ausdruck bringen wollte: >Nun steigt schon endlich auf<.
Beide stülpten sich die Helme über, Gangolf kontrollierte, ob Magdas Kinnband richtig verschlossen war, weder zu lose, noch zu fest zugezurrt. Sie sogen genußvoll die Luft ein, das Futter verströmte einen eigenartigen Duft, welcher sich bereits nach kurzer Benutzungsdauer verflüchtigt haben wird. Als sie dann auch ihre Handschuhe übergestülpt hatten, näherte sich Magda dem vor sich hinröchelnden Motorrad, atmete nochmals tief durch und schickte sich an, aufzusteigen.
- "Halt", rief Gangolf, "zuerst ich. Das mag zwar unhöflich aussehen, aber erst muß ich sitzen, sonst kippt es um!"

Erschrocken wich Magda zurück, Gangolf erläuterte weiter: "Beim Absteigen ist es anders herum, da bist du dann die Erste."
Gangolf schwang sich auf seinen Sitz und gab mit einer leichten Kopfdrehung Magda das Zeichen, jetzt gleichfalls aufzusteigen. Er beließ dabei beide Hände an den Lenkergriffen, denn beim Aufsteigen des Mitfahrers mußte er das Motorrad fest im Griff behalten, um die ungleichmäßige Gewichtsbelastung während des Aufsteigens des Sozius', der Sozia, abzufangen. Doch Magda begriff das Zeichen nicht, so daß er rief:
"Nun komm', halt' dich an meinen Schultern fest und schwing' dein linkes, ah, dein rechtes Bein herum auf das Motorrad."

Dreimal hatte Gangolf bereits Mädels, die zum ersten Mal aufgestiegen waren und bei allen drei waren es die gleichen Schwierigkeiten, den hohen Soziussitz des Sportmotorrads zu erglimmen. Ihm kam es vor, daß Magda ganz besondere Schwierigkeiten hatte, das hehre Ziel zu erreichen, sie brachte zwar ihr rechtes Bein über den Sitz, zog sich aber nicht an Gangolfs Schultern hinauf, sondern versuchte, mit hüpfenden Bewegungen des linken Fußes empor zu kommen.
Gangolf schaltete den Motor ab und blökte aus dem die Stimme verstellenden Helm:
- "Zieh' dich mit aller Kraft mit den Händen an meinen Schultern hinauf, du kannst dich nicht mit den Füßen vom Boden abstemmen, der Sitz ist zu weit oben, die Füße werden nicht bis zum Boden kommen!"
Magdas Kopf brannte in dem Helmgehäuse, denn die bereits hoch am Himmel stehende Sonne sandte unbarmherzig ihre heißen Strahlen auf den Kampfplatz, Aufregung und Anstrengung heizten Magda zusätzlich ein. Endlich saß sie, wie vom Motorradkonstrukteur ausgedacht, hinter Gangolf oben auf, dieser drehte sich vorsichtig um und sah, daß ihre Beine fast durchgestreckt von ihren Hüften herunterhingen.

- "Du mußt die Kniee anwinkeln, bis deine Füße auf die Fußrasten kommen!"
Magda faßte all ihren Mut zusammen und wagte einen Widerspruch: "Aber dann stoßen sie ja an deine Beine!"
- "Das sollen sie auch, komm', hoch mit ihnen!", befahl Gangolf, und als Magda nun zögerlich das linke Knie heraufzog, ergriff er ihre Wade und drückte sie nach hinten, bis die Stiefelsohle auf der Raste zu liegen kam. Magda wagte es nicht, sich etwas herunterzubeugen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Sie konnte deshalb nicht sehen, wo die Fußrasten angebracht waren.
'Das geht ja gut los', dachte sich Gangolf, 'wie einfach war das mit der Martina, die ist mit einem affenartigem Schwung da hinten hinaufgeturnt und los ging's'.
- "So, jetzt das rechte Bein", drängte Gangolf.
- "Aber mein Knie ist ja so stark abgewinkelt, soll ich wirklich so sitzen?"
- "Ja klar, die Füße sitzen bei dieser Art von Motorrädern sehr hoch, komm', heb' ihn über den Auspuff!"

Nun wagte Magda doch einen kurzen Blick auf die rechte Seite hinunter und bemerkte erst jetzt, auf welcher Höhe die Fußrasten angebracht waren. Sie bekam leichte Panik, in dieser eingezwängten Haltung sitzen zu müssen. Auf der anderen Seite liebte sie jegliche Begrenzungen der Bewegungsfreiheit, solange sie nicht richtig schmerzhaft wurden.
- "Ja gut so", bekräftigte Gangolf sie, "und jetzt die Fersen noch weiter nach hinten, daß du nur mit den Zehen auf den Rasten bist, denn ich brauch' mit meinen Füßen mehr Platz nach hinten, wenn ich Schalten muß!"
Müßsam rutschte Magda die Stiefel noch weiter nach hinten, ihre Beine wurden dadurch noch weiter gekrümmt. Als diese Prozedur gemeistert worden war, drückte Gangolf ihre Kniee in seine Flanke und rief:
- "Stemm' die Knie in meine Seite, dann kannst du dich damit gut festklemmen, du kannst gar nicht herunterfallen. Und die Hände , damit hältst du dich ganz fest an mir umklammert vorne, dann kannst du nicht hinten herunterfallen."

Gangolf startete wieder den Motor, legte den ersten Gang ein und ließ die Kupplung ganz langsam kommen. Er drehte erst zwei Runden durch den geräumigen Hof, um zu prüfen, wie Magda das Fahren aufnehmen würde. Während der ersten Runde klammerte sie sich ganz fest an Gangolf, bei der zweiten Runde wurde sie lockerer. Gangolf steuerte auf den Feldweg hinaus, dort wurde es schwieriger, er wußte nicht, ob er den zahlreichen Schlaglöchern, so wie er es gewöhnlich machte, in engen Bögen ausweichen oder lieber ganz langsam in sie in Geradeausfahrt eintauchen sollte.
Irgendwie schafften sie es bis in die Siedlung. Als sie auf die durch den Ort führende Teerstraße gelangt waren, blieb Gangolf stehen und schaltete den Motor ab. Er wandte sich nach hinten um und quakte aus dem Helm:
- „Und wie is’ es, geht’s?“
Eigentlich eine dämliche Frage, dachte er sich sogleich, bislang kamen sie kaum über Schrittgeschwindigkeit hinaus, maximal erreichten sie langsames Fahrradtempo.
- „Ja“, war das einzige, was Magda herausbrachte.
Gangolf fiel ein, daß er vergessen hatte, die >ear plugs< zur Minderung der Fahr- und Motorgeräusche in die Ohren zu stecken. Somit rief er:
- „Steig’ noch `mal ab, ich hab’ die Wuserln für die Ohren vergessen!“
Magda begriff natürlich nicht im Geringsten, was Gangolf damit meinte. Vorsichtig nahm sie ihren rechten Fuß von der Raste. Doch so sehr sie auch ihr rechtes Bein durchstreckte, wollte es nicht gelingen, daß sie den Boden unter ihrem Fuß verspürte.
„Laß’ dich einfach herunterrutschen“, rief Gangolf, „und halt’ dich dabei an mir fest!“

Niel Armstrong betrat 51 Jahre zuvor als erster Mensch den Mond, Gangolf kam es vor, daß nun auch Magda den Mond beträte, so vorsichtig wie sie mit der Stiefelspitze das unbekannte Terrain ertastete. Endlich kam der rechte Fuß mit seiner gesamten Sohlenlänge auf dem Straßenrand zu stehen, doch die Operation Abstieg war damit noch lange nicht beendet.
Magda hüpfte auf dem rechten Fuß von dem Motorrad weg, um ihr linkes Bein über den Sitz zu bringen. Sie hatte alle Not, das Gleichgewicht dabei zu halten. Gangolf war von Natur aus zwar nicht ausgesprochen phlegmatisch, auf jeden Fall ziemlich geduldig, aber was er hier erlebte, ließ ihn dann doch leicht unruhig werden. Er klappte den Seitenständer aus und schwang sich nun ebenfalls aus dem Sattel.

Das Leder der Handschuhe hing recht fest um die Finger, erst nach Wochen würde es sich weiter dehnen, daß das Abziehen leichter ging. So fummelten beide ein paar Sekunden herum, bis ihre Hände befreit waren. Als Gangolf nun auch seinen Helm abnahm, machte es ihm Magda nach. Sie blickte ihn enttäuscht an, doch wagte sie nicht, ihn zu fragen, ob er wohl keine Lust hätte, mit ihr weiter zu fahren.
Gangolf fragte sie: „Also, wie geht es dir, willst du, daß wir dann auf der Straße weiterfahren?“
Magda lächelte und antwortete erleichtert: „Ja freilich, schön, danke, daß du das alles machst für mich.“
‚Schon wieder diese Dankesreigen’, dachte sich Gangolf, ‚wie geradezu selbstverständlich-fordernd war das mit der Martina. Aber klar, die ist die Herrin, jene die Sklavin.’
- „Ich hab’ die Ohr-Wuserln vergessen“, entgegnete Gangolf, öffnete den Jackenreißverschluß, holte aus der Innentasche zwei Packungen mit >ear plugs< heraus und riß die Plastikumhüllungen auf.
- „Schau, da sind diese, ja was sind das, wahrscheinlich so Schaumstoff, also die muß man so mit zwei Fingern zusammendrücken und rollen dabei, dann werden die ganz dünn und dann kann man sie weit in die Ohren drücken, dann hört man den Krach nicht so.“

Gangolf nahm einen Ohrstöpsel heraus und führte die beschriebene Handlung vor. Er führte das zusammengedrückte Stück in sein rechtes Ohr und reichte Magda einen weiteren Stöpsel. Entgeistert starrte Magda ihn an, sie verfiel in den Gedanken, was wohl noch alles für Vorbereitungen notwendig wären, bis das Motorradfahren endlich beginnen konnte.
‚Wie einfach ist dagegen das Radfahren’, kam ihr ihn den Sinn, ‚einfach aufsteigen und lostreten.’
Doch dann konzentrierte sie sich auf den Akt. Als sie beide Teile in ihre Ohren eingebracht hatte, fragte Gangolf nochmals nach ihrem Befinden. Erstaunt stellte Magda fest, daß sie fast noch genauso gut hörte wie zuvor. Doch bereits nach wenigen Sekunden entfaltete sich der Schaumstoff in den Ohren und schmiegte sich an den Gehörgängen. Die fernen Geräusche, die bislang von der Bundesstraße her zu vernehmen waren, konnte man plötzlich nicht mehr hören.

- „So, dann geht es los,“ bemerkte Gangolf, „ach, und noch was: Bitte steig’ immer von der linken Seite auf und ab, denn rechts ist der Auspuff, und der wird sehr heiß, also immer von links, und schwing’ dein rechtes Bein immer nach hinten herum, dann mußt du nicht so weghüpfen, nach hinten ist doch ewig Platz zum Herumschwingen!“
Magda nickte, und als Gangolf seinen Helm nahm, ergriff auch Magda den ihrigen und sie schlossen ihre Häupter in die Kugeln ein.

Magdas Aufstieg klappte nun schon wesentlich besser, ihre Stiefelspitzen fanden ohne Gangolfs Zutun die Fußrasten. Gangolf drehte sich nochmals um und rief mit lauter Stimme, denn die Ohrstöpsel zeigten Wirkung:
- „Also wann du was sagen willst während der Fahrt, dann stößt du mich kräftig an, denn ich werde dich nicht rufen hören, einverstanden?“
Magda nickte.
- „So und jetzt mach’ das Visier zu, denn während der Fahrt solltest du immer mit beiden Händen dich festhalten. Also bist du soweit?“
Nun krähte Magda ein „Ja“ aus ihrer Behausung und drückte das Visier zu. Gangolf konnte nur noch ihre Nase hinter dem bläulich getönten Plexiglas erahnen. Er wandte sich nach vorn, ließ den Motor an, legte den ersten Gang ein, was das Motorrad mit einem leichten Ruck quittierte. Auf der Teerstraße fuhr es sich wesentlich besser als zuvor über den holprigen Feldweg. Bevor sie auf die Bundesstraße einbogen, drehte er sich nochmals nach hinten, rief mit lauter Stimme, ob alles in Ordnung wäre, und Magda krähte ihr zustimmendes „Ja“.

‚Herr, laß wohl gelingen’, rief Gangolf mit den Worten des Psalmisten ein kurzes Stoßgebet zum Himmel; während Martina ihn damals befeuerte, einen wilden Ritt hinzulegen, spürte er bei Magda ganz deutlich die verkrampften Reaktionen ihrer Arm- und Beinmuskeln. Er beschleunigte sanft und bremste weit vorausschauend vorsichtig ab, allmählich wirkten Magdas Halte- und Klammerbewegungen entspannter und Gangolf wagte es erstmals, auf gerader Strecke Hundert zu fahren.
Gangolf kam es in den Sinn, nach ihrer Rückkehr Nachmittags oder am Abend mit Magda erstmals eine kurze Kajaktour zu unternehmen, vielleicht bist zur Insel, oder ein bißchen den kleinen Kanal auf und ab, bevor sie sich dann wieder endlos aneinander in die Nacht kuschelten.

Doch es sollte anders kommen.



Allen Lesern wünsche ich ein gutes neues Jahr; spannende Lektüre, Freude am Leben!
67. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von Ihr_joe am 01.01.22 19:17

Danke für die lieben Wünsche, für mich bleibt dann noch Dir und Deinen Lesern ein erfolgreiches 2022 zu wünschen.

Ihr_joe
68. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 07.01.22 19:35

Ja, schauen wir, was das Neue Jahr alles so mitsich bringen wird; ich lade ein zur ersten Fortsetzung des Jahres:


35


Gangolf hielt Magda die Kirchentüre auf, mit weit nach vorne gebeugtem Kopf spähte diese in den dunklen Vorraum des Seiteneingangs, als ob sie ihr Raumschiff verlassen hätte und einen ersten Schritt in das Weltall hinaus unternehmen müßte. Vorsichtig überschritt sie die Schwelle und Gangolf kam es in den Sinn, ob sie heute nicht nur zum ersten Mal Motorrad gefahren wäre, sondern vielleicht auch ein erstes Mal es wagte, den Fuß in eine Kirche zu setzen.

Tatsächlich wurden Magda und Gangolf in ihren Motorradkombis mißtrauisch beäugt, als sie in einer der hinteren Bankreihen Platz nahmen. Es lag in ihrer Natur, daß Magda im Kircheninneren Gangolf den Vortritt ließ; unsicher blickte sie sich um. Er dirigierte sie nach rechts in eine Bankreihe, doch sie zögerte und wollte ihn voraus lassen.
- „In der evangelischen Kirche ist es wie sonst im öffentlichen Leben, die Frau sitzt rechts, der Mann links neben ihr “, belehrte Gangolf sie. Vorsichtig tippelte Magda voran in die Bank, er drängte sie weiter, damit er bequem neben ihr Platz fände und nicht ganz am Rand sitzen müßte.

Als Pfarrerin Bettina während des Glockenläutens in das Kirchenschiff einzog und sich dann in die längs stehende Bank seitlich des Altars setzte, erkannte sie Magda und Gangolf am anderen Ende der Kirche nicht. Erst als sie sich nach dem Orgelvorspiel erhob, um die Gemeinde zu begrüßen, erblickte sie das Paar und spontan begrüßte sie speziell „alle Gäste, die heute außerhalb von unserer Gemeinde gekommen sind.“

Gangolf war die Vorab-Begrüßerei ansich schon zuwider und hier im Besonderen, denn prompt drehten sich einige der wenigen Gottesdienstbesucher um und richteten ihre neugierigen Blicke auf sie. Magda wurde durch diesen Umstand sehr verstört und auch Gangolf fand das irgendwie peinlich. Er dachte an die alte Liturgie, als die Begrüßung der Gemeinde erst nach dem Gloria erfolgte, vor dem ersten Gebet, sie bestand aus dem kurzen Zuruf des Geistlichen: „Der Herr sei mit euch!“

Als der Gottesdienst zu Ende war und das Orgelnachspiel verklungen, schritt Bettina auf ihren Stelzen-Schuhen zur Verabschiedung der Besucher zu dem südlichen Seitenausgang. Magda und Gangolf erhoben sich und gingen auf dem anderen Längsgang nach vorne zum Altar. Er wollte ihr die wenigen Kunstgegenschätze in der im einheitlichem hellen Stil gehaltenen Kirche zeigen. Das Altarbild zeigte das letzte Abendmahl, das Jesus mit seinen Jüngern vor der Kreuzigung gehalten hatte.
Leider war das zweite Gemälde nur von der Ferne zu sehen, eine Kreuzigungsdarstellung, mit Maria und Johannes unter dem Kreuz. Gangolf ärgerte sich, daß dieses Bild weit oben, unzugänglich durch einen abgesperrten Aufgang, ziemlich dem Auge des Gottesdienstbesuchers entrückt einsam vor sich hin verstaubte. Magda war entsetzt, als sie sah, wie realistisch die Kreuzigungsszene gemalt worden war, wie mit dicken Nägeln die Hände an den Balken genagelt waren.

Als Magda und Gangolf sich wieder umwandten, um die Kirche durch den Seiteneingang zu verlassen, hatte Bettina die letzten Besucher verabschiedet. Sie freute sich sehr, daß sie nun die beiden alleine vor sich hatte, besonders freute sie sich, daß es anscheinend Gangolf gelungen ist, Magda mitzunehmen:
- „Ach kommt doch mit zum Mittagessen, ich hab’ mich mit Martina verabredete vorne in der Brauerei, da kann man gut Essen, wißt ihr, wo das ist?“
- „Oder möchtest du gleich weiter fahren?“, wandte sich Gangolf jetzt direkt an Magda, denn er war sich nicht sicher, ob sie überhaupt mit Martina und Bettina Mittagessen wollte.
- „Nein, nein, ich komme gern mit, wenn du weist, wo das ist“.
- „Kann man gar nicht verfehlen, immer die Dorfstraße vor und wo die Straße dann abknickt, geradeaus weiter und da ist es dann schon“, erläuterte Bettina.
- „Ja, kenn’ ich“, entgegnete Gangolf, „also bis gleich dann!“

Magda und Gangolf beschlossen, zu Fuß zu dem Wirtshaus die Dorfstraße entlang zu gehen, es war gar nicht weit. Nun faßte Magda Mut und sagte:
- „Gangi, ich möchte dir was sagen“.
Doch statt etwas zu sagen, blickte sie ihn stumm an. Gangolf blieb stehen und forderte sie auf:
- „Nun red’ schon“.
Er nahm an, daß ihr das Motorradfahren vermutlich keinen richtigen Spaß machte, oder daß ihr der Gottesdienstbesuch befremdlich war, dann das schaurige Bild der Kreuzigung Jesu. Doch es war ganz etwas anderes, was Magda auf der Seele brannte:

- „Ich möchte wieder `mal zur Herrin, also ich möchte nicht so eigentlich, aber ich möchte, daß sie mir wieder `mal den Chasti aufmacht, daß ich mich wieder `mal ordentlich waschen kann da drin.“
- „Aber ja doch, da hab’ ich gar nicht mehr d’ran gedacht, verzeih’ bitte, aber sag, willst du denn das Ding dann wieder haben, was ist das für ein Tick, daß du den immer anhast?“
Aus Magdas Augen wich der Glanz, den sie bis zu diesem Zeitpunkt ausstrahlten. Sie antwortete nicht auf Gangolfs Frage, dieser fragte auch nicht nach. Es gab immer noch so viele dunkle Stellen in der Vita dieser Frau, so viele Geheimnisse, so viel Schmerz, der sich im Stillen in ihrer Seele vergrub. Gangolf fühlte sich immer mehr dazu berufen, die Abgründe ihrer Seele zu erforschen, um ihr endlich wieder, oder sollte es besser heißen, erstmals überhaupt, ein rundum glücklich-sorgloses Dasein zu bereiten;
‚ausgerechnet ich als Techniker, wo sind denn nun die Seelenklempner, wo die Frau Theologin, haben die alle versagt?’

Wenige Minuten später erreichten Magda und Gangolf die Schlee. Hier machte die Hauptstraße eine scharfe Kurve nach Norden, geradeaus befand sich die Brauerei mit dem Wirtshaus. Im Fluß paddelten zwei Kajaks und ein Kanadier. Verträumt blickten Magda und Gangolf zum Wasser hinunter, Gangolf spürte, daß Magda etwas sagen wollte, sich anscheinend aber, wie so oft, nicht traute.
Gangolf baute ihr eine Brücke: "Bist du schon einmal Kajak gefahren?"
Magda sah ihn an und antwortete knapp: "Nein, wie sollte ich denn."
- "Ja weiß ich nicht, hier gibt es viele Bootsverleihe, vor Jahren bin ich einmal mit dem Motorrad aus Bayern hierher gefahren und dann hab' ich mir Kajaks ausgeliehen, jetzt hab' ich mir selber welche gekauft, ich liebe das Paddeln so wie das Motorradfahren."
- "Ist das ein Kajak, wo die Leute da zusammen d'rinn sitzen, oder ist das so ein schmales Boot, wo nur einer d'rinn sitzt?", wollte Magda wissen.
- "Also letzteres, es gibt zwar auch Zweier-Kajaks, wo dann zwei solche Sitze hintereinander sind, aber ich hab' zwei Einer, denn ich meine, daß jeder für sich so paddeln soll, wie es im angenehm ist. Und meistens ist man ja ohnehin allein, ich zumindest."
- "Also hast du zwei Kajaks, ich hab die gesehen in der Scheune, wie du heut' früh dein Motorrad herausgeschoben hast."
- "Ja, zuerst hab' ich so ein normales gekauft, das rote, aber dann wollte ich ein schnelles haben, das ist das grüne."

Magda drehte sich zu ihm und umarmte ihn. Sie vergrub ihr Gesicht auf Gangolfs Brust. Er kam sich irgendwie schäbig vor, denn er hatte so viel im Überfluß, während Magda so wenig hatte, so wenig in ihrem Leben erlebt hatte. Gangolf streichelte sie auf dem Kopf und sagte:
- "Weißt du noch, als wir den Fernsehfilm angesehen haben, da hast du mich gerufen, wie die Kajakfahrer vorkamen und ich hab' dir versprochen, daß wir das auch einmal machen werden, und wenn du willst, können wir das heute Nachmittag oder am Abend probieren."
- "Oh ja, das ist ein toller Tag heute, daß ich so viel erleben darf mit dir".

Als Magda und Gangolf den Gastgarten des Wirtshauses betraten, erblickten sie tatsächlich Martina, die in der hintersten Ecke des Areals an einem großen Tisch Stellung bezogen hatte. Nachdem sie vor ihr standen, blickte diese leicht erschrocken auf und rief:
- "Ja aber hallo, ihr seid hier, war für eine Überraschung".
- "Die Bettina hat uns gesagt, daß ihr hier Mittagessen werdet und sie hat uns angeboten, daß wir uns zu euch gesellen", sprudelte es aus Gangolf heraus.
- "Eine gute Idee. Und ihr seid wohl ein Paar geworden, so vollkommen gleich angezogen in dem Leder, schaut gut aus."
- "Ein Paar sind wir deshalb noch lange nicht", entgegnete Gangolf, "aber ich brauchte dringend eine neue Kombi und dann hab' ich die Magda gleich mitgenommen, daß sie auch eine hat."

Martina schien guter Laune zu sein, sie war jedenfalls umgänglicher als bei den Zusammenkünften in Magdas Wohnung. Gangolf gelang es, Magda auf den Stuhl zu dirigieren, der Martina gegenüber stand. Er setzte sich rechts neben Magda, denn er wollte lieber Bettina als Gesprächspartnerin gegenüber haben. Diese kam nach kurzer Zeit, und die Kellnerin brachte die Getränke. Sie prosteten sich mit dem frisch gezapften Bier zu, nur Magda bestellte einfach nur ein Wasser.

Was dann geschah, verschlug Gangolf den Atem: Martina gab Magda ein stummes Zeichen, indem sie kaum sichtbar kurz ihren Kopf hob. Magda erkannte offensichtlich diesen Befehl, sie erhob sich, schob den Stuhl nach hinten, bückte sich unter den Tisch und verkroch sich darunter, so daß nur noch die Stiefelabsätze hervorlugten. Martina griff nach unten und rückte ganz nah an die Tischkante heran, damit man nicht sehen konnte, wie sie den zentralen Knopf und den Reißverschluß ihrer Hose öffnete. Gleich darauf waren leise, aber doch eindeutige Geräusche unter der Tischplatte zu hören.

Bettina schien von der Szene keine Notiz zu nehmen, zumindest konnte sie ihre Überraschung vollkommen überspielen. Sie sprach zu Gangolf in ihrem umgekümmerten Plauderton weiter, als ob sie Magdas Verschwinden unter den Tisch geradezu normal empfände. Gangolf kam aus dem Staunen nicht heraus, doch war das erst der Anfang ungewöhnlichen Verhaltens, er hätte in diesem Augenblick nicht gedacht, daß diese Handlung noch steigerungsfähig wäre.

Als die Kellnerin mit dem Essen kam, sah sie Magda unter dem Tisch knien. Sie fragte: „Kann ich Ihnen behilflich sein?“
Martina antwortete an ihrer Statt selbstsicher: „Nein, nein, alles in Ordnung, danke!“
Offenbar hatte sie diese Antwort schon öfter gegeben, für sie und wohl auch für Bettina war Magdas Dienst unter dem Tisch vollkommen normal.
Die Kellnerin ließ sich ihre Verwunderung nicht anmerken, wünschte >Guten Appetit< und ging zur Küche zurück. Wieder erhielt Magda ein stummes Zeichen, vermutlich einen Tritt von Martinas Fuß, denn sie kam mit leicht errötetem Gesicht wieder zum Vorschein; während Bettina und Gangolf warteten, bis Magda sich auf ihren Stuhl gesetzt hatte, begann Martina bereits mit dem Essen.

Bettina breitete ihre Hände nach rechts zu Martina und gerade über den Tisch zu Gangolf aus, dann machten es ihr Gangolf und Magda nach. Doch Magda war zögerlich, während sie sofort Gangolfs Hand ergriff, legte sie ihre linke Hand auf die Tischplatte in Richtung Martina. Endlich legte diese ihr Besteck zur Seite und ergriff nun auch die Hände von Magda und Bettina.

‚Was bist du nur für ein arrogantes Arschloch’, ergrimmte sich Gangolf im Gedanken, denn er wußte noch nicht, daß dieses überhebliche Verhalten zum Spiel von Macht und Unterwerfung gehörte, und er wußte natürlich erst recht nicht, daß dieses Spiel Magda eine für ihn unbegreifliche Freude bereitete. Gangolf wurde sich indes klar darüber, warum Magdas Hosen, die wenigen, die sie besaß, alle aufgerissene Stellen an den Knieen hatten; es mochte modern sein, sich mit absichtlich eingeri-senen Löchern in der Jeans zu geben, >used<, wie das nun schon seit Jahrzehnten neudeutsch in der Fachsprache hieß, aber bei ihr war das eindeutig auf das Knieen auf hartem Boden zurückzuführen.

Mit leichtem Wehmut dachte Gangolf an die nagelneue Motorradkombi; erst wenige Stunden getragen fürchtete er um deutliche Riefen an den Kniepolstern, denn der Boden des Gartens bestand aus spitzem Kies. Auch die Zehenkappen ihrer Lederstiefel würden wohl in Mitleidenschaft gezogen werden; Gangolf dachte mit Schaudern an die zerkratzten Gummikappen von Magdas Chucks, jetzt wußte er, warum diese gar so mitgenommen ausgesehen hatten.
Während des Essens kamen sie auf das Motorradfahren zu sprechen. Martina war neidisch, daß Gangolf der Magda eine hochwertige Lederkombi gekauft hatte, noch dazu im Partnerlook. Gangolf erzählte, daß er früher gern Ende September nach Italien an die Adria gefahren war, da um diese Zeit die meisten Urlauber wieder zuhause und dadurch die Strände angenehm frei waren. Zu seiner Überraschung schlug Martina ohne lang nachzudenken vor, mit ihm auf dem Motorrad dorthin zu fahren.

Gangolf gab zu bedenken, daß es doch recht weit sei und eine Tortur für die Sozia, auch konnten sie dann kaum Gepäck mitnehmen. Vor langer Zeit war Gangolf zwar einmal für ein Wochenende mit einer Sozia nach Österreich gefahren, mit hoch aufgepacktem Tankrucksack und einem schweren Rucksack auf ihrem Rücken, und dazu sogar noch hinter dem Soziussitz die Zeltrolle geschnallt, doch war das eine einmalige Ausnahme.
Nun mischte sich Bettina ein: „Ich könnte euer Gepäck doch im Auto mitnehmen“.
Überrascht blickte Gangolf auf; anscheinend war es für Bettina selbstverständlich, daß sie mitkäme, wenn Martina in den Urlaub fuhr.
- „Das wäre freilich eine tolle Idee“, begeisterte sich Gangolf, denn das Gepäckproblem war für ihn bereits als Solofahrer oft eine leidige Angelegenheit. Magda sagte natürlich zu alledem nichts, sie schwieg fast die gesamte Zeit über. Somit war es wieder Gangolf, der für sie das Wort ergriff:
- „Und jetzt, wo die Magda wieder frei ist, kommt sie natürlich mit, dann könnt ihr euch abwechseln beim Mitfahren und es wird nicht so anstrengend.“

Martina warf ihm einen verächtlichen Blick zu, sagte indes nichts darauf. Bettina holte ihr i-Pad hervor und tippte im Kalender herum:
- „Am 15. September hab’ ich noch einen Gottesdienst, dann könnten wir am Montag fahren, oder fahren wir dann gleich am Sonntag Nachmittag los, und für den 22. such’ ich eine Vertretung.“
Überraschend schnell waren sich alle einig, daß sie in zwei Wochen, am Sonntag Nachmittag für ein bis zwei Wochen aufbrechen würden; keiner der Anwesenden ahnte freilich, daß Bettina noch viel mehr Vertretungen bräuchte, daß sie so schnell nicht mehr predigen würde.

Bettina, Martina und Gangolf bestellten sich noch einen Kaffee, nur Magda lehnte ab. Gangolf wußte, daß sie gerne Kaffee trank und er vermutete, daß es wohl wieder zu ihrer devoten Art gehörte, als leidende Magd keinen Anspruch darauf zu haben. Er bestellte auch für sie eine Tasse, ohne zu wissen, daß diese Portion schließlich von der Herrin ausgetrunken würde.
Kaum standen die Tassen auf dem Tisch, gab Martina ein mysteriöses Zeichen mit dem Zeigefinger, indem sie ihn zweimal längs der Tischkante hin und her bewegte. Offenbar verstand Magda sofort auch dieses Zeichen, sie erhob sich und verschwand wieder unter dem Tisch. Dieses Mal lugten indes nicht die Stiefelabsätze hervor, sondern an der rechten Querseite gewahrte Gangolf Magdas Stiefelspitzen. Gleichzeitig rückten die Damen ihm gegenüber etwas von dem Tisch ab, ihm kam es vor, also ob sie ihre Knie leicht anhoben.

Nun konnte Gangolf seine Neugier nicht mehr bremsen, er beugte sich an der linken Seite, wo Magda gesessen hatte, unter den Tisch und traute seinen Augen nicht: Da lag Magda auf dem Rücken längs unter dem Tisch, Martinas Füße auf ihrem Unterleib, Bettinas auf ihren Oberschenkeln.
Während Bettina anständigerweise ihre Chucks davongeschleudert hatte, wie sie das damals in der Sakristei der Grausneger Kirche tat, und Magdas lederbewehrte Beine liebevoll mit den Söckchen betupfte, behielt Marina selbstverständlich ihre 10-Loch-Boots an, sie bohrte die Fersen auf Magdas Brust, welche schutzlos der Bearbeitung ausgeliefert war, denn Magda hatte, wie auch Gangolf, den Reißverschluß der Jacke aufgezogen.

Bettina war klar, daß ihr Handeln einer Erklärung bedurfte.
- „Weißt du“, hub sie an, „wir haben ihr nicht umsonst den Namen Magda gegeben, du kennst sicher die biblische Figur der Magdalena, die Dienerin des Herrn, die weinend unter dem Kreuz stand, oft auch als die Büßerin verstanden.“
Gangolf nickte nur, die Anspielung auf die heilige Magdalena war ihm von Anfang an klar und ihm wurde bewußt, daß er Magdas Verlangen nicht befriedigen konnte; vielleicht wäre er in der Lage, eine stabile kräftige Frau, wie Martina sie war oder zumindest sich gab, zu dominieren, möglicherweise auch noch Bettina, aber Magda, die Zerbrechlichkeit in Person, physisch und psychisch, nein, dazu könnte er sich nie hinreißen. Andererseits wurde im auch klar, daß Magda diese Unterwürfigkeit, diese Erniedrigungen wollte, sie geradezu begehrte.
Schnell kamen sie überein, daß Magda nun zumindest des Nachts wieder bei Martina bleiben sollte; Gangolf war das ganz recht, denn manchmal verzweifelte er an ihrem Zaudern, an ihrer Zurückhaltung, auf Dauer würde er nicht damit umgehen können. Er hoffte nur, daß man ihr nicht wieder starke Schmerzen bereitete, immerhin hatte Bettina diesbezüglich mit Martina ein ernstes mahnendes Wort gesprochen.

Gangolf drehte noch eine schnelle Runde, bevor er zurück zu seinem Hof fuhr. Er fühlte sich wohl, wieder einmal einen Abend für sich allein zu haben, so sehr er Magdas Anwesenheit schätzte; ihre Fürsorglichkeit und Hilfe in den Haushaltssachen war kaum zu überbieten. Nachdem er sich etwas entspannt hatte, schlappte er zum Stadel und holte sich sein rotes Kajak heraus, das breitere, langsamere. Er paddelte gemütlich aus dem Kanal in den See hinaus und ließ sich mit dem Wellenschlag leicht hin- und herschütteln.

‚Eigentlich sollte jetzt die Magda in diesem Kajak sitzen’, kam es ihm in den Sinn, er hatte ihr die Bootsfahrt versprochen.
‚Es wird die Zeit kommen’, dachte er sich weiter, ‚es muß nicht alles auf einmal geschehen’.
Dann war er im Gedanken bei dem geplanten Urlaub, der bereits in zwei Wochen beginnen sollte,
‚mit diesen drei Weibern’, schalt er sich selber, ‚wo bin ich da hineingeraten’.
So unvernünftig es war, sich mit ihnen einzulassen, so reizvoll, so lustvoll fieberte er bereits jetzt diesem Urlaub entgegen.

Doch zunächst galt es, den nächsten Tag zu meistern.


69. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von folssom am 09.01.22 01:33

Bella Italia wartet nun auf dieses außergewöhnliche Quartett.

Ich vermute, da werden wohl einige unerwartete Überraschungen auf Gangolf zukommen.
70. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 14.01.22 22:54



In der Tat bringt ein gemeinsamer Urlaub mit Bekannten, die man noch nicht so genau kennt, oftmals unliebsame Belastungen mitsich, und eine Motorradreise bedeutet immer erhöhtes Streßrisiko; in unserem Fall wird die Sache sicherlich noch komplizierter aufgrund der besonderen Neigungen der Beteiligten - bleiben wir gespannt, was in dem "Urlaub" alles geschehen wird!
Zunächst aber gibt es auch so, ganz ohne Urlaub, "Streß":




36


- "Brause hier, guten Tag, Herr Stumpf."
- "Guten Tag, Herr Kommissar."
- "Nichts Kommissar, wie geht es Ihnen, haben Sie ihren Sturz gut überstanden?"
- "Danke, geht wieder, bin fast vollkommen fit."
- "Sagen Sie, Herr Stumpf, wissen Sie, wo die arme Armdran ist?"
- "Äh - nein", antwortete Gangolf zögerlich, dabei hatte er nicht einmal gelogen, er wußte zwar, daß sie bei Martina war, aber ihm wurde erst durch Brauses Frage bewußt, noch nicht einmal zu wissen, wo Martina wohnte.
- "Ist sie nicht bei sich zu Hause in ihrer kleinen Wohnung?"
- "Nee, da war ich schon, sie macht nicht auf und an's Telephon geht sie auch nicht 'ran, darum hab' ich Sie jetzt angerufen, ob Sie was wüßten".
- "Nein, tut mir Leid, aber ich kann ja `mal Erkundigungen einholen, sie kann sich ja nicht weit bewegen."
- "Das Seltsame daran ist, daß die in der Überwachungszentrale behaupten, ihr Aufenthaltsort wäre auf den Meter genau in ihrer Wohnung."
- "Sehr seltsam."
- "Ja, also schauen Sie, daß Sie sie finden, ich hab' heute frei und wollte eigentlich zum Angeln hinausfahren, aber mein Chef wollte noch, daß ich die Armbrust spreche. Aber machen wir es so, wenn Sie sie gefunden haben, kommen Sie bitte mit ihr hierher auf die Wache, dann kann es ihr mein Chef selber sagen, einfach beim Dienststellenleiter Nisselpriem melden."
- „Aha, wie heißt der, Nisselpriem?“
- „Ja genau, paßt irgendwie zu ihm.“
- "Gut. Was macht das abgerissene Kabel von der Photovoltaik auf dem Dach ihrer Tochter?"
- "Ah ja, da war ein Kollege von Ihnen d'ran, der hat erst einmal einen Dachdecker kommen lassen, der hat das halbe Dach abgedeckt, zuerst auch ein Gerüst aufgestellt, also das war so teuer, daß wohl der ganze Gewinn mit dem Solarstrom wieder d'rauf ging dabei."
- "Ja, das ist bedauerlich, d'rum wollte ich eine einfache Reparatur machen ohne großen Aufwand. Nun ja, also wir kommen, sobald ich sie habe, viel Spaß beim Angeln."
- "Danke."

'Verdammt, was soll das bedeuten', überlegte sich Gangolf, 'immerhin war er nicht ärgerlich, wahrscheinlich reine Routine, wollte sich vergewissern, daß sie noch da ist.'
Gangolf wählte Martinas Nummer, prompt quäkte wieder die scheußliche Ansage des Anrufbeantworters. Zum ersten Mal war er entschlossen, ihr etwas daraufzusprechen und mit entrüsteter Stimme sprach er:
- "Also Martina, Spaß beiseite, jetzt ruf' gleich zurück, der Brause hat nämlich angerufen wegen der Magda, sein Chef will die dringend sehen!"
Tatsächlich rief Martina sofort zurück, in ihrer Stimme lag eine gewisse Verwunderung:
- "Ja, was machen wir da jetzt?"
- "Komm' mit ihr hergefahren."
- "Das geht nicht, ich bin in Berlin und muß jetzt gleich zu einer OP."

'Was für eine blöde Ausrede', dachte sich Gangolf, 'zu was für einer OP muß die wohl. Schön genug ist sie doch, mit einer OP kann sie nur häßlicher werden.'
- "Fahr' zur Tina, die hat 'nen Schlüssel für meine Wohnung, dann kannst du sie 'rausholen."
- "Hast du die Magda eingesperrt?"
- "Ja klar doch, bei mir ist die immer eingesperrt, die braucht das."
- "Hm, also du kannst wirklich nicht mit ihr herfahren?"
- "Nein, frühestens am Nachmittag, aber ich hab' heut' viele Termine hier."
- "Und wo wohnst du?"
- "Südprommenade 5"
- "Südprommenade 5, und in welcher Ortschaft prommenierst du da?"
- "Äh, das weißt du gar nicht? In Laukuv."
- "Nein, wußte ich nicht, ich weiß auch nicht, wo die Bettina wohnt, ist alles so geheimnisvoll mit euch, ich weiß nur, daß sie Pfarrerin ist."
- "Ich muß jetzt Schluß machen, also hol' dir den Schlüssel von ihr und hol' sie 'raus, kannst sie dann gleich bei dir behalten, hoffentlich muß sie nicht wieder einfahren."
- "Ja, das wär' schlimm, andererseits ist sie ja bei dir wohl in einem viel schlimmeren Gefängnis."

Grußlos beendete Martina das Gespräch und Gangolf kam sich wieder einmal vor wie der letzte Depp; es war auch kurios: Zuerst arrangierte er seine Technik-Bekannten, die sich daran machten, speziell für Magda einen fußfesselsimulierenden Sender zu bauen und jetzt muß er zu dieser seltsamen Pfarrerin, deren beste Freundin sich nie bei ihr im Gottesdienst blicken läßt, dort den Schlüssel abholen, nach Laukuv fahren, um Magda zu befreien und mit dieser zur Polizei zu fahren.
'Wo bin ich da nur hineingeraten', verfluchte sich Gangolf selbst, doch es gab kaum mehr ein zurück, er hing bereits viel zu tief mit im Dunstkreis der drei Frauen.

Glücklicherweise meldete sich Bettina am Telephon, ohne daß Gangolf lange Erklärungen auf den Anrufbeantworter hätte sprechen müssen.
- "Äh - ja, den Schlüssel, ja klar, jetzt wo können wir uns treffen, wo bist du gerade?"
- "Ja ich bin bei mir."
"Kannst du in's Pfarrhaus kommen, treffen wir uns am besten dort. Weißt du noch, wie du da hinkommst?"
- "Ja, ich glaub' schon, peinlich genug, es beim ersten Mal nicht gleich gefunden zu haben."
- "Schön, also bis etwa in einer halben Stunde."

Am liebsten wäre Gangolf mit dem Motorrad losgefahren, um Magda abzuholen. Ihren Helm hatte er ohnehin noch am Motorrad hängen und die Lederkombi hatte sie ja gestern Nachmittag an, als sie zu Martina abtransportiert worden war. Doch da er mit Magda von Laukuv gleich zur Polizei in Lüggen fahren wollte, zog er es vor, mit dem Auto zu fahren.
- "Gibt es Ärger, funktioniert der Sender nicht richtig?", wollte Bettina wissen, als sie ihm die Tür des Pfarrhauses in Lüggen öffnete.
- "Weiß' ich noch nicht", antwortete Gangolf wahrheitsgemäß, "aber den Ärger hab' jedenfalls ich, daß ich jetzt da nach Laukuv hinaus muß und die arme Magda dort herausholen, stell' dir vor, die Martina, die übertreibt doch wirklich, die hat die Magda bei sich eingesperrt."

Bettina antwortete einsilbig: "Hm."
Mehr konnte und wollte sie nicht dazu sagen.
- "Leider kann ich nicht mitkommen, hab' gleich wieder einen Termin. Und bitte bring' mir den Schlüssel wieder, oder gib' ihn hier im Büro ab, daß ich ihn heut' Abend wieder habe."
'Alle haben Termine, nur ich kann mir ja stets zu jedem Zeitpunkt freinehmen", grollte Gangolf in sich hinein, 'und wozu braucht die Pfarrerin so dringend den Schlüssel von der Martina, eine verrückte Weiberei, in welche ich da geraten bin.'

Als Gangolf an das Haus kam, wo Martina wohnte, traf ihn fast der Schlag: Auf dem Klingelschild erspähte er zwei Namen: Weiß – Litte.
‚So ist das also’, kam es Gangolf in den Sinn, ‚die lieben sich nicht nur, sondern wohnen auch zusammen und die ehrwürdige Frau Pfarrerin Bettina Litte ist demnach in allem eingeweiht, was mit der armen Magda alles geschieht. Deshalb hat sie nur mit einem knappen >hm< geantwortet, als ich sie gefragt habe, ob sie wüßte, daß Martina die Magda eingesperrt hat.’

Gangolf sperrte die Haustür auf und stieg in den zweiten Stock hinauf. Beim Hinaufsteigen steigerte sich mit jedem Schritt seine Erregung, was ihn in der Wohnung erwarten würde, wie er Magda vorfände. Der gleiche Schlüssel paßte für die Wohnungstür; nachdem er sie geöffnet hatte, betrat er den Flur der Dachgeschoßwohnung. Er machte die Tür hinter sich zu und rief nach Magda.

Eigentlich war ihm klar, daß dieses verängstigte Wesen sich nicht rühren würde und so rief Gangolf schließlich auch seinen Namen. Doch auch mit dieser Maßnahme gelang es nicht, Magda hinter dem Ofen hervor zu holen. Ihm blieb nichts anderes übrig, als die Zimmer zu betreten. Er fing mit dem ersten Zimmer an, dessen Tür links vom Gang abging, es war die Küche. Ein flüchtiger Blick genügte, um festzustellen, daß hier niemand war.

Auch in den darauffolgenden Räumen konnte Gangolf Magda nicht entdecken. Im Schlafzimmer der beiden lagen Bettinas megahohe Stiefeletten herum, aber auch andere High Heels lagen kreuz und quer vor dem einen Bett, weiter hinten lagen wilde Gewandhaufen. Auf der anderen Seite des Doppelbetts stand nichts herum, auf dem Nachtkästchen lag lediglich ein Buch. Er nahm an, daß auf dieser Seite Martina schlief, während auf der chaotischen Seite Bettina nächtigte. Kurz verspürte er den reizvollen Impuls, den breiten Schlafzimmerschrank zu öffnen, doch dann beherrschte er sich.

Zuletzt gelangte Gangolf in das Badezimmer. Auch dieses war leer.
‚Verdammt, wo ist sie nur’, fluchte Gangolf leise vor sich hin, ‚ist sie am End’ davon?’
Er schaute noch einmal in die Küche, ob Magda vielleicht unter dem Tisch festgebunden lag. Nichts. Dann inspizierte er nochmals auch alle anderen Zimmer ganz genau; frustriert ließ er sich längs auf das breite Doppelbett fallen.
‚Blöde Weiber.’
Gangolf sinnierte eine Weile und starrte auf die Decke. Ihm verging jegliche Lust, jedweder Nervenkitzel ist ihm entschwunden.
‚Wo kann man Menschen einsperren?’, überlegte er sich, ‚in den Filmen sind die Gefangenen entweder in alten Backsteinbau-Gefängnissen unter üblen Zuständen eingesperrt, oder in noch schlimmeren Verliesen, unter uralten Burggemäuern, in schaurigen Gewölben, in feuchten Kellern’.
- „Keller!“, rief er aus und gab sich einen Ruck, um dem Bett zu entfleuchen.
‚Doch warum hat die blöde Kuh nichts davon gesagt, daß sie die Magda im Keller eingesperrt hat? Oder in einem Dachbodenabteil? Oder gar in der Garage? Blöde Weiber.’

Gangolf entdeckte an dem Schlüsselbrettchen neben der Wohnungstür einen kleinen Ring mit mehreren Schlüsseln daran, einem größeren und einige kleine.
‚Da könnte der Kellerschlüssel dabei sein’, überlegte er sich und nahm sie zu sich.
Unten angekommen gelang es Gangolf indes nicht, die schwere Kellertür aus Metall aufzusperren. Selbst der große Schlüssel an dem Bund paßte nicht. Unschlüssig wandte er sich wieder um, und während er sich anschickte, die Treppe hinaufzusteigen, kam es ihm in den Sinn, daß vielleicht der Wohnungsschüssel sperrte, der auch für die Haustür paßte.

Tatsächlich konnte Gangolf mit dem Wohnungs- und Haustürschlüssel die Kellertür aufsperren; als er den Lichtschalter betätigte, fand er sich in einem typischen Kellergang wieder, zu dessen Seiten Öffnungen abgingen, die mit Lattenverschlägen verschlossen waren. Die meisten Verschläge waren innen mit Pappe oder ähnlichem Material abgedeckt, so daß man nicht in die dahinter liegenden Abteile blickten konnte.
Gangolf zählte acht Eingänge, alle mit großen Vorhängeschlössern abgesperrt. Er lauschte angestrengt, konnte indes keinen Laut vernehmen. Wieder rief er nach Magda, auch mit seinem Namen, doch er erhielt keine Antwort. Zwar vermeinte er, irgend ein schwaches Geräusch wahrzunehmen, doch konnte er nicht einmal die Richtung ausmachen, aus welchem es hätte stammen können.

Während Gangolf noch unschlüssig herum stand, ging das Licht aus und er stand plötzlich im Dunkeln. Irritiert tastete er sich zum Kellereingang zurück, bog am Ende des Gangs nach links und fand dort den Lichtschalter, dessen Tasterfläche mit einer Glimmlampe beleuchtet war.
‚Die haben aber die Zeit kurz eingestellt an dem Lichtautomaten’, knurrte Gangolf vor sich hin und schaltete wieder das Licht ein. Er beschloß, nacheinander die mitgebrachten Schlüsselein in die Vorhängeschlösser zu stecken, um auszuprobieren, welches Abteil zu der Wohnung von Martina und Bettina gehörte. Es ging nicht ganz schnell, die vielen kleinen Schlüssel der Reihe nach herzunehmen und in die Schlösser zu stecken. Er war gerade bei dem dritten Abteil, als wieder das Licht ausging.

- „Verdammt nochmal“, fluchte Gangolf ungehalten; in selben Augenblick vernahm er wieder ein Geräusch, dieses Mal deutlicher, ihm kam es vor, daß es aus dem Abteil stammte, vor dem er jetzt im Dunkeln stand. Es hatte etwas Schabendes ansich, er vermeinte, auch ein gedämpftes Murmeln zu vernehmen. Er wandte sich wieder dem Eingang zu, um erneut das Licht einzuschalten. Er erschrak nicht schlecht, als sich die Funsel von selbst wieder entzündete, und jetzt erst bemerkte er den Mann, der ihm in dem schmalen Gang entgegen kam.
Der Fremde betrachtete Gangolf mit großen Augen, indes wunderte sich jener nicht, daß dieser offenbar im Dunkeln vor ihm stand, denn bei der kurzen Einschaltdauer des Lichts mußte man zwangsläufig im Dunkeln aus dem Kellergang zum Eingang zurückkehren. Merkwürdig kam dem Mann allerdings vor, was Gangolf da unten zu suchen hätte, denn er hatte Gangolf natürlich noch nie gesehen, dieser war ein Fremder für ihn, und er wurde mißtrauisch.
- „Wer sind Sie?“, wollte er wissen, Gangolf stammelte: „Ein Bekannter der Martina, ich soll was holen.“
Der Fremde beäugte ihn weiterhin mißtrauisch, Gangolf eraßte die Situation und meinte:
- „Hier, sie hat mir ihren Wohnungsschlüssel gegeben, der sperrt auch die Kellertür“. Dabei zog Gangolf diesen aus der Hosentasche und zeigte in her. Sein gegenüber brummte etwas und sperrte das zweite Abteil auf. Gangolf zog es vor, den Keller erst einmal wieder zu verlassen, er konnte schlecht weiter herumprobieren, welches Schloß denn endlich passen würde.
Gangolf verließ das Haus und ging den Weg in die Richtung zu dem kleinen Parkplatz, wo er seinen Golf abgestellt hatte. Doch dann gewahrte er einen schwachen Lichtschimmer aus dem zweiten Fensterschacht und hörte auch Geräusche durch das gekippte Kellerfenster herauf.

‚Aha, da ist der Typ zugange’, überlegte Gangolf und blieb stehen. In diesem Moment hörte er, wie sich die Haustür hinter sich öffnete und zeitgleich kam ein Mann vom Parkplatz her auf den Gehweg zu dem Haus. Er fühlte sich in der Klemme und beschloß deshalb, ruhigen Schrittes weiterzugehen. Er nickte dem entgegenkommenden Mann zu, dieser betrachtete ihn kurz und nickte ebenso, bevor sie aneinander vorbeigingen.

Entnervt setzte sich Gangolf in sein Auto und wartete einige Minuten. Er sah, wie der Mann mit der Frau, die mit einem Kinderwagen aus dem Haus gekommen war, ein paar Worte wechselte. Gangolf wurde übersensibel, ihm kam es vor, daß sie über ihn sprachen, er vermeinte, Kopfbewegungen in seine Richtung wahrzunehmen.

‚Natürlich sprechen sie über mich’, überlegte sich Gangolf, ‚jeder, der nicht zu dem Haus gehörte und am hellichten Vormittag da herumging, war verdächtig.’
Als dann erneut die Haustür aufging und jener Mann heraustrat, dem er im Keller begegnet war, reichte es ihm endgültig. Tatsächlich gesellte sich auch dieser Hausbewohner zu den beiden und begann offensichtlich, ihnen beizupflichten. Gangolf verwünschte sich, er ließ den Motor an, stieß zurück und fuhr davon. Weiter entfernt auf der Straße fand er eine Parklücke.

Gangolf stellte den Sitz zurück, drehte die Rückenlehne ganz nach hinten und hob die Füße links und rechts vom Lenkrad auf das Armaturenbrett, die Fußspitzen gegen die Windschutzscheibe gedrückt. Er grübelte vor sich hin, ob das alles nur ein schlechter Scherz gewesen sei, ob die beiden Weiber ihn auf die Probe stellen wollten, ihm ihren Wohnungsschlüssel anvertrauten, ob er ihr Vertrauen mißbrauchte und in ihrer Wohnung herumschnüffeln würde, die Schubladen herauszöge, seiner Neugier freien Lauf ließe, während sie Magda ganz wo anders versteckt hielten.

Was er nicht in Erwägung gezogen hatte war die Möglichkeit, daß sich die Hausbewohner beim Ausparken sein Autokennzeichen notiert hatten.

Magda war zur gleichen Zeit vollkommen verzweifelt und dem Wahnsinn nahe, als sie Gangolfs Stimme gehört hatte, sie aber ihm nicht antworten konnte.









































71. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 21.01.22 21:53

37


Dienststellenleiter Nisselpriem platzte der Kragen: „Es ist jetzt 9 Uhr 37, wie lange sollen wir noch warten, wenn sie um zehn Uhr immer noch nicht telephonisch erreichbar ist oder mit diesem Stumpf hier auftaucht, dann lassen wir ihre Tür aufbrechen, ich steh’ schließlich in der Verantwortung, daß die überwachte Person tatsächlich auch anwesend ist im Überwachungsbereich.“
Brause meinte dagegen: „Der Überwachungsbereich wird jetzt noch viel größer, da wird es noch schwieriger, sie jederzeit zu erreichen, da kann sie dann sonst wo sein.“
- „Dann muß sie so ein verdammtes einfachen Handy akzeptieren, es überall hin mitzunehmen, wenn sie schon diese erweiterte Freiheit haben will. Und jetzt fahr’ endlich mit deinen Kumpels zum Fischen, Olaf, sonst brauchst du heute gleich gar nicht mehr los.“

Wie Nisselpriem voraussah, war Frau Armdran auch um zehn Uhr nicht erreichbar und sie ist auch nicht auf der Polizeiwache erschienen. Er wies die Streifenpolizisten Holger Meier und Katrin Mauser an, einen Türöffnungsdienst zu beauftragen, Magdas Wohnung zu öffnen und Magda zu ihm auf das Polizeirevier zu bringen. Meier rief verschiedene Öffnungsdienste an, der am frühesten Verfügbare versprach, bis halb elf an der besagten Wohnung zu sein.
Innerhalb kürzester Zeit gelang es dem Türöffnungsspezialisten, die Haustür zu öffnen. Diese war nicht abgesperrt, er mußte nur einen zu einem Haken gebogenen Draht in den Türdichtgummi einführen und etwas hin- und herdrehen, um den abgeschrägten Riegel zu erwischen und diesen zurückdrücken. Magdas Wohnungstür war indes abgesperrt; während die alten sogenannten Sicherheitsschlösser mit speziellen Haken nach minutenlangem Herumstochern geknackt werden konnten, war das mit den Schlössern des neuersten Typs völlig ausgeschlossen.
Der Spezialist bemühte sich gar nicht erst, sondern bohrte das Schloß auf. Auch das war keine einfache Arbeit, er mußte spezielle Hartmetallbohrer zum Einsatz bringen, bis er endlich an den Verriegelungszapfen kam. Die beiden Polizisten quittierten den erfolgreichen Aufbruch und betraten Magdas kleine Wohnung. Sie brauchten nicht lange, um sich zu überzeugen, daß dort niemand anwesend war. Zurück im Streifenwagen meldeten sie sich bei Nisselpriem, der etwas von einem Fahndungsaufruf sprach. Doch zuvor sollten sie jetzt sofort nach Laukuv fahren zu den beiden Kolleginnen im Laukuver Rathaus, denen wurde ein Einbrecher gemeldet, der auf frischer Tat erwischt worden sei, sich zwar vom Tatort entfernte, indes wurde das Kennzeichen des Fahrzeugs notiert.

In der kleinen Polizeidienststelle im Laukuver Rathaus erläuterte die dort diensthabende Polizistin ihren Kollegen aus Lüggen, daß nach einem grünen Golf Kombi gesucht würde, der Fahrzeughalter und vermutlich damit auch der Fahrer wurde dank des bekannten Autokennzeichens als Gangolf Stumpf identifiziert.
- „Bitte fahrt doch gleich `mal in die Wohnanlage dort, Südprommenade 5, ich ruf’ derweil die Zeugen an, daß sie gleich hinauskämen und unten auf euch warten.“
Alle drei Polizeibeamten waren sich einig, daß der Einbrecher vermutlich hätte rasch ergriffen werden können, wenn es in Laukuv eine personell stärker besetzte Dienststelle gegeben hätte, aber die allein Diensthabende konnte ihren Posten nicht verlassen und war angehalten, für solche Vorkommnisse die Kollegen aus Lüggen zu rufen.

Gangolf schreckte aus seinem Dösen empor, und sein Schreck wurde nicht gelindert, als er nach dem Klopfen auf die Fensterscheibe zwei Polizistengesichter wahrnahm, die ihn verdutzt anglotzten. Hurtig zog er seine Beine zurück und öffnete die Fensterscheibe.
- „Was machen Sie hier?“ raunzte ihn Meier an.
- „Ich meditiere“, gab Gangolf äußerlich gelassen zur Antwort. Innerlich liefen seine Gedankenströme auf Hochtouren: Sofort wurde ihm klar, daß die Polizisten wegen seines Aufenthalts in dem Keller gerufen wurden und diese ihn hier im parkenden Auto fanden. Sollte er seinen Aufenthalt in dem Keller des Wohnhauses von Martina und Bettina leugnen? Mindestens ein Zeuge würde ihn ganz sicher erkennen, vermutlich auch die anderen beiden.

Viel Zeit blieb Gangolf nicht, die Polizistin Mauser gab spitz zurück: „Meditieren Sie immer nach einem Einbruch?“
- „Äh – was?“ gab Gangolf zurück und hoffte, sich dumm stellend Zeit zu gewinnen, Zeit, die er dringend benötigte, um sich eine Strategie zurecht zu legen.
- „Steigen Sie aus“, nötigte ihn Meier, „und zeigen Sie Führerschein und Fahrzeugpapiere her.“
‚Vielleicht begnügen sie sich doch nur mit einer Fahrzeugkontrolle’, hoffte Gangolf, immerhin hatte er ja nichts Verdächtiges in seinem Auto.
Nachdem er die verlangten Dokumente ausgehändigt hatte, befahl ihn Meier:
- „So, jetzt sperren Sie ihr Fahrzeug ab und kommen mit uns.“
- „Nein, das geht jetzt nicht, ich muß jetzt los, ist es denn verboten, im korrekt geparkten Auto kurz zu meditieren?“, entgegnete Gangolf.
- „Es ist durchaus verboten, einen Einbruch zu begehen, Herr Stumpf, jetzt sperren Sie schon ab“, wiederholte sich Meier.

Gangolf stand weiter zögerlich da, unschlüssig, wie er sich verhalten sollte. Die Entscheidung wurde ihm abgenommen.
- „Katrin, leg’ ihm Handschellen an“, forderte Meier seine Kollegin auf, im gleichen Augenblick drückte er Gangolfs Arme hinter den Rücken, die kesse Polizistin Mauser holte die Schellen aus der Gürteltasche und fesselte damit Gangolfs Hände.
Die Situation war grotesk: Erstmals wurden Gangolf Handschellen angelegt, nicht von Freunden, in einem Spiel aus Spaß, sondern im vollen Ernst, von einer jungen Polizistin, die ihn mit schnippischer spitzer Zunge anschnauzte. Prompt verspürte Gangolf sein Lustorgan anschwellen, obwohl er wußte, daß die Lage für ihn sehr unangenehm ausgehen könnte.
Meier dirigierte ihn auf die Rückbank des Streifenwagens, es war für Gangolf nicht einfach, hinten einzusteigen mit auf den auf den Rücken gefesselten Händen. Als er saß, schlug Mauser die Tür zu und Meier stieg von der anderen Seite ein, um sich neben Gangolf zu setzen. Als jener seine Türe zugezogen hatte, stieg sie vorne ein und fuhr los.

Mit Schrecken erkannte Gangolf, daß sie nicht Richtung Innenstadt fuhren, sondern zurück zu der Wohnanlage. Fieberhaft grübelte er nach einer Lösung. Das einfachste wäre es gewesen, mit dem Schlüssel in den Keller hinunter zu spazieren und zu verkünden, daß er für Frau Litte etwas holen sollte. Schließlich hatte er ja von ihr den Schlüssel bekommen. Doch würde es unglaubwürdig klingen, wenn er nicht einmal wußte, welches Kellerabteil seiner Bekannten gehörte.

Gangolf wollte unter allen Umständen vermeiden, daß nun die Hausbewohner ihn das Abteil von Weiß und Litte zeigten; freilich wäre das die Entlastung für ihn gewesen, wenn er hurtig die Schlüsselchen des Bundes aus der Tasche zöge und diese ihn als rechtmäßigen Besucher des Kellerabteils auswiesen. Doch was, wenn sie dann Magda streng gefesselt und geknebelt dort fänden?
Es gäbe endlose Verhöre, Freiheitsberaubung war ein schweres Delikt, vermutlich würden die Kriminaler aus Wuselhausen hinzugezogen, schwirrte es Gangolf durch den Kopf. Er konnte sich nicht sicher sein, daß Magda glaubwürdig beteuerte, es wäre alles nur ein Spiel. Sie war ja ohnehin stets eingeschüchtert und dann erst beim Anblick der Polizisten und der Hausbewohner; nein, dieses Zusammentreffen mußte Gangolf unbedingt vermeiden.

Dann wäre noch die Wohnung. Doch was wäre, wenn die Polizisten darauf bestünden, sofort in den Keller zu gehen, um ihnen zu zeigen, was er da holen sollte. Und in der Wohnung, was sollte er ihnen dort zeigen? Siedend heiß fiel ihm ein, daß Magda auch in dem großen Schlafzimmerschrank versteckt sein könnte. Er könnte sich selbst ohrfeigen, ihn nicht geöffnet zu haben, er wollte anständig bleiben und nicht in den intimen Sachen herumschnüffeln, aber vielleicht haben es die zwei Freiheitsberauberinnen geradezu selbstverständlich angenommen, daß er dort als ersten nachsehen würde.

- „Ja, der war’s“, riefen die drei Zeugen vor dem Haus im Chor, als Gangolf aus dem Streifenwagen herausgezerrt wurde. Mittlerweile waren weitere Hausbewohner zu den Wartenden hinzugetreten. Gangolf faßte einen Entschluß und es sollte sich herausstellen, daß dieser für ihn zwar zunächst nachteilig war, die Gesamtsituation für alle anderen Beteiligten aber retten konnte.
- „Ich verweigere hier vor den Leuten jegliche Aussage und werde auch das Haus nicht betreten, auch wenn ich dazu berechtigt wäre.“
- „Wie sind Sie hineingekommen?“, wollte Meier wissen.
- „Ich hab’ den Schlüssel von Frau Litte gekriegt“, antwortete Gangolf wahrheitsgemäß.
- „Na dann sperren Sie mal auf“, forderte Mauer ihn auf.
- „Geht nicht,“ zickte Gangolf zurück.
- „Was heißt >geht nicht<, haben Sie nun einen Schlüssel für das Haus oder haben Sie nicht?“ ereiferte sich die junge Polizistin.
- „Mit auf den Rücken gefesselten Händen, hä?“, raunzte Gangolf zurück.
- „Mach’ im die Schellen ab“, forderte Meier sie auf. Sie kam der Aufforderung nach, und als Gangolf keine Anstalten unternahm, zur Haustür zu treten, obwohl die Menschenansammlung ihm den Weg freimachte, geiferte sie ihn an:
- „Also was ist jetzt?“
- „Ich geh’ da nicht hinein, wie ich schon sagte, und ich verweigere auch jede Aussage“, wiederholte sich Gangolf.

Entnervt fauchte Meier: „Leg’ ihm die Schellen wieder an und dann Abmarsch in die Zelle, der will es nicht anders.“
- „Einverstanden“, entgegnete Gangolf und hielt artig seine Hände auf den Rücken. Kopfschüttelnd verfrachteten die beiden Polizisten ihn wieder in das Polizeiauto und fuhren zum Revier nach Lüggen.

- „Warum verweigern Sie sich“, wandte sich der neben ihm sitzende Meier an ihn, „wenn Sie wirklich den Schlüssel von der Hausbewohnerin bekamen, dann hätte sich doch jetzt alles aufklären lassen.“
- „Ach, wenn Sie wüßten“, äußerte sich Gangolf, „das ist alles nicht so einfach, aber ich bin froh, daß wir jetzt erst einmal von hier fort kommen, in Lüggen könnten Sie dann bitte Frau Litte verständigen, die wird alles aufklären können.“

‚Ein seltsamer Vogel’, dachten sich die beiden Polizisten, ‚vor den Zeugen seines Einbruchs oder seines Einbruchversuchs oder gar seines rechtmäßigen Eintretens in den Keller verweigert er sich total und jetzt schlägt er vor, diese Litte hinzuzurufen.’

Auf dem Revier in Lüggen wurde Gangolf sofort in ein Vernehmungszimmer gebracht. Gangolf setzte sich in dem kahlen kleinen Raum, während Meier an der Tür stehen blieb. Nach wenigen Minuten kam Dienststellenleiter Nisselpriem herein. Gangolf erhob sich, er erwartete, daß Nisselpriem ihm die Hand reichte, doch als dieser keine diesbezüglichen Anstalten erkennen ließ, sondern nur ein kurzes: „Guten Tag, setzen Sie sich wieder“ als Gruß von sich gab, grüßte Gangolf mit einer leichten Verbeugung und stellte sich vor:
- „Gangolf Stumpf“.

Als Nisselpriem den Namen hörte, erinnerte er sich an Wachtmeister Brauses Worte, daß ein gewisser Stumpf mit der verschollenen Marlies Armdran befreundet oder doch zumindest gut bekannt war und daß jener versprach, diese ausfindig zu machen und mit ihr auf das Revier zu kommen.
- „Ah, sind Sie nicht der Bekannte von Frau Armdran?“, wandte sich Nisselpriem an ihn.
- „Ja, ich kenne sie und ich hab’ Herrn Brause versprochen, nach ihr zu suchen, doch ich wurde bei meinen Überlegungen unterbrochen, wo sie sein könnte.“

Nisselpriem war hin- und hergerissen, ob er nun mit der offiziellen Vernehmung beginnen, oder ob er lieber mit Gangolf über Magda sprechen sollte. Gangolf kam Nisselpriem zuvor:
- „Ich möchte Sie bitten, Frau Bettina Litte, Pfarrerin an der hiesigen Paul Gerhard-Kirche zu verständigen, die mir ihren Schlüssel gab, um zu ihrer Wohnung nach Laukuv zu fahren.“
- „Was haben Sie denn dort gemacht oder was sollten Sie dort machen oder holen?“, wollte Nisselpriem wissen.
- „Ich will das jetzt nicht sagen, das muß ich auch nicht, ich bin rechtmäßig in das Haus hineingegangen und bin keiner Rechenschaft schuldig, was ich in der Wohnung oder in dem Kellerabteil der beiden Damen gemacht habe.“
- „So einfach ist das nicht, Herr Stumpf, Sie bleiben also dabei, den Schlüssel, aus welchem Grund auch immer, von Frau Litte bekommen zu haben?“
- „Ja sicher, das hab’ ich auch ihren Kollegen vor Ort schon gesagt, aber ich geh’ doch dort nicht in das Haus hinein, die Leute dort lynchen mich doch, gefesselt in Handschellen.“

Gangolf kam richtig in Fahrt und ehe er sich weiter hineinsteigerte, hob Nisselpriem die Hand und sagte:
- „Wir werden das überprüfen“.
Nisselpriem verließ den Vernehmungsraum, Gangolf war mit Meier wieder allein. Nach einigen Minuten kam er wieder zurück, dieses Mal in Begleitung von der jungen Polizistin Katrin. Er sagte:
- „Frau Litte kann erst in zwei bis drei Stunden hier sein, also ich schlage vor, Sie fahren nochmals hinaus nach Laukuv und zeigen meinen beiden Kollegen und Kolleginnen, was Sie da in der Wohnung oder im Keller gesucht haben und für Frau Litte holen wollten; die Hausbewohner sind jetzt wohl nicht mehr da im Weg, wenn Sie sich da irgendwie geschämt haben.“

- „Nein, das werde ich nicht tun, ich möchte das Haus nicht mehr betreten und werde es auch nicht mehr tun. Sperren Sie mich lieber hier ein, bis Frau Litte oder auch Frau Weiß, die auch dort wohnt, bezeugt, daß ich rechtmäßig ihren Schlüssel habe und deshalb dort auch in das Haus hineingehen durfte.“
- „Herr Stumpf“, versuchte es Nisselpriem nochmals, „seien Sie doch vernünftig, lassen Sie uns das abkürzen und helfen Sie uns lieber, Frau Armdran zu finden. Haben Sie eine Idee, wo sie sein könnte?“
- „Natürlich hab’ ich Ideen, aber ich werde sie lieber allein suchen, ich möchte jetzt nicht auch noch hier in Lüggen mit ihren uniformierten Kollegen auffallen. Es ist schlimm genug, daß ich mich in meinem Wohnort, in Wesserbarg, nicht mehr blicken lassen kann, als die Kriminaler aus Wuselhausen und ihre Leute, Brause voran, tagelang meine Bude auf den Kopf stellten.“

Nisselpriem äußerte sein Bedauern über die damaligen Vorfälle, ihm blieb es indes unverständlich, warum Gangolf sich so stur weigerte, Littes Haus nochmals zu betreten. Schließlich verständigten sie sich tatsächlich darauf, Gangolf in der Polizeizelle warten zu lassen, bis Litte erscheinen würde.

Gangolf fiel ein Stein von Herzen, als er endlich für sich allein in der Zelle war; in der Abgeschiedenheit des vergitterten Kellerraums konnte er sich eine Strategie zurechtlegen, wie er und alle an Magdas Verschwinden Beteiligte aus der Affäre ungeschoren herauskämen.
Nie hatte Gangolf Latein gelernt und er war froh, daß dieser Kelch an ihm vorüber ging. Seine Großmutter kannte noch viele Teile der lateinischen Messe, wie sie vor dem zweiten Vatikanischen Konzil in der katholischen Kirche gefeiert wurde. Beiläufig hat die Großmutter ihm immer wieder die lateinischen Texte vorgesprochen, die zauberformelhaften Wendungen faszinierten ihn von Jugend an.

Gangolf hätte sich in seinen Kindertagen natürlich nicht im geringsten vorstellen könnten, daß er einmal in die Situation käme, sich auf jene Sprache zu besinnen, um mit ihrer Hilfe eine geheime Botschaft zu verkünden.

Nun mußte nur noch Bettina mitspielen, hoffentlich war sie geistesgegenwärtig genug.



























































72. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von folssom am 28.01.22 01:07

Gangolf scheint wohl die besondere Gabe zu haben, um von einem Problem möglichst schnell zum nächsten zu gelangen.
73. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 29.01.22 05:36

Das empfinde ich auch so; dabei hatte er bislang ein beneidenswert-sorgenfreies Leben!
Doch nicht nur Gangolf hatte ein Problem, Magdas war noch wesentlich größer:




38


- „Gangolf, Gangolf“, quakte sie in den Knebel, voller Verzweiflung, am Ende ihrer Kräfte. Sie wußte zwar genau, daß der dicke Silikonball in ihrem Mund alle Laute zu einem leisen dumpfen Grunzen herabwürdigte, doch sie rief es immer wieder:
- „Gangolf, Gangolf“.

Sie hatte ihn zweifelsfrei rufen hören, nach ihr, hat den Namen gehört, den ihre Herrin ihr gegeben hatte, trotz der Schaumstoffkügelchen, die man ihr in die Ohren gesteckt hat. Glücklicherweise hat man den Schaumstoff nicht fest zusammengedrückt, bevor man ihn in ihr Ohr gedrückt hatte, so daß er nicht tief im Gehörgang zu liegen kam; auf diese Weise konnte sie, wenn auch verzerrt, Geräusche wahrnehmen, und eben auch Stimmen.
Doch gab es keine weiteren Stimmen. Nur den einen kurzen Satz hat sie vernommen, sie hat ihn in ihrem Ohr behalten, als hätte sie niemals zuvor etwas anderes gehört:
- „Magda, bist du da, ich bin’s, Gangolf.“

Dann wurde es wieder vollkommen still um sie herum. Um sie herum war eine enge Holzkiste, eine alte Kartoffelkiste. Zwischen den Brettern gab es Ritzen und auch einige Astlöcher. Fahl schimmerte das Licht durch diese schmalen Aussparungen. Es war nicht als Licht zu bezeichnen. Es war nur ein Schimmer.
Ihre Augen haben sich an die Dunkelheit gewöhnt. Als der Deckel geschlossen wurde, meinte sie, in der absoluten Finsternis zu sitzen. Doch nach und nach erhellte sich der Innenraum der Kiste. Als erstes konnte sie ihre Füße wahrnehmen. Bräunlich erahnte sie die Konturen der Fußoberseiten, die Zehen waren besser zu erkennen.
Sie spürte das ungehobelte Holz unter ihren Füßen und unter ihrem Pofleisch. Als sie sich leicht zu bewegen versuchte, bohrten sich Holzspieße in ihr zarte Haut. Sie ignorierte jeden Schmerz.
‚Bloß den blöden Knebel loswerden’, war ihr dringlichster Gedanke. Alles andere war auszuhalten, aber das fortgesetzte Gewürge, unfähig, richtig schlucken zu können, der Sabber auf ihre Knie und Oberschenkel. Ekelhaft. Würg. Kotz.
Sie erlag einem Hustenanfall. Sie ring um Luft. Der Atem ging schwer. Panik. Nackte Panik, so nackt wie sie selbst.
Nackt bis auf den Knebel. Und den Handschellen auf ihrem Rücken. Und dem Ding natürlich.

Es dauerte Minuten, bis sie den Husten- und Würgereiz unter Kontrolle gebracht hatte. Sie hielt den Atem an. Ihr Herzschlag beruhigte sich. Sie wagte es wieder, vorsichtig einzuatmen, und dann auch auszuatmen. Ruhig. Bewußt. Beherrscht.
Endlich funktionierte es wieder, funktionierte sie wieder. Wirre Gedanken kreuzten durch ihr Gedächtnis:
‚Wäre ich bloß nach dem Essen wieder mit Gangolf zurückgefahren, auf seinem Motorrad, es war so schön, ich hatte zwar tierische Angst, aber so hinter ihm sitzend, hilflos ausgeliefert, es war ein irres Gefühl, warum bin ich nur wieder mit der Herrin mit, und mit ihrer Gespielin. Sie haben mich nicht von dem blöden Gürtel befreit, mich nur nackt unter die Dusche gestellt und abgespritzt. Mit dem scharfen Strahl in das Schrittband gespritzt. Viel zu kalt. Ich schrie auf. Dann plötzlich viel zu heiß.
Das war gleich noch schlimmer. Wie liebevoll hätte mich Gangolf gebadet. Ich hätte ihn bitten sollen. Ich traute mich nicht.

Was wird Gangolf jetzt machen, er hat nach mir gesucht. Ach Gangi, komm doch. Komm schnell. Ich halte es nicht mehr aus. Nimm mir den blöden Klumpen aus dem Mund. Und dann kannst du mich ja wieder einsperren in die blöde Kiste, wenn dir das Lust macht. Aber den Knebel, nimm ihn weg, bitte, biiite. Schnell, sofort, jeeetzt.
Warum gehst du wieder? Hörtest du mich nicht? Ich rief, so laut ich konnte. Es klang grauenhaft. Alles ist grauenhaft hier. Eben eine Haft. Eine grauenhafte Haft.

Ich muß den Knebel loswerden. Sonst sterb’ ich. Nie klagte ich über Schmerzen. Die Peitsche. Auch sie war schrecklich, doch der Schmerz war nur immer für Sekunden da. Kurz. Aber der Knebel. Erstickungsanfälle.
Wäre doch Gangolf nicht aufgetaucht. Nicht in meinem Leben, in meinem elenden Leben. Ein anderes habe ich nicht verdient. Er und seine Freunde, ihnen ist es gelungen, so einen Kasten da hinzustellen. Ich wurde frei dadurch. Frei, um hier bei der Herrin eingesperrt zu werden. Hier zu sterben. Wie glücklich war ich mit dem Ding, als das noch funktionierte. Ich durfte Einkaufen gehen. Über den Markt schlendern. Mittagessen kochen. Alles machen. Und jetzt werde ich abgeholt. Abtransportiert. Als Lustobjekt. Unter dem Tisch. Als Fußabtreter. Im Türrahmen. Als auszuklopfender Teppich. Meine neue Freiheit.’

Magda gelang es, mit ihrem Oberkörper ein bißchen auf und ab zu wippen, etwas vor und zurück. Nach langem Mühen gelang es ihr zudem, ihren Kopf auf die Knie zu drücken und dabei den Po etwas nach oben zu heben. Mehrfach versuchte sie sich in dieser Übung, immer wieder mußte sie sich auf den harten Bretterboden zurückplumpsen lassen.
Nach vielen Versuchen gelang es Magda, den linken Fuß etwas nach hinten zu setzen. Ihre rechte Schulter wurde dadurch an die rauhen Seitenbretter der Kiste gedrückt. Sie war froh, durch diese Gewichtsverlagerung eine geringfügig veränderte Körperhaltung einzunehmen. Nach einigen Minuten drückte sie sich mit der Schulter ab, sie bemerkte, daß die Seitenbretter sich etwas durchbogen.

Nun lag Magdas linke Schulter mit der Kiste in Berührung. Magda mutmaßte, daß diese gerade so breit war, daß sie mit ihrem Körper hineinpaßte. Als nun das Gewicht mehr auf ihrer linken Seite lag, gelang es ihr, auch den rechten Fuß etwas zurückzuziehen. Wieder stieg ihr Herzschlag an, wieder mußte sie mit bewußter Atmung dem Würgereiz zuvorkommen. Wieder vergingen ungezählte Minuten.
‚Sollte ich versuchen, die Hände unter dem Hintern durchzubekommen?’, schoß es ihr plötzlich durch den Kopf,
‚ich muß versuchen, den Hintern kurz in die Höhe zu kriegen und gleichzeitig die Hände mit den verdammten Schellen darunter durchziehen.’

Das war leichter gedacht als gemacht. Sie benötigte unzählige Anläufe, aber sie wollte unbedingt durchsteigen, obwohl von >steigen< in ihrer Zwangslage keine Rede sein konnte. Sie war richtig besessen von dem Gedanken, die Hände nach vorne zu bekommen, um den Knebel lösen zu können.
Endlich gelang es ihr, ihren Oberkörper zu einem Hohlkreuz zu spannen, die Schultern nach hinten zu ziehen, mit einem Ruck nach vorne den Po wenige Zentimeter in die Höhe zu bringen und gleichzeitig die Hände unter diesem hindurchzuziehen. Doch es reichte nicht, die Hände ganz unter dem Po hindurchzuschieben, sie plumpste wieder auf das Hinterteil mit den Händen darunter.

Schmerzhaft bissen sich die verhältnismäßig scharfkantigen Schellen in das Fleisch der Handballen und des Unterarms, glücklicherweise hatte ihre Sadistin die Schellen arretiert, die Sperre hineingedrückt, um das weitere Zuziehen zu verhindern. Auf diese Weise blieb die Zirkulation des Blutes aufrecht erhalten.
Die Schmerzen wurden unerträglich und ihr wurde klar, daß sie jetzt schnell handeln mußte. Sie atmete nochmals tief ein und hielt dann den Atem an. Sie schob den Po nach hinten, so weit es nur irgend möglich war. Sie merkte, daß die aufkommende Panik ihre Kräfte steigerte. Es blieb ihr unerklärlich, aber irgendwie gelang es ihr tatsächlich, die Hände unter die Pobacken hindurchzudrücken.
Magda atmete kräftig mehrere Male ein und aus. Jeder noch so kleine Fortschritt machte sie glücklich und zuversichtlich, das Ziel zu erreichen.

‚Welches Ziel eigentlich?’ fragte sie sich plötzlich. Freiheit? Freiheit von wem? Was kommt hinter der Freiheit?
Der pochende Schmerz an ihren Händen ließ sie wieder sich auf das Hier und Jetzt zu beschränken. Das einzig wichtige Ziel war, den Knebel los zu werden. Beim nächsten Hustenreiz konnte er den Tod bedeuten, den Tod durch Ersticken, den grausamen Tod.

Magdas Hände waren jetzt zwischen Ober- und Unterschenkeln in den Kniekehlen gefesselt. Sie mußte versuchen, mit den Füßen durchzusteigen. Doch wie konnte man steigen, wenn man gerade einmal mit angewinkelten Beinen und niedergedrücktem Kopf in eine schmerzhafte sitzende Position gezwungen war.
Wieder mußte Magda minutenlang eine aufkeimende Verzweiflung mit konzentrierter Atemtechnik begegnen. Als der Anfall vorüber war, begann sie mit den Übungen, die Füße anzuheben und dabei die gefesselten Hände unter den Sohlen hindurchzuzwängen. Sie mußte immer wieder Rast einlegen, um nicht außer Atem zu kommen und auch den Schmerz durch Ruhe etwas abklingen zu lassen.

Magda versuchte immer und immer wieder, mit den Händen die Fersen zu ergreifen und diese leicht anzuheben. Doch es gelang ihr lediglich, auf diese Weise die Handrücken bis etwa zur Mitte der Sohlen zu bewegen. An diesem Punkt spießten sich die Schellen und sie konnte die Finger nicht weiter nach vorne bringen. Zahlreiche Holzspieße riß sie sich in die Haut, ihre Augen wurden feucht.
Endlich kam ihr die erfolgversprechende Idee: Sie mußte versuchen, die Hände so weit wie möglich in den Schellen zu drehen, damit die Handinnenflächen nach oben zeigten. Mit ausgestreckten Fingern drückte sie diese unter die Fersen hindurch, die Daumen standen dabei weit nach außen, diese blieben bei dieser Methode bedeutungslos.

Als Magda ihre Fingerspitzen unter der Sohle spürte, krümmte sie die Finger, bis sich die Fingernägel in das zarte Fleisch der Sohlen krallten. Auf diese Weise gelang es ihr, die Füße millimeterweise zu ihrem Körper zu ziehen. Dann streckte sie die Finger wieder aus, sie kamen einige Zentimeter weiter nach vorne zu liegen. Mehrfach wiederholte sie das wechselweise Krümmen und Strecken, sie spürte, wie der harte Stahl der Handschellen nun unter den Fersen drückte.

Das Adrenalin ließ Magdas Schmerzen verfliegen, sie kannte kein zurück mehr. So nahe sie sich auch am Ziel wähnte, so diszipliniert war sie in ihrem Handeln, immer wieder Pausen einzulegen, um bloß keinen Hustenreiz auszulösen. Schließlich fühlte sie mit den Fingerspitzen ihre Zehen, zuerst nur die kleinen, später konnte sie auch die großen Zehen ertasten. Auch ihre Zehen gaben gleichzeitig die Rückmeldung der Berührung, sie krümmten sich reflexartig, und nun gelang es Magda, diese zu umgreifen.

Magda wähnte sich ganz nah am Ziel, aber das letzte Stück war immer noch harte Arbeit. Sie konnte zwar ihre Zehen umgreifen, doch ging es mit der bislang angewendeten Methode des abwechselnden Streckens und Krümmens der Finger nicht mehr weiter, denn beim Strecken lagen die Fingerspitzen bereits in der Luft vor den Füßen. Sie überlegte kurz und kam zu dem Schluß, daß sie sich nun mit ihren Füßen auf den Handflächen nach hinten arbeiten mußte.
Es war unvorstellbar mühsam, die Zehen abzuwinkeln, sich in die Handinnenflächen zu bohren, und anschließend die Zehen wieder zu strecken. Millimeter um Millimeter kam Magda dem Ziel näher, nach gefühlten Ewigkeiten erreichten ihre Zehen die Handballen, endlich schrappten sie über das harte Eisen der Handschellen.

Überglücklich ließ sich Magda zurückfallen, ihr Rücken drückte die Bretter an der hinteren Stirnfläche der Kiste spürbar durch. Sie drehte ihre Hände in eine angenehme Position in den Schellen und legte sie auf ihren Fußrücken ab. Ihr linker Unterarm bekam die elektronische Fußfessel zu spüren und Magda wünschte, diese wäre noch aktiv und würde sie an ihr bisheriges Leben fesseln.
Mit einem Ruck entwand sich Magda den Gedanken an die Vergangenheit und konzentrierte sich darauf, die Hände nun noch über die Knie zu bekommen. Im Vergleich zu den bereits gemeisterten Aufgaben war das eine einfache Übung; als sie auch diese Handlung abgeschlossen hatte, betastete sie ihre Brüste und ließ ihre Handfläche eine Weile auf diesen ruhen.
Schließlich griff sie zu dem vorläufig letzten Akt in der Kiste, sie drehte den Kopf so weit wie möglich nach rechts und versuchte, den Riemen des Knebels zu lösen. Sie ertastete zwar die Metallsschlaufe und den Spieß, der durch das Loch in dem Riemen ging, doch sie konnte nicht das lose Riemenende fühlen.

‚Ah, falsche Richtung’, ging es ihr durch den Kopf, und als sie schnell den Kopf nach links drehte, geschah das, woran sie nicht mehr gedacht hatte: So kurz vor dem Ziel ließ sie alle Vorsicht außer acht, durch die abrupte Kopfdrehung drückte sich der angesammelte Speichel in den Rachen, es kam zu dem gefürchteten Würgereiz und ein unaufhaltsamer Hustenanfall führte zu einem Tobsuchtsanfall; ihr Kopf schlug in Panik mit voller Kraft auf die Unterseite des Kistendeckels, die Bretter gaben leicht nach, federten aber im gleichen Augenblick zurück und drückten den Kopf wieder nach unten, ihr gesamter Körper begann in Folge des Hustenreizes zu beben, die Panik war im vollen Gange.

‚Neiiin, jetzt nicht sterben’, hörte Magda eine Stimme in ihrem Innersten rufen, ‚beherrsche dich doch, jetzt so knapp vor dem Ziel!’
Tatsächlich gelang es Magda, die fahrigen Bewegungen abzustellen und die Atemstöße zu verlangsamen. Die Tränen flossen ihr über die Wangen, das Herz hämmerte, daß sie das Gefühl hatte, ihr Brustkorb müßte platzen. Kalter Schweiß drang aus ihren Poren, sie fröstelte.

Endlich besann sich Magda, was sie als letztes getan hatte und was sie jetzt tun müßte. Vorsichtig drehte sie den Kopf nach links, ertastete das Ende des Knebelriemens und tastete sich an ihm weiter, bis sie die Schlaufe spürte. Es war nicht ganz einfach, den Riemen durch diese hindurchzudrücken, doch nach wenigen Sekunden war der Riemen vollständig durch die Schlaufe hindurchgefädelt.
Der schwierigste Teil der Operation stand Magda noch bevor. Sie mußte jetzt an dem Riemen ziehen, um den Schnallenstift aus dem Riemenloch herauszudrücken. Doch immer noch in den engen Handschellen gefesselt schien diese allerletzte Aufgabe die schwierigste zu werden. Um nicht wieder einer Panikattacke zu verfallen, nahm sie die Hände von der Schulter und ließ den Kopf nach hinten sinken.

Magda versuchte, die letzen Reserven zu mobilisieren, sich auf die Aufgabe zu konzentrieren. Ihr Körper kämpfte mittlerweile an allen Fronten: Schmerzen an den Handgelenken, Schultern, Ellenbogen, Rücken, Hüfte und Nacken, dazu der leichte Schüttelfrost, der immer wieder aufkeimende Würgereiz.
Nach einigen Minuten drehte Magda ihren Kopf wieder nach links, tastete mit den Fingern am Riemen des Knebels entlang, hielt den Atem an, als sie den Stift spürte, umklammerte den Riemen, drückte ihn etwas vom Kopf weg, schob den Zeigefinger weiter vor, drückte ihn unter den Stift, zog noch stärker an dem Riemen, was den Knebel spürbar weiter in den Mundraum drückte, doch dann bemerkte sie endlich, daß der Stift aus dem Loch gezogen wurde.

Mit dem Zeigefinger klappte Magda den Stift der Riemenschnalle zurück und ließ den Riemen los. Die Tränen der Freude vermischten sich mit jenen des Schmerzes, doch als sie versuchte, den Knebel mit ihrer Zunge aus dem Mund zu drücken, erlebte sie erneut einen Rückschlag in dem Bemühen, sich des Teufelszeugs zu entledigen. Magda glaubte, wahnsinnig zu werden: Obwohl es ihr nach endlosen Mühen gelungen war, den Riemen hinter ihrem Kopf zu lösen, gab der Kiefer den Würgeball nicht frei. Die Muskeln des Kiefers waren erstarrt von der ungewohnten anhaltenden Überdehnung, sie konnten den Unterkiefer nicht nach unten ziehen, um den Weg für den Knebel frei zu machen.
Magda blieb nichts anderes übrig, als die nun lose herunterhängenden Riemen links und rechts des Mundes mit den Händen zu fassen und vorsichtig daran zu ziehen. Der Kiefer wurde schmerzhaft einige Millimeter auseinander gedrückt und mit einem ploppenden Geräusch entwich das Scheusal Magdas Mundhöhle.

Aufgelöst in Schwäche sackte Magda in der Kiste zusammen, ihre Gedanken schweiften nochmals kurz zu Gangolf, ob er mit seinem geliebten Motorrad herumkurven würde oder mit dem Boot herumpaddelte, warum er überhaupt nach ihr gesucht hatte, wie er sich eingesetzt hatte, daß sie mit nach Italien mitgenommen würde auf der geplanten gemeinsamen Reise; sie sehnte sich nach der Wärme seines starken Körpers, die sie in ihrer schmalen Liegestatt auf dem alten als Bett dienenden Sofa genossen hatte.
Erschöpft von der Anstrengung, die ihr die Knebelbefreiungsaktion verursachte, döste Magda trotz ihrer gänzlich unbequemen Körperhaltung ein.

Sie ahnte natürlich nicht im Entferntesten, daß zur gleichen Zeit auch Gangolf eingesperrt war; zwar war seine Zelle im Vergleich zu Magdas hölzernem Gefängnis geradezu fürstlich-bequem, andererseits war Gangolfs Polizeizelle absolut ausbruchsicher, ganz im Gegensatz zu Magdas Kiste.























74. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 04.02.22 19:51

39

Gangolf nahm wie selbstverständlich an, daß man Bettina hinzuzöge, wenn das eigentliche Verhör in dem Vernehmungszimmer stattfinden würde. Er überlegte, daß sie wahrscheinlich gleich nach ihrer Aussage wieder hinausgehen müßte und er dann wieder allein den vernehmenden Beamten ausgeliefert wäre.
Er wollte Bettina unbedingt eine Nachricht hinterlassen, daß sie sich sofort um Magda kümmern und sie auf diese Polizeiwache bringen muß. Andererseits konnte er das nicht laut äußern, denn nichts wäre ferner, als daß sich ein Suchtrupp in Bewegung setzte und im Hause Weiß-Litte das Schnüffeln begann – mit den dramatischen Folgen für alle Beteiligten.

Leise rezitierte Gangolf die alten lateinischen Texte, die er von seiner Großmutter in Kindertagen beiläufig gelernt hatte. Sobald er auf Bettina träfe, würde er sie sofort mit dem >dominus tecum< begrüßen, der Herr sei mit dir. Nach einer kurzen Schreck-Pause würde er mit dem Ave Maria fortfahren, wobei er sich nicht sicher sein konnte, daß Bettina als Evangelische mit diesem Gebet, noch dazu auf Lateinisch, etwas anfangen konnte:
>Benedicta tu in mulieribus< - du bist gebenedeit unter den Weibern.

Dann wollte Gangolf in das Vaterunser überleiten mit dem letzten Vers:

>libera nos a malo< - erlöse uns von dem Übel.
Das wollte Gangolf abändern: >libera Magdalena a casa tua<
Er ahnte zwar, daß im Lateinischen auch die Namen gebeugt werden, doch wußte er natürlich nicht, wie der Akkusativ für Magdalena lautete. Das gleiche Unvermögen lähmte ihn bezüglich des Dativs von casa, er wußte nicht einmal, ob >casa< überhaupt das Lateinische Wort für das Haus sei, er nahm einfach den italienischen Begriff dafür.
Dann mußte Gangolf Bettina klarmachen, Magda hierher zu bringen. Er besann sich auf die Rufe nach dem Heiligen Geist:
>Veni creator spiritus<, Gangolf änderte ab:
>Veni cum Magdalena in locus iste< - komme mit Magdalena in diesen Ort.
Das >locus iste< wurde am Kirchweihfest zitiert, mit den Worten des Jakob, als dieser sein Haupt in der Wüste auf einen Stein bettete und den Ort verwünschte:
>terribilis est locus iste!<

Mit diesen lateinischen Fragmenten hoffte Gangolf, Bettina klarzumachen, daß sie Magda herholen sollte. Doch es kam ganz anders. Kaum war er damit im Gange, die Phrasen halblaut zu wiederholen, damit er diese dann ohne zu Stottern heruntersagen in der Lage war, hörte er auf dem Kellerflur Schritte und die äußere Tür der Zelle wurde geöffnet.
Polizistin Mauser trat herein, sperrte die vergitterte Tür zu Gangolfs Zelle auf und rief ihm grußlos zu:
- „Heraustreten, hier haben Sie ihre Sachen!“

Gangolf blickte verdutzt darein, als die kesse Polizistin ihm sein Handy überreichte. Er nahm es an sich und ging an ihr vorbei, den Gang entlang zur Stiege. Sie folgte ihm, im Erdgeschoß angekommen gab sie ihm einen Wink mit dem ausgestreckten Arm:
- „Da geht’s raus.“
Gangolf blickte sie irritiert an, Mauser sah sich genötigt, deutlicher zu werden:
- „Nun machen Sie schon, daß Sie fort kommen, ist alles erledigt!“

Immer noch ganz perplex wandte sich Gangolf der Tür zu und verließ das schöne Backsteinhaus.
‚Gar nichts ist erledigt’, ergrimmte er sich, ‚im Gegenteil, jetzt geht der Affentanz wieder von vorn los.’
‚Magda liegt weit weg in einem Kellerloch, die Bluthunde werden scharf gemacht und wie er zu seinem Auto kommen sollte, war den Polis hier natürlich vollkommen egal.’
Seine Latein-Relikte hatte er jedenfalls umsonst hervorgeholt. Als er Bettinas Nummer auf dem Smartphone wählte, piepte dieses dreimal und hauchte den Geist aus: Akku leer.

- „Verdammt, verdammt, verdammt“, fluchte Gangolf laut, denn anstatt froh zu sein, so ganz ohne weiteres die Freiheit wieder erlangt zu haben, fühlte er sich vollkommen unfrei, ständig als Gejagter. Ihm kam das Pfarrhaus in den Sinn, das sich gleichfalls im Westen der Stadt, nicht so weit entfernt von der Polizeiwache, befand. Dort würde er nach Bettina fragen, er würde alle Anwesenden nötigen, solange herumzutelephonieren, bis er jene an der Strippe hätte.

Gangolf trat aus dem Polizeigebäude und überquerte die davor verlaufende Bundesstraße. Es bereitete ihm keine Freude, auf dem Gehweg an der vielbefahrenen Straße entlang zu gehen. Aus irgend einem Grund, den er sich nicht erklären konnte, drehte sich Gangolf auf seinem Weg Richtung Innenstadt um und betrachtete für eine Weile das Backsteinhaus, in dessen Keller er eingesperrt war.
Wieder einmal traute Gangolf seinen Augen nicht: Kam da nicht ein Auto vorbeigerauscht, auf dessen Beifahrersitz eine Frau saß, die wie Magda aussah?
‚Eine Sinnestäuschung’, sagte er sich, ‚das kann sie nicht gewesen sein, es gibt anscheinend noch mehr junge Frauen, die so abgewrackt aus der Wäsche schauen.’

Als Gangolf etwa eine Viertel Stunde später zu dem Pfarrhaus kam, hörte er von der Ferne das Zwölf-Uhr-Läuten.
‚Schon wieder Mittag’, nörgelte er mit sich selbst, ‚da wird dann schon wieder der ganze Tag vergehen, bis das alles erledigt ist.’
Eine Frau mittleren Alters kam aus dem Gebäude heraus und sperrte die Tür hinter sich zu. Gangolf kam die groteske Situation in den Sinn, als er erstmals Martina begegnete, hier, an dieser Tür, als jene herauskam, ihn auf dem schmalen Weg durch den kleinen Vorgarten gestreift hatte, ohne ihn anzusehen. Jetzt schlug wieder diese Tür vor seiner Nase zu.

Bevor Gangolf überhaupt seinen Mund öffnen konnte, pfefferte ihm die Absperrende entgegen:
- „Die Bürozeit ist für heute zuende, kommen Sie morgen wieder!“
- „Nein, das werde ich nicht tun, sie werden jetzt nochmals aufmachen, ich bin Organist und muß dringend mit Pfarrerin Litte sprechen.“
- „Die ist ohnehin nicht da, haben Sie denn einen Termin?“
- „Nein, ich hab’ nie einen Termin, es ist ein absoluter Notfall, sperren Sie endlich wieder auf und versuchen Sie, sie telephonisch zu erreichen, mein Akku an dem verdammten Handy ist aus.“
- „Nichts da, gehen Sie mir aus dem Weg.“
- „Ich nötige Sie“, ereiferte sich Gangolf, „und da können Sie gleich die Polizei rufen, von denen komm’ ich nämlich grad her, es geht um eine wirklich bedrohliche Sache, nicht für mich, nicht für sie, aber für eine arme Frau, die in einem Keller eingesperrt liegt.“

Die Pfarrsekretärin kam nun doch in’s Grübeln, unschlüssig und erstaunt betrachtete sie Gangolf, als ob sie soeben von einer gelandeten Mars-Raumsonde Nachricht erhalten hätte. Gangolf baute sich vor ihr auf und gab ihr dadurch zu verstehen, daß er sie nicht gehen lassen würde. Mißmutig sperrte die Frau auf und stakste in das geräumige Büro.
Sie drückte an dem breiten Apparat eine Kurzwahltaste, es tutete ein paar Mal, dann war die Verbindung hergestellt:
- „Bettina, da ist ein junger Mann, der sagt, er sei Organist, hab’ ihn aber noch nie gesehen, und er meint, es sei dringend, aber mach’ es kurz, es ist schon nach zwölf.“
Sie reichte Gangolf den Hörer, er kam ohne Umschweife auf das Thema zu sprechen:
- „Bettina, es ist tierisch ernst, das Spiel ist aus, wir müssen uns sofort treffen und nach Laukuv hinaus fahren, ich hab’ dort mein Auto stehen, also bitte komm’ gleich her!“ ... „Dann sag’ den Termin ab, es gibt jetzt nichts Wichtigeres in dieser Welt mehr, wer weiß, ob sie überhaupt noch lebt, ich hörte zumindest nicht das geringste von ihr.“

Gangolf ging in die volle Offensive, es war ihm egal, was sich die Sekretärin dachte. Bettina versprach, sofort zum Pfarrhaus zu kommen. Gangolf legte auf und bedankte sich bei der Frau. Gemeinsam schritten sie hinaus, sie sperrte wieder ab, während sich Gangolf demonstrativ auf die Bordsteinkante setzte, die Ellenbogen auf den Knien abgestützt, das Gesicht in die Handflächen gelegt.

Die Pfarrsekretärin ging kopfschüttelnd an Gangolf vorüber, er hörte, wie sich das Klappern ihrer Absätze immer weiter entfernte. Nach einer Weile vernahm er das Schnurren von Bettinas Elektrowägelchen. Bettina betrachtet ihn von Weitem, wie er da so zusammengeknickt am Straßenrand saß. Als sie bei ihm angekommen auf der Straße stehen blieb, erhob er sich schnell, riß die Beifahrertür auf und schwang sich auf den Sitz.
- „Kehr’ schnell um und fahr’ nach Laukuv!“, befahl Gangolf. Bettina blickte ihn verdutzt an, denn so hatte sie ihn noch nie erlebt.
- „Was ist denn los, du warst doch dort, hat mir soeben ein Polizist gesagt und ich sagte ihm auch, daß ich dir meinen Schlüssel gegeben hatte.“
- „Jetzt red’ nicht lang, bitte, fahr schon, ich erzähl’ die alles unterwegs.“

Ohne nochmals zu fragen, wendete Bettina ihr Auto und fuhr aus der Sackgasse heraus. Sie bog nach Westen in Richtung des Bahnhofs ab. Gangolf überlegte sich, daß er vielleicht einen kleinen Umweg gegangen ist, denn er war von der anderen Richtung her gekommen. Tatsächlich war Bettina schnell auf der Bundesstraße, kurz darauf passierten sie das Polizeigebäude.
- „Wo habt ihr sie versteckt“, begann nun Gangolf, „die Martina sagte nur, ich soll sie aus euerer Wohnung holen.“
- „Ja ich weiß nicht“, entgegnete Bettina, ich bin schon zeitig los heute morgen, da war Magda noch oben bei uns in der Küche.“
- „Ich hab’ euere ganze Wohnung durchsucht, also noch nicht den Schlafzimmerschrank, aber ich fand keine Spur von der Magda. Dann bin ich in den Keller hinunter, aber ich wußte nicht, welches euer Abteil ist. Überhaupt wußte ich gar nicht, daß du mit der Martina zusammenlebst. Jedenfalls kam ein Hausbewohner herunter und wollte mich zur Rede stellen. Ich bin dann lieber wieder davon, auch wenn ich ihm sagte, daß ich von dir den Schlüssel bekommen habe.
Dann kamen draußen noch mehr Leute zusammen, sie haben wohl meine Autonummer aufgeschrieben und die Polizei verständigt. Die fanden mich dann auch und meinten, ich sei ein Einbrecher. Die wollten dann, daß ich mit ihnen in das Haus zurück käme, doch das wollte ich unbedingt vermeiden. Am Ende liegt da Magda mit zerschundenem Körper eingesperrt in einem Abteil oder einen Schrank, das wäre glatte Freiheitsberaubung.“

Bettina nickte nachdenklich und meinte: „Ja, du hast recht, das ist eine ernste Sache jetzt, wer weiß, was Martina mit ihr heute am Morgen noch alles gemacht hat. Und du sagst, die Polizei sucht sie ohnehin, funktioniert denn der Sender nicht mehr?“
- „Ich weiß es nicht, was der Grund ist, aber wir müssen jetzt schleunigst mit der Magda bei denen auftauchen, sonst wird noch alles schlimmer. Der Brause hat wohl auch schon mehrfach bei ihr angerufen, vergebens natürlich, und er war auch schon dort. Er ist jetzt zum Angeln gefahren und wir müssen uns bei seinem Chef melden.“

Nach einer kurzen Pause fuhr Gangolf fort: „Der Brause war ja ganz freundlich und es wäre gar kein Problem gewesen, wenn die Magda nicht irgendwo unauffindbar eingesperrt worden wäre. Dann wären wir dort einfach hin, hätten beteuert, daß der Akku an dem verdammten Fesseldings aus war und alles wäre wieder in Ordnung gekommen, aber jetzt können wir uns eine fabelhafte Lügengeschichte zusammenzimmern, wo die arme Magda den ganzen Vormittag über war in dieser Kleinstadt.“

Als sie zu der kleinen Wohnanlage an der Südpromenade kamen, schlug Gangolf vor, gleich in den Keller zu schauen, denn den kleinen Schlüsselbund hatte er ohnehin noch in seiner Hosentasche.
- „Ich war gerade am dritten Abteil, als dann der Mann kam. Er selber öffnete das zweite Abteil; ich konnte ja schlecht alle durchprobieren und dann behaupten, ich sei hier rechtmäßig herunten.“
- „Du hast ja richtig gehandelt, Gangolf“, gab Bettina klein bei, „ich muß mit Martina ein ernstes Wort reden, ein sehr ernstes, daß es so nicht mehr weiter gehen kann.“

- „Hier, das Abteil in der Mitte nach links herüber ist unseres, zeig `mal die Schlüssel her, ich weiß auch immer nicht, welches der richtige ist, ich bin da ganz selten unten.“
Und während Bettina in dem Vorhängeschloß herumstocherte, rief sie: „Hallo Magda, wir sind es, also der Gangolf und ich.“

Beiden schlug das Herz höher in Erwartung, was ihnen hinter der gut verschlossenen Abteiltüre erwartete.












75. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von folssom am 06.02.22 00:42


Zitat

„Du hast ja richtig gehandelt, Gangolf“, gab Bettina klein bei, „ich muß mit Martina ein ernstes Wort reden, ein sehr ernstes, daß es so nicht mehr weiter gehen kann.“


Bei dem Gespräch möchte ich gern "Mäuschen" spielen.
76. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 07.02.22 16:20

"Bei dem Gespräch möchte ich gern "Mäuschen" spielen." (folssom)

Dein einfühlsames Mitdenken freut mich, liebe Leserin, und so darf ich Dich ermuntern, Dir deine Gedanken zu machen, was du als "Mäuschen" zu hören bekommst; für die Beteiligten in der Geschichte steht noch alles offen, wie es mit ihnen weiter gehen wird - das Reizvolle an einem Fortsetzungsroman ist die Einschränkung, daß man nicht einfach gierig weiterlesen kann, sondern bis zum Wochenende warten muß, bis die neue Episode erscheint, immerhin kann man bis dahin seinen Fantasien nachhängen, ihnen freien Lauf geben, das wünsche ich Euch allen, verehrte Leserschaft!
M a g n u s .
77. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 11.02.22 22:40


Wieder kommt eine neue runde Zahl: Die 40-ste Fortsetzung, und aus diesem Anlaß wird die Episode auch etwas länger sein als üblich - indes immer noch kein Vergleich mit den Mammut-Geschichten, die hier von den Meister-Schriftstellern veröffentlicht werden...



40

Zunächst begriff Magda nicht, wo sie sich befand. Sie bemühte sich, ihrem Dämmerzustand zu entfliehen, indem sie willentlich die Augen aufschlug. Um sie herum war es finster; als sie ihre verspannten Glieder strecken wollte, bemerkte sie, daß ihr Bewegungsspielraum in allen Richtungen eingeschränkt war. Jetzt erst realisierte sie, daß sie in einer engen Holzkiste saß, mit gefesselten Händen, und sie erinnerte sich an die Qualen, die ihr der Knebel bereitet hatte.
Bei dem Gefühl, in jeder Richtung eingesperrt zu sein, mit in Handschellen gelegten Händen, überfiel Magda auf’s Neue dieses alte Gefühl der Geborgenheit; sie genoß die Unfreiheit der Bewegungsunfähigkeit, des Eingeschlossenseins. In ihr stiegen die Lustgefühle auf, die sie gänzlich verloren hatte, als sie mit dem bedrohlichen Würgereiz zu kämpfen hatte.

Magda wußte weder, wie lang sie in der Kiste gedöst hatte, noch konnte sie abschätzen, wie lange sie in dieser eigenartigen Bewegungslosigkeit verharrt hatte, doch verspürte sie bei allem Glücksgefühl die zunehmende Kälte, die sich überall über ihren Körper breitmachte. Direkt vor ihren Augen auf der linken Seite erspähte sie ein großes Astholz, das matte Tageslicht traf ihr Gesicht. Sie konnte sich nicht erinnern, daß sie es bereits vor ihrem Dämmern wahrgenommen hätte.
‚Jedes Astloch schwächt das Holz’, erinnerte sie sich an die Worte des Lehrmeister im Werkunterricht.

‚So schlecht war dieser Unterricht in dem Heim gar nicht, und auch das Kochen und das alles mit den Haushaltsarbeiten’, reflektierte Magda. Aus einem Impuls heraus, ihre Untätigkeit zu überwinden und damit das Kältegefühl zu lindern, streckte sie Zeige- und Mittelfinger durch das Brett, als ob sie dadurch Kontakt mit der Außenwelt aufnehmen wollte.
Anhand der Ritzen bemerkte sie, daß das Brett mit dem großen Astloch recht schmal war, als Abschluß nach oben war es nicht so breit als die anderen, die sich nach unten anschlossen. Sie verspürte Lust, auszuprobieren, dieses oberste Brett, was eher eine dünngehobelte Latte darstellte, mit der Faust durchzudrücken, wie weit es sich nach außen bewegen würde.
Sie zog die Finger aus dem Astloch und ballte ihre Hände zu Fäusten. Sie stemmte sich kräftig gegen das Holz mit den zur Faust geformten Fingern an die besagte Latte, mit der rechten Schulter an die gegenüberliegende Kistenwand. Sie hatte noch nicht einmal ihre volle Kraft entfaltet, als das Holz mit einem knisternden Geräusch genau an der Stelle des Astlochs leicht einbrach. Die Fasern hielten das Holz links und rechts der Bruchstelle zwar noch zusammen, aber es war an dieser Stelle einen Finger breit nach außen gedrückt.

Tatsächlich reichte die Anstrengung aus, Magdas Kreislauf anzuregen, es wurde ihr spürbar wärmer. Sie lehnte sich wieder zurück und hob den Kopf in die Höhe, soweit der Kistendeckel das zuließ. Zu ihrer Überraschung hob sich dieser etwas nach oben und die zerbrochene linke Latte bewegte sich dabei. Magda kam zu dem Schluß, daß der Deckel mit der Latte in irgendeiner Weise in Verbindung stünde.
‚Das ist das Schloß’, mutmaßte Magda, ‚der Deckel muß ja irgendwie mit dem Kistengehäuse zusammengesperrt sein.’
Magdas Erforschergeist war erwacht, sie ballte wieder ihre gefesselten Hände und drückte den Kistendeckel nach oben. Tatsächlich bewegte sich jener deutlich in die Höhe; als sie zusätzlich ihren Kopf nach oben drückte, gab es ein knirschendes Geräusch und der gesamte Deckel schwang längs der linken Seite auf. Sie gewahrte die Bestandteile des Schlosses, an dem der eine Rest der seitlichen Latte hing. Der rechte Teil des Deckels war weiterhin mit zwei Scharnieren an der rechten Wand befestigt.
Das helle Licht blendete die an die Dunkelheit gewöhnten Augen, Magda schloß sie instinktiv und nahm die Hände wieder zurück. Sie bedachte nicht, daß nun der Kistendeckel ungebremst auf ihren leicht aus der Kiste ragende Kopf fiel; sie stieß einen Wehelaut aus und zog den Kopf wieder hinab auf ihre Knie.

Als sich der Schmerz verzogen hatte, drückte sie den Deckel wieder auf, dieses Mal in Gänze, so daß er senkrecht zu stehen kam und darüber hinaus über die rechte Kistenkante nach außen hinunterklappte. Das Tageslicht flutete jetzt erbarmungslos in die enge Behausung, Magda blinzelte ein paar Mal und hob ihren Kopf wieder über den Kistenrand. Anhand des verhältnismäßig hellen Lichtes vermutete sie, daß es in etwa Mittag sein mußte, indes schien an diesem Morgen schien nur ein sehr gedämpftes Licht durch das schmale Kellerfenster.
Es erwies sich für Magda alles andere als einfach, aus der geöffneten Kiste hinauszusteigen. Ihre Knochen waren steif, die Gelenke schmerzten bei jeder Kraftanstrengung. Ihre Hände steckten in den Handschellen, sie konnte sich deshalb nicht mit jenen vom Kistenboden abstemmen, nirgends war der Zwischenraum für beide Hände gleichzeitig breit genug.

Magda umklammerte den vor ihr liegenden Kistenrand, als sie daran zog, riß sie sich sofort einen dicken Spieß in die Innenseite ihres rechten Zeigefingers. Dieser begann zu bluten, doch bemerkte Magda davon zunächst nichts, denn die Tropfen bedeckten die Außenseite der Kiste. Sie verspürte durchaus den Schmerz der durchstochenen Haut, doch auch fast alle anderen Körperglieder mischten sich in das Konzert der Schmerzarien ein, so daß Magda mit rhythmischen Bewegungen ihrer Arme und ihres Oberkörpers versuchte, in Schwung zu kommen.
Nach mehrmaligen Hin- und Herwippen gelang es Magda schließlich, den Hintern in die Höhe zu bekommen, sie setze ihn auf den hinteren Kistenrand ab. In ihrer allgemeinen Erschöpfung verharrte sie in dieser eigenartigen sitzenden Körperhaltung, bis sich die nach Ausstrecken verlangenden Kniee zu Wort meldeten. Vorsichtig hob sie die Beine über den Kistenrand und setzte ihre Füße auf dem Boden vor der linken Kistenseite.

- „That's one small step for man, one giant leap for mankind”, zitierte Magda Neil Armstrong, diesen Satz hat sie sich in dem spärlichen Englischunterricht eingeprägt. Dabei war es nicht der Staub der Mondoberfläche, sondern jener des kalten Kellerestrichs, den ihre zarten Füßchen zu spüren bekamen, als Magda nach Stunden des Eingesperrtseins die Raumkapsel verließ.
Zusätzlich zu der Kälte auf ihren Fußsohlen verspürte Magda ein unangenehmes Kribbeln, als die Blutzirkulation durch ihre Waden Fahrt aufnahm. Als sie sich nach einigen Sekunden fit fühlte, einen ersten Aufstehversuch zu unternehmen, um ihre kartoffelkistige Raumkapsel endgültig zu verlassen, ergriff sie der Schwindel und wieder kamen ihr dabei die Bilder von den ersten Menschen auf dem Mond in den Sinn, wie diese vor über 60 Jahren mit größter Vorsicht erste Schritte auf dem ungewohnten Terrain unternahmen.

Magda torkelte zu einem Hocker, der vor einem alten Tisch in der Ecke des Kellerraumes stand; während sie sich mit den immer noch gefesselten Händen an der Tischkante festhielt, setzte sie sich nieder. Normalerweise machte es ihr überhaupt nichts aus, sich auf den Boden zu setzen oder zu legen, jetzt aber, nach der langen Verklemmung in der engen Kiste nahm sie die für ihre Verhältnisse bequeme Sitzgelegenheit dankbar an.
Mit dem Rücken an die Tischkante gelehnt streckte Magda ihre Beine schräg nach vor ab, sie führte mit ihren Zehen kreisende Bewegungen aus und kam in’s Grübeln, wie es nun weiterginge. Sie bekäme sicherlich schlimmste Strafen, irgendwann würde ihre Herrin hereinkommen und entsetzt ihre Flucht aus der Kiste bemerken. Magda sinnierte, daß sie jetzt nicht auf halben Wege stecken bleiben durfte; jeglicher Fluchtversuch kam in den Augen der gestrengen Herrin einer tatsächlich gelungenen Flucht gleich.
So sehr Magda die Erniedrigung liebte, das Ausgeliefertsein, den Kontrollverlust ihrer Herrin fürchtete sie; ihre Furcht wurde im Laufe der Zeit immer größer, es kam ihr vor, daß Martina sich in ihrem Sadismus fortwährend steigerte, diese brauchte offenbar immer höhere Dosen von Schmerzbereitung, um das Feuer der teuflischen Lust am Lodern zu halten.

Während ihre Gedanken bei den drohenden Strafmaßnahmen waren, schweiften Magdas Blicke durch den Kellerraum. Unweit ihres Sitzplatzes entdeckte sie eine kleinere Holzkiste, in welcher sich allerhand Werkzeug befand; wahllos zusammengeworfen erkannte sie Zangen, Schraubenzieher, Büsten und eine große Säge. Sofort wurden ihre Lebensgeister geweckt, ihre Überlebensgeister, denn Martinas Rache wäre ungeheuerlich. Sie mußte jetzt fliehen, das begonnene Werk vollenden.
Magda wog die Chancen ab, das Kellerfenster zu öffnen. Sie erkannte die Möglichkeit, das äußere Gitter, das sich vor dem eigentlichen Glasfenster befand, mit den Schraubenziehern und Zangen abzuschrauben. Allerdings war die Arbeit mit den in den Schellen steckenden Händen recht mühsam. Mehr noch fürchtete sie indes die Blicke der Leute, wenn sie dann mit Handschellen gefesselt herumlaufen müßte.


Glücklicherweise sah Magda ihren fransigen Bademantel, in welchem sie heute Morgen hierher gebracht worden war, und gnädigerweise durfte sie beim Hinuntergehen auch ihre Chucks an den Füßen haben. Sie erhob sich schwerfällig, sie verspürte glücklich, wie ihre Beweglichkeit allmählich wieder zunahm. Sie angelte sich ihre Chucks, schlüpfte hinein und freute sich der aufkeimenden Wärme, die das isolierende Gummi hergab.
Als sie zu dem Hocker zurückschlenderte, entdeckte sie in der Werkzeugkiste auch eine kleine Säge. Aus dem Werkunterricht wußte sie, daß das eine Puksäge war, mit welcher man dünnes Eisen durchsägen konnte. Hurtig zog sie das Teil aus dem Durcheinander, legte ihre Hände auf den Tisch und versuchte, ein Kettenglied zwischen den Schellen durchzusägen.
Magda konnte die Säge natürlich nicht richtig anfassen, sie konnte den Bügel nicht umgreifen, sondern mußte sie umgekehrt halten, um die Bewegungsrichtung nach innen, zu ihrem Körper hin, zu gestalten. Schnell begriff sie, daß es nicht gelingen würde, die sich stets verdrehenden Glieder anzusägen, sondern die zwar drehbare, aber doch einigermaßen fest mit der linken Schelle verbundene Öse.

Es war eine mühsame Arbeit, immer wieder sprang das Sägeblatt aus dem bereits eingeritzten Schlitz. Als dann ihr rechter Zeigefinger wieder stark das Bluten begann, mußte Magda eine längere Pause einlegen. Sie stützte die Ellenbogen auf der Tischfläche ab, so daß die Hände nach oben ragten. Auf diese Weise gelang es ihr, die Blutung zu stillen.
Erst jetzt gewahrte Magda die kleine Blutlache, die sich vor der Kartoffelkiste gebildet hatte, als sie sich aus dieser mit kräftigem Fingereinsatz herausgewunden hatte. Ein paar Tröpfchen wiesen den Weg zu dem Hocker und nun gab es wieder deutliche Blutspuren auf dem Tisch. Als die Bluterei zum Erliegen kam, setzte sie wieder die Säge an, doch schon nach wenigen Schüben begann das Blut wieder aus der Innenseite des Zeigefingers herauszurinnen.

Magda versuchte verzweifelt, den Finger nicht an der Aktion zu beteiligen und hielt ihn etwas nach oben, während jetzt der Mittelfinger und der Daumen die Hauptarbeit verrichten mußten. Doch allein schon das Hin- und Herbewegen ließ das Blut weiter aus der Haut fahren, wo der dicke Holzspieß eingerammt war. Vielleicht hätte sie den Spieß stecken lassen sollen, überlegte sie sich, sie hatte ihn verhältnismäßig leicht mit den Zähnen entfernt.

Es blieb Magda nichts anderes übrig, als die Säge mit der linken Hand zu nehmen; als Rechtshänderin war ihr das Greifen mit dieser Hand zwar ungewohnt, aber es ging immer noch besser als mit der verletzten rechten. Wieder setzte sie die kleine Säge an, wieder rutschte sie zahllose Male ab, bis sie endlich eine so tiefe Rille gesägt hatte, daß das Sägblatt nicht dauernd wieder hinaussprang.
Nach einiger Zeit mußte Magda eine Pause einlegen, ihre Finger verkrampften sich dermaßen, daß es schmerzhaft wurde. Als sie die Säge herausgezogen hatte, besah sie sich den Fortschritt der Arbeit, und sie stellte freudevoll fest, daß die Öse bereits fast gänzlich durchgesägt war. Sie versuchte mit rüttelnden und zerrenden Bewegungen, die weitgehend durchgesägte Öse wegzubiegen, doch sie gab nicht nach. Es blieb ihr nichts übrig, als nochmals die Säge anzusetzen, und nun war es nach wenigen Zügen geschehen.

Überglücklich ließ Magda die Säge aus Hand gleiten und hob ihre Arme empor, streckte sie weit auseinander, dem Pfarrer gleich, wenn er im Gottesdienst die Gläubigen mit einer ausladenden Geste begrüßt: >Dominus vobiscum<.
‚Das wäre also geschafft’, beglückwünschte sich Magda selber, das Fensterchen würde wohl keine große Probleme bereiten, sie hatte ja bereits festgestellt, daß sie dank des Werkzeugs das Gitter abschrauben könnte. Der enge Fensterschacht wäre dann noch eine gewisse Herausforderung, aber auch das wäre wohl zu meistern.

‚Doch was dann’, kam es Magda siedend heiß in den Sinn, ‚wie geht das Leben draußen weiter, wie komme ich nach Lüggen, wie komme ich an meine Wohnungsschlüssel, wie an meine Geldbörse, wie kann ich Gangolf erreichen, ach Gangolf, komm’ doch bitte, komm’ jetzt, ich kriech’ aus dem Kellerloch und draußen kannst du mich in deine Hände nehmen, in der Wärme des Sonnenscheins, in die Wärme deines starken Körpers, oh Gangi, komm’ doch!’

Magda konnte sich natürlich nicht in den kühnsten Träumen ausmalen, daß Gangolf zu diesem Zeitpunkt immer noch festsaß und sein Gefängnisgitter nicht einfach abzuschrauben war, und daß dieser tollkühne Pläne schmiedete, wie er ihre Befreiung organisieren könnte, ohne daß die Polizei davon etwas erführe.

Das über dem Fensterschacht angebrachte Abdeckgitter entpuppte sich als letztes Hindernis in die Freiheit; so sehr auch Magda drückte und sich dabei die dünnen Metall-Quadrate in ihre Handflächen gruben, wollte es sich nicht nach oben entfernen lassen. Magda fürchtete in einer ersten Panikattacke, es wäre an dem Rahmen festgeschweißt oder sonst wie unlösbar mit diesem verbunden. Sie zwängte sich nochmals zurück durch das kleine Fenster und holte aus der Werkzeugkiste den größeren der beiden Hämmer, die sie darin gefunden hatte.

Ungeachtet des möglichen Aufsehens, das sie durch das Hämmern erzeugt haben könnte, schlug Magda kräftig auf das Gitter ein, bis dieses aus dem Rahmen sprang. Vorsichtig setzte sie die Metallquadrate auf den sich angrenzenden Rasen ab und lugte aus dem Schacht heraus. Soweit sie es übersehen konnte, erblickte sie keinen Menschen, der sie bei der Aktion beobachtet hätte. Ein letztes Mal kauerte sie sich nieder und duckte sich nochmals durch das Fensterlein in ihren Gefängnisraum, dem sie zu entfliehen sich anschickte.


In Siegerpose schwang Magda den großen Hammer in einem Bogen durch die Luft und warf ihn in die Werkzeugkiste. Anschließend nahm sie ihren Bademantel, rollte ihn zusammen und warf ihn aus dem Fensterschacht nach oben. Sie wollte ihn erst draußen anziehen, um ihn nicht beim Herauszwängen zu beschmutzen oder gar aufzureißen. Ein letztes Mal blickte sie zurück, beim Anblick der Kartoffelkiste überkam sie leichte Wehmut.
Kurz entschlossen stieg Magda nochmals in die Kiste, und als sie den Knebel schnöd in einer Ecke darin liegen sah, nahm sie ihn in die Hände, rubbelte mit den Fingern über den Silikonball, öffnete den Mund, so weit sie konnte, preßte den Knebel in die Mundhöhle und zurrte den Riemen hinter ihrem Kopf fest.

Erstaunlicherweise überkam Magda jetzt kein bißchen Anzeichen eines Würgereflexes, das lag daran, überlegte sie, daß sie jederzeit sich von dem Knebel befreien konnte. Somit war jedglicher Panikanfall bereits von Anfang an ausgeschlossen und sie konnte das Gefühl der Stummheit richtig genießen. Schließlich griff sie nach rechts über den Kistenrand, hob den Deckel an, drückte ihren Kopf tief hinab auf ihre angewinkelten Knie und ließ den Deckel zufallen.
Magda genoß das Gefühl des Eingezwängtseins, sie belutschte hingebungsvoll die Knebelunterseite und war kurz davor, ihre Befreiungsaktion zu bereuen.

'Wenn mich das Ding nur nicht so gequält hätte mit dem Würgereiz, ich wär' so gern geblieben, es ist einfach toll, die Kiste ist genau so groß, daß ich darin gerade so Platz habe', sinnierte Magda.
Lustvoll drückte sie sich das Schrittband ihres Keuschheitsgürtels hin und her, sie spürte deutlich, wie es darunter warm wurde. Als sie auf diese Weise ihre devote Seele baumeln ließ, hörte sie plötzlich Geräusche, die von draußen kommen mußten. Sie erstarrte in ihren Bewegungen und hielt den Atem an.

- "Ist da wer?", vernahm sie deutlich die Stimme eines Mannes. Magda verhielt sich mucksmäuschenstill. Jetzt wurde ihr die Situation klar: Jemand sah das Kellerschachtgitter im Gras liegen und machte sich anscheinend Gedanken, was es damit auf sich hätte.
'Hoffentlich hat er nicht meinen Bademantel mitgenommen', kam es Magda siedendheiß in den Sinn; ein gräßlicher Gedanke, ihres einzigen Kleidungsstückes beraubt zu sein.
'War ich blöd', schalt sie sich selber, 'hätte ich doch bloß nicht den Mantel hinausgeworfen, und vor allem, daß ich dann nochmals in die verdammte Kiste gestiegen bin.'

Magda befreite sich von dem Knebel und klappte, so geräuschlos als möglich, den Kistendeckel auf. Gerade als sie aus der Kiste heraussteigen wollte, gewahrte sie ein weiteres Geräusch, diesesmal kam es aus dem Kellergang.
'Auch das noch, jetzt bin ich verloren', erkannte Magda glasklar ihre fatale Lage. Jetzt würde der Hausmeister kommen oder sonst wer und nachsehen wollen, was es mit dem geöffneten Kellerfenster aufsich hat.
'Das wird ein Riesen-Theater werden', folgerte Magda und klappte hurtig dem Deckel über ihren Kopf zu.
'Jetzt bloß die Nerven behalten', nahm sie sich vor und kauerte still in ihrem Gefängnis. Nach einigen Sekunden vernahm sie, wie sich die Schritte wieder entfernten. Erleichtert atmete sie auf, doch ihr war klar, daß das noch nichts heißen mußte, überall lauerten jetzt tausend Gefahren, bis hin, daß die Polizei gerufen würde, daß man annehmen konnte, ein Einbruch sei geschehen.

Als sie eine ganze Weile nichts mehr gehört hatte, weder von dem Kellergang her, noch vom Fenster, verließ Magda die Kiste und drückte sich wieder das enge Fenster hindurch in den Lichtschacht. Der Fremde hatte das Gitter nur lose über den Rahmen des Schachts gelegt, es gelang ihm anscheinend nicht, es wieder richtig in den Rahmen einzusetzen. Nicht umsonst benötigte Magda den Hammer, um es herauszuschlagen und jetzt war es so verbeult, daß es auch mit kräftigen Tritten nicht mehr einzusetzen war.

Wieder legte Magda die engmaschigen Quadrate in das Gras ab und lugte vorsichtig über den Schachtrand. In diesem Augenblick sah sie in der Ferne einen Mann zu den Müllcontainern gehen; sie traute ihren Augen nicht: Dieser Mann hatte ein Knäuel in der Hand, öffnete die Klappe des Altkleider-Containers und warf jenes hinein. Beim Hineinwerfen erkannte Magda in dem Kleidungsstück ihren Bademantel. Erst jetzt suchte sie den Umkreis des Schachtes ab, in welchem sie hockte, und stellte mit Verzweiflung fest, daß dieses letzte Kleidungsstück, das sie hier besessen hatte, tatsächlich nicht da lag. Sie überlegte fieberhaft:

'Als ich den Mantel aus dem Schacht hinausgeworfen hatte, mußte er in der Nähe irgendwo im Gras niedergefallen sein. Doch hier ist er nicht, also muß ihn der Mann mitgenommen haben. Vielleicht war er es, der soeben im Kellergang war.'
Während sie versuchte, ihre aufkeimende Verzweiflung zu unterdrücken, beobachtete Magda, wie der Fremde mehrfach den Bügel an dem Altkleider-Container nach hinten zurückdrücken wollte, doch befanden sich bereits zu viele Kleidungsstücke in dem verhältnismäßig kleinen Kasten, so daß die Klappe nicht mehr ganz zu ging.

Magda erkannte ihre Chance, am Ende doch noch zu ihrem begehrten Stoff zu gelangen; überhaupt war sie froh, daß seit einigen Jahren die neue Verordnung in Kraft getreten war, daß für mehrere Häuser gemeinschaftlich ein Altkleider-Container aufgestellt werden mußte, auch Glas- und Altmetall-Container waren jetzt Pflicht. Auf diese Weise wurde ihr Mantel wenigstens nicht in den Hausmüll geworfen, der im Grund genommen nur noch aus wirklich stinkenden Hinterlassenschaften bestand, denn für alle sauberen Abfälle gab es spezielle Entsorgungsbehälter.

Als der Mann verschwunden war und auch sonst niemand sich im Sichtbereich zwischen ihrem Standort und dem Entsorgungsplatz aufzuhalten schien, stieg Magda aus dem Schacht; die Sonne stand gleißend-hell am Himmel, ihr Strahl spiegelte sich auf der glänzenden Oberfläche ihres Keuschheitsgürtels.
'Verdammt, dieses Scheiß-Ding', empörte sich Magda im Stillen und erst jetzt wurde ihr bewußt, daß sie abgesehen von den drei Stahlteilen völlig nackt dastand. Sie hatte zwar die Verbindungskette zwischen den Handschellen durchtrennt, die Schellen jedoch umfaßten als Armringe weiterhin ihre Gelenke.

'Sollte ich doch lieber wieder zurück in den Keller und warten, bis die Herrin eintraf?', überlegte sich Magda, doch sie entschied sich, den Spießrutenlauf zu dem Container zu wagen.
'Ist es eine Straftat, nackt herumzulaufen?', kam es ihr kurzzeitig in den Sinn, doch sie schüttelte alle Gedanken ab und spurtete zu dem Altkleider-Container. Beim Laufen verlor sie ihren rechten Schuh, einer schlechten Gewohnheit folgend hatte sie die Schuhe nicht fest zugeschnürt, sondern war nur in die locker zugebundenen Chucks hineingeschlüpft. Beim Rennen strafte dieser lässige Umgang; ohne sich weiter darum zu kümmern, schüttelte Magda jetzt auch den linken Schuh von ihrem Fuß und lief die restlichen Meter barfuß.

Am Altkleider-Container angekommen stellte Magda freudevoll fest, daß tatsächlich die Klappe nicht ganz nach hinten gedrückt war; neben ihrem Bademantel hing eine Hose halb in der Klappe, halb im Container eingezwängt. Sie mußte sich auf den Zehenspitzen stehend gewaltig strecken, um zu den Kleidungsstücken zu gelangen, doch fehlten ihr wenige Zentimeter, sie zu ergreifen.
Wieder war Magda der Verzweiflung nahe, 'hört denn dieser Alptraum gar nicht mehr auf', empörte sie sich innerlich, sie hüpfte in die Höhe, ihre nackten Brüste schrappten schmerzhaft an dem Blech der Einwurfklappe, doch es gelang ihr, beide Kleidungsstücke zu fassen. Der Kampf war indes noch nicht zu Ende, sie konnte zwar die Stücke soweit aus dem Container herausziehen, daß sie wieder mit beiden Beinen auf dem Boden zu stehen kam, die Stoffe waren aber immer noch zwischen Klappe und Container eingeklemmt.

Verzweifelt ließ Magda die Hose los und rüttelte mit der jetzt freien Hand an dem Bügel der Einwurfklappe, während sie ihren Bademantel festhielt und daran zog, immer darauf bedacht, ihn dabei nicht zu zerreißen. Endlich gab der Mechanismus den Mantel frei, Magda zog in aus dem Kasten heraus und schlüpfte sofort hinein. In der Aufregung vertauschte sie die Ärmel, mußte kostbare Sekunden darauf verwenden, nochmals herauszuschlüpfen, um den Mantel richtig anzulegen.
Ihr Herz hämmerte unaufhaltsam, erschöpft von Anstrengung und Aufregung atmete Magda ein paar Mal tief durch, dann wollte sie die Hose herausziehen. Wieder mußte sie in die Höhe springen, diesesmal waren ihre Brüste durch den flauschigen Stoff des Bademantels geschützt. Es gelang ihr, auch die Hose herauszuziehen, ohne lang zu überlegen, stieg sie hurtig in die Röhren.

Die Hose paßte Magda erstaunlich gut, doch war sie nur dreiviertel lang, so daß ihre Waden sichtbar blieben - und mit ihnen auch die elektronische Fußfessel, die sie weiterhin als Attrappe am linken Knöchel trug. Sollte eine Kontrolle kommen, könnte sie das Teil vorzeigen, obwohl es nicht mehr ihren Standort funkte. Magda kam sich vor wie eine Asoziale, sie war auch eine in diesem Augenblick, die im Altkleider-Container wühlte, um sich etwas zum Anziehen zu beschaffen.
Langsam ging sie zu ihren Schuhen zurück, die sie achtlos im Gras zurücklassen mußte. Sie setze sich mit einem Seufzer nieder, schlüpfte hinein, löste den viel zu locker hängenden Knoten der Schnürsenkel, zog diese straff und verknotete sie wieder, so daß sie jetzt nicht mehr so leicht aus den Schuhen unabsichtlich herausschlüpfen würde.
'Diese Latschen müßte ich eigentlich gleich da hineinhauen', kam es ihr in den Sinn, doch sie hatte erst einmal ganz andere Sorgen.

Von weiten beobachtete ein Mann das Geschehen. Zunächst wollte er sich kopfschüttelnd entfernen, doch dann empfand er ein gewisses Mitleid mit der armen jungen Frau, wie sich diese abmühte, springend irgendwelche Kleidungsstücke aus dem Container zu angeln, welche andere weggeworfen hatten.

Unschlüssig erhob sich Magda und ging in die Richtung zur Straße. Der Mann, der sie beobachtet hatte, ging in gleicher Richtung, um auf dem Parkplatz der Wohnanlage zu seinem Auto zu gelangen. Er drehte sich um und fragte Magda, ob er ihr irgendwie helfen könnte; er griff in die Tasche und wollte ihr ein paar Euro zuzustecken.
'Wie das Schicksal gnädig sein kann', kam es Magda in den Sinn und sie antwortete wie aus der Pistole geschossen:
- "Ja, ich müßte nach Lüggen, zu meiner Wohnung, bitte, dürfte ich bei Ihnen mitfahren, können Sie mich da hinbringen, ich bin in eine Notsituation hier geraten."
Der Mann blickte sie etwas überrascht an, denn mit dieser Antwort hatte er nicht gerechnet. Er entgegnete:
- "Da haben Sie aber Glück, ich muß nämlich auch dort hin, also kommen Sie mit!"
Nach wenigen Metern hatten sie das Auto des Fremden erreicht, dieser betätigte die Fernbedienung, um die Türen zu öffnen. Prompt quittierte das Fahrzeug die Handlung mit dem Aufflammen der Blinker. Der Mann öffnete die Beifahrertür und gab Magda mit einem leichten Kopfnicken zu verstehen, daß sie einsteigen sollte. Magda lächelte ihn dankbar an und schwang sich in die Limousine.

Während der Fahrt versuchte der Fahrer, ein Gespräch zu entfachen, doch welches unverfängliche Thema er auch immer anschnitt, erhielt er, wenn überhaupt, von Magda nur einsilbige Antworten. Schließlich gab er es auf und sie fuhren den restlichen Weg schweigend nebeneinandersitzend.
Als sie nach Lüggen hereinkamen, traute Magda ihren Augen nicht: Da stand doch am Gehweg Gangolf und stierte sie mit erstauntem Gesicht an.
'Nein, das kann nicht sein, das muß eine Sinnestäuschung sein, bin ich dabei, den Verstand zu verlieren?' Magda schüttelte energisch den Kopf und hielt dann die Hände vor das Gesicht.

- "Haben Sie ein Gespenst gesehen?", fragte der Fahrer Magda. Diese stotterte:
- "Äh - nein, ich dachte nur, es ist ein Bekannter, aber der kann hier gar nicht sein, was soll er hier herumstehen, ich muß mich getäuscht haben."
Indes bemerkte auch der Fahrer, daß der Fremde auf dem Gehweg ebenfalls eine außergewöhnliche Reaktion abgab, als sie vorüberfuhren, als ob sie in einem Unterseeboot daherkämen.
'Was hab ich da nur für eine mitgenommen', wunderte sich der Fahrer, ursprünglich wollte er Magda zu einem Kaffee auf dem Markt einladen, doch da sie sich dermaßen ungesprächig gab, zog er vor, den Kaffee lieber alleine mit der Lektüre einer Zeitschrift zu trinken. Magda bedankte sich artig, als sie auf dem Markt angekommen waren und verabschiedete sich:
- "Sie haben mir sehr geholfen, ich hätte nicht gewußt, wie ich sonst her gekommen wäre."

Magda band den Bademantel fester zu, damit ihr die nackten Brüste nicht herausschwippten, sie begann, in dem warmen Stoff unter der gleißenden Sonne gehörig zu schwitzen. Auch ihre Füße wurden schwitzig, sie achtete nicht des Unbills und schlappte in südöstlicher Richtung davon.
'Jetzt muß ich nur noch in die Wohnung kommen', kam es ihr in den Sinn, als sie die große Fläche des Marktplatzes verließ. An ihrem Haus angekommen drückte sie den unteren Klingelknopf. Wie sie erwartet hatte, kam niemand heraus, ihr zu öffnen. Die Räume im Erdgeschoß wurden als Warenlager genutzt, nur selten hielten sich dort Leute auf. Ab und zu kam jemand, um etwas zu holen oder darin abzustellen.

Magda setzte sich neben die Tür auf den Boden, den Rücken an die Hausmauer gelehnt. Sie stützte die Ellenbogen auf die Knie und legte das Gesicht, so wie sie es häufig praktizierte, in die Handflächen. Auf diese Weise schützte sie ihre Gesichtshaut vor den sengenden Sonnenstrahlen, gleichzeitig ermöglichte diese Haltung ein ungestörteres Nachdenken, da zumindest ihre Augen nicht von den umgebenden Reizen abgelenkt worden waren. Sie litt mittlerweile unbändigen Durst, in der Kiste hatte sie viel Flüssigkeit durch den austretenden Speichel verloren, die enorme Sommerhitze bewirkte ein Übriges.
'Gangolf hat schon recht', sinnierte sie, 'es ist meine Wohnung, und ich möchte da wieder wohnen, und ich möchte das tun, was mir gefällt. So schön das ist mit Martina, aber ich möchte mein eigenes Leben führen, vor allem nicht mehr gequält werden, ich möchte meine Lust haben und nicht nur die Lust sein für sie.'

Magda machte sich ausführlich Gedanken über ihre Zukunft, wie sie mit ihren Bedürfnissen, mit ihren Wünschen zurecht kommen würde, sie dachte an ihr >Herrin<, die sie enttäuschen würde, an Bettina, die Verständnisvolle, und natürlich an Gangolf. Dann kam ihr Helfersyndrom an die Oberfläche. Sie überlegte sich, nach Afrika auszuwandern, um dort Brunnen zu graben.
‚Daß die armen Kinderchen dort wenigstens Wasser trinken können und nicht so durstig sind wie ich gerade’, ging es Magda durch den Kopf, ‚ach, wenn nur Gangi mitkäme, der kann ihr sicherlich zeigen, wie man Brunnen gräbt, der kann doch alles.’

Irgendwann wurde Magda durch ein Geräusch aus ihren Gedanken herausgerissen, ein Lieferwagen bog in den Hof ein und hielt in der Nähe des Hauses an. Das typische Ratschen einer seitlichen Schiebetür traf zu ihr herüber, sie hob den Kopf und gewahrte einen Arbeiter, den sie bereits mehrmals gesehen hatte. Als dieser mit einer Schachtel in der Hand näher kam, erhob sie sich und murmelte etwas, daß sie sich ausgeschlossen habe.

Der Arbeiter setzte das Paket ab und sperrte auf. Er hielt Magda die Tür auf, sie trat in das vertraute Ambiente hinein und hielt nun ihrerseits dem Arbeiter die Tür auf. Als dieser mit seinem Paket hereintrat, meinte er:
- "Wenn du noch was brauchst, ich bin noch `ne Weile da."
Magda lächelte ihn an und murmelte ein "Danke". Dann schritt sie nach oben. Es kam ihr nicht in den Sinn, daß sie mit ihrer Wohnungstür das gleiche Problem haben würde wie unten an der Haustür, daß sie nämlich keinen Schlüssel hatte. Doch bevor sie sich über das neuerliche Problem Gedanken machen mußte, gewahrte Magda, daß die Wohnungstür halb offen stand. Sie erblickte sofort das aufgebohrte und aufgebrochene Schloß.

Unschlüssig, über den Umstand froh zu sein, da sie nun zu ihrer Überraschung problemlos in ihre Wohnung gelangte, aber auch besorgt, ausgeraubt worden zu sein, betrat sie die ihr vertrauten eigenen vier Wände. Sie lief gleich zu dem neuen Schränklein, das Gangolf gezimmert hatte und welches den Geheimsender barg. Da es unversehrt aussah, atmete Magda erleichtert auf und nahm nun auch alle anderen wenigen Habseligkeiten in Augenschein.

Erstaunt stellte Magda fest, daß alles unberührt aussah, daß nichts durchwühlt worden war und daß auch nichts fehlte.
'Vermutlich', sagte sie sich, 'haben die gleich erkannt, daß es bei mir nichts zu holen gibt. Jetzt erst `mal unter die Dusche und dann sehe ich nach den Vorräten, was ich mir zu Essen kochen kann.'
Nachdem sie mit der Dusche fertig war, hüllte sie sich in ihr Badetuch und ließ sich auf das Sofa fallen.
'Was für ein irrer Tag', dachte sie sich, 'endlich ist alles zu Ende gegangen.'

Doch der Tag war noch lange nicht zu Ende.










78. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 18.02.22 22:50

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Quietschend drückte Bettina den innen mit dünnen Holzplatten verkleideten Lattenverschlag des Kellerabteils auf, im Gegenlicht vermochte sie zunächst keine Einzelheiten in dem Raum wahrnehmen. Gangolf trat nach ihr ein, auch er blinzelte mit den Augen, nach einigen Sekunden erkannten beide, daß das Fenster geöffnet stand und das vorgesetzte Gitter abgeschraubt am Boden lag.

- „Waren da am Ende wirklich Einbrecher?“, rief Gangolf erstaunt aus. Auf dem Tisch sah er die Puksäge liegen, dann gewahrte er Eisenspäne. Die Flecken auf der Oberfläche kamen ihm seltsam vor.
- „Da hat jemand etwas durchgesägt“, sagte er zu Bettina, die nun ihrerseits den Blick auf den Tisch warf. Dann sahen sie sich weiter in dem Kellerraum um. Erst jetzt gewahrten sie die offenstehende Kartoffelkiste mit der zerborstenen Abschlußleiste, an welcher das Deckelschloß baumelte. Vor der Kiste betrachteten sie das dunkel gefärbte Blut, das sich auf dem Boden gesammelt hatte, das sie nicht sogleich als solches erkannt hatten.

- „Sag’ `mal, ist das Blut?“, wandte sich Bettina an Gangolf?
- „Ja, ich glaub’ schon, und das auf der Tischplatte ist wahrscheinlich auch ein’s,“, pflichtete Gangolf ihr bei und beiden stieg eine böse Ahnung auf.
Hurtig kletterte Bettina auf den Tisch und schob ihren Kopf durch das geöffnete Fenster in den Lichtschacht. Sie erkannte sofort, daß das Abdeckgitter nicht auf dem Schachtrahmen saß.
- „Das Abdeckgitter fehlt auch“, rief sie aus.
- „Dann hat hier am Ende wirklich einer eingebrochen“, entwich es Gangolf, „und d’rum waren die so überzeugt, ich wäre das gewesen, wie ich da in dem dunklen Kellergang stand und nicht wußte, welches Abteil ich aufsperren muß“.
- „Da kam also jemand und hat die Kiste aufgebrochen und sich dabei verletzt. Doch was war darinnen?“, stellte Bettina die Frage, obwohl ihre Ahnung immer mehr zur Gewißheit wurde.
- „Besser gesagt, wer war darinnen!“, entgegnete Gangolf.
Sie beugten sich über den Kistenrand und sahen den Knebel auf dem Kistenboden liegen; ihre Blicke begegneten sich.
- „Bleibt nur noch die Frage, wer sie befreit hat“, überlegte Bettina.
- „Oder sie hat es selber getan“, vervollständigte Gangolf.
- „Und wo ist sie jetzt?“

Der Mann, der eine Stunde zuvor das herausgehebelte Schachtgitter entdeckte und den davor liegenden Bademantel kurzerhand in den Altkleider-Container warf, machte sich plötzlich Gedanken:
‚Ist da wer in einem Bademantel eingebrochen und hat den Mantel dann draußen liegen lassen? Die Kellerabteile waren alle abgesperrt. Was war da los?’
Ihm fiel ein, daß es ihm nicht gelungen war, den Mantel vollständig in den Container mit der Einwurfklappe hineinzubringen, da dieser bereits randvoll gefüllt gewesen war. Er beschloß, nochmals zu dem Container zu gehen, um den Mantel wieder herauszufischen und neben den geöffneten Keller-Lichtschacht zurückzulegen. Erstaunt stellte er fest, daß der Bademantel nicht mehr in der Klappe hing und auch das andere Kleidungsstück, das bereits zuvor dort eingezwängt gewesen war, konnte er nicht mehr sehen. Eigentlich wollte er die Polizei rufen, doch wenn nun das Corpus delicti nicht mehr da war, würde er sich wohl nur lächerlich machen und er beschloß, die Sache zu vergessen.

Brause fand beim Angeln keine richtige Entspannung, ständig kreisten seine Gedanken um Magda, warum diese ausgerechnet an diesem Tag unauffindbar geblieben war. Ein Kajakfahrer, dem die Ruten im Wege waren, murrte ihn an:
- „Verfluchte Würmerbader, müßt ihr denn überall sein“.
Schon lange hatte Brause diesen Spott nicht mehr zu Ohren bekommen, er mußte daranhalten, nicht in ein Lachen auszubrechen. Er wählte Magdas Nummer und vernahm nach einigen Sekunden ihre klägliches Stimmchen: „Hallo?“
- „Brause hier, Tach, Frau Armdran, schön, Sie zu hören, wie geht es Ihnen?“
Es blieb eine Weile still in der Leitung, ehe Magda schüchtern antwortete:
- „Ja gut. Ich glaube, daß bei mir eingebrochen wurde, als ich heute Vormittag nicht da war. Wollen Sie sich das ansehen?“
Brause kombinierte blitzschnell: ‚Da waren die Kollegen da und ließen wohl die Tür aufbrechen, diese Hornochsen, statt zu warten, bis die Armdran wieder in ihrer Wohnung wäre. Sie steht ja nicht unter Hausarrest und kann sich in der ganzen Stadt aufhalten.’
- „Oh, das tut mir leid“, antwortete Brause, „ja, ich komme so in einer viertel bis halben Stunde zu Ihnen, soll ich `was mitbringen, hab` ziemlich einen Kohldampf“.
- „Oh ja, das wäre sehr nett von Ihnen“, entgegnete Magda, auch sie verspürte Hunger.
- „Ich fahr’ bei dem Hähnchenstand vorbei, denn bis der Fisch gemacht ist, das dauert zu lange, ich lass` Ihnen einen da, den können Sie dann in Ruhe morgen zubereiten.“
- „Au ja fein, danke, daß Sie immer so nett zu mir sind.“

Magda war sich unschlüssig, wie sie sich kleiden sollte. Es kamen nur der Wollkragenpullover und der Bademantel in Frage, denn nur diese Kleidungsstücke reichten ihr weit über die Handgelenke, so daß sie in der Lage waren, die Handschellen zu überdecken. Sie entschied sich für den flauschigen Bademantel, immerhin konnte sie das glaubhaft herüberbringen, als sie soeben erst aus der Dusche gestiegen war, der Pullover war dagegen viel zu warm, sein Tragen wäre geradezu auffällig gewesen.

Als Brause klingelte, lief sie hurtig die Stiege hinab, um ihm die Haustür zu öffnen. Brause erwiderte ihren Gruß und heftete seinen Blick für einen kurzen Augenblick auf Magdas schwarzen Büstenhalter, der aus dem Bademantel hervorlugte.
- „Ich hoffe, ich störte sie nicht in ihrem Bad“, versuchte sich Brause zu entschuldigen; er bemerkte ihr Parfum und wunderte sich über die gepflegten Haare, denn Magda hatte sich tatsächlich für ihre Verhältnisse ungewöhnlich lange mit der Körperpflege befaßt.
- „Nein, nein, gar nicht, ich bin froh, daß ich eine Ansprache bekomme“, antwortete Magda wahrheitsgemäß. Sie befand sich tatsächlich in einer gewissen Leere, unschlüssig, wie sie den Nachmittag und Abend verbringen würde.
Brause betrachtete das aufgebohrte Schloß, sagte aber nichts dazu. Auch Magda ging nicht darauf ein, sie blickte lieber erwartungsvoll auf die kleine Tüte, in welcher sie Brauses mitgebrachte Grillhähnchen erhoffte.

Schweigend verschlangen Magda und Brause ihre Portionen. Als sie fertig waren, fragte Brause:
- „Wissen Sie, wo ihr Bekannter ist, Herr Stumpf?“
- „Nein“, gab Magda kurz zur Antwort, „ist was mit ihm?“
- „Ich versuchte ihn, heute am Vormittag zu erreichen, aber sein Handy war aus.“
- „Keine Ahnung. Aber würden Sie es bitte nochmals probieren, es wär’ so schön, wenn er wieder `mal käme.“
- „Ja, das kann ich machen, haben Sie denn nicht seine Nummer?“
- „Nein, ich habe überhaupt keine Telephonnummer von wem, ich werde immer nur angerufen.“
- „Ach, Frau Armdran, haben Sie `mal was zu Schreiben, ich schreib’ Ihnen seine Nummer auf, für alle Fälle. Während Magda einen kleinen Notizblock und einen Stift aus der Küche holte, blätterte Brause die Kontaktliste seines Handys durch. Nachdem er Gangolfs Nummer notiert hatte, erinnerte es sich an den eigentlichen Grund seines Besuchs und sagte:
- „Beinahe hätte ich es vergessen, Frau Armdran, bitte kommen Sie morgen auf das Polizeirevier, mein Chef, Dienststellenleiter Nisselpriem möchte Sie sprechen, vielleicht kann Herr Stumpf Sie dort hinbringen, ich selber bin nicht im Dienst, wie Sie sehen, und was der zu sagen hat, ist seine Amtshandlung, ich sag’ ihm nur, daß das heute nichts mehr wird, er ist vielleicht schon im Feierabend. Also vergessen Sie es nicht, kommen Sie, sobald es geht, auf das Revier.“
Magda sah ihn mit großen Augen an, sie ahnte Unheilvolles, doch wunderte sie sich, daß Brause nichts weiter dazu sagte. Es gelang ihr gerade noch, ein „Wiederseh’n“ zu stottern, als Brause sich verabschiedet hatte und zur Wohnungstür hinausging. Auf den Wohnungseinbruch kam sie gar nicht mehr zu sprechen, sie verdrängte dieses Ereignis, auch Brause hatte es während seines gesamten Aufenthalts nicht erwähnt.

Magdas Herz schlug höher. Seit sie in ihrer kleinen Wohnung eingezogen war, hatte sie noch nie einen Anruf unternommen. Sie legte den Notizblock neben das Telephon und tippte auf den quadratischen Wahltasten nacheinander die Ziffern ein, die sie von dem Zettel ablas. Sie wußte gar nicht mehr, daß jede Taste beim Niederdrücken einen anderen Ton erzeugte; als das Wartezeichen ertönte, umspannte sie aufgeregt den Hörer.

Unschlüssig, was als nächstes zu tun wäre, standen Bettina und Gangolf noch eine Weile in dem Kellerabteil herum. Ihre Gedankengänge wurde durch den schrillen Klingelton von Gangolfs Smartphone abrupt unterbrochen.
- „Ja hallo, was für eine Überraschung“, erklang Gangolfs freudevolle Stimme, „du bist also bei dir zu hause!“ ... „Ja klar komme ich, soll ich die Bettina auch mitbringen, sie steht g’rad neben mir“ ... „Schön, wir kommen gleich, zehn Minuten, Viertelstund“ ... „Servus“.
- „Die ist bei sich daheim“, rief Gangolf aufgeregt, Bettina hatte das natürlich längst mitbekommen, auch wenn sie Magda nicht hatte hören können.

- „Sollen wir ihr das sagen, daß wir hier ihre Kiste fanden, die sie aufgebrochen hatte?“, überlegte Bettina.
- „Schauen wir erst einmal, wie die Magda so d’rauf ist“, entgegnete Gangolf, „vielleicht ergibt es sich von selber, wenn wir ihr es sagen, oder wenn es sich nicht ergibt, dann lassen wir es zumindest für heute. Aber wir sollten erst einmal noch das Gitter oben wieder einsetzen, damit nicht jemand auf die Idee kommt, hier wäre wirklich eingebrochen worden.“

Als sie um das Haus herumgegangen waren, sahen Bettina und Gangolf das Abdeckgitter vor dem Lichtschacht liegen. Gangolf legte es auf den Rahmen, sie wunderten sich, daß es nicht in diesen hineinrutschte. Auch mehrmaliges Daraufspringen half nichts, es ließ sich nicht in den Rahmen drücken. Ratlos blickten sie sich an, als in diesem Augenblick ein Mann über den Rasen hinzukam.
- „Ah, Sie schon wieder, Sie waren doch heute Vormittag schon da unten im Keller, was machen Sie da schon wieder?“
Ehe Bettina Worte suchte, um den Sachverhalt aufzuklären, ging Gangolf in die Offensive:
- „Da hat anscheinend wirklich jemand eingebrochen, aber unten fehlt nichts, wir waren soeben unten gewesen und haben nachgesehen. Aber das
Gitter ist verbogen, wir bringen es nicht mehr auf den Lichtschacht hier in den Rahmen.“
- „Hm“, brummte der Mann, stemmte sich mit seinem deutlich höherem Gewicht auf das Abdeckgitter, konnte aber gleichfalls nichts ausrichten. Achselzuckend ging er von dannen.

- „Fahr’ schon `mal los“, forderte Gangolf Bettina auf, „ich hab’ weiter vorn auf der Straße mein’ Golf hingestellt, treffen wir uns dann bei der Magda.“
- „Ja gut, ich hol’ dann noch was vom Bäcker, dann soll sie uns einen guten Kaffee brauen.“
- „Halt“, widersprach Gangolf, „sie >soll< nicht, sondern wir >bitten< sie, mit den sprachlichen Gewohnheiten fängt es an, ihr ihr Menschsein zurückzugeben.“
- „Oh Gangolf, du hast ja so recht, so ist es, ich hab’ mich auch schon so daran gewöhnt, sie so niederträchtig zu behandeln, das geschah im Lauf der Zeit so ganz unbewußt, o Herr, vergib’ mir.“
Schuldbewußt blickte sie ihn an, Gangolf setzte eine verständnisvolle Miene auf und sie schritten bis zu ihrem Auto wortlos nebeneinander her.

Als sich die kleine Gruppe zur Kaffeetafel niedersetzte, begann Magda mit erstaunlich gefestigter Stimme zu sprechen:
- „Polizeimann Brause war da, er war sehr nett und hat mir ein Hähnchen mitgebracht, das wir dann gleich gegessen hatten. Und vielen Dank für das Gebäck, das ihr mir mitgebracht habt. Also damit ich es nicht vergesse, er will, daß wir uns morgen bei dem Polizeichef Nisselmann melden, oder wie der heißt, und er meinte, ob du mich hinbringen könntest. Das wäre sehr lieb von dir, Gangi, oder natürlich auch du, liebe Tina.“

Bettina und Gangolf betrachteten Magda überrascht, denn sie konnten sich nicht erinnern, daß Magda je eine solch lange Ansprache gehalten hätte. Doch diese fuhr sogar noch fort:
- „Und bitte versteht ihr, daß ich jetzt doch wieder lieber in meiner Wohnung hier bleiben möchte, nachts auf jeden Fall, und am Tag freue ich mich natürlich über euch und wenn ihr zum Essen kommen wollt oder wir fahren wo hin, wie neulich dort in dem Dorf, das war so schön, wo die Schiffe rudern und so.“

Bettina und Gangolf begannen gleichzeitig zu sprechen in dem Sinn, daß sie natürlich volles Verständnis hätten für Magdas Wunsch. Bettina versprach, darüber mit Martina zu reden, denn auch sie müsse Magdas Willen respektieren auf ein selbstbestimmtes Leben.
- „Reicht es, wenn ich dir morgen deine Sachen mitbringe, die noch bei mir sind?“ fragte Gangolf.
- „Ja freilich, das ist lieb, vor allem die Geldbörse, dann kann ich wieder Einkaufen gehen und mir was kochen und natürlich auch für euch, am Sonntag oder wann ihr es wollt. Und auch das Gewand, ich hab’ das noch bei dir, denn wir sind mit dem Motorrad weggefahren von dir und die Lederkombi liegt noch bei der Herrin.“
- „Die bringe ich dir“, versprach Bettina.

Als sie sich erhoben, um sich zu verabschieden, umarmte Magda Gangolf, sie drückte ihm einen langanhaltenden Kuß auf seine Brust. Schließlich wandte sie sich zu Bettina, auch mit ihr fiel sie in eine innige Umarmung; als Bettina die Arme wieder von Bettinas Rücken löste, nahm Magda Bettinas Hände und drückte sie auf ihre Brüste, ihre Augen begegneten sich auf gleicher Höhe.

Bei den Umarmungen bemerkte sowohl Bettina als auch Gangolf einen harten Druck auf den Rücken. Sie konnten sich diese Tatsache nicht begreiflich machen und sagten dazu nichts. Als Gangolf bereits im Begriff war, die Wohnungstür aufzuziehen, rief Magda ihm hinterher:
- „Ach Gangi, kannst du morgen deine Eisensäge mitbringen, aber eine große, wenn möglich“.
Gangolf wandte sich nochmals um und fragte:
- „Ja sicher, wozu brauchst du sie denn?“ Noch während er die Frage aussprach, fiel ihm die Puksäge auf dem Kellertisch ein und die dane-benliegenden Eisenspäne. Magda hob einen Arm und schüttelte den weiten Ärmel ihres Bademantels zurück, Bettina und Gangolf starrten auf das im Abendlicht glänzende Eisen des stählernen Armreifs.

- „Respekt“, fuhr Gangolf fort, „daß es dir gelungen ist, mit der kleinen Säge die Verbindungskette durchzusägen, aber die großen Stücke da, die müssen wir in den Schraubstock einspannen zum Sägen, schon allein deshalb, damit nicht beim Abrutschen des Sägblatts deine Hand verletzt wird. Habt ihr nicht den Schlüssel dazu?“
Magda sah das ein, sie erinnerte sich an die Mühe, die sie hatte, das verhältnismäßig dünne Kettchen durchzusägen. Gangolf betrachtete das Schellenschloß genauer, es war nicht der übliche einfache Mechanismus, den man notfalls mit einem einfachen kleinen gebogenen Draht lösen konnte, sondern ein seitlich angebrachtes richtiges Schloß. Bettina wollte nicht Martina um die Herausgabe des Spezialschlüssels bitten, sie fürchtete ohnehin die gewaltige Auseinandersetzung, die sie am Abend mit ihr führen würde.

Bettina akzeptierte, daß Magda das Spielzeug für Martina war. Sie beteiligte sich selten an den Aktionen, die Martina mit Magda vollzog, vor allem nicht an den Quälereien. Manchmal kam es vor, daß Bettina Magda unter dem Tisch sitzend oder liegend vorfand, dann ließ sie es zu und genoß es auch, wenn diese ihr im Schritt streichelte oder wenn sie ihre Füße auf Magdas Körper abstellen konnte, Bettina streifte dabei im Gegensatz zu Martina stets die Schuhe ab.

Magda, Bettina und Gangolf kamen überein, sogleich nach Wesserbarg zu Gangolfs Haus aufzubrechen, um dort Magda aus den Schellen zu befreien, auch Bettina kam in ihrem Auto mit.

Keiner der drei ahnte, daß zur gleichen Zeit jemand beim Anblick einer aufgebrochenen Kiste einen Tobsuchtsanfall erlitt.
























79. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von folssom am 20.02.22 00:54

Zitat

Keiner der drei ahnte, daß zur gleichen Zeit jemand beim Anblick einer aufgebrochenen Kiste einen Tobsuchtsanfall erlitt.


Die bedauernswerte Martina musste leider feststellen, das ihr "Vöglein" entflogen war.
80. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 26.02.22 04:17

Vielen Dank, Sarah, für deinen Kommentar, "daß die bedauernswerte Martina..."; diese Einschätzung der "bedauernswerten Martina" ist sehr zynisch und es freut mich sehr, zeigt es mir doch, daß Du und hoffentlich andere Leser gleichfalls dich in die Gefühlswelt der beteiligten Personen in dem Roman hineinverdenkst!



42

Gangolfs erste Idee war das Durchsägen der Schellen. Dazu wollte er die Schellen in den Schraubstock einspannen und zwischen dem eingeschelltem Handgelenk und dem Schellenbügel Holzstäbchen unterschieben, damit Magdas Haut auf keinen Fall in Mitleidenschaft gezogen würde, weder durch die heißen Eisensägespäne, noch durch das Sägeblatt selbst, wenn es anfänglich aus der noch nicht tief genug gesägten Rille herausspränge oder wenn es am Ende dann zwischen den beiden durchgesägten Teilen hindurchfiele.

Doch dann besann sich Gangolf einer anderen Vorgehensweise. Er spannte einen großen Holzblock auf das Tischchen der Ständerbohrmaschine, auf dessen oberer Kante der Bolzen der Schellen aufgelegt wurde. Magda mußte dazu ihre Händchen stark nach unten abwinkeln, damit die Handschellen waagrecht zu liegen kamen. Gangolf spannte einen Edelstahlbohrer ein, sollte der Gelenkbolzen aus gehärtetem Stahl bestehen, gelänge es ihm damit auf jeden Fall, diesen herauszubohren.

Mit breitem Klebeband umschlung Gangolf Magdas Handgelenke, um die Haut vor den sich drehenden Bohrspiralen zu schützen. Nach wenigen Sekunden waren die Bolzen durchbohrt, die Unterteile mit den sägezahnförmigen Zacken lösten sich von den aus den zwei parallelliegenden Gegenstücken bestehenden Oberteilen, Magdas Händchen waren frei. Noch bevor Gangolf das Klebeband von ihren Handgelenken abziehen konnte, fühlte er sich am Kopf umarmt: Magda zog ihn zu sich herab und drückte auf Gangolfs Mund einen dicken Kuß.

Im Wohnzimmer feierten alle drei Magdas Befreiung, sogar Magda, die bislang immer nur Wasser, Kaffee oder Tee trank, willigte auf ein Glas Weißwein ein. Gangolf holte eine Flasche Chardonnay aus dem Kühlschrank, während Magda und Bettina sich gemeinsam zu schaffen machten, ein Abendessen herzurichten. Bettina ließ es bei dem einen Glas bewenden, sie mußte noch nach Laukuv heimfahren, sie fürchtete auch die zu erwartende Debatte mit ihrer Mitbewohnerin Martina, sie wollte dazu einen klaren Kopf behalten.

Magda schlug von sich aus vor, diese eine Nacht nun doch noch einmal bei Gangolf zu bleiben, damit dieser sich beim Trinken nicht zurückhalten mußte und überhaupt, um ihm den nochmaligen Weg nach Lüggen zu ersparen.
- „Wie kamst du überhaupt in deine Wohnung, deine Sachen liegen ja noch alle hier?“, fiel es plötzlich Gangolf ein. Magda überlegte einen Augenblick, bis sie antwortete:
- „Hast du nicht gesehen, bei mir wurde eingebrochen, die Wohnungstür stand offen und die Haustür unten, da wartete ich davor solange, bis einer von unten kam.“
- „Was, bei dir wurde eingebrochen?“, erstaunte sich Bettina, doch Gangolf ahnte schnell, wer diese Einbrecher wohl gewesen waren.
- „Hast du das nicht gleich dem Brause gezeigt?“, wollte Bettina weiter wissen.
- „Er hat nichts dazu gesagt“, entgegnete Magda, wieder zu ihrer alten Schüchternheit zurückgekehrt.
- „Mann, da kommt ein Polizist zu dir zu Besuch, was für ein Zufall, und der reagiert gar nicht auf die Einbruchspuren? Was haben die denn alles überhaupt gestohlen, warum hast du denn uns nichts gesagt, also ich hätte das als Allererstes gesagt, das ist ja wirklich nichts Alltägliches“, echauffierte sich Bettina.
- „Ach weißt du, ich war sooo froh, daß ich wieder in meine Wohnung kam, ich hatte ja keinen Schlüssel, der ist hier in der Hosentasche von der Jeans, die ich bei Gangi zurückließ.“
- „Das klingt ja so, als ob du froh darüber warst, daß bei dir eingebrochen wurde.“
- „Ja, so war es, ich war froh, auf diese Weise in meine Wohnung ohne Schlüssel hineinzukommen und gestohlen haben die nichts, es war nicht einmal der Schrank durchwühlt und auch sonst nichts, ich glaube, die haben schnell bemerkt, daß bei mir nichts zu holen war.“
- „Aber morgen, wenn wir zur Polizei fahren, zu dem Obersten dort, wie hieß er gleich wieder, du weißt schon, dem sagen wir das aber.“
- „Kommst du denn mit, o ja, das würde mich sehr freuen, dann gehen wir zu dritt dort hin, da bin ich dann nicht mehr so aufgeregt. Habt ihr eine Idee, was die von mir wollen, stimmt was an dem Sender nicht?“

Nun mischte sich Gangolf ein: „Es kann wohl nichts besonders Schlimmes sein, was sie dir sagen wollen, denn sonst hätten sie das schon gesagt, also der Brause war ja bei dir, und sie hätten uns nicht noch einmal einen Tag Aufschub gegeben, uns zu melden.“
Die beiden jungen Frauen fanden Gangolfs Argumentation einleuchtend und machten sich diesbezüglich keine weiteren Gedanken.

- „Mäßige dich“, entrüstete sich Bettina, als Martina ihr heftige Vorhaltungen machte wegen Magdas Verschwinden, „es war allein deine Idee, Magda da unten im Keller einzusperren und wenn du sie nicht in die enge Kiste gesperrt hättest, wäre sie wohl gar nicht auf die Idee gekommen, zu flüchten. Aber in dem engen Gefängnis bekam sie wahrscheinlich die totale Panik, noch dazu mit dem dicken Knebel, den wir in der Kiste fanden.“
- „Wer ist wir?“, wollte Martina wissen, sie mäßigte ihren Tonfall.
- „Ja ich und Gangolf, sonst natürlich niemand.“
- „Der war auch mit dabei? Ich dachte, er wäre allein am Vormittag hierher gefahren?“
- „Ja, ist er auch, doch Nachbarn kamen zusammen und hielten ihn für einen Einbrecher. Die Polizei hat ihn geholt und er mußte einige Zeit in der Polizeizelle eingesperrt bleiben in Lüggen. Und das alles wegen dir, weil du es immer mit Magda übertreibst!“
- „Was hat das mit Magda zu tun, wieso läßt er sich von der Polizei einsperren, er hatte doch deinen Schlüssel?“
- „Das schon, aber er wußte nicht, welches Abteil unseres ist und probierte dort an allen Schlössern herum, dabei wurde er beobachtet. Und den Polizisten wollte er natürlich nicht sagen, daß da in einem Abteil eine Person eingesperrt wird, die unter Überwachung steht, die ausgerechnet an diesem Tag von der Polizei gesucht wird. Sei froh, daß er so besonnen reagierte und nichts sagte und sich dafür sogar verhaften ließ, bis ich den Sachverhalt klären konnte. Das hätte böse aufgehen können für dich, Martina, hast du das verstanden?“

Martina sah ihre Freundin erstaunt und nachdenklich an, sie nickte leicht, gab aber keine Antwort. Nach einer Weile fragte sie:
- „Und jetzt ist sie wieder bei Gangolf?“
- „Ja, aber nur für heute Nacht nochmals, ihre Sachen liegen ja noch bei ihn. Aber ab morgen will sie wieder in ihrer Wohnung bleiben und das mußt du respektieren, sie ist nicht deine Sklavin, über die du unbegrenzt verfügen kannst, sie ist ein Mensch mit eigenem Willen, mit eigenem Leben. Sie hat genug für dich getan, eigentlich unermeßlich viel, sei ihr doch endlich einmal richtig dankbar dafür.“

Martina schluckte. Sie war sich bewußt, daß Bettina natürlich recht hatte. Und dennoch hatte sie sich so in die reizvolle Vorstellung hineinversenkt, daß Magda nun ganz ihr gehöre, wenn sie von der überwachenden Fußfessel befreit wäre. Im Grunde hätte sich für Martina wenig bis nichts geändert in ihrem Verhältnis zu Magda, wenn diese weiter in ihrer kleinen Wohnung bliebe. Ihre Enttäuschung war nicht zu übersehen, niedergeschlagen zog sie das Schlüsselein für Magdas Keuschheitsgürtel hervor und übergab es Bettina mit den Worten:
- „Willst du deines auch gleich haben, dann ist es eben vorbei mit uns.“
- „Jetzt schütte nicht das Kind mit dem Bade aus“, gab Bettina zur Antwort, „unsere Liebe hat doch hoffentlich nichts mit deinem Verhältnis zu Magda zu tun.“
- „Nein, natürlich nicht“, schickte sich Martina schnell an zu antworten. Obwohl der Ärger und die Enttäuschung noch deutlich spürbar in ihren Knochen saß, wandte sie sich zu Bettina um und umarmte sie. Die beiden Tinas gaben sich einen langanhaltenden Kuß, sie verzogen sich in’s Schlafzimmer und gaben sich einander hin.
Beide versuchten, ihre negativen Gedanken abzuschütteln, das war gar nicht so leicht, auch wenn sie jetzt wieder innig verschlungen nebeneinander auf dem breiten Bett ruhten. Bettina hegte den Gedanken, sich von Martina zu trennen, vor allem wegen ihrer sadistischen Handlungen an Magda, aber auch wegen ihres Desinteresses an religiösen Dingen. Martina überlegte gleichfalls, sich von Bettina zu trennen, damit dann Magda ihren Platz einnähme, denn sie konnte getrost auf Bettinas sanfte weibliche Liebesbezeugungen verzichten, indes gierte sie geradezu auf die Aussicht, ihren Sadismus ungehemmten Lauf zu lassen.

Gangolf bereitete Magda auf dem Wohnzimmersofa eine Liegestatt, während er sich in das Schlafzimmer in sein gewohntes Bett zurückzog. Beiden fiel es schwer, einzuschlafen. Der Tag war einfach zu aufregend, um schnell Schlaf zu finden. Beide waren eingesperrt, wenn auch auf ganz verschiedene Weise. Und beiden viel es schwer, dem erotischen Impuls zu widerstehen, den jeweils andern aufzusuchen, um sich in einem Bett aneinandergekuschelt zu lieben.

Magda nahm sich vor, Gangolf zu fragen, ob er wüßte, wie man einen Brunnen gräbt, was man alles dafür bräuchte. Gangolf indes machte sich Gedanken, was Nisselpriem so Wichtiges zu verkünden hätte, daß der Brause das nicht sagen durfte oder wollte.
‚Warum muß Magda deswegen extra auf’s Revier kommen?’, grübelte er, bis er endlich einschlief.

Als Gangolf am nächsten Morgen die Augen aufschlug, drang ihm der verlockende Duft frischgebrühten Kaffees und aufgewärmter Semmeln in die Nase. Es schwang sich freudvoll aus dem Bett und lief in die Küche.
- „Magda, du kannst es nicht lassen, mich zu verwöhnen. Wie war deine Nacht, konntest du halbwegs gut schlafen?“
- „Ganz gut“, log Magda, denn sie lag oft lange Zeit mit offenen Augen da und grübelte, was die Polizei ihr sagen würde und auch, wie das Brunnenbauen ginge. Sie schmiedete auch gleich das Feuer, solange es glühte:
- „Sag’ `mal, Gangi, weißt du, wie man einen Brunnen gräbt?“
Verdutzt blickte Gangolf Magda an, er meinte, nicht richtig gehört zu haben.

- „Wie kommst du denn da d’rauf?“
- „Ja weißt du, wie ich da gestern so arg Durst hatte, da dachte ich an die armen Kinder in Afrika, die nichts zu trinken haben und da beschloß ich, nach Afrika zu fahren und dort Brunnen zu graben. Ich kann ja jetzt überall hinfahren in der Welt, weil du so lieb warst, den Sender zu bauen und deine Freunde, und das find’ ich so toll, du bist so lieb.“

Magda sprang zu ihm und versetzte ihm einen Kuß.
- „Ach, entschuldige bitte, ich hab’ dir noch gar nicht eingeschenkt, da red’ ich vom Trinken und geb’ dir nichts, entschuldige bitte, ach bin ich unnütz.“
Sie ergriff die Kaffeekanne, um ihm einzugießen, doch Gangolf werte ab und wies sie mit hartem Tonfall zurück:
- „Nein, nein und nochmals nein, du bist niiie unnütz, du warst es nie und du wirst es nie sein, Magda, Marlies, hör’ endlich damit auf, dich schlecht vorzukommen, genau das Gegenteil ist der Fall, duuu bist die Liebe schlechthin, duuu machst dich überall nützlich, das sieht man ja genau hier schon wieder mit dem tollen Frühstück, das duuu bereitet hast, versteh’ das doch endlich.“

Gangolf hatte Mühe, sich selber einzubremsen, er war schon wieder an der Grenze angelangt, an welcher ihm Magdas Unterwürfigkeit auf den Geist ging. Magda blickte ihn erschrocken an und war kurz davor, Tränen abzudrücken, doch gelang es ihr, sich zu beherrschen.
- „Schau“, sprach Gangolf weiter, „ich nehme jetzt deine halbgefüllte Tasse und du kriegst meine ungebrauchte leere, die füll’ ich dir jetzt mit heißem Kaffee und ich trinke deinen aus, du bist hier zu Gast und sollst den frischen heißen Kaffee genießen.“

Gangolf vertauschte die Tassen und schenkte Magda den heißen Kaffee ein. Sie ließ ihn gewähren, aufgrund seines bestimmenden Tonfalls wagte sie keinen Widerspruch. Als Gangolf ihre Tasse zum Mund führte, bemerkte er sogleich, daß der Kaffee darinnen tatsächlich bereits deutlich ausgekühlt war, er folgerte daraus, daß Magda bereits längere Zeit allein in die Küche saß, sich zwar eine Tasse eingoß, dann aber doch auf ihn wartete, bis er endlich zum Frühstück kam.

Auch Magda führte nun die Tasse zum Mund und hätte sich beinahe die Zunge verbrannt. Verschämt lächelte sie Gangolf an, sie war durch diese symbolische Liebeshandlung im Innersten ganz gerührt. Sie spürte mehr und mehr in ihr das harmonische Verlangen von Devotheit und geliebt und geachtet zu werden. Sie träumte davon, daß ihre Herrin diese Balance halten könnte; Magda sehnte sich nach Martinas Schrittband, wie sie es zwischen ihren Oberschenkeln kauernd mit der Zunge abschleckte und dabei Martinas Ausscheidungen zu spüren bekam.
‚Doch warum muß sie mich dann immer noch schlagen dazu, sie könnte doch meine Haare kraulen, wie es Gangi so lieb macht.’

Magda begann zu Schluchzen, sie ließ sich von dem Stuhl gleiten und kniete vor Gangolf und bettete ihr Gesicht auf seine Oberschenkel. Gangolf blickte erstaunt auf sie herab, schüttelte den Kopf und begann, ihr Haar zu kraulen.
- „Ach Gangi“, flötete Magda durch seine Beine hindurch, „kannst du Gedanken lesen?“
- „Äh – nein, vielleicht, warum?“, entgegnete er und hörte mit seinen Handbewegungen in Magdas Haar auf.
- „Mache doch weiter“, bat Magda und Gangolf bezog seine vermeintliche Fähigkeit des Gedankenlesen auf diese Tätigkeit, die er ungefragt auf Magdas Kopf begonnen hatte.

‚Hoffentlich geht der Tag gut aus’, machte sich nun Gangolf Gedanken und begann damit, Magdas Haar wieder zu kraulen,
‚hoffentlich gibt es vom Nisselpriem gute Nachrichten, hoffentlich gibt sich das mit der Martina wieder, hoffentlich bleibt Magda in Zukunft nicht weiter so auf ihn fokussiert.
Hoffentlich, hoffentlich.’

Eigentlich suchte er eine Rassige, schon was in Richtung >wilder Feger<.






























81. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 04.03.22 21:46

43

Das Regierungskabinett trat zu seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause zusammen. Das Schwerpunktthema war Condoma. Aus dem Ausland hörte man sowohl von beängstigenden als auch zu vorsichtiger Zuversicht berechtigenden Entwicklungen. Bundeskanzlerein Prank-Barrenkauer lenkte ihre Blicke auf Umweltministerin Graumaus, als diese den Sitzungssaal betrat. Prank musterte deren Kleidung genau in Erwartung einer neuerlichen Provokation, doch dieses Mal konnte sie zumindest nicht auf Anhieb eine solche entdecken.

Staatssekretär Doktor Unwohl referierte über die Erfahrungsberichte, die aus Taiwan und Großbritannien vorlagen:
- „Die Taiwanesen haben herausgefunden, daß die Inkubationszeit bei diesem neuen Virus enorm lang ist, etwa vier Wochen. Das Schlimme daran ist, neben der langen Ungewißheit, ob man infiziert ist oder nicht, daß jeder, auch ohne erkennbare Symptome, potentiell ansteckend bleibt. Erst nach sehr langer Quarantäne kann beurteilt werden, ob eine Infektion vorliegt.

Die gute Nachricht lautet, daß es der körpereigenen Immunabwehr nach anfänglichen gegenteiligen Informationen anscheinend doch gelingt, das Virus zu bekämpfen. Allerdings ist der Selbstheilungsprozeß außerordentlich langwierig, so daß man bisher davon ausging, es käme überhaupt nicht zu einer Selbstheilung. In England sperrte man die Infizierten in die Krankenzimmer ein, während man in Taiwan die Leute unter Hausarrest stellte und das gesamte Stadtviertel abriegelte. Die Bevölkerung wird dort nur über Spezialkräfte versorgt, die in extrem schwerer Schutzausrüstung die Nahrungsmittel verteilt.“

- „Und wie sieht die Situation jetzt in England aus?“, wollte ein Anwesender wissen.
- „Soviel ich weiß, wurden die ersten infizierten Patienten nun entlassen, nach Wochen und Monaten. Jetzt fragen Sie mich aber bitte nicht, wie die Ärzte das dort beurteilen, ob jemand gesundet ist.“

Umweltministerin Graumaus hob die Hand und setzte sofort ein, damit ihr niemand zuvor käme:
- „Ist doch einfach, wenn sich der Typ nicht mehr die Eier kratzt!“

Entsetzte Blicke hagelten auf Graumaus ein, allein ein junger Staatssekretär entwand sich der allgemeine Schockstarre:
- „Und wenn diiie Person gar keine Eier hat?“

Als sich der Tumult im Saal wieder gelegt hatte und die Wogen zwischen Gelächter und Empörung sich geglättet hatten, meldete sich wieder Graumaus zu Wort, diesmal wartete sie indes ab, bis ihr Prank das Wort erteilte:
- „Gibt es denn andere Auswirkungen des Virus’ außer den soeben angedeuteten?“

Unwohl räusperte sich und sagte: „Soviel ich weiß nicht, aber bleiben wir doch bei einer gediegeneren Sprache, sprechen wir von krankhafter Schwellungen der Genitalien und übermäßigem Juckreiz derselben.“
- „Immerhin braucht’s da wohl dann keinen Test, das bemerkt dann ein jeder, wenn er befallen ist“, legte Graumaus nach.
- „Wenn es zum Ausbruch gekommen ist, ja, aber die Schwierigkeit ist die Zeit davor, die Inkubationszeit ist ja so furchtbar lang und zugleich ist man dabei bereits ansteckend, eine schlimme Sache.“

Nachdem eine kurze Diskussionspause eingetreten war, meldete sich Staatssekretär Gscheid vom Auswärtigen Amt zu Wort:
- „Was ist d’ran an dem Gerücht, daß das Virus nun auch schon in Südeuropa ausgebrochen sei?“
Niemand schien darauf eine Antwort zu wissen, Kanzlerin Prank ließ ihren Blick durch die Runde schweifen und ergriff schließlich selber das Wort:
- „Also wenn daran was wahr ist, dann müßten Sie das im Außenministerium als Erstes wissen, woher stammt denn dieses Gerücht?“
Gscheid antwortete: „Ich hörte eben so etwas irgendwo und wollte wissen, ob da was dran sei.“
- „Fragen Sie doch bei der Blöd-Zeitung nach, die wissen doch immer alles“, spottete Graumaus. Prank warf ihr einen bösen Blick zu und ermahnte sie:
- „Mäßigen Sie sich, unqualifizierte Äußerungen bringen uns überhaupt nicht weiter, auch ist die Zeit viel zu schad dafür.“

Nun meldete sich Professor Siebenklug, der Kulturstaatsminister, zu Wort:
„So sehr ich Ihre Wortwahl verabscheue, verehrte Frau Kollegin Graumaus, muß ich Ihnen insofern recht geben, daß die Presse sich nicht scheut, irgendwelche Meldungen herauszubringen, die im Grunde genommen nicht überprüft werden können. Gerade bei den sensiblen Themen Gesundheit und Sicherheit können damit leicht Irritationen in der Bevölkerung geschürt werden, gerade weil der Glaube an den hohen Wahrheitsgehalt von den Inhalten gedruckter Zeitungen in weiten Kreisen absolut ist. Wenn Sie also, Herr Gscheid, ihre angeblichen Informationen aus irgend welchen fragwürdigen Quellen haben, sollten Sie diese erst einmal selber kritisch hinterfragen.“

Gscheid konterte gereizt: „Ich dachte, dieses Gremium hier ist zusammengekommen, um eben über alle das Thema betreffende Informationen zu diskutieren und so wollte ich eben in Erfahrung bringen, ob jemand in der erlauchten Runde zu dem Gerücht etwas sagen kann, ob es vollkommen absurd ist oder ob doch ein Fünkchen Wahrheit daran sein könnte. Aber wenn das so ist, daß man hier nicht einmal mehr Fragen stellen darf, dann halte ich fürder meinen Mund und denk’ mir meinen Teil dazu.“

Jetzt mischte sich Prank ein: „Also ich darf doch bitten, natürlich dürfen Sie jede Frage stellen zu dem Thema hier in der Runde, dazu sind wir zusammengekommen, jetzt verschließen Sie sich nicht, Herr Gscheid, wir sind froh über ihr breites Allgemeinwissen, so wie ich Professor Siebenklug verstand, wollte er nur andeuten, daß man ganz allgemein vorsichtig mit fragwürdigen Quellen umgehen muß. Was mich jetzt wirklich interessiert, ist, ob es sonst wo in der Welt Berichte gibt vom Ausbruch dieses seltsamen Virus’, oder ob die offiziellen Berichte bislang weiterhin auf Großbritannien und Taiwan beschränkt bleiben.“

Außenminister Schmolz antwortete: „Nein, in unserem Bereich ist nichts darüber bekannt.“
- „Wenn man auch immer nur im Büro sitzt, kriegt man freilich nichts mit, was in der Welt los ist“, ereiferte sich Graumaus, „fragen Sie doch `mal ihren Amtsvorgänger, der jonglierte immerhin ständig von der Maas bis an die Memel, von der Etsch bis an den Belt.“
- „Frau Graumaus, mäßigen Sie sich sofort“, empörte sich Prank, „gerade Sie müssen aufpassen, daß sich niemand über ihren Namen lustig macht.“

- „Würde mir zur Ehre gereichen, wenn ich demjenigen dann kontern werde“, entgegnete Graumaus, „und dann ist es so, daß ich ja ganz im Gegenteil Herrn Maas bewunderte, wie er sich den Problemen in Europa und in der Welt annahm und sich nicht in seinem Bunker verschanzte.“
Schmolz schmollte, seine dicken Backen liefen rot an, denn er fühlte sich zurecht kritisiert, daß er längst nicht so reisefreudig war wie sein Vorgänger.

Gesundheits-Staatssekretär Unwohl rettete die ungute Stimmung mit seiner Wortmeldung:
- „Darf ich nochmals auf das Ansteckungsrisiko zurückkommen. Sollte das Virus tatsächlich nach Deutschland kommen, müßten wir also alle Infizierten für lange Zeit beobachten, bis sie keine Symptome mehr zeigen. Einreisende aus Taiwan und Großbritannien müßten für einige Wochen in Quarantäne kommen. Einen Grund für eine Reisewarnung besteht also nicht, ausgenommen natürlich in die beiden Länder, die Urlaubssaison kann also anfangen wie immer.“

Graumaus juckte es in den Fingern, sie hob kurz die Hand, schüttelte dann aber den Kopf, als Prank ihr das Wort erteilen wollte. Anstelle das Wort an alle zu richten, tuschelte Graumaus mit ihrem Sitznachbarn. Dieser stellte dann die Frage in das Plenum:
- „Wie dürfen wir das verstehen, Herr Unwohl, Sie sagten, alle Infizierten müßten für lange Zeit >beobachtet< werden.“
- „Ja, hm“, räusperte sich der Angesprochene, „das wird wohl wie jetzt schon in England in den Krankenhäusern geschehen.“
- „Will also heißen, daß die Betroffenen dort isoliert gehalten werden und wohl auch fixiert zum Selbstschutz.“

- „Das ist freilich ein schlimmes Szenario, das möchte ich mir gar nicht im Detail jetzt schon ausmalen, vermutlich wird man das sehr individuell festlegen müssen je nach Schwere und Ausmaß der Entzündungen und der Reize. Aber Sie haben schon recht, vermutlich wird nichts anderes übrig bleiben, als daß die Ärzte hilflos zusehen müssen, wie sich die Patienten qualvoll in den Betten winden, bis die körpereigenen Abwehrmechanismen schließlich das Virus besiegt haben.“

- „Oder der Mensch bis dahin in seinen Fesseln krepiert ist“, maulte nun doch wieder Graumaus halblaut in die Runde.
- „Wie, was war das?“ empörte sich Prank, „vermutlich nichts Geistreiches, wenn das nur so genuschelt wurde.“
Graumausens Sitznachbar antwortete: „Frau Ministerin Graumaus meinte in dem Sinne, daß vielleicht auch viele während der wie auch immer erfolgenden Behandlung sterben würden.“

‚Habe ich also doch recht gehört’, dachte sich die Kanzlerin, ging aber nicht weiter darauf ein. Sie wandte sich nun mit einem anderen Aspekt an das Plenum:
- „Verstehe ich das richtig, daß die Infizierten nun doch solange in geschlossenen Abteilungen bleiben, bis sie die Infektion überwunden haben, also nicht vorzeitig entlassen würden?“
Unwohl blickte kurz zu seinem Chef, Gesundheitsminister Scham, doch als dieser auch hier wieder keinerlei Reaktion zeigte und dementsprechend auch keine Anzeichen gab, dazu etwas sagen zu wollen, antwortete er knapp:
- „Ja, das sehe ich so.“

Kanzlerin Prank fuhr fort: „Dann wäre das Szenario mit den beiden verschiedenartigen Maskenfiltern erledigt. Wie sieht es aus, Herr Schießmann, kann mit der Austeilung der Gasmasken wie geplant im Ernstfall unverzüglich begonnen werden?“
- „Selbstverständlich“, entgegnete der Verteidigungsminister, „die Bundeswehr steht zu ihrem Wort.“

Mit einem Seufzer bemerkte Prank, wie sich Graumaus erneut zu Wort meldete, ‚sie kann es einfach nicht lassen, `mal sehen, was sie jetzt schon wieder bringt’. Sie erteilte ihr das Wort:
- „Was hört man eigentlich von Therapiemaßnahmen, gibt es schon einen Impfstoff, wie laufen die Forschungen?“

Unwohl wandte sich wieder kurz seinem schweigenden Chef zu, übernahm aber dann sofort das Wort:
-„Leider nein, alle Versuche in unseren Laboren in Deutschland, aber auch im Ausland, brachten bislang keinen Erfolg. Die größte Gefahr sehe ich darin, daß die Gefahr des Virus' unterschätzt wird, weil es bisher nur in Taiwan und England ausgebrochen ist, zumindest offiziell bekannt, und daß vielleicht viele Spezialisten ihre Forschungen auf die Bekämpfung auf andere Viren vorrangig richten, zum Beispiel auf das sich wieder weiter ausbreitende HIV.“

Graumaus entgegnete: „Also bezüglich HIV kenne ich einen Bericht aus Österreich, aber ich weiß nicht, ob das hier jetzt interessant ist und ich will ja nicht schon wieder für Empörung sorgen.“
- „Reden Sie schon“, forderte Prank sie auf.
- „Die österreichische Gesundheitsministerin Rosmarie Hinterwald berichtete mir persönlich von einer unpopulären Methode, den Körper von Infizierten durchzuspülen, einer innerlichen Reinigung zu unterziehen, wobei leider auch die gesunden Zellen angegriffen würden, daß man in Versuchen bei jungen Menschen festgestellt hat, daß bei ihnen die befallenen Zellen dabei jedoch tatsächlich in kürzester Zeit isoliert würden und sich damit die Viren nicht im Körper verbreiten können. Für Ältere sei das Verfahren aber zu gefährlich, eigentlich schade, denn wer weiß, ob nicht gerade diese Bevölkerungsgruppe erst recht HIV-gefährdet ist.“
‚Na du bist ja wohl nicht gefährdet’, dachte sich Prank, ‚du trägst ja deinen geilen Keuschheitsgürtel.’

Niemand wollte Graumausens Statement kommentieren, somit ergriff die Kanzlerin das Wort:
- „Es freut mich zu hören, daß die Bundeswehr bereit ist, im Ernstfall die bereitstehenden, bereitliegenden Masken schnell zu verteilen an die Bevölkerung und daß keine Alarmmeldungen aus den Urlaubsregionen der Welt vorliegen außer den beiden genannten Ländern, so können wir also unbesorgt in den Urlaub fahren; doch kommen wir nun, wenn es zum Virus nichts mehr zu sagen gibt, zu den anderen Themen der Tagesordnung.“

‚Der Mensch denkt, aber Gott lenkt’, kam es Graumaus beim Hören dieser gesundbetenden Botschaft in den Sinn; nur sie und Gscheid hegten Zweifel an Pranks Einschätzung, doch sie ahnten nicht, in welch kurzer Zeit bereits ihre berechtigten Zweifel zur bitteren Wahrheit würden.




































82. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 11.03.22 22:17

44

Je näher sie zur Stadt kamen, umso nervöser wurde Magda auf dem Beifahrersitz neben Gangolf.
- „Jetzt entspann’ dich, Magda, atme tief durch, die werden dich bei der Polizei nicht gleich fressen, du kennst doch den dicken Brause, der ist doch immer recht gemütlich d’rauf“, versuchte Gangolf Magda zu beruhigen. Magda entgegnete knapp:
- „Ja der schon.“
- „Warum sollte der Dienststellenleiter so viel anders sein, warten wir es doch erst einmal ab, bis wir gehört haben, was er uns zu sagen hat.“

Magdas Nervosität griff allmählich auch auf Gangolf über, so sehr er sich dagegen sträubte. Als sie zu dem Polizeigebäude kamen, stand bereits Bettina wartend davor. Auch diese bemerkte sofort Magdas Nervosität.
- „Was hast du denn, Magda?“ richtete sich Bettina an Magda, „wahrscheinlich ist es nur ein formaler Akt, den der Chef da drinnen durchführen muß, den Wachtmeister Brause nicht ausführen durfte. Du weißt doch, wie das bei Behörden so ist.“

Vom Verstand her verstand das Magda sehr wohl, doch half alles Zureden nichts, die Aufregung ließ sie leicht erzittern. Bettina und Gangolf nahmen sie in ihre Mitte, griffen ihr unter die Schultern und schleppten sie auf diese Weise in das Polizeigebäude. Gangolfs Herz begann prompt höher zu schlagen, als sie in das Stiegenhaus kamen; sofort kam ihn in Erinnerung, wie er am Tag zuvor hier unten eingesperrt worden war.

Nisselpriem empfing die drei Hereintretenden zwar nicht ausgesprochen herzlich, aber nicht unfreundlich und wies ihnen die Besucherstühle vor seinem breiten Schreibtisch zu.
- „So schnell sieht man sich wieder, entschuldigen Sie bitte, Herr Stumpf, den Vorfall gestern, aber Sie hätten zur Aufklärung ein bißchen besser mitwirken können, dann wäre uns und Ihnen viel erspart geblieben. Aber reden wir nicht mehr darüber, sondern sind froh, daß jetzt alles in Ordnung ist und daß ich Ihnen, Frau -“
Ungeduldig nestelte Nisselpriem in den auf seinem Schreibtisch ausgebreiteten Papieren herum, bis er Magdas Namen zu lesen bekam, „Frau Armdran, heute folgenden Beschluß verkünden kann:
Beschluß des Landgerichts ... also lautend: ... Frau Armdran ist berechtigt, die Stadt Lüggen zu verlassen und sich im gesamten Landkreis Damisch-Schleewald aufzuhalten. Es obliegt ihr, ständig ein betriebsbereites Mobiltelephon mitzuführen und einen Anruf der Kontrollbehörden sofort entgegenzunehmen und den ihr fernmündlich mitgeteilten Anweisungen unverzüglich nachzukommen. Die Erlaubnis des erweiterten Aufenthalts würde ihr widrigenfalls vorübergehend, in schweren Fällen von Übertretungen dauerhaft entzogen werden bis hin zur Wiederverwahrung in einer Justizvollzugsanstalt.“

Gangolf fiel ein Stein von Herzen, auch Bettina fühlte sich erleichtert, als sie diese Botschaft vernahmen. Nur Magda blickte nach links und nach rechts, als ob sie bei ihren Begleitern Rat suchte. Nisselpriem schien ihre Ungewißheit zu erkennen und erklärte ihr:
- „Also Frau Armdran, die Sache steht hier klar beschrieben: Sie dürfen sich ab sofort überall im gesamten Landkreis aufhalten. Sie müssen uns das nicht mitteilen. Aber bitte beachten Sie die Grenzen, der Kollege unten an der Pforte soll Ihnen eine Landkarte mitgeben, wo Sie genau sehen, wo die Grenzen liegen. Es wird nichts ausmachen, wenn Sie kurz `mal zum Beispiel nach Lügenhau hinüberfahren, da wird die GÜL nicht gleich Alarm schlagen, aber Berlin ist tabu, in Schönefeld ist absolut Schluß. Haben Sie das verstanden?“

Während Nisselpriem auf Magdas Bestätigung wartete, telephonierte er schnell mit dem diensthabenden Beamten an der Pforte und teilte diesem mit, den Dreien dann eine Landkarte mit dem Landkreis auszuhändigen. Als er auflegte, blickte er Magda durchdringend an, doch sie wagte kein Wort zu sagen.
- „Ja jetzt freuen Sie sich doch `mal, ich habe mich mit Brause beim Gericht stark gemacht, ihren Aufenthaltsradius auszudehnen, daß Sie auch `mal an die Seen hinausfahren können oder in den Schleewald und so.“
Erst jetzt flötete Magda ein leises „Danke“. Sie schien ihr Glück noch gar nicht richtig fassen zu können. Freilich konnte sie ihm nicht sagen, daß sie sich schon eine geraume Zeit außerhalb der Stadt aufhielt und auch schon in Berlin gewesen war.

Nisselpriem fuhr fort: „Jetzt aber zu der Erreichbarkeit, wie Sie gehört haben, steht in den Auflagen eindeutig, daß Sie jetzt immer erreichbar sein müssen; es ist ja kein Luxus mehr, es genügt ja ein einfaches Mobiltelephon, das Sie immer mitnehmen müssen, ihr altes Festnetztelephon genügt jetzt nicht mehr, denn Sie sind ja jetzt vielleicht länger unterwegs, von zuhause fort.“

Gangolf mischte sich ein: „Ja, Herr Nisselpriem, ich werde mich darum kümmern, sie hat ja schon längst eines, aber ich werde aufpassen, daß es auch funktioniert, eine neue Karte einstecken und aufladen.“
- „Ich verlaß’ mich auf Sie, Herr Stumpf. Gut, das wär’s dann von meiner Seite. Ach so, beinahe hätte ich das vergessen, wir haben einen Schlosser beauftragt, ihr Wohnungstürschloß zu erneuern, bitte entschuldigen Sie, meine Kollegen waren etwas zu voreilig mit dem Aufbrechen, andererseits haben die in der Überwachungsstelle gesagt, Sie wären im Bereich ihrer Wohnung und es war zu befürchten, daß etwas mit Ihnen geschehen ist, weil Sie die ganze Zeit nicht aufmachten.“

Gangolf verstand nicht, wovon Nisselpriem redete. Er hatte nicht bemerkt, daß Magdas Wohnungstür aufgebrochen war und jetzt erst kam ihm die Erinnerung, daß Magda tatsächlich die Tür nicht abgesperrt hatte, als sie ihre Wohnung gestern Abend verlassen hatten.
Nisselpriem überreichte Magda das Schriftstück, sie hielt es mit beiden Händen vor sich wie ein Priester das schwere Evangelienbuch. In gewisser Weise war es für sie tatsächlich eine frohe Botschaft. Gangolf erkannte indes sofort auch den Nachteil: Magda mußte sich sofort melden, wenn sie einen Anruf erhalten würde:
‚Hoffentlich bimmelt das dann nicht ausgerechnet während unseres Italienurlaubs’, überlegte er sich. In der Tat sollte seine Befürchtung nicht grundlos gewesen sein.

Wie abgesprochen drückte der Beamte an der Pforte den Dreien die Landkarte in die Hand. Gangolf nahm sie entgegen, er hielt bereits den Gerichtsbeschluß in seinen Händen, denn Magda hätte das Papier in ihren schwitzigen Fingern am Ende noch ganz zerruschelt.
- „Jetzt wollen wir aber das gehörig feiern bei einem Kaffee und einem Frühstück auf dem Markt“, schlug Bettina vor, „darf ich bei euch einsteigen, ich hab’ mein Auto beim Pfarrhaus geparkt.“
- „Wir haben zwar schon gefrühstückt, die Magda hat mich so richtig verwöhnt heut’ früh“, meinte Gangolf, „aber ein weiterer Kaffee ist immer recht.“

Wie immer, wenn sie nicht ausdrücklich gefragt wurde, äußerte sich Magda nicht dazu; sie schloß sich wie gewöhnlich stets den Handlungen an, den ihre Begleiter vorgaben oder vorschlugen. Erst auf dem großen Marktplatz sitzend im Schatten des gewaltigen Kirchturms der Paul Gerhard-Kirche löste sich allmählich Magdas Anspannung. Anscheinend hatte sie bis zu letzt, als sie sich bereits aus Nisselpriems Dienstzimmer heraustraten, die Befürchtung gehabt, es käme doch noch etwas Schlimmes auf sie zu.

Martina freute sich gleichfalls, als sie davon erfuhr, wie der Termin bei dem Polizeichef abgelaufen war, doch sie freute sich weniger für Magda, sondern für sich selbst, eine diebische Freude. Als Bettina ihr am Telephon mitteilte, daß sie jetzt zu Gangolfs Hof hinausführen, um erstmals eine Bootstour zu wagen, grinste Martina schelmisch in sich hinein und faßte einen Plan.

Als erstes bugsierten die Drei mit vereinten Kräften das Ruderboot auf das Gestell, das Gangolf sich aus zwei Fahrrad-Vorderrädern gebastelt hatte. Mit dieser Hilfe konnten sie das Boot zu dem Steg rollen, es ging zwar in dem unebenen Boden sehr mühsam voran, aber immer noch viel leichter, als wenn sie das Boot hätten tragen müssen. Dann kamen die beiden Kajaks an die Reihe. Gangolf wollte beide Boote aufnehmen, jedes an einer Hand, doch die beiden Damen protestierten.
Schließlich wechselte sich Magda und Bettina bei dem Tragen des einen Bootes ab. Gangolf wäre es lieber gewesen, er hätte beide Kajaks getragen, dann wäre das Gehen aufgrund der gleichmäßigen Gewichtsverteilung leichter gefallen und die beiden hätten sich um die Paddel gekümmert. Andererseits wollte er nicht den Macho spielen, den Kraftmeier, und auf diese Weise das >schwache Geschlecht< bloßstellen.

Als erstes ließ Gangolf sein Schnell-Kajak in’s Wasser gleiten; er beugte sich vom Steg aus über das hintere Teil des Bootes, umgriff den Süllrand mit beiden Händen und winkte Bettina heran. Magda erschien ihm zu unruhig für das kippelige Boot, er schätze diese so ein, daß sie sich in dem breiteren Kajak wohler fühlen würde.
„Setz’ dich auf den Steg, dreh’ deine Beine durch die Luke in das Boot hinein, komm’ schon, nur Mut, ich halt’ das Kajak, es kann nicht umkippen!“

Gangolf bemerkte sofort die Nervosität, die in Bettina aufkeimte. Als sich diese endlich auf den Sitz geschwungen hatte, mußte er den Lukenrand, das >Süll<, mit großer Kraftanstrengung festhalten, sonst hätte sich das Kajak um seine Achse gedreht und Bettina wäre unweigerlich auf der anderen Seite hinausgekippt.
- „Jetzt schau’ auf deine Füße, merk’ dir, in welches Rasterloch die Stützen eingedreht werden müssen.“

Bettina wußte zunächst nicht, was Gangolf meinte, doch dann erkannte sie weit vor ihren Füßen die beiden schwarzen querliegenden Fußstützen.
- „Versuch’ jetzt mit einer Hand vorzulangen und die Stützen hinauszuziehen und sie weiter zurück einzudrücken an die Seitenwandführung, damit du dich darauf mit den Füßen abstützen kannst.“

Bettina steckte die Teile an die Stelle unterhalb ihrer Füße ein, doch als sie sich wieder auf dem Sitz zurückstreckte, bemerkte sie, daß sie immer noch zu weit entfernt waren.
- „Sie sitzen richtig, wenn du mit leicht angewinkelten Beinen sitzt.“

Bettina langte mit der Hand wieder nach vorne und setzte die Stützen um zwei Rasterlöcher weiter zurück.
- „So, und jetzt einfach schon `mal los“, rief Gangolf ihr wohlgemut zu. Er stemmte das Kajak vorsichtig vom Steg ab, Bettina trieb von dem Impuls eine Weile in Richtung der Mitte des Kanals zu. Sie genoß die stille Bewegung und konzentrierte sich auf ihre Körperhaltung, denn sie bemerkte sofort, wie empfindlich das Boot auf unruhige Bewegungen reagierte.

- „Jetzt kommt die Magda daran“, verkündete Gangolf und setzte das breitere Kajak entlang des Stegs in das Wasser.
- „Wo bist du denn, Magda!“, rief er und blickte sich nach der schüchtern dastehenden Frau um.
- „Nun mach’ schon, mach’ es genauso wie Bettina gerade. Wart’, ich zieh’, dir gleich die Fußstützen weiter zurück.“

Nachdem er grob geschätzt hatte, wo die Rasten in etwa zu liegen kommen müßten, forderte er Magda auf, sich auf den Steg zu setzen und sich dann auf den Sitz plumpsen zu lassen. Dieses Kajak war wesentlich stabiler, es kippelte längst nicht so sehr, auf diese Weise gelang der Einstieg einfacher.

Im Gegensatz zu Bettinas Nervosität beim Einsteigen bemerkte Gangolf sofort Magdas Angst. Sie wirkte sehr verspannt. Gangolf hoffte, daß sich das nach einer Weile legen würde, sobald sie sich mit dem Boot vertraut gemacht hätte. Nun gab Gangolf auch Magda in ihrem Schiffsgehäuse einen beherzten Stoß von dem Steg weg, so daß auch sie mit dem Schwung in den Kanal hinaustrieb.
- „Versucht jetzt erst einmal am Anfang, mit den Händen einzutauchen und ein bißchen damit zu paddeln, damit ihr ein Gefühl für das Boot bekommt, an das leichte Schaukeln und so. Ich komm’ dann mit dem Ruderkahn und bringe euch die Paddel.“

Tatsächlich tauchte Bettina fleißig ihre Hände in’s Wasser, zog sie kraftvoll nach hinten, das schmale Kajak nahm Fahrt auf. Magda hingegen hielt sich krampfhaft am Lukenrand fest, sie wagte es nicht einmal, sich etwas umzuschauen, sondern saß starr in ihrem Sitz.
- „Nun mach’ schon, Magda, schau’, wie das die Bettina macht, das kannst du auch.“
Vorsichtig wagte Magda nun einen Blick auf die Seite, durch die Schulterdrehung kam das Kajak in eine ganz leichte seitliche Bewegung, welche Magda indes sofort zusammenzucken ließ.

‚Ich merk’ schon, die hat keine Freude damit’, dachte sich Gangolf, und als er sich mit dem Kahn ihr näherte, kam das Kajak wieder leicht in eine seitliche Bewegung. Er bemerkte, wie sich Bettina bereits merklich in die Richtung zum See fortbewegte, er rief ihr nach:
- „Bettina, versuch’ umzudrehen, indem du nur mit der einen Hand paddelst, bis sich dein Schiff in unsere Richtung gedreht hat. Wir wollen zuerst einmal den Kanal entlang fahren, noch nicht gleich auf den See hinaus!“

Mühelos gelang Bettina das Wendemaneuver und nach kurzer Zeit war sie wieder bis in den Bereich des Stegs zurückgekehrt. Sie ließ sich an die Längsseite von Magdas Kajak gleiten und umgriff schließlich dessen linken Süllrand. Kaum hatte Magda erste Ruderbewegungen mit den Händen unternommen, krallte sie sich jetzt wieder an das Boot fest. Ihre verspannten Gesichtsausdrücke gaben Gangolf wenig Hoffnung, daß ihr das Paddeln Freude bereiten würde. Er wollte nun erst einmal Bettina ein Paddel reichen, damit sie schon ein bißchen den Kanal entlang rudern konnte, während er sich dann allein um Magda kümmern konnte. Doch es kam anders.

Bettina bemerkte natürlich auch Magdas verängstigtes Sitzen in der schaukelnden Schale. Sie verspürte den Drang, sie trostspendend zu umarmen, und es geschah, was geschehen mußte: Bettina lehnte sich dabei zu weit aus ihrem Boot, es rollte zur Seite, und ehe Bettina reagieren konnte, kippte sie um. Ihr Oberkörper schlug auf der Luke von Magdas Kajak auf, auch ihr Boot kam nun stärker in’s Schlingern, ohne daß es jedoch gefährlich zu Kippen drohte.
Für Bettina ging die Sache indes naß aus: Der rechte Süllrand ihres Kajaks kam unter die Wasserlinie und es drang ein erheblicher Wasserschwall ein. Es gelang ihr zwar, sich wieder aufrecht auf dem Sitz niederzulassen und sie konnte schnell das Boot stabilisieren, doch saß sie jetzt in einer Wasserpfütze. Mit einem leichten Aufschrei quittierte sie das kühle Naß an ihrem Sitzfleisch.

Nach diesem Erlebnis in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft erstarrte Magda in ihrem Boot, an ein Paddeln war nicht mehr zu denken. Gangolf versuchte die Stimmung durch aufmunternde Worte zu retten, doch wirkten seine gut gemeinten Sprüche gekünstelt. Schließlich stieß er Magdas Kajak an, daß es wieder die wenigen Meter zu dem Steg zurück glitt. Er ruderte seinen Kahn an das Ufer, sprang heraus und band ihn an einem Baumstumpf fest. Dann eilte er auf den Steg, zog Magdas Kajak heran, bis es längs des Stegs lag, und hielt es mit beiden Händen fest.

Mit größter Vorsicht, als ob sie einen Stoß Porzellanteller vor sich hertragen müßte, entwand sich Magda der Plastikschale. Gangolf zog das Boot aus dem Wasser und trug es an das Ufer. Als er zurückkam, hatte Bettina bereits ihren vollgelaufenen Nachen längs an den Steg gelegt; Gangolf half ihr heraus und zu zweit gelang es ihnen unter Aufbringung aller Kräfte, das etwa zu einem Drittel vollgelaufene Boot aus dem Wasser zu ziehen.

Aus Bettinas Hose tropfe das Wasser auf ihre Füße, diese waren beim Aussteigen natürlich gleichfalls vollkommen durchnäßt worden. Aber auf ihrem Gesicht zeigte sich die wahre Abenteuerlust, sie war kein bißchen erschrocken, gar verängstigt. Sie bedauerte ihr Mißgeschick und entschuldigte sich mehrmals bei Gangolf und Magda, daß der erste Bootsausflug wegen ihr nun schon zu Ende war, bevor er losging. Eigentlich wäre sie zu gern gleich wieder eingestiegen, doch bemerkte sie Magdas Verstörtheit und somit redete sie sich ein, daß dieses Vorkommnis auch sein Gutes hatte, nämlich das Kajakfahren für Magda auf diese Weise zu beenden, ohne daß es für diese eine Peinlichkeit geworden wäre.

An Gangolfs Haus angekommen entledigte sich Bettina ihrer durchnäßten Hose; ungeniert zog sie diese mitsamt dem Slip vom Leib und ließ das Wäschebündel einfach vor der Haustür auf einem Haufen liegen. Magda und Gangolf staunten nicht schlecht, als in dem milden Licht der Nachmittagssonne das Edelstahl des Keuschheitsgürtels schimmerte. Gangolf brachte ihr ein Frottetuch, mit welchem sie sich gründlich abrubbelte.

- „Willst du vielleicht eine kurze Hose von mir haben?“ bot Gangolf Bettina an, doch diese lehnte ab:
- „Hast du Angst wegen deinem Sofa, oder was?“
- „Aber nein, ich meinte ja bloß, sozusagen rein höflichkeitshalber“, entgegnete Gangolf.

Die Drei verbrachten einen vergnüglichen Nachmittag und Abend miteinander, ohne zu ahnen, was sich derweil in Magdas Wohnung zugetragen hatte.

















83. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von folssom am 13.03.22 23:10

Zitat

Die Drei verbrachten einen vergnüglichen Nachmittag und Abend miteinander, ohne zu ahnen, was sich derweil in Magdas Wohnung zugetragen hatte.


Upps, da wird wohl Martina tätig geworden sein...oder?
84. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 18.03.22 23:56

Die Zeit rast dahin, beinahe hätte ich vergessen, daß schon wieder Freitag ist und somit die nächste Episode fällig wird, gerade jetzt in dieser Zeit, wo ich hier anscheinend als alleinunterhaltender Geschichtenerzähler auftrete!

Vielen Dank, liebe Sarah, für deine Anmerkung, zeigt diese mir eindrücklich, daß Du und mit dir hoffentlich viele Leser dabei seid im Fortgang der Ereignisse um den von drei jungen Frauen umgebenen "Helden" der Geschichte.



45

Als Martina zu Magdas Haus kam, sah sie zwei Männer vor der Tür stehen, die gerade im Begriff waren, sich umzuwenden und fortzugehen. Einer der beiden sprach sie an:
- „Hallo, sind Sie Frau Armdran?“
- „Äh – nein, aber ich kann Sie `reinlassen“, entgegnete Martina.
Sie sperrte die Haustür auf.
- „Wir sind von der Polizei beauftragt, einen Schließzylinder bei Frau Armdran auszuwechseln und die Tür zu reparieren.“

‚Das trifft sich ja bestens’, dachte sich Martina und forderte die beiden auf:
- „Denn kommen S’e `mal hoch!“
Die beiden Handwerker setzten polternd ihre Werkzeugkoffer auf den Boden vor Magdas beschädigter Wohnungstür ab und begannen mit der Arbeit. Martina warf in Magdas Küche die Kaffeemaschine an und stellte den Handwerkern Tassen auf den Tisch. Sie wollte ursprünglich nur sich selbst eine Tasse zubereiten, doch besann sie sich und bot auch den beiden Kaffee an als ‚vertrauensbildende Maßnahme’, wie sie sich im Geheimen dachte.

Nach kurzer Zeit war der Schließzylinder ausgetauscht und alle Aufbruchspuren beseitigt. Der Wortführer unter den beiden Arbeitern sagte:
- „Hier ham’ S’e die Schlüssel und quittieren S’e mir hier!“
- „Ja klar, mach’ ich, vielen Dank!“
Die beiden tranken schnell den Kaffee aus, bedankten sich, und Martina quittierte den Erhalt der drei Schlüssel und die ordnungsgemäße Ausführung der Arbeiten.

Kaum waren die Handwerker entschwunden, wollte Martina zur Tat schreiten. Sie trat zu dem von Gangolf geschreinerten Senderschränckchen und suchte nach dem Kabel, das zur nächsten Steckdose führte. Gerade noch rechtzeitig bevor sie den Stecker zog, kam es ihr in den Sinn, daß es zu diesem Zeitpunkt doch recht ungünstig wäre, den Sender auszuschalten, denn zuvor müßte Magda den Akku ihrer elektronischen Fußfessel aufladen, damit das Funksignal dann wieder davon ausgehen konnte. Freilich zog sie in Erwägung, Magda auflaufen zu lassen, sie könnte ja den Beamten angeben, sie habe vergessen, den Akku aufzuladen und deshalb wäre das Signal nicht mehr bei der Überwachungsstelle angekommen, andererseits wollte sie die Aufregung so kurz vor der geplanten gemeinsamen Urlaubsreise nach Italien vermeiden.

‚Aber danach ist damit Schluß, dann soll Magda wieder ihre schöne Fußfessel aktivieren, sie darf sich damit jetzt im gesamten Landkreis aufhalten, also auch zu mir nach Laukuv kommen, dann gehört sie ganz mir’, feixte Martina.
Entgegen ihrer sonstigen Gewohnheit spülte Martina die Kaffeetassen ab, entfernte das Filterpapier mit dem Kaffeesatz und verwischte alle Spuren, die auf ihre Anwesenheit Rückschlüsse gäben. Schließlich sperrte sie ab und versteckte zwei der drei Schlüsselein unter der Fußmatte.

Nachdem Bettina, Magda und Gangolf einen angenehmen erholsamen Nachmittag in Gangolfs Wohnzimmer in Wesserbarg verbracht hatten, nahm Bettina Magda in ihrem schnuckeligen roten Wägelchen nach Lüggen mit. Sie registrierte überhaupt nicht mehr, daß sie ziemlich unangezogen daherkam, sie fühlte sich in der warmen Abendluft ohne Beinkleid so angenehm wohl, das Schrittband gab ihr das Gefühl der Geborgenheit, unbewußt meinte sie, durchaus mit einer Hose bekleidet zu sein.

Gangolf verabschiedete sich von den Damen, und nachdem diese eingestiegen und vom Hof gefahren waren, schlappte er in den Stadel zu seinen Booten. Er nahm sich sein mittlerweile vollständig getrocknetes Rennkajak von den Gabeln, um eine Runde um die Insel zu drehen.
‚Wie kann man nur so ängstlich sein’, dachte sich Gangolf und hatte Magdas angsterfülltes Gesicht vor Augen.

‚Aber auch die Tini, turnt da einfach halb aus der Luke und wundert sich dann, daß sie umkippt.’
Freudevoll schwang Gangolf sich in die Schale und nach ein paar kräftigen Paddelstichen öffnete sich vor ihm der im milden Abendlicht schimmernde See. Er hätte nicht gedacht, daß hinter dem friedlichen Firmament ein ganz unerwartetes Erlebnis auf ihn wartete.

- „Sieh’ doch mal hier!“, rief die Vogelkundlerin Inge Langohr zu ihrer Kollegin Barbara Bär, „auf der Insel gibt’s doch richtig große Tiere, schau mal, wie hier das Gras auf der Lichtung zusammengetreten ist. Die Spur führt bis in die Ecke da von der Lichtung!“
Barbara Bär war einige Schritte hinter Inge Langohr und war noch damit beschäftigt, sich mit ihrer sperrigen Ausrüstung durch den Bruchwald zu kämpfen. Als sie neben Inge aus dem Buschwerk auf die Lichtung trat, betrachtete sie Inges Entdeckung, pflichtete ihr bei und ergänzte:

- „Erstaunlich, daß das Tier, was es auch immer ist, dort hinten umgedreht ist und anscheinend den Weg hier genau wieder zurück genommen hat, nach hier, wo wir jetzt stehen!“
- „Nun ja, bauen wir hier unser Zelt auf, es wird schon kein Bär gewesen sein“, meinte Inge, „und eine Bärin hab’ ich ja schon.“

Die beiden jungen Naturforscherinnen luden das schwere Gepäck von ihren Schultern ab und bauten das kleine Zelt auf der Lichtung auf.
- „Ein toller Platz hier,“ träumte Barbara, „so mitten auf einer einsamen Insel, mitten in der ungestörten Natur, hier können sich Pflanzen und Tiere noch vollkommen unbeeinflußt von den Menschen entwickeln.“
- „Machen wir gleich noch einen Streifzug über die Insel, bevor es dunkel wird“, schlug Inge vor, nachdem sie das Zelt aufgestellt hatten.
Beide hatten die Ausmaße der Insel unterschätzt, vielleicht auch die Beschwernis der Fortbewegung durch das dicht stehende Unterholz, das Ergriffenwerden von der unberührten Natur.

--

Magda und Bettina standen vor einem Problem, jede vor dem ihrigen. Immerhin gelang es, Bettinas’ verhältnismäßig einfach zu lösen.
Beim Aussteigen wurde es Bettina nun doch bewußt, wie sie fast im Adamskleid am Steuerknüppel ihrer Raumkapsel saß, und es wurde ihr etwas unwohl bei dem Gedanken, daß jemand sie, die Frau Pfarrerin, hier begegnete, sobald sie ihre zarten Füßchen auf die Oberfläche des städtischen Bodens gestellt haben würde.
Magda fand die Lösung: „Zieh’ dir doch meine Motorradhose an, die du mitgebracht hast aus Laukuv.“

Bettina atmete erleichtert tief durch, im Schutz der geöffneten Fahrertür stieg sie erstmals in eine Lederhose, noch dazu in eine speziell für das Motorradfahren geschnittene. Der Geruch des Leders stieg ihr in die Nase, sie konnte sich des Zustands der Erregung nicht erwehren. Da die beiden Mädels die gleiche Statur hatten, paßte Bettina die Hose perfekt; sie betastete die dicken Kniepolsterungen und führte ihre Hände weiter nach oben über die Innenseiten der Oberschenkel bis in den Schritt, wo sie die Härte des Chasti durch das Leder hindurch spüren konnte.
‚Das auch noch, Herr, laß’ es Abend werden’, sandte die Frau Pfarrer ein Stoßgebet gen Himmel, ‚reicht es nicht, daß mich Gangis Kajak ganz aufgegeilt hat, trotz oder gerade wegen der Panne, die Feuchtigkeit unten herum, o Herr, dein sechstes Gebot, vergib’ mir, und jetzt auch noch der Duft des Leders!’
Bettina ahnte natürlich nicht, daß sie ihr Stoßgebet zu früh versprüht hatte, denn sie würde gleich noch ganz andere Gebeterhörungen benötigen, um Magdas Problem zu lösen.

Nachdem nun Bettina auch unten herum eingekleidet war, nahm Magda die Motorradjacke von der Rückbank und zog diese an. Auf diese Weise hatte sie die Hände für die Mitnahme ihres Helms, der Handschuhe und Stiefel frei. Wie die Raumfahrer nach beendeter Mission entfernten sie sich von Bettinas einer Raumkapsel gleichendem Fahrzeug und schritten in ihrem seltsamen Kostüm zu der Haustür.


Magda entsann sich sofort wieder an ihren Englisch-Unterricht, an die dramatischen Worte der amerikanischen Mondfahrer im Apollo 13-Raumschiff:
‚ Houston, we’ve had a problem.’
Sie konnte zwar problemlos die Haustür wie gewöhnlich aufsperren, an ihrer Wohnungstür oben scheiterte sie jedoch. Erstaunt stellten die beiden Emporkömmlinge, die Astronautinnen der Stadt Lüggen fest, daß das Schloß ausgetauscht worden war.

- „Da schau’, Nisselpriem hat bereits den Schlosser geschickt, so `was Blödes, jetzt wie sollen wir da `rein kommen?“ funkte Raumfahrerin Tina an ihre Kollegin Magda.
Magdas Gedanken umkreisten weiterhin das Apollo 13-Raumschiff. Sie meinte scharfsinnig:
- „Die Apollo 13-Besatzung >hatte< ein Problem, dagegen >haben< wir eines.“

Nach dieser nicht zielführenden Bemerkung zog Bettina ihr i-Pad heraus und funkte zur hiesigen Polizeistation:
- „Hier Litte, wir haben ein Problem. Ihr Chef Nisselpriem schickte anscheinend einen Schlosser vorbei, unser Wohnungsschloß auszuwechseln, ohne uns Bescheid zu geben und nun stehen wir vor verschlossener Tür.“
- „Haben Sie denn keine Schlüssel erhalten?“, kam postwendend die geistreiche Frage.
- „Nein, sagte ich doch, dann hätten wir kein Problem und wir hätten nicht ihre geschätzte Aufmerksamkeit in Anspruch genommen. Jetzt sehen Sie zu, daß Sie zu einer Lösung kommen, rufen Sie ihren Chef an, Frau Armdran möchte jetzt endlich in ihre Wohnung, die ihre Kollegen haben stürmen lassen.“
- „Was quatschen Sie da daher?“ raunzte das Gegenüber.
- "Werden Sie nicht unverschämt, ihre Kollegen haben gestern die Wohnungstür aufbrechen lassen, Frau Armdran mußte auswärts nächtigen, und jetzt kann sie überhaupt nicht mehr in ihre Wohnung!“
- „Gut, ich werde mich darum kümmern“, gelobte der Beamte, „ich ruf’ zurück, sobald ich `was in Erfahrung bringe.“

Entgegen ihres sonstigen Wesens wurde Magda etwas ungeduldig: „Ruf’ doch nochmals Gangi an, ob wir nochmal zu ihm kommen dürfen.“
Bettinas Ärger wuchs: ‚Jetzt nochmals zu Gangi hinauszuckeln, um Magda bei ihm abzuliefern, dann wieder zurück und nach Laukuv, am Ende geht mir noch der Strom aus.’
Sie warteten eine ganze Weile, ohne daß der Polizist zurückgerufen hätte.

‚Sollte sie den Volltrottel nochmals anrufen und ihm die Hölle heiß machen?’, überlegte sich Bettina, ‚doch was würde es nützen, er konnte ja auch nichts dafür, daß der Schlosser anscheinend abzog und niemand weiß, wem er die Schlüssel gegeben hatte. Nachdem die Polizei diesen beauftragt hatte, müßten eigentlich die Schlüssel bei der Polizei sein.’

Gangolf nahm nicht ab. Er hatte sein Smartphone nicht eingesteckt. Überhaupt hatte er im Augenblick ganz andere Probleme.

Kaum hatte Bettina ihr Funkgerät wieder eingesteckt, erschrak sie förmlich über den scharfen Klingelton:
- „Hier nochmal Müller, Polizeirevier Lüggen. Ich habe in Erfahrung gebracht, daß die Handwerker die Schlüssel an die Mitbewohnerin von Frau Armdran aushändigte, leider kann man die gekritzelte Unterschrift nicht gut lesen, aber es könnte Weiß heißen.“
- „Aha, danke, Sie haben uns sehr geholfen.“

- „Wie kommt denn die dazu, die Schlüssel zu nehmen“, sprach Bettina ihre Gedanken laut aus.
- „Was ist denn passiert?“, wollte Magda wissen, „wer hat denn die Schlüssel genommen?“
- „Na, Martina natürlich, offenbar war sie da, wahrscheinlich haben sie sie angerufen zu kommen, du bist ja nicht erreichbar, Gangi muß dir unbedingt dein altes Handy in Gang setzen, sonst kriegst du Ärger, hast ja den Nisselpriem gehört, aber zu blöd auch, daß Martina dann nicht mich verständigt hatte. Also komm’, fahren wir zu uns nach Hause.“
Magda war betrübt. Sie hatte sich so auf ihre vertrauten eigenen vier Wände gefreut.
Sie wagte den Widerspruch: „Ich warte hier lieber, bis du wieder kommst.“

- „Nein,“ entgegnete Bettina in einem schärferen Tonfall, als sie es gewollt hatte, „ich will dann nicht wieder hin- und herfahren, ich habe morgen früh einen Termin, da kann ich dich dann nach Lüggen zurückbringen. Martina wird dich schon nicht umbringen.“
Je näher sie nach Laukuv kamen, desto nervöser wurde Magda. Früher wog ihre Begierde nach Unterwerfung ihre Angst wegen der Schmerzen auf. In letzter Zeit überwog indes die Angst und die Waagschale schien sich immer weiter auf deren Seite zu neigen. Vor allem vermißte Magda die tröstenden Worte und Handlungen nach einer schmerzhaften Unterwerfung. Sie würde Gangolf vermissen, das wußte sie jetzt schon.
‚Wie würde die Herrin reagieren, wenn sie heute erstmals nach ihrer Flucht wieder zusammentreffen?’, grämte sie sich.

Die Ladeanzeige von Bettinas Elektroauto wanderte bedrohlich in den roten Bereich, eine Display-Schrift loderte auf mit den mahnenden Worten, langsam zu fahren und Beschleunigungen zu vermeiden. Bettina drosselte das Tempo und zeigte mit dem Finger auf das Display: -
- „Da, lies’ `mal, da wären wir zu Gangi gar nicht mehr hinausgekommen.“
Im Fahrradfahrer-Tempo schlich Bettina zu dem Platz vor der Ladesäule; als Magda ausstieg und damit das schützende Blech des Fahrzeugs verließ, lief sie kreidebleich an. Bettina hantierte mit dem Ladekabel herum, als sie fertig war, watschelte Bettina wieder in der zu ihrem T-Shirt verhältnismäßig dicken Motorradhose zur Haustür, während Magda an ihrer Seite die Motorradjacke und den Helm im Auto zurückließ. Magda wurde es mulmig, mit Schrecken dachte sie an Wilhelm Buschs brutale Verse:

‚Max und Moritz wird es schwüle, denn nun geht es nach der Mühle.’
In ihrer Not preßte Magda heraus: „Ich will nach Afrika Brunnen graben!“
‚Dreht sie jetzt ganz durch?’ überlegte sich Bettina, ‚die hat ja wirklich tierische Angst, was ist nur passiert da unten in dem verdammten Keller.’
Als die beiden jungen Frauen auf dem Weg zu dem Haus entlanggingen, machte sich Bettinas i-Pad bemerkbar; es war indes kein Klingelton und auch kein gewöhnlicher Ton einer Benachrichtigung. Bettina zog das Gerät aus ihrer Tasche und studierte die Inschrift, die auf dem Display auftrauchte:
>Verbinden Sie ihr i-Pad sofort mit dem Ladegerät, um den Akku aufzuladen!<

- „Ja so was“, murmelte Bettina vor sich hin, „geht denn heute überall der Strom aus.“ Und wieder dachte sie daran, daß es nun bald Abend werden möge. Doch der Tag hielt noch eine Neuerung für sie bereit.











85. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 25.03.22 05:41

Da ich heute verreisen muß, kommt die wöchentliche Fortsetzung bereits jetzt am frühen Morgen!

46

Entgegen seiner ursprünglichen Absicht, die Insel zu umrunden, überlegte es sich Gangolf und wollte nun direkt zur Insel paddeln, denn es wurde schon bedrohlich dunkel; die Sonne ging im September deutlich früher unter als im Frühsommer. Als er in die schmale schilffreie Einfahrt zu dem Steg einbog, gewahrte er einen Ruderkahn, der dort ange­macht lag.
'Was ist denn das', empörte sich Gangolf innerlich, 'das hab' ich ja noch nie erlebt'.

Mit Mühen dirigierte er sein schmales Kajak an die andere Stegseite, hier reichte das Schilf fast bis ganz an den Steg heran, so daß er in dem kippeligen Boot große Navigationsprobleme bekam.
Als Gangolf die Lichtung erreichte, traute er seinen Augen nicht: Hier stand eindeutig ein Zelt! Er blieb stehen und lauschte. Er vernahm kein anderes Geräusch als jenes der Vögel, welches immer in den Abendstunden in dem Bruchwald herrschte. Langsam schritt er näher, als er immer noch nichts hörte, trat er vor das Zelt, bückte sich und zog den Reißverschluß an der Stirnseite auf. Er erkannte darinnen zwei schmale Luftmatratzen und zwei große Rucksäcke. Auf der Seite lag ein Photo-Stativ und eine große Umhängetasche. Die Rucksäcke schienen noch nicht ausgepackt worden zu sein, sie standen auf­recht prall gefüllt.

'Sehr seltsam,' dachte sich Gangolf, 'denen werd' ich was sagen, hier mitten im Naturschutzgebiet zu campieren'. Daß er selber vorhatte, sich dort ein kleines Zelt aufzustellen, war ihm zwar durchaus bewußt, als Eigentümer der Insel hatte er indes kein Problem damit, sich dieses Recht herauszunehmen. An einen der beiden Rucksäcke baumelte ein Ausweistäschlein; hinter dem durchsichtigen Plastik erkannte er in dem düstern Abend­licht einen behördlichen Ausweis:
>Barbara Bär, untere Naturschutzbehörde, Umweltamt Lüggen<.
- "Verdammt", stieß Gangolf einen leisen Fluch aus, "das hat mir g'rad noch g'fehlt."

Gangolf verschloß das Zelt wieder und ging weiter zu der Stelle, wo er seine Schatzkiste vergraben hatte. Da er bereits ahnte, daß es diesbezüglich zu Komplikationen kommen wür­de, nahm er gleich mehr Scheine heraus als sonst. Diesmal verteilte er bedeutend mehr Laub und Geäst auf den Kistendeckel, denn es bestand die reelle Gefahr, daß die Natur­schutzfrau auf die Idee kam, auf der Lichtung herumzuschnüffeln.
- "Barbara Bär", murmelte Gangolf vor sich hin, als er den Rückweg zum Steg antrat und er reflektierte: 'Wie kann man seiner Tochter den Namen Barbara geben, wenn man schon Bär heißt.'
Mit diesen Gedanken bestieg Gangolf sein Kajak, stieß sich vorsichtig von dem Steg ab, drückte sich mit dem Paddel ab, so daß er vom Schwung rückwärts fuhr. Einmal mußte er dann noch nachdrücken, bis er aus der schmalen Einfahrt heraußen war und auf der offenen Seefläche wenden konnte, um in Vorwärtsfahrt sein heimatliches Ziel entgegenzustreben.


Erstaunt stellten Bettina und Magda fest, daß Martina noch nicht zu hause war.
- "Vergnüge dich mit irgend etwas, du kennst dich ja aus hier, Zeitschriften oder Bücher, oder schalte den Fernseher ein, was du halt willst", forderte Bettina Magda auf, "ich muß noch `was vorbereiten für morgen."

Magda blickte Bettina mit großen fragenden Augen an.
- "Hast du `was auf dem Herzen?", fragte Bettina.
- "Ja, bringst du mich bitte in den Keller und sperrst mich da ein, daß ich geschützt bin von der Herrin, und sagst ihr gar nichts von mir, ich hab' so Angst vor ihr, weil ich doch geflüchtet bin."
- "Ach, du Ärmste, aber gut, wenn du meinst."
- "Du bist so gut zu mir, ich hätte dich gern zur Herrin."

Schweigend stiegen sie in den Keller, kaum waren sie in dem Abteil, zog Magda schnell ein paar Seile aus einem Regalfach und setzte sich in die Kartoffelkiste. Sie plazierte die Unterschenkel auf den Kistenrand, so daß ihre Füße nach vorn aus der Kiste herausbaumelten, und winkte der verblüfften Bettina mit den Seilen.

- "Ach bitte, fessel mich, du kannst das ganz sicher ganz gut."
- "Ähm, wie soll ich das machen, so `was habe ich noch nie getan", versuchte sich Bettina herauszuwinden. Andererseits war sie immer noch in einer besonderen Weise leicht erregt, die lederne Motorradhose, das Kajak-Erlebnis, alles erstmalige Erfahrungen für sie, da paßte zum krönenden Abschluß des Tages ein erstmaliger Fesselversuch an der devoten Magda.

- "Zuerst die Hände zusammen", forderte Magda Bettina auf und streckte ihr die mit den Innenflächen aneinanderliegenden Hände hin, "und immer kräftig die Knoten zubinden."
Bettina wickelte das Seil mehrmals um die Handgelenke und verknotete dann die Enden.
- "Führe jetzt das Seil zwischen den Händen hindurch, zwischen den Zwischenraum."

Für Bettina war diese Art von Handarbeit vollkommen ungewohnt, ein Erstversuch. Magda beugte sich weit nach vorn, so daß ihre gefesselten Hände auf den Fußknöcheln zu liegen kamen.
- "Und nun die Hände an die Füße binden."

Bettina mußte sich eingestehen, daß ihr das Fesseln Spaß bereitete, sie begann zu verstehen, warum Martina das so gerne tat. Allerdings würde sie Magda niemals quälen wol­len, ihr Schmerzen bereiten. Sie verknotete, wie von Magda gewünscht, deren Hände an die Füße.

- "Und was jetzt?", wollte Bettina wissen. Magda zog die Beine an und bewegte die aneinandergefesselten Hände und Füße in die Kiste.
- "Jetzt zieh' das Seil unter meinen Hintern durch nach hinten und verknote es am Hüftband vom Chasti."

Das war nun nicht mehr so einfach, denn Magda füllte die Kiste ihrer gesamten Breite mit ihrem Körper aus. Irgendwie gelang es Bettina, das Seil durch Magdas Schritt nach hinten zu ziehen und entlang des hinteren Teils des Schrittbands hinauf zu dem Hüftband zu führen. Sie verknotete es, doch Magda meinte:
- "Das ist zu locker, bitte zieh' das Seil straffer, damit ich mit den Füßen nicht mehr aus kann."
- "Wenn du meinst, aber bedenke, daß die Nacht lang wird, hältst du das denn wirklich aus?"
- "Ja, solange ich nicht den blöden Würgeknebel `reingewürgt kriege, ich freue mich schon so, die ganze Nacht in der Kiste, und die Herrin weiß gar nichts davon!"

'Mein Gott, wie kann man nur so sein', dachte sich Bettina, öffnete nochmals den Knoten, zog an dem Seil, bis Magda rief:
- "So ist es gut, danke."
Magda prüfte, ob sie sich bewegen konnte und auch, ob das Seil nicht einschnitt. Bettina hatte gute Arbeit geleistet.

- "Und jetzt verschließ' bitte noch die Kiste und spanne mehrmals die dicken Seile außen herum, weil das Schloß, also die oberste Leiste, herausgebrochen ist."
Sie preßte den Kopf ganz weit hinunter, so daß ihre Wangen zwischen den Knien zu liegen kamen. Bettina klappte den Deckel auf die Kiste; jetzt verstand sie, was Magda meinte mit der herausgebrochenen Leiste. Sie nahm ein dickeres Seil, führte es zwischen Kisten- und Fußboden hindurch, dann wieder nach oben, das mehrmals, und verknotete schließlich die Enden. Probehalber drückte Magda ihren Kopf nach oben, der Kistendeckel gab nicht nach, Magda war nun tatsächlich fest in der Kiste eingeschlossen.

Bettina war nicht recht wohl bei der Sache, daß ihr erster Bondage-Versuch gleich eine Langzeit-Fesselung sein würde:
- "Ist das wirklich in Ordnung so?"
- "Ja, prima, danke, danke für alles, so ist das wunderbar für mich, danke, Herrin Bettina."
- "Lasse das mit der Herrin, ich bin nach wie vor deine Freundin und nichts mehr oder weniger. Nun gut, wenn dir das so gefällt, dann hab' eine Gute Nacht!"
- "Danke, du auch, und sag' nichts der Herrin Martina."


Bettina beschloß, noch eine Weile in dem Kellerabteil zu bleiben, falls Magda es sich doch noch anders überlegen sollte. Doch aus der Kiste war zu hören:
- "Nun geh' schon hoch, die Herrin wird bald kommen."

Bettina öffnete den Abteilverschlag und ging hinaus. Für Magda war es der höchste Genuß, als sie hörte, wie die Angeln leicht quietschten, bis das Holz an der Anschlagkante aufschlug. Ihre Erregung steigerte sich zum Höhepunkt, als sie hörte, wie der Bügel des Vorhängeschlosses einrastete.

Bettina blieb noch einige Minuten in dem Kellergang vor dem Abteil stehen und lauschte, ob Magda nicht doch noch einen Verzweiflungsschrei ausstieße. Ihr kam das düstere Lied vom Brunnen vor dem Tore in den Sinn, mit der makaberen Aufforderung des davor stehenden Lindenbaums, sich darein zu stürzen. Doch sie vernahm weder das Rauschen eines Baumes, noch das Plätschern des Wassers, auch nicht Magdas verzweifeltes Flehen aus der Kartoffelkiste. Leisen Schrittes stieg sie in die Wohnung hinauf.

Martina wählte Bettinas Nummer, die Computer-Stimme quakte aus dem winzigen Hörer: >The number you have called is temporarily not available<.
‚Typisch Pfarrer,’ schimpfte Martina, als sie diesen Spruch aus ihrem Kästchen in der Hand hörte, ‚wenn man sie einmal braucht, sind sie nicht erreichbar.’
Dann rief sie Gangolf an. Im Gegensatz zu Bettina nahm dieser sofort ab und berichtete, daß Bettina und Magda vor kurzem aufgebrochen waren und jene zu Magdas Woh­nung bringen wollte. Wie üblich beendete Martina grußlos das Gespräch.
‚Na, wenigstens ist die Sklavin wieder in ihrem Stall’, erfreute sich Martina und schickte sich an, nach Hause zu fahren.

Als Martina in ihre Wohnung kam, bemerkte sie, daß es in allen Zimmern bereits dunkel war, nur aus dem Schlafzimmer fiel ein schwaches orangefarbenes Licht auf den Flur. Wenn Bettina vor Martina zu Bett ging, ließ jene das Licht brennen, damit diese leichter zum Bett fand. Umgekehrt vollbrachte Martina diese kleine Gefälligkeit nicht.

Das Entkleiden ging nicht geräuschlos vonstatten, Martina gab sich kaum Mühe, dabei leise vorzugehen. Prompt erwachte Bettina aus ihrem ersten Schlaf, die beiden Frauen kuschelten sich aneinander. Doch Martina war nicht nach Kuschelsex, es wurmte ihr, daß sie immer noch nicht Magdas Flucht an dieser gerächt hatte. Als sie Bettinas Brustnippel zu fassen bekam, drückte und zog sie an ihnen, bis diese rief:
- „Au, du tust mir weh, zieh’ doch nicht so fest.“

Martina raunzte nicht ganz ärgerfrei zurück: „Ach, du hältst ja wirklich gar nichts aus!“
Bettina konterte: „Damit verdirbst du mir die ganze Lust.“
Martina ließ los und drehte sich um, mit den Rücken zu Bettina.
- „Jetzt sei doch nicht gleich beleidigt“, sagte Bettina und streichelte Martinas Rücken. Doch diese entgegnete barsch:
- „Laß’ mich doch in Ruhe.“
Daraufhin drehte sich auch Bettina zur Seite, so daß die beiden Lesben nun Rücken an Rücken in dem breiten Doppelbett zu liegen kamen.

Nach kurzer Zeit fiel Bettina in einen leichten Schlaf, während es Martina nicht gelang, einzuschlafen. Sie verließ das Bett und kleidete sich im Schein des Nachtlichtes an. Sie versuchte zwar, dabei möglichst leise vorzugehen, denn sie wollte ihr Verschwinden geheim halten. Bettina erwachte dennoch und bemerkte mit blinzelnden Augen, wie Martina das Schlafzimmer verließ. Sie dachte sich nichts weiter dabei und drehte sich auf die an­dere Seite, um wieder einzuschlafen. Als die Wohnungstür mit ihrem charakteristischen Geräusch in’s Schloß fiel, wurde Bettina hellwach.
‚Wo will die denn hin, jetzt mitten in der Nacht?’, überlegte sie sich und setzte sich auf.

‚Ich werd’ `mal lieber in den Keller sehen’, beschloß Bettina, schwang die Beine aus dem Bett und zog sich an. Beruhigt stellte sie fest, daß der Schlüsselbund für den Keller noch am Haken hing. Sie nahm diesen an sich und stieg die Treppe hinab. Ohne das ohnehin nur sehr kurze Zeit brennende Kellerlicht anzuschalten tastete sie sich durch den dunklen Gang; vor dem Abteil, in welchem Magda in der Kiste eingesperrt lag, hielt sie inne und lauschte. Es war vollkommen still, Bettina stocherte mit den Schlüsseln in dem Vorhängeschloß herum, bis den richtigen gefunden hatte. Diese Zeremonie war schon beim Lichtstrahl der Kellerfunsel nicht einfach, im Stockdunkeln ein mehrfaches schwieriger.

Nachdem das Schloß aufsprang, schob Bettina millimeterweise den Verschlag nach innen, um den Angeln kein Quietschen zu entlocken. Sie nahm sich vor, Gangolf zu bitten, die Angeln zu ölen und auch die Brenndauer des Lichtes an dem Treppenlichtautomaten länger zu stellen. Als sie endlich den Verschlag soweit geöffnet hatte, daß sie in das Ab­teil eintreten konnte, lauschte sie nochmals, und als sie weiterhin mit tiefster Stille um­geben war, drückte sie sich hinein und verharrte vor der Kiste, die sie vor wenigen Stun­den verschnürt hatte, mit der gefesselten Magda darinnen. Als sich Bettina zu der Kiste hinunterbeugte, vernahm sie leichte Atemgeräusche aus dem Inneren. Sie lauschte eine Weile und stellte erleichtert fest, daß mit Magda anscheinend alles in Ordnung war.
Genauso leise, wie Bettina gekommen war, schlich sie wieder hinaus und hinauf in die Wohnung.

Je näher Martina mit ihrem Lada sich Lüggen näherte, desto mehr wuchs ihre Lust, Magda einer ordentlichen Strafaktion zu unterziehen. Vor Magdas Wohnungstür mußte Martina erst eine Weile nach dem einzelnen Schlüssel herumkramen, bis sie diesen in einer Tasche fand. Diszipliniert fädelte sie den Schlüssel an den Ring, bevor sie aufsperrte. Ohne darauf zu achten, leise zu sein, stapfte sie in die Stube und entflammte die De­ckenlampe. Zu ihrer Verwunderung war Magdas Sofa leer, auch in der Küche und im Bad konnte Bettina Magda nicht finden. Ihre Verwunderung mutierte zum unbändigen Zorn, mit ihren 10-Loch-Doc Martens trat sie gegen den Tisch, daß dieser fast einen halben Me­ter weit zur Seite rutschte, ein Stuhl flog polternd auf den Boden.

Martina ließ in ihrer grenzenlosen Wut den Stuhl liegen, schaltete auch das Licht nicht aus, sondern schlug mit einem lauten Knall die Wohnungstür zu. Sie beschloß, stracks zu Gangolf hinauszufahren, um diesem den Marsch zu blasen:
- „Was lügst du mich an“, schimpfte sie auf dem Weg zu ihrem Jeep, „Scheißkerl, mit dir habe ich ein Hühnchen zu rupfen, du meinst wohl, daß du den Scheiß-Sender mit deinen Scheiß-Freunden da hingestellt hast, jetzt dir meine Magda zu schnappen, die gehört immer noch mir; warum hast du ihr überhaupt eine nigelnagelneue Lederkombi gekauft, mir hast du keine geschenkt, Scheißkerl-Magnus!“

Am Fahrzeug angekommen beendete Martina ihr Selbstgespräch, schwang sich auf den Fahrersitz und schlug die Tür vernehmlich zu. Während des Anlassens des Motors, das dieser wie üblich mit knallenden Geräuschen und einer gewaltigen Abgasfahne quittierte, beruhigte sich Martina wieder und fuhr dann doch wieder nach Laukuv zurück.
‚Den nehm’ ich mir irgendwann später vor’, schwor sich Martina und trat hemmungslos auf’s Gaspedal.

- „Bleib’ `mal stehen“, zischte Inge ihrer Kollegin in’s Ohr und zeigte durch das Unterholz auf die Lichtung, der sie sich nach langem Umherirren näherten. Auch Barbara gewahrte jetzt die Person, die sich da auf der Lichtung vom Boden erhob und an ihrem Zelt vorbeiging, um am entgegengesetzten Ende in dem Wald einzutauchen. Die beiden Vogel-Beobachterinnen blickten sich stumm an, nach einer Weile gingen sie weiter. Auf der Lichtung angekommen konnten sie aufgrund der hereinbrechenden Dunkelheit keine Einzelheiten mehr erkennen und sie beschlossen, am nächsten Tag nachzusehen, ob sie von dem Fremden irgendwelche Spuren vorfänden.

Gangolf genoß derweil seine Fahrt über den See, dessen Oberfläche spiegelglatt sich vor ihm ausbreitete. Wieder konnte er das faszinierende Farbenspiel beobachten, wie sich im Westen der Tag mit einem schmalen hellen Streifen verabschiedete, während sich im Osten bereits ein sternenklarer tiefdunkler Nachthimmel ausbreitete. Ihm kam das alte Gute-Nacht-Lied in den Sinn, von den Vögelein, die Schlafen gehen, und schließlich auch das Menschenherz, das gleichfalls einmal Schlafengehen würde.

‚Sentimentaler Unsinn’, schalt er sich selber und dachte im Geiste an die Naturkundler, an Barbara Bär, wer die oder der zweite war, wußte er nicht. ‚Ob die auch an die Vögelein denken, die Schlafengehen?’
Tatsächlich verstummte das sirrende Geräusch, von welchem Gangolf auf der Insel umgeben war, einerseits, weil es nun wirklich dunkel wurde, andererseits natürlich auch, weil er sich jetzt weit entfernt zwischen Insel und Festlandufer befand.

Während er sich ein Bier aufmachte und sich auf sein Sofa fläzte, dachte Gangolf kurz an Magda, daß diese nun wieder in ihrer Wohnung nächtigen würde; er ahnte natürlich nicht, wie falsch er mit seiner Vermutung lag. Und er ahnte natürlich auch nicht, daß er auf der Insel beobachtet worden war.

Und Magda litt in ihrer engen Behausung unter dem Alptraum, in einem Brunnenschacht ausharren zu müssen, in welchem das Wasser unaufhörlich anstieg.

Und Martina gönnte sich mehrere Schnäpse, bevor sie sich zu Bett begab.

Und Bettina schlief wieder ein mit dem Vorsatz, am nächsten Morgen Martina nach den Schlüsseln für Magdas Wohnung zu fragen.

- „Seid bloß froh, daß ich zufällig zu Magdas Wohnung kam, als die Schlosser da waren und das Schloß austauschten,“ zischte Martina am nächsten Morgen, „ihr wart ja wohl nicht erreichbar! Die Schlüssel hab’ ich unter die Fußmatte gelegt vor der Tür, ihr seid ja so bescheuert, da sieht man doch als erstes nach.“
‚Wer ist von uns bescheuert’, ärgerte sich Bettina im Stillen, doch sie wollte keinen Streit vom Zaun brechen und schwieg. Sie mußte sich eingestehen, daß ihre Beziehung zu Martina immer belastender wurde und es würde ihr schwer fallen, weiterhin echte Liebesgefühle ihr gegenüber zu entwickeln, sollte diese weiterhin sich so gehässig verhalten.

86. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 01.04.22 21:47

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Gangolf führte mehrere Telephongespräche. Bei dem Umweltamt in Lüggen erkundigte er sich nach einer Barbara Bär, die Angestellte der "Unteren Naturschutzbehörde" sei. Tatsächlich wurde ihm bestätigt, daß diese eine Praktikantin sei und sich zusammen mit ei­ner Kollegin auf der Insel des Röthener Sees befände, um das Verhalten der Natur, insbesondere der Vögel, in Bezug auf die Klimaveränderung zu studieren. Ihre Anwesenheit in dem Naturschutzgebiet wäre legal, während er, wenn auch Eigentümer, die Insel nicht betreten dürfe.

Nach dieser ernüchternden Antwort rief Gangolf im Krankenhaus auf der Station an, in welcher er gelegen hatte. Er fragte nach der Schwester Ramona, erhielt jedoch keine befriedigende Antwort. Sie wäre damals aushilfsweise auf der Station gewesen und sei nun seit längeres Zeit wieder zurück, doch man wollte oder konnte ihm nicht sagen, wo Ra­mona jetzt sei.

Schließlich rief Gangolf in der Krankenhausverwaltung an. Dort wollte man von ihm erst einmal Ramonas Zunamen wissen; da er diesen nicht kannte, bedauerte die Dame am Telephon, daß sie ihm nicht weiterhelfen konnte.
- „Aber Sie werden doch nicht gleich mehrere Krankenschwestern mit dem Vornamen Ramona haben“, echauffierte sich Gangolf.
Die Antwort kam unverblümt: „Das nicht, aber auch mit vollständigem Namen dürfte ich Ihnen da keine Auskunft erteilen, aus Datenschutzgründen.“

Gangolf bedankte sich kurz und legte frustriert auf. Er mußte diese Frau wieder sehen. Freilich war ihm klar, daß er sie erst einmal wiederfinden müsse. ‚Sollte er sich vor dem Krankenhaus auf die Lauer legen?’, überlegte er sich kurzzeitig, doch kam ihm das doch zu blöd vor. Er beschloß vielmehr, an den beiden verbleibenden Sonntagen vor der Urlaubsreise in die katholische Kirche zu gehen; er gab vor, weiterhin durch seinen Beinbruch am Orgelspielen gehindert zu sein, um auf diese Weise die Sonntagvormittage frei zu haben.

Als Gangolf am folgenden Sonntag die katholische Kirche in Lüggen betrat, sah er Ramona nicht. Er setzte sich ganz hinten in die letzte Kirchenbankreihe, um alle Kirchenbesucher im Auge zu haben; Ranoma kam auch nicht später im Laufe der Messe herein. Nach der Messe standen einzelne Gottesdienstbesucher in kleinen Gruppen vor der Kirche zusammen; Gangolf nahm seinen ganzen Mut zusammen, trat hinzu und erkundigte sich nach einer Krankenschwester Ramona. Doch niemand wußte von ihr. Bodenlos ent­täuscht wandte er sich um und lenkte seine Schritte zu Magdas nahe gelegenem Haus.

Am Tag darauf rief Gangolf sogar im katholischen Pfarrbüro an und erkundigte sich nach einer Krankenschwester Ramona; er habe sie einmal vor ein paar Wochen in der Messe erlebt, als ein sehr alter Geistlicher gepredigt habe. Die Pfarrsekretärin gab ihm den gutgemeinten Hinweis, sich bei den Krankenhäusern zu erkundigen, sie kenne kaum einen Namen von den Gottesdienstbesuchern.

Noch einmal versuchte Gangolf sein Glück in der katholischen Kirche; an dem darauffolgenden Sonntag stand er sehr früh auf, um sein Reisegepäck zusammenzurichten. Glück­licherweise mußte er erstmals für eine Motorradreise nicht am Gepäck knausern, denn das würde im Begleitfahrzeug mitgenommen werden. Gangolf gestand sich ein, daß dies der eigentliche Grund war, daß er sich auf die Vielweiberei eingelassen hatte. Ihn nervte schon immer, daß er sich für eine mehrtägige Motorradfahrt bei der Gepäckmitnahme sehr einschränken mußte.

In der Kirche erlebte Gangolf die gleiche Enttäuschung wie am Sonntag zuvor. Von seiner angebeteten Ramona gab es keine Spur. Er ertappte sich dabei, daß seine Gedanken zu den vielen Frauen abschweiften, die er in den vergangenen Wochen kennengelernt hatte. Sein ganzes Leben hatte er noch nie so viele kennengelernt, zumindest nicht in dem kurzen Zeitraum, und auch noch nie so intensiv:

Da war zunächst Martina, die >wilde Fegerin<, wie sich diese in der Annonce der Motorradzeitschrift selbst nannte. Dann ihre lesbische Freundin Bettina, die Pfarrerin, die Gan­golf unabhängig von Martina bereits aufgrund seines Orgelspielens kennengelernt hatte. Dann kam die Magda hinzu, die Bekannte der beiden Frauen, die devote Sklavin der Her­rin Martina. ‚Ein ganz absonderliches Dreigestirn, diese drei Weiber’, dachte sich Gangolf, ‚und mit denen soll ich jetzt nach Italien fahren, ein Wahnsinn.’

Dann kam Gangolf wieder Ramona in den Sinn, die junge Frau mit den langen blonden Haaren, die ihn unvermittelt in der Kirchenbank, während der Predigt, einen Kuß gab, als der alte Prediger dazu aufforderte, ein Zeichen der Liebe zu setzen. Und diese Ramona konnte er nicht mehr treffen; Gangolf war ganz untröstlich.

Gleich darauf erinnerte sich Gangolf an die Verkäuferin Birgit in Berlin, die ihm, beziehungsweise Magda, die gesamte Ausrüstung für das Motorradfahren verkaufte. Den alten Drachen, den er vor dem evangelischen Pfarrhaus in Lüggen nötigen mußte, nochmals aufzusperren und Bettina anzurufen, verdrängte er sofort wieder aus dem Gedächtnis, ebenso die kesse Polizistin, die bei seiner Festnahme in Laukuv beteiligt gewesen war und die ihn dann wieder aus der Zelle holte, um ihn freizulassen. In diesem Zusammen­hang dachte er auch an Brauses Tochter, ihm fiel ihr Name nicht mehr ein, von deren Hausdach er abgestürzt war.

Und jetzt waren da noch zwei Naturkundlerinnen auf seiner Insel; Gangolf hatte sie noch nicht kennengelernt und er wußte nur von der einen den Namen, Barbara Bär. Er war ganz im Gedanken versunken, daß er nicht mitbekam, als das Gebet nach dem Vater-Unser beendet wurde und der Ersatz-Priester zum Friedensgruß aufrief. Der Banknachbar wandte sich an ihn, um ihm die Hand zu reichen, doch Gangolf saß regungslos da, was den Nachbarn zu einem vernehmlichen Brummen veranlaßte. Dadurch aufge­schreckt erhob sich Gangolf und holte die Handlung des Friedenzeichens nach.

‚Es ist schon verrückt’, sinnierte Gangolf weiter, ‚die, die man möchte, kriegt man nicht.’ In seinem Fall waren das Ramona und Bettina; dagegen hatte er das Gefühl, Magda zu bekommen, wenn er es wirklich wollte, vielleicht sogar Martina, wenn er sich auf deren herrische Art einließe.

Nach der Messe beeilte sich Gangolf, nach Hause zu fahren, die drei Damen würden bald bei ihm aufschlagen. Zunächst brummte Martina, daß nicht ihr geliebter Lada als Urlaubskutsche genommen würde, doch sie sah schnell ein, daß Gangolfs Golf-Kombi doch wesentlich praktischer sei; Bettinas Elektrowägelchen kam von vorneherein nicht in Be­tracht.

Als sie alles in Gangolfs Auto verstaut hatten, ernannte sich Martina als erste der drei Frauen, die als Sozia auf dem Motorrad mitfahren würde. Ihre textile Motorradkleidung unterschied sich deutlich von Gangolfs neuer Lederkombi, Gangolf freute sich insgeheim auf Magda, wenn diese mit ihrer neuen Lederkombi, jener Gangolfs gleich, hinten aufsteigen würde. Als erstes Ziel einigte sich die Vierergruppe auf Dresden; dort wollten sie im Elbterrassen-Restaurant ein spätes Mittagessen einnehmen.
Sie genossen beim schönsten nachmittäglichen Sonnenschein die Aussicht auf die Elbe und bestaunten dabei einige Kajakfahrer, die in der Strömung des Flusses schnell vorangetrieben wurden. Bettina erinnerte sich daran, daß Gangolf in Dresden seine Kajaks ge­kauft habe.
- „Ja, in der Prager Straße, da gibt es ein großes Outdoor-Sportgeschäft, die sind super ausgestattet mit allem“, bestätigte Gangolf.
- „Laßt uns da hingehen, wir haben doch noch Zeit“, schlug Bettina vor. Martina nörgelte etwas vor sich hin in Richtung Zeitverschwendung, Magda sagte dazu natürlich gar nichts, so daß Gangolf entschied:
- „Ja, das ist gar nicht so weit weg.“

Auf dem weitschweifigen Zwinger-Gelände bestaunte Magda die Wasserspiele, sie träumte davon, als Nixe in den Becken unterzutauchen. Als sie auf dem heißen Pflaster der Dresdener Innenstadt weiterschritten, bemerkte sie rasch ihr Durstgefühl, denn sie hatte nur ein kleines Glas Wasser zum Essen getrunken. Wieder kamen ihr die armen Kinder in Afrika in den Sinn, für welche sie Brunnen graben wollte.

In dem großen Sportgeschäft bestaunten die drei Frauen das riesige Wasserbecken im Obergeschoß des Geschäftes, in welchem Boote ausprobiert werden konnten. Gangolf kannte die Einrichtung bereits, doch auch ihn faszinierten bei jedem Besuch die Vielfalt an dem Angebot, das er hier vorfand. Bettina hegte bereits bei der Abfahrt aus Wesserbarg den Wunsch, sich hier einen Neoprenanzug zu beschaffen, denn sie wollte trotz ihres Mißgeschicks wieder einmal mit Gangolf Kajakfahren. Da die Witterung nach Rück­kehr von ihrem Urlaub deutlich kühler würde, wollte sie, so sehr sie das Feuchte untenherum durchaus erregend empfand, nun doch wärme- und wassergeschützt in der Schale sitzen.
Ein eifriger Verkäufer reichte ihr verschiedene Anzüge; als sie jeweils mit einem bekleidet aus der Umkleide heraustrat, präsentierte sie sich den Wartenden mit einem strah­lenden Lächeln und streifte dabei kleine Falten auf der glänzenden Oberfläche glatt. Sie sah bezaubernd in dem enganliegenden Neoprenstoff aus, Gangolf mußte an sich halten, sie nicht zu umarmen und kräftig an sich zu drücken.

Martina nörgelte wieder herum, daß man nun auch noch dieses in ihren Augen unnütze Kleidungsstück spazierenfahren müsse, doch ließ man ihre Nörglerei unkommentiert und ignorierte sie auf diese Weise.
Auf dem Rückweg zum Auto erkannte Gangolf schon von Weitem den Strafzettel, der unter dem Scheibenwischer seines Golfs hing. Schuldbewußt näselte Bettina, daß kein anderer Parkplatz frei gewesen sei und sie sich deshalb in das Parkverbot stellen mußten. Martina setzte ein hämisches Grinsen auf und dachte sich dabei: ‚Wie gut, daß ich nicht am Steuer saß und jetzt Bettina schuld ist.’

Reichlich dem Alkohol zugesprochen beschloß Martina, daß nun Magda sich als Sozia bewähren sollte. Diese schlüpfte widerspruchslos in ihre Motorradkombi und stapfte neben Gangolf zu dessen Motorrad. Zunächst hatte sie wieder Mühe, den hohen Soziussitz zu erglimmen, doch gelang es ihr, im Vergleich zur ersten Ausfahrt ziemlich unver­krampft hinten aufzusitzen.

Gangolf wollte nicht auf der Autobahn zu dem Vorort nördlich von Prag fahren, sondern im Elbetal die Sächsische Schweiz durchqueren. Bettina und Martina fuhren dagegen wieder auf die Autobahn und steuerten auf kurzem Weg das von Bettina auserkorene Nacht­lager in einem kleinen Hotel an.

Als Gangolf mit Magda die tschechische Grenze passiert hatten, mußte er sich auf den Straßenverlauf konzentrieren; wie beim Autofahren lehnte er erst recht beim Motorradfahren die elektronischen Navigationshilfen ab; „ich bin hier doch nicht mit einem Schiff unterwegs, das man navigieren muß“, pflegte er sich zu entrüsten, wenn ihn jemand diesbezüglich ansprach.

Gangolf verspürte mit jedem Kilometer, wie Magda hinter ihm entspannter wurde; diese genoß das schwingende Fahren durch die weiten Kurven in dem Elbetal. Als sie gegenüber des berühmten Basteifelsens angekommen waren, blieben sie am Straßenrand ste­hen und bewunderten aus der Ferne dieses Naturmonument. Wäre es nach Gangolf ge­gangen, hätten sie hier irgendwo übernachtet und hätten den Nachmittag und Abend da­mit verbracht, mit der rein von der Strömung ohne Motor angetriebenen Fähre auf das andere Elbufer zu gelangen und von dort aus zu der Felsengruppe hinaufzusteigen. Er kannte von früheren Besuchen das gigantische Naturschauspiel, wenn zwischen den Fel­sensäulen die Sonne untergeht; die Felsenformationen wurden dabei in ein bezauberndes Licht gesetzt, das nur wenige Minuten währte.

Bettina und Martina lagen sich bereits stundenlang in den Armen, als Magda und Gangolf endlich an der Herberge angekommen waren. Martina zürnte Bettina, daß diese ein ihrer Meinung nach viel zu kleines Doppelzimmer auserwählt hatte, doch Bettina wies die Anschuldigung zurück, daß man die Größe der Zimmer im Internet nicht ersehen konnte und daß das Zimmer für eine Nacht wohl immer geräumig genug wäre. Martina meinte natürlich, daß sich Magda in Ermangelung eines Sofas auf den Boden legen müßte, doch Bettina und Gangolf widersprachen ihr.
- „Laß’ doch wenigstens am ersten Urlaubstag `mal Magda in Ruhe“, forderte Bettina, „die ist jetzt sicher müde von der anstrengenden Motorradfahrt!“

Nachdem sich alle vier frisch gemacht hatten, setzte sich Gangolf an das Steuer und fuhr mit seinen drei Damen in die Prager Innenstadt. Sie überlegten kurz, mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren, doch lag ihre Unterkunft außerhalb des Straßenbahnnetzes. In Prag lenkten sie ihre Schritte zur Karlsbrücke, über welcher sie gemächlich schlenderten. Von der Burg ließen sie ihre Blicke auf die Stadt hinunterschweifen, im Abendlicht strahlte die vielhunderttürmige Stadt ihnen entgegen.

Gangolf mußte sich schwer konzentrieren, wieder zum Auto zu finden, nachdem sie auf verschlungenen Wegen durch die Altstadt gekreutzt und dabei mehrfach eingekehrt waren. Martina war bereits ziemlich abgefüllt, auch Bettina war nicht mehr ganz nüchtern, während Gangolf es bei einem Glas Bier beließ. Magda trank, wie gewöhnlich, gar kein alkoholhaltiges Getränk. In dem Hotel zurückgekehrt ließ Martina es widerstandslos gewähren, daß Magda mit auf das Zimmer von Gangolf ging. Dieser betrachtete Magdas schlanken Kör­per, bemerkte auf ihm nicht nur die bereits ziemlich verblaßten Striemen auf ihrem Rü­cken, sondern auch sondern auch Rötungen entlang des Keuschheitsgürtels, insbesondere im Taillenbe­reich.

Am nächsten Morgen sprach Gangolf das Thema Keuschheitsgürtel an und bestand darauf, daß diese entfernt werden müßten, da sie zumindest bei Magda zu deutlichem Wundreiben führten bei einer längeren Fahrt auf dem Motorrad. Martina widersprach natürlich, doch sie konnte der Argumentation nicht viel entgegensetzten, als sie selber bis­lang nur relativ kurz mitgefahren war. Gangolf sprach auch das Verletzungsrisiko an, das bei einem ohnehin schon ausreichend gefährlichen Sturz hinzukäme. Um der Debatte ein Ende zu bereiten, entschied er kurzerhand, daß er niemanden mehr mit Gürtel mitnähme, gleich wen, gleich wie lange, und daß die vom Manne ausgehende Gefahr während des Motorradfahrens wohl sehr gering sei.

Als Martina hinter Gangolf aufsitzte, konnte Gangolf durch ihre dicke Textilkleidung nicht spüren, ob sie ihren Keuschheitsgürtel trug oder nicht, es war ihm bei ihr auch gleichgültig, er wollte mit seiner Anordnung nur erreichen, daß Magda von dem Gürtel befreit würde. Das nächste Etappenziel war Wien, auch hier hatte Bettina ein kleines Hotel als Unterkunft gebucht.

Bettina fragte Magda, wie es für sie war, die lange Strecke von Dresden bis Prag auf dem Motorrad mitzufahren. Magda fiel es zunächst schwer, darüber zu sprechen. Das Thema Motorradfahren als Sozia ist im Allgemeinen eine gefühlsbetonte Angelegenheit und in ihrem Fall eine ganz besondere, da ihre ausgesprochen devote Grundhaltung die Zusammenhänge von sinnlicher Wahrnehmung, körperlicher Anstrengung, verminderte bis gar nicht gegebener Kommunikationsmöglichkeit und grenzenlosem Vertrauen in einem extrem gefühlsbetonten Licht erscheinen läßt.

Bettina faßte es in einem Wort zusammen: „Es war also einfach geil?!“
Nach dieser abschließenden Bemerkung, Frage und Antwort zugleich, schwiegen die beiden jungen Frauen eine Weile. Magda betrachtete die vorbeiziehende Natur, Bettina konzentrierte sich auf den Verkehr.
Irgendwann brach Bettina das Schweigen: „Meinst du, Gangi würde mich auch einmal mitnehmen?“
Von dieser Frage überrascht drehte sich Magda zu Bettina, diese konnte ihren Blick aufgrund des Verkehrsgeschehens nicht erwidern.
- „Ja freilich, wieso denn nicht“, gab Magda zur Antwort, „mich hatte er ja auch mitgenommen und auch Martina.“
- „Die vor allem, die hatte damit angefangen, sie sprach schon immer davon, daß sie gern wieder `mal Motorradfahren wollte. Aber ehrlich gesagt, hab’ ich schon ein bissel Schiß“, bekannte Bettina.
- „Wovor jetzt?“, fragte Magda nach.
- „Na ja, wenn das so schnell durch die Kurven geht und man kann nichts machen, als sich irgendwie festhalten.“

Bettina mußte sich eingestehen, daß sie bei dem Gedanken daran, auch einmal mitzufahren, und vor allem dabei, wie sie diese Gedanken zur Sprache brachte, eine Erregung empfand, die sich mehr und mehr zu einer Begierde steigerte, zu dem unbedingten Wunsch, wenigstens einmal dieses für sie bislang gänzlich unbekannte Gefühl der Stimu­lation durch vertrauensvolle Hingabe, körperliche Anstrengung und Gefahrbewußtseins zu erleben.
- „Nimm’ doch einfach meine Lederkombi, die wird dir schon passen, darin wirst du dich ganz wohl fühlen, da spürt man nicht den Wind so und es fühlt sich ganz gut an, das ist echt ganz toll damit“, entgegnete Magda.

- „Kannst du Gedanken lesen?“
- „Äh – nein, aber du kannst Gangi voll vertrauen, der fährt am Anfang erst einmal so ganz vorsichtig, ich hab’ mich dann erst daran gewöhnt, wenn man dann so weit oben auf dem Sitz hinten sitzt, ein irres Gefühl!“

Was Bettina nicht dachte: Auch Gangolf konnte Gedanken lesen; dieser träumte schon seit langer Zeit davon, mit ihr Motorrad zu fahren, mit ihr, der intellektuellen Pfarrerin, die sich am Tag zuvor einen Neoprenanzug gekauft hatte.

Doch zu einer gemeinsamen Bootstour sollte es nicht mehr kommen.

Der Besuch in der Wiener Innenstadt lief ähnlich ab wie jener von Prag allein mit dem Unterschied, daß sie mit einem Vorortzug bis zum Franz-Josef-Bahnhof fuhren. Wieder war Martina dermaßen abgefüllt, daß sie nicht mehr nach Magda begehrte, unfähig, eine sie erregende sadistische Handlung an dieser auszuführen.

Gangolf räkelte sich genüßlich im Bett, Magda schlief bereits neben ihm. Seine Gedanken kreisten um seine Insel, ob die beiden Naturforscherinnen wohl immer noch in ihrem kleinen Zelt sich aneinanderkuschelten. Ihm kam indes nicht im Entferntesten in den Sinn, daß die beiden jungen Frauen bei ihrer Naturerkundung eine ganz und gar unnatürliche Entdeckung machten könnten.


Liebe Leser,
erlaubt mir hier noch eine kleine Anmerkung: Die Moderatoren teilten mir mit, daß ab dem heutigen 1. April die Forum-Regeln dahingehend geändert worden sind, daß jeder Beitrag in Form einer "Story" mit Kommentaren beantwortet werden müßte, seien diese positiv oder auch negativ, denn nur so könnte der Charakter eines "Forums" gewahrt bleiben! Also gebt auch meiner "Story" ab und zu ein paar Zeilen eines Kommentars, nicht daß am Ende diese Geschichte mangels Resonanz gesperrt würde; nun je, die Coroana-Regeln verflachen ab morgen, auf der anderen Seite werden die Forum-Regeln ab dem 1. April verschärft...
87. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von Ihr_joe am 02.04.22 00:24


Zitat

Liebe Leser, erlaubt mir hier noch eine kleine Anmerkung: Die Moderatoren teilten mir mit, daß ab dem heutigen 1. April die Forum-Regeln dahingehend geändert worden sind, daß jeder Beitrag in Form einer \"Story\" mit Kommentaren beantwortet werden müßte, seien diese positiv oder auch negativ, denn nur so könnte der Charakter eines \"Forums\" gewahrt bleiben! Also gebt auch meiner \"Story\" ab und zu ein paar Zeilen eines Kommentars, nicht daß am Ende diese Geschichte mangels Resonanz gesperrt würde; nun je, die Coroana-Regeln verflachen ab morgen, auf der anderen Seite werden die Forum-Regeln ab dem 1. April verschärft...


Schade, dass der 1. schon vorbei ist, allerdings wusste ich nicht, dass die verflachten Corona Regeln ein Aprilscherz sind.
Na ja, das hätte man ersten können. Der neue Kanzler scheint ja doch Humor zu haben.

Oder stimmt am Ende doch alles? Ein Gesundheitsminister, der Maske predigt und dann so einem Beschluss zustimmt? Zu, nichts als Satire…

Wie klar sind da die Verhältnisse in und um Lüggen, dem echten Leben. Oder verwechsle ich da was?

Ihr_joe
88. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von modex am 02.04.22 10:36

Kommentar, begeisterter.
Etwas off-topic:
Wenn es um die Einhaltung von sinnlosen bis sinnbefreiten Regeln geht, leben wir im richtigen Land.
Ich stelle mir gerade vor, wie 80+ Mio. Menschen an einem Novembertag um 02:37 morgens an einer einsamen Straße vor der roten Fußgängerampel im Nieselregen bei 4,7 Grad stehen und warten.
Welche Sprache sprechen diese Leute?
89. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von Maurice80 am 02.04.22 13:38

Ist man jetzt nichtmal mehr hier vor sinnlosen Coronadiskussionen sicher?

Wie immer, ein schönes Kapitel. Ich warte jeden Freitag auf die Fortsetzung. Geht zwar recht langsam vorwärts, aber ist ja auch ein Roman, keine Kurzgeschichte. Bin schon gespannt wie es an den vielen Schauplätzen weitergeht.
90. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 03.04.22 12:46


In der Tat verfolgt uns das Coronas bis hierher, und es ist sogar die Ursache für diesen Roman: Geschüttelt von Depressionswellen gelang es mir im "Home office" nicht, mich auf eine "vernünftige" Arbeit zu konzentrieren, indes beflügelte mich der Masken-Masochismus zu der Phantasie, wie sich das Virus bis in zehn Jahren, dem Jahr 2030, mutieren könnte; zugegebenermaßen ist der Fortgang der Geschichte "recht langsam", immerhin scheint mir die wöchentliche Fortsetzung schier einzigartig, und so dürfen wir gespannt bleiben, wie es Woche für Woche, Monat für Monat, - Jahr für Jahr? weitergehen wird, den Anfang kennen wir jetzt, das Geschehen verläßt die "klaren Verhältnisse in und um Lüggen" !
91. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 08.04.22 22:46

Liebe Lesefreunde,
in dieser Folge kommt erstmals ein Dialekt in's Spiel: Die Urlauber haben ihr mitteldeutsches Städtchen verlassen, wo man einigermaßen verständliches Hochdeutsch spricht. Für Euch wird es jetzt schwieriger, dem Wortlaut der beteiligten Österreicher zu lesen und zu verstehen, denn es gibt kaum die Möglichkeit, die Lautfärbung des hellen a und des dunklen a in der Schrift wiederzugeben, indes ist diese Unterscheidung äußerst wichtig, um die Bedeutung des Gesprochenen zu verinnerlichen.

Gebt mir Euere Rückmeldung, wie Ihr damit zurechtgekommen seid, ob ich das so weiter schreiben kann, oder ob ich mir eine Art Übersetzung einfallen lassen muß, um den Lesefluß nicht zu sehr zu stören!



48

Am nächsten Morgen schliefen sich die Vier alle lange aus, erst kurz vor halb zehn Uhr trafen sie sich zum Frühstück. Die Küchenhilfen waren nicht begeistert, als jene erst so spät zum Essen herunterkamen, kurz vor Torschluß, denn um 10 Uhr wollten sie abräumen, doch war ihnen bereits jetzt klar, daß sie den Gästen kaum die Teller während des Abbeißens wegziehen konnten. Die vier späten Hotelgäste ließen sich bewußt Zeit, denn ihr nächstes Reiseziel war das verhältnismäßig nahe gelegene Graz. Gangolf wollte dort übernachten, er liebte die kleine Pension im Grazer Vorort Sankt Peter. Als er dort anrief, waren die Wirtsleute erfreut, ihn wieder einmal ihn zu beherbergen.

Martina war immer noch etwas geschwächt und verzichtete deshalb gerne auf den Sozia-Platz zugunsten Bettina. Sie brummte zwar etwas in der Richtung, daß doch alle drei im Auto fahren könnten und daß Gangolf sicherlich auch einmal wieder allein auf dem Motorrad säße, der Hintergrund lag indes darin, daß sie nun selbst fahren müsse. Bettina kam mit auf Gangolfs und Magdas Zimmer und borgte sich Magdas Lederkombi aus. Bei­de halfen ihr in das Leder, Gangolf bemerkte wohlwollend, daß sie nicht begürtelt war.

‚Wenigstens hier respektieren sie meine Forderung’, dachte sich Gangolf, ‚und lassen den blöden Gürtel weg, ist denn das wirklich so geil, ständig mit dem Eisen zwischen den Beinen herumzulaufen?’

Bettina und Gangolf verstauten ihr Gepäck in dem Auto und verabschiedeten sich von Martina und Magda. Wie beim ersten Mal, als Magda erstmals versuchte, auf das Motorrad zu steigen, hatte nun Bettina ähnliche Probleme. Wieder ließ sich Gangolf alle Zeit der Welt, um bloß die ohnehin bestehende Aufregung nicht durch Drängen zu erhöhen.
Langsam setzte sich die Yamaha in Bewegung, der träge Innenstadtverkehr nötigte zu ständigem Anfahren und Anhalten. Nach wenigen Minuten ließ sich Bettina hingebungsvoll auf Gangolf rutschen, sie genoß die Berührung ihrer Brüste mit Gangolfs Rücken, und sie stellte sich vor, wie es wäre, wenn sich ihre beiden Körperteile ohne das umhüllende Leder berührten.

Schweigend lenkte Martina den Wagen auf die Autobahn, auch Magda schwieg, wie sie es von Natur aus tat. Bereits nach etwa einer Viertel Stunde steuerte Martina einen Autobahnparkplatz an. Beim Einbiegen erblickte sie ein dunkelblaues Polizeifahrzeug, das in einer Parkbucht neben einigen anderen Autos stand. Martina dachte sich dabei nichts weiter, hielt an und forderte Magda auf, auszusteigen. Es ging ihr gewaltig gegen die Hutschnur, daß diese neben ihr auf dem Beifahrersitz Platz genommen hatte. Beim Wegfahren an diesem Vormittag vor dem Hotel in Wien wollte sie bei der Anwesenheit der anderen beiden keine Szene machen, doch jetzt reichte es ihr.

‚Es kann nicht sein, daß die frech sich ungefragt neben mich gesetzt hat’, empörte sich Martina innerlich, ‚sonst sitzt sie auch immer hinten.’
Sie überlegte, ob sie den Kofferraum ausräumen sollte, um ihrer Sklavin einen adäquaten Transportraum zukommen zu lassen, doch schien ihr der Aufwand der Umladerei der vielen Gepäckstücke auf die Rückbank zu umständlich. In ihr erwachte eine unerklärliche Ungeduld, sie wollte jetzt so schnell als möglich Magda dominieren. Als sie die Heckklap­pe zuschlug, kam ihr die Idee, den Beifahrersitz ganz nach hinten zu verschieben, um davor einen großen Bereich in dem Fußraum zu gewinnen. Magda begriff den Sinn der Anweisung nicht, gehorchte indes, sprang auf den Sitz, zog an den Verstellhebel und drückte sich mit dem Sitz zurück.
- "Wieder ausgestiegen", befahl Bettina, "unten hinzusetzen"; auch diesen Be­fehl verstand Magda nicht und so setzte sich diese einfach wieder auf den Beifahrersitz und ließ ihre Beine in die Weite des Fußraums baumeln.
- „Doch nicht auf den Sitz“, herrschte Martina sie an, „hock’ dich davor auf den Boden!“

Jetzt begriff Magda und rutschte hurtig von dem Sitz in den Fußraum hinunter. Sie winkelte ihre Beine an, so daß die Knie zwischen Oberkörper und Handschuhfach eingeklemmt wurden, ihre Hände hielt sie vor die Unterschenkel. Als ihre linke Hand die elektro­nische Fußfessel berührte, lief ihr ein Schauer über den Rücken bei dem Gedanken, daß sie immer noch als Überwachte galt, die sich zwar nun im gesamten Landkreis Damisch-Schleewald aufhalten durfte, indes längst nicht darüber hinaus, gar in das Ausland fah­ren.

Wie berechtigt ihre plötzlich auftretenden Bedenken waren, sollte sie und ihre Begleiter in wenigen Tagen erfahren.

Als Magda in dem Fußraum verstaut war, schlug Martina die Beifahrertür zu und lief um das Auto herum, um am Steuer Platz zu nehmen. Währenddessen kam das Polizeiauto herangefahren und die beiden Beamten schauten ungläubig aus dem Fenster.
- „Host du die zwoa junga Frau’n g’seng, die da g’rad vor dem Karr’n g’standen san, wo is’n die oane hi, die is doch niat fuat, ejtz siach is nimma!“
- „Jo, host recht, komisch, und ejtz fohrt die davoh wia a Henker!“, pflichtete der andere seinem Kollegen bei.

Tatsächlich trat Martina auf’s Gaspedal und donnerte mit aufheulendem Motor aus dem Parkplatz.
- „Do stimmt was net, kumm, dene foah ma nachah.“
- „Jo, wannst moanst, die andan do hom eh oj ihr Picherl, ajso, foah los!“

Martina hielt sich einigermaßen genau an die Geschwindigkeitsbegrenzung auf Österreichs Autobahnen, denn sie fürchtete die drakonischen Strafen, die bei Übertretung drohten und welche ohne weiteres an Ort und Stelle abkassiert wurden. Als es leicht bergab ging, legte sie den Leerlauf ein, hob den rechten Fuß, zog ihn in die Höhe, drückte sich im Sitz ganz nach links, so daß linke Schulter und Ellenbogen an der Tür zu liegen kamen, und drückte ihren Stiefel auf Magdas Schulter. Diese war von dem Tritt vollkommen überrascht, sie war fast blind, da sie außer dem wenige Zentimeter entfernten Armatu­renbrett nichts weiter vor Augen hatte. Mit einem kurzen Aufschrei rollte sie zur rechten Seite, ihr Kopf schlug auf die Beifahrertür, bevor sie mit der rechten Schulter den Stoß abfangen konnte.

Der kleine Aufschrei erfreute Martina sehr und sie bedauerte, daß die Bergabfahrt schon wieder vorbei war und die Fahrt immer langsamer wurde. Rasch hob sie das Bein zurück und gab wieder Gas. Die in diesem Augenblick an ihr vorbeifahrenden Polizisten betrachteten erstaunt dieses Spektakel, das sie bislang noch nie gesehen hatten.

- „Host des g’seng, die spinnt doch total“, erregte sich der fahrende Beamte und der beifahrende pflichtete ihm bei:
- „Die ander hockt unt’ vor’m Sietz, foah virah, na hojt i d’Kei­jn assa, dej halt’ ma ah!“

- „Jo sats dez total deppert, wiaso hockers Eahna am Bohn hi, wou da Sietz lahr is!“, schimpften die Beamten in dieser Weise abwechselnd, als sie Martina zum Anhalten auf den Seitenstreifen nötigten. Martina und Magda steckten in größten Erklärungsnöten: Als die Gendarmen dann auch noch das Metall von Bettinas Keuschheitsgürtel aufblitzen sahen, den Martina zu oberst in den Rucksack gelegt hatte, ohne diesen fest verschloßen zu haben, brach das Weltbild der beiden österreichischen Ordnungshüter vollends zusammen.

- „Wos hom’s denn do,“ wunderte sich der eine und zog den Chasti hervor, „schau’ amol, host des scho g’seng?“
- „Naa, wos is `n des“, entgegnete der andere und betrachtete kopfschüttelnd das Teil, das ihm sein Kollege vor die Nase hielt.

Martina kam mit einer saftigen Geldstrafe davon, sie mußte sich zu dem Fundstück nicht äußern, man gab ihr und Magda zur strengen Auflage, daß sich diese von nun ab anständig auf einen der Sitze setzen müßte, und gab die Mahnung mit, sich anzuschnallen. Die beiden Damen beteuerten, der Aufforderung nachzukommen; Martinas Übermut war empfindlich gedämpft, Magda setzte sich brav auf die Rückbank, und schweigend verbrachten sie die gesamte Fahrt bis zu ihrer Ankunft in Graz.

Die Herberge lag auf einem kleinen Hügel, über eine längere Stiege erreichten Martina und Magda das Haus. Nachdem sie von der Wirtin den Schlüssel ausgehändigt bekamen, stieg Martina voran, öffnete die Tür und ließ sich gleich der Länge nach auf das Bett fallen. Sie mußte Magda nicht lange anweisen, die restlichen Gepäckstücke aus dem Auto heraufzuholen; dreimal mußte Magda gehen, bis alles heraufgeschleppt war. Auch Bettinas und Gangolfs Sachen hatte sie geholt und in dem breiten, fast quadratischen Vor­raum abgestellt.

Martina war geladen. Die schmähliche Behandlung durch die Staatsmacht wollte sie nun wettmachen. Sie befahl Magda auf den Boden und fesselte diese in einen strikten Hogtie. Dann trat sie unbarmherzig mit ihren Stiefeln auf ihr wehrloses Opfer ein. Als Magda die Schmerzenslaute nicht länger unterdrücken konnte, bekam sie den verhaßten Knebel in den Mund. Martina trat hemmungslos vor Wut weiter auf Magda ein, sie reagierte sich auf diese Weise ab. Endlich konnte sie sich wieder einmal an ihrem Opfer auslassen, die nun schon seit einigen Tagen anhaltende Abstinenz ließ sie ganz unruhig werden.

Magda stöhnte in den Knebel, undefinierbare Laute lallten durch das Zimmer. Von den vorangegangenen Schmerzensrufen aufgeschreckt sprang die Hotelchefin die Stiege herauf und hielt in dem Vorraum inne. Hier vernahm sie die knebelunterdrückten Laute, trat zu der Tür heran, die zu Martinas und Magdas Zimmer führte. Nachdem sie nochmals kurz gelauscht hatte, nahm sie ihren Mut zusammen und rief:

- „Gibt’s da a Problem, brauchen’S Hilfe?“
Martina wollte soeben wieder zu einem kräftigen Tritt ausholen, setzte aber den Stiefel wieder auf den Boden zurück und rief:
- „Alles in Ordnung, danke!“

‚Verdammt, das war knapp’, überlegte sich Martina, vergewisserte sich, ob sie die Tür wirklich zugesperrt hatte, und fläzte sich auf das Bett. Erfreut stellte sie fest, daß das Oberteil und das Unterteil aus Sprossen bestand, an denen sich in idealer Weise Seile anbringen ließen. Sie faßte den Beschluß, die Nacht mit Magda zu verbringen; Bettina sei schließlich selbst schuld daran gewesen, indem sie mit Gangolf Motorrad fahren wollte, jetzt müsse sie sehen, wie sie mit ihm in der Nacht zurecht kommen würde.

Gangolf genoß die Fahrt mit Bettina und umgekehrt. Sie blieben immer wieder stehen, sei es, um in einer Ortschaft einen Kaffee zu trinken, sei es, sich in einer gemähten Wiese zu räkeln. Eines wurde Gangolf indes sofort klar: Bei Bettina gab es eine Grenze, Bettina konnte sich beherrschen, sie zeigte ihre Freude verbal, maximal durch kurze Umarmungen. Die Lippen der beiden fanden sich nicht.

Einmal überwand sich Gangolf, schlich sich an die im Gras liegende Bettina heran und ergriff ihre Fußknöchel. Bettina ließ ihn gewähren und hielt ihre Beine steif durchgespannt. Gangolf drückte ihre Fußsohlen auf seinen Brustbereich und stützte sich auf diese ab. Er streckte seine Arme weit seitlich von sich, Bettina sah sich gezwungen, das Gewicht seines Oberkörpers, welcher über ihr schwebte, abzustemmen. Nach etwa einer Minute wurde es ihr zu anstrengend, sie winkelte die Knie an, Gangolf schwebte daraufhin nach unten, auf ihren Körper zu. Sie hob ihre Arme als Abwehrreaktion, im gleichen Augenblick setze Gangolf seine Beine nach vorn und fing damit den drohenden Niederfall ab. Beide lächelten sich an und be­stiegen schließlich das Motorrad.

Am Nachmittag erreichte Gangolf und Bettina das Ziel. Gangolf empfand es ungewohnt angenehm, einfach abzusteigen, ohne anschließend das Gepäck zu entzurren, sondern vielmehr ganz entspannt mit dem Helm in der Hand die Stufen zu der Herberge hinaufzusteigen, ganz >cool< und lässig, mit einer jungen Frau im Schlepptau.
- „Aha, Sie sind die Eheleute Stumpf“, wurden sie von der Herbergs-Chefin begrüßt, „Herzlich willkommen, Sie waren ja schon öfter bei uns, Herr Stumpf, und jetzt freu’ ich mich, ihre Frau Gemahlin kennenzulernen.“
Sie reichte den beiden die Hand und Bettina spürte, wie ihr schon wieder das Blut in das Gesicht schoß.

- „Ich hoffe, Sie hatten eine gute Reise“, fuhr die Wirtin fort, „das Wetter ist ja ideal für das Motorradfahren, kann ich mir vorstellen. Ihre Urlaubsbegleitung, die beiden Damen sind schon auf ihrem Zimmer oben, schauen’S, hier hab’S an Schlüssel füas 22er, as Zimmer is gleich danehm, die ham as 21er. Sie kennen Eahna ja aus!“

Nachdem sich Gangolf in dem Meldezettel eingetragen hatte und das Kreuzchen >mit Ehegatte/Ehegattin< gesetzt hatte, erhielt er den Schlüssel für das Zimmer. Um das Schauspiel zu perfektionieren, gab sich Bettina einen Ruck und hakte sich Gangolf unter. Gemächlich stiegen sie die Treppe hinauf, darauf bedacht, ihre Helme nicht an die Wand beziehungsweise an das Stiegengeländer anschlagen zu lassen.

- „Wir sind da!“, rief Bettina frohgemut in Richtung Zimmer 21, während Gangolf die Tür zum 22er aufsperrte. Martina fluchte innerlich:
‚Was machen die denn schon da, ich dachte, die würden erst gegen Abend hier auftauchen, verdammt, wohin so schnell mit ihr.’
Martina beschloß, erst einmal mucksmäuschenstill zu verharren, auch Magda gab keinen Laut von sich.

Bettina sagte zu Gangolf: „Die beiden sind wahrscheinlich ein bißchen `rausgegangen, vielleicht sitzen sie unten auf der breiten Terrasse.“
Gangolf hielt das zwar für unwahrscheinlich, daß Martina Magda friedlich neben sich auf einer Terrasse sitzen ließe, doch er sagte erst einmal nichts darauf.
- „Ein wenig leichtsinnig ist das schon von den beiden, einfach unser Gepäck hier vor den Zimmern im Flur stehen zu lassen“, meinte Gan-golf, Bettina entgegnete:
- „Aber wir sind hier doch im gut-katholischen Land, da wird nichts gestohlen.“
- „Du meinst Sankt Peter, das hat was mit der Peterskirche in Rom zu tun.“
- „In Nürnberg gibt’s auch eine Peterskirche, die wurde vor 130 Jahr als rein evangelische Kirche gebaut.“

Die beiden schossen sich die Bälle noch eine Weile hin und her, während Martina in ihrem benachbarten Zimmer eilig Magda von den Fesseln befreite und diese anwies, sich etwas anzuziehen, damit man nicht die Abdrücke von Martinas Stiefelsohlen auf der Haut sähe. Martina verließ schließlich das Zimmer und begab sich in jenes von Bettina und Gangolf.
- „Ah, da seid ihr ja“, begrüßte Martina dieselbigen, „ich dachte, ihr kämt erst gegen Abend.“
- „Aber nein, wir wollen noch zu dem Uhrturm hoch“, entgegnete Bettina, „Gangolf weiß schon, wie man da hinkommt.“
‚Zu was für einen Uhrturm?’, dachte sich Martina abfällig und sagte: „Also mir wär’ jetzt `was zu Trinken lieber, da brauch’ ich nicht auf die Uhr zu gucken.“
‚Kulturbanause’, dachte sich Bettina und entgegnete: „Na schön, dann fahr’ ich mit Gangi allein dorthin.“
- „Ja, macht das“, entgegnete Martina, ich vergnüg’ mich ein bissel mit Magda, wir streifen ein bissel in der Gegend herum, werden schon was zu Trinken finden.“
- „Besauf’ dich nicht wieder so“, mahnte Bettina.
- „Nee, heute nich’, Magda is auch ganz k.o., wir gehen zeitig in’s Bett, vergnüg’ dich mit Gangolf, ich bleib heut’ Nacht bei Magda.“

Ohne eine Antwort abzuwarten, drehte sich Martina um und verließ das Zimmer.
- „Nun, wenn das so ist“, äußerte sich Gangolf, „dann machen wir uns erst einmal etwas frisch und dann ziehen wir los. Geh’ schon einmal vor in’s Bad, ich braus’ mich dann nach dir ab.“

Gangolf schien sich seinem Ziel näher zu kommen, Bettina auf seine Seite zu ziehen; freilich dachte er auch an die Magda, die arme Magda, der es möglicherweise nicht so gut gehen würde in dieser Nacht.

Wie recht Gangolf mit seiner Einschätzung bezüglich Magda haben sollte, so unnahbar würde sich indes Bettina ihm weiterhin zeigen.




Der nächste Freitag ist ein ganz besonderer SM-Tag geradezu biblischen Ausmaßes und somit werde ich die nächste Fortsetzung erst am Samstag bringen ...
und schreibt mir bitte, wie Ihr mit dem "Österreicher-Slang" zurechtgekommen seid!


































92. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von folssom am 10.04.22 00:21

Hallo M A G N U S,

schöne Fortsetzung; da hat Magda wohl eine eher unschöne Nacht zu erwarten.

Ich hab keine Probleme mit dem Austria-Dialekt, mit einem italienischen täte mich aber schwer.
93. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 16.04.22 18:14

Nachdem die überwältigende Mehrheit der Leserzuschriften keine Einwendungen erkennen ließ, weiterhin mundartliche Phrasen in den Text einzuschieben, werde ich das entsprechend pflegen; zunächst geht es nochmals kurz zurück auf die einsame Insel irgendwo in Mitteldeutschland, der aufmerksame Leser wird längst herausgefunden haben, wo die Geschichte spielt, bevor wir uns wieder der Reisegruppe zuwenden:


49

- „Was machst du denn da?“, wollte Inge wissen, als sie aus dem Zwei-Frau-Zelt hinausspähte und am anderen Ende der Lichtung ihre Kollegin Barbara erblickte, wie diese auf dem mit hohen Gräsern bewachsenen Boden herumscharrte.
- „Da war doch neulich am Abend, als wir auf die Insel gekommen waren, so ein Typ da, in der Dämmerung, als wir beinahe unser Zelt nicht mehr fanden“, rief Barbara zurück, „und der hat doch da irgend `was herumgemacht!“
- „Ach, ja, stimmt, hab’ ich schon wieder vergessen, der hat wohl bloß dort an einen Baum gemacht.“
- „So sah mir das aber nicht aus, egal, ich seh’ mich weiter um!“
- „Tu das, ich geh’ schon `mal vor!“
- „Ja, gut, ich komm’ dann nach!“

Inge zog mit ihrer Ausrüstung von dannen, während Barbara weiter in dem hohen Gras nach Spuren von dem Unbekannten suchte. Nach kurzer Zeit wurde sie fündig. Sie empfand die große Ansammlung von Laub und Geäst ungewöhnlich bis verdächtig, sie nahm ihre gummistiefelbewehrten Füße zu Hilfe und stieß auf das silbrig glänzende Aluminium. Vom Jagdfieber ergriffen fegte sie fleißig mit der Zehenkappe die Ablagerungen beiseite, bis der Deckel der Aluminiumkiste in seiner gesamten Fläche vor ihr sichtbar wurde.

‚Ein Schatz!’, durchfuhr Barbara jäh ein erster Gedanke, und sie sollte recht behalten: Sie bückte sich, tastete an dem Deckelrand herum und bald darauf erkannte sie, daß die Kiste nicht abgesperrt war. Als sie vorsichtig den Deckel öffnete, erblickte sie eine Kunststoffolie, die über den Kisteninhalt gespannt war. Neugierig zog sie die Folie beiseite und glaubte, ihren Augen nicht trauen zu können: Massenweise lagen Geldbündel säuberlich aneinandergereiht, sie füllten die Kiste zu drei Vierteln aus. Sekundenlang blickte Barbara auf den entdeckten Schatz, unfähig, einen Gedanken zu fassen. Sie setze sich in das Gras und blickte in den Himmel. Allmählich gelang es ihr, die Situation zu begreifen:

‚Aha, der Mann hat da etwas in die Kiste gelegt oder `was daraus herausgenommen, wahrscheinlich hat er irgend ein Schwarzgeld da versteckt, viel konnte er auf jeden Fall nicht weggenommen haben, sonst wäre die Kiste nicht so voll.’
Barbara bemerkte, wie ihr Herzschlag schneller ging: ‚So viel Geld auf einen Haufen hatte ich ja noch nie gesehen’, kam es ihr in den Sinn, und sie beugte sich wieder über den Kistenrand. Die Verlockung war groß.
‚Nein, das darf ich nicht machen, das gehört mir nicht’, sagte sie sich, doch dann überlegte sie sich: ‚Wenn der so blöd ist, so ein’ Haufen Geld unverschlossen in die Kiste zu legen, braucht er sich nicht wundern, wenn einmal davon `was wegkommt. Wahrscheinlich weiß der Typ gar nicht, wieviel er da genau gehortet hat, es trifft jedenfalls keinen Armen.’

Als Praktikantin verdiente sie für den Job beim Umweltamt so gut wie nichts, Barbara grübelte noch eine Weile, war hin- und hergerissen und entschloß sich schließlich zum Griff in die Schatzkiste.
‚Ein Bündel von den vielen, das merkt der doch gar nicht’, redete sie sich ein, lief mit dem Geld zum Zelt und versteckte es in den Tiefen ihres gewaltigen Trek­king-Rucksacks. Als sie die Beute gut verstaut hatte, kehrte sie zu der Kiste zurück, klappte den Deckel zu und verteilte das beiseite geräumte Laub und Geäst. Das Herumruscheln verlief nicht ganz geräuschlos, so daß Barbara Inges Kommen nicht bemerkte. Aufgeschreckt wandte sich Barbara herum, als sie wenige Schritte hinter ihr Inge durch das Gras stapfen hörte.

- „Bist du immer noch auf Schatzsuche?“, lachte Inge. Barbara blickte sie verdutzt an, jäh stach ein Gedanke durch ihren Kopf: ‚Hast du am Ende auch schon die Kiste entdeckt, aber nichts gesagt, wolltest du deine Entdeckung vor mir geheimhalten?’
Eigentlich wollte Barbara ihrer Kollegin von ihrem soeben entdeckten Fund erzählen, deren Anspielung auf die >Schatzsuche< hielt sie ab, in diesem Augenblick davon zu berichten.

Barbara ließ Inge im Unklaren: „Ach, du hattest recht, bloß so ein altes Eisenzeug, keine Ahnung, wie das da herkommt.“
Ihre Aussage war insofern nicht ganz richtig, da es sich nicht um Eisen handelte, und das Metall auch nicht alt war. Sie ahnte nicht, daß Inge neugierig geworden war. Diese überlegte sich: ‚Wie sollte ein >altes Eisenzeug< auf die einsame, fast unzugängliche Insel gelangen, und dann war da noch der Mann, den sie in der Dämmerung kaum erkennen konnten.’ Inge beschloß, vorerst ihre Gedanken für sich zu behalten.

Barbara fragte sie: „Warum bist du zurückgekommen?“
- „Was man nicht im Kopf hat, muß man in den Beinen haben“, scherzte Inge; beide holten Sachen für ihre vogelkundliche Untersuchungen aus dem Zelt und tauchten in den Dschungel ein. Auf dem beschwerlichen Pfad ging ein jeder der beiden ihren eigenen Gedanken nach:
‚Ob der Typ bald wieder einmal käme, um Geld zu holen oder zu bringen, in den Dämmerungszeiten war er jedenfalls nicht mehr da, da hätten wir ihn gesehen’, und ‚wieso hat Barbara da solange herumgemacht, ähnlich wie der Mann damals, wenn da gar nichts weiter war als irgend ein altes Eisen’.

---

Unweit ihrer schönen Herberge befand sich die Endhaltestelle der Straßenbahn. Gangolf schlug Bettina vor, mit der Bahn in die Stadt zu fahren, um dann mit der Standseilbahn auf den Schloßberg hinauf zu gelangen. Die Fahrt begann mit einer Parterre-Akrobatik: Obwohl Gangolf bereits von seinen früheren Fahren mit der Bahn wußte, wie geradezu gefährlich es sein konnte, eine >Bilettl'< aus dem in der Mitte des Wagens befindlichen Fahrkartenautomaten zu lösen, konnte er sich nur wieder wundern, was den Fahrgästen da abverlangt wurde:

Das schmalspurige Geleise brachte es mitsich, daß die Bahn durch enge Kurven fahren konnte. Wenn man vor dem Fahrkartenautomaten stand, war das eine sportliche Herausforderung. Wollte man nämlich genau in dem Moment, in welchem die Bahn durch eine der zahlreichen engen Kurven bog, mit der einen Hand den Geldbeutel halten und mit der anderen Hand Geld oder IC-Karte herausholen, konnte das zu halsbrecherischen Aktionen führen. Tatsächlich sah sich Gangolf gezwungen, seinen Beutel rasch auf den Automaten abzulegen, um sich mit der linken Hand an einer Stange festzuhalten, während er mit der rechten Hand den PIN-Code einzugeben versuchte.
Bei der Eingabe mußte sich Gangolf ziemlich weit nach unten beugen, um das schmale schwach beleuchtete LCD-Display zu betrachten; laut knirschend rieben sich die Räder in der Kurve, der Wagen knarzte, das Vibrieren und Ruckeln führte dazu, daß er sich prompt vertippte.

- "Wie sollen das alte Leute machen", fluchte Gangolf vernehmlich, während er sich breitbeinig vor dem Kasten abstemmte und sein gebeugter Oberkörper unkontrolliert im Rhythmus der seitlichen Wagenbewegungen hin- und herschwang. Kaum war die Kurvenfahrt beendet, hielt der Wagen mit einem kräftigen Ruck an. Doch Gangolf freute sich zu früh, daß jetzt die Gelegenheit gekommen wäre, den Bezahlvorgang durchzuführen: Heerscharen von Passagieren stürmten das Straßenbahnwägelchen, es herrschte ein wildes Gedränge in dem schmalen Gang. Gangolf bemerkte, daß einige direkt hinter ihm standen, welche offenbar gleichfalls einen Fahrschein lösen wollten.

-"Jo san'S denn no net bojd fiati", drängte ihn jemand, was indes nicht dazu beitrug, Gangolfs Handlung zu beschleunigen, im Gegenteil.
Ein anderer mischte sich ein: "Kannst net woat'n, siagst doch, machst'n blouß ganz nervös!"

Endlich meldete das schwer lesbare Display den erfolgreich abgeschlossenen Bezahlvorgang, der Kasten knarzte vernehmlich. Gerade als Gangolf in die Hocke gehen wollte, um die tief angebrachte Klappe zu öffnen, hinter welcher die erhoffte Beute in Form eines schmalen Papierstreifens auf die Entnahme wartete, gab es wieder einen starken Ruck, welcher die Weiterfahrt der Bahn ankündigte. Erneut sah sich Gangolf genötigt, sich hur­tig an der nächstbesten Stange anzuklammern, immerhin gelang es ihm auf Anhieb, die Biletteln herauszufischen. Erleichtert hob sich Gangolf zu seiner vollen Körpergröße em­por und stellte dabei fest, daß er über die meisten anderen Fahrgäste hinwegblicken konnte. Eigentlich empfand er sich selber gar nicht so groß, erst bei solchem Nebenein­anderstehen wurde ihm der Unterschied bewußt.

Nun galt es, sich einen Pfad durch die dichtstehenden Fahrgästen zu bahnen, um an den Entwerter zu gelangen.
'Eigentlich blöd', dachte sich Gangolf, 'zuerst muß man bezahlen, dann entwerten, alles sozusagen freiwillig, die machen es sich alle so leicht, jeder macht mit in der freiwilligen Unterwerfung.'

- "Vagessn'S niart eahna Göjdbeitl", rief jemand hinter Gangolfs Rücken, dieser wendete sich nochmals um, dankte dem Informanten und grapschte nach dem Beutel. Erst jetzt bemerkte er, daß er noch seine IC-Karte krampfhaft in den Fingern zusammen mit den Fahrscheinen hielt. Der Drängler hinter ihm reichte ihm den Geldbeutel mit seiner einen Hand, während auch er sich mit der anderen geflissentlich an einer Stange anklammerte.
- "Danke", entgegnete Gangolf, ließ für einen kurzen Augenblick die Haltestange los, um hurtig die IC-Karte in ein Kartenfach in dem Beutel zu verstauen. Schnell steckte er diesen in die Hosentasche, bevor ein neuerlicher Stoß ihn wieder einhändig machte.

Als er sich schließlich von dem Fahrscheinautomaten entfernte, gewahrte er einen älteren Mann, er war keineswegs ein Greis und schien auch nicht gebrechlich, doch dieser ging das Risiko des Fahrscheinkaufs gar nicht erst ein: Nachdem nämlich der Drängler, der immerhin so aufmerksam war, daß er Gangolfs Geldbeutel diesem zurückgab, seinen Fahrschein gelöst hatte, bat der Alte:
- "Ach san'S so guat und löjsen'S ma a oan", und händigte seine IC-Karte aus. Der Angesprochene schaute im ersten Augenblick etwas verdutzt, nahm sie aber dann wortlos und steckte sie in den Schlitz. Gangolf glaubte nicht richtig zu hören: Der Alte diktierte ihm anstandslos die PIN-Nummer, der Helfer tippte sie ein, immer darauf bedacht, die Haltestange dabei nicht loszulassen, gab die Karte zurück, fischte den Fahrschein heraus und reichte diesen dem alten Mann.

- "I dank eahna", verabschiedete sich der neugebackene Bilettl-Besitzer und entfernte sich, um sich zu einen Sitzplatz durchzuhangeln.
Gedankenverloren lächelte Gangolf Bettina an, als er nach dem Kampf um die Biletteln ihr gegenüberstand. Eine Tonfolge aus drei Tönen kündigte die Meldung der nächsten Haltestelle an, dabei wurde der letzte Ton wiederholt. Gangolf hatte sofort das Lied parat, das mit dieser Tonfolge begann: >Weißt du, wieviel Sternlein stehen<.
'Wenn das noch lange so weitergeht, werde ich tatsächlich bald Sternlein sehen', kam es ihm in den Sinn. Dann fiel ihm Wolfgang Ambros' Schlager vom Straßenbahnschaffner ein:
»Straßenbahnschaffner säi, des woa amal wos, die Zäht ist voarbäh, heint' foaht ma schaffnerlos.«

Endlich erreichten sie den Jakominiplatz, an dieser zentralen Umsteigehaltestelle stiegen viele Fahrgäste aus. Bevor die draußen Wartenden hereinkamen, setzten sich Bettina und Gangolf, um wenigstens die sich anschießende kurze Fahrt durch die Fußgängerzone im Sitzen genießen zu können. Am Hauptplatz stiegen sie aus, denn die Linie zweigte hier westwärts ab. Sie wollten nicht auf die nächste Bahn warten, die sie weiter nordwärts bringen würde, sondern gingen zu Fuß durch die Gasse, in welcher sich Straßenbahn und Fußgänger in lebensbedrohlicher Nähe gleichermaßen hindurchzwängen mußten.

Nach kurzem Fußmarsch erreichten Bettina und Gangolf die Talstation der Standseilbahn. Einer der beiden im Wechsel auf und ab verkehrenden Wagen stand zum Einstieg bereit, die beiden betraten das oberste Abteil. Gangolf dachte an die Story in dem KG-Fo­rum, die er als Fortsetzungsroman gern gelesen hatte, mit dem fantasiereichen Inhalt ei­nes Galeerenschiffs, das von Sklavinnen gerudert wurde, die in nicht zu öffnenden Keuschheitsgürteln gefangen gehalten wurden. Der Autor schien ein Sanitätsoffizier aus Graz zu sein, schlußfolgerte Gangolf. Die Schloßbergbahn, auf deren Abfahrt sie nun war­teten, kam in der Phantasiegeschichte ebenfalls vor.

Gangolf wurde aus seinen Gedanken gerissen, als Italiener das ihrem Abteil nächstliegende darunter betraten, ein Mann und zwei Frauen, drei junge Leute. Die Glastrennwände und die allgemeine Geräuschkulisse verhinderten, daß Gangolf verstehen konnte, was sie sagten. Irgendwie schien der Mann, der als erstes das Abteil betrat, ärgerlich zu sein. Auch die zweite Frau, die als letzte hereintrat, blickte böse auf die Nachbarin in der Mitte der Dreiergruppe. Erstaunt gewahrten Bettina und Gangolf, wie die in der Mitte stehende Frau sich ständig in ihren Schritt griff und abwechselnd mit den Händen daran fest her­umdrückte.

- "Zum Glück stehen wir nicht unterhalb in dem darunterliegenden Abteil", raunte Gangolf seiner Begleiterin zu, "sonst hätten wir der ihr Gegrapsche dauernd direkt vor Augen."
- "Du mußt ja nicht hinschauen", entgegnete Bettina, doch auch sie wunderte sich, daß die junge Frau in nächster Nähe unter ihr nicht abließ, sich an der empfindlichen Stelle zwischen den Beinen zu reiben.

Nach einer Weile ergriff der Mann den linken Arm seiner Nachbarin, die Frau deren rechten, um dem peinlichen Gegrapsche ein Ende zu bereiten. Doch anstelle der erhofften Ruhigstellung begann die arme Frau, sich mit dem Oberkörper hin- und her zu win­den, vor und zurück, nach links und nach rechts, beinahe wäre sie mit dem Kopf an die rückwärtige Scheibe geknallt. Bettina und Gangolf konnten ihr Gesicht nicht beobachten, doch ihnen wurde schnell bewußt, daß die Frau unter schweren nervösen Zuckungen litt; unerklärlich blieben ihnen indes, warum sie zuvor absolut ruhig zwischen den sie flankie­renden Begleitern stand, als sie sich schamlos an ihrer Scham zu schaffen gemacht hatte.

Auf dem Berg angekommen steuerte Gangolf zielstrebig den Gastgarten an, von welchem man eine grandiose Aussicht auf die Bergkulisse hatte. Während er mit Bettina an dem Ausschank wartete, bis man ihnen das frisch gezapfte Bier überreichen würde, ge­wahrten sie die drei Italiener, die mit ihnen in der Seilbahn fuhren. Die auffällige Italienerin ging hinter den beiden anderen her, verhältnismäßig unauffällig, abgesehen von ihrem o-beinigen Gang. Als die kleine Gruppe näher kam, bemerkten Bettina und Gan­golf, daß sich die besagte Frau wieder unaufhörlich zwischen den Schritt griff und dort ihre Scham massierte.

Bevor Bettina und Gangolf das Gesehene kommentieren konnten, begann pünktlich um sieben Uhr die große Glocke des nahegelegenen Glockenturms zu läuten; ihr gewaltiges Getöne ließ jede Unterhaltung auf ein unabdingbares Mindestmaß zurückfahren. Nachdem die beiden Bier und Brezen im Gegenzug zu Gangolfs Geldschein erhalten hatten, wobei er wie immer, wenn es in diesem Gastgarten um das Bezahlen ging, die Preise zu hoch fand, setzten sie sich an einen Tisch an den Rand der Terrasse. Sie genossen die herrliche Abendstimmung an der sich weit hinziehenden Bergkette der Alpen, die sich ständig verändernde Färbung vor und nach dem Sonnenuntergang. Schweigend genossen sie das Naturschauspiel, ein jeder hing seinen Gedanken nach. Unabhängig voneinander dachten beide an das seltsame Verhalten der jungen Frau, die ungeniert in der Öffentlichkeit dem Zwang unterlag, Befriedigung zu erheischen.

Weder Bettina noch Gangolf hätten sich vorstellen können, daß dieses merkwürdige Verhalten bereits am nächsten Tag eine weit verbreitete Erscheinung sein würde.

Doch für die heutige Nacht hatten Bettina und Gangolf noch eine Aufgabe zu lösen: Erstmals würde es sich ergeben, daß beide in einem gemeinsamen Zimmer nächtigten, sogar in einem gemeinsamen Bett. Probehalber hielt Gangolf seinen Bierkrug mit beiden Händen umklammert, lediglich den kleinen Finger der rechten Hand spreizte er provozierend in Bettinas Richtung, wie die Antenne eines Peilsenders, um die Lage auszukundschaften. Natürlich bemerkte Bettina Gangolfs Signale, sie schaffte es, diese geflissentlich zu ignorieren. Sie hoffte, daß es ihr gelänge, diese Immunität auch im Bett zu bewahren, während Gangolf bei dem Gedanken in’s Schwitzen kam, wie er seine Erregung im Zaum würde halten können.


Gestern gelang es mir, meine SM-Phantasien außerhalb von diesbezüglichen Internet-Foren und spezieller Literatur zu beflügeln; im Grunde genommen schon ein Wahnsinn, der in biblischen Zeiten geschah:
Obwohl der höchste Richter des Landes nicht einmal von der Schuld des Angeklagten überzeugt war, wurde dieser zum Tod verurteilt. Doch das genügte dem lüsternen Volk des Altertums nicht, sie gierten nach Geißelung, Auspeitschen und Aufsetzen einer Dornenkrone - vor der Kreuzigung.
Da war die nächtliche Geburt in einem Stall bei winterlichen Temperaturen und die anschließende Flucht vor einem Kindermörder geradezu harmlos...

Frohe Ostern!
94. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 22.04.22 21:12

50

Martina genoß den Abend, den sie ohne Bettina und Gangolf verbrachte. Sie befahl Magda, sich auf den Bauch auf die linke Hälfte des Doppelbetts zu legen. Martina spreizte Magdas Beine und führte deren Füße durch die Holzstäbe am Bettende. Dort fixierte sie diese mit den mitgebrachten Schnüren. Anschließend fesselte sie Magdas Hände auf den Rücken. Sie entkleidete sich vollständig und setzte sich mit gespreizten angewinkelten Beinen vor Magdas Kopf, so daß dieser zwischen ihre Schenkel zu liegen kam. In Ermangelung ihrer Intimfreundin Bettina mußte nun Magda herhalten.

- „Los, verwöhn’ mich“, forderte Martina Magda auf. Für jene war das nicht einfach; auf der weichen Matratze bereitete es Schwierigkeiten, den Kopf anzuheben, immer wieder plumpste er kraftlos nach vorn und dann seitlich auf das Bett. Martina ärgerte sich, sprang auf und löste den Knoten zwischen Magdas Hände. Sie verknotete jetzt die Handgelenke einzeln mit jeweils einem eigenen Seil und führte die Seilenden nach unten zu den Gitterstäben des Bettendes. Sie straffte die Seile, bis Magdas Schultern von der Bettoberfläche etwas emporgehoben wurden und knotete die Enden zusammen. Dann faßte sie Magdas Haare auf dem Hinterkopf zu einem Pferdeschwants zusammen, wobei sie bedauerte, daß diese so kurz waren. Schließlich gelang es ihr, die Haare mit einer Schnur zusammenzubinden; das Schnurende führte sie ebenfalls wieder durch einen Gitterstab in der Mitte zwischen Magdas gespreizten Beinen, verknotete ihn jedoch dort nicht, sondern führte das Schnurende wieder nach oben und legte es auf Magdas rechter Schulter ab.

Nachdem Martina ihr neuerliches Bondage-Werk vollendet hatte, schwang sie sich wieder genüßlich in Vorfreude auf das Bett, stopfte sich ein Kissen zwischen ihren Rücken und das Oberteil des Bettes, rutschte etwas tiefer, bis ihr Venushügel vor Magdas Mund zu liegen kam. Durch die nach hinten straff gefesselten Arme wurden die Schultern und damit der Kopf angehoben, die Kopfneigung konnte Martina nun mit der um die Haare ge­bundene Schnur bestimmen.

Magda verrichtete den Liebesdienst vorzüglich. Unentwegt saugte und leckte sie die intimste Stelle ihrer Herrin. Diese drückte ihre Füße in Magdas Seite und stellte später die Fersen auf Magdas Po ab.

‚Gott sei Dank hat sie diesmal nicht ihre schweren Stiefel an’, freute sich Magda im Stillen, den leichten Druck von Martinas weichen Füßen empfand sie durchaus angenehm. Als Martina kurz vor dem Höhepunkt anlangte, griff sie mit beiden Händen in Magdas Haar und drückte damit deren Kopf nach ihrem Rhythmus vor und zurück. Magda schluckte und würgte vernehmlich, diese Geräusche spornten Martina zu einer letzten Anstrengung an, bis sie sich mit einem Seufzer der Erleichterung seitlich fallen ließ. Mit letzter Kraft hob sie ihre Beine von Magdas Körper weg und wand sich auf die danebenliegende Bett­hälfte.

Martina fiel augenblicklich in einen sanften Halbschlaf, sie murmelte noch etwas in der Richtung, daß Magda das wirklich sehr gut gemacht hatte, und döste dann weg. Sie wußte nicht, wie lang sie bereits in diesem Zustand neben Magda gelegen hatte, als sie diese leise flötend wahrnahm:
- „Bitte, Herrin, meine Schultern schmerzen, und ich weiß auch nicht, wie ich mei­nen Kopf ablegen kann.“

Jäh erwachte Martinas Sadismus, sie ärgerte sich unverhohlen:
- „Ach, blöde Kuh, du liegst so faul herum.“

Mißmutig raffte sich Martina auf und löste den Knoten, mit welchem Magdas Handgelenke nach unten gespannt wurden. Prompt plumpste Magdas Kinn auf die Matratze, sie drehte ihren Kopf seitlich, bis sie eine angenehme Ruheposition fand. Sie hauchte ein „Danke“ und versuchte, gleichfalls etwas zu dösen. Auch Martina bestieg wieder die Ma­tratze, fiel aber nicht mehr in einen Schlaf. Wieder fluchte sie: „Blöde Kuh“, stieg wütend aus dem Bett und schlüpfte in ihre 10-Loch-Docs. Mit einem vernehmlichen Ratsch zog sie die jeweiligen seitlichen Reißverschlüsse zu, so daß ihre Stiefel fest die Füße um­schlossen. Sie gab Magda einen Tritt auf deren nach oben liegenden Hintern, was dazu führte, daß Magda aus ihrem wohlverdienten Ruhezustand herausgerissen wurde.

Nackt bis auf die Stiefel räkelte sich Martina vor dem länglichen Spiegel an der Wand zu der Zimmertür. Sie betrachtete sich genießerisch, griff mit zwei Fingern an ihre Schamlippen, führte die Finger an ihre Nase und roch daran. Dann ging sie in’s Zimmer zurück und holte ihren Keuschheitsgürtel. Ohne sich zu waschen zwängte sie ihren Unterleib in das geliebte Metall und ergötzte sich an dem Klang des einrastenden Schlosses. Dann schritt sie wieder in Richtung Tür und posierte sich erneut vor dem Spiegel. Nur mit Keusch­heitsgürtel und Stiefel bekleidet betrachtete sie sich minutenlang vor dem reflektierenden Glas. Als sie endlich von ihrer Augenorgie genug hatte, schritt sie wieder in das Zimmer; bei Magdas gefesselten Füßen vorbeikommend verabreichte sie diesen jeweils einen kräf­tigen Tritt, so daß Magda weniger des Schmerzes wegen, als vielmehr aus der Überraschung heraus, einen kurzen Schrei ausstieß.

- „Scht“, zischte Martina Magda an, „sonst kriegst du gleich wieder den Knebel.“
‚O Gott, bloß den nicht wieder’, fürchtete sich Magda, ‚es war doch so schön bis eben, warum mußt du das immer zerstören mit deiner Gewalt’, doch Magda wagte natürlich nicht, diese Gedanken in Worte zu fassen. Allein der Hinweis auf ihre schmerzenden Schultern hatte ausgereicht, daß ihre Herrin wieder in den Sadismus zurückkehrte.

---

Endlich ergab sich für Inge die Gelegenheit, allein, unbeobachtet von ihrer Partnerin Barbara, die seltsame Stelle am Ende der Lichtung zu erkunden, von welcher jene zurückhaltend berichtete, es sei nur ein altes Eisen, was dort läge. Genauso wie Barbara ei­nige Tage zuvor schritt nun Inge in ihren Gummistiefeln zu der Stelle und fand schnell das besagte Metall. Rasch schob sie das Laub beiseite, das Barbara nur notdürftig über den Deckel der Kiste gebreitet hatte.

- „Von wegen altes Eisen“, brummelte Inge vor sich hin, „hat die keine Augen im Kopf, und so was will Naturbeobachterin werden.“
Hurtig hob Inge den Aluminiumdeckel von der Kiste und zog die Folie im Inneren derselben weg.
- „Da schau `mal an“, führte Inge ihr Selbstgespräch fort, „eine wahre Schatzkiste.“
Natürlich brachte sie den Mann mit der Kiste in Verbindung, wunderte sich aber, daß dieser seit damals, ihrer ersten Nacht auf der Insel, nicht mehr gekommen war, zumindest nicht zu den Zeiten, an welchen sie auf der Lichtung waren.
‚Vielleicht war er während des Tages da, als wir auf Erkundung waren, wahrscheinlich sogar, denn man läßt doch so viel Geld nicht einfach ungenutzt versteckt zurück.’

Ohne Skrupel raffte Inge sogleich mehrere Geldbündel aus der Kiste und verstaute jene in ihrem Rucksack. Sie ging zur Kiste zurück, breitete die Plastikfolie über die verbliebenen Scheine, stülpte den Deckel wieder genau über die Kiste und verteilte das Laub darüber, so daß von dem geheimen Schatz nichts mehr zu sehen war. Sie ahnte natürlich nicht, daß Barbara vor ihr bereits diesen Schatz entdeckt hatte.

---

Bettina und Gangolf hatten es schwer. Trotz des Biers auf der Aussichtsterrasse auf dem Schloßberg und des reichlich konsumierten Weißweins in dem Restaurant vor dem Uhrturm, bei welchem sie an ihrem Abstieg in die Altstadt vorbeikamen, war ihre Müdigkeit nicht ausreichend, um sofort in einen Schlaf zu fallen. Beide hatte zu kämpfen, nicht doch noch ihrer Begierde freien Lauf zu lassen. Bettina war sich im Klaren, daß eine klei­ne Andeutung genügte, um Gangolfs Gemächt anschwellen zu lassen. Was sie indes nicht wußte, daß dieses bereits zum Platzen gespannt wenige Zentimeter von ihr entfernt auf Erlösung hoffte.

Gangolf biß sich auf die Lippen, um der Versuchung zu widerstehen. Er konnte sich vorstellen, daß Bettina ihn gewähren ließe, wenn er sich über ihr positionierte. Doch er woll­te nicht die Initiative ergreifen, er wollte nicht Bittsteller sein, sondern Gebetener. Immer wieder lauschten beide in die finstere Stille. Sie vernahmen keinen Laut. Dankbar kam es ihnen in den Sinn, daß wohl auch Magda im benachbarten Zimmer Ruhe fände.

Tatsächlich verbrachte Magda die Nacht weiterhin mit gespreizten Füßen auf dem Bauch liegend gefesselt auf dem Bett. Es gelang ihr, immer wieder einzuschlafen, doch kaum war ihr das geglückt, wachte anscheinend ihr Herrin neben ihr auf, hob sich, wie am Abend, mit gespreizten Schenkeln vor Magdas Kopf und wieder mußte sie Dienste im Intimbereich der Herrin leisten. Martina kam nicht mehr zu Höhepunkten, aber es gefiel ihr, Magdas warme Lippen auf den ihrigen zu spüren, welche senkrecht verliefen, während jene von Magda sich waagrecht öffneten.

Martina beschloß, von nun ab jede Nacht mit Magda zu verbringen; sie mußte anerkennen, daß diese die geforderten Dienste sehr gut leistete, besser als ihre Freundin Bettina, vor allem konnte sie Magda quälen, was ihre Lust bis in’s Unermeßliche steigerte. Martina kam es in den Sinn, daß Magdas Befreiung von der elektronischen Fußfessel eigentlich nur dazu dienen sollte, daß diese zu ihr kommen konnte und daß sie damals sich bereits überlegte, sich von Bettina zu trennen, da sie diese nicht mehr brauchen würde.

In beiden Zimmern schlummerten die schläfrigen Personen schließlich ein, nicht im Entferntesten wäre es ihnen hier tief im Süden der Steiermark in den Sinn gekommen, daß im weit entfernten Germanien schwerwiegende Regierungsbeschlüsse gefaßt worden sind; stets mit sich selbst beschäftigt hatte die kleine Reisegruppe es versäumt, sich die Nachrichten aus Deutschland und speziell aus Bayern anzusehen und anzuhören, diese hätten dazu geführt, auf die Einreise nach Italien zu verzichten, um schleunigst nach Hause zurückzukehren.

95. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von Ihr_joe am 24.04.22 13:53

50

Ein kleines Jubiläum, Danke für Deine Mühe.

Ich mag auch keine Sternchen, deshalb habe ich einen Pferdeschweif aus der entsprechenden Frisur gemacht.

Nach wie vor eine schöne Geschichte, die Du uns erzählst. Ich freu mich auf die nächsten Teile

Ihr_joe
96. RE: 50, ein kleines Jubiläum

geschrieben von M A G N U S am 27.04.22 15:12

Danke für deine kleine Aufmerksamkeit, Joe, und daß Du ein ganz aufmerksamer Leser bist, zeigt mir dein Hinweis auf meinen absichtlich eingeauten Rechtschreibfehler, wobei "Schweif" anstelle von "Schwants" eine gute Alternative darstellt.

Auch Sarahs gelegentliche Anmerkungen beflügeln mich, an meiner zweiten Geschichte weiter zu schreiben; ich wünsche weiterhin viel Freude beim Lesen,
Magnus.
97. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 29.04.22 21:23

51

Umweltministerin Graumaus feixte: "Jetzt ist es in Italien soweit, nicht zu glauben, ausgerechnet dort, wo angeblich alles so ungesetzlich zugeht."
Graumaus kam von der Kabinettsitzung nach Hause, streifte ihre Gummistiefel ab, die sie provozierend zu einem kurzen Rock angezogen hatte. Sie öffnete das Internet, nach kurzem Herumklicken traf sie auf die Meldungen, wonach ab dem Wochenende alle Menschen in Italien Masken tragen müssen, nicht nur einfache Stoffmasken, wie sie bei der Corona-Pandemie üblich waren, sondern richtig feste Gasmasken, welche das gesamte Gesichtsfeld, also auch die Augen mit einschlossen.

Erregt lief Graumaus zu der Kommode in ihrem Schlafzimmer, zog die unterste Schublade heraus und fischte die dort deponierte Gasmaske hervor, welche sie von der Kanzle­rin geschenkt bekommen hatte.
'Es wird nicht mehr lange dauern', dachte sie sich, 'daß auch bei uns die Masken ausgeteilt werden.'
Genüßlich betastete sie das Gummi der Maske, besonders die Kinnauflage hatte es ihr angetan. Aber auch der dünne Gummi, der die Nase umschlang, um deren Atem von den Gläsern abzuhalten, übte eine starke Anziehungskraft auf ihre sensiblen Fingerspitzen aus. Schließlich legte sie die Maske auf die Kommode, griff in ihr Haar, um es hinter die Ohren zu streichen, und setzte sich die Maske auf. Sie betrachtete sich im Spiegel wie ein Teenager, der zum ersten Mal ein selbst ausgesuchtes T-Shirt angezogen hatte.
- "Unglaublich", blökte sie in die Maske, "so müssen die Italiener ab übermorgen überall herumlaufen, und auch unser Schießmann kann es gar nicht mehr erwarten, daß er sein Maskenarsenal an die Bevölkerung austeilt."

Vor dem Spiegel übte Graumaus einige Variationen, wie ihr das Maskentragen am besten gefiele. Sie blieb schließlich bei der Weise, daß sie ihr langes glattes Haar aus den Gummibändern herauszog und über diese herunterhängen ließ. Ihr Kopf wirkte dadurch zwar etwas breiter, doch war ihrer Meinung nach die Gesamterscheinung natürlicher: Lediglich das Gesicht wurde durch die Maske bedeckt, während sich an ihren Seiten die Haare anschlossen, ohne daß die waagrecht verlaufenden Maskenbänder sichtbar wurden. Es hatte dadurch den Anschein, als wäre das Gummi am Rand der Maske mit der darunterliegenden Haut verwachsen.

Nun hielt es Graumaus nicht länger aus, sie riß sich Bluse, Hose und Slip vom Leib, griff nochmals in den offen stehenden Kommodenschub und holte ihren Keuschheitsgürtel heraus. Genießerisch strich sie sich über die Schamlippen, ehe sie diese in das glänzende Metall einschloß. Das Klicken des einrastenden Schlosses versetzte sie in Ekstase, sie ließ sich ungebremst der Länge nach auf das Bett fallen und betastete abwechselnd das Schrittband und das Gummi der Gasmaske.

Graumaus hätte nicht gedacht, daß zur gleichen Stunde auch Kanzlerin Prank-Barrenkauer durch die Gasmaske inhalierte und sich dabei zum Höhepunkt brach­te, allerdings ohne Keuschheitsgürtel.

---

Nach einem ausgiebigen Frühstück brach die kleine Reisegruppe von der gemütlichen Pension Richtung Italien auf. Martina wirkte sehr ausgeglichen, Magdas Liebesdienste taten ihr merklich gut. Sie gab Magda frei, das heißt, sie durfte mit Gangolf auf dem Motorrad mitfahren, während sich Bettina mit Martina das Auto teilten. So reizvoll die Fahrt auf der österreichischen Bundesstraße 70 nach Klagenfurt gewesen wäre, bog Gangolf doch lieber auf die Südautobahn ein, denn die Bundesstraße schlängelte sich durch unzählige Ortschaften und er wollte lieber mit den anderen am Nachmittag in Caorle ankommen, um noch am selben Tag ein Bad in der Adria zu nehmen.

Während Magda sich eng an Gangolf schmiegte und das Hin- und Herschaukeln auf der kurvenreichen Autobahnfahrt genoß, gerieten Martina und Bettina im Auto in eine heftige Diskussion, welche zu einem Streit eskalierte: Martina forderte Bettina unverblümt auf, sadistische Handlungen zuzulassen und lobte dabei Magda, die als Paradebeispiel für gelebten Masochismus galt. Bettina schloß das kategorisch aus und betonte ihre Sichtweise, daß Magda nicht masochistisch veranlagt sei, sondern lediglich devot und daß Martina diese Ergebenheit schamlos ausnutze.

Martina verlangsamte das Fahrtempo und nach kurzer Zeit erkannte sie Gangolf und Magda im Rückspiegel. Sie bog in den nächsten Parkplatz ein, Gangolf folgte ihr gleichfalls dorthin. Verärgert stieg Bettina aus dem Auto und ging zu den Motorradfahrern. Magda war soeben von ihrem hohen Sitz heruntergerutscht und nestelte an dem Kinnver­schluß herum, um den Helm abzunehmen.

Als Magda Bettina herankommen sah, rief sie ihr begeistert zu: "Eine tolle Strecke ist das, die vielen Kurven, Bremsen und Gasgeben, so richtig zum Genießen. Habt ihr das im Auto auch so empfunden?"
- "Nein, gar nicht", entgegnete Bettina.
- "Ach, dann tauschen wir doch, Gangi wird nichts dagegen haben!"
In diesem Moment nahm auch Gangolf seinen Helm ab und betrachtete, noch auf dem Motorrad sitzend, die beiden jungen Frauen. Martina saß noch im Auto.
- "Natürlich hab’ ich nichts dagegen", mischte er sich ein, "also zieht euch um."

Ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, daß andere Leute auf dem Rastplatz vorbeikommen könnten, schälte sich Magda aus dem Leder, während sich Bettina ihrer Hose entledigte. Ausgerechnet in diesem Augenblick kam ein Streifenwagen vorbeigerollt und hielt neben dem Golf an, in welchem Martina weiterhin am dem Steuer saß. Die Polizisten stiegen aus, ein kurzer Blick auf die Windschutzscheibe genügte, um sich über die Gültigkeit der Vignette zu überzeugen. Sie schritten weiter zu Gangolfs Motorrad, ob auch an diesem die Vignette angebracht sei. Als sie auch dort das >Picherl< erkannten, erblickten sie im Umdrehen die beiden jungen Frauen, die etwas weiter entfernt am Parkplatzrand im Adamskleid standen.

- "Äha, schau die an", raunte der eine zu seinem Kollegen.
- "Wos, wen?", fragte der andere.
- "No da hint', die zwoa Moadln do."
- "Laß de doch in Ruah, de ziang si halt um. Hast ewa no nia a Nackerte gseng."

Bettina und Magda erkannten sofort die peinliche Situation, als die Polizisten zum Motorrad gingen. Bettina war schnell in die Lederkombi geschlüpft, während Magda unschlüssig, nur mit T-Shirt und Slip bekleidet, daneben stand.
- "Da, nimm meine Hose", raunte Bettina ihr zu, "sonst kriegen die dort noch Stielaugen".

Dank ihrer gleichen Statur gelang es Magda mühelos, in Bettinas schöne Hose mit Blumenmuster zu steigen. Anschließend forderte Bettina sie auf, auch ihre neuen roten Schuhe anzuziehen, um nicht länger in den Socken dazustehen. Magda bückte sich und löste die Knoten der Schnürsenkel, denn Bettina entledigte sich des Schuhwerks in ihrer ungeduldigen Art, einfach mit den Zehen des jeweiligen anderen Fußes an die Fersen zu treten. Auf diese Weise nutzte sich die Fersenstütze natürlich schnell ab, ein Grund dafür, daß Bettina und auch Martina immer wieder neue Schuhe brauchten, obwohl diese nicht im Geringsten abgetreten waren. Magda in ihrer sparsamen Art hatte überhaupt nur ein Paar Schuhe, ihre bereits vollkommen heruntergelatschten Chucks, deren Fersenbereiche indes immer noch intakt waren.

Bevor sich Magda wieder erhob, streichelte sie liebevoll über das rote Leder, in welchem jetzt ihre Füße staken, und sie hob ihren Blick dankbar zu Bettina empor.

Als die beiden Frauen zu den Fahrzeugen zurückgingen und die Polizisten sie als ausreichend ordentlich gekleidet einschätzen, zogen sich diese in ihren Streifenwagen zurück. Gangolf wunderte sich, daß Martina die ganze Zeit über nicht ausgestiegen war.
- "Ach, die schmollt wieder `mal", war Bettinas ganzer Kommentar dazu. Sie schwang sich hinter Gangolf auf das Sitzplätzlein und rief:
- "Wir können, fahr' los!"

Martina knurrte Magda an, wo diese so lang geblieben war. Die Ungeduld war natürlich nur ihrer sadistischen Natur geschuldet, denn sie beobachtete vom Auto aus genau den Vorgang des Kleidertausches am Parkplatzrand.
- "Bleib' steh'n, bis die Bullen weg sind", herrschte Martina Magda an. Diese witterte Gefahr, sie merkte es genau, wenn ihre Herrin schlechte Laune hatte. Kaum entfernte sich das Polizeiauto in Richtung Autobahn, befahl sie Magda, sich wieder vor dem Beifahrersitz niederzukauern. Damit ihnen diesmal ein Debakel erspart bliebe, breitete Martina eine Decke über Magda aus, so daß diese nicht nur zur Unbeweglichkeit verdammt vor dem Sitz eingezwängt war, sondern dazu noch im Finstern in der unbequemen Position verharren mußte.

Magda hatte größte Mühe, sich auf der kurvenreichen Fahrt nicht zu übergeben, sie wagte es indes nicht, Martina zum Anhalten zu bitten. Immer wieder erhielt sie Tritte, ihre Herrin mußte wirklich in sehr schlechter Laune sein. Magda bekam nichts davon mit, als sie die Grenze passiert hatten und sich nun auf der italienischen Autobahn befanden. Immerhin fand sie es angenehm, daß die vielen Kurven ein Ende nahmen. Und sie bekam natürlich auch nichts davon mit, als Martina schließlich die Autobahn verließ und durch die Ortschaft Latisana fuhr. Martina traute ihren Augen nicht: Überall liefen hier Leute herum mit seltsam verschleierten Gesicht - Gasmasken!

'Bereiten die sich auf einen venezianischen Maskenball vor', überlegte sie sich, 'aber die Masken in Venedig sind doch anders, bunt und vielfältig, nicht so richtig gefährlich aussehende Gummimasken.'
Martina konnte sich keinen Reim darauf machen, doch schon bald sollte sie erfahren, was es damit auf sich haben würde. Und sie konnte sich natürlich nicht ausmalen, daß sie selber und auch ihrer Reisebegleiter solche Masken tragen würden. Immerhin erregte sie der Anblick der Maskenträger, ein bizarres Bild, leicht beängstigend.

Bettina und Gangolf empfanden es genauso. Bettina stieß Gangolf an und zeigte auf das Trottoir, auf welchem sich Leute mit Gasmasken bewegten. Sogar entgegenkommende Vespafahrer trugen Gasmasken unter ihren Jethelmen, ein furchteinflößender Anblick.
- "Spinnen die alle?", kommentierte Gangolf das Gesehene. Sie fuhren weiter. Auch in den darauf folgenden Dörfern liefen die Bewohner mit den Masken herum. Kopfschüttelnd gab Gangolf Gas, um endlich nach Caorle zu kommen.

---

Barbara bekam Skrupel. Sie wollte nun doch ihren Schatzfund Inge mitteilen. Als sie wieder einmal allein auf der Lichtung war, suchte sie die Stelle auf, doch sie fand die Kiste nicht auf Anhieb.
'Das kann doch nicht sein, die war doch hier', sagte sie sich. Endlich bemerkte sie das ungewöhnlich viele Laub, mit welchem Inge den Kistendeckel überhäuft hatte.
'Seltsam', dachte sich Barbara, 'so viel Laub hab' ich aber nicht darüber getan, sollte ich mich so täuschen?'
Barbara dachte nicht länger darüber nach, legte den Kistendeckel frei und wunderte sich, daß die Folie, unter welchem sie die Geldscheinbündel erwartete, so unordentlich in die Kiste hineingestopft war. Sie könnte schwören, die Folie ordentlich glattgestrichen über die Bündel gebreitet zu haben.

'Sollte der Eigentümer wieder dagewesen sein?', fragte sich Barbara und war geradezu froh, zu dieser Erkenntnis gelangt zu sein. Sie hob die zerknüllte Folie heraus, legte das Geldbündel, das sie vor einigen Tagen entnommen hatte, in die Kiste zurück, breitete die Folie wieder darüber und legte den Deckel auf die Kiste. Am Abend, als Inge zum Zelt zurückgekommen war, berichtete Barbara:

- "Inge, ich muß dir `was sagen: Ich ging heute Nachmittag nochmals an die Stelle dort drüben, wo ich vor ein paar Tagen das Eisenzeug gesehen hatte. Es ließ mir keine Ruhe, ich bin neugierig geworden und denk' `mal was ich da gefunden habe: Eine Kiste voller Geld liegt da!"
Inge war von dieser Nachricht alles andere als begeistert. Sie wollte den Schatz als ihr Geheimnis wahren, um später einmal alleine mit einem Klappspaten bewaffnet zu der Insel rudern, wenn die naturkundlichen Beobachtungen abgeschlossen sein würden.

'Mist', grollte Inge im Stillen, umgekehrt konnte sie es Barbara nicht verübeln, im Gegenteil, ohne deren erste Erkundung hätte sie ganz auf den seltsamen Fremden vergessen, der da in der Dämmerung auf der Lichtung herumgescharrt hatte.
Verwunderung mimend antwortete Inge:
- "Ach, was, wirklich, eine Kiste mit Geld drin?"
- "Ja, komm', ich hab' den Deckel der Kiste freigelegt."

Wenige Sekunden später standen sie vor dem Schatz. Barbara griff bedächtig an den Deckelrand und hob ihn vorsichtig ab, als ob in der Kiste scharfe Granaten lägen, die bei kleinster Erschütterung explodierten. Einem Zeremonienmeister gleich entfernte sie die Abdeckfolie und enthüllte damit den Schatz in Form der gestapelten Geldscheinbündel.

--

Kurz vor Caorle hielt Martina an, zog die über Magda ausgebreitete Decke zurück und forderte jene auf, aus ihrem Loch heraus und sich auf die Rückbank zu setzen. Vollkommen steif fiel es Magda schwer, diesen Befehl auszuführen; sie blinzelte in dem hellen Licht der Nachmittagssonne und zog sich unendlich mühsam in die Höhe.
- "Mach schon", herrschte Martina sie an, "oder willst du, daß dich die Leute mit ihren Masken da angaffen, als ob du es wärst, die vom Mond kommt!"

Magda erblickte nun erstmals Menschen mit Gasmasken.
- "Was ist denn das?", wagte sie eine Frage, Martina konterte scharf:
- "Frag' nicht blöd, sondern beweg' endlich deinen Arsch auf die Rückbank."
Ohne nochmals irgend etwas zu äußern schickte sich Magda an, diagonal hinter ihrer Herrin auf der Rückbank Platz zu nehmen.

Schweigend, wie schon die gesamte Fahrt, erreichten Martina und Magda Caorle. Sie fanden erstaunlicherweise in der Nähe des Hotels eine freie Parklücke. Martina befahl Magda, den großen vollgepackten Rucksack zu schultern und zwei weitere Gepäckstücke zu tragen. Sie selber nahm nur ihre Handtasche, mit welcher sie voranschritt, während Magda geduldig als Packesel hinterher trottete. Martina fühlte sich vom Gammastrahl getroffen, als sie durch die kleine Eingangshalle schritt und hinter dem Empfangstresen zwei Menschen mit Gasmasken gewahrte, und sie mußte genau hinsehen, um zu erkennen, daß die eine Person ein Mann war, die andere eine Frau.

Letztere begrüßte sie auf deutsch:
- "Herzlich willkommen, bitte erschrecken Sie nicht, aber seit vorgestern müssen wir diese blöden Masken tragen, das wird streng kontrolliert. Sind Sie die Reisegruppe aus Brannenburg von Herrn Gangolf?"
- "Ja", antwortete Martina, "aus Brandenburg, Gangolf kommt noch nach mit dem Motorrad."
- "Sehr schön, hat er mir schon gesagt am Telephon, kommt mit seiner Frau, und Sie sind Bekannte?"
- "Ja, ich heiße Martina, also Martina Weiß, und das ist Magda Armdran."

Die Frau von der Rezeption antwortete:
- "Sehr schön, aber bevor ich Ihnen die Schlüssel gebe, muß ich Ihnen die Masken austeilen, das ist Vorschrift so, die haben uns viele gebracht für alle Hotelgäste und also hier bitte, ich muß Sie bitten, diese jetzt aufzusetzen. Nur bei Abstand über fünf Meter dürfen Sie die wegnehmen, wenn sicher ist, daß nie­mand sonst kommen kann näher als fünf Meter."

Martina und Magda schauten die Rezeptionistin verblüfft an, als sich diese bückte und unter dem Tresen zwei Gasmasken hervorholte.
- "Ich heiße Maria, entschuldigen Sie bitte, ich hab' mich noch gar nicht vorgestellt, ich komme aus Bozen, also aber ich arbeite schon lange jetzt hier in dem Hotel.

Maria half den beiden soeben eingetroffenen Gästen, die Masken aufzusetzen und erklärte ihnen, wie sie die Bänder zuziehen mußten, damit diese richtig auf dem Gesicht zu liegen kamen. Martina empfand den Geruch des Gummis erregend, während Magda emo­tionslos durch die gummiumrahmten Gläser glotzte.
- "Und hier Ihre Schlüssel für die Zimmer im zweiten Obergeschoß, 21 und 22, dann haben Sie die Zimmer gleich nebeneinander", fuhr Maria fort.

- "Eigentlich wollten wir ein Doppelzimmer", entgegnete Martina mit leichter Entrüstung in der Stimme.
- "Ah, das dürfen wir nicht mehr, also nur für Ehepaare. Oder haben Sie, wie sagt man auf deutsch, also so etwas wie Ehepaare, wenn Sie sind."

- "Eingetragene Partnerschaft, nein, das haben wir nicht", gestand Martina ein und fluchte im Stillen: 'Verfluchter Mist, das hat uns gerade noch gefehlt.'
Nachdem sie die Anmeldezettel ausgefüllt hatte, nahm Martina die Schlüssel in Empfang, Magda schickte sich an, die abgestellten Koffer aufzunehmen.

- "Der Aufzug ist da hinten in der Ecke", rief Maria den beiden durch die Maske nach, es klang sehr eigenartig, wenn sie mit lauterer Stimme durch das Gummi sprach. Magda war froh, das schwere Gepäck mit der atemberaubenden Maske nicht über die Stiege hinaufschleppen zu müssen. In dem kleinen Aufzug wurde es sehr eng, als Magda die Koffer abstellte. Sie selber konnte sich nicht an eine der Wände lehnen, der dicke Rucksack hin­derte sie daran. Am liebsten hätte Martina Magda mit dem Gepäck wieder hinausge­schickt, es fiel ihr als Herrin schwer, sich in eine Ecke zu drücken, damit ihre bepackte Sklavin Platz fände in der engen Zelle.

Während der kurzen Aufzugfahrt reifte in Martina der Plan, doch noch an ein Doppelzimmer zu kommen:
'Sollen doch Gangolf und Bettina in den Einzelzellen schmachten', kam es ihr in den Sinn, 'die brauchen ja ohnehin kein Doppelbett, wie ich doch sehr hoffe!'

Bettina errötete, als Gangolf wie selbstverständlich den Meldeschein ausfüllte und ihren Namen angab mit Bettina Litte-Stumpf.
- "Die Welt will betrogen sein", raunte Gangolf Bettina zu, als sie gasbemaskt zum Aufzug schlenderten, ihre Helme lässig in den Händen haltend. Sie betrachteten sich in dem großen Spiegel in der Aufzugkabine, welcher an der der Tür gegenüberliegenden Seite ange­bracht war. Es war ein skurriler Anblick, so als ob die Marsmenschen ihre Helme abge­nommen hätten, um auf der Erde die hier für sie gefährliche Atemluft mit den Gasmas­ken zu filtern.

Beide machten aus ihrer Erregung keinen Hehl. Zu Gangolfs größter Über­raschung bückte sich Bettina, legte ihren Helm auf den Boden, streckte sich wieder em­por und umarmte Gangolf mit ihrer ganzen Kraft. Erstmals verspürte Bettina das drin­gende Bedürfnis, Gangolf zu küssen, doch ausgerechnet jetzt wurde das mit den Masken vereitelt. Sie streckte sich so weit wie möglich zu Gangolf empor, wippte auf die Zehen­spitzen und schnorchelte mit dem Filter auf Gangolfs Hals herum. Dieser reagierte und beantwortete Bettinas Schnorcheln, indem er seinen Kopf senkte und auf diese Weise seinen Filter auf Bettinas Kopf setzte. Auch Gangolf verspürte den unbändigen Drang, endlich seine Partnerin zu küssen; auf der langen Motorradfahrt sind sie sich körperlich so nahe gewesen, was sollte sie hindern, nun ohne umhüllendes Leder, Helm oder Maske sich zu berühren.

Doch Gangolfs Liebesträume sollten überraschend schnell ein Ende finden.

Das Doppelzimmer Nummer 25, zu welchem Gangolf den Schlüssel in der Hand hielt, war etwas versetzt zu den Einzelzimmern um die Ecke gelegen. Gangolf sperrte auf, warf seinen Helm auf das Bett, zog sich die Maske vom Gesicht und schleuderte diese jenem hinterher. Doch als er sich umwandt, um Bettina in seine Arme zu nehmen, sah er, wie diese, kaum daß sie nach ihm in das Zimmer kam, durch die Badtür entschwand.

'Die muß wohl dringend', erklärte sich Gangolf Bettinas Verhalten, ohne daß dadurch seiner Geilheit ein Schaden entstanden wäre. Er zog sich die Stiefel aus und flackte sich neben Helm und Gasmaske auf das Bett. Erwartungsvoll heftete er seinen Blick auf die Badtür, daß sich diese endlich öffnete. Er hatte in seiner Vorstellung Bettinas schmales Gesicht vor Augen, ihren entblößten Oberkörper, ihre schmale Taille, die sie, Verschämtheit vortäuschend, mit dem Badetuch umschlungen hielt.

Als sich die Tür öffnete, stockte Gangolf der Atem.



















































98. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von carpegenk am 30.04.22 05:52

Hallo Magnus,
nun kommen die beiden Hauptzweige der Geschichte langsam zusammen, und auf der kleinen Vogelinsel scheint sich ein kleiner, wichtiger Zweig zu öffnen.
Eine Klasse Geschichte, vielen Dank!
Carpegenk
99. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 02.05.22 20:48

In der Tat fällt es nicht immer leicht, den Überblick über die verschiedenen Handlungsstränge zu behalten, vor allem, was den zeitlichen Ablauf der Verzweigungen anbetrifft; vielen Dank für die Rückmeldung!
100. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 06.05.22 20:43

52

Inge und Barbara lagen in ihrem Zelt auf den schmalen Luftmatratzen. Sie diskutierten endlos über die Geldkiste und wie sie mit dieser umgehen sollten. Das grundehrliche Mädchen Barbara wollte den Fund der Polizei melden, da sie sich sicher war, daß mit der Kiste etwas nicht stimmte, deren Inhalt einer illegalen Handlung zugrunde lag. Inge indes wollte sie in der Erde vergraben lassen, natürlich mit dem Hintergedanken, später ihrer habhaft zu werden. Diesen Gedanken sprach sie freilich nicht aus.
- “Schlafen wir erst einmal darüber”, schlug Barbara vor.

Am nächsten Morgen einigten sich die beiden Naturkundlerinnen darauf, die Polizei zu verständigen. Doch zuvor wollte Inge nochmals einen Blick in die Schatzkiste werfen.
- “Die werden sicher wissen wollen, wieviel da drin ist”, sagte Inge. Dieses Argument leuchtete Barbara ein, und so besuchten sie gemeinsam den Schatz.
- “Das ist wirklich richtig viel”, äußerte sich Barbara, “sicher mehrere tausend Euro.”
- “Ja, viel mehr”, entgegnete Inge, “ich schätze `mal mindestens zehntausend. Da, nimm’ `mal ein Bündel, auf eines mehr oder weniger kommt es nicht darauf an!”

Barbara errötete, sie fühlte sich ertappt, hatte sie doch vor einigen Tagen genau den selben Gedanken.
- “Mußt dir nichts dabei denken”, versuchte Inge sie zu beruhigen, “was läßt der Typ auch so viel Geld da mitten im Wald auf der einsamen Insel liegen, und dabei hat er nicht `mal die Kiste abgesperrt.”
- “Das ist nicht so einfach”, entgegnete Barbara, “mein Bruder hatte `mal ein Vorhängeschloß im Gras liegen lassen, wo es richtig naß geworden war, und da hat es dann nicht mehr gesperrt, also umgekehrt, er hat das nicht mehr aufgekriegt.”
- “Ja, aha, kann schon sein, ist auch egal jetzt, da, nimm’ nochmal ein Bündel”, forderte Inge Barbara auf, hielt ihr ein weiteres Bündel hin und raffte sich selber zwei heraus.
- “Nein, eines ist schon genug, das Geld gehört uns doch gar nicht”, zauderte Barbara und schickte sich an, das zweite Bündel zurückzulegen.
- “Dann tu es her”, forderte Inge sie auf und nahm auf diese Weise drei Geldscheinbündel an sich.

- “So, jetzt kannst du die Kiste zumachen und deine Polizei anrufen”, gab Inge die Anweisung und lief zum Zelt, um ihre neuerliche Beute in ihrem großen Rucksack zu der früher eingelagerten hinzuzustecken, ehe Barbara zum Zelt kam.

- “Weißt du die Nummer von der Polizei?”, fragte Barbara.
- “Nö, wie sollte ich, ruf einfach 110”
Barbara tippte nervös die drei Ziffern und gleich darauf meldete sich die Einsatzzentrale.
- “Guten Tag, hier spricht Barbara Bär, wir haben eine Kiste voller Geld gefunden ... Ja, mitten im Wald ... also keine Ahnung, viel, glaub’ ich ... Ach so, ja, gut, vielen Dank.”

Inge blickte Barbara fragend an: “Ja also was, was haben die gesagt?”
- “Nichts, wir sollen die Kiste beim Fundamt abgeben.”

---

Gangolf zählte sich zu den Glückspilzen, die nur selten, in seinem Fall praktisch noch nie enttäuscht wurden, doch was er soeben erlebte, traf ihn schwer. Freilich hatte auch er bereits schwere Schicksalsschläge hinter sich bringen müssen, beispielsweise den frühen Tod seiner Eltern.
‘Das kommt davon, wenn man sich Illusionen hingibt’, schalt er sich selber, ‘Frauen sind eben unberechenbar.’

Solange Gangolf das Wasser in der Duschkabine rauschen hörte, spornte ihn das Geräusch in seiner Geilheit sogar noch an und er sah im Geiste Bettina unter dem Strahl der Brause stehen, wie sie ihren schlanken Körper einseifte, den Brausekopf von der Wand­halterung nahm und den Strahl an die verschiedenen Körperstellen aufschlagen ließ. End­lich verstummte das Gebrause, Gangolf richtete sich in den Kissen auf. Gespannt vor Vorfreude starrte er auf die Tür. Er vernahm ein schwaches Geräusch, er bildete sich ein, daß es das Platschen der Füße war, als sie die schwellenlose Kabine verließ, um in die Mitte des geräumigen Badezimmers zu gelangen. Auch bildete sich Gangolf ein, das Rub­beln des Handtuchs zu vernehmen. Dann vernahm er ein Ratschen, das er sich nicht er­klären konnte. Doch die Aufklärung kam postwendend:

Bettina öffnete die Badtür und streckte ihren Kopf hinaus, ohne das Bad dabei zu verlasen. Gangolf sah sich einer Gasmaske gegenüber, aus welcher eine seltsam quakende Stimme quoll:
- “Ach Gangi, würdest du bitte schon `mal Martina verständigen, daß die beiden kommen, damit wir unser Gepäck erhalten, ich hab’ ja hier nichts weiter zum Anziehen außer Magdas Lederkombi.”

Für Gangolf brach ein Weltbild zusammen. Noch wenige Minuten zuvor wähnte er in der engen Aufzugkabine Bettinas Geilheit zu spüren – und jetzt glotzte ihn die Gummifotze aus dem kaum zwei handbreit geöffneten Türspalt des Badezimmers entgegen, mit der eines Frosches ähnlicher Stimme, ich hab’ ja hier nichts weiter zum Anziehen.

Die Badzimmertür wurde wieder verschlossen, Gangolf vernahm ein schmatzendes Geräusch, kurz darauf das Getöse des Haarföns, der in einer Wandhalterung stak. Fassungslos starrte Gangolf auf die Badtür; als das monotone Gebläsegeräusch schließlich verstummte, raffte er sich auf, griff zu seinem Smartphone und rief Martina an. Mit zu­ckersüßer Stimme schlug diese ihm vor, die Zimmer zu tauschen. Gangolf war nach seiner herben Enttäuschung zu keinem Gedanken fähig; ohne auf Bettinas Meinung zu warten, stimmte er sofort Martinas Vorschlag zu und faßte es als göttliche Fügung auf, genau in diesem Moment die nächtliche Trennung von Bettina zu besiegeln. Auf diese Weise war er erlöst von dem ständigen Zwang, des Nachts neben ihr ruhend seine Begierde im Zaum zu halten.

Kurz darauf trat Bettina aus dem Badezimmer, ihre Brüste unter dem T-Shirt, das sie schon den ganzen Tag auf der Fahrt anhatte, die Taille mit dem Badetuch verhüllt, den Kopf mit der Gasmaske.
‘Spinnst du denn gar’, ärgerte sich Gangolf, ‘wir haben als Paar das Doppelzimmer erhalten, was willst du da mit der Gummifotze?’ Doch er sagte nichts, schüttelte bei dem skurrilen Anblick den Kopf und sagte:

- “Die Martina und die Magda haben Einzelzimmer und sie wollen, daß wir tauschen sollen, dann können diese das große Zimmer hier haben und wir haben dann jeder unsere eigenen Zimmer.”
Bettina glotzte ihn durch die Augengläser verwundert an und quakte: “Ja, nun gut, wenn das so sein soll. Den Helm und den Motorradanzug können wir dann ja gleich da lassen für Magda.”

Wenn auch Gangolf das Gequake nicht bezüglich der sich dahinter verbergenden Tonlage genau entziffern vermochte, meinte er indes doch, eine leichte Verärgerung in Betti­nas Stimme zu vernehmen. Als Bettina in ihrem sonderbaren Aufzug in Richtung Zimmer­tür schritt, erhob sich Gangolf, stieg in die Motorradstiefel, legte mit einem leichten Seuf­zer den Motorradanzug über seinen Arm, stopfte die Handschuhe in den Helm, ergriff die­sen und schlenderte gleichfalls in den Flur hinaus.
- “Wo müssen wir denn hin?”, quakte es aus Bettinas Maske.
- “Zimmer 21 und 22”, gab Gangolf knapp zur Antwort.

Bettina klopfte an die Tür mit der Nummer 22, Gangolf schritt mit seiner Beladung eine Tür weiter bis zur Nummer 21. Ihm öffnete Martina, sie umarmte ihn innig und führte ihn in das kleine Zimmer. Auf dem Boden lag Magda, mit dem Gesicht nach unten. Auf ihrem nackten Rücken erkannte Gangolf sofort Martinas Stiefelabdrücke.
‘Geht das schon wieder los’, dachte er sich, ‘die arme Magda, das wird die Hölle für sie in dem Doppelzimmer, eine blöde Idee, daß ich dem gleich zugestimmt habe.’ Doch Gangolf behielt seine Gedanken für sich. Es kam ihm nicht in den Sinn, daß auf dem Flur draußen Bettina immer noch wartete vor der verschlossenen Tür Nummer 22.

Martina gab Magda einen Tritt in die Seite und herrschte sie an: “Steh’ auf und pack’ unser Zeug zusammen.”
Und zu Gangolf gerichtet fragte sie: “Wo ist das Doppelzimmer?”
- “Vorne am Aufzug vorbei, Nummer 25.”

Bettina stand immer noch wartend auf dem Flur vor der verschlossenen Tür. Sie fröstelte leicht. Martina blickte erstaunt auf, als sie Bettina mit Gasmaske und Badetuch um­hüllt einsam auf dem Flur stehen sah.
- “Ah, wart’, ich hol’ den Schlüssel für dein Zimmer”, wandte sie sich an ihre Freundin und ging in das Zimmer zurück, um den Schlüssel zu holen.
‘Warum lädtst du mich eigentlich nicht ein, mit dir das Doppelzimmer zu beziehen’, kam es Bettina in den Sinn, ‘sind wir jetzt noch ein Paar oder sind wir es nicht mehr.’
Sie schluckte ihren Ärger herunter, was dem Gummi ein seltsam gurgelndes Geräusch entlockte.

- “Treffen wir uns so in einer halben Stunde unten”, kommandierte Martina und reichte Bettina den Schlüssel zu dem Einzelzimmer, vor dem diese wartete.
- “Ja gut”, stimmte Gangolf zu, Bettina sagte nichts, sondern sperrte verärgert die Tür auf. Dann ging sie eine Tür weiter zu Gangolfs neuer Behausung und rief durch die geschlossene Tür:
- “Hast du meine Sachen bei dir drin’?”
Gangolf konnte das Gequake hinter der verschlossenen Zimmertür nicht verstehen, er kam heraus und sah Bettina immer noch in ihrem futuristischen Aufzug dastehen.
- “Ach ja, deine Sachen”, antwortete er, als er sie so dastehen sah. Er beeilte sich, Bettinas Habseligkeiten zusammenzuraffen, die Magda in dem Zimmer zurück gelassen hatte. Er hätte größte Lust gehabt, das Geraffel einfach vor ihre Füße zu werfen, so tief stak im­mer noch seine Enttäuschung in ihm, doch er konnte sich im letzten Moment beherrschen und trug die Sachen in ihr Zimmer.

- “Also bis später dann”, verabschiedete er sich, Bettina quakte ein kurzes “Danke” durch das Gummi.

---

- “Stell’ die vor, Olaf, soeben haben die von der Zentrale in Wuselhausen angerufen, da hat angeblich jemand eine Geldkassette irgendwo im Schleewald gefunden. Die haben ihr geraten, das Ding beim Fundamt abzugeben.”
- “Wie kann man nur eine Geldkassette verlieren”, wunderte sich Hauptwachtmeister Brause, runzelte die Stirn und fuhr fort:
- “Da sieht man wieder `mal, daß es doch noch ehrliche Menschen jibt”.

Immer wenn er davon hörte, daß irgendwo Geld gefunden worden war, dachte Brause unwillkürlich an die verschollene Beute des Überfalls auf die Commerzbank in Lüggen. Freilich sagte er sich selber, daß nach der langen Zeit das Geld nicht mehr auftauchen würde, doch kam ihn dieser seltsame Kriminalfall immer wieder in den Sinn. Daß dieser sich eines gar nicht mehr so fernen Tages doch noch auflösen würde, konnte er natürlich nicht ahnen.

- “Sie müssen die Kassette schon vorbeibringen”, raunzte der Mann von dem Fundbüro in Lüggen in den Telephonhörer, “was heißt da zu schwer und ausgraben, also ich kann da nich’ kommen ... ja, wenn sich der Besitzer nich’ meldet, dann jehört Ihnen der Fund, Sie müssen nach ‘m Jahr nur die Bewahrjebühr zahlen.”

- “Und was spricht er?” wollte Inge von Barbara wissen.
- “Wir müßten die Kiste hinbringen und nach einem Jahr gehört uns die, wenn sich der Besitzer nicht meldet.”
- “Das glaub’ ich kaum, der wird sich ganz schnell melden, wenn er bemerkt hat, daß sie weg ist”, ereiferte sich Inge.
- “Immerhin haben wir schon den Finderlohn vorweg genommen.”
- “Ach was, das ist doch nichts dagegen, was alles in der Kiste liegt. Aber `mal was anderes, was mich wundert ist nur, daß sich da die Polizei nicht dafür interessiert, bei dem hohen Geldbetrag da drin.”

- “Der von der Polizeizentrale hatte gar nicht richtig zugehört, hatte ich das Gefühl”, entgegnete Barbara, “der hat gleich auf das Fundamt verwiesen.”
- “Und auf dem Fundamt, da könnte ja ein jeder kommen und behaupten, eine Geldkiste verloren zu haben mit zehntausend Euro drin, die er im Wald auf einer einsamen Insel dort verloren hat und die dann im Lauf der Zeit so tief in die Erde eingesunken ist, daß man die Kiste gar nicht mehr gesehen hat von oben.”

Die beiden schwiegen eine Weile, bis Inge wieder das Wort ergriff:
- “Was sollen wir denn deinem Mensch da im Fundamt sagen? Wir haben da eine schwere Kiste voller Geld gefunden, vergraben auf der Insel im Röthener See, die haben wir ausgegraben und auf diese Weise gefunden?”
Barbara pflichtete ihr bei, daß sie wohl in Erklärungsnöte kämen und daß ihnen der Herr im Amt die Geschichte nicht so leicht abnehmen würde. Am Ende kämen noch peinliche Befragungen bei der Polizei hinzu und sie ließ sich mehr und mehr von dem Gedanken treiben, die Sache erst einmal auf sich beruhen zu lassen.

Inge brachte es schließlich auf den Punkt:
- “Wie willst du eigentlich das Ding ohne Schaufel ausgraben und dann an’s Land bringen, der Kahn geht ja schon so fast unter mit unserem ganzen Zeug.“
Das leuchtete Barbara ein, die Diskussion über die Kiste war beendet. Was die beiden Forscherinnen indes nicht bedachten war die unglaubliche kombinatorische Auffassungsgabe eines langjährigen Polizeibeamten, gepaart mit einem gewaltigen Langzeitgedächtnis.


















101. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 13.05.22 22:13

53

Als Gangolf mit seinen Badesachen das Zimmer verließ, fiel ihm ein, daß er die Gasmaske in dem Doppelzimmer liegen lassen hatte. Gerade als er um die Ecke ging, kam ihm Magda entgegen. Er erkannte sie zunächst nicht mit Sicherheit, denn sie trug brav ihre Gasmaske. Erst jetzt wurde Gangolf bewußt, wie anonym man mit dieser Vollgesichtsmaske wurde, man konnte auf Anhieb nicht einmal mehr erkennen, ob es sich bei der Person um einen Mann handelte oder um eine Frau. Hätte Magda nicht ihre verwaschene Shorts angehabt und die verschlissenen Chucks an den Füßen, wäre sie für Gangolf uner­kannt geblieben.

- "Ah, gut daß ich dich treffe", sprach Gangolf die Maskenträgerin an, "ich hab' meine Maske in euerem Zimmer liegenlassen, ist die Martina noch da?"
Magda gab durch die Maske quakend zur Antwort: "Nein, sie ist soeben im Aufzug runtergefahren."
- "Ach, und du wolltest wohl lieber auf der Stiege nach unten gehen?"
- "Sie sagte, ich soll die Treppe benutzen, weil sie lieber allein in dem Aufzug sein wollte."
- "Was, und du tust das brav, wie immer, was sie sagt? Also dann gehen wir zusammen hinunter, damit ich von der Martina den Schlüssel nochmal krieg' ."

In der Empfangshalle angekommen wurde Gangolf sofort scharf von Maria ermahnt:
- "Herr Gangolf, ich hab' Ihnen gesagt, Sie dürfen unter keinen Umständen ohne Maske hier sein, gerade waren Polizeileute da, die kontrollieren ganz streng, auch am Strand müssen Sie mindestens Distanz halten drei Meter, sonst müssen Sie gleich die Maske wieder aufsetzen. Es ist ein Wahnsinn, aber der Virus ist schon überall jetzt!"

Gangolf seufzte, er rief Magda zu, Martina nochmals nach oben zu schicken, er würde vor der Tür warten. Hurtig drehte er um und eilte die Stufen wieder hinauf, um vor dem Doppelzimmer, das jetzt Martina und Magda bezogen hatten, zu warten.
Mißmutig erschien kurze Zeit später Martina, gleichfalls ohne Maske. Sie hatte ihre absichtlich liegen lassen und wurde von Maria diesbezüglich ebenfalls scharf attackiert. Als Martina und Gangolf wieder nach unten kamen, jetzt mit aufgesetzter Maske, war dort auch Bettina erschienen, auch sie trug brav die Gasmaske. Alle vier glotzten sich nun gegenseitig durch die Maskengläser an, sie fanden die Situation urkomisch.

Nicht mehr zum Lachen zumute war den vier Urlaubern, als sie auf die Straße hinaustraten und tatsächlich einen Polizisten der Polizia Municipale sahen, wie dieser in Beglei­tung eines Zivilisten, der eine Armbinde mit der Aufschrift >Guarda Municipale< trug, auf eine Person zuging, die sich unentwegt zwischen die Beine griff und die Intimzone kräftig durchknetete. Gangolf konnte nicht verstehen, was die beiden Offiziellen der onanieren­den Person zuriefen, zum einen war sein Italienisch nicht so perfekt, daß er sofort jede Ansprache verstehen konnte, zum anderen waren die Stimmen durch das den Mund voll­ständig umfassende Gummi sehr gedämpft.

Als die angesprochene Person nicht mit ihren perversen Handlungen aufhörte, ergriffen die beiden Machthaber deren Arme, bogen diese hinter den Rücken und fesselten die Handgelenke mit Kabelbindern aneinander. Die gefesselte Person zappelte in wilden Bewegungen des Oberkörpers hin und her, es mußte eine unheimliche Qual gewesen sein. Bettina und Gangolf erinnerten sich sofort an die Italienerin, welche sie auf dem Grazer Schloßberg getroffen hatten mit den gleichen seltsamen nervösen Zuckungen.

Kaum waren die beiden Ordnungshüter weiter gegangen und um die nächste Ecke verschwunden, lief der Mann oder die Frau mit den auf den Rücken gefesselten Händen zu der nächsten Stange, auf welcher ein Verkehrszeichen angebracht war, ging an diese ganz nah heran und rieb den Intimbereich, den die Person vorher mit den Händen massierte, an dem Rohr. Fassungslos betrachteten die vier Freunde das Geschehen, wortlos kamen sie überein, die Straßenseite zu wechseln, um nicht der armen Kreatur nahe zu kommen.

Gangolf fiel eine Tagesschau-Meldung ein, die vor Monaten von einem seltsamen Virus-Ausbruch in Nationalchina berichtet hatte, daß dort Menschen von einem starken Juckreiz der Genitalien befallen worden seien. Auch in England habe es einzelne Fälle gegeben, doch dann hörte man nichts mehr von den merkwürdigen Vorkommnissen.

Als die Vierergruppe auf die Hauptstraße einbog, gewahrte sie weitere Personen, die sich absonderlich zwischen den Beinen rieben. Bettina deutete mit einer kurzen Kopfbewegung zu einer Person hinüber, die auf der anderen Straßenseite ging, welche der Grö­ße nach und dem kurzen Haarschnitt, aber auch den großen Schuhen, ein Mann sein mußte. Ihre drei Begleiter reckten gleichfalls den Gummirüssel zu dem reibenden Mann. Kurz darauf kam wieder ein städtischer Kontrolltrupp daher; dem Mann gelang es, seine Hände rechtzeitig von seinen Genitalien wegzunehmen, er verschränkte seine Arme auf dem Rücken. Prompt durchzuckten ihn quasi epileptische Anfälle, doch er konnte sich gut beherrschen, die beiden Wächter mit ihren Armbinden blickten nur kurz auf, gingen dann an ihm vorüber. Kaum waren diese vorbei, nahm sich der arme Mann die Hände vom Rü­cken und rieb wieder nach Kräften seinen Penis.

Die vier Freunde glotzten sich sprachlos an, sie glaubten, in einem irrealen Sience Fiction-Film zu sein. Sprachlos näherten sie sich dem Strand. Auf dem Zufahrtsweg waren provisorische Anschläge angebracht, die in mehreren Sprachen das Verhalten am Strand vorschrieben. Im annehmbaren Deutsch lasen die vier, daß Einzelpersonen einen Min­destabstand von drei Metern einhalten müßten, ansonsten galt die Pflicht, die Maske zu tragen. Ehepaare durften ohne Maske zusammensitzen, auch Kinder.

Tatsächlich patrouillierten am Strand weitere Wächter; als die vier ihre Badeutensilien ausbreiteten und die Masken abnahmen, kamen jene sofort daher und mahnten im gebrochenen Deutsch die Einhaltung der Abstände. Gangolf umgriff geistesgegenwärtig Magda und erklärte den beiden Kontrolleuren, daß diese seine Frau sei. Freilich hätte er lieber Bettina umarmt, doch konnte er schlecht einschätzen, ob diese immer noch oder bereits wieder herumzicken würde. Martina stand weiter weg und grummelte etwas vor sich hin, sie entfernte sich, auch Bettina verließ das vermeintliche Paar und trollte sich isoliert in die andere Richtung.

- "So ein richtiger Bockmist", ärgerte sich Martina, "das soll ein Urlaub sein? Morgen fahr' ich nach Hause!"

--

Die beiden Naturforscherinnen brachen ihr Zelt ab, sie verstauten alles in ihre riesigen Trekking-Rucksäcke, welche sie kaum schultern konnten. Durch das Unterholz wankend erreichten sie schließlich das Ufer. Das Balancieren auf dem schmalen Brett des Stegs war nicht einfach, noch höhere Konzentration erforderte das Ablegen der schweren Fracht in den schmalen Kahn. Mühsam kämpften sich die Bootsfahrerinnen durch den Schilfgürtel. Auf dem offenen See blies ihnen ein starker Wind entgegen, die Wellen schaukelten das Schifflein, Inge und Barbara waren heilfroh, als sie dem gegenüberliegenden Ufer immer näher kamen.

Während sie nach Kräften ruderte, thematisierte Barbara nochmals die Schatzkiste:
- "Also du meinst, wir sollten nichts sagen, niemanden, von unserem Fund."

Inge bekräftigte ihre Haltung und entgegnete hintergründig:
- "Ja klar, wir kriegen sonst bloß Ärger, stell' die vor, wenn sich herausstellt, wem das Geld gehört und es ist nicht mehr da, dann wird der Nachforschungen anstellen, der wird sich nicht so leicht zufrieden geben, daß es dann einfach weg ist."

Erst beim Aussprechen dieser Worte wurde es Inge bewußt, daß sie ein Problem bekäme, wenn sie tatsächlich den Schatz irgendwo anders verstecken würde, so leicht ist das nicht, einen solch enormen Geldbetrag sicher zu verstecken. Andererseits wuchs ihre Gier mit jedem Ruderschlag, die Weite der Seeoberfläche ließ ihre Fantasie freien Raum.
'Erst einmal muß ich einen Vorwand finden, nochmals allein auf die Insel zurückzukehren', grübelte sie, 'aber das wird sich schon irgendwie machen lassen.'

Der Wind brauste immer stärker auf, die Gischt spritzte in den Kahn, das Rudern wurde immer mühsamer. Obwohl Inge noch nicht so lange mit dem Rudern daran war, bat sie Barbara, nochmals zu wechseln. Barbara hatte bereits den größten Teil der Strecke gerudert, sie willigte ein, sich nochmals in's Zeug zu legen. Ging das aneinander Vorbeidrücken beim ersten Wechsel zwar mit durchaus bedrohlichem Schaukeln einher, war dieses Manoever gelungen, bei dem zweiten Manoever geschah das Maleur:

Zwar konnte man keiner der beiden eine eindeutige Schuld nachsagen und sie bezichtigten sich auch nicht gegenseitig eines Fehlverhaltens, aber beide hätten den Platzwech­sel konzentrierter angehen können; ein gewaltiger Schwall lief in's Boot, im Verein mit der ohnehin schon schweren Beladung bescherte dieser dem Kahn einen gewaltigen Tief­gang, das Wasser stand zwei handbreit im Boot, gerade daß die Sitzbretter noch trocken blieben, ihre Füße und die Waden standen im kühlen Naß.
Nun ging es noch viel langsa­mer voran als zuvor, Barbara legte sich gewaltig in die Riemen, im Gegensatz zu Inge fror sie dadurch nicht. Inge dagegen begann zu schlottern und versuchte aus ihrem Rucksack schnell irgend ein wärmendes Stoffteil herauszunesteln, das sie sich umlegen wollte. Eine kurze Weile hielt die imprägnierte Haut der Rucksackoberfläche dem Wasser stand, doch mußte sie sich beeilen, damit nicht der gesamte Inhalt durchfeuchtet wurde.

Barbara schimpfte: "Hey, paß' auf, daß wir nicht nochmals eintauchen, dann saufen wir total ab und wir können dann hinüberschwimmen!"
Es gelang Inge, einen Pullover aus dem Sack herauszuangeln, ohne das Schifflein in Schräglage zu bringen. Durch ihr Herummachen achtete sie nicht mehr auf die Navigation; Barbara ruderte nach Leibeskräften, der Wind trieb sie viel zu weit nach Osten ab. Ir­gendwann drehte sie sich um und rief:
- "Ja sind wir denn immer noch nicht da."

Jetzt beobachtete auch Inge das Ufer genauer und sie erkannten in der Ferne die Einfahrt in den Kanal.
- "Sag ´mal, war der Kanal nicht mit Bäumen umgeben?", fragte Barbara, als sich wieder zurückdrehte und weiterruderte.
- "Hm, kann schon sein", entgegnete Inge, legte sich den Pullover über die Schultern und hob ihre Füße auf den Bootsrand. Das Wasser triefte aus ihren Trekkingschuhen.

'Du hast es gut', grimmte Barbara im Stillen, 'immer muß ich die schwere Arbeit machen, das war auf der Insel schon so und das ist jetzt beim Rudern so. Und dann bist du zu blöd, um gleichzeitig mit mir zu Wechseln.'

Barbara war zehn Jahre jünger als Inge und sie war nur Praktikantin, während Inge als Referatsleiterin der Unteren Naturschutzbehörde in Amt und Würden stand. Immer wieder drehte sich Barbara um, sie vertraute den navigatorischen Fähigkeiten ihrer Kapitänin nicht mehr.
- "Also das ist doch nicht unser Kanal, von wo wir gekommen sind", empörte sie sich, als sie von der Kanaleinfahrt nur noch zwanzig Meter entfernt waren.
-"Äh, was?", gab Inge zur Antwort, ihr fiel nichts besseres ein.
- "Weißt du was, das ist der andere Kanal, da kommen wir zur Schlee, aber wir müssen doch eher nordwestwärts, zur Damisch, oder wie der Fluß heißt. Ja, da bin ich mir jetzt ganz sicher, so ein Mist, und du sitzt auch bloß da und sagst nichts, als du das kurze Stück gerudert hattest, hatte ich das Ufer nie aus den Augen gelassen und immer wieder dich korrigiert, mehr westlich zu halten. Verdammt, ich dreh' jetzt um!"

Inge schwieg. Sie fühlte sich schuldig. Ihr war gar nicht bewußt, daß sie aufpassen mußte, während Barbara ruderte. Als diese das Wendemanoever abgeschlossen hatte, setzte sie nach:
- "Ich hab' keine Augen im Hintern, aber du denkst nur daran, dir ein warmes Plätzchen zu schaffen!"

Das Wasser spritzte jetzt noch stärker auf Barbaras Rücken, sie ruderte am Ufer entlang westwärts, fast in den direkten Gegenwind. Nur im Schneckentempo kamen sie weiter, endlich erkannten sie den ersten Baumbewuchs am Ufer. Barbara holte für eine kurze Zeit die Riemen ein, zog die Beine aus dem Wasser und massierte ihre erkalteten Waden. Schuldbewußt bot sich Inge an, weiterzurudern.

- "Nein, nicht nochmal einen Wechsel", lehnte Barbara entschieden ab, "mit den gefrorenen Beinen gelingt mir kein synchroner Wechsel mehr!"
Zornig ließ sie ihre Füße wieder in's Wasser sinken und ergriff die Ruderriemen. Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichten sie die richtige Kanaleinfahrt, sie erreichten den Steg, an welchem auch Gangolf seine Boote zu Wasser lassen pflegte.

- "Ja komm', beweg deinen Hintern hoch, wir sind da", grollte Barbara, als sie geschickt den Kahn trotz des gewaltigen Tiefgangs an den Steg anlegte. Inge wollte natürlich ihre bereits wieder etwas getrockneten Schuhe nicht erneut auf den Boden stellen, sie zog ihre Knie an und schob sich mit den Beinen in der Luft auf die Seite des Sitzbretts, um sich auf den Steg zu hangeln. Es gelang ihr tatsächlich, ohne Einzutauchen das Holz zu erglimmen. Als sie darauf zu sitzen kam, beugte sie sich in das Boot, während Barbara ihr die Rucksäcke hinaufstemmte. Es war ein gewaltiger Kraftakt, denn die Säcke waren jetzt ordentlich durchfeuchtet. Wieder schwankte der Kahn bedrohlich, doch Barbara war das jetzt egal, sie waren immerhin am Ziel. Sie zog sich nun gleichfalls hinauf und täute das Boot fest.

Inge öffnete ihren zum Großteil durchnäßten Rucksack und kramte in einer Seitentasche nach dem Reserveakku für ihr Smartphone. Bereits vor drei Tagen war der Akku in ihrem Gerät leer geworden; sie hatte der Versuchung widerstanden, den Reserveakku zu verwenden, den sie für Notfälle aufheben wollte. Es war zwar kein Notfall eingetreten, doch wollte sie nun einen wichtigen Anruf in das Umweltamt tätigen, daß man sie jetzt abhole. Ärgerlich stellte sie fest, daß das Innenfach ebenfalls voll Wasser gelaufen war, sie schalt sich selber, den Sack nicht aufgestellt zu haben, damit nur der untere Bereich vollgelau­fen wäre. Beim Durchwühlen kamen ihr die Geldscheine in die Hände, auch diese beka­men das Wasser ab und sie hoffte, daß jene wieder trocknen würden.

Barbara beobachtete Inges Herumwursteln und konnte deren Gedanken lesen, als diese die Geldbündel in den Fingern hielt. Endlich ertastete Inge den Reserveakku, doch ihr kam es sogleich in den Sinn, daß dieser durch das Wasser entladen worden wären.
- "Hast du noch Akkuladung?", fragte sie Barbara.
- "Moment", entgegnete diese, "wen willst du denn anrufen?"
- "Im Amt, daß sie uns abholen, das haben wir vereinbart!"
- "Ach, da ist jetzt wohl gar niemand schon da, ich dachte, daß der Zeitpunkt schon ausgemacht war."
- "Wir können ja schauen, ob jemand oben ist auf dem Weg, der uns erwartet. Aber jetzt gib schon her, hast du Empfang?"
- "Ja, aber nicht mehr viel Ladung", antwortete Barbara und übergab Inge ihr Telephon.

Inge wählte verschiedene Nummern im Amt, endlich hatte sie einen Gesprächspartner erreicht. Das Ergebnis war niederschmetternd. Ihre Kollegen im Umweltamt wurden größtenteils abgezogen zu einer äußerst kurzfristig einberufenen Notfallübung, genaueres wußte die Kollegin auch nicht. Sie hielt es für ziemlich ausweglos, jemanden aufzutreiben, der jetzt nach Wesserbarg hinausfahren könnte. Noch während Inge sprach, verab­schiedete sich das Smartphone mit einen smarten Ton.

Ratlos standen die beiden jungen Damen in ihren triefenden Schuhen da und ahnten nicht im geringsten, was es mit der Notfallübung auf sich hätte.

























102. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 20.05.22 18:03

54

Das Abendessen auf der großen Terrasse der Pizzeria war alles andere als gemütlich gewesen: Im geforderten Abstand von drei Metern standen die Stühle an winzigen Tischchen, an welchen höchstens zwei Personen sitzen konnten. Wie bereits zuvor am Strand bleib Magda Gangolfs Partnerin, die sich mit ihm einen Tisch teilte, während Bettina und Martina jede für sich getrennt saßen. Ein Gespräch über die Tische hinweg war nahezu ausgeschlossen, unbarmherzig plärrte vom Lokal her ein Lautsprecher schauderhafte Geräusche.

Erstaunlicherweise war es Magda, die mit Gangolf, weit über den Tisch nach vorn gebeugt, ein Gespräch anzettelte:
- "Sag' `mal, wir sind doch hier in Italien am Meer, da kommen doch immer so viele Flüchtlinge aus Afrika an, mit ihren Schlauchbooten. Kommen die auch hierher?"
- "Aber nein", entgegnete Gangolf, die kommen an den Küsten von Sizilien an und nicht hier, hier sind wir am nördlichsten Ende von der Adria."
- "Aber könnten wir hier nicht mit einem Schiff einmal nach Afrika hinüberfahren?"
- "Nein, das glaub' ich nicht, vielleicht von Venedig aus, aber auch das glaub' ich eher nicht, vielleicht von Triest, dort ist ein großer Hafen, aber ob es da eine Fährlinie nach Afrika gibt, ich weiß es nicht. Was willst du denn ausgerechnet in Afrika, Afrika ist groß, es reicht von Ägypten bis Marokko, also die Länder liegen am Mittelmeer."
- "Schade, ich möchte so gern den armen Menschen dort helfen."
- "Ach ja, denen dort Brunnen graben?", erinnerte sich Gangolf an einen Wunsch, den Magda schon einmal geäußert hatte.
- "Ja genau."
- "Und du meinst, daß die das nicht selber können, daß sie dich und uns dafür brauchen?"

Magda schwieg daraufhin. Sie fühlte sich leicht gekränkt, daß ihre Absicht, Gutes zu tun, im Keim erstickt worden war. Sie sah es kommen, daß ihr Gutes Tun auf Martinas Befriedigung beschränkt bliebe, vielleicht ab und zu ein Mittagessen für Gangolf und Bettina kochen, das war es dann.
- "Ich hab' eine Idee", nahm Gangolf den Gesprächsfaden auf, "was hältst du davon, bei uns einen Brunnen zu graben, dann hätten wir gleich das Wasser für die Pflanzen, die im Hochsommer oft verdorren."

Magda blickte ihn mit großen Augen an.
- "Wo, bei dir auf dem Hof?" fragte sie erwartungsvoll.
- "Ja, das wäre doch was, hast du Lust dazu?"
- "Oh ja, gerne, und du weißt sicher, wie man das macht."
- "Ich hab` auch noch keinen gegraben, aber das kann man sicher im Internet nachlesen, dort steht ja eigentlich wirklich alles, was man im Leben wissen muß, bald wird es eine Anleitung geben, wie man Mondgestein sammelt."
- "Ach Gangi, du bist so ein wunderbarer Mensch."

Als die vier von dem Abendessen aufstanden, beschlossen Bettina und Gangolf, noch durch die Gassen der Altstadt zu schlendern und anschließend über die Uferpromenade zu dem Hotel zurückzukehren. Martina wollte indes sofort aufbrechen und den kürzesten Weg über den Binnenhafen einschlagen. Natürlich willigte Magda sofort ein, als jene sie aufforderte, mitzukommen. Martina versprach, Magda nichts anzutun, Gangolf wollte das nicht ganz so glauben, doch er behielt seine Zweifel für sich, denn er sehnte sich darnach, jetzt ohne weitere Debatten mit Bettina den Spaziergang durch die nächtlichen Gassen Caorles anzutreten. Sein Mitleid mit Magda verebbte allmählich; wie oft hatte er sie aufgefordert, Martinas Spiel nicht mehr mitzuspielen, und doch ergab sie sich immer wieder deren Allüren.

Es war ein bizarres Bild, wie die Menschen in der lauen Abendluft mit ihren Gasmasken durch die Straßen zogen. Bettina und Gangolf erreichten nach kurzer Zeit den uralten Dom, dessen Eingangstüren einen halben Meter tiefer lagen als das umgebende Pflaster. Gangolf erinnerte sich bei einem Besuch im oberfränkischen Forchheim, daß man auch dort zu dem Kircheneingang auf einigen Stufen hinuntergehen mußte. Die beiden konnten sich kaum vorstellen, wie das vor Jahrhunderten ausgesehen hatte, als es den nahegelegenen Deich noch nicht gab und damit die Straßen der Stadt nur knapp über dem Niveau des Meeresspiegels gelegen hatten.

Auf dem Deich ergab sich für Bettina und Gangolf ein eindrucksvolles Bild, links erstreckte sich die alte Stadt mit ihren engen Gassen, rechts rollten die Wogen an die Wel­lenbrecher heran, darüber breitete sich der Sternenhimmel aus. Bettina und Gangolf wandelten auf dem Deich entlang zu der Wallfahrtskirche, die am äußersten Ende des Deiches, auf drei Seiten vom Meer umschlungen lag. Durch die weit offen stehende Tür hörten sie, wie drinnen der Rosenkranz gebetet wurde. Sie warfen von außen einen Blick in das Heiligtum, ohne hineinzugehen, um nicht die Betenden in ihrer Andacht zu stören.

Bettina grummelte durch ihre Maske: "Manchmal bin ich euch Katholiken neidisch, ich möchte auch gern an Wunder glauben."
- "Dann tu' es doch", entgegnete Gangolf, "und was heißt da: >euch Katholiken<, du weißt doch, daß ich viel mehr mit euerer evangelischen Kirche mittlerweile zu tun hab' als mit der katholischen."
- "Du hast ja recht", meine Bettina daraufhin.

Auf ihrem Rückweg zum Hotel kehrten sie in eine kleine Bar ein; Bettina und Gangolf mimten ein Paar, der Kellner wies ihnen einen kleinen Tisch am Ende der schmalen Terrasse zu. Bettina bestellte sich Rotwein, Gangolf Weißwein. Beide bekundeten ihre Erleichterung, die Masken ablegen zu dürfen. Was sie voneinander indes nicht wußten, und was jeder für sich tunlichst als Geheimnis behielt, war das geheime Eingeständnis, daß der Maskengummi auf dem Gesicht zu einer nicht unerheblichen sexuellen Erregung führte; bei der Hitze des Tages kam dieses Gefühl nicht auf, im Gegenteil, die Atmung war behindert, man schwitze mit dem Ding vor dem Gesicht, während jetzt, in der kühleren Nachtluft, die Ausstrahlung des Gummis alle Unannehmlichkeiten aufwog.

- „Sind wir hier im falschen Film?“, wollte Bettina wissen, sie konnte es noch nicht richtig begreifen, daß hier tatsächlich alle Menschen mit einer Gasmaske herumliefen.
- „Es wirkt alles so irreal, so wie im Science Fiction, es fehlt jetzt nur noch der Raumanzug“, pflichtete Gangolf bei.
- „Oder ein Kampfanzug“, konterte Bettina, „vielleicht sind wir schon mitten im Krieg und die sagen das uns noch nicht, irgend so ein Giftgasanschlag.“
- „Schauen wir doch einmal im Internet nach, was darüber steht, die müssen doch auch auf Deutsch etwas bringen über Italien, notfalls lesen wir darüber nach auf Italienisch.“

Beide zogen ihre intelligenten Geräte heraus und tippten darauf herum. Übereinstimmend kamen sie zum Schluß, daß da etwas gemauschelt wird, es gab nirgends genauere Informationen, nur soviel, daß man in China den Ausgang eines Virus-Erregers vermutete, der sich über Großbritannien nun auf das nördliche Italien ausgebreitet habe. Auch auf italienischen Medienseiten konnte Gangolf zumindest nicht auf die Schnelle eine kon­krete Hintergrundinformation finden, nur immer soviel, daß alle Politiker dringend zur Einhaltung der strikten Maskenpflicht mahnten.

Die Zeiten des barrierefreien Zugangs zum Internet waren längst vorüber, die staatlichen Stellen aller Länder der Erde nahmen Einfluß darauf, setzten ausgeklügelte elektro­nische Filtertechniken ein, um nur das in’s Netz sickern zu lassen, was ihnen genehm war. Die großen und auch die kleineren Nachrichtendienste arrangierten sich prächtig mit den Aufsichtsbehörden, sie waren nicht mehr so sehr auf Werbeeinnahmen angewiesen, sondern nahmen gerne die >Entschädigungszahlungen< entgegen, um gewisse Nachrich­ten zu unterdrücken.

Als der Wein in Bettinas und Gangolfs Gläsern sich dem Ende zu neigte, lenkte Gangolf das Gespräch auf ein anderes Thema:
- „Sag `mal, Bettina, was ist das eigentlich für eine Geschichte mit der Magda, du kennst sie ja schon länger über deine Beziehung mit der Martina, ich werde aus ihr nicht mehr schlau; daß man devot veranlagt sein kann, das mag mir noch irgendwie einleuchten, aber daß ausgerechnet dieses zierliche Mädchen eine Verbrechen begangen haben soll, daß sie diese elektronische Fußfessel hat, das werde ich wohl nie mehr begreifen.“

Bettina hob ihren Blick und sah Gangolf fest in die Augen. Sie beugte sich über das Tischlein, holte tief Luft und antwortete:
- „Laß’ mich bitte, - also ich möchte jetzt eigentlich dazu nichts sagen, verstehst du, also ich möchte dir natürlich keine Antwort schuldig bleiben, aber weißt du, auch wenn ich kein katholischer Priester bin, fühle ich mich doch verpflichtet, mir anvertraute Dinge zu bewahren und nicht anderen darüber zu erzählen, auch wenn wir vier uns jetzt schon recht intensiv kennen, vielleicht gerade deshalb nicht. Aber ich versprech’ dir, ich werde heute Nacht in mich gehen, ich habe viel zu überlegen und zu überdenken, vor allem mit meinem Verhältnis zu Martina und so weiter. Aber `mal was anderes: Hättest du Lust, morgen mit mir nach Venedig zu fahren, du kannst doch so gut Italienisch und da hätte ich gern einen Reiseführer. Ich werde dir dann morgen auch erzählen, was ich mir so überlegt haben werde.“

- „Äh, ja klar“, entgegnete Gangolf auf diese ausweichende Antwort, „natürlich hab’ ich Verständnis für deine Schweigepflicht, nur bitte versteh’ mich auch, daß ich einfach neugierig werde, was da alles los ist, gerade weil ich ja auch ein Teil dieser Geschichte ge­worden bin. Aber klar, ja und morgen, das find’ ich eine ganz tolle Idee, ich wollte das auch schon vorschlagen, wagte es aber bis jetzt nicht, du weißt schon, ich glaub’, mit den beiden ist nicht so viel kulturell anzufangen, aber vielleicht täusche ich mich auch.“

- „Ja, das siehst du schon richtig, ich glaub’, es ist den beiden auch viel lieber, vor allem Martina, wenn sie sich mit Magda beschäftigen kann, oder ein bißchen Shopping hier und so weiter.“
Als Bettina und Gangolf in das Hotel kamen, lauschten sie eine Weile vor der Tür von Martinas und Magdas Doppelzimmer. Es drangen keine Geräusche heraus, so daß jene sich in der berechtigten Hoffnung wogten, es sei alles mit diesen in Ordnung.
Kaum hatte sich Bettina in das Bett ihrer Einzelzelle gekuschelt, wie Gangolf ironisch die kleinen Zimmer schmähte, hielt jene tatsächlich Zwiesprache mit ihrem Schöpfer:

- „Ist es wirklich dein Wille, daß sich nur Mann und Frau lieben sollen? Sind nicht beides Abbilder deiner göttlichen Natur? Und was war da mit Jesus, der war doch auch dauernd von seinen Jüngern umgeben; war er am Ende schwul? Freilich waren da die Geschichten mit Marta und Magdalena, und auch seine Mutter Maria liebe er wohl sehr, auch wenn er sie auch immer wieder enttäuschte, geradezu frech: >Weib, was willst du von mir, meine Stunde ist noch nicht gekommen<. Oder die Sache im Tempel, als er den Eltern entwischte und als Knabe im Tempel sprach: >Was ist’s, daß ihr nach mir sucht?<. Oder wie der eine fremde Frau am Brunnen barsch aufforderte: >Gib mir zu trinken<.

Heute würde dieselbe Frau wohl antworten: >Hol’ dir doch selber was aus dem Brunnen<.
Sollten das alles Hinweise auf Jesu gestörtes Verhältnis zu Frauen sein, Hinweise auf seine Homosexualität? Wo waren da beim Abendmahl die Jüngerinnen? Freilich trös­tete Jesus auf seinem Weg nach Golgotha die weinenden Frauen von Jerusalem. Jesus, du bist schon eine ganz besondere Figur, ein Kleinkrimineller? Schickt er doch prompt seine Jünger in das Dorf, um einen Esel zu stehlen. Und auf den Einwand, was würden die Leute sagen, dann sollen sie dreist antworten: >Der Herr braucht ihn<.“

Zwar konnte er natürlich nicht verstehen, was da Bettina murmelte, doch Gangolf vernahm in seinem Zimmer, daß diese tatsächlich irgend etwas sagte. Es war sicherlich kein Telephongespräch. Er mutmaßte ein Selbstgespräch. ‚Haderte sie tatsächlich mit sich selbst’, ging es Gangolf durch den Kopf. ‚Vielleicht. Wahrscheinlich. Abwarten.’ Mit diesen Gedanken schlief er ein.

Er hätte sich nicht träumen lassen, daß an diesem Tag seine Scheune in Wesserbarg zur Zufluchtsstätte zweier gestrandeten Frauen geworden war.










































































103. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 27.05.22 22:12

55


Inge und Barbara schleppten sich mit ihren vollbepackten und durchnäßten Trekking-Rucksäcken auf den schmalen Weg vom Ufer weg auf die Anhöhe. Kaum hatten sie den Baumbestand und das Buschwerk entlang des Kanalufers verlassen, blies ihnen von hinten ein scharfer Wind zu. Die Wolken zogen immer schneller bedrohlich auf ihrem Weg nach Osten, sie wurden immer dunkler, es zog ein Unwetter herauf. Inge wagte einen Blick zurück und rief entsetzt:
- „Schau’ `mal, dahinten geht die Welt unter.“

Auch Barbara drehte sich jetzt um und blickte in den dunkelgrauen Himmel im Westen.
- „Gehen wir schnell dort zu dem Hof“, schlug sie vor; kaum daß sie die Worte formuliert hatte, fielen die ersten Regentropfen. Schnell zogen sie sich die Kapuzen über den Kopf und stapften zu dem Haus.
- „Zu blöd auch, daß wir nicht die Gummistiefel angezogen hatten“, ärgerte sich Inge.
- „Das sah’ heute morgen nicht unbedingt nach einem Unwetter aus“, entgegnete Barbara, „und daß wir beim Wechsel einschöpfen würden, hätten wir natürlich auch nicht ge­dacht.“
‚Nicht schon wieder dieses Thema’, dachte sich Inge, doch sie schwieg.

An dem angepeilten Haus angekommen suchten die beiden Frauen vergeblich nach einem Klingelknopf. Der Regen wurde stärker, die Tropfen prasselten jetzt richtig stark hernieder. Sie klopften und riefen, drückten schließlich auf den Türdrücker. Ihre Freude, anstelle des üblichen Türknaufs einen Drücker vorzufinden, wurde schnell zunichte gemacht, als sie diesen niederdrückten und feststellen mußten, daß abgesperrt war.

- „So ein Mist“, fluchte Inge, „laufen wir zu der Scheune!“
Es gelang den beiden, das Schiebetor aufzuschieben. Als das Tor weit genug aufgeschoben war, schlüpften sie schnell hinein. Kaum hatten sie die Zuflucht eingenommen, dröhnte ein gewaltiger Donnerschlag hernieder.
- „Puh, ein Glück, daß uns das nicht auf dem Wasser erwischt hat“, gab Inge zum Besten.
- „Viel nässer wären wir auch nicht geworden“, gab Barbara zurück.
‚Schon wieder diese Anspielung’, ärgerte sich Inge im Stillen. Sie schauten sich um und erkannten in dem dämmerigen Schein des nur wenig geöffneten Tors die zwei Kajaks, die auf Brettern an der linken Wand lagen.

- „Bist du damit schon `mal gerudert?“, fragte Inge, um auf andere Gedanken zu kommen.
- „Ja, hab’ ich, mit meinem Freund leihen wir uns immer wieder `mal welche aus für eine Paddeltour, ist schon was anderes als mit dem Kahn.“
Skeptisch betrachtete Inge die schmalen Plastikteile und meinte:
-„Viel kann man da ja nicht mitnehmen.“ Ihre Frage beinhaltete einen Hintergedanken.
- „Oh doch, man muß nur richtig verstauen, auf mehrere kleine Gepäckstücke, nicht so riesige Rucksäcke, es gibt auch extra total wasserdichte tonnenförmige Behälter, das ist schon praktisch, da bleibt dann alles trocken darin, ganz gleich, ob es regnet oder sonst was.“
‚Sonst was’, wiederholte Inge im Geiste und ärgerte sich schon wieder über Barbaras erneute Anspielung. Doch dann faßte sie einen anderen Plan. Zunächst galt es, das Unwetter abzuwarten und einen Weg zu finden, von hier weg zu kommen.

Die beiden Naturforscherinnen setzten sich nieder und zogen die feuchten Schuhe aus. Dann zogen sie sich auch die nassen Socken von den Füßen und rieben diese, um sie zu wärmen. Ihre Gummistiefel waren zu unterst verstaut, sie mußten die gesamten Inhalte der Rucksäcke ausleeren, um zu ihnen zu gelangen. Sie zogen sich neue Socken über, die glücklicherweise trocken geblieben waren. Es war ein ganz anderes Gefühl, warme und vor allem trockene Füße zu haben. Mit diesem angenehmen Gefühl lächelten sich die beiden an und umarmten sich.

- „Es ist doch ein Glück, hier diese Scheune rechtzeitig erreicht zu haben“, stellte Inge fest und Barbara pflichtete ihr bei.
So schnell das Unwetter heraufgezogen war, so schnell zog es vorüber. Ein paar Mal donnerte es noch, doch wurden die Donnerschläge immer schwächer. Durch den Spalt in dem Tor sahen sie jetzt im Norden ferne Blitze niedergehen, erst viel später folgte der Donnerschlag.

- „Wie war das mit der Entfernung zum Blitz, weißt du das noch?“ fragte Inge.
- „Ganz einfach“, antwortete Barbara mit vergnüglichem Selbstbewußtsein, „der Schall breitet sich etwa mit 300 Meter in der Sekunde aus, also wenn du bist drei zählst, bis der Donner kommt, dann ist der Blitz etwa einen Kilometer weg.“
- „Also ich glaub’, wir können dann wieder los“, meinte Inge, die Donnerschläge dauern schon viel länger und sind auch leiser geworden.“
- „Wart’ halt noch ab, bis der Regen aufgehört hat.“
- „Ja, ich guck’ `mal“, stimmte Inge zu und ging zum Tor.
- „Im Westen wird es schon wieder hell, warten wir noch eine Weile, dann ist das ganz vorüber.“

- „Weißt du eigentlich, wo wir hier genau sind?“, wollte Barbara wissen, als sie mit Inge den Hof verließ und auf der Ebene Ausschau hielte. Vor ihnen lag ein ausgewaschener Feldweg mit zahlreichen Schlaglöchern, die randvoll mit Regenwasser gefüllt waren.
- „Keine Ahnung, aber ich glaub’, hier sind wir hergekommen mit dem Jeep.“
- „Hm, kann sein, es wahr jedenfalls sehr holprig, die letzten Kilometer.“
- „Lassen wir doch die Rucksäcke zurück, ich hab’ keine Lust, das schwere Zeug kilometerweit zu schleppen.“
- „Und wo sollen wir die hier verstecken?“
- „Bringen wir sie zurück in die Scheune, wem die auch immer gehört, der Besitzer scheint ein argloser Mensch zu sein, denn sonst hätte er die abgesperrt, schon allein wegen der Boote.“
- „Na, wenn du meinst, du bist die Chefin, ich möchte nicht schuld sein, wenn `was wegkommt von unseren Sachen.“
- „Ach, wir kommen doch gleich wieder zurück, sobald wir eine Fahrgelegenheit gefunden haben.“

Insgeheim war Barbara froh, daß sich Inge dazu entschlossen hatte, das schwere Gepäck in der Scheune zurückzulassen. Mit den Gummistiefeln war das Marschieren deutlich anstrengender als mit den Trekking-Schuhen.
Die Last hinter sich gelassen stiefelten die beiden Frauen zu dem Weg hinaus und begannen erleichtert ihre Wanderschaft.
Nachdem sie eine Weile schweigend vorangeschritten waren, sagte Inge:
- „Wir müssen ohnehin nochmals her, um den Kahn auszuschöpfen, damit wir den dann auf den Anhänger ziehen können. Das wird wieder so ein Kraftakt.“

Im gleichen Atemzug bereute Inge, diese Worte ausgesprochen zu haben, ihr Plan war es, alleine zurückzukehren und erst später den Kahn aus dem Wasser zu ziehen.
- „Ach, zusammen schaffen wir das“, war sich Barbara sicher, „wenn wieder der nette Typ uns herfährt, der hat uns doch auch so toll geholfen, den Kahn in’s Wasser zu bringen.“

Wieder schwiegen sie eine Weile, dann kam es Barbara in den Sinn:
- „Sag’ `mal, ist der Akku wirklich total leer von der Feuchtigkeit im Rucksack?“
- „Weiß ich nicht“, konterte Inge, „ich nehme schon an, ja.“
- „Wir haben das gar nicht ausprobiert, verdammt, und jetzt liegt er wahrscheinlich in deinem Rucksack.“
- „Ja klar, ich schlepp’ doch nicht hier leere Akkus mit, ich hab’ auch mein Smarti dort hineingesteckt, bringt ja jetzt eh’ nichts.“
- „Zu dumm, wir hätten das ausprobieren sollen, ich hab’ auch nimmer d’ran gedacht, als mein Akku aus war.“
- „Jetzt laufen wir aber nicht mehr zurück, schau, da vorne sind Häuser zu sehen, da werden wir schon jemanden finden, der uns telephonieren läßt.“
- „Und wen sollen wir anrufen, wenn doch alle auf dieser seltsamen Notfallübung sind? Was ist das eigentlich für eine Übung?“
- „Das weiß ich auch nicht“, mußte Inge eingestehen, „hatten wir noch nie.“

---

Brause konnte nicht einschlafen. Das kam nicht so häufig vor, aber ohne ersichtlichen Grund blieb er in dieser Nacht lange wach. Tausend Gedanken durchstreiften seinen müden Geist, an einem blieb er schließlich hängen:
‚Was ist mit der Geldkassette geworden, niemand verliert eine Geldkassette, noch dazu irgendwo im Schleewald. Wieviel war darinnen? Gab es einen Hinweis auf den Eigentümer, ein Aufkleber oder was?’
Seine kriminalistische Neugier ließ ihn keine Ruhe. ‚Morgen werde ich der Sache nachgehen’, beschloß er, ‚hilft gegen die Langeweile, dann ein kurzer Bericht geschrieben, und die Sache ist erledigt.’

Mit diesem für ihn beruhigenden Gedanken schlief er ein. Daß seine Nachforschungen weite Kreise ziehen sollten, hätte er sich freilich nicht vorstellen können.













104. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 03.06.22 20:58

56


Beim Frühstücken waren sich die vier Urlauber schnell einig, daß die Kunstbeflissenen Venedig besuchen, die Lustbeflissenen dagegen sich in den Betten und am Strand räkeln würden. Bettina und Gangolf schwangen sich in's Auto, um nach Tre­porti zu fahren. Von diesem Lagunenhafen aus wollten sie mit dem >Vaporetto< nach Venedig hinübertuckern. Martina und mit ihr Magda im Schlepptau wollte durch Caorle bummeln, um die Geschäfte eingehend zu besuchen. Martina brauchte ständig neue Einkleidung, während Magda seit Jahren immer in den gleichen Sachen herumlief. Später wollten die beiden wieder zum Strand, der dann von der Nachmittagson­ne aufgeheizt sein würde.

Als Bettina und Gangolf in Treporti angekommen waren, sahen sie, wie ein Schiff abfuhr. Sie waren offenbar wenige Minuten zu spät gekommen und mußten nun eine Dreiviertel Stunde auf das nächste Boot warten. Sie nutzen die Wartezeit für einen Rundgang um das alte Hafengebäude. An seinem einen Ende stand eine Verkaufsbude für allerlei nützliche und unnütze Dinge; zu den nützlichen zählten sicherlich was­serfeste Beinbekleidung. Der Verkäufer pries ihnen hüfthohe Überzieh-Stiefel an aus strapazierfähigem wasserdichten Obermaterial. Er war sehr erfreut, als ihn Gangolf auf Italienisch ansprach. Er teilte ihm mit, daß in Venedig wieder Hochwasser sei, das berühmte >aqua alta<; man habe zwar, wie immer, Stege über den Markusplatz auf­gebaut, damit die Touristen und die wenigen Stadtbewohner einigermaßen trockenen Fusses darüber kamen, doch in vielen Gassen und Nebenplätzen fehlten diese Stege.

Gangolf war zögerlich, ob er diesem geschäftstüchtigen Verkäufer trauen sollte, Bettina zog hurtig ihr I-Pad heraus und bestätigte die katastrophale Hochwassersituation in Venedig. Erst jetzt wurde den beiden bewußt, daß auch hier in Treporti das abfah­rende Schiff fast auf Straßenniveau zu sehen gewesen war; der Wasserstand war demnach auch hier sehr hoch. Unschlüssig ließen die beiden ihre Blicke über die Wa­ren in dem Verkaufsstand schweifen, Gangolf erkannte zwischen den zahlreichen Kleidungssachen ganz hinten Wathosen. Diese waren im Preis nicht viel höher als die von dem Verkäufer angepriesenen langstulpigen Gummistiefel.

- "Was ist mit denen da", rief Bettina aus, als sie in dem Moment ebenfalls die Wathosen gesehen hatte.
- "Was hast du denn für eine Schuhgröße?", entgegnete Gangolf, "die Hosen sind normalerweise immer viel zu weit für uns Schmalgebauten, wichtig ist immer die Schuh­größe."

Nach einer Weile des Hin- und Herüberlegens schlüpften Bettina und Gangolf probehalber in die Wathosen, um zu sehen, ob die Schuhweite paßt. Der Verkäufer war überaus behilflich und beschwor, wie wichtig es in diesen Tagen sei, diese wasserdichten Sachen in Venedig zu haben - er sollte durchaus recht behalten.

Bettina und Gangolf liefen mit ihren frisch erstandenen Kleidern zum Auto; dort zogen sie ihre Jeans aus, warfen diese zusammen mit den Schuhen in den Kofferraum und stiegen in die Wathosen. Für beide war es ein unheimliches Gefühl, mit den grünen Wathosen und den grünen Gasmasken zur Mole zu watscheln; dort sahen sie andere Leute, welche die hüfthohen Gummistiefel trugen und gleichfalls zur Schiffsanlegestelle eilten. Bettina und Gangolf mußten sich beeilen, denn durch den Kauf war die dreiviertel Stunde Wartezeit schnell vergangen.

Während Bettina und Gangolf auf dem Vaporetto Venedig entgegensteuerten, begab sich Martina auf Shopping-Tour durch Caorle. Obwohl sie mit ihren 1 Meter 80 zu den an sich schon großen Frauen zählte, konnte sie es nicht lassen, immer wieder extravagante High Heels aus den Regalreihen der Schuhgeschäfte auszusuchen. Während sie verschiedene Paare aussuchte und es als ihr persönliches Problem ansah, daß ihr an den anprobierten Modellen immer irgend etwas nicht paßte, sei es die Paßform selbst, sei es die Form der Schnallen, die farbliche Aufmachung oder überhaupt die gesamte Erscheinungsform, hatte Magda derweil im Hotelzimmer ein ganz anderes persönliches Problem.

Als die beiden Reinigungsfrauen anklopften, verharrte Magda, anstelle irgend etwas zu rufen, in unbeweglicher Stille. Arglos sperrten sie auf und waren erstaunt, als sie Magda auf dem Boden im Hogtie gefesselt vorfanden. Sie riefen etwas auf Italienisch, was Magda nicht verstand, dann sagte die eine im gebrochenen Deutsch:
- "Haben Sie Hilfe?"

Magda streckte ihren Kopf empor, soweit es die Seile zuließen, schüttelte den Kopf und sagte:
- "Nein, danke, alles in Ordnung."
Die beiden Reinigungsfrauen blickten weiterhin ratlos auf die gefesselte Magda herab, diese fuhr fort:
- "Machen Sie ruhig sauber, lassen Sie sich nicht stören."

Zur Bekräftigung ihrer Worte versuchte Magda ein Lächeln aufzusetzen, was durch die Verspannungen des gesamten Oberkörpers nicht recht gelingen wollte. Schließlich wendeten sich die Putzfrauen um und verließen das Zimmer. Magda hörte sie durch die geschlossene Tür auf dem Gang aufgeregt diskutieren.

Als nächstes öffneten die Reinigungskräfte Bettinas Zimmer. Sie mußten sich einen Weg bahnen durch einen wahllos zusammengewürfelten Haufen von Kleidungssachen und Schuhen. Wieder waren sie entsetzt, diesmal über das hier herrschende Chaos. Die eine entdeckte in dem Gewurrel Bettinas megahohen Stiefeletten, sie nahm diese in ihre Hände und zeigte sie ihrer Kollegin. Fasziniert bewunderten beide die Schuhmacherkunst, erstere setzte sich auf das Bett und vertauschte ihre Sandalen mit diesen besonderen Schuhen. Unsicher erhob sie sich und genoß das Gefühl, schlagartig fünfzehn Zentimeter größer geworden zu sein. Vorsichtig stakste sie vorwärts, ihre Kollegin schaffte ihr freie Bahn, indem sie alles, was auf dem Boden lag, kurzerhand auf das Bett warf. Mit großem Gekicher blickte sie auf ihre Kollegin herun­ter, schließlich tauschten sie, und auch die Kollegin fand große Freude daran, diese Wolkenkratzerschuhe auszuprobieren.

Als Bettina und Gangolf das Vaporetto verließen und den Anleger-Ponton >San Zaccaria< betraten, bemerkten sie zunächst nicht das Hochwasser, welches das gesamte Ufer überspülte. Sie zwängten sich im Gänsemarsch mit den anderen Fahrgästen über den Steg, der zu der >Ponte della Paglia< führte und dann weiter am Dogenpalast entlang. Auf der Brücke blieben sie kurz stehen, um der >Ponte dei Sospiri< einen Blick zuzuwerfen, jener berühmten Seufzer-Brücke, welche vom Dogenpalast zu dem schrecklichen Gefängnis auf der anderen Seite des Kanals führte, zu den >Bleikam­mern<. Unwillkürlich kam Bettina Giacomo Casanova in den Sinn, dem es gelungen war, von dort zu fliehen. Es blieb den beiden indes keine Zeit, auf dem Brücklein län­ger zu verweilen, denn die Nachfolgenden drängten zum Weitergehen.

Als Bettina und Gangolf an die erste der beiden Säulen mit dem Markuslöwen kamen, öffnete sich nach rechts ein weiterer Steg, der rechtwinklig in Richtung Markusplatz abzweigte. Auf der Höhe des Markusdoms führte eine Treppe zu den gewaltigen Portalen. Diese waren leider geschlossen. Die beiden beschlossen, dennoch hinunter zu steigen und damit den Steg zu verlassen. Sie wollten ausprobieren, wie es sich an­fühlt, mit den Wathosen in das Wasser zu steigen.

Vorsichtig setzte Gangolf Fuß für Fuß auf die überfluteten Stufen. Mit jedem Schritt weiter nach unten in die Tiefe wurde er langsamer, er konnte nicht glauben, daß der Platz so hoch überschwemmt war. Bettina wartete auf dem Steg, sie blickte gespannt auf Gangolf hinunter, wie dieser immer weiter in die Fluten stieg. Endlich war er mit beiden Füßen auf dem Pflaster angekommen, er ließ das Geländer los und wagte freihändig die ersten Schritte. Dankbar blickte er auf seine Wathose herab, welche ihn absolut wasserdicht im hüfthohen Wasser stehen und gehen ließ. Nachdem die letzten Luftblasen aus den Beinröhren nach oben glucksten, hielt er einen Moment stille und genoß den Druck des Wassers gegen seinen Unterleib.

Nach einigen Sekunden drehte sich Gangolf zu der auf dem Steg wartenden Bettina um und gab ihr ein Zeichen, ihm die Stiege hinunter zu folgen. Mit klopfendem Herzen betrat nun auch Bettina die in das Wasser führende Stufen und stieg vorsichtig hinab. Als sie endlich das Ende der Treppe erreichte, verspürte auch sie einen lustvollen Druck auf ihren Unterleib. Um das Gleichgewicht zu halten, schritt sie vorsichtig mit ausgebreiteten Armen in Gangolfs Richtung. Sie fühlte sich nicht wohl bei dem Gedanken, durch einen Fehltritt zu stürzen und in das kalte Salzwasser zu fallen. Das Wasser reichte ihr knapp unter die Brüste, sie mußte sich stets aufrecht halten, damit das Wasser nicht über den Rand der Wathose in ihren Körper hineinlief.

Allmählich gewöhnten sich Bettina und Gangolf an die neue Art der Fortbewegung, und die Lust an der skurrilen Situation überwog die Angst, bei einem Fehltritt zu stolpern. Mutig stapften sie am Dom entlang und betraten an dessen Ende eine schmale Gasse mit ei­nem großen Wegweiser zur Rialto-Brücke. Sie folgten der Wegweisung durch die verwinkelten Gassen, das Wasser stand hier nicht mehr ganz so hoch wie auf dem Markusplatz.

Auf beiden Seiten der Rialto-Brücke stauten sich die Schiffe. Die Wasseromnibusse, die >Vaporetti<, konnten nur in der Mitte des Brückenbogens hindurchfahren, um nicht anzustoßen, ein Begegnungsverkehr war ausgeschlossen. Vom Dach eines Polizeiboots plärrte ein großer Lautsprecher lautstark Durchsagen, um den Verkehr geregelt zu bekommen. Gangolf verstand kein Wort, offensichtlich hatten aber selbst die italienischen Bootsführer Probleme damit, denn der Beamte mit dem Mikrophon auf dem Polizeischiff riß entnervt seine Gasmaske vom Gesicht und schleuderte sie im hohen Bogen über Bord. Tatsächlich war seine Stimme aus dem Lautsprecher nun verständlicher und es gelang, das Chaos unter Kontrolle zu bekommen.

Bettina und Gangolf stiegen über die Brücke und beobachteten das Gewusel auf dem Canal Grande. Sie hatten den Eindruck, in einem Sience fiction-Film mitzuwirken: Auf den Stegen drängten sich die Menschenmassen, die Beine in hüfthohen Stiefeln gehüllt, die Köpfe in Gasmasken. Auf dem Wasser drängten sich Vaporetti, Lastkähne, Wassertaxi und Gondeln. Das Heulen einer Sirene kam näher, mühsam kämpfte sich ein Rot-Kreuz-Boot durch die sich stauenden Bootsschlangen. Das Heulen der Sirene übertönte das Lautsprecher-Geplärre des wackeren Carabiniere, wodurch das Chaos nur noch schlimmer wurde. Dem Sanitätsschiff blieb nichts anderes übrig, als zu warten, bis sich die Boote aus der anderen Richtung durch die schmale Brückendurchfahrt gezwängt hatten.


In den Gassen westlich der Rialto-Brücke wurde es wesentlich ruhiger, nur noch wenige Passanten watschelten in ihren überdimensionalen Gummistiefeln durch die Fluten. Bettina und Gangolf gelangten an einen Kanal, der quer zum Canal Grande verlief. Sie sahen viele Hausfronten, die mit Balken quer über den Kanal gegeneinander abgestützt waren, an einer Stelle gab es auch eine Baulücke, die anscheinend durch ein eingestürztes Haus entstand. In ihren Wathosen wateten die beiden an dem Kanal entlang, bis sie zu dessen Einmündung in den Canal Grande kamen. Von der Mündungsecke aus hatten sie einen weiten Ausblick über den großen Kanal, Gangolf deutete auf die gegenüberliegende Ufer­seite und quakte durch die Gasmaske:

- "Schau' `mal dort hinüber, siehst du die Stelle, wo die Steinhaufen liegen; da ist im Frühjahr der Palast Ca' d'Oro eingestürzt!"
- "Ach, tatsächlich, ja, ich erinnere mich, da war das also!" quakte Bettina zurück.

Allmählich verspürten die beiden Venedig-Besucher Hunger, doch es sah nicht darnach aus, daß sie irgendwo zu Essen bekommen würden. Alle Ladeneingänge waren durch Aluminiumplanken abgeschottet, das öffentliche Leben kam weitgehend zum Erliegen. Ziellos kreuzten die beiden in dem Gassengewirr in südliche Richtungen und kamen dabei auf einem größeren Platz heraus, ein Straßenschild wies ihn als >Campo San Polo< aus. Auf seiner Mitte stand einsam ein Baum. Bäume waren Seltenheit in dieser vom Salzwasser bedrohten Großstadt; beim Näherschreiten durch die Fluten entdeckte Bettina die Lehne einer Parkbank, deren oberer Rand knapp aus dem Wasser lugte.

- "Setzen wir uns dort ein bißchen unter den Baum", schlug sie vor.
- "Äh, wie sollen wir uns da setzen, da läuft uns doch die Soß' in die Hosen hinein", quakte Gangolf fragend zurück.
- "Da ist doch eine Bank, siehst du nicht die Lehne?"

Jetzt erkannte auch Gangolf die waagrecht aus dem Wasser ragende Stange, die auf eine Rückenlehne schließen ließ. Tatsächlich sahen sie beim Näherkommen in dem klaren Wasser die metallene Bank, deren Sitzfläche vom Wasser überspült war.

- "Komm', das wird lustig", feuerte Bettina Gangolf an und ergriff seine Hand, um ihn mit sich zu der Bank zu ziehen.

Tatsächlich war es für beide ein ganz neues eigenartiges Gefühl, sich in dem Wasser auf eine Bank niederzusetzen. Reichte das Wasser bislang meistens nur bis zu den Oberschenkeln, tauchten sie mit ihren Wathosen im Sitzen wesentlich tiefer und Bettina muß­te aufpassen, daß sie nicht über ihren Brüsten einschöpfte. Sie genoß das unbeschreibliche Gefühl, wie das Gummi-Kunststoff-Gemisch sich fest um ihren Unterleib und nun auch um ihre Brüste spannte. Ihre Erregung wuchs ständig an, schließlich erhob sie sich, richtete sich vor Gangolf auf, hielt sich mit beiden Händen links und rechts von Gangolfs Schultern an der Rückenlehne fest und kniete sich leicht gespreizt auf die Sitzfläche ne­ben Gangolfs Hüften.

'Nun ist es endlich soweit', dachte sich Gangolf und zog erwartungsvoll seine Gasmaske vom Gesicht. Bettina ließ sich auf seine Knie sinken, nahm ihre Hände von der Lehne und zog sich gleichfalls die Maske ab. Doch kaum, daß beide die frische Salzluft ungefiltert in ihren Nasen einsaugen konnten, gellte von Ferne ein Pfiff aus einer Trillerpfeife und unmittelbar danach erscholl ein unverständlicher Schrei. Erschrocken sahen sich die beiden um und gewahrten aus dem Erker eines den Platz umgebenden Häuser einen Schutz­mann, der drohend seinen ausgestreckten Zeigefinger erhoben hatte.

Nervös versuchte sich Bettina, das Ungetüm wieder über ihr zartes Gesichtlein zu ziehen, doch in der Aufregung wollte es ihr nicht recht gelingen.

- "Zieh' erst die Bänder auf der Seite etwas länger, dann kriegst du das Mistding leichter umgeschnallt", riet ihr Gangolf. Unwillkürlich wurde er an die Bundeswehr erinnert, als er als einer der letzten Jahrgänge die Wehrpflicht ableisten mußte und dort unter vielen anderen Unannehmlichkeiten dem >Maskendrill< unterlegen war: Das Auf- und Absetzen der Gasmaske mußte auf Kommando blitzschnell erfolgen; mit Grausen kam ihm die Dichtheitsprüfung in Erinnerung, als er mit den Kameraden in eine Gaskammer, >Café Eichmann< genannt, getrieben wurde, welche mit einem Tränengas gefüllt war. Wehe dem Kameraden, dessen Maske nicht absolut dicht gewesen war!

Und eine ganz andere Sache fiel Gangolf ein, die zweite Strophe von Silchers düsterem Morgenrot-Lied:
>Kaum gedacht, kaum gedacht, wird der Lust ein End' gemacht!<

Gangolfs Vorfreude platzte wie eine Seifenblase und auch Bettinas Erregung war jäh zum Erliegen gekommen. Mit einem Ruck erhob sich Bettina von Gangolfs Knie. Beide kamen überein, irgendwie wieder den Canal Grande zu erreichen, um über die Rialto-Brücke zurück zum Markusplatz zu gelangen. Zu ihrem Schreck stellten sie fest, daß das Wasser weiter gestiegen war und sie beschlossen, auf dem Rückweg nun die Stege zu verwenden, da das Watscheln in dem hohen Wasser anstrengend und auskühlend war. Sie spürten den Drang zum Wasserlassen, was in ihrem Gehäuse natürlich nicht möglich war. Auf dem Markusplatz waren nun selbst die Stege überschwemmt, so daß sie auf diesen bis zu den Knöcheln im Wasser standen. Sie mußten besonders vorsichtig vorwärts schreiten, stets darauf bedacht, nicht zu weit seitlich zu treten. Glücklicherweise konnten sie in dem klaren Wasser gut die Konturen des Stegs und des einen Meter tiefer liegen­den Pflasters des Platzes erkennen.

Um keine Zeit zu verlieren, bogen Bettina und Gangolf an den Säulen nach rechts zu den Giardini ab, um dort zum Schiffsanlager San Marco zu kommen. Ein Lautsprecher plärrte irgend etwas größtenteils Unverständliches, Gangolf vernahm nur etwas von >ultima barca<. Glücklicherweise erkannte er die richtige Liniennummer, sie beeilten sich, auf den Ponton zu gelangen, um mit dieser >letzten Barke< das Eiland zu verlassen. Der Ponton-Schiffsanleger war weit in die Höhe gehoben, sie mußten die Rampe steil nach oben steigen, um vom Steg auf das Wartehäuschen zu gelangen. In letzter Sekunde sprangen Bettina und Gangolf auf das Schiff, der Bootsmann war bereits zugange, das Seil zu lösen. Dieser erklärte Gangolf in einfachen Worten, daß das tatsächlich das letzte Vaporetto sei, bis die Flut am Nachmittag wieder abklingen würde. Der gesamte Schiffs­verkehr würde nun eingestellt werden.

Glücklich fläzten sich die beiden auf eine Bank im Inneren des Schiffes, Bettina schmiegte sich an Gangolfs Seite und ergriff dessen Hand. Wie gerne würden sie sich von der Maske befreien, doch wagten sie nicht nochmals diese Offenbarung. Gangolf ahnte indes, daß Bettinas Zuneigung bald wieder ein Ende haben könnte und tatsächlich sollte sich seine Ahnung als richtig erweisen.


































105. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 10.06.22 22:46

57

Die beiden Zimmermädchen hatten nicht viel zu tun, es waren nur noch wenige Hotelgäste anwesend. Als sie mit den Arbeiten auf den Zimmern fertig waren, kehrten sie in das Doppelzimmer zurück. Dort fanden sie Magda immer noch gefesselt auf dem Bauch liegend.
- "Alles gut?" fragte die eine, die etwas Deutsch konnte.
- "Alles gut", antwortete Magda und versuchte dabei ein Lächeln.

Die Zimmermädchen setzten sich an Magdas Seite auf den Boden und begannen, deren nackte Haut am Rücken zu streicheln. Als sie erkannten, daß Magda ihre Zuwendungen gefiel, strichen sie durch ihr Haar und berührten ihre Wangen. Magda nickte mit einem leichten Seufzer und versuchte, sich auf die Seite zu drehen. Die beiden Italienerinnen halfen nach, so daß Magdas gesamte Schönheit vor ihnen ausgebreitet lag. Sie nahmen nun vorsichtig Magdas Brustwarzen in ihre Finger und zupften leicht an jenen herum. Sie streichelten auch Magdas Venushügel, was diese mit einem behaglichen Stöhnen quittierte.

Eine der beiden Zimmermädchen ließ schließlich von Magdas Körper ab und wandte sich den Betten zu, um diese neu zu beziehen. Als sie die gemeinsame große Decke herunter zog, gewahrte sie zwei metallene Gegenstände, deren Zweck sie nicht sogleich erkennen konnte. Sie rief ihrer Kollegin etwas zu, worauf diese sich von Magda abwendete und ihren Blick zu den besagten Gegenständen hob. Staunend ergriffen die jungen Frauen die ihnen bislang unbekannt gewesenen Teile und wiegten sie in ihren Händen. Endlich begriffen sie, um was es sich handelte. Sie riefen Magda etwas auf Italienisch zu; obschon diese natürlich nicht verstand, was sie sagten, ahnte es Magda und nickte ihnen freund­lich zu.

Magda reckte den Kopf in die Höhe, soweit es ihr die Fesselung erlaubte. Sie wollte es sich nicht entgehen lassen zuzusehen, wie die beiden Mädchen die Keuschheitsgürtel an sich anprobierten. Diese waren sich gegenseitig beim Anlegen behilflich, nach längerem Herumprobieren gelang es ihnen, Hüft- und Schrittband mit dem zentralen Bolzen zu verschließen. Sie gerieten in Ekstase, als das Einschnappen des Schlosses von den Wänden des geräumigen Zimmers reflektiert worden war. Sie rissen sich die Masken vom Gesicht, warfen sich auf das breite Bett und genossen hemmungslos das ihnen bislang völlig frem­de Gefühl des verschlossenen Unterkörpers.

Nachdem die Keuschbegürtelten mehrere Minuten nahezu regungslos auf dem Bett lagen, erhoben sie sich stöhnend und begannen ein Gespräch, das nach wenigen Sätzen immer lauter wurde. Beinahe schon in Panik sprangen sie vom Bett und suchten nach den Schlüsseln für ihr selbstauferlegtes Gefängnis. Magda vernahm in dem Redeschwall mehrfach das Wort >chiavi<, sie ahnte, daß es sich dabei um die Schlüssel handeln müßte, doch konnte sie ihnen nicht weiter helfen.

In purer Verzweiflung lösten die Italienerinnen Magdas Fesseln, was diese durchaus gar nicht erfreute, denn sie fürchtete schlimmste Bestrafung durch ihre Herrin, wenn diese zurückkommt und sie befreit dasitzen sähe. Magda massierte ihre steif gewordenen Glieder, mühsam richtete sie sich auf. Die im Keuschheitsgürtel Eingeschlossenen deuteten auf die Schlösser derselben und mimten auch den Schlüssel. Sie hofften, daß Magda ih­nen diesen geben könnte, doch Magda wußte nicht, wo dieser lag. Sie vermutete, daß Martina die Schlüsselein an ihrem Bund mit sich trug. Mit mehrfachen Schulterzucken konnte Magda den Verzweifelten klarmachen, daß sie nichts über den Verbleib des
erlö­senden Werkzeuges wußte.

Mitten in ihrer Ratlosigkeit vernahmen die drei jungen Frauen das Geräusch des sich drehenden Schlüssels in dem Schloß der Zimmertür. Martina trat arglos herein und blieb wie angewurzelt stehen, als sie die Situation erfaßt hatte. Keiner der vier brachte ein Wort heraus, der Überraschungseffekt saß tief. Im ersten Augenblick schwoll Martinas Ärger schier grenzenlos an, doch nach wenigen Sekunden war er wie weggewischt und Mar­tina machte aus der Not eine Tugend: Sie schubste die beiden neugebackenen Sklavinnen auf das Bett, schleuderte sich die Schuhe von den Füßen, zerrte sich Hose und Bluse vom Leib und schwang sich auf das Bett. Dort angelangt setzte sie sich mit gespreizten Beinen vor die ersten Italienerin, zog deren Kopf an den Haaren zu sich heran und be­deutete jener, ihre Scham mit dem Mund zu liebkosen. Der gesamte Vorgang lief in bi­zarrer Stille ab, und es zeigte sich die alte Erfahrung, daß die ureigensten Triebe der Na­tur keiner verbalen Kommunikation bedurften.

Zu Magdas größter Überraschung wies Martina diese an, sich neben ihr in gleicher Weise auf das Bett zu setzen und sich von der anderen Italienerin verwöhnen zu lassen. Die beiden Südländerinnen verrichteten ihren Liebesdienst mit inniger Hingabe; bereits nach kurzer Zeit stöhnten die Germaninnen lustvoll auf; während Magda ihre Sklavin zärtlich streichelte und dabei deren Kopf vorsichtig in die Höhe drückte, zog Martina den Kopf ih­rer Sklavin mit einem groben Ruck von ihrem Lusthügel. Die Sklavinnen erhoben sich wortlos und deuteten auf die Schlösser der Keuschheitsgürtel. Martina wies mit dem Zei­gefinger auf ihre vor dem Bett liegende Hose; hurtig bückte sich die Nächststehende, zog Martinas Schlüsselbund heraus. Sie fand sofort die beiden kleinen Schlüssel und befreite sich und ihre Kollegin von den Lusteisen.

Auf ihrem Weg zum Strand erwarb Martina an einem Verkaufsstand einen Klappspaten und übergab diesen Magda. Diese blickte ihre Herrin fragend an, doch durch die Maske hindurch konnte Martina die Mimik natürlich nicht erkennen. Aber auch ohne Magdas Gasmaske vor dem Gesicht hätte Martina nicht auf irgend einen fragenden oder gar flehentlichen Gesichtsausdruck reagiert. Schweigend trottete Magda hinter ihrer Herrin her, neben der Strandtasche nun auch mit dem Klappspaten bewaffnet.

Der breite Sandstrand am westlichen Ende der Uferpromenade war fast menschenleer. Nur wenige Urlauber fanden sich an diesem kühlen Nachmittag ein, dennoch hatte die Sonne im Lauf des Vormittags den Sand gut aufgewärmt.
- "Du schaufelst dir jetzt dein eigenes Grab", befahl Martina, "zur Strafe, daß du die beiden Italienerinnen hereingelassen hast und überhaupt, weil du dich befreit hattest!"

Magda war schon im Begriff, ihr zu entgegnen, wie sich die Sache abgespielt hatte, doch sie verkniff es sich im letzten Augenblick. Sie wußte aus Erfahrung, daß ihre Herrin Rechtfertigungen haßte und Strafmaßnahmen daraufhin verschärfte. Somit beließ Magda Martina in dem Glauben, sie habe sich selbst befreit und den Italienerinnen das Zimmer geöffnet.

- "Da, fang' an!", befahl Martina schroff. Magda klappte den Stiel von der Schaufelfläche ab und fing an, eine längliche Grube auszuheben. Sie kam in dem lockeren Sand schnell voran, schon nach wenigen Minuten rief Martina:
- "Das genügt, leg' dich hinein!"
Unsicher ging Magda in die Hocke und stieg langsam in die Grube.
- "Mach' schon", drängte Martina, "setz' dich auf, damit ich dir die Hände hinter dem Rücken binden kann!"

Hurtig kramte Martina Seile aus der Strandtasche, verknotete Magdas Unterarme hinter den Rücken und fesselte anschließend die Beine aneinander, an den Knöcheln, unter den Knien und am Oberschenkel. Dann drückte sie Magda nieder, so daß diese längsgestreckt in der Grube lag. Mit schnellen Spatenstichen schaufelte Martina nun den Aushub in die Grube, so daß Magdas Körper vollständig mit Sand bedeckt war. Anschließend schob sie mit den Händen Sand über Magdas Kopf, so daß nur noch die Gasmaske mit ihrem Filter senkrecht aus der Ebene empor ragte.

Magda versuchte sich zu bewegen. Ihre Beine und ihre Arme waren hoffnungslos gefesselt, indes gelang es ihr, ihren Oberkörper anzuheben. Entsetzt schrie Martina:
- "Bleib' liegen, blöde Gans, ist denn schon der Jüngste Tag, daß du schon aus dem Grab heraus willst, also ich hörte noch nicht die Posaune blasen."
Magda blieb sofort wieder regungslos liegen. Doch Martina geriet in Wut:
- "Na warte, du willst es nicht anders!"
Sie trat den Sand auf Martinas Körper fest, schaufelte dabei immer wieder neuen Sand darauf, so daß eine kompakte feste Sandschicht über Magdas Körper entstand. Diese hatte nun absolut keine Chance mehr, sich zu bewegen; auch ihr Kopf lang jetzt fest im Sand eingebettet, lediglich das Ausblasventil und das Einsaugfilter der Gasmaske ragte aus dem Sand.

Zufrieden blickte Martina auf ihr Werk; sie ruschelte sich die verbliebenen Sandkörner von ihren Fingern, entkleidete sich und lief in's Wasser. Von Ferne sah es aus, als ob dort auf dem Sand ein Spaßvogel eine Gasmaske eingegraben hätte. Niemand hätte gedacht, daß darunter ein Mensch vergraben lag. Martina war dermaßen erregt, daß sie darauf vergaß, ihr Maske im Wasser abzunehmen. Schnell durchschritt sie die Seichtwasserzone und stürzte sich in die Meeresflut. Sofort lief ihre Maske mit dem Wasser voll, mit einem Ruck riß Martina sich diese vom Gesicht, zog ihren rechten Arm durch die Maskenbänder und schob auf diese Weise die Maske auf den Oberarm. Mit kraftvollen Stößen schwamm Martina in das offene Meer hinaus.

Sosehr sie es versuchte, wollte es Magda nicht gelingen, Lustgefühle zu entwickeln. Freilich erfreute sie sich an dem Gefühl der vollkommenen Fixierung, doch war ihre Atmung schwer behindert. Es waren ihr nur kurze Atemstöße möglich, ihr Brustkorb konnte sich kaum ausdehnen. Ihre sämtlichen Sinne waren lahmgelegt, nichts hören und sehen, nichts fühlen und riechen, nur einmal vermeinte sie, einen Stoß an dem Maskenfilter zu verspüren, der sich auf ihre Wangen übertrug.

Als Martina zurückschwamm, bemerkte sie in der Ferne einen Hund, der in Richtung von Magdas Grab sprang. Dort angekommen schnüffelte das Tier an Magdas Maskenfilter herum. Kurz darauf hob der Hund ein Bein und entledigte sich. Anschließend scharrte er Sand, der glücklicherweise nicht auf der kleinen Öffnung in dem Filtergehäuse zu liegen kam, sondern unterhalb des Filters auf dem Ausblasventil liegen blieb. Magda hatte nun große Mühe, zu dem bereits anstrengenden Atemvorgang auch noch die Sandkörner von dem Auslaß wegzublasen; Magda war nahe daran, in Panik auszubrechen, was in ihrer Si­tuation der völligen Hilflosigkeit tödlich geendet hätte. Ihr war das bewußt, da sie bereits mehrfach in Extremsituationen gefangen gehalten war. Sie preßte bewußt den Atem in kurzen kräftigen Stößen aus der Lunge; nach einiger Zeit kam es ihr vor, daß das Ausatmen wieder leichter gelänge.

Eigentlich wollte Martina den skurrilen Anblick von der Ferne genießen und langsam zum Strand zurückschwimmen. Als sie indes den Hund mit seinem Scharren bemerkte, ereilte sie die Sorge, das Tier könnte Sand auf die Einlaßöffnung des Filters werfen. Magda bekäme unweigerlich Panik und würde daraufhin ersticken. Wie von der Tarantel ge­stochen rannte sie durch die Flachwasserzone, ihre Maske rutschte ihr dabei vom Arm, sie ließ diese achtlos in's Wasser fallen.

Erleichtert stellte Martina fest, daß ihre schlimmste Befürchtung nicht eingetreten war und Magdas Einatmen durch das Filter nicht beeinträchtigt worden ist. Sie entfernte den Sand von Magdas Kopf, Magda öffnete die Augen und starrte mit glasigem Blick durch die Gläser.
- "Alles in Ordnung?", fragte Martina, doch Magda verstand nicht, was sie sagte, denn im Gehörgang befand sich reichlich Sand.
- "Nun sag' doch schon was!", schrie Martina sie an. Magda erkannte zwar, daß ihre Herrin irgend etwas sprach, doch sie konnte diese nicht verstehen. Martina verlor die Geduld und riß Magda die Maske vom Gesicht. Magda schüttelte daraufhin den Kopf und sagte:
- "Ich höre nichts".

Erst jetzt gewahrte Martina den Sand in Magdas Ohren, mit ihrem kleinen Finger stocherte sie in deren Gehörgang herum, bis Magda nickte:
- "Ja, jetzt glaub' ich, hör' ich wieder was."
- "Gut, bleib' liegen", rief Martina, "ich brauch' jetzt deine Maske, um meine zu suchen, hab' sie wo im Wasser verloren!"

Es spielte keine Rolle, ob Magda mit Martinas Vorhaben einverstanden war oder nicht, sie lag weiterhin gefesselt und damit unbeweglich in der Sandgrube.
Martina schlenderte an der Stelle in der Seichtwasserzone umher, wo sie meinte, ihre Maske verloren zu haben. Es war ablaufendes Wasser, das Meer zog sich immer weiter zurück. Der Gezeitenhub war längst nicht so stark wie an der ihr bekannten Ostsee, doch genügte die Strömung, daß die verlorene Maske unerwartet weit ins Meer hinausgetragen wurde und vor allem auch stark seitlich abdriftete.

'Das alles bloß wegen der blöden Kuh', ärgerte sich Martina, 'warum muß die sich auch von einem Hund vollmachen lassen.'
Mit beiden Masken in den Händen kehrte Martina auf den Strand zurück, setzte sich Magdas Maske auf, um sich nicht wieder Ärger mit der Strandaufsicht einzuhandeln. Ihre Maske war mit Salzwasser vollgelaufen, sie fürchtete, daß das Salz auf ihrer Gesichtshaut unangenehm jucken würde. Sie freute sich dagegen bei dem Gedanken, diese Juckstrafe Magda zuteil werden zu lassen.



Soeben bemerkte ich, daß auch der ursprüngliche Text einer hier veröffentlichten Entführungsgeschichte in den "Erwachsenenbereich" verschoben worden ist; dieser Vorgang mahnt mich ein weiteres Mal, behutsam spezielle Handlungen in den Verlauf des Romans einfließen zu lassen. Sicherlich mag der eine oder andere Leser zurecht den biederen und langatmigen Fortgang beklagen, indes läuft jede Erzählung in diesem Forumbereich Gefahr, Ereignisse zu beschreiben, in welchen sich Personen unfreiwillig in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt finden. Zudem hoffe ich, daß die Inhalte im Laufe der Episoden steigerungsfähig bleiben; in diesem Sinne grüße ich alle Leser und wünsche weiterhin gute Unterhaltung!
M a g n u s .
106. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 17.06.22 21:03

58

Naturforscherin Inge Langohr vom Umweltamt Lüggen analysierte schonungslos ihr Problem: Sie wollte einen Schatz bergen, hatte auch das Werkzeug dazu, indes kein geeignetes Fahrzeug, um ihn auf dem Landweg abzutransportieren. Als überzeugte Umweltschützerin lehnte sie Autos ab; nur ungern ließ sie sich mitnehmen, wenn es aus berufli­chen Gründen unabdingbar war. Als einzigen Ausweg sah sie die Möglichkeit, die Geld­bündel in einen großen Rucksack zu verstauen und diesen zu schultern, während sie den beschwerlichen schlaglochübersäten Feldweg mit dem Rad zurücklegen würde.

Glücklicherweise würden viele ihrer Kollegen aus dem Umweltamt erst Ende der Woche von dem sogenannten Lehrgang zurückkehren, so daß Inge sich in aller Ruhe auf die Schatzhebung vorbereiten konnte. Gewitzt von dem Beinahe-Schiffsunglück mit Barbara stieg Inge in ihre Wathose, welche sie schon lange nicht mehr benutzt hatte. Als ihre Füßchen in den angearbeiteten Stiefelchen festsaßen, stülpte sie die Hose an ihrem Körper entlang in die Höhe und zog die Hosenträger fest. Sie konnte es nicht unterlassen, genüßlich an den Schritt zu fassen und ihre vom gummierten Stoff umschlossene Scham zu massieren. Dann holte sie ihr Fahrrad aus dem Schuppen, schnallte einen rechteckigen Eimer auf den Gepäckträger, hob ihren Trekking-Rucksack auf die Schultern und schwang sich auf den Sattel.

'Das mit der Wathose war doch nicht so eine gute Idee', überlegte sich Inge, als sie bereits ein bedeutendes Stück geradelt war. Die September-Sonne war durchaus kraftvoll, vom Herbst keine Spur, im Gegenteil, es schien, als ob der Sommer mit seiner ganzen Hitze zurückgekehrt sei. Sie beschloß, bei nächster Gelegenheit in ein Waldstück einzu­biegen, um sich der Hose, die sie unter der Wathose trug, zu entledigen.

Bereits nach kurzer Zeit bot sich Inge die Gelegenheit, sie fuhr in ein Waldstück hinein und zog sich nicht nur die Hose, sondern auch die Socken aus, denn ihre Füße brannten von der Hitze. Die wasserdichte Umhüllung ließ den Körperdampf nicht entweichen.

Nach gut zwei Stunden erreichte Inge Gangolfs Hof; sie dachte dankbar zurück, als der Stadel einen guten Unterschlupf gewährt hatte während des mittäglichen Gewitters. Sie stellte ihr Fahrrad an der Hofeinfahrt ab, kettete es an einen Baum, nahm den Eimer vom Gepäckträger und schlenderte damit zu dem Steg. Der vollgelaufene Kahn lag friedlich vertäut an dem Holz, Inge bückte sich hinunter und schöpfte mit dem rechteckigen Eimer das Wasser aus dem Boot. Nach kurzer Zeit stand das Wasser nur noch einen Finger breit in dem Kahn, sie warf Rucksack und Eimer hinein, löste die Vertäuung, stieg hinein und drückte das Boot vom Steg ab.

Die Navigation erwies sich als mühsam; Barbara war nicht nur die kräftigere und ausdauerndere Ruderin, sondern konnte den Kahn auch wesentlich besser steuern als Inge. Schon die Ausfahrt auf den See hinaus durch das kurze Kanalstück war ein Debakel; im­mer wieder stieß sie an das Ufer, der Kahn drehte sich und Inge hatte große Mühe, ihn wieder zu wenden. Auf dem offenen See ging es dann besser, doch sie fand die Stelle nicht mehr im Schilfgürtel, durch welchen sie zu dem Steg auf der Insel gelangte. Sie schwitzte wie der Teufel und verfluchte sich, die Wathose angezogen zu haben. Ihre Hän­de schmerzten, die ersten Blasen brachen auf. Sie mußte eine Pause einlagen; sie holte die Riemen ein und stützte sich mit den Ellenbogen auf den Knien ab. Eine wirksame Ent­spannung konnte sie indes nicht finden, sie spürte das Wasser in den Stiefeln, den Schweiß auf ihrem Sitzfleisch.

Vorsichtig streifte sich Inge die Hosenträger von ihren Schultern, schälte sich aus der Wathose, mit Mühen gelang es ihr, die Stiefel von den Füßen zu ziehen. Diese waren von der Flüssigkeit des Schweißes geschwollen, mit einem schmatzenden Geräusch gaben die Stiefel die Füßchen frei. Das Boot begann kräftig zu schaukeln, doch es gelang Inge, sich der Umschlingung zu entledigen, ohne das Schiff zum Kentern zu bringen. Behutsam legte sie die Wathose zur Seite und hob die Beine über den Bootsrand, um die Füße im Was­ser des Sees zu kühlen.

Alle diese Maßnahmen halfen Inge jedoch nicht, ihr aktuelles Hauptproblem zu lösen: Ihre Hände schmerzten und verkrampften, als sie wieder zu den Riemen griff. Sie biß sich auf die Lippen und kämpfte weiter.
'Wo war nur die verdammte Einfahrt?', schimpfte sie mit sich selber und bewunderte dabei Barbara, wie diese den schmalen Einschnitt in dem Schilfgürtel auf Anhieb gefunden hatte. Immer wieder blickte sie über die Schulter, voller Sorge, die Einfahrt überse­hen zu haben. Als im Osten nicht nur die Einfahrt in den Damisch-Kanal sichtbar wurde, sondern auch jene des Groß-Wesserbarger Kanals, legte Inge ein Wendemanoever hin. Doch statt in den See hinaus zu wenden, drehte sie den Kahn in Richtung des Schilfes; prompt blieb sie stecken und hatte große Mühe, wieder herauszukommen. Sie bemerkte, wie sie fix und fertig war; es war zuviel der Anstrengung: Zuerst die lange Fahrradtour und jetzt noch die Bootsfahrt. Sie holte ihre Trinkflasche aus dem Rucksack und trank den letzten Rest leer.

- "So, das war's dann", redete sie mit sich selber, "jetzt kann ich nur noch hoffen, daß die Rückfahrt nicht mehr so anstrengend wird".
Es blieb ihr indes unklar, woraus sie diese absurde Hoffnung schöpfte, aus eigener Erfahrung wußte sie, daß die Rückfahrten üblicherweise anstrengender waren als die Anreisen. Zudem galt es jetzt erst einmal, die Einfahrt zu dem Steg zu finden. Sie biß die Zäh­ne zusammen und stieß den Kahn nach dem mißglückten Wendemanoever aus dem Schilf heraus. Als sie endlich wieder auf der offenen Wasserfläche war, ruderte Inge verbissen weiter. Erst nach einiger Zeit bemerkte sie, daß die Insel immer noch zu ihrer lin­ken Seite lag. Resigniert erkannte Inge, daß sie, anstatt zu wenden, in die gleiche Rich­tung weitergerudert war.

- "Verdammt, verdammt, verdammt", schalt sich Inge selber, leitete erneut ein Wendemanoerver ein, diesmal in Richtung der offenen Seefläche, und das Vorhaben gelang. Westwärts ging es deutlich langsamer voran, der Gegenwind erschwerte zusätzlich zu In­ges allgemeiner Erschöpfung das Vorwärtskommen. Inge ließ den Schilfgürtel nun nicht mehr aus dem Blick, zu ihren Schulterschmerzen gesellte sich ein steifer Nacken durch die ständige Drehung des Kopfes nach rechts. Die Fahrt ging dermaßen langsam voran, daß Inge vermeinte, jedes einzelne Schilfrohr zählen zu können. Die Pausen häuften sich, Inge bewegte ihren steifen Nacken hin und her und blickte zu der anderen Seite auf das Ufer, von wo aus sie auf den See hinausgerudert war. Wehmütig blickte sie auf die Ka­nalschneise und war kurz davor, aufzugeben und dorthin zurückzurudern.

Erschöpft ließ sie ihren Blick in die Runde schweifen; ihr Herz schlug höher, als sie in geraumer Entfernung eine Schneise in dem Schilfgürtel der Insel ausmachte. Angespornt durch diese Entdeckung wurden ihre Lebensgeister wieder erweckt; sie legte sich mit aller verbliebenen Kraft in die Riemen und kam rasch an die erspähte Stelle.

Es war nicht auszumachen, ob Inges Tränen von der Erschöpfung herrührten oder von den Schmerzen oder von der bodenlosen Enttäuschung. Inge zog die Riemen ein, sie hatte sich in einer Art Endspurt vollkommen verausgabt und lag quasi zusammengebrochen auf den gekreuzten Hölzern. Sie schluchzte hörbar, achtete nicht mehr darauf, was um ihr herum geschah. Sie verspürte zwar ein leichtes Schaukeln, doch beachtete sie das nicht weiter, sondern blieb zusammengekauert mit dem Blick nach unten sitzen.

Inge schrak auf, als sie hinter sich eine Stimme vernahm:
- "Brauchen Sie Hilfe?"
Sie blickte sich um und gewahrte einen älteren Mann in einem Kajak.
- "Äh, nein", stotterte Inge, "ich such' nur die Einfahrt zu dem Steg auf der Insel."

Der Fremde betrachtete sie durchdringend und gab zur Antwort:
- "Die kann ich Ihnen schon zeigen, aber Sie wissen hoffentlich, daß es verboten ist, dort auszusteigen und die Insel betreten, das ist alles Naturschutzgebiet, >Biosphäre<, oder wie die Grünen-Spinner das heute nennen."

Das Gehörte gab Inge einen Stich, auf der einen Seite freute sie sich, daß das Betretungsverbot offenbar weitgehend von der Bevölkerung und wohl auch von den Boots-Touristen eingehalten wurde, andererseits schmerzte sie der Betriff von den >Grünen-Spinner<.
- "Ich bin vom Umweltamt und darf dort hin", entgegnete Inge. Der Fremde betrachtete sie weiter argwöhnisch. Erst jetzt wurde Inge bewußt, in welchem Aufzug sie vor dem Fremden in dem Kahn saß: Praktisch vollkommen nackt, von dem Slip und dem BH abgesehen, machte sie sicherlich nicht den Eindruck, eine Beamtin in Ausübung ihres Dienstes zu sein.

- "Also ich mache Ihnen einen Vorschlag", fuhr der Kajakfahrer fort, "ich rudere Sie zurück in ihrem Kahn nach Röthen, da haben Sie den doch geliehen, nehm' ich an, und bind' mein Kajak hinten an, Sie sind ja völlig erschöpft!"
- "Nein, nein, es geht schon", hauchte Inge mehr, als daß sie es sprach.
- "Na, wenn Sie meinen, nehmen Sie wenigstens einen Schluck aus meiner Flasche."

Der Kajakfahrer holte aus dem Fußraum seines Bootes einen wasserdicht verschließbaren Sack hervor, entnahm diesem eine Wasserflasche und reichte diese Inge. Mit gierigen Schlucken füllte Inge das kostbare Naß in ihren Rachen, verschluckte sich prompt dabei, und während sie noch nach Luft rang, reichte sie die Flasche dem edlen Spender zurück. Für Inge überraschend gab dieser schließlich die erlösende Information:
- "Der Steg liegt ungefähr zweihundert Meter weiter, können Sie gar nicht verfehlen".
- "Vielen Dank, das war wirklich sehr freundlich von Ihnen, ich heiße übrigens Inge Langohr, können Sie sich erkundigen beim Umweltamt."
- "Na dann gute Arbeit", konterte der Fremde belustigt, verstaute seine Trinkflasche in dem Beutel und stach in See.

'Überzeugt klang das nicht', dachte sich Inge, war aber sehr froh über sein Getränk und auch über seine Nachricht, wo der Steg zu suchen sei.
Inge faßte neuen Mut, zwang sich zu gleichmäßigen Ruderschlägen und blickte nun nicht mehr ständig zur Seite. Nach endlos erscheinender Zeit fand sie schließlich die Einfahrt zu dem Inselsteg. Die Passage stellte sich als schwierig heraus, ständig blieb sie im Schilf hängen, nach einer gefühlten Ewigkeit erreichte sie den Steg. Sie vertäute den Kahn, ergriff ihren Rucksack und zog sich auf den Steg hinauf. Als sie das Holzbrett verließ und die Insel betrat, stach irgend etwas tief in ihre rechte Fußsohle. Erst jetzt wurde ihr bewußt, daß sie barfuß, nur mit Slip und Büstenhalter bekleidet, aus dem Boot gestie­gen war. Es blieb ihr nichts weiter übrig, als auf den Steg zurückzukehren und ihre Wathose aus dem Boot herauszuziehen. Ungern schlüpfte sie in die schweißfeuchten Stiefel und streifte sich den Gummistoff bis über die Brüste hinauf.

Bei jedem Auftritt ihres rechten Fußes zog ein beißender Schmerz in Inges ohnehin schon reichlich gepeinigten Körper. Das Schweißwasser in dem Stiefel war Gift für die verletzte Stelle an Inges Fußsohle, unsichtbar vermischte sich das Blut mit dem Schweiß in der wasserdichten Fußbehausung. Mit schmerzverzerrtem Gesicht strauchelte Inge durch den Bruchwald, sie hätte schwören können, daß der Pfad zu der Lichtung kurz gewesen sei, doch nun irrte sie schon eine halbe Ewigkeit durch das Unterholz. Endlich kam sie zu der Einsicht, daß sie sich verlaufen habe.

Sie ignorierte die mahnenden Zeichen der Vorsehung, die Raubgelüste aufzugeben; nach der qualvollen Bootsfahrt kam nun die Verirrung in dem Inselwald hinzu.

























107. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 24.06.22 22:02

59

Einmal die Witterung aufgenommen ließ Polizeihauptwachtmeister Brause nicht mehr locker; sein Chef, Dienststellenleiter Nisselpriem, riet ihm, die Sache mit dem seltsamen Geldfund im Schleewald auf sich beruhen zu lassen, dennoch erkundigte sich Brause bei der Notrufzentrale in Kaiserswuselhausen nach dem genauen Wortlaut des diesbezüglich eingegangenen Anrufs. Der diensthabende Beamte spielte ihm die Aufzeichnung vor:

- “Guten Tag, hier spricht Barbara Bär, wir haben eine Kiste voller Geld gefunden ... Ja, mitten im Wald ... also keine Ahnung, viel, glaub’ ich ... Ach so, ja, gut, vielen Dank.”

Als erstes fiel Brause der Plural auf: >wir haben<, dann aber auch, daß es anscheinend nicht einfach eine Geldbörse war, welche verloren ging, auch keine Geldkassette, sondern >eine Kiste<.

‚Verliert man einfach so eine Kiste im Wald?’, machte sich Brause Gedanken, ‚noch dazu eine Kiste voller Geld? Nein, da stimmt `was nicht! Schon dämlich, der Kollege, schickt das Mädel einfach zum Fundamt, statt seine Kriminaler-Kollegen zu informieren. Der hat nicht `mal die Adresse sich geben lassen von der Guten, wie hieß sie nochmal, Bär oder Bahr oder so ähnlich, oder war das ihr Vorname, Barbara, verflixt, ich krieg’ schon alles durcheinander, ich werd’ alt.’

Nachdem Brause es lange hatte läuten lassen, meldete sich endlich eine verdrießlich klingende Stimme:
- „Fundbüro Lüggen.“
- „Hier Wachtmeister Brause; wir erhielten die Meldung, daß eine Geldkiste gefunden wurde, und nun wollte ich mir das `mal genauer ansehen, ob da nicht ein Diebstahl dahinter steckt!“
- „Äh, eine Geldkiste sagten Sie?“
- „Ja.“
- „Wir haben hier nur ein Paar Geldbörsen.“
- „Nee, muß wohl `ne richtige große Kiste sein.“
- „`ne Kiste mit Geld?“
- „Ja, also haben Sie jetzt so eine?“
- „Moment, ich schau’ `mal nach im Computer, gesehen hab’ ich jedenfalls keine hier.“

Der Mann im Fundamt mauste auf seinem Schreibtisch herum und starrte gebannt auf den Bildschirm.
- „Hallo, sind Sie noch `dran?“, fragte er nach einer Weile.
- „Ja freilich, also was ist?“, drängte Brause, allmählich die Geduld verlierend.
- „Nee, muß ich Sie enttäuschen, steht auch nichts im Computer von `ner Kiste. Aber warten Sie `mal, ja doch, jetzt erinner’ ich mich, ja, da war `n Anruf, stimmt, da hat eine Frau was gefaselt, sie hätte `ne schwere Kiste gefunden und die konnte sie aber nicht ausgraben oder so was.“
- „Aha, also doch“, freute sich Brause, „und was dann?“
- „Äh, was dann, nichts weiter, ich sagte, sie muß mir die Kiste schon bringen.“
- „Ja und weiter“, drängte Brause.
- „Ja nichts weiter, sie wollte noch wissen, ob ihr das Geld dann gehört, wenn sich der Eigentümer nicht meldet und ich sagte ihr ja, nach einem Jahr, abzüglich der Bewahrgebühr natürlich.“
- „Ja natürlich, und die Frau kam also nicht damit?“

- „Nee, wie ich schon sagte, war wohl zuviel Geld `drin.“
- „Und nannte sie wenigstens ihren Namen?“
- „Nee, weiß ich nimmer, glaub’ nich’.“
- „Und wo sie die gefunden hat?“
- „Auch nich’.“
- „Na denn Danke.“

Brause war enttäuscht, er hoffte, von dem Mann im Fundbüro mehr zu erfahren. Ihm blieb nichts anderes übrig, als nochmals in der Zentrale anzurufen. Leicht genervt gab ihm der Kollege den Namen der Anruferin und auch die Telephonnummer; Brause schrieb mit und wiederholte sicherheitshalber, was er sich notiert hatte.

Als ihr i-Pad den Klingelton eines unbekannten Anrufers aussendete, ließ Barbara das Gerät läuten und drückte die Stumm-Taste. Sie wollte an diesem Nachmittag ihre Ruhe haben und vor allem nicht mit einem Fremden ein Gespräch führen. Brause versuchte es eine halbe Stunde später nochmals und nun hatte er Glück, denn Barbara war nach dem Genuß einer Tasse Tee in besserer Stimmung:

- „Ja bitte.“
- „Hier Wachtmeister Brause, spreche ich mit Barbara Bär?“
- „Ja.“
- „Schön, freut mich, Frau Bär, Sie hatten eine Meldung gemacht, daß Sie eine Kiste mit Geld gefunden hatten.“
- „Äh, ja, das stimmt.“
- „Gut, bitte erzählen Sie mir, was weiter geschehen ist.“

Barbara wurde verlegen. Sie besann sich eine Weile, ehe sie fortfuhr:
- „Ja, nichts weiter, ihre Kollegen sagten, ich soll sie im Fundamt abgeben.“
- „Und haben Sie das getan?“
- „Nein, die war viel zu schwer und außerdem eingegraben.“
- „Eingegraben? Wie haben Sie die Kiste dann gefunden?“

Barbara brütete, ob sie den mysteriösen Mann in’s Spiel bringen soll, den sie in der Abenddämmerung ihres ersten Tages auf der Insel auf der Lichtung gesehen hatten.
- „Äh, ja, also da war ein Mann, der hat da so an einer Stelle herumgemacht, das kam mir komisch vor und dann hatte ich nachgesehen und unter dem Laub die Kiste gesehen.“
- „Waren Sie allein?“
- „Nein, meine Kollegin war auch mit dabei.“
- „Aha, Sie haben also zu zweit einen Mann gesehen, oder waren es mehrere Personen?“
- „Nein, nur einer.“
- „Und wie sah er aus, beschreiben Sie ihn mir.“
- „Das kann ich nicht, es war schon ziemlich finster.“
- „Können Sie gar nichts dazu sagen, war er groß oder klein, dick oder dünn, jung oder alt?“
- „Hm, nein, wirklich, er ging dann schnell fort, wir waren auch nicht so ganz nahe `dran.“
- „Und was hatte er an?“
- „Auch das kann ich nicht sagen, mir ist nichts Ungewöhnliches aufgefallen.“
- „Gut, lassen wir das. Nun sagen Sie mir bitte, wo das war.“
- „Ja, das war auf der Insel im Röthener See.“
- „Auf der Insel im Röthener See“, echote Brause, und bevor er weiter fragte, legte er ein Denkpause ein.

- „Ja, da gibt es eine große Insel“, fuhr Barbara fort.
- „Ja, ja, das weiß ich schon, danke, lassen Sie mich einen kurzen Augenblick überlegen.“

Nach einer Weile setzte Brause das Gespräch fort:
- „Was machten Sie eigentlich auf dieser Insel, ist das nicht Naturschutzgebiet?“
- „Ja richtig, wir sind vom Umweltamt, also ich bin bloß Praktikantin, aber wir sollten dort das Verhalten der Zugvögel beobachten, die gegenüber früheren Jahren immer später nach Süden ziehen.“
- „Ach so, das ist ja interessant, also früher flogen immer alle Störche nach Afrika im Winter, sämtliche, aber heute bleiben die meisten da und überwintern hier. Also das ist meine laienhafte Beobachtung."
- „Es wird immer wärmer, Sie haben recht, aber die meisten Störche fliegen schon noch fort, aber es stimmt, es werden jedes Jahr mehr, die hier überwintern.“
- „Gut, Frau Brause, ah, Frau Bär, entschuldigen Sie, also kommen wir auf die Kiste zurück, was haben Sie dann weiter gemacht, als Sie die Kiste fanden?“
- „Ich rief an bei der Polizei, also ich wählte die 110, und der Mann sagte, ich soll das Geld beim Fundamt abgeben.“
- „Aber das haben Sie dann nicht gemacht, weil sie eingegraben war und schwer aussah. Wie wußten Sie denn, daß Geld darin war?“
- „Der Deckel war offen, also unverschlossen, wir konnten den Deckel anheben und sahen die Geldscheine darin liegen in der Kiste.“
- „Gut, dann ist die Kiste also noch dort.“
- „Ja, also wenn es nicht der Mann weggenommen hat.“
- „Schön, jetzt sagen Sie mir, wann Sie `mal in den nächsten Tagen sich Zeit nehmen können, daß wir zusammen da hinausfahren, um uns das alles `mal anzusehen.“

Barbara ging im Geiste ihren Terminkalender durch. Am Donnerstag hatte sie nachmittags frei.
- „Sind Sie noch `dran?“, drängte Brause.
- „Ja natürlich, ich überlegte nur kurz, also am Donnerstag, ja, übermorgen also.“
- „Gut, ich hol’ Sie ab und dann machen wir `ne Bootstour, wo wohnen Sie denn?“

Barbara war es nicht ganz wohl bei dem Gedanken, mit einem Polizisten einen Termin vereinbart zu haben, ohne vorher sich mit Inge abgestimmt zu haben.
- „Was soll’s“, sagte sie zu sich selber, als sie das Gespräch mit Brause beendet hatte, was sollte Inge schon dagegen haben. Am Abend rief Barbara Inge an und berichtete ihr von ihrem Gespräch mit dem Wachtmeister.
- „Was, der will mit dir auf die Insel wegen der verdammten Kiste?“, entgegnete Inge mit erregter Stimme, ihre Irritation war deutlich zu vernehmen.
- „Äh, was hast du denn? Du kannst ja mitkommen, dieser Brause hat da sicherlich nichts dagegen!“
- „Nein, ist schon gut, fahrt ihr da `mal hin, ich hab’ da schon was anderes vor.“

‚Seltsam’, dachte sich Barbara, ‚sonst nimmt sie doch immer jede Gelegenheit wahr, aus ihrem Büro herauszukommen für einen dienstlichen Einsatz.’

Barbara hätte sich nicht in kühnsten Träumen ausmalen können, daß ihre Kollegin nochmals auf die Insel zurückgekehrt war – und erst recht nicht Gangolf, der zur gleichen Zeit die Hotelrechnung für sich und die drei Damen bezahlte mit der Hoffnung, daß ihm das mitgebrachte Geld noch bis zum Ende des Urlaubs reichen würde. Er nahm sich vor, gleich am nächsten Morgen nach Rückkehr von der Reise zu seiner Insel zu rudern.



































108. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 01.07.22 22:55

60

Die vier Urlauber beschlossen, den Urlaub abzubrechen und wieder nach Hause zu fahren: Zum einen empfanden sie das ständige Herumlaufen mit den schweren Gasmasken eine starke Beeinträchtigung des Wohlbefindens, zum anderen nervte ihnen die Schwie­rigkeit, in den Restaurants einen Platz zu finden, vor allem war ein gemeinsames Essen an einem Tisch nicht gestattet. Zudem störte ihnen, immer wieder zu sehen, wie einige das Masturbieren in der Öffentlichkeit nicht lassen konnten, wie sich diese geradezu zwanghaft im Schritt massierten. Schließlich wurde für die nächsten Tage eine deutliche Verschlechterung der Wetterlage vorhergesagt, mithin stieg die Regenwahrscheinlichkeit. Lieber wollten sie noch ein paar Tage an der Ostsee Urlaub machen, in den letzten Jahren herrschte dort Anfang Oktober oft erstaunlich gutes Wetter; die allgemeine Klimaerwär­mung war nicht mehr zu leugnen.

Als Bettina mit Gangolf aus Venedig zurückkehrte, teilte sie ihm mit, daß sie mit Martina ein ernstes Gespräch führen würde und daß sie deshalb mit ihr im Auto fahren wollte. Martina hatte keine Einwände und Magda äußerte sich, wie üblich, überhaupt nicht dazu, ob sie nun im Auto oder auf dem Motorrad bei Gangolf mitfahren wollte. Martina entschied, daß jene wieder bei Gangolf aufsitzen sollte.

Martina und Bettina wollten auf dem schnellsten Weg zurück nach Hause fahren, sie wählten die Brenner-Autobahn, um über Bayern nach Brandenburg zu gelangen. Auch Gangolf beabsichtigte, über den Brenner-Paß zu fahren, allerdings nicht auf der Autobahn, sondern auf der alten Staatsstraße im Etsch- und Eisacktal entlang. Im Gegenzug zur Anreise nahm Gangolf im Tankrucksack einige persönliche Gegenstände mit und auch Magda schulterte einen kleinen Rucksack mit Habseligkeiten, denn die beiden Motor­radreisenden wollten die große Strecke nach Hause nicht an einem Tag zurücklegen, son­dern je nach den Umständen mehrmals logieren.

Gangolf schlug vor, noch einen Abend am Gardasee zu verbringen, Magda war natürlich wieder ohne eigene Meinung sofort damit einverstanden. Von früheren Reisen kannte er in Bardolino eine kleine Herberge in einem malerischen stillen Winkel, die dort eine Witwe betrieb. Bereits am frühen Nachmittag bog Gangolf in den vertrauten Hof >Corte di San Zeno< ein, nachdem er sich telephonisch bei der Signora angekündigt hatte. Die Signora kochte den beiden Ankömmlingen ein kleines Essen, denn das Speisen in den Restaurants war in Bardolino genauso schwierig wie in Caorle. Immerhin hatten die beiden den Vorteil, als Paar angesehen zu werden und somit bekamen sie einen gemeinsamen Tisch und natürlich auch ein gemeinsames Zimmer. Zu ihrer Freude stellten sie fest, daß die alte Witwe nicht mit der Gasmaske herumlief und ihr Mißfallen über diese staatliche An­ordnung laut schimpfend kundtat. Dennoch gab sie den beiden Masken, damit diese in die Stadt hinunter gehen konnten, ohne von den Ordnungskräften Schwierigkeiten zu bekommen.

Während Magda und Gangolf in das uralte Städtchen hinunterschlenderten, fuhren Martina und Bettina auf einen kilometerlangen Stau zu. Von der Grenze am Brennerpaß stau­ten sich die Fahrzeuge auf beiden Spuren bis nach Sterzing hinunter. In Gossensaß, der letzten Ausfahrt vor dem Brenner, wurden fast alle Autos abgeleitet und zu einer riesigen Wiese gewiesen, auf welcher sie anhalten mußten. Die Halde der zwangsweise abgestell­ten Fahrzeuge war unüberschaubar groß. Lautsprecherdurchsagen in vielen Sprachen for­derten die Fahrzeuginsassen auf, die Autos zu verlassen und mit den wichtigsten persön­lichen Gebrauchsgegenständen zu dem im Hintergrund sich auftürmenden Containerdorf zu gehen.

Die beiden Damen blieben erst einmal sitzen, sie konnten es nicht glauben, was hier geschah. Auch die Leute in den benachbarten Autos stiegen nicht aus, sondern warteten ab, was weiter geschehen würde. Nach einiger Zeit kamen mit Gummimasken und Gummi­knüppel bewaffnete Ordnungskräfte, sie rissen nacheinander die Autotüren auf und plärr­ten unmißverständlich die verängstigten Fahrzeuginsassen an, herauszukommen. Sie rie­fen auch mehrfach „bagaggio“, Bettina machte sich einen Reim darauf, daß das wohl Ge­päck heißen mochte, sie und Martina holten daraufhin ihre Reisetaschen aus dem Koffer­raum und schlappten mißmutig in die angewiesene Richtung zu den hoch aufeinanderge­stapelten Containern.

Vor den Containern gab es ein wildes Geplärre; die abrupt aus ihren Fahrzeugen gejagten Menschen trugen nur in den seltensten Fällen Masken, während die Ordnungskräfte mit schweren Schutzanzügen die schutzlos Dastehenden in die Eingangsschleuse zu dem Container-Dorf dirigierten. Hinter dicken Glassscheiben saßen Beamte, deren Masken an­stelle der Filter dicke Schläuche hatten, die irgendwo hinauf führten. Den Urlaubern däm­merte, daß es sich um eine Registrierung handelte, die meisten vermuteten, daß in den Containern Schnelltests durchgeführt wurden. Doch keiner konnte sich erinnern, davon irgend etwas in den Medien gehört oder gelesen zu haben. Die italienischen und österrei­chischen Staatsorgane hatten in einer einzigartig funktionierenden Geheimoperation das Containerdorf unterhalb des Brennermassivs aufgestellt.

Die meisten in der Warteschlange stehenden Ankömmlinge wurden paarweise registriert; das ging verhältnismäßig schnell: Nach Vorlage eines Ausweises wurde von den verschlauchten Beamten nichts weiter als Name, Anschrift und Telephonnummer in die Tastatur gehakt. Dann wurden die Wartenden paarweise, im Falle von Familien diese zusammen, aber auch Einzelreisende einzeln in die Tiefen des Containerdorfs hineingeführt.

Martina und Bettina überschlich ein mulmiges Gefühl, als sie an die Reihe kamen. Man wollte sie einzeln wegführen, doch konnten sie den Ordnungsleuten dank der identischen Adresse klarmachen, daß sie ein Paar waren. Im Rückblick ärgerte sich Bettina, damals zusammen mit Martina hineingegangen zu sein, es wäre für sie wohl wesentlich interessanter gewesen, mit einem fremden Menschen das Zimmer zu teilen oder gar als Eremit das Einsiedlerdasein auszuprobieren.

Den beiden Lesben traf der Gamma-Strahl: Nach einem verwirrenden Marsch über zahlreiche Stiegen erreichten sie den ihnen zugewiesenen Container, der Wärter öffnete die Tür zu einem winzigen Raum, eine wahre Zelle: Der Raum war nicht einmal ausreichend hoch, um aufrecht stehen zu können, selbst die kleine Bettina mußte ihren Kopf leicht nach vorne beugen, während Martina genötigt wurde, in die Hocke zu gehen. Auch die Fläche der Zelle war beängstigend klein: Ein Bett, das nicht viel breiter war als ein ge­wöhnliches Einzelbett, sollte ihre Schlafstätte werden. An drei Seiten war es von den Zel­lenwänden umgeben, an der freien Längsseite war nur ein schmaler Zwischenraum zu ei­nem kleinen Waschbecken und der Toilettenschüssel. Das kleine Fenster oberhalb der Toilette stand offen, außen waren Gitterstäbe angebracht.

- „Sind wir hier im Knast?“, empörte sich Martina.
- „Quarantäne“, entgegnete der Südtiroler Wärter.
- „Was heißt da Quarantäne, wir müssen weiter nach Deutschland, unser Urlaub ist um.“
- „Nix da, die Österreicher lassen keinen aus Italien hinein ohne Quarantäne.“

Martina war im Begriff, handgreiflich zu werden, Bettina konnte sie noch rechtzeitig zurückhalten. Der Wärter war darauf vorbereitet und griff sofort zu seinem Schlagstock. Als sich Martina beruhigt hatte, sagte er:
- „In sechs Wochen kommen’S wieder aussi.“
- „In sechs Wochen?“, empörte sich Martina erneut.
- „Jouh, Quarantäne, des is Italienisch, hoaßt vierz’g Tag, wenn’S bis dann nix ham, san’S ohne Virus.“

Resigniert ließen sich die beiden Neugefangenen auf das Bett plumpsen, sie hatten Schwierigkeiten, den rauhen Dialekt des Wärters durch seine Maske hindurch zu verstehen. Bevor den beiden das Ausmaß der Maßnahme bewußt geworden war, verabschiedete sich der Wärter:
- „Ois Guate nachert“, drehte sich um und zog die Tür hinter sich zu. Kaum war der Mann draußen, hörten sie, wie schwere Riegel vorgeschoben wurden.

Sprachlos vor Entsetzen starrten Martina und Bettina auf die zugeknallte Tür, die keinen Griff und keinen Drücker hatte. Es war einfach eine glatte Fläche mit einer Klappe am Boden. Am Abend sollten die beiden einen praktischen Anschauungsunterricht erhalten, was es mit der Klappe auf sich hatte.

- „Sechs Wochen“, tobte Martina; als sie vor Wut vom Bett aufsprang, schlug sie sich heftig den Kopf an der niedrigen Decke an.
- „Au, verdammt noch mal, was ist das für ein Drecksloch.“
- „Setz dich lieber wieder“, versuchte Bettina sie zu beruhigen, „immerhin ist es nicht dreckig, ich denke, wir haben die Ehre des Erstbezugs. Es riecht alles noch so neu hier.“
- „Es stinkt nach billigem Plastik“, echauffierte sich Martina, am liebsten hätte sie den kleinen Spiegel über dem Waschbecken zertrümmert, „das kann doch alles nicht wahr sein; sag, daß das hier nur ein böser Traum ist!“
- „Es ist schon die Wirklichkeit, liebe Marti“, entgegnete Bettina und es freute sie, daß es ihr ganz von selber gelang, ihre Freundin mit dem alten Kosenamen zu anzusprechen, den sie schon lange nicht mehr verwendete.

‚Vielleicht ist das eine gute Gelegenheit, wieder zusammenzufinden’, überlegte sich Bettina. Auf der Herfahrt hatte sie Martina mitgeteilt, daß sie sich von ihr trennen wollte. Martina hatte das erstaunlich ruhig aufgenommen, offenbar hegte auch sie schon seit einiger Zeit den Gedanken, sich zu lösen. Das sexuelle Erlebnis mit den beiden Technikern, welche in Magdas Wohnung den Simulationssender installiert hatten, führte den beiden Lesben nahe, daß eine Beziehung zum männlichen Geschlecht im Grunde genommen doch die natürlichere Variante wäre. Martina hatte bereits mehrfach Männerbeziehungen mit unterschiedlicher Dauer. Sie scheiterten stets an ihren sadistischen Gelüsten, kein Mann wollte sich dauerhaft ihr körperlich und mental unterwerfen.

Bettina hatte sich am Vorabend ihres Venedigbesuchs eingehend in ihrem kleinen Hotelzimmer Gedanken gemacht, sie hielt Zwiesprache mit ihrem Schöpfer und kam über die religiösen Moralvorstellungen dazu, das homosexuelle Verhältnis mit Martina zu beenden. Ihr störten zudem deren ständige Versuche, sie immer wieder als Sexsklavin zu mißbrau­chen, auch verabscheute sie die sadistischen Quälereien, die diese Magda zuteil werden ließ, dem Opferlamm, das nicht nur deren Sadismus stoisch ertrug, sondern sogar deren Schuld auf sich nahm.

- „Vierzig Tage“, sinnierte Bettina, „das stimmt schon, das sind knapp sechs Wochen, im November sind wir dann wieder frei.“
- „Das weiß ich selber, soweit kann ich `grad noch rechnen“, fauchte Martina. Bettina beschloß, nichts mehr zu sagen. Sie dachte an die vierzig Tage, die Jesus in der Wüste ver­brachte, um zu Fasten und zu Beten.

'Herr, laß mich nicht verzweifeln, laß mich stark sein in dieser Zeit der Prüfung, besonders Martina gegenüber, sei uns nahe mit deiner Kraft, mit deinem Heiligen Geist, und laß uns aus dieser Situation geläutert hinausgehen!’

Nach einer Weile öffnete sich die Klappe, zwei Bücher, mehrere Zeitschriften und eine Tageszeitung wurden in die Zelle geschoben. Dazu kam ein Zettel und ein Stift; auf dem Zettel befanden sich Sätze mit Kästchen zum Ankreuzen. Genannt wurden Dinge des täglichen Bedarfs, welche gegebenenfalls nötig waren und mit diesem Schein angefordert werden konnten. Nach dem Ankreuzen sollte man den Zettel einfach durch den Spalt unterhalb der Klappe auf den Gang nach draußen zurückschieben.

Bettina las in aller Ruhe, welche Gegenstände aufgeführt waren und überlegte sich, was sie ankreuzen würde. Sie war sich zwar sicher, beispielsweise ausreichen Zahnpasta dabei zu haben, aber sie fand es tatsächlich aufmerksam, daß vielleicht nicht alle Reisende in der Eile alles aus ihrem Auto mitgenommen hatten. Marina hingegen riß ihr ungeduldig den Zettel aus der Hand, überflog ihn mit grimmiger Mine, zerknitterte ihn wutentbrannt und schleuderte das in der Faust zu einem Knäuel geformte Papier gegen die Tür.

- „Spinnst du“, schrie Bettina sie an, „jetzt können wir nicht mehr ankreuzen, wenn wir noch was brauchen; hast du überhaupt alles gelesen, jetzt komm’ bloß nicht daher und schnorr’ dir dauernd war von mir; hoffentlich kriegen wir bald wieder einen neuen Zettel.“
- „Ach, laß mich in Ruh!“, brummte Martina und zwängte sich auf das für ihre langen Beine viel zu kurze Bett.
‚Das geht ja schon gut los’, überlegte sich Bettina, ‚warum ist die nur immer gleich so aufbrausend, ich kann doch auch nichts dafür für diese mißliche Situation hier.’

Sie zog es vor, zu Schweigen, um Martinas Gemüt in der Stille abkühlen zu lassen. Sie bückte sich nochmals auf den Boden und sammelte die durchgesteckten Bücher und Zeitschriften ein. Bevor sie einen Blick darein warf, kam ihr der Gedanke, Magda und Gangolf anzurufen, um sie vorzuwarnen, was ihnen bevorstehen würde. Wie sie es voraussah, war Gangolfs >Mailbox< zu hören, sie sprach schnell ihre Nachricht darauf, was hier alles los war.

Gangolf schlenderte derweil mit Magda Arm in Arm an der Uferpromenade von Bardolino entlang; gasmaskenbehindert genossen sie den faszinierenden Blick auf die Bergkette am gegenüberliegenden Ufer des Gardasees. Gangolf hatte nicht sein Handy dabei und so konnte er mit Magda den ruhigen Abend völlig entspannt genießen, ohne von der Beküm­mernis zu wissen, die ihnen am nächsten Tag vor der Alpenüberquerung ereilen würde.













109. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 09.07.22 06:07

61

Wie verabredet trafen sich Barbara, Brause und dessen Kollege Müller in Röthen, um mit einem Boot mit Elektro-Außenbordmotor zur Schatzinsel zu fahren. Dem Bootsverleiher war es eine besondere Ehre, der Polizei ein Boot zu leihen; vorsichtig ließ er es zu Wasser und erklärte kurz die Handhabung. Er zeigte auch auf die Reservebatterie, die sich neben der Hauptbatterie unter der hinteren Sitzbank befand.
Müller betätigte sich als Fährmann; er genoß die Fahrt über den See. Schon nach kurzer Zeit kam die kleine Reisegruppe auf die offene Seefläche; nachdem sie die in den See bei Röthen hineinragende Landspitze umrundet hatten, sahen sie die Insel in wenigen Hundert Meter Abstand. Müller steuerte geradewegs auf die Insel zu; als er das Boot auf we­nige Meter herangesteuert hatte, hielt er nach einem Landeplatz Ausschau.

- „Verdammt, hört denn der Schilfgürtel hier nirgends auf“, schimpfte er und steuerte das Boot immer weiter südlich der Insel entlang. Hier kam die Insel ganz nah an das Festlandufer heran, nur zehn bis zwanzig Meter betrug der Abstand, sie befanden sich auf einem natürlichen Kanal.
Bettina entgegnete: „Auf der Nordseite gibt es einen Steg mit einer schmalen Schneise durch das Schilf!“
- „Auf der Nordseite?“, mischte sich Brause ein, „wenn ich das richtig sehe, sind wir hier aber im Süden von der Insel.“
- „Ja, so ist es, wahrscheinlich wäre es kürzer gewesen, gleich westlich `lang zu fahren“, meinte Barbara.
- „Hier in der schmalen Fahrrinne kehr’ ich jetzt nicht mehr um, dann fahren wir halt von der anderen Seite herum“, brummte Müller.

Das Gespräch kam damit zum Erliegen, jeder der Passagiere hing seinen eigenen Gedanken nach: Barbara rief sich in Erinnerung, wie sie die Kiste mit dem Geld gefunden hatte, Brause überlegte, daß wohl nur einer in Frage kam, dort Geld zu verstecken und Müller hoffte, endlich wieder auf die offene Seefläche hinauszukommen, um den Motor auf höchste Leistung und damit das Schifflein auf höchste Geschwindigkeit zu bringen.

Nach kurzer Zeit verbreitete sich wieder der Abstand zwischen Insel und Festland, Müller steuerte etwas weiter von dem Schilfgürtel der Insel weg und drehte den Regler voll auf. Der Bug stellte sich leicht auf, um kurz darauf wieder auf die Wasserfläche zu klat­schen; Müller bereitete es sichtlich Vergnügen und Brause ließ ihn gewähren, vorsichtshalber klammerte er sich fest an die Bordwand und an den Rand des Sitzbretts. Barbara verabscheute den Motorbetrieb; als überzeugte Umweltaktivistin liebte sie es, genauso wie ihre Kollegin Inge, möglichst mit Muskelkraft sich fortzubewegen, sei er auf dem Land, sei es auf dem Wasser. Sie sagte indes nichts und hielt sich neben Brause sitzend gleichfalls gut fest.

Als sie die Insel halb umrundet hatten und auf die Nordseite einschwenkten, mahnte Barbara, das Tempo zu drosseln, damit sie die Einfahrt zu dem Steg nicht übersähe. Müller fuhr etwas langsamer, das Bugwasser spritze jetzt nicht mehr so stark, dennoch ver­säumten sie die gesuchte Stelle.
- „Ich glaub’, wir sind zu weit!“, rief Barbara, „da vorn ist die Insel schon wieder zu Ende.“
- „Verdammt,“ knirschte Müller, „wo ist denn nun dieser Steg?“
- „Jetzt dreh’ um“, forderte ihn Brause auf, „und dann fährst du schön langsam am Ufer entlang, damit Frau Barbara ihn findet, sie war ja immerhin schon dort!“

Leise vor sich hinfluchend wendete Müller das Boot und drosselte nun deutlich die Geschwindigkeit. Das tat er aus zweierlei Gründen: Zum einen schien ihm das nun tatsächlich geraten, um nicht wieder die Einfahrt zu versäumen, zum anderen mahnte die in den roten Bereich wandernde Ladeanzeige zu einem schonenden Umgang mit der Batteriela­dung.
Kaum war das Wendemanoever durchgeführt, erkannte Barbara die Lücke in dem Schilfdickicht, zeigte auf die Stelle und rief: - „Da ist es!“

Müller ließ sich ungern von Frauen etwas sagen, noch dazu von jüngeren. Doch er sah mißmutig ein, daß er die Navigation der jungen Naturforscherin überlassen mußte.
‚Also wenn wir hier steckenbleiben, dann würd’ mich das riesig freuen’, dachte er verdrießlich, doch seine Befürchtung war unbegründet; nach wenigen Metern erreichten sie den Steg. Barbara erhob sich als erste und zog sich elegant auf den Steg hinauf. Als Brause aufstand, geriet das Boot in eine starke seitliche Schaukelbewegung. Er hatte Mühe, das Gleichgewicht zu halten; Barbara erkannte die Gefahr, setzte sich blitzschnell auf den Steg und reichte Brause eine Hand, während sie sich mit der anderen auf dem Stegbrett abstützte. Nach mehreren Versuchen gelang es Brause, sich auf den Steg zu ziehen; Müller folgte ihm ohne Probleme.

Barbara ging zum Leidwesen von Wachtmeister Müller voran; zu gern hätte dieser die Führung übernommen, aber er mußte sich eingestehen, daß er natürlich überhaupt nicht wissen konnte, wo sich die Stelle mit der Geldkiste befand. Müller war immer noch überzeugt davon, daß es sich bei dabei um eine Lappalie handeln würde, daß dort jemand eher zufällig ein paar Scheine hineinlegt hatte und schließlich nach dem Ende von irgend­welchen Arbeiten auf der Insel einfach darauf vergessen hatte, die Kiste wieder mitzu­nehmen.

Tatsächlich sollte Müller ausnahmsweise mit seiner Einschätzung recht behalten.

Nach wenigen Minuten erreichten die drei die kleine Lichtung, Barbara fand auf Anhieb zu ihr.
- „Dort hinten!“, rief sie freudiger Erwartung, den beiden Polizisten ihre Entdeckung zu zeigen. Erstaunt stellte sie fest, daß der glänzende Deckel ohne Laubbedeckung in seiner gesamten Oberfläche zu sehen war. Sie hätte schwören können, daß sie mit Inge die Kiste gut getarnt zurückgelassen hätten.

- „Aha, da ist also das Ding“, kommentierte Brause das Fundstück.
- „Soll ich öffnen?“ frage Barbara.
Müller drängte sich vor.
- „Nee, das mach’ ich schon, ihre Aufgabe ist hiermit erledigt!“
Er nahm aus seiner Umhängetasche einen großen Schraubenzieher und stocherte an dem Rand der Kiste herum. Barbara wußte zwar, daß das nicht notwendig war, denn der Deckel war bereits freigelegt, man mußte nicht tiefer als zwei fingerbreit unter die Erde. Doch sie schwieg, denn Müllers schroffe Abfuhr versetzte ihr einen Stich.

Nachdem Müller mit seinem Schraubenzieher am Kistenrand herumgestochert hatte und dabei Aushuberde auf den Deckel beförderte, tastete er mit beiden Händen um den Rand herum.
- „Mach’ du `mal das, Olaf“, forderte er seinen Kollegen auf, „sonst wird mein Verband ganz voll Dreck.“
Erst jetzt sah Barbara, daß Müller an der rechten Hand einen Verband trug. Brummend ging Brause in die Hocke, ohne lang herumzufummeln griff er an den Deckel und zog in auf.
- „Jeht doch janz ehnfach“, wendete er sich spöttisch an Müller und legte den Deckel ab.

Barbara gefror das Blut in den Adern: Soeben noch in erregter Hochstimmung erstarrten ihre Gesichtszüge, alle drei starrten in die leere Kiste.
- „Wie wir sehen, sehen wir nichts“, höhnte Müller und sah sich in seiner Vermutung bestätigt, „na, wo ist denn nun das viele Geld?“
- „Halt’ dich zurück“, konterte Brause, „die Kiste ist immerhin da, und das ist schon `mal interessant, wer vergräbt eine Kiste hier mitten im Wald auf der Insel?“

Barbara gewann wieder Fassung und antwortete:
- „Ich schwöre, daß da sehr viele Geldbündel waren, also Scheine, die zu Bündel gebündelt waren, ja, und die Oberfläche, also über dem Deckel, die haben wir wieder mit Laub und Gestrüpp bedeckt, so wie wir sie vorgefunden hatten.“
- „Tja, dann hat jemand den Schatz rechtzeitig gehoben, da war einer schneller als wir. Sie sagten ja was von einem Mann.“
- „Ja, dem wird das Geld halt gehören“, meine Barbara naiv.
- „Zumindest versteckte er das hier, soviel steht schon `mal fest“, antwortete Brause.
- „Das bringt uns auch nicht weiter“, nörgelte Müller, er freute sich bereits auf die Rückfahrt mit dem schnellen Boot.
- „Ach, jetzt halt’ doch `mal die Klappe“, ärgerte sich Brause über seinen Kollegen und fuhr an Barbara gewandt weiter fort:
- „Also Sie sagen, Sie hätten mit Sicherheit die Kiste mit Laub bedeckt, also sozusagen getarnt, daß kein Fremder sie finden konnte.“
- „Ja, so ist es“, beteuerte Barbara.
- „Gut, danke, das glaub` ich Ihnen natürlich hundertprozentig, was sollen Sie sich die Mühe machen, als ehrliche Finderin den Fund melden, wenn kein Geld da gewesen wäre.“
- „Mach` `mal `n Bild“, forderte er seinen Kollegen auf, „und dann geh’n wir wieder!“
Müller grinste hämisch, als er seine Dienstkamera aus der Umhängetasche nahm und einige Aufnahmen machte.

Nachdem die drei Passagiere wieder auf dem kleinen Boot Platz genommen hatten, bugsierte Steuermann Müller vorsichtig durch den Schilfkanal auf den See hinaus. Kaum waren sie auf der offenen Seefläche, wurde der Kahn immer langsamer und obwohl Müller den Regler auf Vollanschlag schob, schnurrte der Elektromotor nur noch sehr verhalten.
- "Das kommt von deiner Raserei", fauchte Brause.
- "Wir haben doch noch die Reservebatterie", konterte Müller, "und überhaupt war es ja deine Idee, auf die dämliche Insel da zu fahren, eine alte Kiste anzusehen."
- "Ja, das war meine Idee, und das war auch richtig, denn Frau Barbara hatte mit ihrer Freundin viel Geld darinnen gesehen, das war schon `mal einen Besuch wert. Und jetzt mach' schon und tausch' die Batterien!"

Müller zog aus seiner Tasche eine größere Zange, einen passenden Sechskantschlüssel für die Schrauben der Batteriepole hatte er nicht dabei. Barbara war sich sicher, daß in den seitlichen Klappen Bordwerkzeug zu finden wäre, doch sie wollte sich nicht einmischen. Es dauerte schier endlos, bis Müller die Anschlüsse an der alten Batterie abgeklemmt und an der neuen angeklemmt hatte; er hantierte dabei mit der linken Hand her­um, um seine verletzte rechte zu schonen. Seine angespannten Gesichtszüge wichen ei­nem genüßlichem Grinsen, als er sich nach getaner Arbeit wieder auf seine Bank setzte und erwartungsvoll den Schalter betätigte.

Schnell wandelte sich Müllers Grinsen in eine versteinerte Grimasse: So oft er auch den Schalter des Elektromotors betätigte, es tat sich nichts. Gar nichts. Stille.
- "Total entladen", brach Müller das allgemeine Schweigen.
- "Und jetzt?", rief ihm Brause zu.
Müller schwieg. Verlegenheit kroch in ihm empor. Barbara erfaßte die Situation, griff unter das Sitzbrett und holte ein Ruder hervor, das seitlich an dem Bord eingeklemmt war.
Sie wandte sich an den neben ihr sitzenden Hauptwachtmeister:
- "Setzen Sie sich zu ihrem Kollegen hinüber, ich werde rudern!"
Brause wollte zu einem Protest ansetzen, doch Barbara ließ ihn nicht zu Wort kommen:
- "Ich ruder' gern, wir hatten einen Kahn ohne Motor, da mußten wir alles rudern."

Brause nahm das Angebot dankbar an, ging in die Hocke, um den hauptsächlich durch seinen Bauch verursachten Schwerpunkt niedrig zu halten, und tastete sich zu der hinteren Bank. Müller rutschte auf die Seite, um ihm Platz zu machen. Barbara hängte derweil die Ruderriemen ein; kaum saß Brause neben seinem Kollegen, holte sie aus und zog durch.
- "Jetzt zieh' schon den Außenborder aus dem Wasser", befahl Brause seinen Kollegen, "das Mädel hat es mit uns schon schwer genug, da muß nicht auch noch die nutzlose Schraube im Wasser sein!"

Bei jedem anderen Mann wäre Barbara wütend geworden, sich >Mädel< bezeichnen zu lassen, doch fühlte sie sich bei Brauses Titulierung geehrt: Als vermutlich über 60-Jährigen durfte er zu ihr als 22-Jährige >Mädel< sagen.
'Der Kahn fährt leichter als jener neulich, mit dem ich mit Inge unterwegs war', dachte sich Barbara, und das war auch gut so, denn die Strecke nach Röthen war wesentlich weiter als zu dem gegenüberliegenden Nordufer. Sie ließ sich ihre Besorgnis wegen der weiten Strecke nicht anmerken, sie mußte ihre Kräfte einteilen und zwang sich, bewußt langsam, aber hochkonzentriert Schlag für Schlag zu setzen. Sie hatten auch nichts zu Trinken dabei, die Sonne wurde nur selten von einzelnen Wolkenfetzen verhüllt, sie stach gnadenlos vom heißen Spätsommerhimmel.

Nachdem sie die Nordspitze der Insel passiert hatten, brannte die Sonne auf Barbaras Rücken, während die beiden ihr gegenüber sitzenden Polizisten die Köpfe seitlich wendeten, um nicht das pralle Sonnenlicht in das Gesicht zu bekommen. Nach kurzer Zeit zog Barbara die Riemen ein und ihre Jacke aus, nur mit dem T-Shirt bekleidet ruderte sie weiter. Brause wollte sich gern mit ihr unterhalten, bemerkte indes, wie konzentriert Bar­bara sich den Takt vorgab; somit schien es ihm geraten, lieber zu schweigen. Müller da­gegen konnte sich nur schwer beherrschen, nichts zu dem langsamen Rudertempo zu sa­gen, er dachte sich: ‚Wenn die so langsam weitermacht, dauert das noch Stunden, bis wir in Röthen ankommen.’

Immer wieder blickte Barbara über ihre Schultern, ob sie noch Kurs hielt auf das kleine Dorf, deren Häuser sie am Südufer des Sees erahnen konnte. Noch waren sie zu weit weg, um genauer navigieren zu müssen; die grobe Richtung stimmte jedenfalls. Als sie etwa auf halben Weg im See angelangt waren, zog Barbara erneut die Riemen ein und hauchte zu den ihr gegenübersitzenden Passagieren:
- „Kurze Pause.“

Brause bot sich an, Barbara abzulösen, doch diese wehrte ab:
- „Nein, nein, ich mach` gleich weiter.“
Barbara rückte auf der Sitzfläche zur Seite und beugte sich über die Bordwand. Sie wusch sich mit dem Seewasser den Schweiß vom Gesicht, sie genoß die Abkühlung. Die beiden gegenüber sitzenden Passagiere ließen sich nichts anmerken, wie sie in ihren Uniformen schwitzten.

Barbara beschloß, ihr T-Shirt auszuziehen:
- „Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen, wenn ich mir jetzt auch noch das T-Shirt ausziehe.“
- „Aber bitte, nur zu, Sie verrichten ja Schwerstarbeit mit uns!“, entgegnete Brause.
- „So schlimm ist das nicht, ich rudere gern, aber die Hitze macht mir etwas zu Schaffen. Ziehen Sie sich doch wenigstens die Jacken aus und lockern Sie die Krawatte.“
- „Ja, das ist eine gute Idee, Sie haben recht, hier sind wir ja ganz unter uns“, meinte Brause und schälte sich aus seiner Uniformjacke. Müller tat es ihm gleich, beide blickten etwas ratlos umher, wo sie diese ablegen sollten.

Barbara erkannte die Notlage:
- „Geben Sie her, legen wir sie hier neben mir auf das Sitzbrett!“
Artig überreichten die beiden Polizisten ihre Jacken, Barbara legte sie behutsam neben sich. Ihr T-Shirt legte sie auf die andere Seite. Müller bekam Stielaugen, als die Ruderin mit dem schwarzen Büstenhalter wieder zu den Riemen griff und weit ausholte. Brause bemerkte das und gab ihm mit dem Ellenbogen einen Stoß in die Rippen. Müller begriff sofort und wandte seinen Blick ab. Barbara setzte ein breites Lächeln auf, sie bemerkte, daß auch Brause damit zu Kämpfen hatte, nicht auf ihre Brüste zu starren.

‚Ein Glück, daß ich den BH heute morgen nahm’, dachte sie sich, denn oftmals verzichtete sie darauf, wenn sie mit der Jacke bekleidet unterwegs war.
‚Die hätten jetzt `was zu Glotzen, ohne BH, wie da die Titten beim Rudern hin- und herspringen.’ Der Gedanke törnte sie an.
Barbara erhöhte ihren Schlagrhythmus, als Ausdauersportlerin freute sie sich, wenn sie nach der Hälfte des Weges, sei es beim Rudern, sie es beim Langlauf, beim Radfahren, das Tempo steigern konnte; sie wußte genau, daß sie es langsam angehen lassen mußte, bis sich der Körper auf die geforderte Leistung eingestellt hatte und dann war es gut, zulegen zu können, um schließlich in einen Endspurt einzumünden. Ihre beiden Fahrgäste waren erstaunt, zu welcher Steigerung sie fähig war und Müller mußte ihr im Geheimen Lob zollen: ‚Das hätte ich jetzt nicht erwartet, die ist echt gut `drauf.’
Als geborener Macho behielt er natürlich diese Gedanken für sich.

Der Bootsverleiher befand sich auf dem Steg, als er von Ferne einen Kahn heranrudern sah.
‚Ist das nicht mein Elektro-Kahn?’, wunderte er sich und beobachtete das Herannahen des Bootes.
Als es in Rufweite kam, rief er:
- „Ja was ist denn das, lassen sich da zwei Männer von einer Frau rudern, und überhaupt, was ist denn mit dem Motor, sind beide Batterien leergefahren?“
- „Von wegen Reservebatterie“, empörte sich Müller, noch bevor sie anlandeten, „total leer, das können Sie vergessen, daß wir Ihnen die fünf Stunden zahlen, höchstens drei!“

Der Bootsverleiher blickte ratlos auf das herangleitende Boot, gekonnt hielt Barbara zuerst auf der einen Seite, dann auf der anderen das Ruder fest im Wasser, so daß der Kahn entsprechende Wendungen vollzog und an Fahrt verlor. Mit einem sanften Schubser an die Hölzer des Steges war die Bootstour beendet, Barbara warf dem Verleiher die Leinen zu und klemmte die Ruderriemen an die Bordinnenseite. Mit einem Lächeln überreichte sie den Polizisten die Uniformjacken, Brause bedankte sich überschwenglich für den geleisteten Fährdienst und auch Müller brummelte etwas, das Barbara als einen Dank interpretierte.

- „Nun lassen Sie `mal sehen, ich kann es gar nicht fassen, beide Batterien sind fast ganz neu und ich hatte sie eigenhändig an’s Ladegerät gehängt.“
Der Bootsverleiher sprang in das Boot und betätigte den Schalter, die 7-Segment-Zifferanzeige leuchtete ihm entgegen „F 07“.
- „Da!“, rief er erregt, „da haben Sie es, F 07, und daneben da ist doch beschrieben, was das bedeutet, F 07, das heißt >falsche Polung<.“
Er bückte sich unter das Sitzbrett zu den Batterien hinunter und erkannte sofort das Problem:
- „Tatsächlich, da ha`m Se verpolt, rot is doch immer plus und blau minus und das steht doch auch auf den Anschlüssen, und die Elektronik hat das auch gemeldet, F 07, mein Jott, so wat hatte ich auch noch nich’. Und der Pluspol is’ doch dicker, wie ha`m Se denn überhaupt die Klemmen da drüber jebracht, die Minusklemme bringen Se normalerwees jar nich’ über den dicken Pol, ja, und seh`n Se, da, die dicke Plus-Klemme hängt janz lose über den dünnen Minuspol, wa, wie ha’m Se dat jeschafft!“

Müller blickte betreten, Brause konnte nur noch mit dem Kopf schütteln:
- „Ne, ne, und wegen deiner Blödheit mußte Frau Barbara die ganze weite Strecke zurück Rudern!“
Der Bootsverleiher sagte nichts dazu, klappte eines der Fächer an der Bordwand auf und holte einen Gabelschlüssel hervor, um die Anschlüsse zu berichtigen. Die Arbeit dauerte nur wenige Sekunden, als er einschaltete, zeigte die Elektronik mit vielen kleinen grünen Balken volle Ladung an.
- „Seh`n Se, voll jeladen!“

Genüßlich legte der Verleiher den Schraubenschlüssel in das Fach zurück und drückte den Deckel zu. Er kannte seine Kundschaft und ließ entsprechend nochmals seinen Blick über das Boot wandern, ob nichts zurückgelassen wurde. Tatsächlich wurde er fündig:
- „Da liegt noch ein Hemdchen“, rief er den dreien auf dem Bootssteg zu, und erst jetzt wurde sich Barbara bewußt, in welchem Aufzug sie da stand.
- „Danke, hätte ich jetzt glatt vergessen.“

Für einen kurzen Augenblick blickten sich Barbara und der Bootsverleiher tief in die Augen. Dann zog sich Barbara das T-Shirt über den Kopf und war für den Landgang wieder hergestellt.
Müller war wegen seiner Verpolung ganz verpolt, sein Überlegenheitsgefühl schmolz restlos dahin.
Der Bootsverleiher ergriff das Wort, als sie zu seinem Häuschen schritten:
- „Weil Sie schon `mal hier sind von der Polizei, da hatte ich letzthin zwei Typen jeseh’n, die dort auf dem unbewaldeten Teil der Insel, da jechenüber gleich, herumliefen und wat machten, konnte dat nich’ so jenau seh’n hinter dem Schilf dort, aber sachen Se, is dat nich verboten, dort zu sein wegen Naturschutzjebiet und so?“

Bevor Brause etwas erwidern konnte, ergriff Barbara das Wort:
- „Das waren wir, also ich und meine Kollegin vom Umweltamt, wir beobachteten die Zugvögel, die hier regelmäßig alle Jahre von Skandinavien her kommen und hier rasten.“
- „Aha, und was beobachten Sie da genau?“
- „Das darf ich Ihnen leider nicht sagen, das ist erstmals in diesem Jahr etwas Geheimes.“
- „Etwas Geheimes, wird halt wieder so was wie eine eingeschleppte Vogelgrippe sein, vermut’ ich `mal.“

Barbara errötete: ‚Wie kommt der Mann da d’rauf?’
Sie schwieg und auch der interessierte Fragesteller bohrte nicht weiter. In dem Kassenhäuschen reichte er ihr eine Wasserfalsche.
- „Da, neh’m Se, ham’ Se sich verdient!“

Auf der Rückfahrt zwängte Brause seinen Bauch neben Barbara auf die Rückbank, um sich mit dieser zu unterhalten. Er mahnte Müller:
- „Nun fahr aber anständich, nich’ daß uns auch noch dat Benzin ausjeht.“

Müller preßte die Lippen aneinander und schwieg. Barbara begann die Konversation mit einer Frage:
- „Wissen Sie eigentlich `was von so einer Notfallübung, die angeblich alle Behörden absolvieren müssen; ich war mit Inge auf der Insel, als diese war und jetzt sollen wir das nachholen.“
Brause überlegte, ob er ihr die ganze Wahrheit sagen sollte. Er antwortete ausweichend:
- „Is’ jeheim, wohl genauso geheim wie ihre Vogeluntersuchung, vielleicht hängt dat sogar miteinander zusammen.“
Barbara blickte ihn verwundert an, Brause lenkte auf ein anderes Thema:
- „Wenn wir in Lüggen zurück sind, lad’ ich Sie natürlich zum Mittagessen ein, Sie müssen einen Bärenhunger haben nach der Plackerei.“
Barbara lächelte und entgegnete:
- "Ich hab’ immer einen Bärenhunger, auch wenn ich satt bin.“
Brause blickte einen Augenblick lang verdutzt auf, dann fiel bei ihm der Groschen:
- „Ah, ich verstehe, und jetzt fällt mir wieder ihr Zuname ein, Frau Bär, sehr schön!“

Brause wies Müller an, in Lüggen auf den Markt zu fahren, dort stieg er mit Barbara aus, während Müller allein zum Polizeirevier weiterfuhr. Beim Mittagessen tauschten sich Brause und Barbara ihre Geheimnisse aus.

Beiden wurde mulmig, was sie voneinander erfuhren.




















110. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von modex am 10.07.22 21:12

Magnus,
mal wieder eine spannende Wendung, wenn sich zwei Erzählstränge kreuzen. Danke für all die Mühe und die pünktlichen Fortsetzungen. Ich bewundere diese Disziplin. Und bin neidisch.
111. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 13.07.22 12:50

Modex,

angeblich macht Reichtum erst richtig glücklich, wenn man darum beneidet wird.

Deine Anerkennung ehrt mich und es fühlt sich gut an, wieder einmal eine Rückmeldung zu erhalten, wenngleich auch kein Grund zum Neid besteht; zudem kann ich nicht garantieren, ob ich immer pünktlich jede Woche eine Fortsetzung bringen werde.

Ich wünsche weiterhin viel Freude beim Lesen!
112. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 15.07.22 20:23

62


Nachdem Gangolf mit Magda am Abend vom Gardasee zu der Herberge zum Corte San Zeno zurückgekehrt war, holte er sein Smartphone hervor; eine eingehender Anruf forderte seine Aufmerksamkeit. Er nahm an, daß Bettina ihm mitteilen wollte, wie weit sie bereits gekommen waren, vermutlich hatten sie längst Deutschland erreicht. Gangolf war ziemlich sprachlos, als er lauschte, was ihm Bettina am Handy alles erzählte.
- „Und da müßt ihr jetzt wirklich vierzig Tage d’rinn bleiben in der winzigen Zelle?“, fragte er ungläubig-erstaunt.
- „Das ist ja Wahnsinn... Ja, danke, daß du mir das erzählst, dann sind wir vorgewarnt... Da müssen wir durch, es hat wohl keinen Sinn, den Urlaub hier noch auszudehnen, dann ist das nur aufgeschoben ... Schöne Grüße an die Martina, und vertragt euch gut ... chiao.“

Zur Salzsäule erstarrt legte Gangolf das Gerät auf den Tisch und blickte minuntenlang starr vor sich hin. Magda wagte es, ihn anzusprechen: „Was ist denn los?“

Gangolf überlegte, wie er es ihr schonend beibringen konnte, doch dann berichtete er ohne Umschweife, was er von Bettina erfahren hatte. Magda war bezüglich der Leidensfähigkeit eine starke Person, sie zeigte sich nicht erschrocken, als sie von der vierzigtägi­gen Quarantäne auf engstem Raum erfuhr, höchstens überrascht, und Gangolf vermeinte, gar ein kurzes freudiges Aufblitzen in ihren Augen gesehen zu haben. Ihm war nicht im geringsten klar, wie er es mit Magda in dem schmalen Doppelbett aushalten würde, über­haupt in der winzigen Zelle, andererseits überlegte er, daß es mit ihr noch am besten funktionieren würde von allen drei Frauen; dank ihrer Selbstlosigkeit und Zurückhaltung hoffte er, mit ihr an der Seite die Zeit einigermaßen schadlos zu überdauern.

Wie jeden Abend tippte Gangolf auf >Tagesschau.de<, um sich die Nachrichten des Tages anzusehen. Als erste Meldung wurden die Quarantänemaßnahmen in Österreich ge­bracht:

- „Österreich errichtete an den Grenzübergängen zu seinen südlichen Nachbarländern Quarantänestationen. Alle Einreisenden sind gezwungen, in den Containerbehausungen von der Außenwelt weitgehend isoliert sechs Wochen zu verbringen. Wie aus gut unterrichteten Quellen verlautete, sind die Bedingungen in den kleinen Räumen unerträglich; nicht ohne Grund verschwieg die österreichische Regierung die Ergreifung dieser restrikti­ven Maßnahme, um zu vermeiden, daß vor allem Touristen, die aus ihrem Urlaub aus den südlichen Ländern heimkehren oder weiter nach Deutschland und andere Länder fahren, das sogenannte >Condoma-Virus< einschleppen. Wie wir gestern berichteten, bereiten sich auch Deutschland und andere Staaten in Europa auf Abwehrmaßnahmen vor, genaue­re Angaben unterliegen der Geheimhaltung. Die Bundesregierung erwägt, nöti­genfalls als letztes Mittel die Notstandsgesetzgebung erstmals in der Geschichte der Bun­desrepublik zu aktivieren.“

Gangolf tippte auf seinem Smartphone weiter herum, auch die österreichischen und italienischen Medien brachten kurze Meldungen über die aufgebauten Quarantäneeinrichtungen. Als er bereits wieder abschalten wollte, schweifte sein Blick auf eine italienisch­sprachige Seite, welche von einer Alternative zu der vierzigtägigen Quarantäne berichte­te. Glücklicherweise gab es eine deutsche Übersetzung; der Autor des Berichts war dem Namen nach zu schließen Südtiroler.

Fasziniert las Gangolf von einer dreistündigen Intensiv-Reinigung, der sich die Reisenden aus Italien unterwerfen müßten, eine Tortur, die an die Grenzen des Aushaltbaren ging. Gangolf folgte dem >Link< zu einer staatlichen Seite, wo man sich anmelden konn­te. Er zeigte Magda den Text mit den Anmeldevoraussetzungen:

>Gesund, robuste körperliche und mentale Verfassung, 18 bis 30 Jahre.<
- „Da bin ich schon drüber“, seufzte Gangolf, „ob die mich mit meinen 32 da noch nehmen?“
Magda lächelte ihn an: „Was sind schon zwei Jahre, du wirkst doch noch viel jünger.“
- „Danke“, entgegnete Gangolf und lächelte zurück. „Probieren werden wir es jedenfalls, ich möcht’ doch nicht sechs Wochen da in einer engen Bude eingesperrt werden!“
Magda nickte, Gangolf nahm jedoch einen kurzen Anflug einer Enttäuschung auf ihrem Gesicht wahr.
‚Was du nur immer so geil findest am Eingesperrt sein’, dachte sich Gangolf und es kam ihn die Kartoffelkisten-Geschichte in den Sinn, die ihm die Bekanntschaft mit einer Polizeizelle einbrachte.

Beherzt füllte Gangolf die Eingabefelder aus, mit seinem und mit Magdas Namen und den Geburtsdaten. Bei seinem Geburtstag mogelte er sich zwei Jahre jünger; sollte er darauf angesprochen werden, würde er sich auf einen versehentlichen Tippfehler herausreden. Auch die Geburtsorte waren gefragt, er war überrascht zu erfahren, daß Magda in Berlin geboren war:
- „Ja, ich kenne das Großstadtleben, möchte nie wieder dort zurück.“
Das war alles, was sie darüber sagte und Gangolf wollte es dabei belassen, denn er war erstaunt, daß sie sich überhaupt zu so einem langen Satz hinreißen ließ, meistens antwortete sie nur sehr einsilbig.

---

Umweltministerin Graumaus konnte sich nicht mehr zurückhalten; sie polterte in der eilig zusammengerufenen Kabinettsitzung darauf los:
- „Ach ja, und was planen Sie noch so alles in ihrem Ministerium, Herr Kollege Scham, Herr Doktor Unwohl, um das Virus wieder südlich über die Alpen zu vertreiben, sollen die Menschen mit ihren Gasmasken in den Wohnungen sitzen und verpflichtet werden, die Fenster weit geöffnet zu halten?“

Staatssekretär Unwohl antwortete mit einer Gegenfrage:
- „Fenster geöffnet zu halten, meinen Sie, daß die sicherlich dann verbesserte Lüftung in den Wohnungen so viel bringt gegen die Verbreitung des Virus`?“

Graumaus ereiferte sich:
- „Nee, doch nicht wegen der Lüftung, sondern daß Kollege Schießmann mit seinen Drohnen hineinfliegen kann und die Hausbewohner überwachen kann, daß sich bloß keine Fremden heimlich in den Wohnungen treffen, George Orwell läßt grüßen!“
- „Mäßigen Sie sich,“ zischte Bundeskanzlerin Prank-Barrenkauer, obwohl sie zugeben mußte, daß Graumausens abstruse Gedankengänge gar nicht so weit hergeholt waren.
Verteidigungsminister Schießmann verwahrte sich gegen Graumausens Verdächtigungen:
- „Da sind Sie in meinem Ministerium vollkommen falsch gelandet, Frau Ministerin Graumaus, das Schnüffeln und Ausspionieren liegt ganz im Innen-Ressort, beschuldigen Sie Minister Schneehoffer, wenn Sie schon solche irre Gedanken hegen, daß die Zivilisten un­serer Republik mit Überwachungsdrohnen ausgespäht werden!“
Schleehoffer blickte überrascht auf, schüttelte aber nur den Kopf und sagte nichts dazu.

Ein Referent des Innenministeriums berichtete von den sogenannten >Notfallübungen<, in seinem Ministerium war man überrascht, wie es gelingen konnte, diese Maßnahme bislang weitgehend geheim halten zu können; offenbar wirkte die den Teilnehmenden mit auf den Weg gegebene Drohung, sie verlören ihren Beamtenstatus, wenn sie von den eingeübten Aktionen etwas nach außen dringen ließen.

Die Regierungsmitglieder kamen überein, nochmals eine Woche zu warten, wie sich die von Österreich ergriffenen Maßnahmen der Quarantäne an der Südgrenze auf das Infektionsgeschehen auswirken würden; sollte es gelingen, tatsächlich alle Urlauber und sonsti­ge Reisende aus Italien und Slowenien wochenlang isoliert zu halten, wären solche Maß­nahmen an Deutschlands Südgrenzen wohl überflüssig.

- „Warten wir es ab“, ergriff Prank das Wort, „wir sind immerhin bestens gerüstet, das Desaster wir vor zehn Jahren wird sich nicht wiederholen, daß Deutschland unvorbereitet dem Virus gegenüber tritt.“
- „Sie meinen also, daß sich das Virus davon abhalten läßt, wenn wir alle mit der Gummischnauze herumschnüffeln, vielleicht dadurch, daß sich die Viren darüber totlachen“, ergötzte sich Graumaus. Einige Kabinettskollegen lachten kurz auf, doch allen war der hintergründige Ernst in diesen Worten bewußt, daß das Tragen der Gasmasken vielleicht nur Symbolcharakter haben könnte, ein Zeichen der Solidarität, so wie damals beim Coronavirus die Stoffmasken es waren.

Als nach dem Ende der Versammlung Graumaus und Prank in einem Winkel des großen Flurs zusammenkamen, fragte diese jene:
- „Na, hast du schon kräftig geübt mit dem Gummiding?“
Graumaus entgegnete:
- „Ja klar, ich bin gewappnet, nicht nur gegen das Condoma-Virus, sondern auch gegen das HIV.“
- „Ach, du meinst deinen Blechstreifen über deine Furche, daß dort nichts eindringen kann.“
- „Neidisch?“
- „Hm, ja, vielleicht. Kannst ja beim nächsten Mal den Vorschlag bringen, daß Unwohl solche Dinger für alle verteilen läßt, ich bräuchte dann wohl eine größere Ausführung, damit der Virus nicht seitlich darunter durchrutscht.“









































113. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 23.07.22 06:44

63

Als sich Gangolf auf seinem Motorrad immer weiter alpenwärts die alte Brenner-Staatsstraße SS12 hinaufwand, stieg sein ungutes Gefühl von Kilometer zu Kilometer. Magda hingegen genoß hintenaufsitzend das beschwingte Fahren durch die breiten Kurven der ehemaligen Hauptverkehrsstraße zwischen Italien und Mitteleuropa, sie machte sich nicht die geringsten Gedanken, was ihr mit Gangolf bevorstehen würde. Ihr gesamtes Leben war bisher von anderen gelenkt und vorgegeben worden, wie ein kleines Kind klammerte sie sich jetzt an Gangolf, auch im übertragenen Sinne.

Schon von weitem erblickte Gangolf das riesige Container-Dorf, von dem Bettina ihm erzählt hatte. Von der neu errichteten Autobahnausfahrt Gossensaß / Colle Isarco wälzte sich eine schier unendliche Auto-Karawane Richtung nördlichem Ortsausgang, auch einige Omnibusse waren unter den Fahrzeugen, deren Insassen überwiegend nach Deutsch­land und anderen nördlichen Ländern zurückkehrende Urlauber waren. Ein Straßenverkehrspolizist mit obligatorischer Maske regelte den Verkehr; während der langen
Warte­zeit erinnerte sich Gangolf an einen Schüttelreim, den sein Vater stets daherbrachte:

>Ein Auto fuhr durch Gossensaß
durch eine wahre Soßengass,
Bis daß die ganze Gassensoß
sich über die Insassen goß<.

Als es endlich weiterging, sah Gangolf am Ortsende weitere Schutzmänner in ihren adretten Uniformen stehen, verunstaltet durch die skurrilen Gasmasken vor dem Gesicht. Es könnte sich auch um Schutzfrauen handeln, kam es Gangolf in den Sinn, sofern diese kurze Haare hatten, wären sie wegen den Vollgesichtsmasken nicht von ihren männlichen Kollegen zu unterscheiden gewesen. Wild gestikulierend wiesen sie die Autos in eine schmale Seitenstraße, welche schließlich auf eine große zu einem Parkplatz umfunktionierte Wiese führte. Gangolf hielt an, öffnete sein Helmvisier, blökte den Gendarmen auf Italienisch an, er habe sich zu der >pulizia intensiva< angemeldet. Nachdem er sich die Handschuhe abgestreift hatte, zog er sein Smartphone aus dem Tankrucksack und wollte die Webseite aufrufen, um seine Anmeldung zu zeigen. Der Polizist erkannte Gangolfs lautere Absicht und winkte ihn an der Straßensperre vorbei, ohne weiter Notiz zu neh­men.

In weiten Schlingen ging es nun deutlich steiler bergauf, oberhalb der Staatsstraße verlief auf zahllosen Betonstützen die Autobahn. Anstelle der Etsch, die sie in Gossensaß verlassen hatten, begleitete jetzt das Flüßlein Eisack die Motorradfahrer zum Brennerpaß hinauf.
‚Von der Maas bis an die Memel’, kam es Gangolf in den Sinn, ‚von der Etsch bis an den Belt’; so groß war einmal das deutschsprachige Gebiet, das Gebiet von der nördlichen Etsch an haben sich die Südtiroler von Italien als Provinz mit weitreichenden Autonomierechten zurückerobert, die anderen besungenen Flüsse liegen weit abseits des heuti­gen deutschen Siedlungsraums. Als Hoffmann von Fallersleben diesen Text als >Lied der Deutschen< schrieb, waren die Verhältnisse noch ganz anders, 31 souveräne deutsche Staaten gab es im Jahr 1841.

Große zweisprachige Schilder wiesen im südtiroler Teil des Grenzortes Brenner den Weg zu der >Pulizia intensiva – Intensiv-Reinigung<; der Seitenweg führte von der Hauptstraße weg zu einer ehemaligen Kaserne. In dem weiten Hof stellte Gangolf das Motorrad ne­ben bereits dastehenden Motorrädern in einer Reihe ab, die überwiegende Anzahl der Fahrzeuge waren indes Autos. Er befestigte die Helme wie gewohnt an die Haken unter der Sozius-Sitzbank und zog den Tankrucksack vom Tank. Mutig stiefelte er mit Magda an seiner Seite dem Eingang zu, vor welchem sich eine kurze Schlange junger Leute ge­bildet hatte. Gangolfs beklemmendes Gefühl erhärtete sich mit jedem Schritt, allein schon die Atmosphäre des Kasernenhofs löste ein starkes Unbehagen in ihm aus. Magda indes spazierte sorglos neben ihm daher, anscheinend durchaus erfreut über die bevor­stehende Abwechslung.

Ein im totalen Schutzanzug eingehüllter Wärter trat aus dem Eingangsbereich heraus und zählte die Warteschlage ab; nach dem achten Wartenden breitete er den rechten Arm hinter dessen Rücken aus und wies mit der linken Hand zum Eingang mit mehrfachen Aufrufen: - - „Va, va ... va“.
Erstaunt blickte Magda ihren Begleiter an, Gangolf erläuterte ihr:
- „Das heißt: geht; anscheinend werden wir gruppenweise eingelassen.“

Vor Magda und Gangolf stand eine Frau mit schönen langen Haaren, sie stand nun als erste in der Warteschlange vor der Pforte. Als sie sich beiläufig umsah und Gangolf und Magda erblickte, kam sie in’s Grübeln: ‚Die beiden kenn’ ich doch woher, wer waren die bloß.’
Als Verkäuferin von Motorradbekleidung lernte sie natürlich viele Motorradfahrer kennen und sie folgerte richtig, daß diese beiden wohl Kunden gewesen waren.
Gangolf reagierte mit einem Lächeln und grüßte mit einem knappen „Hallo.“
Magdas Augen indes begannen zu strahlen und sie ergänzte Gangolfs Einsilbigkeit: „Hallo Birgit.“

Gangolf richtete seinen Blick erstaunt auf Magda, dann wieder auf die vor ihr stehende Frau, die offenbar Birgit hieß. Nun grüßte auch diese mit einem „Hi“ zurück.
- „Kennt ihr euch?“, fragte Gangolf, nachdem keine der beiden Frauen weiter ein Wort verlor.
Birgit antwortete:
- „Ja, ich glaub’ schon, habt ihr nicht eure Klamotten bei mir in Berlin gekauft?“

Jetzt erinnerte sich auch Gangolf wieder an sie und er bewunderte Magda wegen deren Erinnerungsvermögen. Gangolf dagegen mußte Menschen oft wieder treffen, um sich deren Gesicht einzuprägen, überdies hatte er ein schlechtes Namengedächtnis.
- „Ja klar, so ein Zufall, da hast du dich also auch zu der Schnellreinigung hier angemeldet.“
Magda überließ von nun ab wie selbstverständlich Gangolf den Fortgang der Konversation.
- „Ich möchte doch nich’ `ne halwe Ewichkeit in dem Quarantäne-Bunker eingesperrt werden“, entgegnete Birgit. Gangolf stimmte ihr zu, es gelang ihm, dank des Plauderns mit Birgit die Nervosität zu mildern. Selbst Magda bemerkte Gangolfs Nervosität, sie war überrascht, denn bislang schien ihr Gangolf die Ruhe in Person zu sein.
‚Eine Schnellreinigung, was soll daran schon groß was Aufregendes sein’, dachte sie sich.

Birgit und Gangolf tauschten sich über ihre Urlaubsgeschichten aus, Gangolf berichtete von dem Ausflug in das hoch überflutete Venedig; Birgit bestätigte, davon im Internet gelesen zu haben. Sie blieb mit ihrer Geländemaschine in den Bergen westlich des Gardasees. Eigentlich wollte sie neben dem Motorradtouren auch Bergwanderungen unternehmen, doch überall warnte man, daß man auch dabei die Gasmasken aufsetzen müßte, selbst wenn man alleine unterwegs war.

Mitten im Gespräch fiel Birgit Magdas Handicap ein:
- „Sag’ `mal“, wandte sie sich an Magda, „hattest du nicht diese elektronische Fußfessel, oder erinner’ ich mich da falsch, entschuldige bitte, daß ich so direkt frage.“
Magda errötete leicht und antwortete kurz:
- „Ja, stimmt.“
- „Und da kannst du so weit weg fahren, freut mich für dich, also mein Ding is’ jetzt endlich weg, ich fühle mich so frei jetzt, ein tolles Gefühl.“
- „Magdas Ding haben wir ausgetrickst“, übernahm nun Gangolf wieder das Wort.
- „Ach ja, ich erinner’ mich, das hast du damals erzählt, find’ ich toll, daß so `was möglich is’.“

Auch die hinter den drei Motorradfahrern Wartenden begannen miteinander Gespräche zu führen, es schienen allesamt Autofahrer gewesen zu sein. Endlich ging die Tür zu dem Kasernengebäude wieder auf, der gleiche Wachmann wie zuvor kam heraus und begann in der gleichen Weise abzuzählen. Die Gespräche verstummten, die Wartenden vernahmen die leisen Worte:
- „... quattro, cinque, sei sette, otto, allora.“
Der Wärter deutete dem abgezählten Block an, einzutreten und rief dazu wieder sein „va, va!“

Mit pochendem Herzen schritt Birgit voran, gefolgt von Magda, die hingegen vollkommen arglos die Pforte durchschritt. Gangolf zog es den Magen zusammen, als er die hohen langen Gänge erblickte, durch welche die Achter-Gruppe geleitet wurde. Der voranschreitende Wächter öffnete eine Tür und wies die Gruppenmitglieder an, in den dahinter lie­genden Raum hineinzugehen. Als alle eingetreten waren, erklärte er in einem ganz schlecht verständlichem Deutsch, daß sich nun alle vollkommen nackt entblößen sollten. Keiner verstand ihn, weder akustisch, noch inhaltlich. Nach einigem hin und her bot sich Gangolf als Dolmetscher an. Der italienische Wärter war sehr froh über diese unerwartete Hilfe; bei den Gruppen, die er zuvor durch das Gebäude schleusen mußte, dauerte es eine halbe Ewigkeit, bis er den Leuten klarmachen konnte, was sein Befehl war. Er ver­suchte es zwar auch auf Englisch, doch blieb er schon allein durch die Maske sprachlich schwer behindert.

Gangolf mußte dann auch noch in’s Französische übersetzen: Die letzten drei in der Warteschlange waren Franzosen, sie wurden von ihren Freunden durch die Zählung bis acht abgetrennt. Gangolf gelang es mühsam, deren Besorgnis dem italienischen Wächter klarzumachen, doch dieser zuckte nur und meinte wenig trostreich: „Va bene, va bene!“

Die Menschen in der Gruppe konnten nicht glauben, was Gangolf ihnen da alles übersetzte, sie sollten sich vollkommen nackt ausziehen und ihre Sachen in die an der Wand stehenden Kleiderspinde hängen. Um seine Anweisungen durchzusetzen, drückte der Wärter auf einen Knopf an der Wand; eine laute Klingel erschall in dem Gang und hallte lange nach. Nach kurzer Zeit kamen mehrere Kollegen hereingestürmt mit drohend erho­benen Gummiknüppeln, allein Magda erfreute der schaurige Anblick:
‚Alles an denen ist grün und aus Gummi, hoffentlich schlagen sie nicht zu fest zu.’

Magda war die erste, die sich schnell aus der Motorradkombi schälte, obwohl gerade sie kein besonderes Problem bei der Anwendung der Knüppel gehabt hätte. Auch die anderen Anwesenden erkannten den Ernst der Lage und begannen mit dem Entkleiden. Gan­golf stellte fest, daß die Frauen offensichtlich weit weniger Hemmungen hatten, sich nackt zu zeigen als die Männer, diese hielten verschämt ihr Gemächt mit den Händen bedeckt.
‚Vielleicht liegt das daran, daß die Damen keine solche Teile auf Halbmast baumeln haben’, überlegte sich Gangolf. Er bemerkte dann doch, daß einige Frauen abwechselnd ihre Brüste, dann ihre Scham bedeckten, ihnen fehlt eindeutig eine dritte Hand, dachte sich Gangolf, und nach einigem Hin- und Herwechseln ließen die besagten Frauen das Abdecken ihrer intimen Schönheiten gänzlich bleiben, einige stemmten selbstbewußt die Hände auf die Hüften und präsentierten stolz die erhabenen Körperformen des weiblichen Geschlechts.

Als die Entkleidung bei allen erfolgt war und auch alle mitgebrachten Gegenstände verstaut worden waren, zog der Verstärkungstrupp wieder ab, ohne von der Waffe Gebrauch gemacht zu haben. Fast alle standen nun splitternackt da, nur drei trugen ihre Brillen als einzigsten Gegenstand, einmal von einigen Ringen abgesehen, die an den Fingern oder als Piercings in der Haut steckten. Der Wärter beäugte jeden eingehend und brummte bei den dreien durch seine Maske:
- „Anche gli occhiali!“
Gangolf echote: „Auch die Brillen!“
- „Die Brillen müssen wir auch abnehmen?“, empörte sich einer der drei Brillenträger, „dann seh’ ich doch nichts mehr.“

Gangolf empfand die Situation äußerst bizarr, ungewollt wurde er als Dolmetscher zum Handlanger dieses Spießgesellen, doch er sagte sich, daß sich ohne seine sprachliche Hilfeleistungen die ganze Sache noch viel länger hinziehen würde. Nachdem er den Einwand dem Italiener vorgetragen hatte, übersetzte er dessen Antwort zurück:
- „Es wird nichts zu sehen geben.“

Bei der Leibesinspektion übersah der Wärter Magdas Fußfessel, er kam anscheinend nicht auf die Idee, daß jemand mit solch einem Teil ausgestattet gewesen war und machte sich nicht die Mühe, bei jeder Person in die Hocke zu gehen, um deren Füße nach
Ge­genständen abzusuchen. Die Maskengläser schränkten das Sichtfeld nach unten schwer ein, so daß er es dabei beließ, bei zwei der jungen Frauen die Piercingringe durch deren äußeren Schamlippen zu beglotzen. Um diese besser wahrzunehmen, ging er jeweils vor diesen Frauen in die Hocke.

Nach erfolgter Fleischbeschau nötigte der Wärter die Mitglieder seiner Gruppe, sich die jeweiligen Nummern der Spinde zu merken, in welchen jene die Kleidung und Habseligkeiten verstaut hatten; glücklicherweise waren es nur dreistellige Zahlen. Aus einer Kiste holte der Wärter eine Zange und einen Metallstreifen hervor. Er wandte sich an Gangolf, der Satz für Satz übersetzte.

‚Eines muß man den Italienern lassen’, stellte Gangolf fest, ‚sobald diese erkennen, daß sich Ausländer bemühten, ihre Sprache zu sprechen, formulieren sie einfache Sätze und sprechen deutlich.’ Das mit dem Deutlichsprechen galt wegen der schweren Gummimaske naturgemäß nur eingeschränkt.
- „Hier jeder bekommt so einen Metallband um die Hand“, begann Gangolf. Den nächsten Satz verstand er nicht sofort, er fragte nach: „Cosa vol’ dire foca?“

Der Italiener beschrieb in anderen Worten, was er meinte und zeigte Gangolf dabei die Innenseite der Plombierzange mit den auswechselbaren Prägeziffern.
- „Ah, ho capito“, entgegnete Gangolf und übersetzte: „Das Band wird verschlossen mit einem Siegel ... Die Siegelnummer ist eine Bestätigung für die Reinigung ... die muß man vorzeigen bei einer Kontrolle in Österreich ... Also los jetzt, einer nach dem anderen vorgehen.“

Allmählich verschwand auch bei den Männern das beklemmende Gefühl der Nacktheit. Es entstand ein Gefühl der Zusammengehörigkeit, der Wächter dagegen in seinem Ganzkörper-Gummianzug wurde nicht als menschliches Wesen wahrgenommen.
‚Welch ein Widersinn’, kam es Gangolf in den Sinn, ‚>beklemmende Nacktheit<, das ist so, als ob man von einer >freimachenden Fesselung< spräche.’

Da Gangolf dem Wärter zunächst stand, kam er als erster an die Reihe. Erstaunlich geschickt öffnete der Wärter mit seinen in Gummihandschuhen steckenden Finger das Me­tallband, drückte deren flachgepreßte Enden auseinander, führte sie um Gangolfs linkes Handgelenk und brachte nach der vollzogenen Umschlingung die Enden übereinander. Mit der Zange drückte er die flachen Enden zusammen, so daß diese zusammengequetscht wurden. Erstaunlicherweise ergriff der Wärter anschließend auch Gangolfs rechtes
Hand­elenk und verpreßte auch um dieses einen Metallstreifen.

Nacheinander ließen sich nun alle die Metallbänder um die Hände führen; einige Männer murrten zwar, doch sahen sie ein, daß Widerstand zwecklos gewesen wäre, schnell hätte der Wärter wieder seine Kollegen mit der Klingel herbeigeordert und wer weiß, ob diese dann nicht doch einmal von ihren Knüppeln Gebrauch gemacht hätten.

Gangolf ergriff ein zusammengequetschtes Ende von Magdas linkem Band, es war erstaunlich glatt, kein Grat war zu fühlen, welcher zu einer Verletzung an der Haut hätte führen können. Er erkannte in der Mitte des Siegels eine fünfstellige Nummer. Jetzt wurde ihm klar, warum der Wärter nach jeder Plombierung eine Prägeziffer auswechselte; alle wurden fortlaufend numeriert. Magda empfand die Metallbänder um ihre Handgelen­ke als anregende Fessel, es schien, als freute sie das, was alle anderen als Demütigung empfanden. Unbewußt faßte sie sich an den Schritt, sie nahm ihre nackten Schamlippen wollüstig in ihre zarten Finger.

Dem Wärter wurde Magdas Verhalten sofort gewahr, in erstaunlicher Geschwindigkeit wirbelte er herum und beobachtete diese mißtrauisch.
- „Nimm’ jetzt lieber die Finger weg“, raunte Gangolf Magda zu, „sonst meint der gar, du hättest da was.“
Nun wurde auch Magda bewußt, daß das Herumfingern an den Geschlechtsorganen ein Erkennungsmerkmal dieser seltsamen Krankheit war, daß sie sowohl in Caorle, als auch in Bardolino etliche gesehen hatten, die unter dem zwanghaften Trieb litten. Schnell zog Magda ihre Finger weg und blickte mit einer Unschuldsmine den Gasmaskenmann an.
Gangolf machte es stutzig, daß weder beim Betreten des Kasernengeländes, noch jetzt nach erfolgter Numerierung ein Abgleich mit irgend welchen Ausweisen durchgeführt worden war.

‚Vielleicht ein Glück’, dachte er sich, ‚sonst wäre ich wegen meines Alters nicht hereingelassen worden. Und ach ja, beim Anmelden hab’ ich >Magda Armdran< als Namen an­gegeben, dabei heißt die Magda ja eigentlich Anneliese oder so ähnlich, weiß ich gar nicht mehr genau.’
- „So, jetzt sind wir nur noch eine Nummer“, bemerkte Birgit sarkastisch, sie ahnte natürlich nicht, daß das eine geradezu lächerlich-kleine Demütigung war im Vergleich zu je­nen, denen sie in wenigen Minuten ausgesetzt werden würden.

Als die Gruppe auf den breiten Gang hinausbeordert wurde, begannen einige wieder zu murren, ihnen ging das dann doch zu weit, im Adamskleid herumgeführt zu werden. Einige Damen stiegen unwillkürlich auf die Zehenspitzen, als sie von dem Holzboden des Zimmers auf den kalten Steinboden des Flurs traten. Der Wärter zischte etwas in seine Maske, augenblicklich wurde es wieder ruhig, schließlich sahen alle der Tatsache in’s Auge, daß anscheinend eine Ganzkörperreinigung in Form eines Brausebades stattfinden würde.

Doch keiner der jungen Leute ahnte, als sie da im Gänsemarsch nackt den Gang entlang tippelten, wie diese Intensiv-Reinigung aussehen würde.















114. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 29.07.22 23:05

64

Bevor Brause Gangolf in die Mangel nahm, wollte er die Kollegin der taffen Ruderin wegen des angezeigten Fundes auf der Insel befragen, Frau Inge Langohr, nach Aussage von Frau Barbara Bär war diese Zeugin. Ohne sich anzumelden betrat Brause das Gebäude des Umweltamts und verlangte nach Frau Langohr. Seine Uniform und sein gesetztes Alter schafften ihm überall ungehinderten Zutritt, ohne daß er sich hätte ausweisen müs­sen. Seinen Kriminal-Kollegen, die üblicherweise in Freizeitkleidung dahergeschlappt ka­men, hatten es diesbezüglich wesentlich schwerer; man wollte diesen im Allgemeinen nicht sofort Glauben schenken, Polizisten im Dienst gegenüber zu stehen.
Es war Brauses Prinzip, sich nicht erst telephonisch anzukündigen, er suchte den Überraschungseffekt und beurteilte das Verhalten der Befragten, ohne diesen im Vorfeld Gele­genheit auf eine Vorbereitung zu dem Gespräch zu lassen.
Im Geschäftszimmer teilte man Brause mit, daß Frau Langohr auf einer amtsinternen Übung sei und daß man ihm dazu nichts weiter mitteilen dürfte.

- „Nun hören Sie `mal, ich bin hier als Hauptwachtmeister im Dienst und ich war selbst vor zwei Wochen auf so einer amtsinternen Übung, und ich weiß auch, daß ich darüber nicht sprechen darf. Aber es ist jetzt sehr wichtig, daß ich mit Frau Langohr spreche, nicht daß wir sie in irgend einer Weise verdächtigen, verstehen Sie mich jetzt bloß nicht falsch, ganz und gar nicht, aber ich muß sie dringend als Zeugin sprechen. Also wo ist sie auf dieser Notfallübung, so wurde bei der Polizei die Aktion genannt?“
- „Ja also wenn Sie da schon Bescheid wissen, sie ist in Wünsdorf in der Russenkaserne.“
- „Ah ja, da waren wir auch gewesen, jut, hab’m Se `mal vielen Dank, ick fahr’ denn `mal da hin.“

Brause entgegnete im Berlinischen Tonfall, mit dem ihm geantwortet wurde. Als er zum Ausgang schritt, kam ihm Barbara entgegen.
- „Ah, juten Tach, Frau Bär, ich dachte, Sie wär’n ooch uf der Notfallübung, worüber wir neulich sprachen.“
- „Ja, neulich hieß es, daß wir beide da einen Nachholkurs machen sollten, weil wir ja zum Haupttermin auf der Insel waren, aber jetzt hieß es, das ist nur für Beamten, also ich bin ja nur Praktikantin und durfte dann doch nicht mit.“
- „Seien Se froh, daß Sie das nicht mitmachen mußten, wie schon jesagt, aber behalten Se das für sich, ich dürfte das alles gar nicht sagen.“
- „Aber sicher, seien Sie unbesorgt.“

Dienststellenleiter Nisselpriem ließ Brause zwar dessen ehrgeizige Nachforschungen durchführen, für eine Fahrt nach Wünsdorf hatte dieser aber nicht die ausdrückliche Anweisung seines Chefs. Dennoch zwängte Brause fest entschlossen seinen Bauch hinter das Lenkrad des Polizeiautos und brauste los, ohne jemanden Bescheid zu geben.
In dem Hauptgebäude des ehemaligen Kasernengeländes, das bereits die Wehrmacht genutzt hatte, erhielt Brause dank seiner Uniform und seiner stattlichen Erscheinung wiederum problemlos Zutritt. Jemand führte ihn zu einer Übungsgruppe, welche im Freien die Handhabung von Gasmasken trainierte. Während Brause im Hintergrund stehen blieb und das Geschehen von weiten beobachtete, wurde Inge von der Gruppe weggeholt und zu Brause gebracht.
‚Was für ein idiotisches Zeug’, dachte sich Brause und fühlte sich sofort wieder daran erinnert, wie er selbst vor zwei Wochen mit dieser Übung konfrontiert worden war.

Deutlich verunsichert trat Inge zu Brause, dieser griff mit der linken Hand an den Rand seiner Schirmmütze und deutete deren Abnahme an; ganz von alter Schule erwartete er, daß Inge ihm die Hand reichen würde. Diese blickte Brause indes mit leicht geöffnetem Mund an und stammelte nur ein schwaches „Guten Tag.“
Nun streckte Brause seine rechte Hand vor, zögerlich ergriff Inge sie zu einem zarten Händedruck.

- „Ich will Sie gar nicht lange abhalten von der Übung, ich mußte übrigens vor zwei Wochen das auch mitmachen, na ja, ich hoffe, das wird nicht zum Ernstfall, was die uns da beibrachten.“

Inges verspannte Gesichtszüge lockerten sich etwas, doch blieb sie innerlich weiter auf Distanz. Brause spürte das sofort, er überlegte, wie er weitere einleitende Sätze formulieren konnte, bevor er auf das eigentliche Thema kam. Ihm fiel jedoch in der Situation nichts weiter ein, und so fing er ohne weitere Umschweife an:
- „Ich bin hierher gekommen, um Sie zu fragen, wie das auf der Insel im Röthener See war; Sie waren mit Frau Bär auf Naturerkundigungen dort und dabei haben Sie in einer Kiste Geld gefunden. Schildern Sie mir doch bitte kurz aus ihrer Erinnerung, wie sie diese Kiste mit dem Geld gefunden hatten.“

Inge errötete, sie hatte zwar damit gerechnet, wegen dieser Sache von Brause angesprochen zu werden, als sie aus der Gruppe herausgeholt wurde. Doch reichte der Weg von wenigen Metern nicht aus, daß sie sich Antworten auf alle möglichen Fragestellungen des Polizisten zurechtlegen konnte.
Sie stotterte herum:
- „Ja, eigentlich hat zuerst meine Kollegin die Kiste gefunden. Und später hat sie mich dazugeholt und da sahen wir dann das viele Geld darin liegen.“
- „Und wie fand ihre Kollegin die Kiste, stand die einfach so frei sichtbar herum?“
- „Nein, nein, sie war eingegraben.“
- „Und wie fand ihre Kollegin dann die Kiste, wenn die sogar eingegraben war?“

Inge schwieg für eine Weile, sie mußte sich erst besinnen, wie das damals abgelaufen war.
- „Ja da war so ein Mann, der ist da herumgeschlichen.“

Brause bemerkte, wie Inge immer nervöser wurde. Er mußte sie erst einmal beruhigen.
- „Frau Langohr, Sie brauchen nicht ängstlich sein, etwas Falsches aus der Erinnerung heraus zu sagen, ich verstehe, es ist ja schon eine Weile her, also Sie können ganz beruhigt sprechen, das ist keinesfalls hier ein Verhör, damit Sie mich nicht falsch verstehen. Ihre Kollegin Bär hat mir schon vieles gesagt, aber vielleicht hat sie ein Detail vergessen und so möchte ich Sie bitten, mir ihre Erinnerung einfach zu sagen.“

Inge schien etwas beruhigter zu sein, sie antwortete:
- „Der Mann war am Abend auf der Lichtung, als wir am ersten Abend also auf die Insel gekommen waren und da hat er irgend was am Boden gesucht oder irgend etwas `rum gemacht dort.“
- „Aha, können Sie mir den Mann beschreiben, haben Sie ihm in’s Gesicht gesehen, was hatte er an?“
- „Nein, es war schon ziemlich dunkel, wir konnten gar nichts weiter erkennen.“
- „Gut, hat er etwas zu Ihnen gesagt?“
- „Nein, nein, wir waren noch weit weg, im Wald, ich glaub’, er hatte uns gar nicht bemerkt.“
- „Und wie ging es dann weiter?“

Inge legte wieder für eine Gedankenpause ein. Schließlich fuhr sie fort:
- „Ich glaub’, er ist dann weggegangen.“
Als Inge wiederum nicht weitersprach, hakte Brause nach:
- „Wo ging er hin?“
- „Das konnten wir nicht sehen, er ging an unserem Zelt vorbei und verschwand im Wald.“
- „Aha, der Fremde hat also ihr Zelt gesehen, wußte also, daß er nicht allein auf der Insel war.“
- „Äh, das wird wohl so gewesen sein, also er war dann schon weg, bis wir zu unserem Zelt kamen.“

Wieder trat eine Pause ein.
‚Die Bärin war da schon wesentlich auskunftsfreudiger’, dachte sich Brause, ‚und auch längst nicht so zaghaft, so eingeschüchtert wie diese Langohr, obwohl diese gut zehn Jahre älter sein dürfte, noch dazu als Verwaltungsbeamtin doch mit Gesprächsdialogen vertraut sein müßte.’

- „Gut, der Mann war also dann weg und wie kamen Sie dann auf die Kiste?“
Inge blickte ihn mit offenem Mund an, als ob Brause nach einem Mondgestein gefragt hätte. Nach längerem Zögern antwortete sie:
- „Barbara, also meine Kollegin Bär, die ging dann dort hin an die Stelle, wo der Mann etwas am Boden machte, und fand die Kiste.“
- „Schön, und dann haben Sie die Kiste geöffnet, ging das ohne weiteres, sie war doch wohl abgesperrt?“
- „Ja, also nein, sie war nicht abgesperrt, glaub’ ich, Barbara hat sie aufgemacht und sie hat mich dann hingerufen, damit ich das viele Geld sehen konnte.“
- „Aha, und da sind Sie dann hingegangen und haben das Geld gesehen in der Kiste.“
- „Ja“, gab Inge knapp zur Antwort.
- „Wieviel war es denn, grob geschätzt?“
- „Weiß nicht, schwer zu schätzen.“
- „Also bloß ein paar Münzen, oder waren es einige Scheine, größere Scheine vielleicht.“

Inge wurde blaß im Gesicht. Brause bemerkte ihren innerlichen Kampf, den sie mit sich focht.
- „Ist Ihnen schlecht, Frau Langohr?“
- „Nein, nein, geht schon, es ist bloß – bloß die Erinnerung, wissen Sie, auf einmal soviel Geld zu sehen, also das waren viele Geldbündel, also viele Scheine, die gebündelt zusammen waren.“
- „Und Sie sind sich absolut sicher, daß da sehr viele Geldscheinbündel in der Kiste lagen?“

Als Inge diese Frage vernahm, schauderte es sie, ihr Körper zuckte zusammen und sie ließ sich in’s Gras fallen.
Brause winkte einen Kursteilnehmer heran und rief ihm zu, man möge was zu Trinken bringen. Inge nahm ein paar Schlucke aus der ihr gereichten Wasserflasche, worauf sich ihr Zustand wieder stabilisierte.
‚Wie kann es sein, daß so eine simple Frage die dermaßen aus dem Gleichgewicht bringt?’, überlegte sich Brause. Er setzte sich zu ihr auf den Rasen, was ihm mit seiner Leibesfülle nicht einfach fiel.

- „Ja, ist doch wieder recht warm jeworden“, klagte er, „und dat im Oktober, in meiner Kindheit hat das Ende Oktober oft schon jeschneit, so ändern sich die Zeiten.“
- „Ja, der Klimawandel, unverkennbar“, entgegnete Inge. Brause erkannte, daß damit ein unverfängliches Thema angeschnitten wurde, das er erst einmal eine Weile verfolgen wollte, bevor er wieder auf die Geldkiste zu sprechen kam.
- „Frau Barbara, wie heiß sie gleich nochmal?“
- „Bär.“
- „Ach ja, vielen Dank, Frau Bär, mein Jott, mein Jedächtnis läßt so nach, also sie sachte mir, Sie beobachteten die Zugvögel aus Nordeuropa, die dort auf der Insel landen und Zwischenstation einlegen.“
- „Ja, die meisten ziehen dann zwar weiter in den Süden, aber immer mehr bleiben von Jahr zu Jahr hier und überwintern hier. Der Klimawandel ist auch daran unübersehbar.“

Brause atmete innerlich auf, er bemerkte, wie sich der Zustand seiner Gesprächspartnerin deutlich verbesserte, sie wurde bezüglich ihrer Vogeluntersuchungen auf der Insel ge­radezu gesprächig. Mitten in der Unterhaltung hielt sie unvermittelt ein und entschuldigte sich:
- „Davon darf ich Ihnen nichts weiter sagen, das müssen wir leider geheim halten.“
- „Aber natürlich, ich will Sie da wirklich nicht länger bedrängen, so interessant ihre Ausführungen auch sind. Darf ich nochmals auf die Kiste mit dem Geld zurückkommen?“

Wieder huschte ein Ausdruck des Schreckens über Inges Gesicht, doch sie fing sich gleich wieder.
- „Ja bitte, aber ich glaub’, ich hatte alles gesagt.“
- „Nur eine Frage noch, dann hören wir auf damit, sagen Sie, als Sie dann fertig waren mit ihrem Auftrag auf der Insel, haben Sie dann den Mann nochmals gesehen in der Zeit?“
- „Nein, den haben wir nicht mehr gesehen, aber wir waren tagsüber ja am anderen Ende der Insel, bei den Vögeln, dort, wo auf der Insel die freie Fläche ist, am anderen Ende.“
- „Das heißt, der Mann hätte in den Tagen ihrer Untersuchungen durchaus nochmals kommen können zu der Geldkiste, ohne von Ihnen gesehen worden zu sein?“

Erneut verkrampften sich Inges Gesichtszüge. Zögerlich antwortete sie:
- „Ja, das wäre schon gut möglich gewesen.“
- „Bei Ihrem Aufbruch, als Sie die Insel wieder verlassen haben, haben Sie da nochmals nachgesehen, ob das Geld noch da war?“

Inge starrte Brause an und erlitt erneut einen Schwächeanfall. Sie stützte sich mit beiden Armen nach hinten ab, der Teint ihrer Wangen durchlief alle Farben, bis diese schließlich leichenblaß wurden.
- „Hier, trinken Sie nochmal `was“, forderte Brause sie auf.

Nachdem sie einige Schlucke genommen hatte, hauchte sie:
- „Was ist mit dem Geld, ist es denn nicht mehr da?“
‚Jetzt hat sie sich selber verraten’, dachte sich Brause, ‚warum plauderte sie ohne zu zögern munter darauf los, wenn es um die Vogeluntersuchungen ging, aber bei der Frage nach dem Geld in der Kiste reagiert sie dermaßen heftig.’
- „Wie kommen Sie darauf, daß es nicht mehr da ist?“, bohrte Brause nach.
- „Nur so,“ gab Inge einsilbig zur Antwort und schüttelte dabei leicht den Kopf.
- „Hat Ihnen Ihre Kollegin nicht erzählt, daß ich mit ihr auf der Insel war?“
- „Äh ja, stimmt, aber ich konnte nicht mitkommen, ich hatte da an dem Termin keine Zeit.“
- „Schade, wir hätten dann einen anderen Termin nehmen sollen, ist meine Schuld, meine Ungeduld, an dem Sie auch dabei hätten sein können, dann hätte ich Sie nicht hier belästigen müssen.“

Nun gab sich Inge einen innerlichen Ruck, nahm ihren Mut zusammen und stellte eine Gegenfrage, in der Hoffnung, damit aus Brauses Schußlinie zu kommen:
- „Und, war das Geld noch da?“

Inge hauchte die Frage; so laut sie über ihre Vogelerkundigungen plauderte, so leise flüsterte sie jetzt wieder.
Obwohl Brause ihre Frage verstand, bat er:
- „Wie bitte, sprechen Sie doch bitte etwas lauter zu einem alten Mann.“
Inge räusperte sich und sprach etwas lauter:
- „Also ob das Geld noch da war.“
- „Nein“, antwortete Brause mit fester Stimme, „es war nicht mehr da. Und darum fragte ich Sie solange, ob Sie gesehen hätten, ob jemand das Geld aus der Kiste nahm. Eine letzte Frage: Wie hinterließen Sie die Kiste, also lag die mit offenem Deckel dann in der Erde?“
- „Nein“, stammelte Inge, „ich glaub’, Barbara hat den Deckel wieder darüber gelegt.“
- „Das glaub’ ich auch. Und lag der Deckel dann frei sichtbar da oder haben Sie den mit etwas bedeckt, daß man ihn nicht sehen konnte?“

Inge stockte der Atem, sie schüttelte mehrfach leicht den Kopf, atmete schwer durch und stammelte der Ohnmacht nahe:
- „Weiß nich’.“

- „Verdammt, verdammt, verdammt“, brummte Brause vor sich hin, als er nach Lüggen zurückfuhr, „die entlastet Stumpf vollkommen mit ihrem Verhalten. Das muß ich Nisselpriem erzählen, `mal sehen, was der dazu sacht.“

- „Ah, da bist du ja, wo warst du heute so lang geblieben, Olaf“, begrüßte der Dienststellenleiter seinen altgedienten Kollegen.
- „Ich war bei der Langohr, ich sach dir, die hat Dreck am Stecken!“
- „Laß hören!“
- „Also man kann sich mit ihr über ihre Naturforschungszeug wunderbar ganz normal unterhalten, aber sobald ich das Gespräch auf die doofe Kiste brachte, ist die mir zweimal zusammengebrochen. Schließlich mußte ich mich zu ihr ins Gras setzen, weil sie im Ste­hen nicht mehr antworten konnte.“
- „Was, so schlimm, was hast du mit ihr denn angestellt?“
- „Nichts weiter, wirklich, ich wollte nur aus ihrem Mund hören, wie sich die Sache zugetragen hatte, wie die beiden die Kiste mit dem Geld gefunden hatten.“
- „Und was hat sie alles gesagt?“
- „Ich mußte ihr alles aus der Nase ziehen, im Großen und Ganzen stimmten ihre Aussagen überein mit denen von ihrer Kollegin, also das wird sich wohl schon so zugetragen haben, mit dem fremden Mann und so weiter, aber als ich sie fragte, ob das Geld bis zum Schluß noch da war, als sie die Insel nach der Untersucherei verließen, da ist sie mir buchstäblich zusammengebrochen.“
- „Ja, sehr merkwürdig. Aber Olaf, ich weiß, du bist ein sehr engagierter Kollege, aber ich glaub’ nicht, daß du eine Durchsuchungserlaubnis kriegst, bloß weil sie da überreagierte auf deine Frage nach dem Verbleib von dem Geld. Und überhaupt wäre das dann doch die Aufgabe der Kriminaler von Wuselhausen.“
- „Hast recht, und für den Stumpf auch nicht, dem haben wir schon damals tagelang die Bude auf den Kopf gestellt und nur, weil jetzt da Geld auf seiner Insel aufgetaucht war, das aber jetzt wieder verschwunden ist, werden die den Zirkus nicht nochmals veranstalten. Und da möcht’ ich dann auch nicht dabei sein, falls die dann tatsächlich nochmals was veranstalten wollen bei ihm.“
- „Ja klar, versteh’ ich, und vor allem muß erst einmal jetzt eine Anzeige eingehen, daß jemand da sein Geld vermißt.“

Nach einer kurzen Bedenkzeit antwortete Brause:
- „Es wird wohl nie eine Anzeige geben; wenn Sumpf damals den Bankraub an sich genommen hatte und auf der Insel in der Kiste versteckt hielt und das Geld nun mitgenommen hat, weil er sah, daß auf der Insel ein Zelt steht und somit sein Schatz in Gefahr geriet, dann wird er das Geld irgendwo an­ders verstecken. Und wenn es ein anderer aus der Kiste genommen hat, oder eine ande­re, dann wird Stumpf den Verlust seines Schatzes auch nicht anzeigen, denn sonst fiele der Verdacht ja sofort auf ihn, daß es sich um das Geld von dem Bankraub handelte, so sehr es ihn ärgern würde, daß das Geld weg ist.“

Nisselpriem verschränkte die Hände hinter den Kopf. Fassen wir zusammen:
- „Das Geld des rechtmäßigen Eigentümers wechselte also mehrfach den Besitzer: Nach dem Bankraub hatten es die beiden Motorradfahrer-Räuber, aber nur kurze Zeit, denn als diese bei der Flucht aus der Kurve flogen, kam jemand, vermutlich Stumpf, nahm denen das geraubte Geld ab und verschwand damit. Nun haben die beiden Naturforscherinnen eine Kiste auf der Insel gefunden, die dem Stumpf gehört, also die Insel meine ich, und damit wahrscheinlich auch die Kiste mit dem Geld. Habe ich das soweit richtig verstanden?“
- „Ja, so ist es.“

Nisselpriem fuhr fort:
- „Und als du wenige Tage später auf die Insel kamst, um die Kiste zu erkunden, war das Geld daraus fort. Und es gibt zwei Möglichkeiten: Sie war getarnt, lag also nicht offen erkennbar in der Erde, somit konnte nur der die Stelle mit der Kiste kennen, der die da selber vergraben hatte, oder eben die beiden Damen, die diesen beobachteten, wie dieser die Kiste, sagen wir mal, besuchte.“
- „Richtig, also kann es wohl nur der Fremde herausgenommen haben, oder eben die Langohr, die sich als Langfinger betätigte. Die Bär hat den Fund ja gemeldet, die scheidet aus, die führte uns auch vollkommen arglos und unerschrocken zu der Kiste und sie war auch echt überrascht, als sie leer war. Nun ja, du hast recht, jetzt warten wir `mal ab, ob jemand eine Anzeige aufgibt, ich schreib’ den Bericht und das war’s dann für uns derweil.“
- „Ja, Olaf, so ist das nun `mal, immerhin ist es kein Kapitalverbrechen, an dem du da dran bist beziehungsweise warst. Um wieviel handelte es sich eigentlich?“
- „Bei was?“
- „Ja bei dem Geld.“
- „Also die Bär schätzt mindestens Zehntausend, der Bankraub war Vierzigtausend.“
- „Hm, könnte schon hinkommen, nun ja, jetzt schau’n wir erst `mal, wie wir den Condoma überstehen.“
- „Glaubst du wirklich, der wird kommen?“
- „Ja klar, in Italien ist er schon massiv, und dann schleppen ihn die Urlauber auch bei uns ein, da können die Ösis Quarantänestationen aufbauen, soviel sie wollen.“
- „Hm, könnte einem Angst werden“, sinnierte Brause, „für solche Fälle wäre der alte Zaun jetzt nicht schlecht.“
- „Ach red’ doch keinen Blödsinn, dann hätten wir DDR-ler den Virus halt über Ungarn eingefangen!“

Brause plauderte mit seinem Chef noch eine Weile über die alten Zeiten, über ihre Jugendzeit und ihre Jugendweihe. Er nahm sich vor, am nächsten Tag den Abschlußbericht zu dem mysteriösen Schatzfund zu schreiben. Dennoch wollte er nochmals Stumpf mit der Kiste auf dessen Insel konfrontieren; Brause konnte immer noch nicht an den Zufall glauben, weil damals Stumpf im starken Verdacht stand, den Bankräubern das Geld ab­genommen zu haben. Da trotz intensiver Suche das Geld nicht auf dessen Hof gefunden worden war, mußte man ihn laufen lassen und den Fall abschließen. Jetzt taucht das Geld wieder auf, wer hätte sonst außer ihm das Geld auf der Insel versteckt, er, der als Eigen­tümer einzig Zugangsrecht zu der unter Naturschutz stehenden Insel hatte.

Brause ahnte natürlich nicht, daß Gangolf für die in Frage kommenden Tage, an welchen das Geld aus der Kiste weggenommen worden war, ein hieb- und stichfestes Alibi vorweisen konnte.



















115. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 06.08.22 04:32

65

Als die Achter-Gruppe im Gänsemarsch den langen Gang in dem Kasernengebäude Richtung Hinterausgang entlangtippelte, kam ihr eine andere Gruppe entgegen, gleichfalls vollkommen nackt. Die Mitglieder dieser Gruppe bewegten sich indes nicht im übli­chen Sinn, sie taumelten und strauchelten vielmehr schwerfällig an der Wand entlang, viele stützten sich mit einer Hand an der Mauer ab. Ihre Gesichtsausdrücke waren zu einer Grimasse erstarrt, die Augen glotzten teilnahmslos aus ihren Höhlen.

- „Schau’ `mal“, entsetzte sich Birgit, „wie kommen denn die daher!“
Gangolf und die anderen Mitglieder seiner Gruppe waren auch tief betroffen beim Anblick der zutiefst geschwächten Kreaturen, jäh kam ihm in Erinnerung, daß er beim Ab­steigen von seinem Motorrad in einer Ecke des großen Kasernenhofs einige Menschen ge­sehen hatte, die anscheinend völlig erschöpft an der Wand des Kompaniegebäudes auf dem Boden kauerten. Einzig Magda ging ungerührt weiter, sie hatte schon ganz andere Erniedrigungen über sich ergehen lassen, nach deren Verabreichung sie sich praktisch überhaupt nicht mehr bewegen konnte.

Am Ende des langen Korridors angelangt öffnete der Wärter die Tür in’s Freie und zeigte Birgit, welche in der Gruppe voranging, die nächstliegende Baracke. Gangolf erkannte sofort, um welches Gebäude es sich handelte; zu seiner Bundeswehrzeit nannte man es zy­nisch >Café Eichmann<.
‚Daß die Italiener das auch haben’, wunderte er sich, ‚ich dachte, nur wir Deutschen sind da so d’rauf mit dem Gas.’

Als der Wärter die schwere mit zwei großen Vorreiber-Riegeln verschlossene gasdichte Metalltür öffnete und seine Schützlinge auf Italienisch anwies, für jene unverständlich, durch die enge Öffnung sich zu zwängen, lief den meisten ein kalter Schauder über den Rücken:
‚So mußten sich die Juden gefühlt haben, als sie in die Gaskammern geführt wurden, zur >Reinigung<, wie es zynisch hieß, und so eine >Reinigung< machen die jetzt auch mit uns, wie das aussieht, vielleicht nicht gleich tödlich, aber wenn man die entsetzlichen Gestalten angesehen hat, wie diese uns entgegenkamen, das sagt ja schon alles!’

Gedanken dieser Art schwirrten den Eintretenden durch die Köpfe, doch wurde die allgemeine Aufmerksamkeit schnell auf den Boden der Tatsachen gelenkt, nämlich auf den Fußboden, der mit Metallgittern ausgelegt war. Einige schmale Bretter waren auf der Git­terfläche ausgelegt, Birgit, Magda, Gangolf und alle anderen hinter ihnen setzen vorsichtig Fuß vor Fuß auf die schmalen Hölzer, um nicht daneben zu treten.

- „Was ist denn das nu’ wieder für eine Schikane“, empörte sich jemand weiter hinten aus der Gruppe. Er wußte natürlich nicht, daß die eigentliche Schikane noch käme, daß das barfüßige Jonglieren über die Holzbretter geradezu ein Lustwandeln war im Vergleich zu dem, was ihnen unmittelbar bevorstünde.

Mit mulmigen Gefühlen betrachteten die Eintretenden die gefliesten Wände des in fahlem Licht gehüllten Raumes, auch der Boden unter dem Metallgitter war mit Fliesen be­legt, über welchen Rohre und Schläuche verliefen. Von der Decke hingen Gummimasken mit jeweils zwei Faltenschläuchen und einem dünneren glattwandigen Schlauch von der Decke herunter. Gangolf blickte zu der Decke hinauf und gewahrte eine Menge von Seilen und Umlenkrollen. Aber auch auf dem Boden gab es ungewöhnliche Dinge zu bestaunen; hinter den Trittbrettern lagen weitere Schläuche, deren Enden zwischen den Quadraten der Gitter hindurchgeführt waren. Er ahnte Unheilvolles und natürlich sollte er recht behalten.

Als alle in der Kammer waren und hintereinander auf den Brettern zu stehen kamen, wurde die schwere Eingangsluke mit einem dumpfen Aufschlaggeräusch geschlossen. Aus einer Ecke traten weitere in dicke Schutzanzüge eingeschweißte Wärter heran, die dicken Sohlen ihrer Gummistiefel ermöglichten ihnen, problemlos über die schmalkantigen Quadrate des Metallgitters zu gehen.
Es ertönten Befehle, bevor Gangolf sie übersetzen konnte, kamen die Wächter schon heran und drehten die Körper der hintereinander Stehenden um 90 Grad herum, so daß diese jetzt nebeneinander standen.

Nun galt es sich darauf zu konzentrieren, was die Anführer, durch ihre gewaltige Schutzausrüstung allem Menschlichen entrückt, mit den ängstlich Dastehenden vorhatten.
Der Wächter, welcher die Gruppe angeführt hatte, forderte Gangolf auf, zu übersetzen. Dieser tat, wie ihm befohlen: - - „Mund weit aufmachen“, dolmetschte er.

Kaum waren die Leute der Aufforderung nachgekommen, griffen die Wächter nach den Masken und stülpten diese jenen über den Kopf. Gangolf konnte gerade noch sehen, daß sich im Inneren der Maske anstelle des Mundraums oberhalb des Kinnpolsters ein Rohr mit ovalem Querschnitt befand. Jetzt begriff er die Aufforderung nach den geöffneten Mündern. Schnell klappte er seinen Unterkiefer nach unten, schon drückte der mit ihm sich be­schäftigende Wärter die Maske auf sein Gesicht, das Rohr im Inneren rutschte weit in sei­ne Mundhöhle.

Nur bei den wenigsten klappte das Maskenaufsetzen auf Anhieb, die meisten hielten ihre Münder verschlossen. Die jeweiligen Wächter drückten schonungslos das Kinn der Verängstigten nach unten oder bohrten kräftig in deren Backen, so daß der Kiefer nach unten gedrückt worden war. Mit einem Ruck wurden die Riemen festgezurrt, jeglicher verbaler Widerstand wurde zwecklos, da durch das Rohr, das auf der Zunge zu liegen kam und fast bis zum Ansatz des Rachens reichte, ein Sprechen nur noch zu einem hilflosen Lallen wurde.

Glücklicherweise war das Rohr aus einigermaßen weichem Gummi mundgerecht geformt. Dennoch mußte sich Gangolf stark konzentrieren, nicht dem Würgereiz zu unterliegen und durch panische Schluckreaktionen in Atemnot zu geraten. Er war ganz mit sei­ner überaus befremdlichen Situation beschäftigt, daß er seine neben ihm Stehenden nicht beachtete. Magda hingegen fand auch diese Aktion äußerst anregend, wieder griff sie sich genußvoll in den Schritt, schwippte erregt auf die Zehenspitzen und tippelte freudig umher. Sie genoß das weiche Gummirohr auf ihrer Zunge, sie stellte fest, daß dieses we­sentlich angenehmer und damit lustvoller zu spüren war als Martinas harte Ballknebel.

Gangolf wurde klar, was es mit den drei Schläuchen aufsich hatte, an welchen die Masken von der Decke baumelten; die beiden Faltenschläuche dienten der Einatem- und der Ausatemluft, während der glatte Schlauch wohl in den Rachen führte. Er ahne Schlimms­tes, daß durch diesen eine Art Zwangsernährung durchgeführt würde. Ganz und gar nicht klar war ihm hingegen, warum das notwendig wurde, mit Sorge erfüllt überlegte er sich, ob die Behandlung, die sogenannte >Intensivreinigung< so lange dauern würde, daß während deren Dauer eine Nahrungsaufnahme notwendig würde.
‚In dem Anmeldeformular stand doch was von einer Stunde’, erinnerte er sich beglommen. ‚Und warum diese Dichtheitsprüfung, spinnen die denn ganz?’

Gangolf bekam nicht lange Zeit, sich innerlich zu empören, die nächste Aktion stand bevor: Die Wächter senkten die über Umlenkrollen an der Decke geführten dünnen Seile herunter, an deren Enden Karabinerhaken angebracht waren. Mit ihren in Gummihandschuhen steckenden Händen ergriffen sie die Handgelenke der nun vollkommen verängs­tigt dastehenden Leute und hakten die Seile in die Metallbänder ein, mit welchen sie nach dem Entkleiden beringt wurden.

Zu Gangolfs größter Überraschung wurden nun auch noch isolierte Elektrodrähte mit verschiedenen Farben von der Decke heruntergelassen, an deren Enden sogenannte >Krokodilklemmen< befestigt waren. Diese Klemmen funktio­nierten ähnlich wie Wäscheklammern, nur waren sie aus Metall, damit sie den Strom leiten konnten. Die meisten kannten diese Klemmen von den Überbrückungskabeln, welche zur Starthilfe bei leeren Autobatterien verwendet wurden, allerdings waren hier diese Krokodilklemmen wesentlich kleiner. Die Klemmen wurden nun an die Metall­bänder angeklemmt, zusammen mit den Karabinerhaken verengte sich dadurch deutlich der Spielraum zu den Handgelenken.

Als die Hände aller auf diese Weise präpariert worden waren, gab es zwischen den Wächtern eine längeres Palaver. Neugierig betrachteten die Betroffenen ihre auf diese Art gefesselten Hände, wagten indes nicht, etwa die Klemmen, gar die Karabiner zu lösen. Plötzlich wurden die Seile nach oben gezogen, mithin die daran hängenden Hände. Das Ganze lief ziemlich geräuschlos ab, denn keiner konnte wegen des Gummischlauchs im Mund einen Protest loswerden, die Einatem- und Ausatemluft entwich in aller Stille durch die Schläuche.

Irgendwann waren die Hände so weit in die Höhe gezogen, daß die Gefesselten kurz davor waren, das Gleichgewicht zu verlieren. Nun vernahm man gedämpfte Stöhnlaute aus den Masken, doch es half nichts, unbarmherzig zogen die Wächter die Seile immer weiter in die Höhe. Die ersten stiegen auf die Zehenspitzen; als auch diese Maßnahme nichts mehr half, sahen sie sich gezwungen, das Brett, auf welchem sie bislang standen, zu verlassen und einen fußbreit nach vorne zu steigen. Die meisten wollten sofort wieder den Fuß auf das Holz zurückziehen, denn die schmalen Kanten des Metallgitters bohrten sich schmerzhaft in die Fußsohlen.

Die Wärter sahen diese Reaktion voraus, sie unterbrachen für eine Weile das weitere Aufziehen. Nachdem sich die Körperhaltung der Gepeinigten wieder einigermaßen stabilisiert hatte, bemerkten diese jedoch den sich immer weiter steigernden Schmerz in den Handgelenken, denn die metallenen Bänder schnitten merklich in die Haut ein. Um diesen Unbill zu entgehen, tasteten sich die meisten nun doch mit den Füßen vor auf das gleich­falls schmerzhaft drückende Metallgitter; ein paar Mal ging es noch vor und zurück, bis sie Wärter wieder begannen, die Seile noch weiter in die Höhe zu ziehen. Es blieb allen nichts weiter übrig, als die Bretter endgültig zu verlassen und mit dem unbequemen Untergrund vorlieb zu nehmen.

Bevor Einzelne es sich nochmals anders überlegen konnten, kickten die Wärter die Bretter mit ihren Stiefelspitzen nach hinten weg, somit unerreichbar für die sich in den Seilen Windenden. Bei einem löste sich eine Krokodilklemme, sie rutschte von dem Metallband weg und baumelte unkontrolliert an dem Draht herum. Nach einer Weile bemerkte einer der Wächter dieses Unglück; mit einem Fluch stürmte er heran, ergriff die Klemme, streckte sich, so weit er konnte, stellte sich auf die Zehenspitzen, was in den dicken Gummistiefeln nicht einfach war, aber es reichte nicht: Der kleine Italiener war dem aus­gestreckt dastehendem Germanen unterlegen.

- „Proca puttana“, hörte Gangolf den Wächter fluchen, dieser ließ die Klemme wieder fallen, ging zur Wand zurück und löste das Seil des Betreffenden, so daß sich dessen eine Hand herabsenkte. Der kleine Italiener trat wieder hinzu, schnappte sich die Klemme, öffnete ihr Krokodilmaul und ließ die gezackten Metallzähnchen in das Band beißen. Für den Betroffenen war die Entspannung schnell vorbei, kraftvoll wurde seine Hand wieder emporgezogen und gleich noch weiter, so daß er sich genötigt fühlte, auf die Zehenspitzen zu stei­gen. Auch den anderen blieb diese Pein nicht erspart, die Hände wurden gnadenlos immer weiter nach oben gezogen. Kaum waren die Fußsohlen einigermaßen an den har­ten Auftritt auf den Metallquadraten gewöhnt, mußten sie sich von diesen verabschieden, die Fersen immer weiter abheben und das gesamte Körpergewicht auf den Zehenballen verlagern, damit nicht die Metallbänder an den Handgelenken allzu schmerzhaft einschnitten.

Irgendwann stellte sich ein Gleichgewicht des Schmerzes ein, jenem der auf den schmalkantigen Metallstegen des Gitters stehenden Zehen zu dem der in den Metallbändern eingeschnürten Händen. Wieder war Magda die Einzige, welche diese absolute Hilf­losigkeit genoß; sie wand sich genußvoll in ihren Fesseln hin und her, bewegte ihren Oberkörper vor und zurück, drehte sich bald nach links, bald nach rechts herum und konn­te gar nicht verstehen, daß ihre Nachbarn so stock und steif in den Seilen hingen. Durch Magdas Bewegungen aufmerksam geworden bewegten Birgit und Gangolf die Köp­fe etwas zur Seite, um Magda bei ihren Tänzeleien beobachten zu können; es war jenen nicht klar, ob sich diese aus Schmerz oder aus Lust in den Fesseln wand.

Einige der Gefesselten bereuten bereits, sich für die >Intensiv-Reinigung< entschieden zu haben, ‚was hat das mit einer Reinigung zu tun’, empörten sie sich innerlich, ‚das ist eine reine Quälerei, immerhin bleibt uns das Eingesperrt werden erspart, sechs Wochen, die spinnen doch total, und das jetzt hier ist doch alles Placebo, wir sollen dann glauben, irgendwie von einem Virus gereinigt zu sein, so ein Mist.’

Auch Birgit machte sich Gedanken, sie erinnerte sich an die zweisprachigen Hinweisschilder: ‚Stand da nicht was auf Italienisch von >Polizia intensiva<, heißt das denn nicht so was wie >Polizei intensiv
Allmählich gewöhnten sich die Gefesselten an ihre dramatische Lage, die Blutzirkulation in den Händen ließ nach, das Taubheitsgefühl dagegen nahm stark zu, alle versuchten, sich möglichst wenig zu bewegen, um den Schmerz nicht spürbar werden zu lassen. Die Fußmuskulatur begann zu verkrampfen, Gangolf wurde klar, daß diese Tortur für Ältere nicht zu durchstehen war, im wahrsten Sinne des Wortes, er hatte mit seinen 32 Jahren bereits schwer zu kämpfen, obwohl er durch seine Ruderei und seiner Dachsteigerei durchaus bei Kräften war.

‚Wie lang soll das jetzt noch dauern?’ war der allgemeine Tenor der Aufgezogenen, sie merkten nicht, wie ihre Wahrnehmung allmählich schwand, mit dieser der Schmerz, einigen fielen bereits die Augen zu.










116. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 12.08.22 22:27

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Er hatte es nicht anders erwartet, dennoch konnte sich Polizeihauptmeister Brause einen leichten Anfall eines Ärgers nicht erwehren, daß Gangolf weder auf seinem Handy, noch auf seinem Festnetzanschluß erreichbar war. Brause wollte Gangolf zu einem Beratungsgespräch hinsichtlich Photovoltaikanlagen einladen mit dem Hintergedanken, im Lauf des Gesprächs Andeutungen einfließen zu lassen, was die Kiste mit dem Geld auf der Insel des Röthener Sees betraf. Er hoffte, durch dessen Reaktion beiläufig zu einer Einschätzung zu gelangen, ob Gangolf etwas von dem ominösen Schatz wüßte.

Brause kam Magda in den Sinn: 'Die werd' ich anrufen, die stecken doch oft zusammen.'
Doch auch Magda ging nicht an das Telephon, weder am Festnetz, noch am Handy. 'Eigentlich müßte sie am Handy stets erreichbar sein', sinnierte Brause, 'das ist eine Bedin­gung für den erweiterten Aufenthaltsradius der Überwachten.'
Anderseits war ihm klar, daß es tausend Gründe gab, gerade nicht erreichbar zu sein und so gab er es wieder auf, nach Magda zu forschen.
'Es geht um diesen Stumpf', sagte sich Brause, 'den möcht' ich nochmals erwischen, so schnell geb' ich nicht auf, da kann der Nisselpriem noch so viel sagen von wegen abgeschlossener Fall, nicht für mich!'

Eigentlich war für Inge Langohr der als "Notfallübung" deklarierte Lehrgang als Beamtin eines Umweltamts nach drei Tagen beendet, die meisten anderen Teilnehmer kamen aus den Gesundheitsämtern, diese hatten zusätzliche Ausbildungseinheiten. Inge beschloß, das Angebot anzunehmen und mit den Gesundheitsämtlern noch zwei Tage in Wünsdorf zu bleiben. Am Wochenende würde sie sich dann um ein neues Auto umsehen, sie hatte schon verschiedene Testberichte gelesen. Sie wollte endlich mobil werden, auto-mobil; so überzeugt sie bisher eine Umweltaktivistin mit entsprechend eingeschränktem Lebensstil war, machte ihr der Einsatz hier auf dem flachen Land bewußt, wie schwierig es war, sich ohne Auto auf längeren Strecken fortzubewegen.

Die Kursteilnehmer wurden an den letzten beiden Tagen aufgeteilt nach Frauen und Männern. Nach einigen einleitenden Sätzen kam die Dozentin auf das Thema zu sprechen:
- "In den vergangenen Tagen hatten wir gelernt, das Virus vorbeugend abzuwehren, also das Infektionsrisiko zu verringern, hauptsächlich durch die Atemschutzvollmasken. Als Beamtinnen sind wir alle verpflichtet, die hoheitlichen Aufgaben des Staates zu erfüllen. Der Staat hat neben seinen hoheitlichen Befugnissen aber auch die Pflicht, für die Unversehrtheit der Bürger zu garantieren, also für die Gesundheit, und im Falle einer Krankheit die Möglichkeit zu bieten, wieder zu gesunden.

Gehen wir heute der Frage nach, wie die Infizierten, also die Betroffenen des Condoma-Virus, mit dieser furchtbaren Krankheit umgehen und wie wir eingreifen können und müssen, sie in ihrem Leiden das erträglicher zu machen. Studien aus Taiwan zeigen, daß die einzige wirksame Therapie das Verschließen der Genitalien ist. Man fand heraus, daß durch das Reiben weitere Virenstämme angeregt werden, sich zu vermehren. Die Betroffenen müssen also gehindert werden, sich an den empfindlichsten Körperstellen, die der menschliche Körper aufweist, zu reiben. Wie das funktionieren kann, sehen wir an der folgenden Bildergalerie.“

Das Licht im Saal wurde verdunkelt, eine >Powerpoint<-Präsentation wurde gestartet. Viele Teilnehmerinnen wandten sich ab, sie wollten nicht sehen, was ihnen hier gezeigt worden war.

Die Dozentin gab Erklärungen zu den jeweiligen Bildern ab:
- „Und hier sehen wir die verschiedenen Größen der Schrittbänder. Anders als bei den Masken, wo es nur fünf verschiedene Größen gibt, müssen die Dinge an jeder einzelnen Betroffenen angepaßt wer­den, nicht nur, was das Schrittband anbetrifft, sondern auch, wie die Taillenbänder aus­sehen. Unsere Unterkörper sind so vielfältig-verschiedenen, wir kennen das vom Hosenkauf, also bei mir jedenfalls ist das immer so eine Sache, bis ich zu einer wirklich gut passenden komme, die weder zu eng ist, noch zu weit herumschlabbert.“

Inge fiel sofort auf, daß die Dozentin eindeutig zuviel redete; bis diese ihren Schwall los wurde, war bereits das nächste oder übernächste Bild in dem automatisch weiterlaufendem Lichtbildervortrag zu sehen. Immer wieder sah sich die Dozentin gezwungen, manuell zurückzutippen, um zu al­len Bildern ihren Kommentar abzugeben.

- „Die Männer drüben haben es bezüglich der Größen einfacher, da gibt es für das Rohr nur eine Einheitsgröße, wo ihr Pimmel hinein muß. Anderseits möchte ich nicht mit ihnen tauschen müssen, denn dieses Rohr hängt dann steif eingespannt da drinnen, sollte es sich erregen, wird es wohl recht schmerzhaft drücken. Da haben wir es schon besser, das Teil schmiegt sich in der Regel gut an und ist dann von außen unter der Hose nicht sichtbar.

Wenn nun die betroffene Frau trotzdem dem Juckreiz unterliegt, wird das nichts aus­machen, denn durch den Stahlstreifen hindurch können die Schamlippen nicht massiert werden, die Virenproduktion wird nicht angeregt. Ohne diese Verhinderung bliebe die feuchte Aura im Höschen lange erhalten; wenn beim Ausziehen dann andere Menschen in der Nähe wären, würden diese unweigerlich infiziert. Das Schlimme ist, daß sich diese Viren so lange in dem feuchten Medium halten, nicht ohne Grund gaben die Engländer dem Vi­rus den Namen Condoma-Virus.“

Viele Teilnehmerinnen hofften, mit dem Ende der Bilderschau wäre auch das abscheuliche Thema Therapie beendet, zumindest mit den vorgestellten Methoden. Doch sie wur­den enttäuscht: Es folgte ein praktischer Anschauungsunterricht.

- „Ich brauche jetzt `mal eine Probandin, um zu zeigen, wie man Maß nimmt.“
Im ersten Augenblick genierten sich alle Teilnehmerinnen und blickten suchend nach links und nach rechts, ob sich eine der Anwesenden melden würde. Nach einer kurzen Wartezeit ging die Kursleiterin auf Inge zu und lächelte sie an, während sie das Wort an diese richtete:
- „Sind Sie nicht von einem anderen Amt, also nicht eine Beamtin eines Gesundheitsamts?“
- „Ja, richtig, soll ich jetzt doch lieber gehen?“
- „Nein, nein, im Gegenteil, machen Sie die Probandin.“
Inge erwiderte das Lächeln der Kursleiterin und nickte:
- „Ja gut, also was muß ich tun?“

- „Verrätst du mir deinen Namen?“, wandte sich die Kursleiterin an Inge, „ich darf doch Du sagen?“
- „Ja, natürlich“, stotterte die Angesprochene, „ich heiße Inge“.
- „Inge, schön, danke.“

Die Kursleiterin dachte sich, wie ausgerechnete diese schöne junge Frau den Namen >Inge< hatte; mit diesem Namen suggerierte sie ein biederes Dasein, Keuschheit.

‚So hießen doch unsere Großmütter und Großtanten’, dachte sich die Kursleiterin und fuhr fort:
- „So, am besten, alle bilden jetzt eine großen Halbkreis, damit alle sehen können, wie wir das da machen. Nehmt also bitte eure Stühle und setzt euch hier vorn im Halbkreis herum.“

Während die Kursteilnehmerinnen mit ihren Stühlen nach vorne kamen, bat die Kursleiterin Inge, die Hose auszuziehen. Inge blickte im ersten Moment etwas verdutzt, kam aber dann doch der Aufforderung nach. Sie streifte ihre Sneakers von den Füßen, als sie indes an den Hosenbund griff, den Knopf zu lösen, huschte eine leichte Rötung über ihre Wangen.

Die Kursleiterin nahm ihr die Hose ab und legte diese über eine freie Stuhllehne. Nervös richtete sich Inge auf, die Zuschauer im Halbkreis betrachteten sie voll Anerkennung, wie sie da mit weißem T-Shirt, weißem Slip und weißen Söckchen in der Manege stand.
- „Im Grund genommen ist alles sehr einfach“, ergriff die Kursleiterin wieder das Wort und ein Maßband, das sie um Inges Taille schlang, „gerade so, wenn man die Größe für eine neue Jeans ausmißt: Zuerst den Umfang und dann die Schrittweite.“
Sie wiederholte die gewonnenen Maße und schritt zu dem länglichen Tisch, auf welchem die Keuschheitsgürtel in verschiedenen Größen nebeneinander lagen. Sie griff nach einem, der den Maßen am nächsten kam und zeigte ihn den Kursteilteilnehmerinnen vor:
- „Also der hier könnte am besten passen, muß man halt ausprobieren, wie beim Neukauf einer Hose.“
Sie nahm das Teil, ging damit zu Inge und legte dieser das Hüftband um.

- „Im echten dann, also mit der infizierten Person, dann hat diese natürlich keinen Slip an, und dann muß man das auch mit Gummihandschuhen und Gasmaske machen.“
- „Oh ja toll“, rief eine der Zuschauerinnen, „das möcht’ ich seh’n!“

Die Kursleiterin sah etwas verwundert auf und meinte:
- „Na ja, `mal seh’n, ob unsere Inge da einverstanden wäre.“

Inge errötete wieder, sie spürte ihre Erregung wachsen.
- „Also das Hüftband paßt schon `mal perfekt, würde ich sagen“, fuhr die Leiterin fort, „sei so gut und halt’ das `mal da zusammen, derweil ich das Schrittband heraufziehe.“

Inge hielt die Enden des Hüftbandes in der Nähe ihres Nabels fest, während die Kursleiterin das Schrittband nach oben zog und das Ende mit den Laschen am Nabel entlang zog.

- „So, das hätten wir“, sprach die Leiterin und drückte die Laschen des Schrittbands von hinten durch die entsprechenden Schlitze des Hüftbands. Auf diese Weise waren alle drei Metallbänder mit ihren Enden aneinander verbunden. Dann drückte sie die längliche Abdeckung mit dem integrierten Schloß auf die zentrale Verbindung, welche mit einem hör­baren Klacken einschnappte.
- „Also ich denke, der paßt wirklich sehr gut, wichtig ist halt das richtige Maßnehmen. Wie fühlst du dich, Inge?“

Inge stotterte leicht: „Ja also gut, ja, glaub’ ich, gut.“
Die Kursleiterin fuhr fort: „Wichtig ist halt, daß die Bänder nirgends drücken, aber zu locker dürfen sie natürlich auch nicht hängen, damit die Infizierte nicht mit den Fingern dann doch noch hindurchfummelt und sich ihre Schamlippen aufreibt. Laß’ `mal sehen, ja das sieht gut aus“, meinte sie und betastete das Schrittband.

- „Wie sieht es dann mit der Reinigung aus und überhaupt, wenn man `mal muß mit dem Ding?“, wollte eine Teilnehmerin wissen.
- „Ja, wie gesagt, man trägt den Gürtel ja auf der blanken Haut, da muß man halt kräftig mit einem Strahl unter der Dusche hineinhalten, da unten durch die Löchlein läuft das Wasser dann wieder heraus, und nicht nur das Wasser. Ja und unten, würdest du dich bitte `mal umdrehen und bücken, daß wir sehen können, wie das Schrittband von unten aussieht, ja, seht ihr, da ist ein großes Loch für das große Geschäft, da muß man natürlich auch stark den Brausestrahl hineinhalten, damit dort jeder Dreck gleich weggespült wird.“

- „Und diese ganze Anlegeprozedur soll dann mit Gummihandschuhen und Gasmaske erfolgen?“, wollte wieder jemand wissen.
- „Ja klar, denn von der Infizierten geht ja eine starke Ansteckungsgefahr aus, das haben wir die vergangenen Tage gehört, da ging es um Prävention für die Allgemeinheit, und hier geht es eher um den Schutz der Betroffenen. Und dann müssen Sie wissen, daß sich wahrscheinlich die betroffenen Personen nicht gern freiwillig den Gürtel anlegen lassen wollen, sie werden sich wehren und dagegen müssen wir zusätzliche Maßnahmen ergreifen. Sie kommen mir zuvor, denn ich wollte jetzt genau das vorschlagen, daß ein jeder von Ihnen jetzt die Übung absolviert, und zwar unter echten Bedingungen, also mit Gum­ihandschuhen und Masken.“

Ein Raunen durchzog den Raum und bevor es zu einer allgemeinen Bestürzung kam, forderte die Kursleiterin auf:
- „Also holt euer Zeug und los geht’s, eine nach der anderen kommt d`ran!“

Inge nahm ihren ganzen Mut zusammen und stammelte: „Soll ich dann auch meinen Slip ausziehen?“

Als die Kursteilnehmerinnen wieder hereinkamen, mit den Gasmasken auf dem Gesicht und den Gummihandschuhen über den Fingern, starrten sie auf eine nackte Versuchsperson, die ohne Söckchen, Slip und T-Shirt, die Hände in Handschellen auf dem Rücken ge­fesselt, wehr- und hilflos vor ihnen stand.




















117. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 19.08.22 21:06

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Das durch die Einatemschläuche eingeführte Gas entfaltete seine beruhigende Wirkung. Den grausam in der Kammer aufgespannten Kreaturen entglitt die Wahrnehmung, mit dieser das Schmerzempfinden. Gangolf empfand es als ein leichtes Kitzeln, als ihm ein Schlauch in das Poloch gestoßen wurde. Er verspürte zwar deutlich, wie eine kühle Flüssigkeit von unten in seinen Leib hineindrückte, doch war er nicht mehr zu einer Entscheidung fähig, ob dieser Einlauf sich angenehm oder unangenehm anfühlte. Das gleiche galt für die Flüssigkeit, welche durch das Gummirohr in der Maske in seinen Rachen lief. Er drehte sich leicht zur Seite, um Magdas Reaktion zu beobachten. Auch diese schien sich beruhigt zu haben, sie hüpfte nicht mehr herum, sondern stand in einer Reihe mit allen anderen in der Gruppe steif da, die gefesselten Hände an den Seilen nach oben gezogen, auf den Zehen auf den harten Metallrippen stehend waren die Körper zum Zerreißen ge­streckt. Der Atem ging schwer, die Ventilplättchen in den Maskenkörpern bewegten sich schnell auf und zu, um beim Einatmen die Luft aus dem einen Schlauch zu lassen, die Ausatemluft dagegen dem andern Schlauch zuzuführen.

Gangolf begann zu Schwitzen, mit ihm die Leidensgenossen rechts und links neben ihm. Zunächst begriff er nicht, woher die Hitze stammte, er blickte sich um, erkannte indes keine Wärmequellen, im Gegenteil, die Wächter standen offensichtlich ganz entspannt in ihren dicken Gummianzügen herum. Die Wärmeentfaltung in seinem Körper mußte demnach auf eine andere Weise erfolgen. Es bedurfte eine große Konzentrationsanstrengung, in den Umständen, in welchen er sich befand, klare Gedankengänge zu entwickeln.

Nach einer Weile machte er sich einen Reim darauf: ‚Das muß der Strom sein, den sie uns durch den Körper jagen, ja, jetzt spüre ich ihn ganz klar, einmal gelangt er über den linken Arm in den Körper, ein andermal durch den rechten. Aber warum nur Wärme und nicht die typischen Stromschläge, welche die gefürchteten Zuckungen hervorrufen?’

Gangolf verfolgte die wechselweise links und rechts hindurchziehenden Wärmewogen und hatte schließlich die Lösung: ‚Das müssen hochfrequente Ströme sein, nicht die normalen Stromstöße, die man erleidet, wenn man in die Steckdose langt oder an den Weidezaundraht.’

Aus seiner Zeit der Radio- und Senderbastlerei wußte Gangolf, daß sich die hochfrequenten Ströme aufgrund des >Skin-Effekts< an der Oberfläche der durchströmten Körper ausbreiten, während im Inneren kein Strom fließt. Um seine Überlegungen zu überprüfen, hob Gangolf den einen Fuß von dem Metallgitter, dann den anderen. Er konnte das Hoch­heben jeweils nur ganz kurz vollziehen, da der auf dem Gitter stehende ohnehin schon schmerzerfüllte Fuß dann auch noch das Gewicht des angehobenen Fußes übernehmen mußte. Zudem kam Gangolfs Oberkörper aus dem Gleichgewicht, zwar wurde durch die nach oben gefesselten Hände ein Sturz unterbunden, doch schnitten die Metallbänder in die Handgelenke trotz des Betäubungsgases spürbar ein.

Immerhin konnte Gangolf durch den Versuch seine Überlegungen bestätigen: Die Wärme breitete sich tatsächlich nur durch das Bein aus, das über dem Fuß Berührung zu dem Metallgitter hatte. Dieses diente als Rückleiter zu dem Stromgenerator. Noch während Gangolf seinen diesbezüglichen Gedanken nachhing, bückten sich die Wärter zu den auf dem Gitter liegenden Schläuchen und hoben deren Enden in die Höhe. In dem fahlen Licht vermeinte Gangolf trichterförmige Erweiterungen als Schlauchabschlüsse wahrzu­nehmen, deren Ränder mit einer dicken Gummi- oder Schaumstoffwulst belegt waren. Als alle Wärter die Schläuche in den Händen hielten, wurde die beängstigende Stille in dem Raum durch ein plötzlich einsetzendes lautes Brausen abrupt beendet.

Als die Wärter mit den Schläuchen näherkamen, machte Gangolf die trichterförmige Erweiterung der Schlauchenden als Geräuschquelle aus. Mit jedem Schritt, den die Wärter auf die hilflos aufgespannt Dastehenden hinzutraten, entwickelte sich das Brausen aus den Schläuchen zu einem anschwellenden Lärm. Bedrohlich näherten sich die Gestalten in ihren Ganzkörper-Kondomen, die fauchenden Schläuche in den behandschuhten Hän­den.

Durch die Maske an der Sicht nach unten beeinträchtigt konnte Gangolf nicht mehr sehen, was die Wärter mit den Schläuchen an seinem Unterleib vollbrachten. Auch wenn er den Vorgang nicht beobachten konnte, fühlte er sofort, was das mit den Schläuchen auf­sich hatte: Sein bestes Stück wurde langsam, aber unaufhaltsam in den Trichter hineingesogen, das Brausen entfaltete sich zu einem flatternden Geräusch, das jäh verstummte, als sich der Penis mitsamt Hodensäcke vollständig darin befand und der Rand des Trichters auf den umgebenden Leib gesaugt wurde, auf welchem jener dank des Unter­drucks hängen blieb.

Unaufhörlich zerrte der Unterdruck, Gangolf bemerkte, daß dieser nicht gleichmäßig, sondern in einem etwa einsekündlichem Rhythmus anschwoll und abschwoll; mit großer Mühe gelang es Gangolf, die Beherrschung zu bewahren. Er drehte den Kopf um seinen weiterhin straff nach oben gespannten rechten Arm, um Magda zu beobachten, wie es dieser erging. Tatsächlich gewahrte er das trichterförmige Schlauchende auch an Magdas Unterleib, zunächst schien es sich nicht richtig festgesaugt zu haben, denn mit einem pfeifenden Geräusch kippte es immer wieder nach unten, wobei sich Magdas angeschwollene Schamlippen deutlich hervor taten. Immer wieder drückte ein Wärter das Teil auf Magdas heiligsten Hügel, bis der Rand dicht auf dem Unterleib auflag und der Unterdruck ausreichte, den Schlauch ohne Zutun daran festzuhalten.

Magda genoß das prickelnde Gefühl, sie empfand diese Behandlung weit angenehmer als Martinas sadistische Quälereien, die abwechselnd links und rechts einströmende Wärme vereinte sich mit dem Saugschlauch an ihren Schamlippen zu einer überaus lustvollen Erregung, welche sie nicht im Entferntesten bisher erleben durfte. Birgit hingegen hatte größte Probleme, vor allem mit dem Anschwellen und Abschwellen des Unterdrucks in dem Saugschlauch, der zu ihrer Lusthöhle führte.

Als schließlich alle acht Gruppenmitglieder mit ihren Unterleibern an den Saugschläuchen angeschlossen waren, wurde es wieder ruhiger in der Gaskammer. Ab und zu zi­schelte ein Saugstutzen, wenn die Dichtlippe nicht ganz auf der Haut aufsaß. Deutlich hörbar wurde dagegen ein allgemeines Stöhnen, das aus den Gummimasken heraus drang. Auch Gangolf konnte sich nicht mehr zurückhalten und ließ seine Ladung hem­mungslos herausschießen, diese wurde sofort vollständig eingesaugt und über den Schlauch abgeführt. Magda schien bereits mehrere Orgasmen hinter sich gebracht zu haben; einmal hing sie schlaff in den Seilen, ein anderes Mal hüpfte sie wie wild umher, so­weit die begrenzende Fesselung es zuließ. Dabei geschah es, daß sich die Krokodilklemme von ihrem linken Armband löste. Auf diese Weise war Magda nur noch am rechten Handgelenk mit dem Hochfrequenzgenerator verbunden, die abgerutschte Krokodilklemme baumelte an dem von der Decke hängenden Draht. Während bei allen anderen der Schweiß aus den Poren trat, war von nun ab Magdas linker Arm von der hochfrequenten Wärmequelle ausgeschlossen.

Nach geraumer Zeit traten die Wärter mit ihren dicken Schutzanzügen hinter die Aufgereiten und zogen diesen die Darmrohre heraus. Anschließend wickelten sie Wasserschläuche von Halterungen an der Wand, drehten die Hähne auf und richteten den scharfen Wasserstrahl auf die weiterhin aufgespannt Dastehenden. Der schlagartig auf die heiße Haut treffende Strahl führte zu einer Schockreaktion, der Herzschlag der Getroffenen er­höhte sich rasend, der extreme Wechsel von heiß auf kalt raubte das letzte Quäntchen Wahrnehmungsvermögen, das den Ärmsten geblieben war. Nach einer Weile stellte sich ein seltsames Gleichgewicht bei der Temperaturempfindung ein: Die Hautstellen, auf wel­chen der kalte Wasserstrahl gerichtet war, kühlten zunächst schlagartig ab, durch die er­höhte Stromleitfähigkeit durch das Wasser auf der Hautoberfläche verstärkte sich zu­gleich der wärmevermittelnde Hochfrequenzstrom.

Lediglich Magda hatte unter der kalten Strahlbehandlung stark zu leiden, denn der wärmende Hochfrequenzstrom floß nur über ihren rechten Arm zu ihrem Körper hinab. Der linke Draht hing immer noch, von den Wärtern anscheinend unbemerkt, ohne Körperkon­takt von der Decke herab. Der Wechsel zwischen den Stromeinleitungen links und rechts wechselte im Fünf-Sekunden-Takt ab, so daß Magda während der fünf Sekunden, in wel­chem der wärmende Stromfluß in ihrem Körper unterbrochen war, durch den kalten Was­serstrahl schmerzhaft fror. So wacker sie bislang alle Torturen durchgestanden hatte, diese teilweise als lustvoll empfand, so grausam verspürte sie jetzt das Wechselbad aus Wärme und Kälte. Immer wenn der Stromfluß durch ihren Körper für fünf Sekunden ver­siegte, schrie sie laut, doch der allgemeine Lärmpegel in dem Raum, hervorgerufen durch die Spritzgeräusche, aber auch durch das allgemeine Stöhnen, ließ sie ungehört leiden.

Birgit empfand den scharfen Strahl auf ihren Fußsohlen besonders schlimm, im Gegensatz zu Gangolf, der die Zusammenhänge mit dem wärmenden Stromfluß und dem Ste­hen auf dem Metallgitter bereits ausprobiert hatte, bevor das Spritzen mit dem Wasser begann, hob sie sofort den betreffenden Fuß von dem Gitter ab, um dem scharfen Strahl zu entkommen. Prompt riß der Wärmestrom durch das betreffende Bein ab, sobald die Fußspitze den Kontakt zu dem Metall verlor.

Keiner der Gereinigten war in der Lage, die Dauer der Behandlung einzuschätzen. Die anfängliche Grundstimmung, der Tortur möglichst bald zu entrinnen, folgte bald eine Willenlosigkeit; Gangolf bemerkte diesen seltsamen Zustand, den er bislang in seinem Leben noch nie kennengelernt hatte. Schon als ihm das doppelte Darmrohr eingeführt wurde und die Flüssigkeiten alsdann von oben und von unten in seinen Körper gedrückt wurden, war ihm dieser Vorgang egal, er fühlte sich wie ein Zuschauer eines bizarren Films.

Nachdem die innere und die äußere Reinigung nach etwa einer halben Stunde beendet worden war, ließen die Wächter langsam, millimeterweise die Seile von der Decke ab. Die Fersen senkten sich auf das Metallgitter, die Metallbänder schnitten nicht mehr in die Handgelenke ein. Als für alle Personen diese Stellung erreicht worden war, wurde das spezielle Gas abgedreht, welches in die Einatemschläuche eingeführt worden war. Allmählich ließ die Betäubung nach und das Schmerzempfinden kehrte zurück. Unangenehm kribbelte das Blut durch die wieder frei werdenden Adern, das Kälteempfinden stieg sprunghaft an, als auch der Hochfrequenzstrom abgeschaltet wurde.

Die Wärter zogen die speziellen Masken mit den drei Schläuchen von den Köpfen, Gangolf war sehr froh darüber, endlich von dem Gummischlauch in seinem Mund befreit wor­den zu sein; wie seine Leidensgenossen atmete er schwer durch, doch er stellte fest, daß die über den Schlauch zugeführte Luft wesentlich angenehmer zum Einatmen war als die feuchte, nach Schweiß und Exkrementen stinkende Luft in der Kammer. Als die Seile wei­ter herabgelassen wurden, kam er, wie die meisten anderen, in’s Schwanken, es fiel ihm schwer, das Gleichgewicht zu halten, auf den Beinen aufrecht zu stehen.

Magda vermißte geradezu die gestreckte Fesselung, derer sie sich zumindest anfangs wonnevoll hingab. Als die Seile immer weiter hinunterlassen wurden, ging sie in die Hocke, um weiterhin an den Händen aufgehängt, ihren Körper an gestreckten Armen bau­meln zu lassen. Einer der Wärter trat zu ihr entlang und bedeutete ihr, aufzustehen. Die Karabinerhaken wurden von den Armbändern gelöst, die haltgebende Fesselung war vor­bei. Tatsächlich stürzten einige der frisch Gereinigten, taumelnd rappelten sie sich wieder auf.







































118. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von modex am 20.08.22 22:23

Ich bewundere weiterhin Deine Konsequenz, jede Woche hier einen weiteres Puzzleteil einzustellen, mit denen sich unverschämt spannend so nach und nach das Bild vervollständigt. Danke!
119. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 26.08.22 21:01

Es freut mich, daß die Regelmäßigkeit der Fortsetzungen Gefallen findet, indes haben auch die unregelmäßig erscheinenden Fortsetzungen vieler Geschichten hier im Forum ihren Reiz: Man sieht sich gezwungen, täglich nachzusehen, ob endlich die sehnlich erwartete neue Episode gekommen sei; freilich besteht die Gefahr, daß bei zu langen Abständen der Faden der Erinnerung reißt und damit einhergehend das Interesse an der Geschichte selbst.


68

Inge Langohr unternahm mit dem freundlichen Autoverkäufer eine längere Probefahrt in dem Chevrolet-Zweisitzer-Cabriolet. Ihr Herz schlug höher; obwohl die Witterung an dem trüben Herbsttag nicht dafür geeignet gewesen war, ließ sich Inge alles an dem Wagen zeigen, insbesondere auch die Handhabung des Fahrzeugverdecks, wie dieses per Knopfdruck aufgeklappt und verschlossen werden konnte.

Der Verkäufer machte ein leicht ver­drießliches Gesicht, als Inge darauf bestand, mit geöffnetem Dach zu fahren, indes war der kühle Fahrtwind nicht so stark zu spüren wie befürchtet. Schnell wurden sich bei­de handelseinig und der leistungsstarke Gebrauchtwagen wechselte seinen Besitzer.

Hauptwachtmeister Brause pflegte allmorgendlich sein Auto auf dem großen Parkplatz abzustellen, welcher sich zwischen dem Gebäude des Umweltamts und den Bahngleisen erstreckte. Das Polizeigebäude befand sich auf der anderen Seite der Bahnlinie, kaum hundert Meter entfernt. Als Angehöriger einer Behörde durfte er kostenlos parken, im Gegensatz zu den sonstigen Autofahrern, die kräftig abkassiert wurden. An diesem Tag mußte er sich sputen, denn kurz nach dreiviertel acht Uhr begegneten sich in Lüggen zwei Züge; für die zwei Minuten Zwischenzeit wurden die Bahnschranken nicht geöffnet, so daß man im Falle von Verspätungen, die häufig eintrafen, gut und gerne fünf Minuten vor den geschlossenen Schranken warten mußte.

Barbara Bär traute ihren Augen nicht, als sie ihre Kollegin Inge in dem Sportwagen auf den Parkplatz des Umweltamtes einbiegen sah.
- „Von wem hast du dir denn den geliehen?“, fragte Barbara erstaunt, als Inge ausgestiegen war und zu dem Fahrradständer ging, wo Barbara ihr Fahrrad abgestellt hat.
- „Nischt jelieh’n“, strahlte Inge, „jekoft“. In ihrer Freude fiel sie in den Dialekt, den sie sonst den Kollegen gegenüber nicht verwendete.
- „Jekoft“, ahmte Barbara nach, wich dann aber wieder zum Hochdeutschen zurück. „Den hast du gekauft?“
- „Ja klar, komm’, steig’ rinn, machen wir eine kurze Spritztour.“
- „Na, ich weiß nicht,“ zögerte Barbara.
- „Zier’ dich nicht, ist sowieso nichts los viel im Amt.“

‚Von wegen’, dachte sich Barbara, zog es jedoch vor, zu schweigen. Sie wußte nur allzu gut, wie sich die unerledigten Vorgänge immer weiter aufhäuften, sicher nichts brandeiliges, aber doch immer wieder Berichte und Stellungnahmen, welche sie zu beurteilen und anzufertigen hat­ten. Vor allem ärgerte sich Barbara darüber, daß Inge noch nicht einmal den Entwurf des Berichts gelesen hatte, den sie über ihre vogelkundliche Erkundigung auf der Insel im Rö­thener See verfaßt hatte.

Als Barbara noch unschlüssig da stand und es auch noch nicht fassen konnte, daß ihre bislang so umweltbewußte Kollegin solch ein Angeber-Auto gekauft hatte, kam Brause um die Ecke gestiefelt.
- „Guten Morgen, die Damen“, grüßte er höflich-vergnügt und konnte sein Staunen nicht verbergen, als er Inge und Barbara an dem Sportwagen stehen sah. Inge war immer noch in euphorischer Laune und rief ihm entgegen:
- „Wat sachen S’e dazu, hab’ ick mir am Sonnabend jekoft, is’ `n jebrochter, aber egal, läuft super!“
- „Passen S’e bloß of, dat S’e nischt glech `n Strafzettel kriech’n wech’n Schnellfahren, kann man damit überhaupt mit normalem Tempo fahr’n?“
- „Jeht ja eh nischt schnell bei dem Verkehr hier“, konterte Inge und gab Barbara einen Wink, endlich einzusteigen.

Kopfschüttelnd setzte Brause sein schwerfälliges Gangwerk Richtung Bahnübergang fort, während sich die beiden Damen auf die Echtledersitze niederplumpsen ließen.
- „Hui, da sitzt man aber tief“, stieß Barbara erstaunt aus.
- „Ja klar, hat `ne tolle Straßenlage damit.“

‚Wie hat sich denn die verändert’, dachte sich Barbara und legte den Sicherheitsgurt an.
‚Den werd’ ich wohl brauchen’, sinnierte sie und hoffte, daß Inge das Geschoß im Griff habe. Mit einem dumpfen Röcheln meldete der Motor sich nach dem Anlassen zur Leistungsabgabe bereit, vorsichtig manoevrierte Inge das teure Teil durch den Parkplatz zur Hauptstraße vor. Gerade als sie in diese einbogen, hämmerte ihnen das Läutewerk ent­gegen: „Bing, bing, bing.“

- „Jetzt bleib bloß stehen“, mahnte Barbara, sie fürchtete, daß Inge ihr etwas beweisen wollte und am Ende mit Vollgas noch durch die sich im Absenken begriffenen Schranken hindurch jagte. Mit einem verächtlichen Seufzer trat Inge auf die Bremse; obwohl sie noch nicht einmal Fahrradfahrertempo hatten, wurde Barbaras Oberkörper nach vorn in den Gurt katapultiert.
‚Das geht ja schon gut los’, dachte sich Barbara und bedauerte bereits, eingestiegen zu sein.

- „So ein Mist“, schimpfte Inge und griff sich zwischen die Schenkel.
- „Kannst du das nicht lassen?“ protestierte Barbara. Sie kam sich dabei altmütterlich vor, daß sie ihre zehn Jahre ältere Kollegin zur Beherrschung aufrief. Dabei wußte sie nichts davon, daß das Reiben an den Geschlechtsorganen ein sicherer Hinweis auf die Infektion mit dem Condoma-Virus war.

- „Ach weißt du“, setzte Inge an, „auf unserem Kurs in Dings, in Wünsdorf, da mußte ich das Versuchskaninchen spielen und alle übten sich an mir, Keuschheitsgürtel anzulegen, und dabei war ich gefesselt, mit Handschellen, damit ich mich nicht wehren konnte, weil die sagen, daß im Echten die Betroffen sich auch wehren würden, wenn sie in den Gürtel gesperrt werden und so.“

Barbara konnte nicht recht glauben, was sie da aus Inges Mund gehört hat. Verwirrt fragte sie:
- „Was, und dafür hast du dich hergegeben?“
- „Ja, ich war die einzige, die nicht vom Gesundheitsamt war, die müssen das nämlich dann machen und so übten die der Reihe nach alle durch an mir, das Teil anzulegen und zu verschließen.“
- "Was für ein Teil?"
- "Na so `nen Keuschheitsgürtel eben, sagte ich doch!"
Barbara sagte nichts darauf, sie dachte sich nur: ‚Was ist bloß mit der geschehen, die ist ja wie verändert.’

In dem Augenblick kam Brause zu den verschlossenen Schranken. Der erste Zug fuhr vorüber und, wie üblich, blieben die Schranken geschlossen. Inge ließ das Fenster ihrer Tür herunter und rief schnippisch hinaus:
- „Ich würd’ Sie ja gerne mitnehmen, aber ich hab’ schon alle Sitzplätze besetzt. Das nennt man umweltschonendes Fahren, wenn man sein Fahrzeug zu hundert Prozent ausnützt!“

Brause schüttelte kurz den Kopf und wandte sich ab, indem er sich über die Schranke beugte und dem Zug nach sah. Barbara errötete, sie schämte sich für Inges dummes Gerede. Inge ließ das Fenster wieder in die Höhe fahren und fuhr in ihrer Euphorie fort:
- „Ich laß’ mir so spezielle Sitze einbauen mit Hosenträgergurt, der zwischen den Beinen hin­durch geht, der hält einen dann besser an beiden Schultern.“

‚O Gott, nur `raus hier’, dachte sich Barbara mit einem leichten Anflug einer Panik.
- „Dann mach’s mal gut“, verabschiedete sie sich von Inge, „das dauert mir hier zu lange, da sitz’ ich lieber auf meinem Bürostuhl als in dem engen Sitz hier eingezwängt!“
Sie öffnete die Tür und schwang sich aus der Tieflage empor.

- „Barbara, so bleib’ doch“, rief Inge, „ich fahr’ auch ganz vorsichtig, versprochen!“
Doch Barbara schubste die Tür zu, worauf diese mit einem sanften >Pflop< sich selbst zudrückte. Sie ging um den Corvette hinten herum und überquerte die Straße. Sie war im Begriff, auf kürzestem Weg über den Parkplatz ins Amt zu gehen, als sie Brause an der Schranke wartend stehen sah. In dem Augenblick brauste der andere Zug in der Gegenrichtung vorbei. Doch die Schranke öffnete sich immer noch nicht. Mittlerweile ist ein dermaßen langer Zeitraum verstrichen, daß der nächste Zug dem ersten folgte und deshalb die Schranken wieder nicht geöffnet werden konnte.

- „Wir haben das Jahr 2030 und immer noch gibt es so blöde Bahnübergänge, wie lange soll das noch so weiter gehen, bis wir eine Unterführung hier kriegen!“, ärgerte sich Brause, vernehmlich brummend.

Barbara ging zu Brause und rief ihm lächelnd zu:
- "So, jetzt können Sie mit meiner Kollegin mitfahren!“
- „Ja was, ist die Probefahrt schon wieder beendet?“
- „Es geht mir ganz gegen den Strich, als überzeugte Umweltaktivistin in so einem Protz-Karren mitzufahren, nein, ich schäme mich dafür, überhaupt eingestiegen zu sein. Vor zehn Jahren war ich bei der >Fridays for future<-Bewegung als Schülerin dabei, und heute soll ich in so einem vollkommen sinnlosen Auto mitfahren, 500 PS oder wieviel, für zwei Per-sonen, einfach verrückt!“

Der dritte Zug rauschte heran, der Lärm ließ Brauses Antwort ersticken. Anschließend hoben sich endlich die Schranken, Brause hob zum Gruß die Hand mit zwei durchgestreckten Fingern, Barbara erwiderte seinen Gruß und wandte sich um, nun endgültig zum Umweltamt zu gelangen, während der Polizist über den Bahnübergang zu seinem Revier schritt.

Inge war sauer. Immerhin war die Straße vor ihr frei, die minutenlang geschlossenen Bahnschranken ließen die Autos auf der Gegenfahrbahn bis in die Innenstadt zurückstauen, auf ihrer Fahrspur befand sich nicht ein einziges Fahrzeug, soweit sie sehen konnte. Um ihren Frust auszulassen, trat sie das Gaspedal kräftig durch, die Corvette schoß nach vorne und preßte Inge in den Schalensitz. Passanten blickten sich auf dem Trottoir besorgt um, als sie das Röhren des kraftstrotzenden Motors wahrnahmen, einige drückten sich an die Hausmauern, um möglichst weiten Abstand zu der Straße und damit zu dem vorbeirasenden Rennwagen zu gewinnen.

Brause beschloß, der Sache nachzugehen. ‚Wenn das Schicksal mir schon solche Zufälle zuspielt, die war ja ganz aus dem Häuschen mit ihrem neuen Karren’, dachte er sich und war im Geiste bereits bei dem Händler, der dafür bekannt war, mit noblen extravaganten Gebrauchtwagen zu handeln. Er gab Nisselpriem Bescheid, daß er gleich los müßte, um sich eine Erkundigung zu einem neu erworbenen Fahrzeug einzuholen:
- „Da kann was nicht ganz stimmen, da brauste einer über den Bahnübergang, daß die Straßenlaternen wackelten, die Leute drückten sich vor Angst an die Hausmauern, also den knüpf’ ich mir vor.“
- „Ja, tu’ das, wenn du wieder kommst, machen wir unseren Gedankenaustausch.“
‚Gedankenaustausch’, dachte sich Brause, ‚das wird wieder so ein allgemeines Gequatsche, weil dir langweilig ist.’

Der Autohändler konnte sich sofort an Inge Langohr erinnern:
- „Ja klar, so `ne junge Frau, kam mit ihrem Fahrrad, die wollte unbedingt die Corvette, ich wollte ihr einige andere Wagen zeigen, sie sagte, daß sie noch nie ein Auto hatte, wir haben hier alle Arten, Kombis, SUV, normale Limousinen, doch sie war nicht abzubringen von dem Cabriolet.“
- „Wie hat sie denn bezahlt?“, wollte Brause wissen.
- „Bar! Sie trug in ihrer Umhängetasche gebündelte Geldscheine mit sich herum.“
- „Ist das immer noch so üblich beim Gebrauchtwagenkauf?“
- „Kommt d’rauf an, sie gab an, daß sie Beamtin sei in irgend so einem Amt, also da hätte mir auf jeden Fall auch eine Bankbestätigung gereicht, daß sie das Geld auf dem Konto hat, aber sie legte das Geld wie selbstverständlich auf den Tisch, versuchte auch gar nicht, den Preis herunterzuhandeln, eigentlich war es der perfekte Verkauf für mich. Oder ich biete auch Leasing-Verträge an, aber davon wollte sie absolut nichts hören.“

Brause blickte den Verkäufer nachdenklich an. Dieser fuhr nach einer Weile fort:
- „Mir kam es vor, die wußte gar nicht so genau, wieviel Geld sie da in ihrer Umhängetasche dabei hatte, wir zählten die gebündelten Scheine, bis der Kaufpreis vollzählig war, die restlichen Bündel verstaute sie wieder.“

- „Jetzt fängst du schon wieder mit der Sache an“, wunderte sich Nisselpriem, als Brause ihm von seiner Erkundigung bei dem Autohändler berichtete, „wir wollten doch die Sache auf sich beruhen lassen, bis jemand eine Anzeige aufgibt, daß sein Geld aus der Kiste gestohlen wurde.“
- „Du hast ja recht“, entgegnete ihm Brause, „aber das stinkt doch zu Himmel. Ich möchte auch mit ihr auf die Insel, um zu sehen, wie sie auf die leere Kiste dort reagiert. Doch zuvor statte ich dem Stumpf noch einen Besuch ab, `mal sehen, was der dazu sagt.“
- „Also mach’ das, wenn du unbedingt meinst, in dem Fall weiterkommen zu wollen.“
- „Ja, das reizt mich, wenn ich den aufgeklärt habe, dann geh’ ich in Pension.“
- „Hm, du weißt aber schon, daß wir zur Aufklärung dann die Kriminaler hinzuziehen müssen, die werden dann deine Lorbeeren ernten, die du mühsam errungen hast.“
- „Das mag schon sein, aber versteh’ doch, da stammelt diese Langohr herum, als ich bloß das Gespräch auf die leere Geldkiste gebracht hatte. Und jetzt hat sie eine Luxuskarre für mehrere zehntausend Euro.“
- „Mag sein, nur wird es halt verdammt schwer, was zu beweisen, gerade wo sie das Geld ja jetzt nicht mehr hat und sie ist nicht verpflichtet, uns zu sagen, woher es stammt. Da wird ihr schon irgend eine Erbschaft einfallen, daß eine Großtante das Geld lieber bar hinter’m Kopfkissen aufgehäuft hat und so weiter.“
- „Hm, wird so sein“, brummte Brause, „auf jeden Fall fahr’ ich jetzt `mal zu dem Stumpf hinaus, telephonisch erreich’ ich ihn nicht, er kann ja nicht vom Erdboden verschwunden sein.“
- „Ja, mach das, Olaf, viel Glück!“

Brause stapfte über Gangolfs Hof, alles wirkte verlassen. In der Scheune sah er zwei Kajaks liegen und auch einen Ruderkahn, er fand alles so vor, wie er es in Erinnerung hatte, als er mit den Kriminal-Kollegen aus Kaiserswuselhausen tagelang das Anwesen durchsucht hatte, in der Hoffnung, auf den Bankraub zu stoßen.
‚Da hat der Kerl das Geld auf die Insel gebracht, da sind wir damals nicht d’rauf gekommen, verdammt, und nun kommen diese Naturforscherinnen auf die Insel und das Geld ist weg’.

Auf dem Rückweg zum Polizeiauto hielt Brause kurz inne und überlegte: ‚Sollte die Barbara Bär am Ende auch etwas damit zu tun haben, hat die Langohr sie vorgeschickt, weil sie wußte, daß die Bär die perfekte Schauspielerin ist, die das ganz gelassen wegsteckt, die Gegenüberstellung mit der leeren Kiste?’
Während der Rückfahrt zerschlug er den Gedanken: ‚Die wäre aber dann doch nicht so blöd gewesen, die Polizei anzurufen und den Fund zu melden, wenn sie sich zuvor mit der Langohr daran bereichert hat.’











120. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 02.09.22 19:30

69


Taumelnd erreichte die Achter-Gruppe den Raum, wo die Kleidungsstücke in den Spinden vor der großen Intensivkörperreinigung abgelegt worden waren. Die meisten wußten naturgemäß nach den überstandenen Strapazen nicht mehr die jeweilige Nummer des Aufbewahrungsspinds, so daß erst einmal eine wilde Sucherei begann. Die Wärter trieben zur Eile an, die nächste Gruppe wartete bereits.

Birgit, Magda und Gangolf standen wie die anderen aus ihrer Gruppe immer noch benommen unter dem Eindruck des Erlebten da; bevor sie die Motorräder bestiegen, setzen sie sich auf den Boden, um tief Durchzuatmen. Gangolf erkundigte sich bei seinen beiden Begleiterinnen:
- „Wie geht’s euch, hättet ihr gedacht, daß das so abläuft?“
- „Nie im Leben“, gab Birgit leicht keuchend zu Antwort, „die spinnen doch vollkommen, mußtet ihr auch die ganze Zeit über auf Zehenspitzen stehen auf dem einschneidenden Metallgitter?“
- „Ja, das war aufregend“, entgegnete Magda, „eigentlich toll gemacht, nur der dauernde Wechsel von kalt auf heiß war schlimm.“
- „Was für ein dauernder Wechsel?“, wollte Birgit wissen, „mir war es dauernd recht heiß, einmal kam die Hitze über den linken Arm, dann über den rechten.“
- „Ja zuerst schon, aber dann kam die Wärme nur noch über den rechten Arm und dazwischen war es eiskalt mit dem blöden Wasserstrahl.“

Gangolf erinnerte sich daran, daß neben ihm ein Draht von der Decke baumelte, er hatte ihn nicht weiter beachtet.
- „Kann das sein, daß dir der Draht vom Handgelenk abgerutscht ist?“ erkundigte er sich bei Magda.
- „Weiß nicht“, antwortete diese, „auf jeden Fall war meine ganze Lust dahin, als der Wasserstrahl dann immer so eiskalt war. Ging euch das nicht auch so?“
- „Eigentlich nicht“, sagte Gangolf, „die leiteten uns so einen Hochfrequenzstrom über die Handschellen in unseren Körper, immer abwechselnd über den linken und rechten Arm, wahrscheinlich daß nie der Strom über das Herz fließen kann.“
- „Jedenfalls war das die reinste Tortur“, empörte sich Birgit.
Gangolf fiel ihr in’s Wort: „Sollte ja zur Reinigung dienen, na ja, bin auch froh, daß es vorüber ist, aber war doch besser als wochenlang in so einem Container da wo eingesperrt zu sein.“
- „Ja, schon klar, und jetzt sind wir beringt wie die Vögel mit diesen blöden Metallbändern“, beklagte sich Birgit und rieb dabei die aufgeriebenen Hautstellen an ihren Handgelenken.
- „Unser Freifahrtschein durch die Alpenrepublik“, scherzte Gangolf.

Das Gespräch ebbte ab, nach einer Weile nahm Gangolf den Faden wieder auf:
- „Also ich schlage vor, daß wir jetzt bloß noch bis Innsbruck hinunter fahren, mir reicht’s ziemlich, und da unten suchen wir uns dann ein Zimmer wo, es wird ohnehin bald dunkel.“
- „Darf ich mich euch anschließen?“ fragte Birgit.
- „Na klar, du kannst auch gern vorausfahren, bist sicher schneller als wir zu zweit.“
- „Nein, nein, die vielen engen Kehren da auf der Brennerstraße bis nach Innsbruck hinunter, da hab’ ich so meine Probleme.“

Gangolf holte sein Smartphone heraus und suchte eine Herberge. Am Ortsrand von Innsbruck wurde er sogleich fündig, die Wirtin bestätigte ihm ein Doppelzimmer und ein Einzelzimmer.

Die drei Motorradfahrer waren froh, als sie die vielen Kehren geschafft hatten, Gangolf atmete auf, als sie über die Stephansbrücke kamen und kurz darauf die Stadt vor der beeindruckenden Alpen-Nordkette erblickten. Anmutig wurden sie von einer Straßenbahn begleitet, welche auf der Schmalspurstrecke entlang der Straße die letzten großen Kehren bis zur Stadt hinab fuhr.

Ursprünglich beabsichtigte Gangolf, mit der Bahn bis in das Stadtzentrum zu fahren, doch seine beiden Begleiterinnen schlugen vor, gleich hier im Hotel das Abendessen einzunehmen. Sogar Magda ergriff das Wort, sie pflichtete Birgit bei, und so willigte auch Gangolf ein, auf einen Stadtbesuch zu verzichten. Nach dem Essen waren alle drei ziemlich müde, sie gingen zu Bett, obwohl es noch früh am Abend war. Die anstrengende Motorradfahrt über die Alpen, aber auch die Reinigungstortur waren kräftezehrende Strapazen gewesen.

Irgendwann in der Nacht wachte Gangolf auf, nach einer Weile gewöhnten sich die Augen an die Dunkelheit in dem Zimmer. Er ließ nicht das Rollo vor dem Fenster herunter, sondern hatte nur den Vorhang zugezogen. Das fahle Licht einer Straßenlaterne drang durch den Stoff, der Raum war dadurch nicht absolut stockfinster. Gangolf beobachtete Magda, wie sie sich im Schlaf immer wieder von der einen auf die andere Seite wälzte, sie träumte offensichtlich unruhig. Er setzte sich im Bett auf und schob das Kopfkissen hinter seinen Rücken in die Höhe.
‚Ein verrückter Urlaub’, sinnierte er, ‚das hätt’ ich mir nie ausdenken können, was uns da alles in den wenigen Tagen passiert ist; die verrückten Gasmasken in Italien, die wahnsinnige Überschwemmung in Venedig und jetzt auch noch diese >Pulizia intensiva< wegen des seltsamen Virus’, was wird denn noch alles kommen.’

Es war gut, daß Gangolf nicht ahnen konnte, was ihnen auf der Rückreise noch bevorstehen würde.

Gerade als Gangolf sich wieder von der sitzenden in die liegende Position begeben wollte, wachte Magda auf und bewegte unruhig ihren Kopf hin und her. Sie wußte zunächst nicht, wo sie sich befand, nach einigen Sekunden flüsterte sie:
- „Gangi, bis du das?“
- „Ja, Magda, hast du geträumt?“
- „Ja, wahrscheinlich, ja, ganz sicher, da war so ein großer freier Platz und da waren Männer, die wollten mich wegholen, ich hab’ mich an eine Straßenlaterne geklammert, ja jetzt weiß ich es wieder ganz genau, es war schlimm, ach bitte, Gangi, mach’ mich irgendwie fest, ich möchte nicht mehr so ungeschützt einfach da sein.“
- „Aber Magda, ich bin doch neben dir, du hattest doch nur so einen Traum.“
- „Ich werde das wieder träumen, ich vermiß das so. Mir kommt gerade eine Idee.“

Magda sprang aus dem Bett, tastete sich zu ihrem Rucksack, den Birgit freundlicherweise auf ihrem Motorrad mit aufgeschnallt hatte, und nestelte ihre Chucks heraus.
- „Was machst du da?“ wollte Gangolf wissen, „soll ich Licht machen?“
- „Nein, nein, es geht schon. Ich zieh’ nur die Schuhbänder heraus, damit du mich damit fesseln kannst.“
- „Ach Magda, jetzt beruhige dich doch erst einmal.“
- „Doch bitte, bitte, ich hab’ da ja jetzt diese schönen Metallbänder um die Handgelenke herum und mit den Schnüren kannst du die jetzt an den Sprossen von dem Bett da über dem Kopf anbinden, dann werd’ ich wieder ruhiger schlafen können.“
- „Also ich wäre dann erst recht beunruhigt, wenn ich so gefesselt einschlafen müßte.“
- „Doch, bitte, mach’ schon, du weißt doch, ich brauch’ das.“

Gangolf beobachtete eine längere Zeit, wie Magda nun tatsächlich völlig ruhig einschlief, ihr Atem ging langsam und sehr regelmäßig, ihr Körper wand sich nicht mehr ständig hin und her.
‚Wie kann man nur so sein’, sinnierte Gangolf, ‚durch und durch masochistisch, das liegt echt in ihrer Natur.’ Mit diesen Gedanken schlief er ein und fand gleichfalls einen ruhigen Schlaf.

Am nächsten Morgen genossen die drei ein richtig gutes Frühstück, mit Kaffee nach deutscher Zubereitungsart; jetzt erst merkten sie, wie ihnen dieses Gebräu fehlte; so gern sie auch Latte macchiato, Espresso und Capuccino tranken, erfreuten sie sich des >normalen< Kaffees, den die Wirtin in einer Thermoskanne auf den Tisch stellte. Das gleiche galt für das Essen, so interessant in Italien die Panini waren, liebten Birgit, Magda und Gangolf es, herzhaft in eine Kaisersemmel zu beißen, mit Frischwurst belegt.

- „Fahren wir am kürzesten Weg nach Hause“, schlug Birgit vor, „also am schnellsten Weg, ehrlich gesagt, mir reicht es mit der Motorradfahrerei, ist doch anstrengender als gedacht!“
- „Ja, du hast recht“, pflichtete Gangolf ihr bei, „aber ich glaub’, da ist auch noch die Tortur vom Brenner daran mit Schuld, ich fühl’ mich wie gerädert“
- „Gerädert ist gut gesagt“, meinte Birgit, „das ewige ausgestreckte Stehen da auf Zehenspitzen, ich bin auch noch ganz verspannt.“

Nun wagte Magda ihre Stimme zu erheben:
- „Das wird schon wieder, also ich fand’s eigentlich toll, was man alles so machen kann.“

Birgit blickte Magda ungläubig an, sie konnte ihre Worte nicht richtig deuten, denn sie wußte noch nichts von Magdas ungewöhnlichen Neigungen. Gangolf kürzte das Gespräch ab und meinte:
- „Packen wir zusammen und dann fahren wir einfach die Inntal-Autobahn nach Bayern. Die alte Inntal-Bundesstraße ist zwar auch schön, die urigen Ortsdurchfahrten durch Hall und Rattenberg, aber das hält ziemlich auf und fast überall ist es auf 60 begrenzt, da muß man sich genau daran halten, denn hinter jedem Busch könnte ein Gendarm sitzen mit so einer Laser-Pistole.“

Die Fahrt ging gut voran, es war ein angenehmer Herbsttag, die Sonne schien den drei Motorradfahrern entgegen auf ihrem nahen Ziel, nach Deutschland zu gelangen.
- „Wo wollen denn die alle hin“ murmelte Gangolf in seinen Helm hinein, als er sah, wie zahlreiche Autos über die Ausfahrt Kirchbichl die Autobahn verließen. Nach wenigen hundert Metern wußte er, warum: Sie fuhren geradewegs einem Stauende entgegen.
- „So ein Mist, ein Stau, und das mitten am Werktag-Vormittag.“

Das Durchschlängeln durch die beiden stehenden Autoreihen erforderte größte Konzentration, umso mehr, als es bei der niedrigen Geschwindigkeit mit Magda als Sozia hintenauf noch schwieriger war, das Gleichgewicht zu halten.

‚Hoffentlich reißt jetzt keiner die Autotür auf’, dachte sich Gangolf, als er sich durch die Reihen fädelte, ‚und hoffentlich kommt die Birgit mit’.
Seine diesbezügliche Befürchtung war begründet gewesen, denn zunächst wartete Birgit brav hinter dem letzten Auto des Staus. Glücklicherweise ließ ein Autofahrer eine größere Lücke zu seinem Vordermann, so daß Gangolf in diese hineinschwenkte und anhielt. Er drehte sich um und winkte Birgit heran. Zögerlich begann diese, sich gleichfalls durch die beiden Autoreihen einzufädeln und an ihnen vorbei zu schlängeln. Gangolf verließ die Lücke und zwängte sich weiter vorwärts. Der Stau schien endlos zu sein, ihm kam es in den Sinn, daß dieser Stau nicht durch einen Unfall oder durch ein defektes Fahrzeug verursacht war, sondern durch die Grenzkontrollen am Übergang nach Bayern.

Nach etwa zwei Kilometer begann der Verkehr auf der rechten Fahrspur wieder zu rollen. Gangolf setzte sich hinter ein Auto und rollte im Fahrradtempo hinter diesem weiter, zwei Autos hinter ihm verließ auch Birgit den schmalen Pfad zwischen den Fahrzeugen und reihte sich hinter einem Lieferwagen ein.
‚Verdammt, jetzt haben wir natürlich keinen Blickkontakt mehr’, ärgerte sich Gangolf, denn bei der nächsten Ausfahrt wollte er ausfahren. Diese Absicht hegten fast alle Autos vor ihm, denn nach weiteren zwei Kilometern erreichten sie die Ausfahrt Kufstein-Süd, wo fast alle Fahrzeuge vor ihm ausfuhren. Der Lieferwagen hinter ihm fuhr glücklicherweise in der Staukolonne geradeaus weiter, so daß er wieder Birgit im Rückspiegel erkennen konnte. Birgit war froh, daß das Geschlängel ein Ende genommen hatte. Über die Innbrücke ging es verhältnismäßig flott voran, doch dann staute es sich auch auf der Bundesstraße und das nervtötende >Stop and go< setzte ein. Gangolf bereute es, die Autobahn verlassen zu haben, ohne Birgit im Schlepptau hätte er mehr oder weniger gefährliche Überholmanoever durchgeführt, doch auf Rücksicht seiner neuen Begleitung verzichtete er darauf.

Endlich erreichten sie die alte Innbrücke; im Gegenlicht der Sonne gewahrten sie die mächtige Festung Kufstein, die trutzig über dem Tal ihre Schatten verbreitete. Mühsam schob sich die Karawane durch Kufstein; als sie durch die Autobahnbrücke hindurch kamen, setze Gangolf zum Überholen an. Es kam nur noch selten ein Fahrzeug entgegen, auch Birgit scherte mit ihrem Motorrad aus und überholte tapfer die auf der Uferstraße am Inn entlang aufgereihten Autos. Nach wenigen Metern fühlten sie sich an den Anblick von Gossensaß erinnert; auf der linken Seite erblickten sie zahllose Wohncontainer, die am Hang zum Wald hin aneinandergereiht auf die Besucher warteten. Der Randstreifen auf der linken Straßenseite wurde kurzerhand zum Parkstreifen umfunktioniert, österrei­chische Gendarmen und bayerische Grenzpolizisten wiesen den Fahrzeugen Stellplätze zu. Als auch Gangolf angehalten wurde, zog dieser die Stulpen seiner Handschuhe zurück und zeigte seine metallisch blinkenden Armbänder vor, daß man ihn und seine Begleite­rinnen als >intensivgereinigte Personen< hindurch ließe. Indes traute Gangolf seinen Oh­ren nicht:
- „Na, des hilft nix in Bayern, des erkenn’ ma nicht an, Sie miaß`n genauso ´ei in d’Quarantäne wia die andern ah, also da fahr’ eini!“
Neben ihm hielt Birgit an und sie beratschlagten sich.

- „So eine Sauerei“, beklagte sich Gangolf, während er seinen Helm abstreifte, „jetzt haben wir extra diese Totalreinigung durchgemacht und jetzt sollen wir trotzdem da in die Container hinein zur Quarantäne.“
Der bayrische Grenzbeamte antworte nochmals:
- „Wia g’sangt, die Österreicher erkennen das an, aber wir in Bayern net, oder Sie keahn wieder um, aber überall an alle Grenzen sind so Container, da miaß’n alle hinein, wenn sie nach Bayern woll’n.“
- „Und wenn wir über die Tschechei nach Sachsen fahren?“ wollte Gangolf wissen.
- „Is as gleiche, den Tschechen is des Wurscht, die lassen an jed’n ei, aber nach Deutschland mußt erst durch d’Quarantän.“
- „Laß uns umkehren und trinken in Kufstein erst `mal einen Kaffee“, schlug Birgit vor.
- „Ja, gute Idee. Fahr’ schon einmal voraus!“

Vor einem Straßencafé stellte die kleine Reisegruppe die Motorräder ab; Magda ließ sich, wie gewohnt, elegant vom Soziussitz gleiten, dann schwang sich Gangolf von der Maschine. Birgit belagerte bereits den nächstbesten Tisch am Straßenrand, es war für die drei aus Italien zurückgekehrten Urlauber ein angenehmes vertrautes Bild, den Menschen wieder ins Antlitz zu blicken, die bizarre Erscheinung der mit Gasmasken herumlaufenden Menschen war endlich entschwunden.

- „Sollen wir jetzt doch lieber wieder über die Tschechei zurückfahren?“, wollte Birgit von ihren beiden Begleitern wissen.
- „Das hilft uns auch nichts“, entgegnete Gangolf, „du hast ja gehört, die lassen uns an der sächsischen Grenze dann auch nicht hinein ohne Quarantäne.“
- „So ein verdammter Mist“, fauchte Birgit, „ich setz' mich doch nicht tagelang in so `nen Miefbunker da hinein!“
- „Von wegen tagelang, wochenlang!“ konterte Gangolf.
- „Klingt nicht gerade trostreich, laß' deine Ironie!“ ärgerte sich Birgit.
- „Kann doch auch nichts dafür“, entgegnete Gangolf. Er merkte, daß er von nun ab vorsichtig mit seinen Äußerungen sein mußte, Birgit reagierte unerwartet gereizt.
Sie schwiegen eine Weile, derweil kam ein junger Kellner aus dem Café heraus und nahm die Bestellungen auf. Als dieser wieder gegangen war, äußerte sich Birgit:
- „Und was jetzt?“
- „Ich hab' eine Idee“, hob Gangolf an, bemüht, einen ruhigen ernsten Tonfall anzuschlagen, „wir fahren erst einmal in die Tschechei und dann versuchen wir, über einen der kleinen Grenzübergänge ins Bayrische zu gelangen, im Oberpfälzer Wald gibt es so kleine Übergänge, da werden schon nicht überall die Container stehen.“
- „Die werden aber dann wohl geschlossen sein“, entgegnete Birgit.
- „Schau'n wir `mal nach, müßte doch im Internet stehen, wenn Grenzübergänge geschlossen sind.“

Gangolf nahm sein Smartphone und suchte im Internet herum. Tatsächlich kam er schnell auf eine Seite, wo die Übergänge gelistet waren.
- „Verdammt, du hast recht, Waidhaus ist offen und Furth im Wald und Schirnding, aber Bärnau ist zu und sogar Waldmünchen, so ein Mist, und bei den drei großen stehen die Container für die Quarantäne, verdammt, verdammt.“
- „Dann können wir auch gleich hier uns bei den Ösis einsperren lassen“, kommentierte Birgit Gangolfs Recherche.
- „Oder wir riskieren einen illegalen Grenzübertritt“, meinte Gangolf und schob dabei nachdenklich seine Unterlippe vor.
- „Aha, und wie soll das gehen?“
- „Also der Eiserne Vorhang ist ja schon lang weg; als die damals den Grenzzaun abgerissen hatten, wurden die alten Wege zwischen Böhmen und Bayern wieder hergerichtet als Wanderwege oder zum Radfahren; ich bin dort im Oberpfälzer Grenzgebiet früher ein paar Mal da hinüber geradelt.“
- „Ah, wie das, ausgerechnet in der Oberpfalz?“
- „Ja ich komme von dort her, meine ganze Jugendzeit über war ich dort.“
- „Und du meinst, wir könnten da mit den Motorrädern durch?“
- „Mit Geländemaschinen wär' das freilich besser, aber wir haben keine Wahl, müssen halt ganz vorsichtig fahren, daß wir nicht in den Schlaglöchern hängen bleiben.“

Der Kellner kam mit seinem Tablett und servierte den dreien Kaffee und Kuchen. Beim Essen besprachen sie die Route, wie sie von hier am einfachsten in den Böhmerwald und Oberpfälzer Wald kamen. Es war keine geradlinige Streckenführung, im Gegenteil, zunächst galt es, die Bayrischen Alpen südlich zu umgehen, um auf österreichischem Gebiet zu bleiben. Von Salzburg über Linz würden sie dann auf Autobahnen bis Budweis fahren, um dann auf den Landstraßen durch das südliche und westliche Böhmen zu kreuzen.
- „Dann wollen wir `mal los“, bestimmte Birgit, nachdem der junge Kellner kassiert hatte, „das Abenteuer kann beginnen!“

Sie sollte mit ihrer Wortwahl recht behalten – Abenteuer.





























































































121. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 09.09.22 22:57

70

Inge Langohr freute sich diebisch. Sie hatte sich mittlerweile an den ihr überlassenen Keuschheitsgürtel gewöhnt, sie wurde geradezu süchtig nach ihm: Kaum daß sie ihn vor dem Duschen abgelegt hatte, wollte sie ihn gleich wieder umschnallen. Ihre Erregung wuchs von Stunde zu Stunde, von Tag zu Tag. Es gelang ihr, kurzfristig Urlaub zu erhalten, sie hätte sich ohnehin auf keine Arbeit konzentrieren können. Jetzt hatte sie alle Zeit der Welt, sich den kühnsten Fantasien hinzugeben. Als erstes würde sie ihre Freundin aus alten Tagen in Berlin besuchen, dieser das neue Auto vorstellen, überhaupt wollte sie die gewonnene Individual-Mobilität nach Herzenslust genießen.

Inge wählte die Geheimnummer, die sie von Ulla bekommen hatte, nur wenige Vertraute erhielten von dieser jene Nummer, denn als >VIP< wollte sie nur von ausgewählten Personen unmittelbar erreichbar sein.

- „Hallo Ulla, hier Inge, wie geht’s dir?“
- „Ja hallo Inge, danke, soweit gut, immer Streß, das kennst du ja von mir. Gibt’s ein Problem, kann ich dir irgendwie helfen?“
- „Nein, danke, kein Problem, ich ruf’ dich heute auch nicht als Parteifreundin an, sondern wollte einfach mit dir ein bißchen plaudern, hast du `mal Zeit für mich?“
- „Äh, ja, natürlich schon, kommt jetzt ein wenig überraschend.“
- „Ich würd’ dich gern besuchen, hab’ jetzt ein eigenes Auto, da bin ich schnell in Berlin und auch wieder zurück.“
- „Ah, tatsächlich, bist du deinen Prinzipien untreu geworden?“
- „Nee, eigentlich nich, aber es ist halt doch praktischer, wenn man schnell `mal wo hin kann.“
- „Da hast du recht, ich bin auch froh um meine Fahrbereitschaft, darf man ja gar nicht laut sagen. Ja gut, wie sieht es nächste Woche aus, wart’ `mal, ich guck’ schnell `mal meine Termine an den Abenden durch, ja, wie wär’ es am Mittwoch, da hätt’ ich wohl so gegen acht dann Zeit für dich.“

Inge war etwas enttäuscht. Sie hätte Ulla gern noch in derselben Woche besucht, am liebsten gleich an diesem Abend.
- „Ja, schön, dann am Mittwoch so ab acht bei dir, freu’ mich sehr.“
- „Ich mich auch, tschüß.“

Wieder gewannen abstruse Fantasien Oberhand in Inges Gedankenstrudel: ‚Jemand sollte den Schlüssel haben, dafür sind doch die Keuschheitsgürtel gemacht worden, schon im Mittelalter, und nicht wegen dem Virus da.’
So sehr sie sich auch anstrengte, Inge fiel niemanden ein, dem sie den Schlüssel anvertrauen wollte. Sie kannte freilich etliche vertrauensvolle Personen, doch war niemand darunter, dem sie ihr besonderes Geheimnis anvertrauen wollte. Sie dachte kurz an Barbara, ihre Praktikantin-Kollegin, mit welcher sie auf der Insel im Röthener See war, doch sie verwarf den Gedanken wieder, da sie Barbara zwar als Kollegin sehr schätzte, indes schien ihr deren Wesen viel zu bieder zu sein, um Verständnis für ihr spezielles Spielzeug zu finden.

Unruhig wand sich Inge in ihren Kissen hin und her, es gelang ihr nicht, einen ruhigen Schlaf zu finden. Immer wieder drückte sie an ihrem Keuschheitsgürtel herum, schließlich gab sie sich einen Ruck, knipste das Licht an und schwang sich aus den Federn. Aus einer Schublade holte sie das Schlüsselein und befreite sich damit aus dem Lusteisen. Tatsächlich fiel sie darnach sofort in einen tiefen Schlaf, der indessen nicht traumlos blieb.

Als Inge am Morgen erwachte, ertappte sie sich dabei, wie sie ihre Finger auf ihre Schamlippen gelegt hatte und in dieser Stellung anscheinend geschlafen hatte. Noch ehe sie einen klaren Gedanken fassen konnte, kam ihr der Traum in den Sinn, den sie im Schlaf in dieser Nacht durchlebt hatte: Sie verlor den Schlüssel auf einer einsamen Insel, es war schon dunkel, sie fand ihn nicht mehr und mußte nun im Keuschheitsgürtel eingeschlossen zurück, ohne Möglichkeit, sich daraus zu befreien.
- „Ja, das möchte ich in die Wirklichkeit umsetzen“, sagte sie sich, als sie unter der Dusche stand, „eine Insel weiß ich ja, nur mit dem blöden Kahn möcht’ ich nicht mehr rudern.“
Kaum der Dusche entsprungen schnappte sie sich den Gürtel und ließ das Schloß vor ihrem Nabel genußvoll einschnappen. Das klickende Geräusch erregte sie über alle Maßen, eine Hitzewallung befiel ihren Körper, darnach ein Schauer der Lust.

Während des Frühstückens dattelte sie am I-pad herum; sie erkundete den nächstliegenden Bootsverleih, welcher sich in Röthen befand.
- „Verdammt“, stieß Inge aus, „das ist mir zu weit weg.“
Die leidliche Erfahrung mit dem Kahn, als sie den Schatz von der Insel wegholte, saß ihr in den Knochen.
‚Vielleicht leiht mir der Typ da eines seiner beiden Kajaks, die der da in seiner Scheune hatte’, kam es ihr in den Sinn, ‚kriegt ein hübsches Leihgeld dafür.’

Inge steigerte sich in die abstruse Idee dermaßen hinein, daß es ihr schwer fiel, das Frühstück zu genießen und in aller Ruhe zu beenden. Kaum hatte sie den letzten Bissen hinuntergewürgt, stürzte sie in ihr Schlafzimmer, um sich für ihre erste Kajak-Tour in ihrem Leben auszurüsten.
- „Also die Trekkingschuhe nehm’ ich diesmal nicht“, sagte sie sich, „und die Gummistiefel erst recht nicht.“
Nachdem sie alle ihrer Schuhe aus dem Schrank auf den Boden davor geworfen hatte, fand sie ganz hinten ihre alten Chucks. -
- „Die sind es“, rief sie freudig aus, „sind zwar schon etwas abgewetzt, aber für die Bootsfahrt taugen die immer, können ruhig auch naß werden, egal, wird schon wieder trocknen.“

Im Gegensatz zu ihrer letzten Bootstour mußte sie jetzt nicht mehr eine kilometerweite Anreise mit dem Fahrrad zurücklegen, sondern polterte hemmungslos mit ihrem Sportwagen durch die Schlaglöcher auf dem Feldweg von Wesserbarg zum See.
- „Ah, da ist ja der Hof schon mit den Booten, hoffentlich ist der Besitzer da“, murmelte sie freudevoll und drückte dabei auf das Schrittband ihres Keuschheitsgürtels, den sie durch die knapp sitzende Jeans ertastete. Zu ihrer Enttäuschung war das Gehöft genauso unbewohnt wie damals, als sie mit Barbara darin während des Gewitters Zuflucht suchten.

- „Eigentlich klar“, sagte Inge zu sich selber, „wer sitzt schon am hellen Vormittag einfach zuhause und wartet, daß jemand kommt, der sein Boot haben möchte.“

Um sich zu beruhigen und um Gewißheit zu erlangen, daß wirklich niemand da war, begann Inge mit einem Spaziergang um das Gehöft herum. Als sie sich überzeugt hatte, daß sie tatsächlich allein auf weiter Flur gewesen war, schlug sie resigniert den Weg zu ihrem Auto ein. Sie betätigte per Fernsteuerung die Türöffner und beim Summen des charakteristischen Geräusches überkam ihr die Lust, doch nochmals zu der Scheune zurückzukehren, um nachzusehen, ob die Kajaks überhaupt noch da gewesen wären. Von der Idee vollkommen eingenommen vergaß sie darauf, die Türen wieder zu verriegeln. Der Autoverkäufer hat ihr die zeitgesteuerte automatische Verriegelung herausprogrammiert, er riet schwer von dieser ab, denn zu oft schon hörte er von Fällen, wo der Autoschlüssel im Fahrzeug liegengelassen wurde und die Türen verriegelten sich nach einer Weile von selbst.

Zielstrebig eilte Inge der Scheune entgegen, diese war nach wie vor nicht abgesperrt und es gelang ihr problemlos, das Schiebetor zu öffnen. Wie damals fand sie neben einem Ruderkahn die beiden Kajaks übereinander an einer Wand gestapelt, unten ein längliches, schmales, das sehr elegant aussah, darüber ein etwas breiteres, kürzeres.
‚Der wird doch nichts dagegen haben, wenn ich mir ein’s nehme, ich zahl’ ihm dann, wenn ich es wieder zurück bringe.’

Inge überlegte kurz, welches der beiden Boote sie nehmen sollte; sie holte ihr I-pad hervor und suchte im Internet rat. Zu gerne hätte sie das schnelle schmale genommen, aber es wurde empfohlen, als Anfänger lieber ein breiteres Kajak zu wählen. Sie hatte Mühe, das Boot herunter zu holen, sie überlegte sich, ob sie es überhaupt schaffen würde, das Kajak bis zu dem Steg hinunter tragen zu können. Nach einer kurzen Überlegungspause raffte sie sich auf und begann damit, das Boot mit beiden Händen am Süllrand zu ergreifen und aus der Scheune zu schleppen.

‚Wird schon gut gehen’, machte sich Inge selber Mut, setzte das Boot auf halben Weg ab, um kurz zu rasten. Schließlich erreichte sie etwas außer Atem den Steg und schob das Kajak gleich mit der Spitze voran in’s Wasser. Beinahe wäre sie dabei selber in’s Wasser gerutscht, im letzten Augenblick ließ sie den Süllrand los und konnte gerade noch rechtzeitig das Gleichgewicht auf dem Steg behalten. Das Kajak erhielt durch das unsachgemäße Einführen in das Wasser einen Impuls, der es wegtreiben ließ. Gerade noch rechtzeitig kniete sich Inge auf das Holz, hielt sich mit einer Hand auf der Stegkante fest, während sie mit der anderen den Tragegriff an dem hinteren Ende des Kajaks zu fassen bekam.

Mit Mühen gelang es Inge, das Boot längs des Steges zu ziehen. ‚Wie soll ich da jetzt hineinkommen?’, machte sie sich reichlich spät Gedanken und zürnte sich selber, vor lauter Lust ganz auf ihr sonst so typisches methodisches Vorgehen zu verzichten, sich im Vorfeld zu erkundigen, wie man mit einer unbekannten Situation vorgeht.
- „Sicherlich gibt es dutzende von Anleitungen im Internet, wie man am geschicktesten paddelt“, schalt sie sich selbst, doch statt jetzt ihr Gerät zu konsultieren, kletterte sie unbeholfen in die Luke. Das Kajak schwankte sehr, irgendwie gelang es ihr schließlich, sich in den Sitz zu quetschen und die Beine in dem Plastikgehäuse auszubreiten.
- „So, jetzt kann `s losgehen“, stellte sie freudevoll fest und bemerkte im nächsten Augenblick, daß sie keine Paddel hatte.
- „Das darf doch wohl nicht wahr sein“, rief sie ärgerlich aus und erzürnte sich über ihr unbedachtes überstürztes Handeln. Resigniert zog sie die Beine wieder aus dem Gehäuse hervor, das Boot begann sogleich gewaltig zu schaukeln. Als es sich wieder beruhigt hatte, wagte Inge erste Aufstehversuche. Immer wieder ließ sie sich auf den Sitz zurückplumpsen, um nicht zu kentern. Nach mehreren Anläufen gelang es ihr schließlich, sich zu erheben und das rettende Holz des Steges zu fassen. Mit einer enormen Kraftanstrengung zog sie sich aus dem Boot und war heilfroh, unbeschadet auf dem Steg zu Sitzen gekommen zu sein.
Während sie eine Weile dasaß, um wieder zu Atem zu kommen, drückte sie das Schrittband ihres Keuschheitsgürtels, um gute Laune zurückzuerhalten. Als auch ihr inneres Gleichgewicht wieder hergestellt worden war, sprang Inge auf und lief zu der Scheune zurück.
‚Hoffentlich hat der Typ die Ruder auch in der Scheune’, kam es ihr in den Sinn, ‚das wär’ jetzt der Obermist, wenn der die irgendwo anders verräumt hätte.’

Inges Befürchtung war unbegründet, sie nahm eines der beiden Paddel, welche in einer Ecke der Scheune gelehnt waren, ohne auf die Idee zu kommen, daß Länge und Beschaffenheit eine Rolle spielen könnten. Als sie auf den Steg zurück gekommen war, traute sie ihren Augen nicht:
- „Ach, bin ich blöd“, sprach sie eine ehrliche Selbsteinschätzung aus, mitten im Kanal sah sie das Schifflein in den sanften Wellen das herrenlose Dasein auf der Wasseroberfläche genießen. Inge blickte kurz umher, ob irgend eine Stange oder ein längerer Ast am Ufersaum herumläge, mußte sich indes des Gegenteils überzeugen.

- „Da muß ich jetzt durch“, machte sich Inge Mut und stieg in die kalte Flut. Sie spürte die Kälte nicht, das Adrenalin war in seiner Wirkung im vollen Gange. Als sie an dem Boot war, versuchte sie vergeblich, in das Innere zu gelangen. Kaum stützte sie sich am Rand der Luke ab, rollte das Kajak sofort zur Seite. Nach einigen Versuchen gab Inge auf, ergriff die Bootsschnur und zog das Schifflein an Land, so daß es in Schräglage zur Hälfte auf der Uferböschung ruhte, zur anderen Hälfte in’s Wasser getaucht. Auf diese Weise war das Kajak stabil, Inge konnte sich völlig problemlos auf den Sitz schwingen. Sie streifte ihre triefenden Chucks von den Füßen und wrang diese über dem Süllrand aus.
- „Ja und nun?“, sagte sie zu sich selber, „verdammt, jetzt hab’ ich wieder die Ruder liegen lassen.“

Es blieb nichts anderes übrig, ihre Schuhchen wieder anzuziehen und das Boot erneut zu verlassen. Auf dem Steg hinterließen die Gummisohlen einen vielsagenden Abdruck aus Schlamm und Sand. Inge fröstelte leicht in ihrer durchnäßten Hose, sie beschloß, ihre Jeans auszuziehen und lieber mit entblößtem Unterleib zum Boot zurückzukehren, als ständig den nassen Stoff unten herum zu haben. Sie wrang die Jeans aus und wandte sich um, zum Boot zurückzukehren. Als sie die nasse Hose in die Luke warf, bemerkte sie, daß sie wieder das Paddel auf dem Steg zurückgelassen hatte.

- „Verdammt“, schalt sie sich selber, „bin ich was von durchgeknallt.“ Doch statt die gesamte Aktion abzubrechen, ignorierte sie die Warnzeichen und sprang zurück zum Steg, endlich das Paddel zu ergreifen. Die Sonne stieg über die Baumwipfel, sie spiegelte sich auf dem Stahl von Inges Keuschheitsgürtel. Inge widerstand der Versuchung, sich an diesem zu reiben, hurtig schwang sie sich, diesmal mit dem Paddel bewaffnet, ein weiteres Mal auf den Sitz. Mit dem Paddel drückte sie sich vom Ufer ab, es kostete ihr eine enorme Kraftanstrengung, bis das Boot endlich rückwärts mit seiner gesamten Länge in das Wasser rutschte.

Irgendwie gelang es Inge, das Boot um 90 Grad zu drehen, um in der Mitte des Kanals Richtung See hinaus zu gelangen. Sie machte die typischen Anfängerfehler, mit voller Kraft der Arme zu rudern, anstatt den Oberkörper in dem Ruderrhythmus einzubeziehen, sie wußte zudem nicht einmal, daß man sich mit den Füssen abstoßen mußte. Die Fußrasten waren viel zu weit vorne, Inge berührte sie nicht einmal mit den Fußspitzen.
- „Zum Glück hörte ich auf den Internet-Rat, nicht das schmale Boot zu nehmen“, sagte sie sich, „es reicht schon diese Schale hier, wie die dauernd so kippelt.“

Als Inge das kurze Stück des Kanals hinter sich gelassen hatte, breitete sich der See vor ihren Augen mit seiner ganzen Schönheit aus; vor ihr lag die dicht bewaldete Kulisse der großen Insel. Es rührte sich fast kein Lüftchen, die Wasserfläche war spiegelglatt. Es war Inges Jungfernfahrt, vollkommen ohne Übung und ohne Anleitung paddelte sie wacker dem Ziel entgegen. Im Gegensatz zu ihrer letzten Bootsüberfahrt mit dem Ruderkahn hielt sie sich von Anfang an viel weiter westwärts, um die Schneise in dem Schilfgürtel nicht zu verfehlen, welche zu dem schmalen Steg der Insel führte.

Es war gegen Mittag, als Inge anlangte. Das Aussteigen an dem niedrig liegenden Stegbrett klappte wesentlich leichter als an dem hohen Steg bei Gangolfs Hof. Diesmal vergaß Inge nicht, das Boot gut festzuzurren. Sie zog ihre nassen Kleidungsstücke aus dem Boot, die Jeans breitete sie auf dem Steg aus, damit sie dort trocknen konnte. Mißgelaunt schlüpfte sie in ihre feuchten Chucks, doch schon nach wenigen Schritten hatten sich ihre Füße an die feuchte Behausung gewöhnt. Auf Anhieb fand Inge die Lichtung und erblickte sofort die immer noch offen daliegende Aluminiumkiste, aus welcher sie das Geld herausgenommen hatte.

Inge setzte sich in das Gras und sinnierte. Das Glücksgefühl erwachte in ihrem Innersten, die Sonne brachte den Stahl des Keuschheitsgürtels zum Glänzen.
‚Ich werf’ den Schlüssel am einfachsten in die Kiste’, überlegte sich Inge, ‚und dann klappe ich natürlich den Deckel zu und mach’ ordentlich Moos und Gestrüpp darüber, damit niemand die Kiste findet.’

Eine fatale Fehleinschätzung, denn daß der Besitzer der Kiste zurückkommen könnte und dann anstelle des Geldes einen Schlüssel darin fände, daran hatte Inge in ihrer wohllüsternen Erregung nicht gedacht.
























































































122. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 16.09.22 20:00

71

Es zog sich in die Länge, die Fahrt auf den Alpenstraßen südlich um das „Deutsche Eck“ herum, bis die kleine Motorradgruppe, bestehend aus Birgit und Gangolf mit hintenauf sitzend Magda endlich von Süden her nach Salzburg kam. Die Mittagssonne ließ die herrliche Kulisse der Burganlage erstrahlen, doch je näher die beiden Motorräder der Stadt kamen, umso dichter wurde der Verkehr. Nur noch äußerst zähflüssig kamen sie heran, genervt von den endlosen Stauungen beschloß Gangolf, bei der nächstbesten Möglichkeit anzuhalten und zu Fuß in die Innenstadt zu gehen.

Tatsächlich fanden die drei nach einiger Zeit eine Gelegenheit, in einer engen Gaststube ein Mittagessen zu erhalten. Sie teilten sich den Tisch mit zwei weiteren Gästen, die zunächst sichtbar auf Distanz zu den in Leder gekleideten Motorradfahrern gingen. Die Wartezeit auf das Mittagessen war lang; als die Gesprächsthemen der beiden Mitsitzenden ausgingen, wandten sie sich nun doch an die Motorradfahrer und fragten diese, wo sie herkämen und wo sie hin wollten.

- „Ja, das ha’m wir a’ schon g’hört, daß die in Deutschland koan mehr eina lassen ohne daß die vorher in d’Quarantäne woan.“
- „Wir versuchen, über die Tschechei nach Deutschland zu kommen.“
- „Ja dann viel Glück.“
Die drei Motorradfahrer beschlossen, an diesem Nachmittag bis Linz zu fahren, dort nochmals zu nächtigen, um am nächsten Tag gestärkt durch das Abenteuerland Tschechei zu fahren, mit seinen endlosen Wäldern, den weiten Seengebieten, den beschaulichen Siedlungen.

Es war eine bezaubernde Reise durch das südöstliche Böhmen, die Nationalstraße 20 und später die 22 führte die kleine Reisegruppe durch die wasserreiche Ebene, wo die junge Moldau dem böhmischen Zentralgebiet entgegenströmte. In entspannter Fahrt gelangten sie über Budweis, Bergteinitz und Klattau nach Taus. In dieser wunderschönen Kleinstadt mit den an italienische Städte erinnernden Bogengängen machten sie eine längere Rast.

Im Laufe des Mittagessens versuchte sich Gangolf den weiteren Streckenverlauf einzuprägen, den er auf seinem Smartphone studierte. Seine Bemühungen waren indes von geringem Erfolg; als die Gruppe sich nach dem Essen von Taus auf gewundenen Straßen entfernte, mußte er immer wieder anhalten, um nachzusehen, wo sie waren und wo sie hin mußten. Die Wegweisung wurde immer schlechter, je weiter sie in den Böhmerwald hineinfuhren.

Auf einsamen Straßen erreichten die beiden Motorräder Weißensulz, von nun ab waren pfadfinderische Tugenden gefragt. Die Hauptstraße nach Deutschland war zwar ausgewiesen, doch belehrte ein Schild, daß der Übergang Eisendorf gesperrt sei. Als Gangolf einer charakteristischen Straßenbiegung nach Norden folgte, wußte er, daß er hier abbiegen hätte sollen. Nach der weiten Kurve hielt er an und gab Birgit zu verstehen, umzukehren. Sie durchfuhren die Kurve in der anderen Richtung zurück und bogen an deren Ende in eine kleine Straße ab, die kurz darauf als nichtgeteerter Waldweg weiterführte. Auf einer schiefen Stange war ein Einfahrt-Verboten-Schild angebracht mit einem Zusatzschild darunter, dessen tschechischen Text sich Gangolf nicht zusammenreimen konnte.

Je weiter die Gruppe in den Wald hineinfuhr, desto schlechter wurde der Weg. Gangolf fühlte sich an den Zufahrtsweg zu seinem Hof erinnert, der fast zwei Kilometer weit mit riesigen Schlaglöchern übersät war. Der Wald wurde immer lichter, zahlreiche Bäume standen entlaubt oder ihrer Nadeln beraubt als kahle Stümpfe da. Nach einigen hundert Metern erreichten sie eine Neuaufforstung mit Pinien.

- „So weit sind wir also schon mit der Klimaerwärmung, Pinien im Böhmerwald, wo soll das noch hinführen“, sagte sich Gangolf und auch seine beiden Begleiterinnen betrachteten erstaunt die Pflanzung. Am Ende der Pflanzung trat der Wald zugunsten einer Hochebene vollständig zurück, schließlich kamen sie zu einem einsamen Haus mit einem Hinweisschild >Penzion<.

Gangolf erinnerte sich daran, daß es hier eine Gaststätte für Wanderer und Fahrradfahrer gab, die damals, zu seiner Jugendzeit, am Wochenende geöffnet hatte. Es war das einzige Gebäude des einstmaligen Dorfes Plöß, das die tschechoslowakische Armee nach der Vertreibung der deutschen Bevölkerung stehen gelassen hatte. Sogar die weni­ge Jahrzehnte alte Kirche war abgerissen worden, nur noch die Grundmauern blieben sichtbar.

Gangolf und seine Begleiterinnen freuten sich, bei einem Kaffee eine Rast einzulegen, doch es sollte ganz anders kommen: Als sie ihre Motorräder abstellten, kam ein Soldat aus dem Gebäude herausgestürmt und sprach zunächst tschechisch auf die Motorradfahrer ein. Gangolf kramte sein äußerst mangelhaftes Tschechisch hervor und fragte ihn, ob er nicht deutsch spräche, und tatsächlich machte dieser im gebrochenen Deutsch verständlich, daß sie nicht weiterfahren dürften, ab hier gäbe es nur Wanderwege für Fußgänger und Radfahrer.

- „Aber wir müssen hier nach Deutschland“, antwortete Birgit, setzte ihren Helm ab und beschwor den Soldaten: „Wir müssen hier durch, der andere Grenzübergang ist gesperrt.“
- „Muaßt halt auf Rozvadov“, lachte der Voják verächtlich. Gangolf mischte sich ein:
- „Aber dort müssen wir in Quarantäne, sechs Wochen lang werden wir dort eingesperrt, bitte, lassen Sie uns durch.“
- „Gejht nicht, is auch kei’ Wech für eiere Maschin’, is’ a ganz schlechta Straß’n.“

- „Prozím, promintě“, versuchte sich Gangolf wieder auf tschechisch und kramte seine verschütteten Tschechischkenntnisse hervor. Er hoffte, ihn dadurch umstimmen zu können, so knapp am Ziel, kaum mehr als drei Kilometer entfernt, wollte er nicht aufgeben. Schließlich einigten sie sich auf eine Strafzahlung, natürlich ohne Beleg, es war im Grunde genommen eine Bestechung:

- „Finfhundat Kronen fiah jed’n Strouf“, gatzte der Soldat in dem typischen alten bayrischen Dialekt des westböhmischen Beckens, das die Alten anscheinend seit Generationen den Jungen immer noch beibrachten.
Seufzend öffnete Gangolf seinen Geldbeutel und zog einen 50-Euro-Schein heraus.
- „Jo aber fiah jed’n vo eich“, wandte der Voják ein. [Ja, aber für jeden von euch].

Glücklicherweise hatte Gangolf in Österreich nochmals Geld aus einem Automaten geholt, als ob er schon geahnt hätte, daß Geld sehr wichtig werden würde.
- „Aber wir haben doch nur zwei Motorräder“, mischte sich Birgit ein und blickte dem jungen Tschechen tief in die Augen.
- „Also guat, hundert Eiro dann.“
Auch Birgit zückte ihr Portemonnaie und überreichte widerwillig den Schein.
- „Also foaht’s dann guat, awa ihr werd’s eich no wundern.“

Als Birgit auf ihr Motorrad stieg, raunte sie Gangolf zu:
- „Was hat der gemeint, was hat der da jetzt noch gesagt, ich verstand den so schlecht.“
- „Wir werden uns noch wundern, hab’ ich verstanden. Also daß der Weg jetzt zum Trampelpfad wird, das ist mir schon klar, also ab jetzt wirklich nur noch im Schrittempo weiter.“

Der Pfad wäre für geländegängige Fahrzeuge die reinste Freude gewesen, für ihre Reise- beziehungsweise Rennmotorräder war es eine Strapaze. Immerhin gab es kaum Schlaglöcher, jedoch immer wieder große Steine und Wurzeln, die kreuz und quer verliefen. Mühsam eierten die beiden Motorradlenker ihre Maschinen über die Hindernisse, bis sie in der Ferne einen geschlossenen Schlagbaum erblickten.

- „Das darf doch nicht wahr sein“, entfuhr es Gangolf, „seit wann gibt es da eine Schranke?“
Gangolf mußte sich wieder auf den Weg konzentrieren, er dachte sich, daß man diese Schranke schon irgendwie seitlich umgehen wird können, schließlich sind sie nicht mit einem Auto unterwegs, sondern mit verhältnismäßig schmalen Motorrädern. Als sie schon nahe an der Absperrung angelangt waren, entdeckte Gangolf jenseits des Schlagbaums einen Wohncontainer.

- „Nein, das nicht auch noch“, schrie Gangolf entsetzt in seinen Helm und auch Birgit starrte fassungslos auf den Kasten am Straßenrand.

- „Wou kummt’n dez her?“ blöckte ein bayrischer Grenzpolizist von der anderen Seite des Grenze. [Wo kommt denn ihr her].
- „Ja von der Tschechei natürlich“, entgegnete Gangolf im gleichen ost-oberpfälzer Dialekt. ‚Was für ein Kleingeist’, dachte er sich, ‚sieht er doch, daß wir von dort kommen, so eine blöde Frage.
- „Hat eich da Tschech da durchloua?“ [Hat euch der Tscheche da durchlassen?].
- „Na ja, siagst doch“, antwortete Gangolf in der Hoffnung, daß sein Gegenüber endlich die Schranke öffnete. Daß sie im Voraus hundert Euro >Strafe< zahlen mußten, behielt er lieber für sich und setze nach:
- „Wal af Iasling zou is, sull ma dou foahn, houd uns oana g’sagt“ [Weil Richtung Eslarn zu ist, sollen wir da fahren, hat uns einer gesagt]
- „Also nachert kummt’s eina, ich zeich’ eich’ eire Zöll’n!“

- „Was sagt der da alles?“, wandte sich Birgit an Gangolf, „ich versteh’ den noch schlechter als den tschechischen Mann vorhin.“
- „Wir sollen hinein kommen, er zeigt uns unsere Zellen.“

Birgit verschlug es die Sprache und auch Gangolf mußte erst einmal schlucken.
- „Was hoast da Zöll’n?“, entgegnete Gangolf den Grenzschützer, „mach’ endlich ahf, wia wölln weida!“ [Was heißt da Zellen, mach’ endlich auf, wir wollen weiter].
- „Nix da, ejtz ham’ ma extra so an schejna Container dou, dou mejn alle ei, zwoa Wandara san scho’ drin, wiad halt a weng eng.“
[Nichts da, jetzt haben wir extra einen schönen Container da, da müssen alle hinein, zwei Wanderer sind schon drinnen, es wird halt ein wenig eng].

‚Geld hat schon einmal geholfen’, durchzuckte es Gangolf, ‚ein Versuch ist es wert’:
- „Wejvl wls `tn, wia mejn weida!“ [Wieviel willst du denn, wir müssen weiter]
- „Göld wl i koans, owa du houst so schejne Moidln.“

Gangof gefror das Blut in den Adern, als der das hörte: >Geld will ich keines, aber du hast so schöne Mädeln<.
Birgit verstand schon allein akustisch gar nichts, und das war auch gut so, dachte sich Gangolf, zu seinem Erstaunen schien Magda wesentlich sprachgewandter zu sein, sie begriff anscheinend sofort, was der unbestechliche Beamte wollte:

Sie.






























































123. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 23.09.22 21:33

72


- „Wo steckst du bloß“, sprach Brause mit sich selbst, „du kannst doch nicht einfach mit deiner Marlies vom Erdboden verschwunden sein.“
Brause langweilte sich wieder einmal in seinem kleinen Büro im Lüggener Polizeirevier. Er beschloß, nochmals nach Wesserbarg zu Gangolfs Gehöft zu fahren. Vorsichtig umrundete er, so gut es ging, die zahlreichen Schlaglöcher auf dem Feldweg, der vom Ende der Siedlung zu Gangolfs einsamen Gehöft führte.
- „Was ist denn das!“, rief er erstaunt aus, als er in der Ferne einen riesigen Sportwagen stehen sah, „sag’ bloß, das ist doch die Karre von der Langohr!“

Brause umrundete das Fahrzeug und blickte in das Wageninnere. Er konnte seinen stets auf Suchen getrimmten Polizeiinstinkt nicht unterdrücken und obwohl es ihm vollkommen sinnlos erschien, versuchte er, die Fahrertür zu öffnen. Zu seiner größten Verwunderung ließ diese sich öffnen. Erschrocken drehte sich Brause um, denn er nahm nun an, daß sich Inge in unmittelbarer Nähe aufhalten würde. Doch er konnte niemanden auf dem weiträumigen Gelände entdecken, einsam stand er neben der Karosse, deren Fahrertür er unschlüssig in der Hand hielt. Zögerlich warf er noch einige Blicke in das Wageninnere, klappte auch den Kofferraumdeckel in die Höhe, ohne jedoch irgend etwas Bemerkenswertes zu entdecken.

- „Jetzt will ich doch `mal seh’n, ob die mit dem Stumpf unter einer Decke steckt“, sagte sich Brause und stapfte wildentschlossen zu Gangolfs Haus. Wieder fand er alles abgeschlossen und in einsamer Stille liegen. In der Scheune bemerkte er, daß eines der beiden Kajaks fehlte.
- „Aha, da ist jemand auf Tour gegangen“, murmelte er vor sich hin und beschloß, durch das Gestrüpp zum Seeufer hinunter zu gehen.

Brause machte sich kaum Hoffnungen, Gangolf in seinem Boot auf dem See zu sehen, der See war groß, zudem konnte er auch auf einen der Kanäle gepaddelt sein. Umso erfreuter reagierte er, als er etwa auf halber Strecke zu der Insel ein Paddelboot gewahrte.

- „Ah, das ist aber nicht der Stumpf“, wunderte sich Brause, „der würde wohl nicht so viel Gischt erzeugen.“
Brause kniff die Augen zusammen und vermeinte, eine Frau in dem Boot sitzen zu sehen. ‚Ja natürlich, das ist die Langohr’, dämmerte es ihm, ‚da macht die also einen Ausflug zu der Insel, da schau’ `mal an!’
Er setzte sich schwerfällig auf die Uferböschung, stützte die Ellenbogen auf den Knien ab und ließ sein Gesicht auf den Handflächen ruhen. Nach einer endlos wirkenden Zeit verschwand das Boot in dem Schilfgürtel der Insel. Brause beschloß, zu seinem Polizeiwagen zurückzukehren, um daraus den Feldstecher zu holen. Er wurde von den Kollegen oft belächelt, daß er dieses Requisit aus DDR-Zeiten immer noch in dem Auto verstaut hatte.

Als Brause wieder seinen Beobachtungsposten eingenommen hatte, lag der See weiterhin still und friedlich vor ihm. Die friedliche Stille wurde indes schnöd unterbrochen, als Nisselpriem ihn am Dienst-Handy anrief.
- „Wo steckst du denn schon wieder?“, wollte sein Chef wissen.
- „Observiere gerade jemanden“, entgegnete Brause mit einem vergnüglichen Lächeln.
- „Waaas machst du?“, fragte Nisselpriem erstaunt.
- „Ich observiere im Fall Geldraub“, präzisierte Brause.
- „Was gibt es da zu observieren?“
- „Ich bin ganz nah d’ran, da ist jemand mit einem Boot auf die Insel gerudert und jetzt wart’ ich, wer da zurückkommt.“
- „Ja und dann?“
- „Ja dann möchte ich von dem wissen, was er da zu suchen hatte und was er da dabei hat oder was er dort dorthin gebracht hat.“
- „Na wenn er dir das auch wahrheitsgemäß alles sagen wird“, dämpfte Nisselpriem Brauses Zuversicht.
- „Immerhin kriegen wir erstmals einen d’ran, schon allein wegen unbefugtem Betreten der Naturschutzinsel.“
- „Na wenn das nichts ist“, konterte Nisselpriem und wünschte seinem Kollege viel Spaß bei der Observierung. Brause verschwieg, daß er die rudernde Person bereits identifiziert hatte und daß diese berechtigt war, die Insel zu betreten.

Mit dem Feldstecher suchte Brause das gesamte gegenüberliegende Inselufer ab, doch er konnte keinerlei Bewegung ausmachen. Schließlich legte er das optische Hilfsmittel wieder ab und stützte sich mit beiden Armen nach hinten ab. Nach kurzer Zeit wurde es ihm sehr warm, er öffnete das seinen Bauch umspannende Hemd und löste den Krawattenknoten. Beinahe wäre er eingeschlafen; als er von seinem Dösen aufschreckte, gewahrte er im Schilfgürtel der Insel eine Bewegung. Schnell ergriff er den Feldstecher und entdeckte im gleichen Augenblick, wie sich die rote Spitze eines Kajaks aus dem grün-grauen Schilf auf den See hinausschob.
Dank des Feldstechers erkannte Brause eindeutig Inges Gesicht, er bemerkte die ungleichmäßigen Ruderschläge, er ahnte geradezu die anfängerhaften Bewegungen, seine Gedanken schweiften zu der Bootsfahrt mit dem Elektro-Kahn, als die junge Barbara Bär meisterhaft nach Röthen die weite Strecke quer über den See zurückruderte, weil sein Kollege zu blöd war, die Ersatzbatterie richtig anzuschließen.

Brause beschloß, den Beobachtungsposten aufzugeben, um nicht gesehen zu werden. Er wollte Inge an ihrem Auto überraschen. Mühsam richtet er sich auf, knöpfte sein Hemd zu, auf die Krawatte verzichtete er. Bevor er sich zum Gehen umwandte, blickte er nochmals auf das Wasser und stellte beruhigt fest, daß Inge noch kaum näher gekommen war. Sie kämpfte offensichtlich angestrengt gegen die Wasserflut des still daliegenden Sees.

Als sich Brause wieder durch das Ufergestrüpp hindurchgewuselt hatte, fiel ihm ein, daß er seinen Feldstecher liegengelassen hatte.
- „So ein Mist aber auch“, fluchte er leise vor sich hin, „Mann, wie werd’ ich vergeßlich!“
Mißgelaunt kämpfte er sich wieder zum Ufer hindurch; als er bemerkte, wie wenig Inge weitergekommen war, beruhigte er sich und schmunzelte. ‚Da war die Bär schon anders d’rauf, die konnte rudern, noch dazu in dem schwerfälligen Kahn, mit uns beiden blinden Passagieren d’rauf.’
Er ergriff den Feldstecher und beschloß, erst einmal am Seeufer entlang zu gehen, um nicht wieder durch das dichte Gezweige sich zwängen zu müssen. Bald kam er zu der Mündung des Kanals.

- „Ach ja, da ist ja der Kanal schon“, murmelte Brause vor sich hin und ging an dem Kanal entlang weiter, bis er zu dem Steg kam. Dort benutzte er den Pfad zu Gangolfs Haus hinauf. Auf dem weiträumigen Hof angelangt suchte er sich ein Plätzchen, von wo aus er das gesamte Gelände im Blick behalten konnte, Gangolfs Haus ebenso wie Inges Auto. Viertelstunde um Viertelstunde verstrich, ohne daß sich irgend etwas rührte. Ab und zu kreischte kurz eine Möwe auf, doch dann war wieder alles totenstill. Brause beschloß, das Polizeifahrzeug zu verstecken, um den Überraschungseffekt zu vergrößern. Er fuhr den holprigen Feldweg weiter bis zu dem bewaldeten Saum entlang des Kanals. Ruhigen Schrittes ging er zurück und nahm wieder seinen Beobachtungsposten ein.

Inge war vollkommen fix und fertig, als sie mit letzter Kraft das Kajak in den Kanal lenkte, an dessen Ufer in kurzer Entfernung von der Mündung in den See der Anlegersteg war, von wo aus sie ihre erste Paddeltour begonnen hatte. Es gelang ihr irgendwie, das Kajak längs des Stegs anzulanden, doch fehlte ihr die Kraft, sich daraus herauszuwinden. Sie blieb einfach sitzen und lauschte auf ihre kurzen Atemstöße. Nach einer langen Zeit des Innehaltens raffte sie sich schließlich auf, sie konzentrierte sich kaum auf einen geordneten Ausstieg, sondern gab dem Boot vielmehr einen letzten Tritt, um auf den Steg hinauf zu kommen.

Das Kajak schwankte stark, als sich Inge aufgerichtet und auf den Steg emporgezogen hatte, doch blieb es erstaunlicherweise längs des Stegs liegen. Inge setzte sich auf die Holzplanken und streifte ihre feuchten Chucks von den Füßen. Es war ihr egal, ob die Feuchtigkeit noch von dem Wasser herrührte, als sie zu Beginn der Fahrt hier in den Kanal watete, um das umhertreibende Boot einzufangen, oder ob es der Fußschweiß war, der sich bildete, weil ihre Füße sich so lange tief in der Plastikröhre des Kajaks befanden. Sie rieb sich die Zehen und wartete, bis ihr Puls wieder einigermaßen normal ging. Schließlich gab sie sich einen Ruck und erhob sich, um zu ihrem Auto zurückzukehren. Ihr Blick fiel auf das Boot, das herren- und frauenlos im Wasser lag.

- „Nein, das schaff' ich jetzt nicht, das herauszuziehen“, sagte sich Inge selber, ohne es überhaupt erst zu versuchen, „ich bind' es einfach fest und sag' dem Typ dann, daß seine Schaukel da am Steg liegt, soll er es doch selber holen, schließlich kriegt er ja Geld von mir!“
Inge bückte sich und band das Kajak fest. Kaum hat sie den Steg verlassen, spürte sie den unebenen Untergrund des Pfades unter ihren Fußsohlen.
- „Verdammt, die Schuhe!“, stieß sie aus und verwünschte ihre Schusseligkeit. Wieder am wasserseitigen Ende des Stegs angekommen ergriff sie ihre Chucks, die sie dort achtlos liegengelassen hatte, und schlüpfte in diese hinein.

Das Gehöft schien genauso verlassen, wie Inge es am Vormittag vorgefunden hatte.
- „Er wird seine Schaukel schon finden unten am Steg“, sagte sie sich und schlappte zu ihrem Auto. Inge zog den Schlüssel-Chip aus ihrer Hosentasche und betätigte den Öffnungsknopf. Zu ihrer Verwunderung gewahrte sie nicht das leichte Summen, welches das Entriegeln der Türen einleitete.

'Hab' ich wieder zum Absperren vergessen', überlegte sich Inge und bereute, die Empfehlung des Verkäufers angenommen zu haben, als dieser die automatische zeitgesteuerte Verriegelung herausprogrammiert hatte. Gerade als sie im Begriff war, sich auf die tiefe Sitzschale ihres geliebten Rennwagens zu zwängen, wurde sie von einem Geräusch aufgeschreckt. Mit allem hätte sie gerechnet, aber nicht damit, daß ausgerechnet Brause mit einem breitem Lächeln auf sie zuschritt.

- „Juten Tach, Frau Langohr“, begrüßte er sie mit aufgesetzter Freundlichkeit, „wat machen S’e hier draußen am hellichten Tach so janz alleene?“
Inge brachte nur ein „Juten Tach auch“ hervor, ihre Verblüffung saß ihr in den Knochen. Doch dann rang sie sich zu einer Antwort durch: „Ich hab’ Urlaub und ging ein bißchen am See spazieren.“
- „Aha, und, sagen Sie `mal, ich such’ schon seit einiger Zeit diesen Herrn Stumpf, wissen Sie vielleicht, wo der ist, haben Sie ihn vielleicht auf dem See gesehen, der ist doch so ein Ruderer, na Sie wissen schon, wie sagt man zu den flotten Booten da, die über den See pfeilen?“
- „Kajaks, nee, hab’ niemanden jeseh’n, wer soll das sein, wen Sie da suchen?“
- „Herrn Stumpf, kennen Sie den nicht?“
- „Nein, woher denn?“

Brause durchbohrte sie mit seinem stechenden Blick, er ließ die Augen nicht von ihrem Gesicht. ‚Aha, aber sein Boot kennst du schon’, dachte er sich, ohne Inge aus den Augen zu lassen. Inge wirkte indes nicht verstört, sie schien nicht zu lügen.
Brause fuhr fort: „Ja nur so, ich dachte einfach, Sie würden sich kennen. Nun ja, dann wünsch’ ich Ihnen einen schönen Urlaub, vielleicht treffen wir uns wieder einmal auf dem Parkplatz.“
- „Danke, gleichfalls.“
‚Was heißt da >gleichfalls<’, dachte sich Brause, ‚immerhin bin ich im Dienst hier und nicht zum >Spazierengehen<. Immerhin hast du anscheinend nichts von der Insel mitgebracht, also dann fahr’ `mal wieder schön weiter’, sinnierte Brause, winkte ihr zu und wandte sich zum Gehen um.
‚Aber irgendwie kennst du den Stumpf doch, denn sein Kajak hast du ja vermutlich mit seiner Erlaubnis genommen. Anderseits zeigtest du keinerlei Rührung, als ich dich nach Stumpf befragte, komisch, wirklich sehr seltsam.’

Mit diesen Gedanken setzte sich Brause in Bewegung, doch er kehrte nochmals um. Er schritt zu der Scheune. Wie er vermutete, fand er darin nur das eine Kajak, das rote indes nicht. Um sich ganz sicher zu sein, schritt er nochmals zu dem Steg und fand dort das gesuchte Boot tatsächlich angebunden.
‚Sehr seltsam’, dachte sich Brause und wandte sich wieder zum Gehen um, ‚was hat die nur auf der Insel getrieben, hat sie am Ende das restliche Geld wieder dorthin zurückgebracht?’

‚Was wollte der da bloß?’ überlegte sich Inge, als sie mit ihrem edlen Gefährt den schlaglochübersäten Feldweg entlang hoppelte, ‚ein Glück, daß der mich nicht gesehen hatte, wie ich mit dem Kajak da über den See gefahren bin. So ein blöder Schnüffler, daß der mich auch neulich gleich am ersten Tag, als ich das Auto gekauft hatte, auf dem Parkplatz traf und dann auch die Bahnschranken so lange zu waren.’

Nach einer Weile kam es Inge in den Sinn: ‚Dieser Stumpf, den er da gesucht hat, ja, den Namen hab’ ich doch an dem Klingelschild gelesen an dem einsamen Haus, wo daneben die Scheune steht, aus der ich mir das Kajak geholt hatte. Und der Brause sucht den also, ja, wenn er also anscheinend schon länger nicht da ist, hab’ ich wohl von dem nichts zu befürchten, wird sich halt wundern, daß sein Bötlein nicht mehr da ist, sondern unten am Steg baumelt.’ Der Gedanke daran ließ Inge ein leichtes Lächeln aufkommen.

Als sie endlich den schlaglochübersäten Feldweg verlassen hatte und auf die Bundesstraße eingebogen war, steigerte sich Inges Wohlbefinden zusehends; sie strich sich genußvoll über den Unterleib, welcher durch den jetzt nicht mehr zu öffnenden Keuschheitsgürtel verschlossen war. Beinahe hätte sie dabei einen Unfall provoziert, als sie eine Rechtskurve unterschätzte und einhändig nicht schnell genug herumlenkte. Glücklicherweise schätzte der entgegenkommende Fahrer die Situation blitzschnell richtig ein, legte eine Vollbremsung ein und konnte dadurch einen Zusammenprall verhindern.

Inges Laune ebbte erneut auf einen Tiefpunkt ab, für den Rest der Fahrt vergaß sie ihr Lusteisen über ihrem Lusteingang und lenkte ihr Rennauto mit verminderter Geschwindigkeit nach Lüggen. Zuhause angekommen nahm sie sich vor, ein heißes Bad zu nehmen. Nachdem sie sich die Kleider vom Leib gezogen hatte, wollte sie nach dem Schlüssel greifen, um auch den Keuschheitsgürtel abzulegen.

- „Verdammt, der liegt ja in der blöden Kiste jetzt“, murmelte Inge vor sich hin und stieg in die Wanne. In ihr nagten erste Zweifel, ob es doch nicht zu verrückt gewesen war, sich in das Eisen einzuschließen und den Schlüssel unerreichbar weit weg zu deponieren. Das heiße Badewasser brannte auf ihren malträtierten Pobacken, in der Pofurche spürte Inge einen anschwellenden Juckreiz, dem sie hoffnungslos ausgeliefert war.

- „Verdammt, verdammt, verdammt“, schimpfte sie vor sich hin und schwang die Beine aus dem Wasser über den Beckenrand. Mit einem Ruck zog sie sich empor und setzte sich auf die Wanne. Mit der rechten Hand griff sie nach hinten und zog den Brauseschlauch heran. Mit der anderen Hand betätigte sie den Hebel der Einlaufarmatur und ließ kaltes Wasser aus dem Hahn fließen. Dann hob sie den Zugknopf an, um das Wasser durch den Brauseschlauch strömen zu lassen. Mit dem kalten Strahl versuchte Inge, sich das geschundene Sitzfleisch abzukühlen. Tatsächlich gelang es ihr mit mäßigem Erfolg, das Brennen einzudämmen, doch als sie wieder in das heiße Wasser der Wanne stieg, begann die Haut erneut zu schmerzen. Sie beschloß, das Bad zu beenden, sie wusch sich noch schnell die Haare und verließ angesäuert die Wanne.

Inge konnte lange nicht einschlafen. Der Gedanke an das Eingesperrtsein in dem Keuschheitsgürtel ließ sie nicht zur Ruhe kommen. Endlich siegte die Müdigkeit über den aufgewühlten Geist, doch es war ein äußerst unruhiger Schlaf, in welchen sie endlich fiel. Immer wieder schreckte sie vom Alp geplagt empor, erfaßte nach einigen Sekunden die Situation und ließ sich erschöpft in die Kissen zurückfallen. Um vier Uhr schreckte sie wieder aus dem Schlaf, diesmal schwang sie ihre Beine aus dem Bett und stand auf. Sie zappte sich durch die Fernsehkanäle und blieb auf einem Sender hängen, der einen Horrorfilm zeigte. Der Thriller ließ ihre eigene Pein vergessen, mit pochendem Herzen verfolgte Inge die gequälten Personen auf dem Bildschirm. Als der Film zu Ende war, drückte sich das erste Tageslicht durch die Ritzen der Rollolamellen. Inge begab sich wieder in das Schlafzimmer und kuschelte sich in's Bett. Endlich fiel sie in einen tiefen Schlaf, der sie erst gegen Mittag aufwachen ließ.

Es war die drückende Blase, die Inge zur Toilette nötigte. Inge verfluchte sich, den Schlüssel für den Keuschheitsgürtel auf der einsamen Insel zurückgelassen zu haben. Erstmals mußte sie nun ihre Blase mit verschlossenem Gürtel entleeren, es funktionierte besser, als sie befürchtete. Sie überlegte ernsthaft, gleich nochmals nach Wesserbarg zu fahren, um erneut mit dem Kajak zur Insel zu rudern, den Schlüssel zu holen. Doch erst einmal wollte sie etwas Essen, um wieder zu Kräften zu kommen. Schließlich beschloß Inge, sich ihrem selbsterwählten Schicksal zu ergeben und eine weitere Nacht in dem eingeschlossenen Gürtel zu verbringen.

Tatsächlich gelang es Inge, in der zweiten Nacht wesentlich schneller in einen ruhigen Schlaf zu fallen. 'Wie schnell doch der Gewohnheitseffekt eintritt', dachte sie sich zufrieden und hoffte, daß sich bald auch wieder die Lust in ihrem Schritt einstellen würde. Im Gedanken war sie bereits in Berlin, wenn sie dort am Mittwoch die alte Freundin besuchen würde. „Vorfreude ist doch die schönste Freude, nach der Schadenfreude vielleicht,“ redete sich Inge ein und bewegte ihre Hände zwischen die gespreizten Beine.























124. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von folssom am 25.09.22 00:45

Hey M A G N U S,

auch wenn ich mich in letzter Zeit mit Kommentaren zu Geschichten eher zurückhaltend verhalten habe, kann ich dir versichern, mich auf jede deiner Fortsetzungen zu freuen.

mfg
125. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 30.09.22 23:04

Danke, Sarah, für deine warmen Worte, tut richtig gut, denn ich fürchtete tatsächlich, Du und vielleicht manch anderer "stille Leser" könnte das Interesse am Fortgang der Geschichte verloren haben, nachdem Martina und Bettina in dem Quarantäne-Container weggesperrt worden sind und somit erst einmal für sechs Wochen außer Gefecht bleiben...


73

- „Mach’ das nicht, Magda,“ schrie Birgit in Panik, „halt, mach’ das nicht, komm’ zurück!“
Gangolf stand sprachlos da, doch Magda ließ sich nicht abhalten und lief dem Grenzschützer geradewegs in die Arme.
- „Ja so is’ recht“, knurrte der Grenzschützer und drückte Magda zu sich heran, „aber die andere möcht’ i aah ham!“ [Aber die andere möchte ich auch haben]

Birgit umklammerte Gangolf voller Angst, doch Magda rief ihr zu:
- „Na komm’ schon, ein bißchen Liebe für den armen Kerl da und dann läßt er uns wieder gehen!“
- „Ganz genau, du bist a schlau’s Moidl. Oder soll i eich allzammt sex Wocha eispiarn?“
[Ganz genau, du bist ein schlaues Mädchen. Oder soll ich euch alle zusammen sechs Wochen einsperren?]

- „Jetzt komm’ schon, Birgit, wir werden es überstehen!“ versuchte Magda Birgit zu bewegen, mit ihr zu dem Mann zu kommen. Tatsächlich löste sich Birgit zögerlich von Gangolf und blickte diesen hilfesuchend an:
- „Was meinst du dazu?“

Gangolf stand immer noch sprachlos-erstarrt herum, mühsam formulierte er die knappen Worte:
- „Ja also wenn du meinst, aber ich will das wirklich nicht von euch verlangen.“
- „So is’ brav“, fletschte der Grenzschützer die Zähne, „da gejht `z ei. Awa z’erst spiar i no enkan Freind ei, daß a ma niart davolaft!“
[geht ihr da hinein. Aber zuerst sperr’ ich noch eueren Freund ein, daß er mir nicht davonläuft.]

Der Grenzschützer schubste Gangolf in einen Zellenraum des Containers und verschloß die Tür, ehe er zu dem Nachbarraum ging, in welchen er Magda und Birgit dirigiert hatte. Gangolf vernahm nur noch das Zuschlagen der Metalltüre, dann war es totenstill in dem Wohncontainer.

- „Das gibt’s doch nicht, das ist doch nicht zu fassen!“, fluchte Gangolf und setzte sich auf eine der beiden Pritschen. Durch das vergitterte Zellenfenster schimmerte das Abendlicht der hereinbrechenden Nacht. Zusammen mit der funseligen Deckenlampe ergab sich eine bizarre Beleuchtung. Gangolf malte sich in düsteren Bildern aus, wie seine beiden Begleiterinnen den schmierigen Grenzwärter bedienen mußten. Allmählich gelang es ihm, sich zu beruhigen, tatsächlich vernahm er jetzt leise Stimmen aus dem benachbarten Raum. Immer deutlicher konnte er die Stimme des Grenzers durch die dünne Wand hören. Plötzlich vernahm er ein Geräusch, das ihn an das Schließen von Handschellen erinnerte.

- „Dem blöden Typ ist alles zuzutrauen“, murmelte Gangolf voll von ohnmächtiger Wut vor sich hin, „immerhin ist die Magda solche Quälereien ja gewöhnt, aber die Birgit, die wird es schwer haben, so zu leiden.“

Plötzlich vernahm Gangolf einen lauten Aufschrei – es war eindeutig die Stimme des Grenzschützers. Nach wenigen Sekunden erfolgte nochmals ein Schrei, dann mit längeren Abständen weitere drei. Dann vernahm Gangolf auch eine Frauenstimme, er konnte jedoch nicht unterscheiden, ob es jene von Birgit war oder von Magda. Anschließend wurde es für eine geraume Zeit wieder still, bis Gangolf wieder Stimmen vernahm, diesmal waren es zwei Frauenstimmen, die sich in kurzen Sätzen abwechselten. Dazwischen drang eine laute Männerstimme durch, die nach einem neuerlichen Aufschrei zum Schweigen gebracht wurde.

Wieder vermeinte er das charakteristische Ratschen von Handschellen zu hören. Gangolf war zu Tode erschrocken, ängstlich lauschte er mit angehaltenem Atem an der Wand. Allmählich dämmerte es ihm, daß die beiden Frauen anscheinend den Spieß umgedreht hatten: ‚Was schreit da der Alte dauernd auf?’

Tief im Gedanken verstrickt schreckte Gangolf auf, als er plötzlich einen Schlüssel im Türschloß seiner Zelle gehen hörte. Zu seiner größten Überraschung stürmte Birgit herein und ließ ihm gar keine Frage stellen:
- „Komm’ schnell heraus, wir hauen ab, das Schwein liegt in Handschellen gefesselt, da wird ihn morgen schon jemand finden.“

Verdutzt schnellte Gangolf von seiner Pritsche empor und verließ mit Birgit den kleinen Zellenraum. Draußen wartete schon Magda mit einem breiten Lächeln. Sie konnte es nicht lassen, Gangolf mit ihr Sichtweise zu verblüffen: -
- „Eigentlich war es schön, wieder `mal gefesselt zu sein, aber ich seh’ es schon ein, daß es besser ist, wenn wir jetzt weiterfahren.“

Gangolf entgegnete nichts; obwohl er nun schon seit Monaten von Magdas masochistischen Neigungen wußte, wunderte er sich doch, daß selbst in einer solch kritischen Situation mit einem wildfremden Menschen ihre Gefühle für die Lust im Leiden Oberhand behielten.
Birgit verschloß die Zelle, in welcher sie den Grenzschützer an’s Bett gefesselt hatte, und warf den Schlüsselbund vor die Tür.
- „So, und jetzt laßt uns abhauen, nicht daß noch ein anderer kommt, vielleicht haben die bald Wachablösung!“

Mit Mühen gelang es ihnen, die Motorräder an der geschlossenen Schranke vorbei zu schieben; in der hereinbrechenden Dämmerung hatten sie bereits große Probleme, den Untergrund zu erkennen. Mit einem dankbaren Seufzer schwangen sich die drei in die Sättel; die Fahrt ging nun auf gut geteerten kleinen Straßen voran. Gangolf hatte keine Mühe, die Orientierung zu behalten, der Straßenverlauf war ihm von Jugendzeiten her vertraut. Nach einigen Kilometern erreichten sie eine Kleinstadt, Gangolf hielt kurz an, um sich mit seinen Begleiterinnen abzustimmen:
- „Also ich hab’ zwar einen Bärenhunger, aber ich schlag’ vor, daß wir erst noch weiter fahren, bis wir wo zum Essen einkehren.“
Birgit pflichtete ihm bei:
- „Ja, meine ich auch, sicher ist sicher. Kennst du dich aus, oder sollen wir nachschauen?“
- „Nein, nicht nötig, hat sich hier nichts verändert“, antwortete Gangolf, „zum Glück hat der Typ ja nicht einmal unsere Kennzeichen gesehen oder auch nicht nach unseren Namen gefragt, so lustgeil war der, daß er an gar nichts anderes gedacht hat.“
- „Stell dir vor, da hat er die Magda gepackt, auf das Bett geworfen und die ließ sich ohne Gegenwehr mit den Handschellen fesseln.“

Beinahe wollte Gangolf kontern: >Was ihr anscheinend auch noch gefallen hat.< Doch er konnte sich den bissigen Kommentar verkneifen.
- „Also gut, fahren wir noch eine Weile, bis wir über die Bundesstraße 22, die berühmte Ostmarkstraße, wie sie zu meiner Jugendzeit noch immer genannt wurde, weiter weg kommen.“

Wie auf einer Rennstrecke fügte sich Kurve an Kurve, Berganstiege und Talabfahrten in wilder Folge aneinander; Gangolf fuhr ein mäßiges Tempo, sie hatten jetzt keine Eile, viel wichtiger war es, die Nerven nach den zurückliegenden Aufregungen zu beruhigen. Nach etwa einer halben Stunde kamen sie zu einer größeren Stadt. Gangolf hielt Ausschau nach Gaststätten, doch bei allen, an denen sie vorbei kamen, war es finster hinter den Fensterscheiben, so daß Gangolf gar nicht erst anhalten mußte, um zu sehen, ob geöffnet wäre. Birgit folgte ihm treu in der Spur, endlich erreichten sie ein Hotel, durch dessen Fenster Licht drang. Sie hielten an und stellten erleichtert fest, daß wenigstens diese Herberge geöffnet gewesen war.

- „Ja wo kommt ihr daher?“ begrüßte der Hotelier die Ankommenden mit rauher Herzlichkeit, „eigentlich ham’ ma zua, aber bin grad no a bissel beim Aufräumen.“
- „Wia ham’ so an Hunger, wia bracha ejtz owa wos“, ging Gangolf auf seinen Dialekt ein. [...wir brauchen jetzt aber was]
- „Bloß no’ an Hotelgäste derf ma no wos geh’m.“ [...dürfen wir noch etwas geben]

Gangolf wandte sich an Birgit, von Magda erwartete er ohnehin keine Meinung:
- „Was meinst du, sollen wir hier gleich übernachten, dann kriegen wir auch noch `was zu Essen?“
- „Ja klar, bleiben wir hier, mir reicht `s ziemlich.“

Der Wirt führte die Motorradreisenden in das Obergeschoß hinauf zu den Zimmern, ohne Nachzufragen öffnete er ein Einzelzimmer und ein geräumiges Doppelzimmer; dorthin brachte er später das Abendessen. Gangolf und seine Begleiterinnen luden den Wirt ein, sich mit zu ihnen an den Tisch zu setzen. Der Wirt war ein redseliger Mensch, er kommentierte die schier unglaublichen Abenteuer seiner Gäste, von welchen diese ausführlich berichteten.

- „Und da ham’ Sie die Schneid g’habt, den Grenzer zu überwältigen, des g’fallt mir!“
So sehr sich der Wirt auch um das Hochdeutsche bemühte, mußte Birgit scharf die Ohren spitzen, um der Konversation folgen zu können, denn auch Gangolf rutschte immer wieder in den oberpfälzer Dialekt ab.
- „Wir waren zum Glück zu zweit, so konnte ich ihn von hinten auf den Kopf schlagen, als er sich über Magda beugte. Und Magda stieß ihr Knie dann auf seine Eier, während er sich vor Schmerz krümmte, trat ich weiter auf ihn ein, bis er bewegungslos auf dem Boden lag. Dann konnte ich schnell Magda von den Handschellen befreien und die dann dem Lustmolch anlegen. Wir sind dann schnell aus dem Raum heraus und haben den eingesperrt da drinnen, vielleicht liegt er jetzt noch da drin’, bis ihn seine Kollegen finden, die Schlüssel haben wir vor die Tür geworfen."

- „Echt super, des freit mi, daß so oan ah amal a Niederlag’ eistecka mou.“ [... das freut mich, daß so einer auch einmal eine Niederlage einstecken muß]. „Der wird no’ lang da drah denk’n!“ [Der wird noch lange da daran denken].

Der Wirt nahm einen großen Schluck aus dem Bierkrug, wischte sich mit dem Handrücken den Bierschaum von den Lippen, räusperte sich theatralisch und bemühte sich, so gut es ihm möglich war, hochdeutsch das Gespräch weiter zu führen:
- „Also wißt ihr eigentlich, daß ich eigentlich gar nicht da mit euch sitzen deafert? [... dürfte?]

Gangolf und seine beiden Begleiterinnen sahen den Wirt verwundert an, Birgit entgegnete nach einer kurzen Pause:
- „Und warum nicht?“
- „Ja habt ihr die neuesten Nachrichten g’hört, seit gestern gilt strengstes Kontaktverbot, dr’um mou i ah d’Wirtsstum unt’ zousperrn, neichats is meah a Wiatshas of!“

Birgit lenkte den Blick vom Wirt auf Gangolf und blickte diesen fragend an. Gangolf begriff sofort die Mimik und sagte:
- „Es gibt eine Kontaktverbot seit gestern und deshalb muß er die Wirtsstube unten zusperren und nirgends ist mehr ein Wirtshaus offen.“
- „Wir wollten unsere Akkuladung im Smartphone schonen und haben die nur noch angeschaltet, um nach den Weg zu gucken“, erläuterte Birgit.
- „Ach so, dann wißt ihr gar nicht, daß wir jetzt draußen mit so einer Gasmaske herumlaufen müssen, als wenn der Ruß’ as Giftgas über d’Tschechei her sprejert!“
[... als wenn der Russe das Giftgas über die Tschechei herüber sprühen würden]

Entgeistert blickte Birgit und Gangolf den Wirt an, während über Magdas Gesicht ein Lächeln huschte. Zeitgleich stießen erstere aus: „Gasmasken?“

- „Ja, richtig, Gasmasken, die sind da `kommen und haben welche verteilt und g’sagt, daß ma die draß’ afsetz’n mou!“ [... daß man die draußen aufsetzen muß]
- „Das ist ja wie in Italien, schrecklich, die laufen dort auch alle mit den Masken herum, sogar innen in den Räumen, im Hotel mußten wir welche aufsetzen!“
- „Ah, das ist gut, dann habt ihr also schon welche dabei, ich hab’ nämlich keine mehr übrig.“
- „Nein, die haben wir denen dort gelassen, wir haben ja nicht im Traum uns vorstellen können, daß das jetzt auch hier so zur Pflicht wird.“
- „Ja, überall an die Grenzen nach Deutschland hinein haben die solche Container für d’Quarantän hi g’stellt, aber der Schmarrn mit de Mask’n ist blouß vo uns da, also in Bayern, unser Schnöder, der spinnt ja vollkommen, der hat des durchg’setzt und jetzt mejh ma dou damit umanand renner!“
[... jetzt müssen wir da damit herum rennen]

- „Und in Brandenburg gilt das nicht?“ wollte Birgit wissen.
- „Nah, blouß vo uns dou in Bayern, die anan spinna da niart so“.
[Nein, bloß bei uns da in Bayern, die anderen spinnen da nicht so]

Nach einer kurzen Pause fuhr der Wirt fort:
- „Also wenn ihr dann morgen früh hinausgeht, dann setzt euch gleich eire Helme auf, da können `s dann nix sag’n und dann faoht’s glei lous! [... dann fahrt gleich los]

Der Wirt blieb noch eine Weile bei seinen drei Gästen, schließlich verabschiedete er sich mit der Frage, wann er morgen früh das Frühstück heraufbringen sollte. Birgit verabschiedete sich gleichfalls und ging in ihr Einzelzimmer. Magda blickte Gangolf erwartungsvoll an und flüsterte:
- „Wir hätten die Handschellen mitnehmen sollen, anstelle den Grenzer damit zu fesseln.“
- „Ja spinnst du jetzt völlig?“, empörte sich Gangolf, „hast du wirklich nichts anderes im Sinn als deine blöden Fesselspielchen?“

Magda zog einen Schmollmund und setze sich auf’s Bett. Sie dachte an ihre Domina Martina, während Gangolfs Gedanken zu Bettina schweiften.
‚Wie es ihnen wohl geht, so auf engstem Raum, und das noch die nächsten fünf Wochen lang...’
Gangolf wünschte Magda eine Gute Nacht:
- „Schlaf’ gut, Magda, und wenn ich schnarch’, dann stoße mich an“.

- „Aber nein, du brauchst deinen Schlaf, damit du uns morgen sicher nach Hause fahren kannst. Und bei dir graben wir dann den Brunnen, ich freu’ mich schon so darauf.“
‚Was hegst du immer für schräge Gedanken, wir sind mit großem Glück den Quarantänemaßnahmen entronnen und du denkst an das Brunnengraben’, dachte sich Gangolf, doch er sagte nichts darauf.

Er ahnte, daß Magda nicht locker ließe, sie würde immer wieder damit anfangen. Mit diesen Gedanken schlief Gangolf ein; was er nicht ahnte, war das, wie das Brunnen-Projekt zu Ende gehen würde, daß das Volkslied vom Lindenbaum tragische Wirklichkeit werden sollte.















126. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 08.10.22 07:33

74

Es war die dritte Nacht, daß Inge Langohr in ihrem selbstgewählten Unterleibgefängnis saß; nachdem sie in der vorangegangenen Nacht einigermaßen ruhig schlafen konnte, riß der Alp sie unaufhörlich aus dem Schlaf, kaum daß sie nach dem Emporschrecken wieder eingedöst war. Im Traum bestieg sie ein Boot, um zu der Insel im Röthener See zu gelangen. Auf der Überfahrt kenterte sie, doch sie kam aus dem Kajak nicht heraus, die Füße waren im vorderen Teil des Plastikgehäuses irgendwie mit einer Kette fixiert. Die Schale lief voll Wasser, Inge vermeinte im Traum zu spüren, wie sie, im Boot festgekettet, unterging; verzweifelt begann sie mit den Armen wild zu rudern, um mit dem Körper über der Wasserlinie zu bleiben, es half nichts, entkräftet ließ sie ihre Arme erschlaffen, das Boot sank mit ihr ab. Als sie mit dem Kopf unter Wasser tauchte, erlöste ein gewaltiger Aufschrei Inge aus dem Alptraum; der Schweiß rann ihr über das Gesicht, das Herz schlug ihr bis zum Hals.

Es kam Inge wie Stunden vor, die sie nach diesem Traum wach gelegen hatte. Als es ihr endlich wieder gelang, in den Schlaf zu fallen, träumte sie davon, daß es ihr nun gelungen war, die Kette von ihren Fußknöcheln zu lösen und aus dem gekenterten Kajak auszusteigen. Doch die Freude über die Befreiung aus dem Boot währte kurz, denn zu ihrem nächsten Schrecken bemerkte sie, daß das Gewicht des Keuschheitsgürtels sie während des Schwimmens gewaltig nach unten zog; mit letzter Kraft erreichte sie den Steg an der Insel, doch gelang es ihr nicht mehr, sich an ihm emporzuziehen. Wieder mußte sie nach etlichen Versuchen aufgeben, sie versank erneut in das Wasser und wieder erwachte sie aus dem Alptraum mit einen Schrei.

In immer kürzeren Folgen ertönte der Schrei: Zunächst gelang es ihr zwar, sich durch das Schilf bis zum Ufer durchzuschlagen, doch dann rutschte sie auf der schlammig-schmierigen Uferböschung immer wieder ab. Als sie dann endlich doch auf die Insel kam, hatte sie die Orientierung hoffnungslos verloren und sie irrte im Traum kreuz und quer über die Insel, ohne die Lichtung zu finden. Als sie schließlich stürzte und mit dem Kopf auf einen Stein aufschlug, erlöste der Aufschrei von dieser Traumvariante. Doch gleich darauf kam der nächste Alp: Sie fand zwar jetzt die Lichtung und auch die Kiste, doch nur mit äußerster Mühe gelang es ihr, den Kistendeckel zu öffnen. Immer wieder glitt er ihr aus den Händen, endlich gelang es ihr, den Decke einen Spaltbreit anzuheben. Hurtig stieß sie einen Fuß dazwischen, um mit Hilfe der Beinmuskulatur den bleischweren Deckel aufzustemmen. Dummerweise hatte sie aus unerklärlichen Gründen ihre Schuhe verloren, so daß das Metall schmerzhaft in die Haut der empfindlichen Fußsohle und den Rist drückte. Tatsächlich gelang es ihr, den Deckel eine Handbreit zu öffnen, da glitt er ihr wieder aus den Händen und donnerte mit all seinem Gewicht auf den Fuß, der gellende Schmerzschrei erlöste Inge von dieser Alp-Fortsetzung.

Doch schon ging es weiter. Als die Kiste endlich offen vor ihrem träumenden Auge lag, fehlte natürlich der Schlüssel darin. Von Panik ergriffen grub sie bloßen Händen die Kiste aus, zog sie mit einem gewaltigen Ruck aus der Grube, hob sie über ihren Kopf, schüttelte sie dabei wild, in der Hoffnung, daß der Schlüssel doch noch irgendwie auf sie herabfiele, indes war es sie selber, die fiel, und zwar in die Grube und krachend landete die Kiste auf ihrem Kopf; Inge fühlte sich lebendig begraben. Der Aufschlag der Kiste auf ihren Kopf löste wieder eine gewaltige Schmerzwelle hervor, welche in einen weiteren Aufschrei mündete.

Anstelle aufzustehen, um sich außerhalb des Bettes zu beruhigen, verfiel Inge sofort wieder in einen unruhigen Schlaf. Irgendwie fand sie im Traum zwar den Schlüssel, er ließ sich jedoch in dem Schloß des Keuschheitsgürtels nicht drehen; Wasser und Schlamm haben dem filigranen Schließmechanismus geschadet. Verzweifelt verließ sie die Insel und sprang in's Wasser, um zurückzuschwimmen. Völlig nackt, nur mit dem Keuschheitsgürtel bekleidet, ging sie an Land, ihr Gewand war mit dem Boot untergegangen. Am Ufer lag ein altes verrostetes Fahrrad, ohne Sattel, aber immerhin irgendwie fahrbereit. Sie zog es aus dem Gestrüpp, setzte sich auf den Gepäckträger und radelte schwerfällig davon. Die Schlaglöcher in dem Feldweg bis nach Wesserbarg setzen ihr schwer zu, sie fühlte sich mit jedem Stoß tiefer in den Gepäckträger hineingedrückt, doch gelang es ihr im Traum auf wundersame Weise, nach Hause zu kommen. Zu ihrem Schreck konnte sie jedoch nicht mehr absteigen; der Rost des Gepäckträgers verband sich mit dem Eisen des Keuschheitsgürtels, dieser setzte durch das lange Schwimmen gleichfalls Rost an und verschweißte sich durch die Schlaglochstöße mit jenem des Gepäckträgers.

Immer wieder gelang es Inge, sich dem Alp zu entwinden, doch verfiel sie ihm erneut nach einer gewissen Zeit, kaum daß sie eindöst war. Das nächtliche Drama fand seine Fortsetzung darin, daß sie einen Schlossermeister aufsuchte. Dieser wackere Handwerker stand in seiner Werkstatt uns schien bereits auf Inge zu warten. Mit einem hämischen Grinsen hörte er sich ihr Begehren an:

- "Befreien Sie mich von diesem Ding da", rief Inge hysterisch und knöpfte ihre Hose auf. Der Schlosser ging in die Hocke und betrachtete den Keuschheitsgürtel aus nächster Nähe.
- "Machen Sie schon", drängte Inge in ihrem Alptraum, "ich muß aus diesem verdammten Käfig da heraus, koste, was es wolle!"

Der Meister grinste indes ungerührt weiter vor sich hin und strich mit seinen dicken Fingern über das edle Metall. Endlich räusperte er sich und wiederholte Inges Worte:
- "Koste, was es wolle?"
- "Ja, sagen Sie schon, wieviel wollen Sie, daß sie mich aus dem Ding befreien? Sie kriegen das Geld, sofort, hier, bar."

Bei diesen Worten zog Inge ihre Geldbörse hervor und wollte einige Scheine hervorholen. Der Schlosser räusperte sich nochmals und antwortete:
- "Also was ich dafür will, das ist mir schon klar, doch erst die Arbeit, dann der Lohn. In ihrem Fall ist eine Vorauskasse ja gar nicht möglich, wie ich das sehe, und Geld ist nicht alles im Leben.“
Inge blickte ihn verwundert an, sagte aber nichts weiter dazu.

- "Dann wollen wir doch `mal loslegen", fuhr der Schlosser fort und erhob sich aus der Hocke. Er ging zu dem großen Schraubstock und kurbelte diesen auf die weiteste Öffnungsstellung. In ihrem Traum betrachtete Inge schweigend das Tun des Meisters; sie versuchte, ihn Fragen zu stellen, doch es gelang ihr nicht. Als der Handwerker schließlich den Schraubstock vollständig geöffnet hatte, packte er Inge mit seinen kräftigen Händen links und rechts unter den Achseln, hob sie in die Höhe und setze sie unsanft auf dem Schraubstock ab. Wieder versuchte Inge krampfhaft, ihrer Empörung Luft zu machen, doch es gelang ihr nicht, den Mund zu öffnen.

Der Schlosser ergriff unterdessen die große Kurbelstange und drehte den beweglichen vorderen Teil des Schraubstocks zurück, so daß sich die Backe zwar langsam, aber unaufhörlich auf Inges Unterkörper zubewegte. Inge saß wie zur Salzsäule erstarrt auf dem Stock und konnte es nicht fassen, daß sie in wenigen Sekunden zwischen den Schraubstockbacken zusammengepreßt würde. Im letzten Augenblick griff sie mit den Händen nach vorn und versuchte, den Schlosser am Weiterdrehen zu hindern. Dieser rief erbost:
- "Pfoten weg!"

Zu Inges Erstaunen hörte er indes mit dem Kurbeln auf, ging in eine Ecke und zog eine rostige Kette hervor. Inge war dermaßen in dem Traum verfangen, daß sie wehrlos ihre Hände ihm hinhielt, welche er sogleich mit der Kette umschlang und hinter ihrem Rücken fesselte. Inge saß nun völlig wehrlos auf dem Schraubstock, deren Backen sich nur noch wenige Millimeter von ihrem Unterleib entfernt befanden, ihre Beine baumelten links und rechts von dem Schraubstock an der Werkbank herunter, ohne daß sie sich mit den Füßen irgendwo abstoßen hätte können. Erstaunlicherweise spürte sie im Schritt keinen Schmerz, obwohl die Auflagefläche auf dem Schraubstock äußerst schmal gewesen war, sie bestand nur aus der Abdeckung über dem Trapezgewinde. Sie schrieb diesen Umstand dem Schrittband zu, welches verhinderte, daß ihre empfindliche Furche eingedrückt wurde. An die Quetschungen der Schamlippen hatte sie sich längst gewöhnt.

Gemächlich trat der Schlosser wieder vor den Schraubstock und begann, diesen weiter zusammenzukurbeln. Nach nur zwei Sekunden langte die bewegliche Backe an den vorderen Teil des Schrittbandes an. Der Schlosser kurbelte indes weiter, so daß Inges Unterleib weiter nach hinten geschoben wurde, bis der rückwärtige Teil des Schrittbandes an die hintere, starre Backe angedrückt wurde. Inge spürte schmerzhaft, wie das Schrittband nun noch enger an ihren Leib angepreßt wurde, doch es gelang ihr immer noch nicht, einen Schrei loszuwerden. Sie war nun vollkommen bewegungslos eingespannt, lediglich mit ihren Beinen konnte sie herumzappeln.

- "Bleib ruhig sitzen, sonst muß ich dir die Füße auch noch festbinden", schnauzte der Schlosser sie an. Inge kam seinem Befehl nach und verfiel in eine Starre. Nachdem sich der Meister überzeugt hatte, daß sein neues Werkstück fest in dem Schraubstock eingespannt war, trat er zurück und suchte nach seinem Bolzenschneider. Entsetzt starrte Inge ihn an, als er mit einem wahren Monstrum zurückkam. Er öffnete die Schneidbacken und setze sie an dem Schloß das Keuschheitsgürtels an, das sich knapp oberhalb der vorderen Schraubstockbacke befand. Doch wie er es auch versuchte zu bewerkstelligen, der Bolzenschneider rutschte immer wieder ab, es gelang dem Meister nicht, das Schneidwerkzeug richtig anzusetzen. Er murmelte mißmutig vor sich hin, zog das Werkzeug zurück und warf es in die Ecke.

- "Dann nehmen wir halt die Flex", sprach er vor sich hin und verschwand wieder, um den Trennschleifer zu holen. Wiederum starrte Inge mit weit aufgerissenem Mund das große Gerät an, das der stämmige Mann mit seinen beiden kräftigen Händen emporhielt und damit auf die hilflos eingespannte Inge zuging. Beim Anblick dieses Gerätes versuchte sie nun doch, mit den Händen nach vorne zu greifen und den Schraubstock zu lockern, damit sie sich irgendwie daraus herauswinden könnte. Der Schlosser indes bemerkte Inges Vorhaben, warf den Trennschleifer auf die Werkbank und ergriff die Kette, welche Inges Hände umschlungen hielt. Er zog die Kette nach hinten und warf sie in den Schlitz, der sich zwischen Werkbank und Mauer befand. Inge zog jedoch weiter mit den Händen nach vorn, so daß die Kette wieder aus dem Zwischenraum hervorgezogen wurde.

- "Verdammt noch `mal", fluchte der Schlosser, "halt' endlich still, wie soll ich dir dein Schloß aufmachen, wenn du dauernd herumzappelst."
Mit einem Ruck schob er die Werkbank ganz an die Wand, so daß die Kette jetzt eingeklemmt war und Inge ihre Hände nicht weiter nach vorne ziehen konnte.

- "So, dann können wir endlich anfangen", brummte der Schlosser und setzte ein bärbeißiges Lächeln auf. Er betätigte höhnisch grinsend den Schalter, doch es tat sich nichts. Er drückte nochmals und dann in kürzeren Abständen immer wieder. Wie durch ein Wunder öffneten sich Inges Lippen und sie stieß hervor:
- "Das Kabel einstecken!"

Verdutzt drehte sich der Schlosser um, entdeckte nun auch seinerseits das auf dem Boden liegende Kabelende. Mit einem Fluch warf er den Trennschleifer erneut auf die Werkbank, bückte sich nach dem Stecker und steckte diesen in eine Stromkupplung, welche unweit der Werkbank von der Decke an einem Kabel herabhing. Mit einem ohrenbetäubenden Geräusch setzte sich die schnell drehende Trennscheibe in Gang, Inge schrie auf, doch es reichte nicht, sich dem Alp zu entziehen, sie blieb weiter in ihrem Traum gefesselt.

Der Schlosser zog die Unterlippe in seinen Mund und streifte sie beim Herausziehen mit den Zähnen der oberen Zahnreihe genüßlich ab. Dann wiederholte er das Spiel mit der Oberlippe und entsprechend mit den unteren Zähnen. Anschließend saugte er beide Lippen in den Mund und drückte den Gaumen fest zusammen. Mit dieser seltsamen Grimasse näherte er sich vorsichtig dem Schloß des Keuschheitsgürtels. Kaum berührte die Trennscheibe das Metall des Schlosses, sprühte unter einem gräßlich-kreischendem Geräusch ein kräftiger Feuerstrahl empor. Inge schrie gegen den Lärm an:
- "Halt, Sie verbrennen ja mein Gewand!"

Der Schlosser zog den Trennschleifer zurück, schaltete ihn aus und legte ihn wieder neben Inge auf die Werkbank. Er beäugte die kleinen Brandlöcher auf Inges T-Shirt, mit einem wilden Ruck riß er dieses in die Höhe und stülpte es über Inges Kopf, so daß sie nunmehr nichts mehr sehen konnte. Lüstern betrachtete er Inges Brüste, die nun nur noch mit dem knapp bemessenen BH verhüllt waren. Er freute sich auf seinen Lohn, den er sich nehmen würde, sobald der Gürtel geöffnet sein würde. Er verschwand in eine Ecke seiner Werkstatt, Inge hörte ihn herumtappen. Plötzlich entfuhr ihm ein Aufschrei, er stieß sich an den großen Bolzenschneider, den er zuvor achtlos irgendwo in die Ecke geworfen hatte.

-"Au, verdammtes Mistding", fluchte der Schlosser und kickte das Teil weiter in die Richtung, in welcher Eisenstangen an der Wand gelehnt waren. Mit einem ohrenbetäubenden Klirren fielen die Stangen der Reihe nach um.

Wieder stieß der Schlosser lautstarke Flüche aus und zerrte schließlich eine dicke Filzmatte hervor. Er legte diese Inge um den Bauch. Inge verzog sogleich die Nase; obschon diese von ihrem T-Shirt bedeckt war, roch sie sofort das ranzige Öl, welches aus dem Filzstoff triefte.
- "So, bist du jetzt zufrieden?", lachte der Handwerker schadenfroh und setzte seine Arbeit fort. Der Feuerstrahl brannte zwar nun keine weitere Löcher mehr in Inges T-Shirt, aber die Hosenbeine wurde weiterhin stark in Mitleidenschaft gezogen. Geschickt hielt der Meister den Trennschleifer so, daß er selber nicht von dem Feuer getroffen wurde.

Nach wenigen Sekunden waren die Bügel des Schlosses durchtrennt, der Schlosser legte den Trennschleifer ab und sprühte Öl aus einer Spritzflasche auf die Stelle, wo das durchtrennte Schloß war. Sofort stieg eine Qualmwolke empor, Inge schüttelte erschreckt den Kopf. Das Eisen des Keuschheitsgürtels hat sich gewaltig erhitzt, es gab die Hitze auf Inges Haut ab. Immerhin brachte das Öl eine gewisse Abkühlung, dennoch schmerzte es Inge sehr, neben dem Eingepreßtsein nun auch noch die Hitzewallung aushalten zu müssen.

- "So, jetzt kommen wir zu meinem Lohn", feixte der Meister, zog die mit Brandlöchern übersäte ölige Schutzmatte von Inges Bauch und kurbelte den Schraubstock auseinander. Inge seufzte dankbar auf. Der Schlosser wischte sich die Hände an einem verschmierten Tuch ab, das an der Wand an einem Nagel hing. Er zog das T-Shirt von Inges Kopf herunter und rückte die Werkbank etwas nach vorne, um die eingeklemmte Kette frei zu machen. Dann ergriff er wieder Inges Oberkörper, hob Inge von dem Schraubstock herunter und stellte sie auf die Beine. Genüßlich zog er ihr die Hose noch weiter herunter, so daß Inges gesamter Unterleib sichtbar wurde. Ihre Hände waren weiterhin hinter dem Rücken gefesselt, die rostige Kette schnitt schmerzhaft in die Handgelenke ein.

Eigentlich wollte Inge protestieren, als sie bemerkte, wie sich der Schlosser an dem Keuschheitsgürtel zu schaffen machte, andererseits wollte sie jetzt so schnell wie möglich aus dem Stahlgefängnis heraus und diese Befreiung nicht durch vermutlich ohnehin nutzlose Debatten herauszögern. Der Schlosser vollzog die Befreiung geradezu theatralisch, wie der Priester das Allerheiligste aus dem Tabernakel hervorholt, so zog der Schlosser andächtig das Eisen von Inges Unterleib hinweg. Inge war heilfroh, endlich von dem brennend-heißen Metall befreit zu sein, ihre Schamlippen traten glühend-rot hervor. Sie wolle sich umdrehen, um nicht den lüsternen Blicken ihres Befreiers ausgeliefert zu sein, doch die heruntergewurschtelte Hose machten eine Bewegung kaum möglich.

Der Schlosser bemerkte sogleich Inges Versuch, sich ihm zu entziehen, er packte sie grob und wuchtete sie auf die benachbarte Hobelbank, die etwas niedriger war als die Werkbank mit dem Schraubstock. Als sich der Mann an seinem Hosenladen zu schaffen machte, begriff Inge, was er vorhatte, mit einem letzten Aufschrei beendete sie den schier endlos quälenden Alptraum.



























127. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 14.10.22 20:28

75

Kaum daß es hinter dem zugezogenen Vorhang des Hotelzimmers am frühen Morgen etwas hell geworden war, erhob sich Gangolf vorsichtig aus dem Bett und schlich zu dem Fenster. Er wollte Magda nicht wecken, denn er wußte, daß das Mädchen ihren Schlaf brauchte nach den anstrengenden und aufregenden Tagen. Auch der vor ihnen liegende Tag würde nochmals ein Kraftakt werden, auch wenn zu hoffen war, daß es auf dieser letzten Etappe ihrer Reise keine besonderen Vorkommnisse geben würde.

Gangolf zog den Vorhang etwas zur Seite, so daß er auf die unten vorbeiführende Straße blicken konnte. Zu seiner Überraschung erblickte er tatsächlich, wie am Vorabend von dem Wirt angekündigt, Leute mit Gasmasken auf den Gehwegen längs der Straße vorbeizogen, auch Radfahrer vervollständigten mit ihren Masken das skurrile Bild. Immer wieder fuhren Polizeifahrzeuge vorbei; mit suchendem Blick hielten die Ordnungshüter Ausschau auf Maskenmuffel.

‚Wie in Italien’, wunderte sich Gangolf kopfschüttelnd und beobachtet eine Weile das Treiben. Plötzlich hörte er Magda heranschleichen, interessiert linste auch sie aus dem Spalt des Vorhangs auf die Straße hinunter.

- „Finde ich lustig“, war ihr einziger Kommentar. Gangolf blickte sie an und nahm Magdas Bemerkung auf:
- „Du findest es also lustig, wie die Leute da herumlaufen mit ihren dicken Masken vor dem Gesicht.“
- „Ja.“
- „Und in Italien, hast du das dort auch lustig gefunden, als wir dort mit der blöden Maske herumlaufen mußten?“
- „Ja.“
Gangolf wandte sich kopfschüttelnd ab und verzog sich in das kleine Badezimmer. Magda indes rief sich lustvoll in Erinnerung, als sie mit der Gasmaske in eine Sandgrube am Strand von Martina eingegraben worden war.

Zur vereinbarten Uhrzeit ließ der Wirt auf einem großen Tablett ein reichhaltiges Frühstück auf das Zimmer bringen. Nachdem sich die drei Freunde ausgiebig gestärkt hatten, packten sie ihre Sachen zusammen. Als sie damit fertig waren, setzten sie sich, wie von dem Wirt am Vorabend angemahnt, vor dem Hinuntergehen ihre Motorradhelme auf, um nicht auf der Straße als Unmaskierte wahrgenommen zu werden. Es gab ein bizarres Bild ab, als die drei mit ihren Taschen bepackt in ihren Motorradanzügen und ihren Helmen auf den Köpfen die Treppe hinunterstiefelten.

In zügiger Fahrt ging es auf der Naabtal-Autobahn nordwärts. Gangolf war froh, endlich seine Oberpfälzer Heimat zu verlassen; so sehr er früher dort gern gelebt hatte, so sehr betrübten ihn die Ereignisse des vorangegangenen Tages, das Erlebnis mit dem Grenzposten an dem Feldweg in die Tschechei. Auch die Pflicht zum Tragen der Gasmaske in Bayern wunderte ihn sehr und so freute er sich, seiner Voraussicht nach im Lauf des Nachmittags in seine neue Heimat zu gelangen, zu seinem einsam gelegenen Hof in Brandenburg am Rande des Schleewalds.

Nach etwa zwei Stunden erreichte die Reisegruppe den ehemaligen Zonengrenzübergang Rudolphstein. Mit Schaudern dachte Gangolf an die Zeiten zurück, als vor vierzig Jahren hier der Grenzzaun die Bevölkerung der sogenannten „DDR“ von dem Übertritt in die Bundesrepublik Deutschland hinderte. Während er im Gedanken versunken das Motorrad umsichtig durch die Kurven vor dem Brückenrestaurant lenkte, gewahrte er plötzlich auf der anderen Fahrbahnrichtung auf allen drei Fahrstreifen stehende Autos.

‚Was ist denn da los?’, wunderte sich Gangolf und lenkte seinen Blick in den Rückspiegel, um den Grund des Staus zu erkennen.
‚Da war doch kein Unfall’, sagte er sich und gewahrte in diesem Augenblick kontrollierende Uniformträger, welche anscheinend alle heranfahrenden Fahrzeuge anhielten.

‚Jetzt führen die wieder innerdeutsche Grenzkontrollen durch’, kam es ihn in den Sinn, ‚so ein Wahnsinn, anscheinend genügen dem bayrischen Präsidenten nicht die Quarantänemaßnahmen entlang der Außengrenzen Deutschlands. Und wie weit waren wir schon einmal mit dem freizügigen Reisen innerhalb der Europäischen Union, ist alles Geschichte geworden seit dem unseligen Corona-Virus, Schengen-Abkommen und so, seit zehn Jahren ist das ausgesetzt, selbst nach Österreich muß man jetzt wieder, wie in ganz früheren Zeiten, den Personalausweis vorzeigen, und jetzt also sogar innerhalb der Grenzen Deutschlands von Bundesland zu Bundesland. Zum Glück machen die Thüringer da offensichtlich nicht mit.’
Tatsächlich gelangten sie problemlos über die weite Talbrücke, die >Brücke der deutschen Einheit<, während sich in der Gegenrichtung die Fahrzeuge stauten.

Die Fahrt ging zügig weiter, sie kamen bald nach Leipzig. Im Nordosten bogen sie auf die Bundesstraße 87 ab, welche sie immer geradeaus direkt bis nach Lüggen bringen sollte. Gangolf war froh, dem monotonen Autobahnfahren entronnen zu sein, auch wenn das Fahren auf der vielbefahrenen Bundesstraße deutlich mehr Konzentration erforderte. Als sie Torgau hinter sich gelassen hatten, beschloß Gangolf, in der nächsten Stadt eine längere Rast einzulegen. Schon von weiten strahlte ihn der Kirchturm der mächtigen Backsteinkirche von Schmerzberg entgegen. Während die Bundesstraße in einem weiten Bogen die Stadt nördlich umging, rollten die beiden Motorräder auf dem Kopfsteinpflaster geradeaus in die Stadtmitte. Vor der riesigen Kirche stellten sie die Motorräder ab, um ein Gasthaus aufzusuchen. Die gesamte Kirche war mit einem Gerüst belegt, ein großes Bauplakat beschrieb die geplanten Umbaumaßnahmen, die drei lasen mit großem Erstaunen, daß die Kirche zu einem speziellen Gefängnis umgebaut wird, >Verwahranstalt für Gefährder und sozial-kriminelle Außenseiter<.

- „Seht `mal, was hier steht, sozial-kriminelle Außenseiter, was ist denn das?“ ereiferte sich Birgit, „wird wohl so ein Spezial-Knast werden, so ein Art Stasi-Gefängnis.“
Gangolf pflichtete ihr bei, daß es anscheinend wieder so weit gekommen ist, daß spezielle Gefängnisse gebaut werden, hier wurde gar eine uralte Kirche zur Schaffung einer solchen Einrichtung umgebaut. Allein Magda fand den Gedanken an eine enge Gefängniszelle erregend. Sie fragte arglos:
- „Werden die da drinnen in Ketten gehalten?“
- „Wie bist du denn d`rauf?“, entgegnete Birgit, denn sie wußte noch nicht, daß Magda die geborene Gefangene, noch mehr, die absolut devote Sklavin war. Gangolf dachte sich seinen Teil, er erwiderte nichts.
Sie fragten einen älteren Herrn nach einer Empfehlung für eine gediegene Gaststätte, doch dieser betrachtete sie überrascht:
- „Haben Sie noch nicht gehört, die Gaststätten sind seit dieser Woche alle zu, müssen schließen wegen des Virus da, der gleiche Wahnsinn, wie vor zehn Jahren. Aber gehen Sie da vor, auf der rechten Straßenseite soll ein guter Imbiß sein, was ich gehört habe. Und passen Sie auf, fahren Sie bloß nicht nach Bayern, dort müssen die armen den ganzen Tag mit Gasmasken herumlaufen, als ob ein Gaskrieg ausgebrochen wäre.“

Die drei bedankten sich für die Auskunft; so betrüblich sie auch war, wurden sie immerhin an dem bezeichneten Imbiß mit einer leckeren Thüringer Rostbratwurst belohnt.
Frisch gestärkt erreichten die drei am Nachmittag Lüggen; auf dem Markt aßen sie bei einer Tasse Kaffee Kuchen.

- „Draußen dürfen Sie noch sitzen, drinnen nicht mehr“, klärte die Bedienung auf. Birgit und Gangolf legten ihre schweren Motorradjacken ab, Birgit zog sich auch die Stiefel aus und genoß die Abkühlung, Magda indes verweilte in ihrem Gewand, sie fand es stimulierend, in dem engen Motorradanzug eingezwängt zu sein. Nichts schlechtes ahnend hing jeder der drei seinen Gedanken nach, die zurückliegenden Tage waren einfach dermaßen aufregend und nervenaufreibend, daß es überaus erholsam war, einfach nur so dazusitzen.

Magda bemerkte ihn als erstes, dann blickte auch Gangolf in die Richtung, in welche sie starrte. Birgit indes blieb ganz unbekümmert:
- „Seht ihr da irgendwo ein Gespenst?“
- „Ja, so ähnlich, ein zweibeiniges“, erwiderte Gangolf. Bevor er weitere Erläuterungen geben konnte, watschelte Brause mit seinem eigentümlichen Gangwerk auf die Dreiergruppe zu.
- „Ja juten Tach, schön, Sie hier zu treffen, ich dachte schon, Sie wären vom Erdboden verschluckt.“
- „Guten Tach auch“, erwiderte Gangolf Brauses Gruß, seine singende Stimme nachahmend, „warum, haben Sie uns gesucht?“
- „Ja, allerdings.“
- „Wir machten täglich kleine Motorradtouren durch die Gegend, Magda darf ja jetzt sich wieder im ganzen Landkreis aufhalten und das haben wir die letzten Tage ausgenutzt, es gibt hier so viel zu sehen.“
- „Ja, das ist wohl wahr“, nahm Brause die Konversation auf. Bevor er zu einer weiteren Frage Anlauf nehmen konnte, fuhr Gangolf fort:
- „Hier ist übrigens die Birgit, und das ist Kriminalhauptmeister Brause.“
- „Das mit dem Kriminal lassen Sie aber weg, bin einfacher Polizist hier in Lüggen, und ja, entschuldigen Sie bitte, ich vergaß, mich vorzustellen, wir kennen uns ja noch nicht.“
Er wandte sich Birgit zu:
- „Aha, und Sie sind also auch so eine Motorradbegeisterte, ja das war schon was, bin früher auch viel gefahren, aber das waren alles so stinkende Ungetüme, nicht vergleichbar mit den heutigen Maschinen.“

Birgit war sich unsicher, was sie darauf sagen sollte, arglos ergriff sie das Wort:
- „Wir kommen gerade von Italien.“
Gangolf versetzte ihr einen gewaltigen Tritt auf das Schienbein, so daß Birgit schmerzerfüllt aufschreckte.
- „Oh, entschuldige bitte vielmals, oh, jetzt habe ich dich gestoßen, das wollte ich wirklich nicht, und du hast ja auch die Stiefel aus, oh, das muß höllisch weh tun, verzeih’ mir bitte, ich war so ungeschickt und unbedacht.“

- „Ist schon gut“, entgegnete Birgit, und ihr war sofort klar, was Gangolfs Tritt bedeutete. Doch auch Brause war nicht dumm, er wunderte sich zudem, warum die beiden Motorräder mit großen Gepäcktaschen beladen waren. Birgit fuhr fort:
- „Also ich komme gerade zurück, und da traf ich auf die beiden hier, das ist das Schöne am Motorradfahren, daß man immer wieder überall Gleichgesinnte findet und sich oft schnell mit ihnen anfreunden kann.“
- „Ja, das ist wohl war“, entgegnete Brause, und er dachte dabei an seine Tochter, die als Jugendliche mit wildfremden Fahrern mitfuhr, für Brause ein ganz unverständlicher Vorgang. Die Kellnerin kam vorbei, Gangolf winkte sie heran:
- „Ich zahl’ dann, bitte alles zusammen, darf ich Sie noch zu einem Täßchen einladen, Herr Brause, aber ich wollte dann eigentlich bald wieder los, damit es nicht jeden Abend so spät wird, bis ich wieder zuhause bin.“
- „Nein, nein, lassen Sie nur, danke für die Einladung, hat mich gefreut, Sie wieder einmal getroffen zu haben.“

Brause wandte sich um, doch drehte er sich nochmals zu der Gruppe:
- „Ach, Herr Stumpf, sind Sie morgen `mal zuhause, ich würde Sie gern nochmals besuchen. Oder könnten Sie zu meiner Tochter kommen, Sie wissen schon, wo Sie im Frühjahr vom Dach gefallen sind, da war dann ein Kollege von Ihnen da, aber ich glaub’, da stimmt was nicht mit der Anlage, wär’ schön, wenn Sie bald `mal einen Blick darauf werfen könnten.“

- „Ja klar doch, machen wir gleich Morgen was aus, oder besser Übermorgen, ja, Übermorgen, ist besser, da hab’ ich den ganzen Tag noch keine Termine, sagen Sie einfach, wann.“
- „Das hört sich gut an, sagen wir neun Uhr?“
- „Ja, gut, neun Uhr!“

Gangolf blickte Brause nach, wie dieser sich watschelnd entfernte.
- „Was hat der da Anfangs gesagt, wir wären vom Erdboden verschwunden?“
- „Ja“, antwortete Birgit, „er hat euch anscheinend gesucht.“
- „So ein Mist. Irgendwas stimmt da nicht. Immerhin hat er nicht ausdrücklich nach Magda gefragt, sondern mich auf’s Korn genommen.“
- „Hast du `was ausgefressen?“
- „Ja, vielleicht, der Brause schnüffelt schon seit Jahren immer wieder herum, ich weiß nicht, was der von mir bloß immer wieder will. Das mit seiner Tochter scheint mir vorgeschoben, die hat eine Photovoltaikanlage, da bin ich einmal hinaufgestiegen und da bin ich vom Dach abgerutscht.“
- „Ach, oh je, hast du dir `was getan?“
- „Ja, kann man so sagen, aber ist alles wieder prima verheilt.“

Die Kellnerin kam mit der Rechnung, die drei setzten zum letzten Teil ihrer erlebnisstrotzenden Reise an. Gangolf ludt Birgit ein, bei ihm mit Magda auf seinem Hof in Wesserbarg zu nächtigen und erst am nächsten Tag Richtung Berlin weiter zu fahren. Birgit lehnte indes ab, sie wollte nun doch auf dem schnellsten Weg nach Hause und so verabschiedeten sich die drei voneinander. Ihre Wege trennten sich hier.




















128. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 21.10.22 22:27

76

Längst nagten die Sonnenstrahlen an den Ritzen der Rolladenjalousie, als Inge begriff, daß der Alptraum endgültig vorüber war, der sie so unsäglich grausam die ganze Nacht über gequält hatte. Sie setzte sich im Bett auf und verspürte sogleich die Druckstellen in ihrem Unterleib, die von dem Keuschheitsgürtel verursacht wurden; sie begriff, daß es nur ein Traum war, ein wahrer Alptraum, in welchem sie zwar schmerzhaft, aber schließlich doch aus dem Stahlgefängnis befreit worden war, nun aber, in die Wirklichkeit des Lebens zurückgekehrt, wollte sie es nicht wahrhaben, weiterhin dem Drangsal ausgeliefert zu sein.
Sie griff mit dem Zeigefinger und dem Mittelfinger der rechten Hand abwechselnd unter das Taillenband, dann unter das Schrittband mit dem Versuch, die ehernen Bänder von den wundgeriebenen Stellen ihres Leibes wegzudrücken, indes blieb es bei dem Versuch, der Stahl erwies sich als unnachgiebig.

Endlich faßte Inge den Beschluß, das Bett zu verlassen, das in dieser Nacht zu einer Folterbank geworden war. Entgegen ihrer sonstigen Gewohnheit, mit einem Schwung sich dem warmen Stoffgehäuse zu entwinden, mußte sie sich heute ihrer aller Willenskraft bemächtigen, diese ansich beiläufige, geradezu selbstverständliche allmorgendliche Übung zu vollziehen. Als sie schließlich auf zittrigen Beinen zu stehen kam, wurde ihr leicht schwarz vor Augen, sie spürte plötzlich kalten Schweiß auf der Stirne, und es gelang ihr gerade noch rechtzeitig, eine leichte Drehung zu vollziehen, während derer sie sich schräg nach hinten wieder in das Bett zurückfallen ließ.

Zu der allgemeinen Schwäche gesellte sich ein Schüttelfrost, hurtig zog Inge die naßgeschwitzte Bettdecke bis über die Schultern, schnell wurde ihr klar, daß ihr Vorhaben, gleich nach dem Frühstück wie auch immer zu der Insel zu gelangen, schnöd durchkreuzt worden war.

- "Jetzt bloß nicht krank werden", stieß Inge voll entsetzen im Bewußtsein ihres körperlichen Zustands aus, "ich muß dringend auf die Insel, den verdammten Schlüssel holen. Soll ich wohl jemand anrufen: Bitte fahr' für mich zu der Insel, da ist wo auf einer Lichtung eine Kiste, und darin liegt ein Schlüssel zu meinem Keuschheitsgürtel; also die rufen doch gleich in der Klapsmühle an und lassen mich abholen!"

Die in den Selbstgesprächen gewonnenen Selbsterkenntnisse ließen Inges Zustand allmählich bessern, sie haderte teils zornig, teils klagend mit sich selber, bis sie sich wieder wohler fühlte und es wagte, erneut aus dem Bett zu steigen. Diesmal ging sie vorsichtiger zu Werke, artig setzte sie zuerst die Füßchen vor das Bett und stemmte sich langsam mit den Armen von der Bettkante ab, um dem Kreislauf alle Zeit zu geben, sich mit der neuen körperlichen Höhenlage abzufinden. Tatsächlich gelang es Inge, auf diese Weise Haltung anzunehmen, mit kleinen Schritten tappte sie in's Badezimmer, wo sie erst einmal einen kräftigen Schluck kühles Wasser aus dem Hahn zapfte. Sie wusch ihren Schweiß von der Stirn, bevor sie die umständliche Prozedur des Wasserlassen in Angriff nahm. Wieder schalt sie sich selbst:

- "Dieses verdammte Ding da, wie konnte ich nur so blöd sein, mich darauf einzulassen! Und dann die blöde Kursleiterin da von der Notfallübung, daß die mich da als Versuchskaninchen hernahm und ich war noch blöder und hab' mich da d'rauf eingelassen!"

Ehrlicherweise gestand sich Inge ein, daß sie es sehr erregend fand, aber daß sie dann sogar den Schlüssel so gut wie unerreichbar weit entfernt weggelegt hatte, das konnte sie sich nicht mehr entschuldigen. Während sie ihre körperlichen Reinigungsarbeiten vollzog, fiel ihr plötzlich ein, daß es Mittwoch ist und daß sie an diesem Abend zu ihrer früheren Blutsfreundin Ulla nach Berlin fahren wollte.
Als sie ihr Frühstück zubereitete, war sie hin- und hergerissen, ob sie doch noch irgendwie zu der Insel gelangen konnte, oder ob sie das nochmals aufschieben sollte. Ihr war klar, daß sie in dem geschwächten Zustand jedenfalls keine Rudertour durchführen konnte.
Nachdem sie sich mit dem Frühstück gestärkt hatte, fühlte sie sich wesentlich besser und sie beschloß, an diesem Tag nicht mehr zu der Insel zu reisen, sondern sie wollte sich vielmehr auf ihre Berlinfahrt vorbereiten. Ihre Nerven schienen wieder gestärkt zu sein, sie spürte den Schmerz auf ihren wunden Stellen am Unterleib längst nicht mehr so stark wie am Morgen, als sie nach der qualvollen Nacht erwacht war.

Während der Autobahnfahrt schweiften Inges Gedanken an die alten Zeiten zurück, als sie in der Wohngemeinschaft mit Ulla und zwei weiteren Studentinnen in der großen Wohnung des alten Hauses im Kreuzberger >Kiez< lebte. Als dann nach und nach die Mitbewohnerinnen ausgezogen waren, übernahm Ulla schließlich alleine die Wohnung, in welcher sie weiterhin bis in diese Tage lebte, ganz ungewöhnlich für eine Spitzenpolitikerin. Inge erinnerte sich auch an die fragwürdigen Unternehmungen, die sie mit Ulla manchmal unternommen hatte, Ulla finanzierte damit ihr Studium und ihren Lebensunterhalt, während Inge sie nur gelegentlich dabei unterstützte. Was beide indes verband war die Liebe zu dem freien Leben, das alle vier Mädchen in der großen Wohnung in der großen Stadt genossen hatten.

Die >Navi-App< lotste Inge gekonnt durch das Berliner Straßengewirr, je näher sie ihrem Ziel war, desto vertrauter kamen ihr die Straßenzüge vor, ihr Herz schlug höher, als sie die alte U-Bahn entdeckte, die als Hochbahn sich in der Mitte der breiten Hauptstraße durch Kreuzberg schlängelte.

Für Inge begann der Streß, als die Ansage kam: "In fünfzig Metern haben Sie ihr Ziel erreicht!", denn nun hieß es, einen Parkplatz zu suchen und dann auch zu finden. Das Ansinnen war heillos und schier aussichtslos; sie beschloß, wagemutig in die nächstbeste Hofeinfahrt einzubiegen, um dann in einen der hinteren Höfe irgendwo stehen zu bleiben.
Freilich prangten an allen Hausmauern Schilder, daß das Parken nur für Berechtigte erlaubt sei, doch sie faßte Mut und setzte sich über die Verbotszeichen hinweg. Als sie ihren edlen Sportwagen verließ, sah sie keine Menschenseele, so daß sie unbehelligt die Durchgänge passierte und zur Hauptstraße hinaus spazierte.

Spielerisch erreichte sie die beeindruckende Fassade des alten Wohnhauses, es war ihr alles so vertraut, als sei sie erst am Vortrag von hier weggezogen. Nichts hatte sich verändert, die mächtige verzierte Holztür bildete wie seit 150 Jahren einen würdevollen Zugang zu dem würdevollen Anwesen. Neu war das Klingelschild; anstelle der einfachen Metallknöpfe zur Betätigung der Klingeln, an deren Seiten sich unleserliche handgeschriebene Aufkleber mit den Namen befanden, prangten moderne hintergrundbeleuchtete Flachdrucktaster in die abendliche Straßenluft. Neben einen der Drucktaster gab es ein Schild mit zwei Initialen: U. G.

'Das muß sie sein', überlegte Inge kurz und betätigte den Taster. Tatsächlich knarzte Ullas Stimme aus dem kleinen Lautsprecher der Sprechanlage: "Ja?"
- "Ja", entgegnete Inge, "ich bin da!"

Ohne ein weiteres Wort schnarrte der Türöffnermagnet, Inge drückte hurtig gegen die Tür, welche wie zu alten Zeiten mit einem eigentümlichen Geräusch sich öffnen ließ. Inge fühlte sich verzaubert, als sie auf dem Mosaikboden zu der hölzernen Stiege vorwärts schritt, die Stiegendielen knarrten wie eh und je; als sie den ersten Treppenabsatz erreicht hatte, sah sie Ulla oben neben der Wohnungstür im fahlen Schein der Treppenlichtfunsel stehen, wie sie mit einem überlegenen Lächeln herabblickte, die Hände in die Hüften gestemmt.

Die Wiedersehensfreude der beiden Freundinnen war groß, sie plauderten über alles, der Gesprächsfaden riß nicht ein einziges Mal ab. Die Worte flogen geradezu hin und her, jede der beiden nutze die kurzen Sekundenbruchteile des Atemholens des Gegenübers, um das Gespräch wieder an sich zu reißen. Einen breiten Raum nahm der jeweilige berufliche Werdegang ein, beide wußten zwar im Groben voneinander, aber gerade die jüngsten Entwicklungen in der durch das Condoma-Virus hervorgerufenen Krise schürten die gegenseitige Neugier; Ulla wollte immer wieder genau wissen, wie es >im flachen Land< aussieht, wie sich Inges Gesundheitsamt durch die Flut der vorbereitenden Maßnahmen und Verordnungen schlug. Inge ereiferte sich:

- "Ja, da habt ihr uns was Schönes aufgebrummt, wir müssen das wieder ausbaden, was ihr hier in Berlin verzapft!"
- "Nun `mal halb lang", konterte Ulla, "wir wollen auf jeden Fall das Chaos vermeiden, das es vor zehn Jahren gab, als das Corona kam."
- "Aha, damals wart ihr Politiker doch auch alle so überzeugt, daß die Masken das ganze Übel beseitigen würden", entgegnete Inge, "gerade ihr Grünen wart doch total konform mit der Angela, und jetzt seid ihr es wieder mit der Prank. So, und jetzt kommen also die Gasmasken, diese Riesen-Ungetüme, und wir unten sollen das dann der Bevölkerung klarmachen, wie wichtig die sind, um das Condoma zu vertreiben!"
- "Ich glaub' da ja auch nicht d'ran", fuhr Ulla fort, "die Prank hat mir übrigens eine mitgegeben, die hatte noch welche aus ihrer Zeit, als sie Verteidigungsministerin war."
- "Na, dann weißt du wenigstens, wie sich das Gummi anfühlt im Gesicht."
- "Geil."

An dieser Stelle der angeregten Kommunikation kam es zum ersten Mal an diesem Abend zu einer kurzen Gesprächspause. Inge erinnerte sich an ihre gemeinsame Zeit hier in dieser Wohnung, als Ulla fast jeden Abend ihre große Umhängetasche zusammenpackte. Sie zeigte ihr damals beiläufig ihre Ausstattung an Fetisch-Utensilien, darunter waren auch verschiedenartige Masken. Inge überlegte sich, daß es Ulla wohl überaus peinlich wäre, wenn etwas über deren Vergangenheit ruchbar würde, auf welche Art sie ihr Studium finanziert hatte. Als sie ihre Gedanken sortiert hatte, beschloß Inge, nicht die alten Sachen aufzuwärmen, sondern knüpfte an Ullas Gasmaskenfreude an:

- "Geil, mehr hast du da nicht dazu zu sagen? Findest du das mit dem Keuschheitsgürtel auch geil?"
- "Äh, ja, also keine Ahnung, wie sich das anfühlt", log Ulla, leichte Röte zeigte sich in ihrem Gesicht. Sie nahm sich vor, ihrer Freundin nichts davon zu sagen, daß sie es war, die ganz unverblümt dem Parlament den Gürtel als Schutzmaßnahme empfohlen hatte und nach der Sitzung auch ganz unverhüllt der Kanzlerin ihren Gürtel gezeigt hatte, den sie ohne weitere Bekleidung unter ihrem Sommermantel getragen hatte.

Auch Inge nahm sich vor, das Thema nicht weiter zu vertiefen, zumindest wollte sie nichts von ihrem Mißgeschick erzählen, daß sie seit nunmehr drei Tagen in ihrem Gürtel eingeschlossen war, weil ihre Geilheit sie dazu brachte, den Schlüssel unerreichbar weit weg zu deponieren.

In dieser Spannungslage, erstmals an diesem Abend Geheimnisse zu verbergen, schlug die alte Pendeluhr, die aus der Zeit ihrer gemeinsamen Tage in der Wohnung überlebt hatte, zwölf mal, für Ulla ein mahnendes Zeichen, ihren Gast an den Abschied zu erinnern:
- "Du Inge, nimm' es mir nicht Böse, aber ich hab' morgen wieder anstrengende Kabinettssitzungen, muß mich noch gewaltig vorbereiten, wie immer am letzten Drücker, ich hoff', in deinem Ämtlein geht das besser, daß du da nicht so unter Druck stehst."
- "Ja, ich glaub' auch, es ist jetzt besser, daß ich geh'", antwortete Inge, obwohl sie noch viel Protest loswerden wollte, vom Umweltamt zum Umweltministerium. Sie ärgerte sich auch über Ullas spitze Formulierung, >Ämtlein<. Sie wollte schon anheben zu sagen:
'Und in deinem Bundestäglein wird doch auch nur leeres Stroh gedroschen', doch sie verkniff es sich, denn sie wollte den schönen Abend nicht in einem künstlichen Streit enden lassen.

Die beiden Umweltfrauen erhoben sich und umarmten sich ausgiebig. Beiden kam es vor, als ob sie da etwas Hartes unter dem Stoff ihrer Hosen ihres Gegenübers verspürten, als sie sich wie zu alten Zeiten aneinanderdrückten: Während des Küssens kamen ihre Brüste auf Tuchfühlung, dann drückten sie sich auch die Unterleiber aneinander, wobei sie gekonnt die Beine abwechselnd vor- und zurückstellten, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.

Als Inge auf der nächtlichen Straße stand, ging sie erst einmal in die falsche Richtung los; ganz automatisch wollte sie, wie in früheren Tagen, zur nächsten Haltestelle gehen. Als sie ihren Irrtum erkannte, schlug sie sich mit der Hand auf die Stirn, wechselte die Straßenseite und bewegte sich schnelleren Schrittes zurück.

- "Verdammt, wo war denn diese Hofeinfahrt, war die wirklich so weit weg?", murmelte Inge vor sich hin, während sie unwillkürlich das Tempo ihrer Schritte steigerte; "daß auch des Nachts alle Katzen grau sind", fluchte sie nun schon deutlich hörbar und es kam ihr das Erlebnis in den Sinn, als sie bei ihrem ersten alleinigen Ruderausflug zu der Insel im Röthener See die Einfahrt in dem Schilfstreifen nicht gefunden hatte.

Als Inge schon fast an der Glienicker Brücke war, erkannte sie, daß sie anscheinend zu weit gegangen war; sie kehrte um und lief nun halb in Panik die Straße erneut in die andere Richtung zurück.
- "Hier muß es gewesen sein, in einen der Höfe stellte ich mein Auto ab", sprach sie sich Mut zu und betrachtete im Schein der Straßenlaternen die mit hohen Toren und Gittern verschlossenen Hofeinfahrten. Endlich kam sie zu der Erkenntnis, daß der Hof abgesperrt worden war und in ihrer Unbekümmertheit hatte sie sich nicht einmal die Hausnummer gemerkt, in wessen Hinterhof sie unberechtigterweise ihren fahrbaren Untersatz abgestellt hatte.
- "Verdammt, verdammt, verdammt", schalt sie sich, "daß so etwas auch immer nur mir passiert, Barbara ist da viel strukturierter und disziplinierter."
Sie griff zur Gesäßtasche ihrer Hose, doch das Smartphone steckte nicht, wie üblich darinnen, sondern lag auf dem Beifahrersitz ihres Autos, mit dem Kabel an das Bordnetz angeschlossen. Inge hatte sich immer noch nicht an das Getippe an dem großen Bildschirm des fahrzeugeigenen Navigationsmonitors gewöhnt, sie verwendete lieber nach wie vor ihr vertrautes Smartphone, das sie in ihrem bisherigen Leben begleitete, als sie noch autolos durch das Leben steuerte.
- "Du da oben hast solche Probleme natürlich nicht," verfluchte sie Ulla, "dich holt ja pünktlich der Minister-Fahrdienst ab, vermutlich mit einer heißen Tasse Kaffee im Fond und gekühlten Getränken."

Ulla erschrak, als der Rufton aus der Sprechanlage im breiten Flur der Wohnung ertönte. Üblicherweise schaltete sie die Klingelfunktion aus, nur heute Abend hatte sie diese eingeschaltet lassen, da sie Inge erwartet hatte. Sie ignorierte das Läuten. Sie hatte sich soeben in ihrem großen Schlafzimmer entblößt. Die Glocke ertönte wieder, und dann immer wieder. Verärgert tappte sie auf den Flur und wollte schon den Aus-Taster drücken, als sie auf dem kleinen Monitor Inge erkannte. Sie nahm den Hörer ab und hörte sich Inges Geschichte an. Wortlos betätigte sie den Taster für den Türöffner und hängte den Hörer ein.

'Dir jage ich jetzt einen Schrecken ein', beschloß Ulla und wartete darauf, daß Inge die Stiege heraufkam. Diese blieb wie angewurzelt im Türrahmen stehen, als Ulla die Wohnungstür aufriß und sich splitternackt vor ihr präsentierte, allein der Stahl funkelte geheimnisvoll im fahlen Licht der Stiegenhausfunsel.






































129. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von Ihr_joe am 22.10.22 15:29

Eigentlich schade, dass auch ich so wenig kommentiere. In letzter Zeit nehme ich mir einfach nicht die Zeit.
Genau betrachtet nicht ganz fair, bei Deiner schönen Geschichte.

Ihr_joe
130. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 28.10.22 19:42

Danke, Joe, für deine Anmerkungen, und auch ich muß eingestehen, daß ich mir das Kommentieren weitgehend abgewöhnt habe, da in den meisten Fällen von den Angesprochenen keine Reaktion erfolgt; schließlich gilt die alte bayerische Weisheit, daß nicht geschimpft genug gelobt sei!


77

- „Irgendwas stimmt da nicht“, sagte sich Gangolf, „was will der Brause schon wieder von mir?“
Nachdem Magda und Gangolf nach Wesserbarg zurückgekommen waren und damit ihre zehntägige Motorradreise beendet war, verstauten sie ihre wenigen Reiseutensilien. Stillschweigend kamen sie überein, daß Magda zumindest den restlichen Tag und wohl auch die Nacht bei Gangolf bleiben würde.

Gangolf indes war unruhig, das unvermittelte Zusammentreffen mit Brause auf dem Markt in Lüggen wühlte ihn auf. Er hatte das Gefühl, daß Brause mehr von ihm wollte als irgend einen Rat oder eine Überprüfung der Photovoltaikanlage. Eigentlich wollte er sich nach der langen Motorradfahrt etwas ausruhen und dann Musizieren, doch der starke Kaffee, den er in dem Markt-Café trank, förderte seine innere Unruhe und so beschloß er, anstatt sich auf das Sofa zu fläzen, seinen Neoprenanzug hervorzuholen, um mit dem Kajak zur Insel zu paddeln.

Als Gangolf die Scheune betrat, sah er zunächst nicht, daß sein kleines rotes Kajak fehlte, das er üblicherweise auf der Halterung oberhalb seines Rennkajaks aufbewahrte. Erst als er zu den Paddeln griff, stellte er erstaunt fest, daß nur ein Paar in der Ecke lehnte. Irritiert wandte er sich um und erkannte nun auch das Fehlen des roten Kajaks.

- „Das darf doch nicht wahr sein“, schimpfte er, „muß man denn alles absperren und verrammeln!“
Gangolf beruhigte sich etwas bei dem Gedanken, daß wenigstens sein geliebtes teures Rennkajak noch da war.
‚Wer ist denn so blöd und klaut das dicke rote, wenn darunter griffbereit das Rennkajak liegt?’, fragte er sich und zog jenes hervor, warf ärgerlich das Paddel hinein und hob es an, um damit zum Steg hinunter zu marschieren. Während er mißmutig den Pfad entlang stapfte, machte er sich Gedanken darüber, wie er sein verbliebenes Rennboot zukünftig schützen würde, mit einer elektronischen Überwachung, oder zusätzlich mit Ketten um die Griffe herum. Andererseits war ihm vollkommen klar, daß die besten Maßnahmen nicht greifen würden, wenn er nicht zuhause war; in der Abgeschiedenheit seines Hofes konnten Einbrecher in aller Seelenruhe Ketten sprengen und Elektronik außer Gefecht setzen; was hilft alle Alarmierung, wenn die Diebe längst über alle Berge sein würden.

Mit diesen Grübeleien im Sinn erreichte Gangolf den Steg und fand zu seiner größten Überraschung das rote Kajak am Steg angebunden vor, auch ein Paddel lag darin. Gangolfs Seele stieg an die Oberfläche und plätscherte in seinem Gemüt wie die leichten Wellen des Wassers. Er überlegte kurz, ob er sein Rennkajak zurücktragen sollte, um anschließend mit dem roten hinauszupaddeln, doch dann beschloß er, dieses zunächst am Steg angebunden zurückzulassen, um später, nach seiner Tour, beide Kajaks in seine Scheune zurückzubringen. Er wollte jetzt keine Zeit verlieren, denn die Sonne senkte sich an diesen Tagen am Ende des Septembers merklich früher zum Horizont herab als Anfang des Monats, im bewaldeten Ufersaum war sie längst nicht mehr zu sehen.

Während der Überfahrt zur Insel grübelte Gangolf darüber, wer sein rotes Kajak entwendet hatte und daß derjenige anscheinend wußte, daß das Rennkajak nichts für Anfänger war. Er machte sich Gedanken, ob er am Ende vergessen hatte, das Scheunentor zuzuschieben, nachdem er sein Motorrad zu Beginn der Reise herausholt hatte. Er beruhigte sich mit der Vorstellung, daß das wohl so gewesen sein mußte, daß in der Aufregung der Abfahrt das Tor einfach geöffnet blieb und somit ein jeder, der des Weges kam, das rote Kajak von Ferne aus der Scheune herausleuchten sah:

‚Da packte jemanden die Neugier, wahrscheinlich kam er mehrmals her, und da das Tor immer noch sperrangelweit geöffnet war und wieder niemand weit und breit zu sehen war, da nahm er einfach das Boot heraus und probierte es aus. Doch warum brachte er es nicht wieder zurück? So ein Blödmann, ja klar, der hatte Angst, beim Zurücktragen von mir erwischt zu werden, da ließ er es lieber unten im Wasser.’

Nachdem Gangolf sich diese Gedanken zueigen gemacht hatte, fand er zu seiner ureigensten Gelassenheit zurück und konzentrierte sich auf sein eigentliches Vorhaben, seinen Schatz von der Insel zu holen, um das Versteck dort aufzugeben. Sein Gefühl gebot ihm das, er spürte, daß sich da etwas zusammenbraute und so beschloß er, das gesamte verbliebene Geld aus der Kiste herauszuholen und in den wasserdichten Packsack zu verstauen.

Nach dem stundenlangen steifen Sitzen auf dem Motorradsitz fühlte sich Gangolf in der schmalen Schale seines Bootes richtig wohl, wie er mit kraftvollem Arm, Bein- und Bauchmuskeleinsatz das Rennkajak zur Insel pfeilte; innerhalb weniger Minuten gelangte er zu dem Schilfgürtel, im Licht der untergehenden Sonne bugsierte er die Bootsnase zu dem versteckten Anlegesteg. Als er die Lichtung betrat, kam ihm das Zelt mit den beiden Vogelkundlerinnen in den Sinn.
‚Was aus denen geworden ist’, überlegte er sich, ‚ob die jetzt jedes Jahr hier auftauchen werden?’

Im fahlen Licht der hereinbrechenden Dämmerung bemerkte Gangolf nicht, daß das Gras am Ende der Lichtung niedergetreten lag, er erblickte hingegen sofort den silbrig schimmernden Deckel der Aluminiumkiste und er wunderte sich, daß er bei seinem vorangegangenem Besuch so nachlässig gewesen war, den Deckel nicht besser mit Gras und Gestrüpp bedeckt zu haben, wie er es üblicherweise vollzog, damit die Kiste auf jeden Fall unsichtbar-versteckt im Boden versenkt blieb. Es war zwar äußerst unwahrscheinlich, daß jemand auf seiner Insel anlandete, welche im Biosphärenreservat unter strengem Naturschutz stand, doch wollte er die kleine Mühe nicht scheuen, die Kiste stets gut versteckt zurückzulassen.

Gangolf bückte sich und schob mit einem einzigen Handgriff das wenige Geäst beiseite, das auf dem Kistendeckel lag. Er faßte an den Deckelrand und nachdem er diesen schwungvoll in die Höhe gezogen hatte und in das Innere der geöffneten Kiste blickte, erstarrte er wie vom Gammastrahl getroffen.

Fassungslos starrte Gangolf minutenlang in die Leere, er traute seinen Augen nicht, er glaubte, irrsinnig geworden zu sein. Als er verspürte, wie er leicht zu frösteln begann, gab er sich einen Ruck, sprang auf und stieß den Kistendeckel mit dem Fuß zu, ohne im geringsten den Versuch zu unternehmen, nun verbergendes Gestrüpp darüber zu breiten.

- „Einfach alles weg“, seufzte er resigniert auf, „wie konnte das geschehen, wie konnte jemand die verdammte Kiste da finden?“
Wie im Trance taumelte er zu dem Steg; als er im Begriff war, sich in das Kajak zu hieven, besann er sich und eilte nochmals zu der Lichtung zurück. Er beschloß, sicherheitshalber die Kiste aus dem Boden herauszuholen und mitzunehmen.

‚Wer weiß’, überlegte er sich, ‚was dem Brause noch alles einfallen würde, ich trau’ ihm zu, daß er auch auf der Insel das Schnüffeln anfangen würde, nachdem er damals erfolglos Haus und Hof durchwühlt hatte, als er nach dem geraubten Geld des Banküberfalls forschte.’

Gangolf machte sich einen Stecken zurecht, mit dessen Hilfe er seitlich an der Kiste herumstocherte und dadurch das Erdreich auflockerte. Nach kurzer Zeit hatte er die Kiste so weit freigelegt, daß er diese mit einem Ruck herausziehen konnte. Hastig verteilte er Erde und Gestrüpp in die Grube und bedeckte die verbleibende Vertiefung mit Gras und dicken Ästen. Ihm war klar, daß Fachleute der Polizei sofort herausfinden konnten, daß hier etwas vergraben worden war, indes war ihm wichtiger, die Kiste verschwinden zu lassen, als sich länger um eine perfekte Zurückgestaltung des Bodens zu kümmern.

Als Gangolf die abgestellte Kiste anhob, um sie zu dem Steg zu schleppen, vernahm er ein ihm unerklärliches Klirren in ihrem Inneren. Er dachte zunächst an ein Steinchen, das bei der Ausgrabeaktion hineingefallen sein könnte. Beim Abstellen auf dem Stegbrett vernahm er nochmals dieses seltsame Geräusch, dachte sich dabei indes wiederum nichts dabei. Er umschlang die Kiste mit der Bootsleine und band diese an den hinteren Tragegriff, um auf diese Weise die Kiste in den See hinauszubefördern. Tatsächlich plätscherte diese im Schlepptau des Kajaks, immer wieder drehte sich Gangolf nach ihr um und betrachtete etwas wehmütig die im letzten Dämmerlicht geheimnisvoll funkelnde Metalloberfläche. Erfreut stellte er fest, daß das Behältnis nicht sofort voll Wasser lief, sondern auf der Oberfläche schwamm, andernfalls wäre das Vorwärtskommen wesentlich schwerer geworden.

Auf halber Strecke zum Ufer hielt Gangolf an und zog mit dem Paddel die Kiste zu sich heran. Er löste die Knoten und gab dem Behältnis einen Stoß, damit dieses für alle Zeiten in die Tiefe des Sees verschwinden würde. Zu seiner Überraschung trieb es, anstelle unterzutauchen, weiterhin in dem leichten Wellengang davon. Gangolf schmerzte es sehr, als er sein Behältnis, das ihm treu den Schatz geborgen gehalten hatte, mit dem Paddel attackierte, damit Wasser hineinliefe, um endlich unterzugehen. Die Kiste widersetzte sich den Angriffsschlägen, schaukelte besorgniserregend auf und ab, kam indes immer wieder auf die Wasseroberfläche zurück.

- „Was für ein Omen“, seufzte Gangolf und zog das Behältnis mit dem Paddel zu dem Bootsrand zurück. Mit Wehmut ergriff er den Deckel, öffnete ihn und drückte die Kiste unter Wasser. Es wunderte ihn, wie stark die Auftriebskraft gewesen war, jäh erinnerte er sich daran, wie schwer es ihm einstmals fiel, Holzpflöcke am Uferrand in den Boden zu rammen, immer wieder drückte die Auftriebskraft die Hölzer aus dem Boden empor. Gangolf gab es auf, die Kiste gleichmäßig unter Wasser zu drücken, viel zu sehr hatte er dabei nämlich zu kämpfen, nicht sein schmales kippeliges Kajak zum Kentern zu bringen, sondern drehte die Kiste, so daß nur eine Ecke in das Wasser tauchte. Tatsächlich gelang es auf diese Weise problemlos, das Wasser einströmen zu lassen.
In diesem Augenblick bemerkte er einen kleinen Gegenstand, der auf dem Boden der Kiste in die besagte Ecke rutschte. Gerade noch rechtzeitig, ehe die Kiste sich immer weiter mit Wasser gefüllt und dadurch unwiederbringlich in die Tiefe des Sees abgesunken wäre, ließ Gangolf die Kiste los und griff hinein, um den Gegenstand herauszuholen. Es war nicht leicht, das dünne Teil von dem Boden herauszufischen, das Wasser stand bereits zu zwei Handbreit in der Kiste, diese begann nun ohne weiteres Zutun langsam abzusinken.

Immer wieder entglitt Gangolf der Gegenstand, den er nun nicht mehr sehen konnte, sondern nur noch als schmale Erhebung auf dem Kistenboden ertastete.
‚Warum mache ich das überhaupt?’, zweifelte Gangolf während seines mühsamen Tuns, doch irgendwie spürte er, wie von einer unsichtbaren Macht gezwungen, die Wichtigkeit, an diesen seltsamen Gegenstand zu gelangen, welcher sich beim Wegtragen der Kiste zweimal durch ein leichtes Klirren bemerkbar gemacht hatte.

Gerade als sich die Kiste nun mit deutlich sichtbarer Bewegung in das Wasser absenkte, gelang es Gangolf, das Ding in die Finger zu kriegen, hurtig zog er die Jagdtrophäe heraus und betrachtete diese im letzten Schein des Abendlichtes, während sich die Kiste mit gurgelnden Geräuschen von der Oberfläche verabschiedete, um nun endgültig unauffindbar auf dem Grunde des Sees zu verweilen.

‚Vielleicht fang’ ich ja auch noch einmal das Tauchen an’, sinnierte Gangolf, eines der Vorhaben, von denen er immer träumte, das er jedoch noch nicht in Angriff genommen hatte.
- „Dann würde ich hier heruntertauchen, um die Schatzkiste am Grunde des Sees zu suchen“, sagte er sich im Anfall einer aufkeimenden Sentimentalität. Doch dann schenkte er seine Aufmerksamkeit wieder dem erbeuteten Teil, das er weiterhin fest in seinen Fingern hielt.

- „Was für ein seltsamer Schlüssel“, fragte er sich, „wie ein Tresorschlüssel, aber viel kleiner, geradezu zierlich, darum hab’ ich ihn so lange nicht herausgekriegt aus der untergehenden Kiste.“
Statt des erwarteten Geldes verstaute Gangolf den Spezialschlüssel in den wasserdichten Packbeutel. Von seinem ursprünglichen Plan, die Insel zu umrunden, ehe er zu seinem Steg in dem Kanal zurückpaddelte, wich er ab, die Nacht ist jetzt schon deutlich nah, im Osten blinkten die ersten Sternlein nieder.

Mit beiden Kajaks, das eine am linken Arm, das andere am rechten, stapfte Gangolf seinem Hof entgegen; er konnte nicht glauben, was alles geschehen war, zuerst die aufregende Motorradreise mit der Generalreinigung in der Südtiroler Kaserne, dann die Erlebnisse an der böhmisch-bayrischen Grenze, jetzt der Verlust seines Barvermögens, was wird denn noch alles kommen, überlegte sich Gangolf, als ob er ahnte, daß das große Lebensabenteuer, die schicksalhaft-dramatische Wendung ihm erst bevor stünde.
Für diesen Tag reichte es an Abenteuern, daß er Magda in seinem Haus nicht fand.

- „Sie wird halt auch noch ein wenig herumlaufen“, sagte sich Gangolf und dachte sich nichts weiter. Als es zehn Uhr wurde, kam ihm die Sache dann doch seltsam vor, und er machte sich auf die Suche, prompt wurde er im Bastelkeller fündig: Dort saß sie auf einem Stuhl, die Arme durch die Lehnensprossen hindurch nach hinten gezwängt, die Hände in seinen elektronischen Handschellen eingeschlossen.



























131. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 04.11.22 20:04

78

Als Inge am nächsten Morgen ihres Berlin-Besuchs verkatert auf die Straße trat, machte sie sich erneut auf die Pirsch nach ihrem Auto, das sie tags zuvor einfach unbekümmert in einen der Höfe abgestellt hatte. Im Gegensatz zu der nächtlichen Suche nach der Hofeinfahrt fand sie diese nun beim Tageslicht problemlos; sie erkannte das große zweiflügelige Tor, das jetzt am Tage einladend in voller Breite geöffnet stand. Hoffnungsfroh stapfte Inge durch die Hinterhöfe bis zu dem letzten Hof hindurch und gewahrte ihren Rennwagen, wie er brav flankiert von biederen Bürgervehikeln auf ihr Kommen wartete. Voll Dankbarkeit über die Treue ihres Fahrzeugs schwang sich Inge auf den Fahrersitz, prompt meldete sich ihr stählener Gürtel mit einer Schmerzattacke in’s Bewußtsein; Inge biß sich auf die Lippen, lenkte den Blick zurück, dann auf den großen Bordbildschirm und im blinden Vertrauen auf die Rückfahrt-Kamera bugsierte sie das breite Gefährt aus der Parklücke.

Vorsichtig führte Inge ihr Fahrzeug durch die engen Hofportale, bog in die Hauptstraße ein und folgte den Anweisungen ihrer Smartphone-Navigationsapp. Erst jetzt bei etwas schnellerer Fahrt bemerkte sie das Knöllchen, das unter dem Scheibenwischer eingeklemmt in dem Fahrtwind leicht flatterte. Inge verlor keinen Gedanken daran, sie ließ dem Zettel sein trauriges Dasein gewähren, eingeklemmt zwischen Gummi und Glas, dankbar, den Schlitten unbeschadet vorgefunden zu haben, weder aufgebrochen, noch demoliert oder abgeschleppt.

Immer wieder meldete sich ihr Keuschheitsgürtel mit kurzen Schmerzsticheleien, und Inge dachte an die Nacht zurück, als sie mit Ulla auf deren großem Bett gelegen hatte, beide splitternackt, einzig mit den Keuschheitsgürteln bekleidet.
- „Und du hast wirklich den Schlüssel auf einer einsamen Insel zurückgelassen?“ hatte Ulla ungläubig gefragt, während sie nach Beendigung der Liebesspiele ihren Gürtel vom Leib löste, um sich unbeschwert zur Nachtruhe zu betten.

Inge schwor sich, gar nicht erst zu sich nach Hause zu fahren, sondern auf dem kürzesten Weg zu dem Röthener See durchzustarten, der verfluchte Schlüssel mußte her, um das noch verfluchtere Stahlgefängnis loszuwerden. Sie erinnerte sich, daß ihre Praktikantin im Umweltamt, Barbara, mit zwei Polizisten zu der Insel mit einem Elektroboot gefahren war. Sie hatte sich damals geweigert, mitzukommen, da sie nicht in Begleitung der Polizei zu dem Tatort zurückkehren wollte.

Inge fuhr am nächsten Parkplatz von der Autobahn ab und rief Barbara an. Diese erklärte ihr den Standort des Bootsverleihs, sie bot sich an, mitzukommen, doch das wollte Inge unter allen Umständen vermeiden. Barbara hätte gerne mit Inge eine Bootstour unternommen, sie hätte auch gerudert, doch Inge wehrte alles Anbieten ab mit dem Hinweis, daß sie ganz alleine auf dem See zu einer Selbstfindung gelangen wollte.

Zur größten Enttäuschung mußte Inge akzeptieren, daß der Bootsverleih seit Mitte September nur noch an Wochenenden geöffnet hatte. Resigniert stapfte sie zum Auto zurück und ließ sich auf den Sitz plumpsen, was der Keuschheitsgürtel gnadenlos mit einem scharfen Stich in die Furche quittierte.

- „Verdammt, so eine Scheiße“, suchte Inge das Zwiegespräch mit dem Lenkrad, „sag, was soll ich tun?“
Nach einer Weile der Ratlosigkeit beschloß sie, auf die andere Seite des Sees zu fahren, nach Wesserbarg, in der Hoffnung, daß das rote Kajak, das sie einfach am Steg zurückgelassen hatte, noch dort angebunden im Wasser lag.
- „Dann muß ich halt wieder rudern“, erklärte Inge dem Lenkrad, „aber ich muß jetzt auf die Insel, es gehe, wie es wolle!“
Als sie den Feldweg vom Ortsende Wesserbargs zu dem einsamen Gehöft am See durch die Schlaglöcher entlangeierte, versprühte der Keuschheitsgürtel wahre Feuerwerke auf das geschundene Fleisch von Inges Unterleib.

- „Warte nur, bald ist es vorbei mit deiner Quälerei“, knirschte Inge und biß sich wieder auf die Lippen. Als sie auf die Höhe der Hofeinfahrt kam, gewahrte sie Gangolfs Golf.
- „Verdammt, jetzt ist er also da, wie hieß er nochmals, dieser Typ, nach dem der Kriminaler Brause fahndete, irgend so ein dumpfer Name, Dumpf, oder so, nicht Dumpf, Stumpf, ja Stumpf.“

Inge beendete ihre Selbstgespräche, fuhr mit ihrem Sportwagen den holprigen Weg weiter, um jenen am Waldessaum abzustellen. Mit schnellen Schritten folgte sie den Pfad zu dem Steg hinunter, zu ihrer Enttäuschung lag das rote Kajak nicht mehr daran angebunden im Wasser.
- „Ist eigentlich klar“, sagte sie sich selber, „wenn nun der Stumpf wieder da ist, daß er den Kahn zurückholt. Bleibt mir wohl nichts anderes übrig, zu ihm zu gehen, daß er mir den gibt.“

Gangolf war sehr erstaunt, daß an diesem Vormittag die Haustürklingel läutete.
‚Ich hab’ doch gar niemanden auf den Hof fahren hören’, wunderte er sich, ‚wahrscheinlich so ein Elektroauto, die hört man überhaupt nicht mehr.’
Zu seiner Überraschung stand eine junge Frau vor der Tür, die ihn mit einem Lächeln begrüßte:
- „Juten Tach, Herr Stumpf, mein Name ist Inge Langohr von der Naturschutzbehörde in Lüggen.“
- „Guten Tag“, antwortete Gangolf und wartete darauf, daß Inge ihm die Hand reichen würde. Diese bemühte sich indes nicht weiter um die Etikette, sondern kam gleich auf den Kern:
- „Ich muß nochmals auf die Insel, da möchte ich Sie bitten, mir Ihr Kajak auszuleihen. Das Boot von unserem Amt ist gerade nicht verfügbar.“

Gangolf blickte sie überrascht an, er war auf alles gefaßt, aber noch nie hatte ihn jemand darum gebeten, ein Kajak auszuleihen.
- „Äh, ja, können wir schon machen, ja, kommen Sie doch erst `mal herein!“

Gangolf wich zurück, so daß Inge an ihm in den Flur hineintreten konnte. Er strengte sein Gedächtnis an, doch kam er nicht mehr auf den Namen jener Frau, deren Rucksack er in dem Zelt fand, das er vor einigen Wochen auf der Lichtung unweit seiner Schatzkiste von den Naturkundlern aufgestellt worden war. Inge blieb unschlüssig im Flur stehen, Gangolf winkte sie zum Wohnzimmer weiter. Er fragte:
- „Da waren neulich zwei Naturkundlerinnen in einem Zelt auf der Insel, wissen Sie davon?“
Inges Herzschlag erhöhte sich: ‚Aha, dann war er es, der an unserem ersten Abend auf der Insel an dem Zelt entlang ging, nachdem er sich an der Kiste zu schaffen machte.’ Sie antwortete wahrheitsgemäß in knappen Worten:
- „Ja, wir untersuchten das Verhalten der Zugvögel.“

Inge wollte das Gespräch nicht in die Länge ziehen, sah indes ein, daß Gangolf ein Interesse daran hatte, genauer informiert zu werden. Dieser bemerkte jedoch feinfühlig die Einsilbigkeit und bohrte nicht weiter nach. Ihm kam zwar in den Sinn, daß diese Frau, die ihm hier gegenüber stand und die sein Boot haben wollte, etwas mit dem Verschwinden des Geldes in der Kiste zu tun haben könnte, doch fiel ihm auf die Schnelle nichts ein, wie er sie in ein Gespräch darüber verwickeln konnte, ohne dabei selber verdächtig zu werden. Somit setzte er zu einer lapidaren Frage an:
- „Und was wollen Sie jetzt machen dort, untersuchen Sie wieder `was?“
- „Ja und nein, ich suche eher was, aber genaues darf ich Ihnen nicht sagen.“
- „Aber bitte, ja, verzeihen Sie, ich will Sie nicht ausfragen.“
- „Schon gut, versteh’ ich ja, daß ich da so ohne weiteres hereingeschneit komme, aber bitte, können wir gleich zu dem Boot gehen, ich wollte möglichst schnell los, keine Zeit verlieren.“
- „Ja klar, holen Sie doch erst `mal Ihr Gepäck, wo haben Sie denn Ihr Auto geparkt, und dann ziehen Sie sich um, können Sie gern hier machen oder lieber in der Scheune, wie Sie wollen.“

Inge wurde verlegen, ihr stieg die Röte in’s Gesicht. Da sie schwieg, fuhr Gangolf fort:
- „Sie wollen doch nicht etwa so in’s Kajak steigen, sie beschmutzen ja sonst ihre schöne weiße Hose und mit den Absatzschuhen, das geht ja gar nicht.“

Inge gab stotternd zur Antwort:
- „Ja, Sie haben vollkommen recht, das hatte ich in der Eile das Vergessen, ich komme gerade von Berlin vom Umweltministerium. Sehr aufmerksam von Ihnen, aber ich muß da jetzt rüber.“

Gangolf betrachtete sie mit verwundertem Blick.
- „Nun ja, wenn Sie meinen, aber wenigstens die Schuhe sollten Sie unbedingt wechseln, ich hab’ da welche für Sie, sind zwar schon recht ausgelatscht, aber die werden Ihnen für das Paddeln taugen.“
- „Sie sind wirklich sehr aufmerksam, danke.“
- „Ja, warten Sie solange, ich muß nur schnell in den Keller.“

Gangolf stieg in den Keller hinab, wo Magda an einem Kellerregal gefesselt darauf wartete, daß die zeitgesteuerten Handschellen irgendwann aufsprangen.
- „Keine Angst,“ rief Gangolf ihr zu, „ich laß’ dich hängen, aber ich brauch’ jetzt deine Schuhe, wenn man die als solche überhaupt noch bezeichnen kann.“
Ohne eine Frage zu stellen ließ Magda ihn gewähren, die Schnürsenkel zu lösen und die ausgelatschten Chucks von den Füßen zu streifen. Magda schien es zu freuen, daß ihre nackten Fußsohlen nun mit dem kalten Kellerboden Kontakt aufnahmen. Beim Hinaufgehen wedelte Gangolf die Schuhchen auf und ab in der Hoffnung, den leichten Schweißgeruch damit herauszubekommen. Oben angekommen stellte er die Chucks vor Inge auf den Boden, diese lächelte ihn dankbar an:
- „O danke, Sie haben Recht, mit den flachen Schuhen komme ich sicher viel besser zurecht.“

Hurtig streifte Inge ihre Stiefeletten mit den Blockabsätzen von den Füssen und schlüpfte in die Chucks. Obwohl diese recht ausgetreten waren, entpuppten sie sich als ziemlich eng, so daß Inge wieder herausschlüpfte und ohne zu zögern ihre Socken abstreifte, um darnach erneut hineinzuschlüpfen. Nun schien es besser zu gehen, Inge wunderte sich über die mehrfach zusammengebundenen Schnürsenkel und fragte sich im Stillen, ob er nicht hätte ein etwas besseres Paar Sportschuhe seiner Frau oder Freundin ihr überlassen hätte können. Doch sie wollte alles unternehmen, nicht unnötige Debatten auszulösen, sondern griff wortlos nach ihren Söckchen, stopfte sie in die Stiefelchen, hob diese vom Boden auf und drehte sich zu Gangolf um, bereit, mit ihm zu der ihr vertrauten Scheune zu marschieren.

- „Moment, ich muß noch den Schlüssel holen“, entschuldigte sich Gangolf und verschwand in die Küche.
- „Man möchte es nicht glauben, aber vor ein paar Tagen ist hier eingebrochen worden, in die Scheune, stellen Sie sich das vor, jemand hat eines der Boote genommen, zum Glück fand ich es unten am Steg wieder.“

Inge war unfähig, ihm beizupflichten, wie schäbig die Welt geworden war, zu sehr steckte der Kloß in ihrem Hals. Auf dem Weg zur Scheune faßte sie sich wieder und fragte:
- „Wieviel wollen Sie denn haben, ich komm’ so am Nachmittag wieder zurück.“

Gangolf begriff nicht sogleich und stellte die Gegenfrage:
- „Was soll ich haben wollen am Nachmittag?“
- „Ja für das Boot natürlich, als Leihgebühr.“
- „Äh, ja, also ich hab’ noch nie ein Kajak ausgeliehen und würde das an einen Fremden auch nicht machen, auch nicht gegen Geld, ich will kein Geld von Ihnen.“
- „Doch, doch, ist doch ein dienstlicher Auftrag, das Geld krieg’ ich vom Amt zurück.“
- „Ja wenn das so ist, aber zeigen Sie mir doch bitte Ihren Ausweis, wie heißen Sie gleich wieder?“
- „Langohr, Inge Langohr“, entgegnete sie und angelte ihre Mappe mit den Ausweisen und Karten hervor.

- „Oh, da hab’ ich jetzt zuviel versprochen“, fuhr sie fort, „meine Geldbörse liegt noch im Auto.“
- „Ja, das hat Zeit, wo stehen Sie denn?“ fragte Gangolf, während er das rote Kajak von den Streben herabwuchtete.
- „Weiter vorn am Ende des Wegs am Waldrand dort“, gab Inge zur Antwort.
- „Holen Sie schon `mal Ihr Gepäck, ich trag’ Ihnen das Boot derweil zum Steg.

‚Verdammt’, haderte Inge mit sich, ‚ich hab’ nicht die kleinste Tasche dabei, ich wollte doch nur für einen Abend ein paar Stunden für eine Plaudern nach Berlin fahren.’
- „Also, es wird Sie wundern, ich hab’ gar nichts weiter dabei, ich muß nur nach etwas bestimmten Ausschau halten, das beobachten und dann wieder zurückkehren.“

Inge war froh, daß sie das so einigermaßen überzeugend herausgebracht hatte und ihr Gegenüber schien damit zufrieden zu sein. Doch Gangolf umkroch plötzlich das Gefühl, daß da etwas nicht stimmte, indes zog er es vor, zu schweigen.
- „Danke trotzdem, Sie sind sehr freundlich.“

Auf dem Weg zu dem Steg griff Gangolf die Konversation wieder auf:
- „Schade, daß ich kein Zweier-Kajak habe, sonst hätten wir eine gemeinsame Tour machen können, ich hab’ heute frei und würde gern wieder einmal auf die Insel kommen, sozusagen mit behördlicher Genehmigung, mir ist das ja sonst nicht erlaubt.“
- „Danke, sehr freundlich, aber ich denke, ich komm’ schon allein zurecht.“
- „Ich hätte ja noch den Ruderkahn, da könnte ich Sie hinüberrudern, würde ich gern machen.“
- „Nein, nein, wie gesagt, was ich dort beobachten muß, unterliegt der Geheimhaltung, ist doch alles so verrückt momentan mit dem Condoma und so.“
- „Ja, da haben Sie Recht, in Bayern spinnen die ja vollkommen, die müssen dort alle mit Gasmasken herumlaufen.“
- „Das wird schon noch bei uns hier auch kommen.“
- „Hoffentlich nicht, ist doch ein Wahnsinn alles.“
- „Die haben dort ja auch den CSU-Schnöder, dem wünsch’ ich ja, daß man sein blödes Gegrinse hinter seiner Maske dann nicht mehr sieht.“

Mit diesen Worten langten sie an dem Steg an, Gangolf ließ das Kajak längs des Stegs in’s Wasser gleiten. Inges Nervosität stieg, sie wußte genau, wie unbeholfen sie sich wieder auf den Sitz plumpsen lassen würde.

- „Warten Sie, ich halte Ihnen das Boot fest, sehen Sie, wenn Sie dann drüben einsteigen auf der Insel, greifen Sie immer erst mit der einen Hand nach hinten an die Einstiegsluke und stabilisieren Sie damit das Boot, damit es nicht wegkippt beim Einsteigen.“

Inge sah ihn fragend an und zögerte.
- „Setzen Sie sich parallel an die Kante des Stegs und dann fassen sie hinunter hinten an die Einstiegsluke.“

Verunsichert blickte Inge auf, tat dann aber, wie ihr geraten worden war.
- „Ja, so und jetzt mit der rechten Hand nach hinten greifen und den Rand fest umgreifen. Ja, gut so, und jetzt hinein.“

Gangolf wollte absichtlich keine Hilfestellung geben, er wollte sehen, ob die Frau geübt war mit dem Kajakfahren. Tatsächlich täuschte er sich nicht in seiner Einschätzung.
Mit schmerzverzerrter Miene kam Inge auf dem engen Plastiksitz zu sitzen, Gangolf konnte sich den Grund dieser Mimik verständlicherweise nicht erklären.
- „Danke, ich komme am Nachmittag wieder“, verabschiedete sich Inge, als der Schmerz in ihrem Unterleib etwas nachgelassen hatte, und stieß sich mit dem linken Arm vom Steg ab.
- „Ja und das Paddel?“ rief ihr Gangolf nach.
- „Ach ja, bin ich durcheinander.“

Gangolf reichte es ihr, sie ergriff es, ohne nach dem günstigsten Griff zu achten, sondern paddelte wild darauf los, indem sie auf der linken Seite wesentlich tiefer eintauchte als auf der rechten.
‚Ob das gut geht?’ fragte sich Gangolf und tatsächlich hatte Inge größte Mühe, nicht mit der Bootspitze in das gegenüberliegende Ufer zu krachen. Sie schaffte gerade noch die scharfe Wendung nach links, die Röte vor Scham und Anstrengung stieg ihr in’s Gesicht. Gangolf rief ihr zu:
- „Und Sie sind sich wirklich sicher, daß Sie da allein hinüber wollen?“
- „Ja, ja, schaff’ ich schon, muß mich erst wieder daran gewöhnen.“
- „Bitte, mein’ ja bloß, lassen Sie sich Zeit, teilen Sie sich die Kräfte ein. Haben Sie denn `was zu Trinken dabei, verdammt, daran hab’ ich gar nicht gleich gedacht.“

Inge hielt mit dem Paddeln ein, drehte sich zu Gangolf um und rief:
- „Danke, heut’ ist nicht mehr so heiß.“
- „Nun denn, gute Fahrt!“

Kopfschüttelnd sah Gangolf ihr nach. Er überlegte, daß er zwar auch oft seine Trinkflasche nicht mitnahm, wenn er nur eine kurze Stippvisite auf die Insel unternahm, doch wenn nun diese Frau als offensichtlich völlig ungeübte Anfängerin dann auch noch den halben Tag ohne Getränk auf der Insel verweilen wollte, das fand er als gesundheitlich riskant. Dank des Klimawandels pflegten die Temperaturen auch Ende September Mittag und Nachmittags dreißig Grad zu erreichen.
Gangolf wartete noch eine Weile, bis Inge aus dem Kanal auf den offenen See hinaus langte, und ging dann gemächlich am Ufer des Kanals entlang zum See, von wo aus er Inge beobachtete, wie diese wild mit viel Gischt der Insel entgegenstrebte, ohne Körpereinsatz.

‚Ach, ich hab’ ganz vergessen, ihr die Fußrasten einzustellen, ich glaub’ nicht, daß sie sich bei ihrer Körpergröße überhaupt abstützen daran kann. Aber ich muß ja auch nicht an alles denken, ich bin ja nicht verantwortlich für sie, daß sie da gut hinüber kommt. Ich bin doch kein Bootsverleih.’
Mit solchen Gedanken wandte sich Gangolf schließlich zum Gehen. Er schlurfte zu seinem Haus zurück und stieg in den Keller, um nach Magda zu sehen. Diese stieg von einem Bein auf das andere, Gangolf konnte mitfühlen, wie der kalte Kellerboden unter den Fußsohlen schmerzte. Er holte ein Brett und stellte es vor Magda hin.
- „Da, steig’ da d`rauf, ist nicht gar so kalt.“
- „Geht schon“, entgegnete Magda und unternahm keine Anstalten, seiner Anordnung folge zu leisten.
- „Hopp, mach’ schon, sonst mach’ ich dich los und es ist für heut’ vorbei mit der Fesselei!“

Nun gehorchte Magda und stieg mit den Zehenspitzen auf das Brett. Gangolf schob dieses weiter nach hinten, so daß sie nun ganz darauf stehen konnte.
- „Ist doch etwas wärmer so als auf dem kalten Zementboden.“

In seine Wohnung zurückgekehrt rief Gangolf im Umweltamt in Lüggen an. Man bestätigte ihm, daß es eine Sachbearbeiterin Namens Inge Langohr gäbe, daß diese Referatsleiterin sei, indes augenblicklich im Urlaub; von einem Auftrag auf der Röthener Seeinsel wüßte man nichts.
- „Dachte ich mir schon“, murmelte Gangolf vor sich hin und beschloß, der Sache auf den Grund zu gehen. Er stieg nochmals zu Magda hinunter und fragte:
- „Ich muß nochmals zur Insel hinüber, soll ich dich freimachen?“
- „Nein, bitte nicht, stell’ die Zeit noch länger ein, es ist so schön, hier im Dunkeln zu stehen. Ach und bitte dunkel das Fenster dort irgendwie ab, es scheint immer noch so viel Licht herein.“
- „Du bist ja vollkommen verrückt. Wie geht es deinen Füßchen?“
- „Gut, paßt alles.“

Gangolf bückte sich und umfaßte ihre Füße, sie waren eiskalt.
- „Ja von wegen, ich hol’ dir Schuhe, richtig schöne, solche hast du wahrscheinlich noch nie angehabt.“
Er ging zur Scheune und holte Inges Stiefeletten, welche sie dort abgestellt hatte. Zu Magda zurückgekehrt forderte Gangolf sie auf:
- „Da, heb’ deinen Fuß.“

Gangolf streifte ihr einen Socken über, den er aus einem der Stiefeletten zog. Er spürte dabei nochmals die eiskalte Haut von Martas Fuß.
- „Es wird höchste Zeit, daß ich dir die Schuhe bringe. So und jetzt schlüpf’ da hinein.“

Ohne zu zögern tat Magda, wie ihr geboten, mit einem Ruck zog Gangolf den Reißverschluß an der Innenseite in die Höhe.
- „So, und jetzt den anderen Fuß!“

Magda verlagerte ihr Gewicht auf das neu beschuhte Bein und wuchs zugleich um gut acht Zentimeter. Sie sagte indes nichts dazu. Nachdem auch die andere Stiefelette ihren neuen Fuß gefunden hatte, wandte sich Gangolf zum Gehen um. Nun wagte Magda doch nochmals ihn anzusprechen:
- „Bitte denke an die Zeit, daß die nicht vorzeitig abläuft, und an das Fenster, bitte, das zu Verdunkeln.“

‚Verrücktes Huhn’, dachte sich Gangolf, ging zu der Zeitschaltuhr, die in wenigen Minuten den Strom von dem Elektromagneten abgeschaltet und damit die Handschellen geöffnet hätte, und verlängerte die Ablaufdauer auf eine Stunde. Dann holte er einen Sack, den er mit einigen Reißnägeln vor das niedrige Kellerfenster heftete, so daß es fast vollkommen finster geworden war.
- „Meinst du wirklich, du willst das noch länger so aushalten?“
- „Aber ja, ich war schon eine ganze Nacht in einer Kiste.“
- „Nun ja, wenn du wirklich meinst, also viel Vergnügen.“

Gangolf tappte in der Finsternis zum Ausgang und stieg die Kellertreppe hinauf. Er legte sich seinen Neopren-Shorty an, füllte die Wasserflasche auf und verstaute sie in dem wasserdichten Beutel.
- „Da will ich doch `mal sehen, was die Lady dort auf der Insel so treibt“, sagte er sich mit einem lustvollen Schmunzeln, zog sein Rennkajak hervor, warf Beutel und Paddel hinein und stapfte den Pfad zum Steg hinunter.

Inge kämpfte verzweifelt der Insel entgegen, die Hitze der immer höher steigenden Sonne trat in den Wettstreit mit der Hitze in ihrem Unterleib, verursacht durch das gnadenlose Reiben des Luststahls in ihren Furchen.
- „Nur noch kurze Zeit, dann ist es vorbei mit den Qualen, du blöder Gürtel“, schrie sie sich den Schmerz aus dem Leib, „und dann landest du im hohen Bogen im Wasser, auf dem Grund des Sees wirst du für immer ruhen.“

Sie ahnte natürlich nicht im geringsten, welche unsägliche Enttäuschung auf sie wartete.











132. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 12.11.22 14:35

Nun ist es also doch geschehen, erstmals, es gibt immer ein erstes Mal: Während all' meine Sinne darauf gerichtet waren, das Nudelwasser nicht anbrennen zu lassen, kommt es mir dann doch wassergleich siedendheiß in den Sinn, auf die allwöchentliche Fortsetzung des Geschichtleins vergessen zu haben; die verehrte Leserschaft enthielt sich vornehm-distanziert einer diesbezüglichen Nachfrage, so nehme ich an, daß das Ausbleiben nicht schmerzhaft vermißt worden war.

79

Es kam äußerst selten vor, daß ihr eine Fesselung wirklich unangenehm geworden wäre, eher schon die brutalen Behandlungen ihrer Herrin Martina, doch an diesem Tag war es wieder einmal der Fall. So angenehm es zunächst war, daß Gangolf fürsorglich ihr Socken und Schuhe an die Füße gab, so entwickelten sich diese Bekleidungsgegenstände im Verlauf der Stunden für Magda in ihrer gestreckt-gefesselten Lage an dem schweren Kellerregal stehend zu strapaziösen Klötzen, da sie es überhaupt nicht gewohnt war, in hochhakigen Schuhen zu stehen.
Sie verstand nicht, warum Gangolf ihr die alten Chucks abgenommen hatte, worauf sie, barfuß auf dem kalten Kellerboden stehend, eiskalte Füße bekam. Sie hatte auch nicht die geringste Ahnung davon, wo Gangolf diese für ihre zierlichen Füßchen etwas zu großen Treter hergenommen hatte; es interessierte sie auch nicht weiter, doch das stundenlange Stehen mit durchgedrückten Füßen erzeugte in ihr ungewohnte Schmerzwellen. Ständig versuchte sie, einen Fuß abzuheben und durch Kreisen in der Luft die Verspannungen zu lösen, prompt erhöhte sich der Druck dadurch auf den anderen Fuß, so daß sie schnell wechselte, um nun für diesen Entspannung zu suchen.

Magda versuchte auch, den Reißverschluß der Stiefeletten mit dem jeweils anderen Fuß zu öffnen in der Hoffnung, anschließend die Schuhe von den Füßen schleudern zu können, doch mißlangen alle Bemühungen. Sie konnte sich kaum bewegen, ihr Aktionsradius war aufgrund der über dem Kopf gefesselten Hände auf einen Halbkreis von weniger als einen halben Meter vor dem Regal begrenzt. Immer wieder wurden ihre Füße und Waden von Krämpfen erfaßt, die Schmerzwellen breiteten sich über die gesamten Beinlängen bis in die Hüften aus, deren Gelenke mehr und mehr von einem ansteigenden Dauerschmerz befallen worden waren. Sie dachte an die seligen Stunden in der engen Kartoffelkiste zurück, in welcher sie im Kellerabteil von Martinas und Bettinas Wohnung eng eingeklemmt gewesen war.

Nicht den geringsten Vorwurf wollte Magda Gangolf machen, im Gegenteil, dieser fragte mehrfach, ob mit ihrer Situation soweit alles in Ordnung wäre. Seine Idee mit den Absatzschuhen und den warmen Socken war sicherlich gut gemeint gewesen und sie selber war es, welche eine Verlängerung der Fesselung erwünscht hatte. Magda machte die Erfahrung, daß das Zeitempfinden deutlich gestört war unter Schmerzeinwirkung; die Zeit wollte anscheinend nicht vergehen, längst meinte sie, es müßte schon Abend sein, doch durch das mit einem groben Sacktuch verhängte Kellerfenster schimmerte unvermindert das Tageslicht.

Entgegen ihrer sonstigen Gewohnheit begann Magda an ihrer Fesselung zu zerren und zu rütteln, doch gaben Gangolfs selbst hergestellte Handschellen mit dem elektrischen Entriegelungsmagneten nicht nach, sie hielten die Handgelenke unbarmherzig umfangen hinter der Metallstrebe des schweren Kellerregals, in unmittelbarer Nähe zur Kellerdecke. Das einzig angenehme an den Absatzschuhen war die gewonnene Höhe gegenüber ihren Flachlatschen, daß sie nicht mehr ganz so stark längs in die Höhe eingespannt war, sondern an den Armen etwas Spielraum ausnutzen konnte, ohne daß dieser auf Kosten der Handgelenke ging, welche auf diese Weise nicht mehr stark eingeschnürt worden waren.

Um von ihrer unbefriedigenden Situation sich abzulenken versuchte Magda, ihre Gedanken auf Personen zu lenken, denen es ihrer Meinung nach wesentlich schlechter gehen müßte. Sie dachte dabei an ihre Herrin Martina und ihrer Mitbewohnerin Bettina, die vermutlich immer noch in strenger Quarantäne auf engstem Raum in der Zwei-Personen-Zelle des Wohn-Containers an der italienisch-österreichischen Grenze hausen mußten. Sie lag mit ihrer mitfühlenden Einschätzung durchaus richtig, denn das Hausen in der engen Zelle war für beide tatsächlich zu einer höllischen Qual geworden.

Magda malte sich aus, wie es den beiden darin gehen mußte. Sie war zwar noch nie in einer Zelle gewesen, erst recht nicht in einer eines Wohn-Containers, doch hatte sie eine reiche Phantasie, und diese brachte es mit sich, daß Magda eine Weile ihre eigenen Sorgen mit den schmerzenden Füßen und Beinen verdrängen konnte: Schon am frühen Morgen fing es damit an, daß einer der beiden als erste auf die Toilette mußte. Die Schüssel war lediglich durch eine halbhohe Wandplatte von dem übrigen Raum abgetrennt, die Abtrennung war fast wirkungslos, denn die jeweils andere Person bekam aus nächster Nähe alle Geräusche mit, welche das Verrichten des Geschäfts mitsich brachte, von den Gerüchen gar nicht zu reden.

Das durchgängig-ganztägige Eingesperrtsein auf engstem Raum bedeutete eine enorme psychische Belastung. So gut sich die beiden in ihrem bisherigen Leben verstanden, brachen durch die angespannten Daseinsverhältnisse die ureigensten Charaktere hervor. Diese stellten sich als sehr gegensätzlich heraus. Während sich die Pfarrerin Bettina immer weiter in einen Winkel ihrer engen Behausung zurückzog, gewann das dominante Wesen der Oberschwester Martina immer mehr die Oberhand; waren es in ihrem bisherigen Leben in ihrer gemeinsamen Wohnung lustvolle Liebeshandlungen, die sie miteinander zelebriert hatten, steigerte sich Martinas Dominanz zu einer wahren Aggressivität, gegen welche sich Bettina nur erwehren konnte, indem sie sich in ihrem Winkel einigelte, um möglichst geringe Angriffsflächen zu bieten.

Nach wenigen Tagen ist beiden klar geworden, daß nach Ende des Zwangsaufenthalts ein gemeinsames Weiterleben in ihrer Wohnung unmöglich sein würde. Zwar hatte natürlich jede der beiden dort ein eigenes großes Zimmer, dazu noch ein gemeinsames großes Wohnzimmer und eine geräumige Küche, doch würde die Erinnerung an ihren Gefängnisaufenthalt ein friedfertig-gleichberechtigtes Zusammenleben nicht mehr ermöglichen. Bettina versenkte sich in die zur Verfügung gestellten Bücher, hauptsächlich in geisteswissenschaftliche Abhandlungen, während Martina ihre Matratze hervorholte und an die Wand lehnte, um sich daran mit Boxhieben und Schultersprüngen abzureagieren. An ein Gespräch war nicht mehr zu denken, die Mahlzeiten nahmen sie in den entgegengesetzten Ecken ihrer Zelle ein.

An manchen Tagen kam ein Wärter in die Zelle, um sich angeblich nach dem Wohlbefinden der beiden zu erkundigen. Er trug dazu eine dicke militärische Gasmaske, sein Auftritt war furchteinflößend. Immerhin machte er unmißverständliche Angebote an die Damen; während Bettina kaum den Kopf hob, als er eintrat, und sie sogleich jenen wortlos schüttelte, ergriff Martina liebend gern die Gelegenheit, auf diese Weise die enge Zelle verlassen zu können. Der Wärter brachte eine Gasmaske mit, welche sich Martina anstandslos aufsetzte. Dadurch konnte man auf dem Gang vor den Zellen nicht erkennen, daß es sich um eine in Quarantäne gehaltene Person handelte.

Nach den ersten Malen berichtete Martina ihrer Zellengenossin von dem Erlebnis mit dem Mann, sie war noch voll des Adrenalins, das ihre Adern berauschte, sie überschlug sich in der Stimme bei dem Bericht, wie sie es dem Kerl gezeigt hatte und daß dieser unter ihrer Behandlung zu leiden hatte. Martina konnte sich gut vorstellen, wie die Sache abgelaufen war, sie fragte nicht nach, die Schilderungen empfand sie widerlich. Der >Kerl< kam indes immer wieder, stets hatte er die Gasmaske für Martina dabei. In einem solchen Fall holte Martina hurtig ihre Stiefeletten unter dem Bett hervor und schlüpfte hinein.

Bei den Gedanken an Martinas Stiefeletten erwachte Magda aus ihrem Tagtraum, plötzlich verspürte sie wieder die Schmerzen, die von den Stiefeletten ausgingen, in welchen sie nun schon gefühlt seit Stunden stehen mußte. Sie vermeinte auch die Tritte zu spüren, welche sie durch Martinas Stiefeletten erleiden hatte müssen, wenn sie im Hogtie gefesselt vollkommen wehrlos auf dem Boden lag und ihre Herrin sie dazu mit den hartsoligen Stiefeln traktierte.

‚Da ist Gangolf ganz anders’, überlegte sich Magda, ‚der ist so einfühlsam-besorgt, und das hier, das hat er sicherlich gar nicht gewollt, daß mir das weh tut in diesen Stiefeln, ganz im Gegenteil, wahrscheinlich wollte er mir eine Freude machen, daß ich auch einmal solche Schuhe bekam.’
Ihre Gedanken schweiften zu Gangolf, sie gönnte es ihm von Herzen, daß er eine Bootstour unternahm, sie hatte ihn richtig lieb gewonnen, als er mit ihr die langen Strecken auf dem Motorrad gefahren war. Es war ein unbeschreiblich gutes Gefühl, hinter ihm hintenauf sitzen zu dürfen, seinem fahrerischen Können ausgeliefert, in der engen Lederkleidung, mit dem Helm, gleichsam von der Außenwelt durch den Schutzanzug abgetrennt, die Handschuhe, die festen Motorradstiefel; ein Gefühl der Wonne an die kaum einen Tag zurückliegende Motorradreise ließ Magda die augenblicklichen Unannehmlichkeiten vergessen.

Magda machte sich Gedanken, wie es weitergehen würde. Irgendwie war es ihr klar, daß es eine Veränderung geben würde. Wahrscheinlich würde sie ihre kleine Wohnung in Lüggen aufgeben, wahrscheinlich würde sie von nun an ganz hier in Gangolfs großem Haus wohnen wollen. Natürlich mußte sie dazu erst Gangolf fragen, Magda überlegte, wie sie das Gespräch darauf bringen könnte; es fiel ihr schwer, ihren Wunsch jemanden zu äußern. Ihre Herrin Martina hatte ihr das im Laufe der Zeit gänzlich ausgetrieben; sobald sie auch nur ein Wünschlein flötete, erfolgten von dieser drakonische Strafen. Sie sagte sich freilich, daß Gangolf da ganz anders gestrickt war, daß dieser die feinfühlige Fähigkeit besaß, zwischen den Zeilen zu lesen und unausgesprochene Wünsche wahrnehmen konnte.

Martina und Bettina machten sich unabhängig voneinander zur gleichen Zeit in ihrer Quarantäne-Zelle Gedanken, wie sie ihre Zukunft gestalten würden. Bettina beschloß, die Kirchenverwaltung zu ersuchen, sie in eine andere Pfarrei zu versetzen, weiter weg von Lüggen, Brandenburg war groß, da würde sich gewiß eine andere gute Stelle finden. Freilich bedauerte sie, daß die Verbindung zu ihrem zum Freund gewordenen Organisten Gangolf abbrechen würde, doch mußte sie das in Kauf nehmen, um einen neuen Lebensabschnitt zu beginnen. Möglicherweise würde sie einen Mann an sich heran lassen; sie dachte unwillkürlich an die beiden Typen, die den Sender in Magdas Zimmer aufgebaut hatten. Diese beiden Kerle waren ihr zwar eher unangenehm, doch im Augenblick der damaligen Situation, an ihre Freundin Martina Rücken an Rücken gefesselt, das war schon ein einzigartig erregendes Erlebnis gewesen.

Auch für Martina stand fest, daß sie aus ihrer gemeinsamen Wohnung ausziehen würde.
‚Soll doch die allein darin hausen, da kann sie sich mit ihren doofen Büchern alles vollstopfen, da kann sie in ihrer Keuschheit vor sich hinvegetieren und philosophieren!’
Sie selbst wollte zu Magda ziehen, schließlich bezahlte sie ja für diese die Wohnung, dann hätte sie ihre Magda ständig bei sich unter Kontrolle, immer in Reichweite, sie könnte ihre ungehemmte Lust an ihr auslassen und diese würde sich freuen, endlich unter ständiger Kontrolle zu stehen. Sie malte sich aus, die gewerblichen Lagerräume im Erdgeschoß zu übernehmen, sie würde den Vermieter so lange beknien, bis dieser ihr die Räume zur Verfügung stellen würde, dann hätte sie Platz, unbändig viel Platz und Raum, ihre Begierden an Magda auszuleben.

Bei den Gedanken, willenloses Opfer ihrer Herrin zu werden, ganztägig, jahrein, jahraus, erwachte Magda erneut aus ihren Träumereien; sie versuchte, diese Gedanken beiseite zu schieben und schalt sich selbst, daß ja noch lange nichts ausgemacht sei, noch längst nichts beschlossen, wie es in dem Verhältnis der drei Frauen und im Verhältnis mit Gangolf weitergehen würde. Vielleicht würde ja auch Birgit in’s Spiel kommen, auch wenn sich diese vorgestern erstaunlich schnell und knapp nach der Motorrad-Rückreise aus Italien und den gemeinsamen Abenteuern an der bayrisch-tschechischen Grenze nach einem letzten Kaffee-Trinken am Lüggener Markt verabschiedete hatte. Nein, mit Martina wollte sie auf keinen Fall dauerhaft zusammenleben, so sehr sie die Dominanz ihrer Herrin genoß, benötigte sie dennoch ihren Freiraum; vor allem wollte sie nicht mehr so grob behandelt werden und Magda fürchtete sich, daß Martinas Methoden nach der sechswöchigen Abstinenz während des Quarantäneaufenthalts noch verschärft werden würden.

Im Laufe ihrer Standzeit an dem Regal lernte Magda, sich möglichst wenig zu bewegen, um die Schmerzen in ihren steifen Gliedern erträglich werden zu lassen. Anfangs versuchte sie im Gegenteil, durch ständige Bewegung, soweit der enge Spielraum sie dazu gewähren ließ, die Steifigkeit, das Abstumpfen, den Schmerz damit zu besiegen. Jetzt gelang es ihr, einen tranceartigen Schwebezustand aus Wachsein und Tagtraum herzustellen; das fahle Licht durch das abgedunkelte Kellerfenster verhalf ihr dabei.

Irgendwann kam Magda der Wunsch nach dem Brunnengraben in den Sinn; Gangolf hatte ihr versprochen gehabt, nach der Rückkehr von der Italienreise mit ihr einen Brunnen zu graben. Das Vorhaben, dazu nach Afrika zu reisen, hatte sie aufgegeben. Sie vertraute darauf, daß sich Gangolf, wie in allen handwerklichen und bautechnischen Dingen, darauf verstand, einen Brunnen zu graben. Sie träumte davon, tief im Schacht zu stehen und mit bloßen Händen den Schlamm in einen Eimer zu befördern, welchen Gangolf dann hinaufziehen würde, um diesen zu entleeren. Sie würde bis zu den Knien im Schlamm stehen, das Grundwasser würde immer höher herauf steigen; der Gedanke daran, mit den Füßen im Schlamm immer tiefer einzusinken, brachte Magda zu einer lustvollen Erregung. Sie würde sich mehr und mehr mit der wässerigen Erde verbinden, eins werden mit dieser urmenschlichen Natur, hatte nicht Gott den Menschen aus Staub und Speichel erschaffen?

Was Magda natürlich nicht ahnte war, wie bald schon ihr Traum von der Verbindung der Elemente Erde, Wasser und Mensch zur verhängnisvollen Wirklichkeit werden würde.























133. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von Ihr_joe am 12.11.22 19:13


Zitat


Nun ist es also doch geschehen, erstmals, es gibt immer ein erstes Mal: Während all' meine Sinne darauf gerichtet waren, das Nudelwasser nicht anbrennen zu lassen, kommt es mir dann doch wassergleich siedendheiß in den Sinn, auf die allwöchentliche Fortsetzung des Geschichtleins vergessen zu haben; die verehrte Leserschaft enthielt sich vornehm-distanziert einer diesbezüglichen Nachfrage, so nehme ich an, daß das Ausbleiben nicht schmerzhaft vermißt worden war.



Manchmal, aber nur manchmal lese ich Deine Geschichte nicht sofort…
… deshalb wurdest Du noch nicht öffentlich an den Pranger gestellt und mußtest Dein angebranntes Wasser verkosten!

Nein im Erst, ich Danke Dir für die viele Mühe und Deine tolle Geschichte!
Ich würde Dich nie angebranntes Wasser trinken lassen, denn wer weiß, vielleicht würdest Du es immer wollen … und das bei den Energiekosten.

Liebe Grüße Ihr_joe
134. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von modex am 12.11.22 22:19

Auch ich, lieber M A G N U S, habe nur ganz ausnahmsweise davon abgesehen, sofort allen Moderatoren im Forum und der Oberbeitragsrechtzeitigkeitsdirektion Bad und Sankt Hofgastein dreifach kohlepapiererne Meldung zu erstatten.
Jetzt mal ehrlich: Ich bekomme kaum eine zudem kurze Fortsetzung im Quartal hin - also veröffentliche auch gerne mal zu früh, zu spät, doppelt oder sonstwie - Hauptsache, die Geschichte geht weiter. Danke Dir!
135. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 18.11.22 20:44

Vielen Dank für Euere wohlwollenden Kommentare; es fühlt sich immer gut an, sich begleitet zu wissen auf dem langen Weg der wöchentlichen Veröffentlichungen!


80

Mit kraftvollen gleichmäßigen Ruderschlägen paddelte Gangolf in seinem Rennkajak der Insel entgegen. Er hielt etwas östlicher, denn er wollte nicht an den Steg anlanden, sondern von der Ostseite die Insel betreten, um dann von dieser Richtung aus zu der Lichtung inmitten des Bruchwaldes zu gelangen, aus welcher er am Vortag die Kiste ausgegraben hatte, die ihm als Schatztruhe gedient hatte.

Obwohl Inge in dem roten Kajak, das sie sich von Gangolf geliehen hatte, einen gewaltigen Vorsprung hatte, gewahrte Gangolf gerade noch, wie die rote Heckspitze in die Lücke des Schilfgürtels verschwand, welche zu dem Inselsteg führte.

‚Daß die noch nicht längst auf der Insel ist’, wunderte sich Gangolf und konnte das nur damit erklären, daß sie vermutlich die Einfahrt in dem Schilfdickicht nicht auf Anhieb gefunden hatte. Nun mußte er sich um eine Anlandung bemühen, er reduzierte das Rudertempo und fixierte den Schilfsaum. Nach einer Weile entdeckte er einen größeren Baum, der von der Uferböschung abgekippt war und dessen Stamm auf diese Weise durch den Schilfgürtel hindurch fast bis in das offene Seewasser reichte.

Gangolf fuhr einen größeren Kreis auf den See hinaus, da er für ein enges Wendemanoever bereits zu nahe war. Er erhöhte die Schlagzahl, um wie mit einer scharfen Pfeilspitze mit möglichst viel Schwung durch das Schilf zu gelangen, in der Hoffnung, in die Nähe des umgestürzten Baumstammes zu landen, welchen er als Steg zu benützen beabsichtigte.

- „Ich hätte es besser wissen müssen“, schalt sich Gangolf selber, „das kann mit einem schmalen kippeligen Rennkajak nicht gut gehen!“
Tatsächlich kippte sein Boot bei dem Versuch, in den Schilfgürtel einzudringen. Gangolf bedachte nicht, daß auch unterhalb der Wasseroberfläche, welche wegen der Schilfpflanzen nur schwer zu sehen war, dicke Äste des umgefallenen Baums ruhten, und diese beim Aufprall das Kajak unweigerlich zum Kentern brachten. Irgendwie verfing sich die Spitze des Kajaks in dem Geäst und drückte diese bei der Wucht des Aufpralls tief nach unten, so daß das Boot seitlich schräg im Wasser lag. Gangolf fluchte fürchterlich, als er in dem schilfbedeckten morastigen Wasser stand und zusehen mußte, wie in kürzester Zeit das Kajak voll Wasser lief.

Nachdem sich Gangolf von dem Überraschungsschock einigermaßen erholt hatte, versuchte er, das Boot aus seiner Umschlingung zu befreien, um es über dem Wasser zu drehen, damit das Wasser auslaufen konnte. So sehr er auch daran rüttelte, es gelang ihm nicht.

- „Das kommt davon, den Mädels nachschleichen zu wollen“, sagte er sich selber und Gangolf beschloß, das Boot erst einmal sich selbst zu überlassen und gleich auf die Insel zu waten, um wenigstens das Ziel seinen Vorhabens zu erreichen. Er kämpfte sich durch das Dickicht auf dem Boden des Erlenbruchwalds, das hier an der Ostseite der Insel besonders undurchdringlich im ewigen Dunkel unter den mächtigen Baumkronen wuchs. Nach einigen Minuten erreichte er die Lichtung ziemlich zeitgleich mit Inge, die sich von der anderen Seite auf dem schmalen Zugangspfad näherte. Hurtig bückte sich Gangolf nieder und suchte Schutz hinter einem dichten Buschwerk. Von diesem Versteck aus beobachtete er, wie Inge zielstrebig der Stelle entgegentrat, wo er gestern die Aluminiumkiste ausgegraben hatte.

Gangolf hielt den Atem an, als er Inge dabei beobachtete, wie diese hastig mit ihren Füßen das Gezweige vom Boden wegdrückte, das er gestern über die Mulde gebreitet hatte. Inge bückte sich, nahm ihre Hände zu Hilfe, drang immer tiefer nach unten und schüttelte schließlich den Kopf. Sie seufzte mit merklich erregter Stimme, so daß Gangolf sie hören konnte:
- „Das gibt’s doch nicht, das muß doch da gewesen sein.“

Die Sonne stand jetzt im Zenit, ihre Strahlen gelangten gerade noch über die Baumwipfel, bevor in wenigen Tagen die Lichtung für den Rest des Jahres in Schatten getaucht verblieb. Der Schweiß rann Inge von der Stirn, sie schwitze aus allen Poren, die Anstrengung des Paddelns mit ihren ineffizienten Ruderschlägen, die mehr Gischt aufwirbelten, als zur Vorwärtsbewegung beizutragen, und nun das hektische Graben ließen sie an den Rand des körperlichen Zusammenbruchs treten. Der Keuschheitsgürtel drückte unbarmherzig, das Fleisch brannte unter dem unnachgiebigen Stahl. Als es ihr dämmerte, daß sie anscheinend an der falschen Stelle suchte, ließ sie sich resigniert auf den Boden fallen, sie riß sich die schöne, jetzt vollkommen mit Schweiß durchtränkte Bluse vom Leib und warf diese wutentbrannt im hohen Bogen von sich in das Gestrüpp. Nur noch mit ihren ehemals weißen Shorts bekleidet, dazu Magdas verschlissene Chucks an den Füßen und den Büstenhalter über ihre ansehnlichen Brüste gespannt saß sie neben der freigelegten Mulde und starrte reglos in diese hinunter. Nach einer Weile hob sie den Kopf und drehte ihn suchend nach links und nach rechts. Schließlich sprang sie auf und schritt die Lichtung kreisförmig ab.

‚Wo steckt bloß die verdammte Kiste?’, haderte sie mit sich selber, ‚die kann doch nicht plötzlich verschwunden sein.’
Inges Bewegungen wurden immer hektischer, voll Unruhe scharrte sie bald hier, bald da, vermeinte etwas Glänzendes entdeckt zu haben, was sich aber stets als Täuschung erwiesen hatte. Nach einigen Minuten tobte sie wie eine Furie, Gangolf hörte ihren Atem in kurzen scharfen Stößen gehen, sie kickte das Geäst und Gestrüpp in einem hysterischen Anfall davon. Gangolf wurde es bange, als er Inges Verzweiflung wahrnahm. Als der Tobsuchtsanfall schließlich vorüber gewesen war, ließ sich Inge einfach auf den Boden fallen und blieb minutenlang regungslos liegen.

Gangolf haderte mit sich, ob er seinen Beobachtungsposten verlassen und zu ihr gehen sollte , um ihr seine Hilfe anzubieten. Er fürchtete, daß sie einen Kreislaufkollaps erlitten hätte. Gerade als er sich erhob, beobachtete er, wie auch Inge aufstand, nochmals ausgiebig die Mulde untersuchte und sich dann gefaßten Schrittes von der Lichtung entfernte. Gangolf kam in’s Grübeln: Sie hatte anscheinend die Kiste entdeckt gehabt und wollte wahrscheinlich jetzt das Geld herausnehmen. Alles andere wäre nicht logisch, dachte er sich, daß man sonst so verbissen auf der Lichtung herumsucht.

Nachdem Inge aus dem Blickfeld verschwunden war, überquerte Gangolf die Lichtung und betrat den schmalen Pfad, der diese mit dem Steg am Ufersaum verband. Nach wenigen Metern erspähte er Inge, wie diese kurz davor war, den Steg zu erreichen. Er hielt kurz inne und wartete, bis Inge das schmale Stegbrett betreten hatte. Zu seiner großen Verwunderung erspähte er, wie diese sich nicht dem Kajak zuwandte, sondern die Chucks von den Füssen streifte und in’s Wasser sprang und mit Schwimmbewegungen in der Schilfschneise verschwand.

-„Ist die jetzt komplett wahnsinnig geworden?“ fragte sich Gangolf, „so heiß die Sonne in den Mittagsstunden vom Himmel brennt, so kalt ist es in den Nächten Ende September, und dadurch kühlt das Seewasser gewaltig ab. Ohne Badekleidung erfriert die, bis sie zum gegenüberliegenden Ufer an das Land kommt, noch dazu mit ihrem geschwächten Körper, und dann auch noch dehydriert, verdammt, hoffentlich ist meine Trinkflasche noch in dem Beutel vorne im Kajak.“

Gangolf beschloß, zu dem Steg hinunterzulaufen und mit dem roten Kajak Inge nachzupaddeln und diese zum Aufgeben zu überreden. Gerade als er das Stegbrett betrat, hörte er platschende Geräusche aus dem Schilf. Er zog sich wieder auf die Böschung in den Waldessaum des Ufers zurück und erblickte sogleich, wie Inge nun offenbar beruhigt und gefaßt zu dem Steg watete. Doch anstelle diesen zu erglimmen löste sie in aller Ruhe die Leine, mit dem sie das Kajak festgebunden hatte, holte das Paddel und die Schuhe von dem Steg herunter und legte die Dinge in das Boot. Anschließend ergriff sie die Leine und zog das Kajak hinter sich her, die Schneise hinaus in Richtung der freien Seefläche.

- „Aha,“ sagte sich Gangolf, „da ist sie dann doch noch zur Besinnung gekommen, nicht da hinüber schwimmen zu wollen.“ Er blieb noch eine Weile unschlüssig stehen, bis er tatsächlich das platschende Geräusch vernahm, das Anfänger verursachen, wenn sie die Paddelflächen im flachen Winkel in das Wasser und aus diesem heraus bewegen.

Gangolf trat nun seinerseits den Rückzug an; als er auf die Lichtung kam, fiel ihm Inges Bluse ein, welche jene achtlos in das Gezweige geworfen hatte. Ohne zu wissen, daß es nun bereits die zweite Trophäe war, welche er von Inge in der Hand hielt und von der Insel holte, nahm er das Kleidungsstück und stapfte den beschwerlichen Weg durch das dichte Gestrüpp zur Ostseite der Insel.

- „Jetzt aber an die Arbeit“, munterte sich Gangolf auf, legte Inges Bluse nieder und stieg in das morastige Wasser des Schilfgürtels, in welchem sein Kajak immer noch schräg mit der Spitze feststeckte. Nach vielfachem Rütteln und Zerren, Drücken und Ziehen gelang es ihm schließlich, das Boot aus den Klauen des Geästs des umgestürzten Baumes zu befreien, doch war damit der Kampf noch längst nicht beendet. Fast der gesamte Bootsrumpf war mit Wasser vollgelaufen, er lag schwer vor ihm im Schilf.

Mit hühnenhafter Kraftanstrengung versuchte Gangolf, das Boot anzuheben und zu drehen, damit das Wasser aus der Luke strömen konnte. Immer wieder rutschte er auf dem schlammigen Boden ab, mit einem lauten Klatschen knallte der Bootsrumpf wieder darnieder. Nach einer gefühlten Unendlichkeit ist es ihm schließlich gelungen, den größten Teil des Wassers aus dem Rumpf zu bekommen, so daß er es wagen konnte, sich in die Luke zu quetschen, ohne erneut das Boot zum Kentern zu bringen. Beinahe hätte er auf das Paddel vergessen, das er auf der Uferböschung abgelegt hatte. Als er es holte, fiel ihm auch wieder Inges Bluse ein und nahm auch diese vom Boden auf.

‚Hoffentlich ist die Ärmste jetzt nicht noch einmal umgekehrt, als sie bemerkte, daß sie ihre Bluse liegenlassen hatte', überlegte sich Gangolf, ‚die muß ja total am Verzweifeln sein, wenn sie nun auch diese nicht mehr findet.’

Er wog kurz ab, ob er diese wieder zurückbringen sollte an den Rand der Lichtung, beschloß aber, sie doch wieder an sich zu nehmen; sollte sie umkehren und zur Insel zurückpaddeln, würde er sie auf dem See treffen und er könnte ihr mit der Bluse zuwinken. Schließlich faßte er noch einen Gedanken an Magda: Den Zeitgeber hatte er auf eine Stunde programmiert, Magda müßte also längst aus den Handschellen befreit worden sein, vermutlich ist sie dabei, ein Mittagessen zu kochen. Mit diesem Gedanken weckte er einen Bärenhunger, der ihn von nun ab die ganze Strecke bis zu seinem Haus unbändig begleitete.














136. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 25.11.22 20:53

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Die Erfrischung des Bades in dem kalten Seewasser hielt nicht lange her, kaum war Inge von der Insel weg auf den offenen See hinausgepaddelt, brannte die mittägliche Sonne mit ihrer Strahlkraft auf ihren gequälten Körper hernieder, und von unten her brannte das Schrittband des Keuschheitsgürtels erneut in den Furchen ihres Unterleibs. Das Durstgefühl hatte sie dadurch überwunden, daß sie sich dazu hinreißen ließ, das Seewasser zu trinken. Sie war sich den gesundheitlichen Gefahren bewußt, deren sie sich aussetzte, doch überwog der Überlebensinstinkt gegenüber allen Bedenken: Ohne Ersatz des herausgeschwitzten Wassers würde sie in der prallen Sonne und bei der Anstrengung des Ruderns einen Zusammenbruch erleiden.

Inge war überrascht, wie gut sie vorankam: War es bei der Überfahrt zu der Insel hin noch die Gier, mit aller Kraft so schnell es ging den erlösenden Schlüssel zu erheischen, war es die Resignation, welche ihr half, in langsameren, aber dafür viel konzentrierteren Ruderschlägen zurückzupaddeln. Sie traf zielgenau in den Kanal, an welchem der Anlegesteg unweit Gangolfs Hof lag. Als sie in den Kanal mit dem bewaldeten Ufer einfuhr, genoß sie die Kühle des Schattens. Erst beim Aussteigen wurde ihr bewußt, daß sie an ihrem Oberkörper lediglich den BH trug.

- „Ach nein, wo ist die Bluse“, keuchte Inge, als sie sich mit letzter Kraft aus dem Boot auf den Steg empor zog. Vom Steg aus beugte sie sich in die Luke, um im Fußraum nachzusehen, ob sie ihre Bluse dort verstaut hätte. Nachdem sie trotz intensiven Nachsehens diese dort nicht gefunden hatte, setzte sie sich wieder auf und begann zu überlegen, wo sie das Kleidungsstück gelassen hatte, indes gelang es ihr nicht, sich daran zu erinnern.

- „O Scheiße“, schrie Inge heraus und kam zu dem Schluß, daß sie die Bluse vermutlich auf der Insel abgelegt hatte, als sie wie eine Irre nach der Kiste suchte. Vielleicht hatte sie die Bluse aber auch schon während der Überfahrt ausgezogen und nicht zu ihren Füßen in den Rumpf gelegt, sondern irgendwie unachtsam über die Knie gelegt, von welchen sie in das Wasser gerutscht war. Eine weitere Möglichkeit wäre noch, daß sie die Bluse auf den Steg gelegt hatte, bevor sie das kühle Bad in dem See genommen hatte.

Es waren viele Unwägbarkeiten, Inge wollte nicht noch einmal auf Suche gehen, um sodann vielleicht wieder eine niederschmetternde Enttäuschung erleben zu müssen. Sie verspürte auch nicht die geringste Lust, nochmals zu der Insel zu paddeln, ihre Kräfte waren bereits jetzt auf den Nullpunkt angelangt.

Inge griff in die Gesäßtasche ihrer Hose, wo sie ihr Smartphone einzustecken pflegte. Der Schreck war enorm und wie vom Blitz getroffen viel ihr ein, daß sie ihr Smartphone in das Täschchen der Bluse gesteckt hatte, um das Gerät nicht durch das Sitzen auf der harten Sitzschale zu beschädigen. Ein Aufschrei der Verzweiflung breitete sich längs des Kanals aus, denn mit dem Verlust des Smartphones ging der Verlust des virtuellen Autoschlüssels einher, des sogenannten >Perfectly keyless<. Sie hatte diese >App< erst vor kurzem auf ihr Smartphone geladen, damit sie nicht immer den kleinen Schlüssel-Chip herumtragen mußte, von welchem sie annahm, daß sie ihn leicht verlieren würde. Resigniert ließ sich Inge auf den Steg niedersinken, den rauhen Aufprall auf die Planken quittierte der Keuschheitsgürtel mit einem schmerzhaften Impuls auf die geschundenen Furchen ihres Unterleibs.
'Es hilft jetzt alles nichts, ich muß jetzt zu dem Stumpf zurück und ich werde ihm sagen, daß ich die Bluse mit dem Handy darin verloren habe und deshalb nicht mehr in das Auto kann.'

Mit diesen Überlegungen erhob sich Inge, band das Kajak fest und trottete mißmutig den Pfad hinauf zu Gangolfs Hof. Ihr war völlig unklar, wie es weitergehen würde; zwar schätzte sie Gangolf als ehrenwerten Menschen ein, daß dieser ihr weiterhelfen würde, doch wußte sie nicht, wie diese Hilfe aussehen könnte. Ihr absolut vordringlichstes Ziel war, aus dem verdammten Gürtel herauszukommen, alles andere war ihr in dem Augenblick egal, ob sie in ihr Auto kam, wie sie nach Hause kam. Sie würde Herrn Stumpf bitten, mit einer großen Zange das verfluchte Eisen zu durchtrennen, bleibt nur noch das Schamgefühl, das Höschen vor seinen Augen herunterziehen zu müssen. Doch dann besann sich Inge:
'Was soll's, oben herum bin ich nackt, dann wird’s ihn schon nicht umhauen, wenn er mich untenherum auch ohne was sieht!'

Als Inge vor Gangolfs Haustüre stand, kamen ihr doch Skrupel, ob sie klingeln sollte. Andererseits sah sie keine Alternative, hilflos stand sie da, nur mit dem wenigen, was sie auf dem Leib trug. In diesem Augenblick der Entscheidungsfindung begann ihr Darm zu rumoren und sie verspürte plötzlich ein unbändiges Gefühl, dringend auf die Toilette zu gehen. Das Seewassergetränk mit seinen Bakterien zeigte erste Wirkung. Ohne weitere Überlegungen drückte sie beherzt auf den Klingelknopf, prompt antwortete die Klingel mit einem durchdringenden Trällern, in einer Natürlichkeit, welche nur elektrische Klingeln mit großen Klangschalen hervorbrachten.

Nachdem sie eine Weile voll banger Hoffnung verharrte, daß Herr Stumpf ihr die Tür öffnete, stieg Inge ungeduldig von einem Bein auf das andere, um das allzumenschliche Bedürfnis hinauszuzögern. Sie läutete ein zweites Mal, doch wieder rührte sich nichts im Inneren des Hauses. Erst jetzt nahm Inge den Türdrücker wahr, welcher sich an der Außenseite des Tür befand. Gangolf fand es lästig, ständig mit einem Schlüssel bewaffnet umherlaufen zu müssen, nur des Nachts oder wenn er fort fuhr sperrte er ab.

Mit erhöhtem Herzschlag betätigte Inge den Türdrücker und zu ihrer Überraschung sprang die Tür während des Niederdrückens einen Spaltbreit auf. Vorsichtig öffnete sie die Tür und trat zögerlich in den dunklen Flur.
- „Herr Stumpf“, rief sie mit piepsiger Stimme, „Herr Stumpf, sind Sie da, ich bin es, Inge Langohr.“

Inge blieb kurz stehen, um zu lauschen. Nachdem sie keine Reaktion vernahm, beschloß sie, den Gang zu durchqueren auf der Suche nach der Toilette. Sie öffnete die letzte Tür an der Stirnseite des Flurs in der Annahme, dort fündig zu werden. Schnell zog sie indes die Tür wieder zu, als sie dahinter ein Schlafzimmer gewahrte. Bei der davor liegenden Tür auf der rechten Seite hatte sie Glück und trat erleichtert in das Badezimmer ein.
Während ihrer mühsamen Verrichtung des Geschäfts vernahm sie nicht den geringsten Laut, so daß Inge annahm, alleine in dem Haus zu sein.
'Wie arglos der ist', wunderte sie sich, 'immerhin sperrt er jetzt die Scheune zu, aber das Haus läßt er offen!'
Erleichtert trat sie auf den Flur hinaus, nachdem sie sich von den Innereien befreit hatte, das Problem der äußerlichen Befreiung war indes noch lange nicht gelöst.

- 'Verdammt, was soll ich bloß machen?', überlegte sich Inge und ging unschlüssig Richtung Haustür. Plötzlich vernahm sie leise eine helle Stimme, die irgendwo aus der Ferne her kam: „Gangolf“, und nach einer Weile nochmals etwas lauter: „Gangolf“.
'Gangolf', überlegte Inge, 'hieß nicht der Stumpf so? Da ist also noch wer, der nach diesem Typ sucht.'

Neben der Haustür sah Inge die Tür zu dem Kellerabgang halb offen stehen. Einem Instinkt folgend drückte sie die Tür ganz auf und stieg die Stufen hinunter. Unten angekommen tastete sie im Halbdunkel nach einem Lichtschalter und wurde erstaunlich schnell fündig. In dem Moment vernahm sie ein scharrendes Geräusch, das aus einen der Kellerdurchgänge kam.

- „Hallo“, flötete Inge mit zarter Stimme, „hallo, ist da jemand?“
Statt einer Antwort hörte das Scharren auf und es wurde wieder vollkommen still. Inge hielt den Atem an, um besser lauschen zu können. Nach einer Weile vernahm sie ein klirrendes Geräusch, darnach wieder das scharrende.
- „Seltsam“, sagte sie sich in einer ahnungsvollen Eingebung, „da stimmt doch `was nicht!“
Sie betrat kurzerhand den nächstliegenden Kellerraum und tastete nach dem Lichtschalter. Wiederum gelang es ihr auf Anhieb, das Licht einzuschalten, vor ihr sah sie eine Person, ein Mädchen oder eine junge Frau, die mit hochgestreckten Armen an einem Regal lehnte. Diese schien bereits längere Zeit in dem dunklen Raum gestanden zu haben, denn sie schloß vom Licht geblendet sofort die Augen und neigte den Kopf, als Inge die Deckenleuchte eingeschaltet hatte.

- „Ich wollte dich nicht erschrecken“, entfuhr es Inge. Im gleichen Augenblick bemerkte sie, wie ihr Gegenüber mit den Schuhen auf dem Boden hin- und herstrich, was das seltsame scharrende Geräusch hervorrief.
- „Das sind doch meine Schuhe“, rief Inge aus und bückte sich leicht nach vorne, um diese genauer zu sehen.
- „Was machst du denn mit meinen Schuhen da in dem dunklen Keller?“

Als Magda den Kopf hob, erkannte Inge, daß sie es nicht mit einem Mädchen zu tun hatte, sondern mit einer jungen Frau. Diese blinzelte und öffnete schließlich gänzlich ihre Augen, die Blicke der Frauen begegneten sich. Magda wollte trotzig antworten, brachte es aber dann doch nicht über die Lippen: 'Und was machst du mit den meinen?'
Sie fragte dagegen: „Hast du oben Gangolf gesehen?“
- „Äh, nein, meinst du Herrn Stumpf?“
- „Ja.“
- „Nein, oben war niemand. Aber nimm' doch `mal deine Arme herunter, warum stehst du eigentlich da an dem Regal gelehnt und scharrst dauernd mit meinen teuren Schuhen herum?“
- „Ich kann nicht“, bekannte Magda ohne zu Erröten.
- „Was heißt, du kannst nicht?“
- „Meine Hände sind gefesselt.“
- „Was?“
- „Mit elektrischen Handschellen, da oben hinter dem Regelpfosten herum.“

Inge streckte sich, um den Sachverhalt zu betrachten, mit großem Erstaunen fand sie Magdas Beschreibung bestätigt.
- „Wer hat dir denn das angetan, wer hat dich gefangen genommen, dieser Gangolf?“
- „Nein, also ja, das sind besondere Handschellen mit einem Elektromagnet, der löst sie nach einer gewissen Zeit.“
Inge blickte Magda ungläubig an.

- „Ja, dort drüben auf dem Tisch steht so ein Gerät, wo man die Zeit einstellen kann, schau' doch bitte nach, wie lang da noch steht, normalerweise stellt er immer nur so eine Stunde ein, doch heute kommt es mir vor, daß ich schon eine Ewigkeit da stehe.“

Kopfschüttelnd drehte sich Inge nach dem besagten Tisch um und entdeckte dort die Zeitschaltuhr.
- „Restzeitdauer 8 Stunden 52 Minuten“, las Inge von dem Display ab. Magda schauderte, als sie die lange Zeitdauer hörte.
- „Er muß sich vertippt haben, nie stellt er das Gerät so lange ein, vor allem nicht, wenn er nicht zuhause ist.“
- „Wo ist er denn?“, wollte Inge wissen.
- „Er wollte noch eine Runde über den See paddeln. Aber bitte, schalte das Gerät aus oder zieh' den Stecker, daß ich endlich frei komme.“
'Frei kommen würde ich auch gern', kam es Inge in den Sinn und zog den Stecker. Tatsächlich meldete sich der Elektromagnet an den Handschellen mit einem hörbaren Klacken und gab die Bügel frei.

Magda stieß einen Schrei aus, als sie ihre völlig blutleer gewordenen Arme absenkte. Inge wirbelte erschrocken herum und konnte Magda gerade noch rechtzeitig auffangen, ehe diese kopfüber auf den harten Kellerboden gekippt wäre. Magdas Bein- und Fußmuskulatur war völlig steif geworden, unfähig, den Fall aufzuhalten. Auf der nackten Haut ihres entblößten Oberkörpers spürte Inge Magdas kalte Glieder; vorsichtig ließ Inge Magda auf den Boden gleiten, anschließend setzte sie sich neben ihr.

- „Ist das ein Sadist, dieser Gangolf, warum läßt du das zu?“, wollte Inge wissen, „wie heißt du eigentlich?“
- „Man nennt mich Magda, aber nein, Gangolf ist ein ganz lieber Mensch, der hat zwar diese elektrischen Handschellen gebaut, aber ich wollte es, daß er mich da fesselt, ich fand das geil, aber nicht so eine lange Zeit.“

Inge blickte sie verwundert an, noch bis vor wenigen Tagen hätte sie das für vollkommen verrückt bezeichnet, doch seit ihrem Lehrgang in der Kaserne, wo sie als Versuchsperson für das Anlegen behördlich verordneter Keuschheitsgürtel auserkoren worden war, hat sie das erregende Gefühl des Eingesperrtseins kennengelernt und bis zu einem gewissen Grad auch sehr genossen.

- „Der ist also handwerklich sehr geschickt, dieser Gangolf?“, wollte Inge wissen.
- „Ja sehr, der kann alles machen und ich freue mich schon darauf, er hat mir versprochen, daß ich einen Brunnen graben darf.“
Leicht irritiert blickte Inge auf, sagte dazu aber nichts weiter. Es war einzig ein kleines berufliches Interesse, das sie aufhorchen ließ:
‚Brunnen graben, nahe oder gar im Naturschutzgebiet, ist ein klarer Fall für eine Genehmigung durch das Umweltamt.’ Sie verfolgte den Gedankengang nicht weiter, ihr allerdringlichstes Interesse galt der Erlösung von dem Keuschheitsgürtel.
- „Magda, weißt du, was ein Keuschheitsgürtel ist?“
- „Ja freilich, meine Herrin hat so einen und auch ihre Freundin.“

Inge verstand die Welt nicht mehr: ‚Was ist da los, da hängt eine an Handschellen gefesselt in einem dunklen kalten Kellerraum und erzählt davon, daß sie eine Herrin habe, und daß diese und ihre Freundin Keuschheitsgürtel hätten.’
- „Und meinst du, dieser Gangolf könnte solche Keuschheitsgürtel öffnen?“
- „Wie öffnen?“
- „Mit einer Zange oder Metallschere oder so `was.“
- „Hm, weiß nicht, wahrscheinlich schon, der kann alles, hast` wohl den Schlüssel verloren?“

Magda erinnerte sich an das Erlebnis mit den italienischen Zimmermädchen, die sich Martinas und Bettinas Gürtel angelegt hatten und dann in Panik gerieten, als sie die Schlüssel zum Aufschließen nicht gefunden hatten.
- „Ja, so ist es, also wann kommt dieser Gangolf?“
- „Weiß ich nicht, gehen wir halt schon `mal hinauf, ich hab’ Hunger, dann koch’ ich was für uns. Gangolf wird auch hungrig sein.“

Magda massierte ihre steifen Glieder, allmählich kehrte wieder Leben in ihre Adern ein. Gerade als sie versuchte, mit Inges Hilfe sich zu erheben, hörten sie die Haustür gehen.


























137. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 03.12.22 05:59

82

Als Gangolf die Türklinke zu seinem Haus betätigte, war er ganz in dem Gedanken versunken, Magda in der Küche vorzufinden, wie sie ein kräftiges Mittagessen bereiten würde. Er war enttäuscht, die Küche leer vorzufinden; als er in den Flur zurücktrat, um in’s Schlafzimmer zu gehen, sich die Neopren-Teile vom Körper zu ziehen, gewahrte er aus dem Keller Geräusche.

‚Sollte Magda noch da unten sein?’, kam es ihm in den Sinn, ‚vielleicht holt sie Kartoffeln oder Rüben.’
Trotz dieser sich zurechtgelegten plausibel erscheinenden Erklärung wandte sich Gangolf um und stieg sofort die Kellertreppe hinab, ohne sich zuvor umgezogen zu haben. Zu seinem größten Erstaunen sah er Magda, wie diese mühsam sich vom Kellerboden erhob, während eine andere Frau ihr dabei half. Erst auf den zweiten Blick erkannte er Frau Langohrs Gesicht. Nach den ersten Sekunden der Überraschungsstille ergriff Magda in ihrer in solchen Lagen so vollkommen natürliche Art das Wort und teilte lapidar mit:

- „Die Frau hier hat den Zeitgeber ausgesteckt und dann sind die Handschellen aufgegangen.“
Sie erwähnte nichts davon, daß Gangolf die Zeit anscheinend versehentlich wesentlich länger gestellt hatte, vermutlich elf statt einer Stunde.
- „Und solange sitzt ihr hier auf dem Kellerboden herum?“, wunderte sich Gangolf, „und überhaupt, die Zeit hab’ ich auf eine Stunde gestellt, die müßte doch längst abgelaufen sein!“

Nun mischte sich Inge ein: „Wie auch immer, Magda erzählte mir, daß Sie ein begnadeter Handwerker seien und ich bräuchte ihre Hilfe, es war ja schon sehr nett von Ihnen, daß Sie mir mit ihrem Kanu ausgeholfen hatten, aber jetzt brauch’ ich Sie noch für was ganz anderes.“
Bei den letzten Worten kam Inge leicht in’s Stottern und errötete auch sichtlich.
Gangolf antwortete: „Wollen wir nicht erst einmal hinaufgehen, wo es gemütlicher ist als hier im Keller?“

Jetzt half Magda Inge aus der Verlegenheit: „Nein, Inge braucht dich hier unten in der Werkstatt.“
Erstaunt betrachtete Gangolf seine beiden Gegenüberstehenden; nachdem keine der beiden etwas sagte, fragte er nach:
- „Um was geht es denn?“
Inges Gesicht färbte sich purpurrot ein, sie setzte an, brachte aber kein Wort heraus. Wieder sprach Magda für sie:
- „Sie hat einen Keuschheitsgürtel um, wenn ich das richtig verstanden habe, und hat den Schlüssel verloren.“

Gangolf war erstaunt, Magda für jemand anderen reden zu hören; üblicherweise sagte sie im Beisein einer anderen Person überhaupt nichts, wenn man sie nicht ausdrücklich zu etwas fragte, er überlegte, daß sich die beiden anscheinend gut angefreundet hatten. Es trat eine Stille ein, niemand sagte was zu Magdas Aussage. Gangolf grübelte und in der Stille des Augenblicks fiel es ihm wie Schuppen von den Augen: ‚Das hast du also da auf der Insel gesucht, auf der Lichtung, den Schlüssel in der Kiste, und da war die Kiste nicht mehr da, dumm gelaufen, und jetzt steckst du fest in deinem Gürtel, aber warum hast du auch den Schlüssel da in die Kiste geworfen?’

Als Gangolf diesen Gedanken nachhing, fiel ihm wieder ein, daß er den Schlüssel in den wasserdichten Beutel geworfen hatte, den er aus der Kiste fischte, als diese kurz vor dem Untergehen war. Er hatte diesen Schlüssel völlig aus dem Bewußtsein gedrängt, jetzt fiel ihm dieser wieder ein. Er grübelte weiter: ‚Du hast also irgendwie die Kiste entdeckt, sie geöffnet, das Geld herausgenommen und dabei ist dir irgendwie der Schlüssel in die Kiste gefallen, ohne es bemerkt zu haben. Es gibt schon seltsame Zufälle. Mensch, hast du Glück, daß ich im allerletzten Moment den Schlüssel aus der Kiste holte, ehe diese unwiederbringlich auf den Grund des Sees herabgesunken war.’

- „Geht doch schon `mal hinauf“, forderte Gangolf die beiden auf, „es wäre schön, wenn ich erst einmal etwas zu Essen bekäme, meine Kajaktour hat mich recht hungrig gemacht.“
Während er diese Worte aussprach, ergriff Magda den Saum von Inges Höschen und zog dieses herunter. Inge ließ sie widerspruchslos gewähren, und sie war sehr froh darüber, daß Magda erneut die Initiative ergriff. Magda und Gangolf waren sehr erschrocken, als sie das blutig-rote Fleisch unter dem Schrittband des Gürtels gewahrten.

- „Um Gottes willen“, rief Gangolf entsetzt auf und Magda sprach:
- „Kannst du da `was machen, daß das Ding aufgeht?“
- „Ja, ich überleg` mir `was, aber geh’ doch bitte in die Küche und richt’ etwas zum Essen her, und Sie, Frau Langohr, legen sich sofort auf’s Sofa im Wohnzimmer, damit sich da nichts entzündet. Ich zieh’ mich schnell um und dann finden wir eine Lösung!“
- „Sagen Sie doch auch einfach Inge zu mir“, entgegnete diese, „und vielen Dank, Sie sind wirklich sehr liebenswürdig.“
- „Ja gut, daß ich Gangolf heiße, das haben Sie, also das hast du ja schon mitgekriegt, so jetzt los, gehen wir hinauf!“

Magda machte sich in der Küche zu schaffen, Gangolf geleitete Inge in’s Wohnzimmer. Inge wollte das Angebot nicht annehmen:
- „Nein, nein, es geht schon, ich helfe lieber Magda in der Küche.“
- „Nichts da, in Ihrem Zustand, also am Ende eitert da noch dein gesamter Unterleib.“

Inge gab ihren Widerstand auf und legte sich auf das Sofa.
- „So, ich zieh’ mich schnell um und dann hol’ ich noch was, damit wir das Ding aufkriegen.“
- „Danke, Gangolf.“

Gangolf verschwand in das Schlafzimmer, um endlich aus den feuchten Neopren-Sachen herauszukommen und angenehm-trockene Kleidung anzuziehen. Anschließend holte er die Trinkflasche aus dem Beutel, dann suchte er dessen Inneres genau ab. Tatsächlich fand er das Schlüsselein, und im Geheimen erfreute er sich bei dem Gedanken, wie dankbar ihm diese Keuschheitsgürtelsklavin sein wird, wenn er lächelnd zu ihr herantreten wird, ihr Höschen herunterzieht, seine kühlen Hände über das errötete heiße Fleisch streichelt, um sich zu dem Schloß heranzutasten.

Auch Inge machte sich Gedanken, wie sich alles entwickelt hatte und sah dankbar der Vorsehung entgegen, daß ausgerechnet dieser Gangolf, dessen Geld sie aus der Kiste auf der Insel entwendet hatte, sie von dem selbsterwählten Unterleibgefängnis erlösen würde. Mit genüßlicher Vorfreude betrat Gangolf das Wohnzimmer und beugte sich über das Sofa. Aus der Küche strömte der Duft angeschmorter Zwiebeln.
- „Schau `mal, was ich da habe“, wandte sich Gangolf an Inge und zeigte ihr den Schlüssel. Inge starrte ihn fassungslos an. Dieser Blick bestätigte Gangolf, daß er mit seiner Vermutung richtig lag, es mußte sich um ihren Schlüssel handeln, um den Schlüssel zu ihrem Keuschheitsgürtel.
- „Zieh’ dein Höschen herunter und dann wollen wir `mal sehen, ob das Schlüsselein da paßt.“

Hurtig streifte sich Inge die Shorts ab, Gangolf blickte erneut mit Entsetzen auf das wundgescheuerte Fleisch entlang des Schrittbands.
- „Das muß ja höllisch brennen, und da hast du heute vormittag noch so eine Kajaktour gemacht, war das wirklich so dringend, deine Beobachtungen da auf der Insel?“

Inge schwieg, sie wollte schon sagen: ‚Nun mach’ schon, steck’ den blöden Schlüssel in das verdammte Gürtelschloß und frag’ nicht lang dumm herum!’
Gangolf reichte ihr den Schlüssel: „Also probier `mal, müßte schon passen!“

Die Schlüsselübergabe erfolgte indes nicht problemlos. Inges Hand begann stark zu zittern, als sie das dünne Ende des Schlüssels ergriff, das Gangolf ihr entgegenhielt. Es kam, wie es kommen mußte: Das dünne Metall entglitt ihren Fingern, der Schlüssel fiel vor dem Sofa auf dem Boden. Elektrisiert schoß Inge in die Sitzposition auf, gleichzeitig bückte sich Gangolf herab, ihre Schädel knallten mit Wucht aneinander. Inge ließ sich auf das Sofa zurückfallen, Gangolf auf den Boden. Als der Schreck vorüber war, griff Gangolf nach dem Schlüssel; wie schon am Tag zuvor fiel es ihm schwer, das dünne Metall von dem Boden aufzunehmen. Inge lugte über die Kante des Sofas, wälzte sich seitlich und griff mit ihrem rechten Arm herum.

- „Laß’ mich machen“, rief sie und drängte Gangolfs Hand beiseite, gerade in dem Augenblick, als er erstmals das Schlüsselein zu greifen bekam. Inges Stoß auf Gangolfs Hand hatte zur Folge, daß dieser die mühsam eingefangene Beute wieder losließ und diese durch den unvermuteten Stoß auf dem glatten Fußboden unter das Sofa rutschte.
- „Das auch noch“, rief Gangolf verärgert aus, seine sonst schier unendliche Geduld näherte sich dem Nullpunkt, was er dem Umstand zuschrieb, sehr hungrig zu sein. Verärgert erhob er sich vom Boden und ging in die Küche.

- „Dann nimm’ doch deinen verdammten Schlüssel selber“, rief er im Fortgehen Inge zu. Plötzlich plagte ihn ein schlechtes Gewissen, er beeilte sich, Magda zu fragen:
- „Habe ich da wirklich eine falsche Zeit eingestellt, daß du so lange da hängen mußtest, das tut mir wirklich sehr leid.“
- „Nein, nein, paßt schon, Inge hat mich ja, ähm, also sie hat den Zeitgeber ausgesteckt dann.“

- „Das machen wir nie wieder“, beteuerte Gangolf, doch Magda blickte ihn geradezu flehentlich an:
- „Doch, bitte, mach’ das wieder, es ist ja nichts schlimmes passiert, etwas Unvorhergesehenes kann immer vorkommen, ich finde dich so lieb, daß du mich nie schlägst und so, das wäre schlimm, Martina würde mich jetzt sicher bestrafen, daß ich mich von Inge befreien lassen habe.“

- „So ein Quatsch“, entfuhr es Gangolf, doch er wußte, daß Magdas Befürchtung stimmte. Martina als eingefleischte Sadistin bestraft auch dann oder besonders dann, wenn ihr Opfer an einer Situation gar nichts dafür konnte. Mit Schaudern erinnerte sich Gangolf an eine Stelle in dem Galeeren-Roman, wo eine Sklavin zur Auspeitschung auf das Podest gebracht worden war. Da die auspeitschende Aufseherin neu war und noch nicht die Vorschriften kannte, versetzte sie die Peitschenhiebe auf die Brust des erbärmlichen Opfers. Es war selbstredend, daß die Hiebe dort ungleich schmerzhafter waren als auf dem Rücken. Als das fehlerhafte Vorgehen endlich bemerkt wurde, prasselten von da ab die Hiebe auf den Rücken ein, indes wurden die bereits auf die Brüste erteilten Schläge nicht mitgezählt, die Zählung begann von vorne.

- „Ja, du hast recht, die Martina ist so d`rauf, die bestraft dich, obwohl sie es ist, die die Fehler macht, sie läßt einfach die Wut an dir ab, ich werde mich von ihr distanzieren, wenn sie wieder aus ihrer Quarantäne zurückkommt.“

Magda machte eine wegwerfende Handbewegung und fragte:
- „Hast du den Keuschheitsgürtel schon aufgekriegt?“
- „Nein, es ist ein Mißgeschick passiert, sie hat mir ihren Schlüssel aus der Hand gestoßen und der ist jetzt unter das Sofa geschlittert.“

Im gleichen Augenblick erschien Inge im Türrahmen und rief erregt:
- „Was heißt da mein Schlüssel, es ist deiner, du hast ihn gebracht!“
- „Ja und jetzt, hast du ihn hervorgeangelt?“
- „Nein, er ist wohl zu weit hinunter gerutscht!“
Ratlos starrten sich Inge und Gangolf an. Magda ergriff die Initiative:
- „Jetzt essen wir erst einmal und dann können wir ja das Sofa vorschieben!“

- „Gute Idee“, pflichtete ihr Gangolf bei. Inge indes setzte eine böse Miene auf, sie hätte viel lieber gleich das Sofa vorgeschoben, sie wollte keine Minute länger in ihrem Unterleibkäfig gefangen bleiben. Andererseits mußte sie sich eingestehen, daß der Duft des frisch zubereiteten Essens ihr Hungergefühl geweckt hat, darüber hinaus hat das Ausruhen auf dem Sofa tatsächlich für eine Entspannung gesorgt.
- „Also setzt euch, was möchtest du trinken, Inge?“
Wortlos schenkte sie Gangolf das Bier ein, sie brauchte ihn gar nicht mehr zu fragen. Inge bedankte sich für das Wasser.

Das Essen lief weitgehend still ab. Abgesehen von den rein technischen Erfordernissen, beispielsweise nach Gewürzen oder Salat-Dressings, gab es kaum einen Grund, ein Wort zu wechseln. Inge und Gangolf wollten sich gegenseitig aushorchen, doch keiner ergriff die Initiative, keiner der beiden wußte, wie man das Verhör anfangen sollte. Schließlich hing jeder der Anwesenden seinen eigenen Gedanken nach; Magda freute sich auf das Brunnengraben, Inge fieberte dem Schlüsselchen entgegen, Gangolf sonnte sich in der Vorfreude des großen Erlösers. Keiner der drei ahnte, welche Enttäuschungen ihnen bevorstehen würden.







































138. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von folssom am 06.12.22 22:18

Zitat

Keiner der drei ahnte, welche Enttäuschungen ihnen bevorstehen würden.


Hallo M A G N U S,

du verstehst es perfekt, den Spannungsbogen aufrecht zu halten.

lg
139. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 10.12.22 07:40



Hallo Sarah,
das freut mich, daß Du das so empfindest mit dem "Spannungsbogen", schauen wir, wie das weitergeht...



83

Nach der Mahlzeit fühlten sich alle drei wieder richtig wohl und gestärkt; problemlos schoben sie das geräumige über Eck zusammengeschraubte Sofa aus dem Winkel hervor, inmitten von Staubnestern fand sich das begehrte Objekt, der Schlüssel zu Inges Keuschheitsgürtel. Gierig sprang Inge mit den Knien auf das Polster, plazierte ihre Brüste auf die Lehne und ruderte mit den Armen auf den staubigen Boden hinter der Lehne herum. Mit erstaunlicher Leichtigkeit gelang es ihr, das angebetete Metall aufzuheben, sie hielt es andachtsvoll in der Hand wie der Priester die geweihte Hostie. Langsam wendete sie sich herum, den Schlüssel dabei in die Höhe haltend, daß jeder der beiden Umstehenden die Reliquie eingehend verehren konnte.

Magda wendete sich ab und zerrte aus einem Winkel im Flur den Staubsauger hervor.
- „Schalt doch `mal den Krachkasten aus“, rief Inge Magda zu. Gangolf entgegnete:
- „Nein, nur zu, du hast vollkommen recht, wenn wir das Sofa schon einmal vorgeschoben haben, können wir gleich `mal sauber machen dahinter, danke, Magda, sehr aufmerksam von dir!“

Inge zog sich derweil das Höschen herunter, ohne den Schlüssel aus der Hand zu lassen. Im Stehen versuchte sie, diesen in das seitlich angebrachte zentrale Schloß des Gürtels zu stecken. Ihre Nervosität wuchs dermaßen an, daß sie das Vorhaben unterbrechen mußte, mit bebender Stimme übertönte sie das Staubsaugergeräusch:
- „Ich muß auf’s Klo!“

Gesagt, getan – sie vergaß vollkommen, daß ihre Fußknöchel mit den Shorts umfangen waren; als sie den ersten Schritt unternahm, um schnell zur Toilette zu gelangen, stolperte sie prompt und riß sich dabei das Höschen auf. Sie konnte sich zwar mit den Händen auf dem Boden abstützen, dabei öffnete sie indes die Finger und ihr Allerheiligstes schlitterte erneut davon. Ohne sich darum zu kümmern, rappelte sich Inge hurtig auf, befreite sich von dem Fesselutensil und kickte die verbleibenden Fetzen ihres einstmaligen Beinkleides in die Ecke. Sie hatte es nun äußerst dringend, auf die Kloschüssel zu kommen, sie hielt sich nicht einmal damit auf, die Badtüre zu verschließen. Kaum war sie zu sitzen gekommen, prasselte es durch das zentrale Loch, aber auch seitlich aus dem Schrittband heraus.

- „Die ist ja fix und fertig“, kommentierte Gangolf das Geschehen, während Magda den Staubsauger abstellte. Sie schoben das Sofa an seinen Platz, Magda klopfte die Polster mit der flachen Hand ab und verräumte den Staubsauger. Gangolf entdeckte das Schlüsselein, ohne jedoch diesmal den Versuch zu unternehmen, es aufzuheben. Als Magda den Staubsauger verräumt hatte und wieder in die Küche eilen wollte, rief er ihr zu:
- „Ach, Magda, bleib’ doch bitte noch da und sei so gut und heb’ ihren Schlüssel da auf, mir fällt das so schwer und wenn die das wieder macht, die ist ja so nervös und läßt ihn gleich wieder fallen!“

Inge hörte das Gesprochene mit, sie wagte keine Widerrede, denn sie hatte zu tun, sich ganz auf das Verrichten des Geschäfts zu konzentrieren. Am liebsten wäre sie aufgesprungen und hätte Gangolf angebrüllt:
- „Es ist doch dein verdammter Schlüssel, den du da irgendwo hergezogen hast, nicht meiner.“
Doch im Geheimen wußte sie, daß es ihr Schlüssel sein mußte, wie sollte Gangolf an solch einen behördlichen Keuschheitsgürtel gelangt sein, die unter schwerem Verschluß standen, die der höchsten Geheimhaltungsstufe unterlagen, um nicht die Bevölkerung vorzeitig zu alarmieren. Es ist ja schlimm genug, wenn demnächst die Gasmaskenpflicht kommt. Mit diesen Gedanken beendete Inge ihr Geschäft, Magda legte den Schlüssel auf das Wohnzimmertischchen, sie wollte wieder in die Küche gehen.

- „Bleib’ doch noch da, ich glaub’, die Inge braucht dein Mitgefühl und es wär’ mir schon viel lieber, ich wär’ nicht allein mit ihr in so einer Situation!“
Nun erhob Inge die Stimme und rief aus dem Badezimmer:
- „Geht nur, ich mach’ das selber, danke für den Schlüssel, Magda.“
‚Das ist natürlich auch eine Lösung’, dachte sich Gangolf, ‚umso besser, dann helf’ ich Magda in der Küche.’
- „Komm’, gehen wir in die Küche, bis sich die Inge wieder hergerichtet hat, den Schlüssel hast du ihr ja hingelegt!“

Magda und Gangolf gingen in die Küche, während sich Inge von der Schüssel erhob. Gewohnheitsmäßig griff sie nach unten, um Schlüpfer und Hose hinaufzuziehen, indes griff sie in’s Leere:
- „Ach, verdammt, liegt ja noch im Wohnzimmer“.

Als Inge an ihren Beinen entlang nach unten sah, wurde ihr erst wieder bewußt, daß sie immer noch die alten Chucks an den Füßen hatte; sie mußte zwar insgeheim zugeben, daß Gangolf sie heute am Vormittag richtig beriet, diese gegen ihre schönen Gabors einzutauschen, doch überlief ihr bei dem Gedanken, diese alten verschlissenen Treter einer anderen Frau an den Füßen haben, ein leichter Schauer herunter. Sie beschloß, daß sie sofort diese vermutlich nicht schlecht stinkenden Dinger abschütteln würde, sobald sie jetzt gleich den Gürtel geöffnet haben würde.
‚Wie komme ich nur auf so nebensächliche Gedanken’, schalt sie sich selber, ‚als hätte ich jetzt nichts wichtigeres im Sinn als die dämlichen Latschen.’ Was sie bislang noch überhaupt nicht bedacht hatte, war die Tatsache, daß sie, nachdem sie nun auch ihr Höschen durch ihre Unaufmerksamkeit und Hast zerrissen hatte, bis auf ihren BH völlig nackt dastand.

Mit schnellen kurzen Schritten eilte Inge durch den Flur dem Wohnzimmer entgegen, im vorderen Bereich zur Haustür zu sah sie im Halbdunkel ihre schönen Gabor-Stiefeletten ordentlich an der Wand stehen. Jetzt erst fiel ihr ein, daß die ganze Zeit über Magda hier im Wohnzimmer, aber auch schon zuvor in der Küche, barfuß war.
‚Immerhin hat sie soviel Anstand, meine Gabors ausgezogen zu haben beim Kochen, wäre ja schlimm, wenn da Essenssachen, gar Fett oder Öl auf die teueren Schuhe gefallen wären.’

Hurtig ergriff Inge den Schlüssel von dem Wohnzimmertischchen und steckte ihn in das Schloß des Keuschheitsgürtels. Gangolf verhielt sich in der Küche ruhig und gab Magda das Zeichen, sich gleichfalls still zu verhalten; er wollte hören, ob es Inge nebenan im Wohnzimmer gelingen würde, den Gürtel zu öffnen. Doch es trat kein Jubel an ihr Ohr, auch nicht ein kurzes knackiges Geräusch, aus welchem sich schließen ließe, daß das Gürtelschloß aufgesprungen wäre und das hochentzündete Fleisch freigäbe. Nach einer Weile der Lauschens zuckte Gangolf mit der Schulter und er fuhr mit Magda fort, die Küche aufzuräumen.

- „Was ist denn nur mit der?“, raunte Gangolf Magda zu, „hat sie es endlich geschafft, den Schlüssel in das Schloß zu stecken? Wo bleibt sie nur so lang?“
- „Soll ich nach ihr sehen, vielleicht schämt sie sich, im Eva-Kostüm hier hereinzukommen, sie hat ja nichts mehr zum Anziehen.“
- „Das kann sein, ja, du bist wirklich sehr mitfühlend, Magda.“

Im selben Augenblick erbebte das Haus in einem gellenden Schrei. Beide, Magda und Gangolf, stürzten aus der Küche. Was sie vom Flur aus im Wohnzimmer sahen, war eine völlig verzweifelte Frau, die einen abgebrochenen Schlüssel empor hielt und just in dem Moment, in dem die beiden eintraten, mit voller Wucht ohne Gegenreaktion zusammenbrach und mit dem Kopf auf die Kante des Tischchens aufschlug. Regungslos lag Inge auf den Boden, im Zeitlupentempo rutschte ihr Kopf von der Tischkante herunter. Entsetzt sprangen Magda und Gangolf hinzu, konnten indes keine blutende Wunde an ihrem Körper feststellen.

- „Nimm’ ihren Kopf,“ forderte Gangolf Magda auf, „wir legen sie auf das Sofa!“
Mit Adrenalin vollgepumpt war es für Gangolf ein Leichtes, unter den zusammengerollt daliegenden Körper zu greifen und diesen mit einem Ruck empor zu heben, während Magda fürsorglich ihren Kopf hielt. Auf dem Sofa liegend öffnete Inge die Augen und blinzelte die beiden an, sie wollte etwas sagen, formte die Lippen, brachte aber zunächst keinen Ton heraus.

- „Wir rufen gleich einen Rettungswagen!“, rief Gangolf, doch nun schaffte es Inge, die Stimme zu erheben:
- „Nein, nein, bitte nicht, solang’ ich noch in dem blöden Ding eingesperrt bin.“
Magda kam mit einem Lappen herein, den sie mit kaltem Wasser getränkt hatte. Sie legte ihn auf Inges Stirn. Diese ließ das anstandslos gewähren und bedankte sich mit einem lächelnden Blick.
- „Geht schon wieder“, hauchte Inge, „laßt mich noch kurz ausruhen, dann setz’ ich mich wieder auf.“

Nach einer Weile nahm Inge den Lappen von Inges Stirn herunter, um diesen wieder mit kaltem Wasser zu tränken. Deutlich wuchs an Inges Stirn ein blau unterlaufenes Horn heran. Anscheinend war Inges Adrenalinpegel ausreichend hoch, daß sie allen Schmerz vergaß und nach einigen Minuten sich aufrichtete und sich an Gangolf wandte:
- „Mach’ doch was mit dem verdammten Gürtel, wieso sperrt denn der Schlüssel nicht, wieso hast du mir da so einen Scheiß-Schlüssel gegeben, ist doch klar, daß der nicht sperrt, wenn er zu deinem Gürtel paßt, jedes Schloß ist doch anders!“

‚Sie findet wieder zu ihrer kämpferischen Form zurück’, dachte sich Gangolf, ‚ein gutes Zeichen, vielleicht brauchen wir tatsächlich nicht gleich einen Sani.’
- „Ich hab’ diesen Schlüssel gefunden“, fuhr Gangolf fort, „ich dachte, ja ich war mir ganz sicher, daß er zu deinem Gürtel passen müßte.“
- „Wo hast du ihn denn gefunden?“ gab Inge patzig zurück. Sie verdrängte vollkommen, daß sie in der wesentlich schwächeren Position war. Erst nach einigen Sekunden kam es ihr in den Sinn, daß Gangolf sie bei seinen Kräften problemlos über die Schulter werfen und auf den Hof hinaus zu ihrem Auto befördern konnte, Magda wäre wahrscheinlich so nett, und würde ihr die Gabor-Stiefeletten nachwerfen.
Gangolf entgegnete: „Wo hast du ihn denn verloren?“

‚OK’, dachte sich Inge, ‚die Schlacht ist eröffnet.’
- „Wenn ich das wüßte, hätte ich ihn ja längst wieder gefunden.“
Gangolf ließ nicht locker:
- „Üblicherweise sucht man Schlüssel, wo man sie gewöhnlicher Weise ablegt, oder an Stellen, an denen man sich bewegt hat, wo er herausgerutscht sein könnte, unterwegs irgendwo, aus einer Tasche.“
- „Sehr schlau, Herr Kommissar.“

- „Also jetzt sei bloß nicht pampig, du darfst jederzeit aufstehen und mit deinem Karr’n da draußen abhauen. Magda bereitet dir ein Mittagessen, ich leih’ dir ein Boot und jetzt maulst du uns an, weil ich dir Ratschläge gebe, wo dein verlorener Schlüssel liegen könnte.“

Inge schwieg. Nach einer Weile knüpfte Gangolf mit einer weiteren Frage an:
- „Was für dringende Aufzeichnungen waren das eigentlich, die du da heute Vormittag erledigen mußtest. An deiner Stelle hätte ich ja so einen behördlichen Mist sein lassen, bis ich diesen Schlüssel wieder gefunden hätte, vor allem, wenn du dich mit dem aufreibenden Gürtel auf den harten Sitz in einem Kajak setzen mußt.“

Wieder schwieg Inge, sie biß sich auf die Lippen und versuchte, sich zu erheben. Gangolf drückte sie sanft in die Horizontale zurück:
- „Wart’ noch eine Weile.“

Nach einigen Sekunden der Stille setzte Gangolf wieder an:
- „Sag’ `mal, wieso fällt es dir so schwer, zuzugeben, daß du auf der Insel nur deshalb warst, um den Schlüssel zu suchen?“
Inge stieß einen leichten Seufzer aus, sie überlegte: ‚Was weiß der schon davon, daß ich dort nach dem Schlüssel gesucht habe.’
Da von Inge wiederum keine Antwort kam, fuhr Gangolf fort:
- „Ich erzähle dir jetzt eine kleine Geschichte. Ich hab’ keinen Schlüssel verloren, aber ich hab’ einen Schlüssel gefunden. Wie du weißt, darf ich, ja ich muß sogar als Besitzer dieser Insel mehrmals im Jahr nach dem rechten dort sehen, ob die Ufer gesichert sind, ob der Steg fest ist. Und bei so einer Überprüfung findet man die unglaublichsten Sachen.“

Nun faßte Inge nach:
- „Nun sag’ bloß, du hast dort den Schlüssel gefunden.“
- „Sagen wir `mal so, nicht direkt auf der Insel, aber in einer Kiste, die auf dem See trieb.“
Daß sich die Kiste vorher durchaus auf der Insel befand, verschwieg Gangolf, ihm gefiel die Neckerei, es einer eingebildeten Verwaltungsbeamtin so richtig heimzuzahlen, und er vermutete nicht ohne Grund, daß sie das Geld aus der Kiste genommen hatte.
- „Eine Kiste, die auf dem See schwamm, eine Holzkiste also?“ wollte Inge wissen.
- „Nein, erstaunlicherweise eine Aluminiumkiste, sie schien fest verschlossen zu sein, so daß sie nicht unterging.“
- „Und da lag ein Schlüssel d’rin?“
- „Ja genau, neugierig wie ich bin, öffnete ich vom Boot aus die Kiste, sah allerdings darin nichts weiter als einen kleinen Schlüssel; es gelang mir mit Müh’ und Not, den herauszufischen, gerade noch rechtzeitig, eh’ die Kiste jetzt absoff und schon im Absinken begriffen war, denn durch den geöffnete Deckel floß natürlich das Wasser hinein.“

Inge schwante, daß sie Gangolf nichts mehr vormachen konnte, daß dieser sie umzingelte wie das Raubtier das Beutetier. Es fiel ihr nichts Geistreiches ein. Sie fragte:
- „Und sonst war nichts in der Kiste?“
- „Nein, sonst war nichts mehr d’rinn. Höchstvermutlich war ursprünglich schon was d’rinn, denn man wirft doch nicht einfach eine teure, gute, anscheinend ausreichend wasserdichte Kiste in den See.“
‚Es ist tatsächlich mein Schlüssel, zu meinem Keuschheitsgürtel, aber warum sperrte er dann nicht?`, grübelte Inge verzweifelt.

Gangolf fuhr fort:
- „Sag’ `mal, während deiner Expedition heute vormittag, warst du da auch der Lichtung, auf welchem ihr damals euer Zelt aufgestellt habt?“
‚Was weiß denn der von unserer Expedition, als wir im Herbst da waren wegen der Zugvögel? Ach so, klar, das war der Typ, der gleich am ersten Abend an unserem Zelt vorbeischlich und der vermutlich sich an der Kiste zu schaffen machte, die Barbara dann dort am Rand der Lichtung gefunden hatte. Was sollte nun seine Fragerei wegen der Lichtung, ist doch alles vorbei, sie liegt hier, und wäre sie nicht auf die Hilfe von ihm angewiesen, würde sie längst davonspringen und ihm den Teufel wünschen.’

- „Äh, was wolltest du wissen?“
- „Also auf der Lichtung, auf der Insel, da war ich neulich und da war das Gras ganz arg niedergetrampelt. Ist dir da was aufgefallen, heute vormittag, als du da hinübergerudert bist?“
- „Äh, nein, alles ganz normal.“
- „Und woher kommt es, daß dein Höschen, oder was davon noch übrig ist, gar so dreckverschmiert ist, oder gar die Schuhe, schau’ nur, aus denen rieselt ja jetzt noch der Sand. Hast du damit die halbe Insel umgepflügt?“

Tatsächlich bemerkte Inge erst jetzt, daß sie mit fast jedem Tritt, den sie hinterließ, eine feine Sandspur hinterließ von den Sandkörnern, die aus den länglichen Ritzen der verschlissenen Schuhe herausquollen. Die Gummikappe der Chucks verliehen den Zehen zwar einigermaßen Schutz, konnten aber nicht verhindern, daß der Sand weiter hinten eintrat.

- „Nehmen wir einmal an, es hat jemand tatsächlich den Schlüssel verloren, als er sich über die Kiste beugte, um aus dieser etwas herauszunehmen, dann würde ich es verstehen, daß dieser Person tatsächlich der Schlüssel zum Beispiel aus dem Täschchen einer Bluse herausgepurzelt ist. Aber dann müßte er oder sie das doch gleich merken, daß in der nunmehr leeren Kiste nur noch dieser Schlüssel einsam und verlassen liegt. Ich versteh’ das nicht.“
- „Ach Gangi,“ mischte sich erstaunlicherweise an dieser Stelle Magda ein, „wird halt so sein, daß der den Schlüssel absichtlich hineingelegt hatte, nachdem er vielleicht alles herausgenommen hat, was vorher darin war. Aber jetzt einmal was anderes: Soll ich Kaffee machen, vielleicht hilft dir das wieder auf die Beine, Inge, was meist du?“

Inge versuchte ein Lächeln.
- „Ja gerne, schlimmer kann es nicht mehr werden mit dem Brummschädel, aber bitte, laßt mich jetzt in Ruhe mit der Fragerei, mir schwirrt ohnehin der Schädel.“

Magda verschwand in die Küche, Gangolf entgegnete:
- „Tut mir leid, wenn ich dich genervt hatte, aber das kommt mir alles so komisch vor, so unwirklich, da finde ich einen Schlüssel in einer anscheinend herrenlosen Kiste, der rein zufällig in das Schloß deines Keuschheitsgürtels paßt, da ruderst du heute Morgen mit aller Entschlossenheit allein zur Insel und kommst jetzt zurück mit der Bitte, dich von dem Gürtel zu erlösen. Aber stimmt schon, eigentlich wollte ich dir ja meine Geschichte erzählen, ich hab’ nämlich auch was verloren, nicht nur einen Schlüssel im Wert von vielleicht 50 Euro, sondern meine sämtlichen Ersparnisse, und die hab’ ich zufällig in so einer Aluminiumkiste aufbewahrt und noch zufälligerweise finde ich gestern diese Kiste auf dem See schwimmend, leer, ausgeraubt, einzig mit einem Schlüssel gefüllt, der zu deinem Schloß paßt.“

Nach einer kurzen Pause, in welcher Inge versuchte, ihre Gedanken zu sortieren, entgegnete sie:
- „Er paßt eben nicht, sonst wär’ er nicht abgebrochen.“
- „Hm, da hast du natürlich recht, aber es kann auch am Schloß liegen. Diese feinen kleinen Schlösser, das gilt auch für Vorhängeschlösser, haben so eine filigrane Mechanik darin, daß da kein Sandkörnchen hineingelangen darf.“

Inges Kampfgeist ist bei dem Duft des Kaffees, der sich aus der Küche über den Flur Richtung Wohnzimmer ausgebreitet hat, wiedererlebt:
- „Die Dinger sind absolut wasserfest, hat man uns auf dem Lehrgang gesagt.“
‚Oh, verdammt, jetzt wird er gleich zurückfragen, war für ein Lehrgang, und was hat das mit wasserfesten Keuschheitsgürtelschlössern zu tun.’

Zu Inges Erleichterung äußerte sich Gangolf diesbezüglich nicht, er fuhr vielmehr mit der Sandgeschichte fort:
- „Wasser ja, aber richtig schmutziger Dreck, kann es sein, daß du beim Baden in einem Gewässer den Gürtel anhattest, und du bist in seichtes Wasser gesprungen und dann bist du unten aufgeschlagen und hast schlammiges Sand-Morastgemisch aufgewirbelt, das sich in das Schloß festgesetzt hat?“
- „Ja – das kann sein,“ gab Inge zögerlich zu. In dem Moment kam Magda mit einem Tablett herein, auf welchem sie das Kaffeeservice gestellt hatte.
- „Seid ihr immer noch am diskutieren, warum der Schlüssel nicht sperrte und gar abgebrochen ist, also wichtig ist doch jetzt, wie wir Inge helfen können, aus dem Gürtel herauszukommen.“
- „Du hast vollkommen recht, Magda, ich wollte als Techniker nur verstehen, wie ein Schlüssel nicht passen kann, obwohl er anscheinend schon der richtige ist. Und ich wollte Inge damit trösten, daß ich im Gegensatz zu ihrem Schlüsselein fast meine gesamten Ersparnisse verloren habe, und die kann mir niemand mehr so einfach zurückbringen, fürchte ich, denn welch ein Dieb raubt mir das Geld aus der gut versteckten Kiste und brächte es mir dann doch wieder zurück?“

Magda ging darauf nicht ein, sondern wandte sich an Inge:
- „Kannst du dich aufrichten, um ein paar Schlucke zu nehmen?“
- „Ja, das wird schon gehen“, sagte Inge lächelnd zu Magda. Diese nahm den kühlende Lappen von der Stirn und Inge richtete sich vorsichtig auf dem Sofa auf.
- „Oh, verdammt, ich hab’ ja immer noch deine Schuhe an, bitte entschuldige, jetzt habe ich dir alles voll gemacht, da rieselt immer noch Sand heraus.“
- „Ist nicht so schlimm, es freut mich, wenn sie dir geholfen haben.“

Inge wollte sich nach vorne beugen, um die Schnürsenkel zu lösen.
- „Laß’ nur, warte, ich mach’ dir das“, rief ihr Inge zu, umrundete den gedeckten Wohnzimmertisch und kam von der anderen Seite zu dem Sofa heran, ergriff die Bändel, löste die Knoten und zog die Chucks vorsichtig von Inges bloßen Füßen. Magda erkannte, wie der Sand die Fersen aufgescheuert hatten. Mitleidsvoll strich sie über Inges Fußsohlen und befreite die Zehen von den Sandkörnchen, die sich in der Nässe der Zwischenräume gehalten hatten.

- „Ach, wie bist du fürsorglich, hat dich das deine Meisterin gelehrt?“
- „Äh, nein, das ist doch Pflicht, einem Gast und jedem Menschen Gutes zu tun.“
‚Mit deiner Einstellung wirst du nie Abteilungsleiterin’, dachte sich Inge, doch sie behielt ihre Gedanken für sich.

Der Kaffee wirkte anregend und beruhigend zugleich. Inge spürte zwar aufrecht sitzend sofort wieder das Hämmern in ihrem Kopf, doch es war auszuhalten. Wesentlich unangenehmer meldete sich der Schmerz in ihrem Unterleib zurück, sobald sie in die sitzende Position kam, selbst auf dem weichgepolsterten Sofa.

- „Entschuldigen Sie, Herr Stumpf, sehen Sie noch eine Möglichkeit, den Gürtel irgendwie zu durchtrennen?“
- „Kehren wir jetzt wieder zum Sie zurück?“
- „Ah, nein, also ich schäme mich so sehr. Ja, es war mein Schlüssel, der in der Kiste lag, und ja, ich habe ihn hineingelegt, nicht verloren, und ja, ich habe das Geld herausgenommen und mir ein Auto davon gekauft. Und jetzt habe ich heute alles verloren, meine Kleidungsstücke, mein Handy, meine Würde, nur der Schmerz bleibt mir, der unaushaltbar-anschwellende Schmerz im Unterleib und jetzt auch noch im Kopf.“

- „Alles wird gut“, antwortete Gangolf nach dem umfassenden Geständnis, „nach dem Kaffeetrinken gehen wir in den Keller hinunter, frisch an’s Werk!“

Inge kullerten Tränen aus den Augen, wie oft schon wähnte sie sich heute ganz knapp am Ziel, und doch trafen sie gewaltige Rückschläge und so ahnte sie, daß das mit dem Öffnen des Gürtels nicht so einfach sein würde, eine Ahnung, die sich bewahrheiten sollte.























140. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 16.12.22 18:03

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- „So“, rief Gangolf entschlossen aus und stellte dabei seine geleerte Kaffeetasse auf die Untertasse mit dem diesem Vorgang eigentümlichen leicht klirrenden Geräusch, „ich geh’ jetzt einmal in den Keller und hol’ die große Zwicke herauf, den Bolzenschneider, und dann befreien wir die arme Inge von ihrem Dings da!“

Gangolf stand auf und tat, wie er angekündigt hatte. Nach kurzer Zeit kam er wieder in die Küche, wo die beiden jungen Frauen weiterhin am Tisch saßen und sich anscheinend bis zu Gangolfs Eintreten gut unterhalten hatten. Als Gangolf eintrat, verebbte das Gespräch und beide hefteten ihre Blicke auf ihn. Gangolf hob bedrohlich das gewaltige Werkzeug vor den beiden in die Höhe und sprach mit gedehnter Stimme:
- „Jetzt woll’n wir `mal seh’n, ob wir das Ding durchkriegen damit!“

Inge erhob sich von dem Küchenstuhl und richtete sich vor Gangolf auf; sie hatte ihr Schamgefühl mittlerweile ziemlich überwunden.
- „Hm, vornherum scheint mir das Eisen recht eng an der Haut anzuliegen“, meinte Gangolf und ging vor Inge in die Hocke, um ihren Keuschheitsgürtel aus nächster Nähe zu betrachten.
- „Dreh’ dich `mal um, wie das hinten aussieht!“

Artig drehte sich Inge um, sie war entschlossen, alles zu tun, um nur endlich aus dem Keuschheitsgürtel befreit zu werden, aus dieser Geißel, derer sie sich selbst ausgesetzt hatte.
Im Drehen antwortete sie:
- „Am Poloch ist das Schrittband am dünnsten, dort teilt es sich auf, versuch’ es doch dort!“
- „Da komm’ ich vermutlich nicht heran, ich kann es ja `mal probieren, bleib’ fest stehen!“

Es roch nicht gut, als Inges Pobacken vor Gangolfs Nase vorbeikamen. Dieser konnte zwar nicht erkennen, ob sich Exkremente rings um das Loch abgesetzt hatten, er befürchtete es und drückte mit der linken Hand Inges linke Pobacke zur Seite in der Hoffnung, daß er auf diese Weise den Bolzenschneider im Poloch ansetzen und dann eine Schneide unter das Metall schieben konnte, indes lang das Schrittband tief eingezwängt in der Pofurche, so daß Gangolf von seinem Vorhaben Abstand nahm. Dagegen sah er die Möglichkeit, am rückseitigen Ende des Schrittbands, wo es mit dem Hüftband vernietet war, den Schneider anzusetzen; Inges Wirbelsäule wich an dieser Stelle einen Fingerbreit zurück. Gangolf erhob sich aus der Hocke, setzte den Bolzenschneider von oben an Inges Wirbelsäule entlang auf den Rand des Hüftgürtels an und drückte die Hebel mit aller Kraft aneinander. Zu seiner Verwunderung ließ sich die scherenförmige Schneide indes nicht zusammendrücken, sie durchtrennte lediglich den dünnen Silikonwulst.

- „Na so `was“, rief Gangolf aus und zog das Werkzeug zurück. Er bückte sich leicht vor, um die Schnittstelle zu betrachten, konnte aber bis auf eine winzige Einkerbung an der Oberseite des Metalls nichts von dem Schnittversuch erkennen.
- „Verdammt, ist das am Ende Edelstahl!“

Gangolf wiederholte den Versuch, doch auch diesmal gelang es ihm nicht, die Klingen zusammenzubringen.
- „Ja klar, muß wohl Edelstahl sein, sonst fängt das das Rosten an.“
Während er seine Gedanken formulierte, fiel ihm der von ihm vor Jahren gebastelte Gürtel ein; er bog den Hüftgürtel aus einem Flachkupferband, das in elektrischen Verteileranlagen verwendet wurde, 60 Millimeter breit, 5 Millimeter dick, es war ein schweres Monstrum, irgendwo im Keller hatte er das wohl noch herumliegen.

Inge drehte ihren Kopf zu Gangolf und fragte besorgt:
- „Was ist, kommst du nicht durch?“
- „Ja hm, genau, das ist Edelstahl, da bin ich machtlos mit dem Bolzenschneider.“
- „Was?“ entfuhr es Inge, „was sagst du da?“
- „Mit dem Bolzenschneider da komm’ ich da nicht durch, zumindest mit dem einfachen Teil da.“
- „Nein“, rief Inge schluchzend aus, sie drehte sich vollständig zu Gangolf um und sank mit Tränen im Gesicht vor diesem auf die Knie nieder. Gangolf nahm ihren Kopf in die Hände, Inge drückte das Gesicht auf seinen Bauch und begann hemmungslos zu weinen.

Es war Magda, die wieder das Wort ergriff, als den beiden nichts mehr einfiel, Gangolf bewunderte sie dafür, und er fand die alte Weisheit bestätigt, daß stille Wasser tief gründeten:
- „Ach Gangi, gibt es denn keine andere Möglichkeit, den Stahl zu durchtrennen, du hast doch so ein rundes Trenngerät, das so einen Höllenlärm macht.“
- „Ja, du meinst die Flex, ja, damit kann man praktisch alles durchtrennen, aber das erzeugt einen wahnsinnigen Funkenflug und das Eisen wird unheimlich heiß dabei. Und zudem ist das viel zu gefährlich, denn wenn man nur ein bissel abrutscht, dann wär’ ich schon in der Haut von der Inge.“

Inge bekam von dem sich entspinnenden Wortwechsel nichts mit, sie schluchzte unaufhörlich auf den Knien in Gangolfs Bauch. Dieser streichelte ihre Haare und blickte mitleidig auf Inge herab. Magda ließ nicht so schnell locker:
- „Ja, das verstehe ich, man müßte sie festmachen, daß sich der Gürtel überhaupt nicht bewegen kann und dann stecken wir irgendwas dazwischen zwischen das Eisen und ihrem Körper, daß ihre Haut nicht verbrennt.“
- „Hm“, gab Gangolf zur Antwort, „laß’ mich nachdenken. Du hast recht, wir müßten sie irgendwie fixieren, damit der Keuschheitsgürtel absolut unbeweglich bleibt, sobald er sich nur um einen Millimeter bewegt, rutsch’ ich mit der Trennscheibe ab und das kann sehr gefährlich werden.“

- „Irgendwie festbinden, ganz fest, oder halt, was hältst du davon, in dem großen Schraubstock, so ähnlich, wie du die Handschellen einspannen wolltest, um sie durchsägen zu können. Du hast dann den Drehbolzen herausgebohrt, aber ich glaub’, du hättest die auch Zersägen können, wenn sie im Schraubstock fest eingeklemmt sind.“
- „Da hast du schon recht, aber das hier ist schon noch einmal eine andere Nummer.“
- „Du könntest doch den Schraubstock ganz weit aufdrehen und dann soll sich Inge da drauf setzen und dann schraubst du ihn wieder zu, so zusammen, bis sie mit dem Gürtel fest eingeklemmt in dem Schraubstock eingeklemmt sitzt!“

Gangolf war von Magdas Phantasie überrascht, wieder einmal bemerkte er, daß die Überlegungskraft unter der Anspannung einer Notlage eine enorme Steigerung erfuhr. Inge hatte sich mittlerweile etwas beruhigt und bekam Magdas Überlegungen bezüglich der Schraubstock-Anwendung mit. Sie streckte ihren Kopf nach hinten, blickte, immer noch auf den Knien, Gangolf flehentlich an und bat:
- „Mach’ alles mit mir, was euch einfällt, ich möchte aus dem Ding heraus, ich war so blöd, es ist unverzeihlich, ich mach’ alles mit, spannt mich ein, zerschneide das Ding, ich halt’ es nicht mehr länger aus in dem verdammten Käfig!“
- „Jetzt steh’ erst `mal auf“, forderte Gangolf Inge auf und dann setzen wir uns nochmal, um alles genau zu besprechen, was und wie wir was machen können.“

Alle drei nahmen wieder an dem Küchentisch platz, Magda unterdrückte ihren hausfräulich-dienenden Impuls, das Geschirr abzuräumen, sondern konzentrierte sich auf die Gesprächsrunde.
- „Du meinst also“, nahm Gangolf den Gesprächsfaden wieder auf, den Magda entsponnen hatte, „wir könnten Inges gesamten Unterleib in dem großen Schlosserschraubstock einspannen.“
- „Ja, das ist doch so ein richtig fettes Teil, der sieht so richtig stabil aus.“
- „Das ist er sicherlich und ja, das könnte schon sein, daß man den soweit auseinanderkurbeln kann, die Inge müßte sich dann in ihn hineinsetzen.“
- „Alles was notwendig ist, und wenn es noch so unbequem ist“, gab Inge zur Antwort.
- „Gut, das könnten wir probieren, aber dann bleibt noch das Problem mit der Hitze. Und überhaupt, wenn dann das Eisen durchtrennt ist, rutscht mir die Trennscheibe direkt in das Fleisch, nein, nein, das ist viel zu gefährlich!“
- „Ja aber könnte man nicht so Holzstückchen dazwischen schieben, so wie du es bei mir machen wolltest, damit beim Durchsägen der Handschellen dann nicht das Sägblatt in die Haut fährt.“
- „Keine Chance“, entgegnete Gangolf, „der Gürtel sitzt so knapp wie bei einer Maßanfertigung. Wie kann es eigentlich sein, daß dir dieser Gürtel so genau paßt, habt ihr dort mehrere zur Auswahl gehabt?“
- „Ja, durchaus“, antwortete Inge, „und die Kursteilnehmer mußten das an mir üben, die verschiedenen Gürtel aussuchen und an mir anprobieren, die waren alle von den Gesundheitsämtern und nur ich war vom Umweltamt, und ich mußte das nicht lernen und so war ich das Versuchskaninchen.“
- „So ein Mist“, gab Gangolf zur Antwort. Magda indes blühte auf:
- „Und hinten, da hast du doch auch gerade den Bolzenschneider ansetzen können, ist hinten herum ein bißchen Spielraum?“
- „Ja richtig, also wenn, dann kann es nur auf der Rückseite gelingen, da müßten wir irgendwas dazwischen hineinschieben, damit beim Durchtrennen dann nicht die Trennscheibe gnadenlos auch die Wirbelsäule durchtrennt.“

Inge zuckte bei diesen Worten zusammen, fing sich indes schnell wieder und führte die Finger ihrer rechten Hand nach hinten, um sie versuchsweise zwischen Hüftband und Rücken hineinzuschieben.
- „Ja, seht, das geht, ihr habt doch sicher ein Holzstückchen, das ihr mir dazwischen klemmen könnt.“
- „Das könnte gehen, also gut. Schauen wir, wie weit der Schraubstock aufgeht, dann müßtest du dich dazwischen hineinsetzen, mit dem Rücken nach außen, und dann klemmen wir dir das Holz unter den Gürtel.“

Inge richtete ihren Blick auf Gangolf und lächelte ihn an. Gangolf wiegelte ab:
- „Jetzt wart’ `mal ab, wir sind noch mitten in der Besprechung, ob das grundsätzlich gehen könnte, ach, und tatsächlich, das mit dem Holzstück geht schon einmal gar nicht, denn ich muß mit der Trennscheibe einen Druck auf das Edelstahlding da geben, also mit Druck da die Scheibe durchtrennen lassen und wenn die dann durch ist dann bin ich gleich in dem weichen Holz und das ist in einem Bruchteil der Sekunde dann durchtrennt und schon rast die Scheibe in das Fleisch. Nein, also als Abstandsteil müssen wir schon auch ein Eisen nehmen, das nicht gleich auseinander fällt.“

Magda antwortete: „Du hast doch so `was sicherlich, wie ich dich kenne.“
- „Ja klar, aber dann bleibt noch das Problem der Kühlung. Mit dem Holz wäre das eine Lösung gewesen, denn das Holz wirkt isolierend, aber das Eisenstück dann, fest zwischen Gürtel und Rücken eingeklemmt, das überträgt die Schleifhitze direkt auf die Haut.“

- „Können wir das irgendwie kühlen?“ überlegte Magda.
Nun mischte sich Inge ein: „Schüttet halt einfach kaltes Wasser darüber, oder stört das das Durchtrennen?“
- „Das mit dem D`rüberschütten wird nicht reichen, man müßte die Schleifstelle dauernd kühlen und natürlich auch den Rest des Gürtels, also überall, auch unten herum, die Hitze verbreitet sich, wird von dem Edelstahl weitergeleitet.“
- „Mit dem Schlauch abspritzen, wie wir in Italien an der Grenze abgespritzt worden sind, erinnerst du dich?“

Inge blickte erstaunt auf Magda, fragte indes nicht nach, wovon diese sprach. Sie wollte das Gespräch nicht durch Nebensächlichkeiten in die Länge ziehen, sie war ohnehin bereits unruhig und wollte lieber, daß Gangolf endlich zur Tat schreiten würde. Andererseits bewunderte sie die beiden, wie ernsthaft-sachlich sie Lösungen suchten, geradezu eine generalstabsmäßige Vorgehensweise ausarbeiteten.
- „Du meinst mit einem Schlauch, den Gürtel und vor allem die Trennstelle fortwährend abspritzen?“
- „Ja, das würde ich machen.“
- „Gut, das könnten wir versuchen, aber jetzt schon eins, ganz klar formuliert: Wenn du, Inge, bemerkst, daß es richtig heiß wird, also mehr als nur warm, mußt du sofort aufschreien, damit ich aufhören, denn Verbrennungen wären das Allerschlimmste, dann muß ich sofort die Trennscheibe zurückziehen und warten, bis es wieder abgekühlt ist.“

Inge betrachtete ihn schweigend.
- „Nun sag’ schon, daß du das verstanden hast!“
- „Ja, hab’ das verstanden!“
- „Und daß du wirklich sofort aufschreist, du mußt wirklich laut schreien, denn die Flex macht einen Höllenlärm, sonst hör’ ich dich nicht.“
- „Ja, ich werde schreien.“

Gangolf griff auf die kleine Kommode an der Wand, dort lag neben einer Kerze ein Feuerzeug. Er nahm dieses, entfachte die Flamme und brachte diese mit Schwung von hinten her an Inges Rücken, so daß diese die Bewegung nicht sehen konnte.
- „Au“, schrie sie auf und drehte sich blitzschnell um. Sie wollte sich gerade empören, als Gangolf erklärte:
- „Gut, das könnte also funktionieren, aber du mußt noch lauter rufen, richtig schreien.“

‚An was der alles denkt’, bewunderte Inge ihn im Gedanken, ‚da macht er sogar einen Test, ob ich die Hitze spüre und aufschreie. Bin ich froh, bei ihm gelandet zu sein, ich kann mir nicht vorstellen, wer mir sonst den blöden Gürtel mit so viel Umsicht abmachen könnte.’
- „Danke, ich werde schreien, wenn es heiß wird.“
- „Nichts zu danken.“
- „Doch, danke für den Test, du überläßt wirklich nichts dem Zufall.“

- „So, gut, dann wäre das geklärt. Es bleibt noch eins, der Funkenflug. Ich fürchte, beim Edelstahl-Durchtrennen ist der gleich noch stärker als so schon.“
- „Was soll schon groß brennen“, meinte Inge, „ich hab’ ja nichts weiter an.“
- „Ja eben, was meinst du, wie diese heißglühenden Partikel brennen auf der Haut. Ich geb’ dir meine Lederjacke. Leder ist nur schwer brennbar und das Motorradleder vermutlich ist besonders schwer entflammbar gegerbt.“

- „Sie könnte doch meine haben“, meldete sich Magda zu Wort.
- „Nein, du ziehst deinen Motorradanzug an, und zwar komplett, mit Stiefel und Handschuhe, denn du mußt ganz nah dabei stehen mit dem Schlauch, daß du zielgenau auf die Trennstelle spritzen kannst damit und ich möchte nicht riskieren, daß du in Flammen aufgehst dabei, und auch mit Helm, versteht sich, ich hab’ es einmal erlebt, wo eine Frau mit ihren langen Haaren in eine winzige kleine Kerzenflamme geraten ist, die loderten in Sekundenbruchteil hell auf. Zum Glück stand eine Kanne mit Tee in Griffweite, die ich ihr über den Kopf schüttete, ich hab’ heute noch Alpträume, wenn ich daran denke. Und mein Hemd habe ich auch einmal an so einem blöden Kerzenständer entzündet, bei so einer Weihnachtsfeier, zum Glück war es ein gutes Hemd, der Stoff verkohlte nur und brannte nicht, aber ich hatte eine enorme Brandblase. Also keine Debatte, du ziehst dich dann komplett um in die Motorradsachen und denk’ auch an die Handschuhe, denn die hast du ja dann zuvorderst ganz nah.“

Magda nickte und meinte: „Hast du nicht ein altes Gewand für mich, daß ich nicht das schöne Leder da mit den Funken beschädige?“
- „Nein, auf keinen Fall, Sicherheit geht über alles, lieber ein paar schwarze Pünktlein auf dem Leder als ein brennender Stoff auf deiner Haut. Ja und du, das gilt auch für dich, Inge, du ziehst meine Motorradjacke an und auch den Helm, es ist schlimm genug, daß deine Beine frei bleiben, aber die wirst du ja nach vorne auf die Werkbank setzen, also weg von der Schleifstelle an deinem Rücken, da werden dann wohl nicht die Funken hinsprühen.“

Inge wurde es ganz anders bei dem Gedanken, noch nie hatte sie einen Motorradhelm auf oder eine Motorradjacke an. Als eingefleischtes Öko-Mädchen ignorierte sie fahrradfahrend alle motorbetriebenen Fahrzeuge.
‚Wie kam ich bloß auf die Idee, mir so einen Protzkarren zu kaufen?’ , schoß es ihr durch den Sinn, ‚noch dazu mit dem gestohlenen Geld dieses Menschen da, der mir so liebenswürdig aus meinem Schlammassel hilft. Was kann ich tun, Abbitte zu leisten, bitte, bitte, Motorradfahrer können so gute liebe Menschen sein, wie konnte ich das nur mein halbes Leben lang leugnen, warum sah ich in jedem Motorradfahrer den Teufel in Person, den Raser, den Umweltverschmutzer, o Gott, bitte verzeih’ mir!’

- „Gut, haben wir noch was, was wir bedenken müssen?“
Die drei blickten sich gegenseitig an, nach einer Pause fuhr Gangolf fort:
- „Also gut, wie hat Schiller gedichtet: >Von der Stirne heiß rinnen muß der Schweiß, soll das Werk den Meister loben, doch der Segen kommt von oben!<“
- „Du zitierst aus Schillers Glocke, was kannst du noch alles, ich bewundere dich, ich hielt dich für einen Handwerker, für einen Techniker, aber daß du die Klassiker kennst, unglaublich!“

- „Gangolf kann alles, der kann sogar Orgelspielen“, entgegnete Magda.
- „Schluß jetzt, ob ich alles kann, wird sich in den nächsten Minuten herausstellen, ich warn’ dich, Inge, sei nicht enttäuscht, wenn es nicht gleich klappt, wenn wir aufgeben müssen und nach einer anderen Lösung suchen. So, aber jetzt fangen wir an, Magda, ziehst du dich derweil um, während ich den Schlauch von draußen hole und bringst der Inge meine Jacke und meinen Helm.“

‚Was für ein aufregender Tag’, dachten sich alle drei, und der Tag war noch längst nicht zu Ende. Alle überlegten, ob die besprochene Aktion auch gelingen würde, doch keiner wagte, jetzt noch etwas zu sagen, eine geradezu gespenstische Stille umgab die Schicksalsgemeinschaft, als sich deren Mitglieder gegenseitig ansahen und nachdenklich zunickten, voll Hoffnung, daß es mit dieser dritten, sehr aufwendigen Maßnahme endlich gelingen würde, Inges Unterleibgefängnis zu bezwingen, indes schwang bei allen auch die bedrückende Sorge mit, daß das Unterfangen erneut mißlingen könnte; Gangolf wurde es schwül bei dem Gedanken, er würde mit dem schweren Trennschleifer auf dem glatten Edelstahl abrutschen und Inge zum querschnittsgelähmten Krüppel machen.



































141. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 23.12.22 21:40

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Nach der generalstabsmäßigen Besprechung ging Magda hinaus, um sich ihre Motorradsachen anzuziehen. Auch Gangolf verließ das Wohnzimmer und ging zur Scheune, in welcher er den Schlauch aufgerollt hatte, mit dem er gelegentlich die Boote abspritzte, vor allem im Inneren, wo sich Schmützlein durch den an den Fußsohlen haftenden Dreck anzusammeln pflegte.

Mit der über die Schulter geworfenen Schlauchrolle stieg Gangolf die Kellertreppe hinunter und betrat den Waschraum. Er warf den Schlauch auf den Boden und holte von dem benachbarten Kellerraum, der als Werkstatt eingerichtet war, eine Zange. Mit diesem Werkzeug löste er den Wasserschlauch der Waschmaschine und befestigte an seiner Statt den mitgebrachten Gartenschlauch. Gerade als er damit fertig war, sah er seine beiden Damen die Stiege herab kommen, beide mit Helmen unter dem Arm. Gangolfs Lederjacke flatterte an Inges schmalen Schultern, er freute sich, daß beide seine Anordnungen ohne Debatten Folge leisteten. Nichts haßte er mehr, als daß getroffene Absprachen nicht eingehalten wurden.

Gangolf zog den Schlauch in den Werkraum.
- „So, schaut `mal, ob ihr zurecht kommt, dreht den Schraubstock ganz auf und setz’ dich hinein, Inge, ich zieh’ mir derweil auch mein Arbeitsgewand an, die Funken fliegen zwar üblicherweise weg, aber man weiß ja nie.“

Nach kurzer Zeit kam Gangolf zurück und sah, wie Inge sich in den Schraubstock gestellt hatte, allerdings nach vorne, so daß ihre Beine vor der Werkbank zu stehen kamen.
- „Hast du dir das so gedacht?“, fragte Magda.
- „Nein, umgekehrt, die Inge muß mit dem Rücken nach vorn sitzen auf dem Schraubstock, sonst kann ich ja nicht an ihrem Rücken hin zum Arbeiten.“
- „Ach so, ja, ich dachte, du machst das von hinten her.“
- „Nein, das geht nicht, schau, was das für ein großes schweres Gerät ist.“

Mit diesen Worten zog Gangolf seinen großen Winkelschleifer heraus, die passende Trennscheibe war bereits montiert. Inge verzog das Gesicht, als sie sich unter Schmerzen von dem Schraubstock wand, jede Belastung auf dem Schrittband löste eine Schmerzwelle auf dem darunterliegenden geröteten Fleisch aus.

Während Gangolf nach einem geeigneten Eisenstück suchte, das er als Unterlage verwenden wollte, stieg Inge erneut auf den weit geöffneten Schraubstock, diesmal anders herum, so daß sie mit ihrem Rücken zu den Raum hin stand.

- „Halt“, rief Gangolf, „ist es nicht besser, du bringst deine Beine nach vorn auf die Tischplatte von dem Werktisch, also daß du da ganz so oben d'rauf da sitzt.“
- „Ja, ach so, ja, das ist eine gute Idee.“

Inge stützte sich erneut von dem Schraubstock ab, setzte sich neben diesen, schwang die Beine auf die Werkbank und hievte wieder ihre Pobacken zwischen die Spannbacken des Schraubstocks.
- „Meinst du so?“ richtet Inge die Frage an Gangolf.
- „Ja genau, ich glaub’, das ist besser so als überstreckt vor der Werkbank zu stehen.“


Inges Nervosität stieg in’s Unermeßliche, Magda und Gangolf bemerkten es an ihren fahrigen Bewegungen. Das Adrenalin half Inge, die Schmerzwellen zu vergessen, die das Schrittband unaufhörlich aussandte.
- „So, jetzt rück’ soweit wie möglich nach vorne, also nein, halt, nach hinten zurück, wollte ich sagen, damit du dann mit dem Zudrehen der Spannbacken auf dem Schraubstock sozusagen mitfährst nach vorne, bis du eingespannt wirst. Andernfalls würde dein Schrittband auf der Abdeckung des Gewindes schleifen, das wäre sehr schmerzhaft, kann ich mir vorstellen.“

Inge stützte sich mit den Händen von der Werkbankkante ab und hob dadurch ihr Hinterteil etwas in die Höhe und drückte sich nach hinten, so daß der rückwärtige Teil des Schrittbands an der beweglichen Spannbacke des Schraubstocks anstieß. Gangolf ergriff die Kurbelstange und begann, den Schraubstock zusammenzudrehen. Er schickte ein Stoßgebet zum Himmel, indem er im Stillen einen Psalmvers zitierte:
'O Herr, hilf, o Herr, laß' wohl gelingen!'

Es war mucksmäuschenstill, es schien, als hielte ein jeder den Atem an; millimeterweise bewegte sich Inges Rücken nach vorne, auf der Abdeckung des Schraubstockgewindes sitzend. Immer wieder beugte sich Gangolf nach vorne, um zu sehen, wie weit es noch wäre, bis der vordere Teil von Inges Schrittband an der feststehende Spannbacke angelangt wäre. Als es soweit war, betätigte er die Kurbelstange mit vorsichtigem Kraftaufwand etwa eine Viertelumdrehung weiter und griff anschließend mit den Händen links und rechts an die Seiten des Hüftbands, ob Inge nun unbeweglich in ihrem Keuschheitsgürtel eingespannt wäre. Es gelang ihm, mit Kraftaufwand Inges Hüfte leicht seitlich zu verschieben; somit war ihm klar, daß er die Spannbacken noch weiter zusammendrücken mußte. Inge ließ einen kurzen Aufschrei von sich hören und blickte leicht erschrocken nach hinten, nicht ganz ohne Sorge, was mit ihr geschähe. Gangolf kam das Lied vom Heideröslein in den Sinn, in welchem Goethe den Knaben für seine Untat bestrafen ließ, das Röslein zu brechen, obschon dieses jenen davor warnte, es würde ihn stechen:
'… half ihm doch kein Weh und Ach, mußt' es eben leiden.'

- „Ich muß dir jetzt ein bißchen wehtun“, erklärte Gangolf, „dein Gürtel muß absolut unbeweglich in dem Schraubstock festgespannt sein, damit die Trennscheibe nicht durch eine Bewegung abrutscht!“

Inge sagte nichts darauf, Gangolf kurbelte die Spannbacken noch weiter zusammen, bis er mit dem Ergebnis zufrieden war: Er drückte mit seiner ganzen Kraft an dem Keuschheitsgürtel herum, er bewegte sich nun nicht mehr im geringsten Maß. Gerade als er seine beiden Damen auffordern wollte, die Helme aufzusetzen, um ihre Häupter von dem zu erwartenden Funkenflug der Trennscheibe zu bewahren, fiel ihm auf, daß er vergessen hatte, das Eisenstück zwischen Inges Rücken und dem Hüftband einzuspannen, das verhindern sollte, daß die Trennscheibe nach dem Durchtrennen des Gürtels ungebremst in Inges Fleisch eindringen würde.

- „Ich muß noch das Eisenstück einspannen“, erklärte er den beiden und kurbelte den Schraubstock wieder soweit auf, daß Inges Schrittband nicht mehr eingespannt wurde. Diese atmete erleichtert auf, indes ahnte sie zurecht, daß die Entspannungspause nur von kurzer Dauer sein würde.

Gangolf griff nach dem Eisenstück, das er aus seinen Materialvorräten herausgesucht hatte, es maß etwa fünf Zentimeter in der Breite, zehn in der Länge und war sieben Millimeter stark. Als er das Teil mit der Schmalseite nach unten in den rückwärtigen Teil des Hüftbands schieben wollte, wo nach unten das Schrittband wegführte, bemerkte er, daß die Schnittkanten des Eisens scharfkantig waren.

- „Verdammt“, brummelte Gangolf vor sich hin und zog eine Feile aus dem Schub der Werkbank. Mit bangen Blicken verfolgte Inge sein Tun, doch sie sagte nichts. Gangolf bearbeitete das Eisenstück, indem er dieses mit der linken Hand am Rand der Werkbankkante festhielt, während er mit der rechten die Feile führte. Eigentlich würde er das Teil in dem Schraubstock einspannen, doch wollte er Inge nicht nochmals herunterbitten. Gewissenhaft rundete er alle Ecken und Kanten ab, die mit Inges Haut in Berührung kommen würden.

'Was macht der nur solange?', fragte sich Inge, Magda sah ihn dagegen interessiert von der Seite zu, doch beide verkniffen sich, eine Frage zu stellen. Als Gangolf fertig war, erklärte er:
- „So, jetzt hab' ich die Ecken abgerundet, damit die sich nicht in Inges Rücken bohren und ihre Haut aufreißen!“

Für Inge war diese Erklärung nicht sehr beruhigend, man spürte ihre wachsende Nervosität. Als dann Gangolf das bearbeitete Eisenstück nahm und es kräftig von oben zwischen den schmalen Zwischenraum zwischen Wirbelsäule und Keuschheitsgürtel hineinschob, konnte Inge es wiederum nicht verhindern, einen kurzen Aufschrei zu unterdrücken.

- „Denk an den Knaben, der das Röslein brach“, versuchte Gangolf sie zu ermuntern, indes verstand Inge seine Anspielung nicht.
- „Also, seid ihr bereit, dann setzt die Helme auf, es kann losgehen.
Inge muckte auf:
- „Muß das wirklich sein, ich hatte noch nie so ein Teil auf meinem Kopf!“

Magda fuhr ihr barsch über den Mund, Gangolf hatte sie noch nie in dieser Weise erlebt, es entspricht überhaupt nicht ihrem bislang stets gepflegten zurückhaltenden Charakter:
- „Mach' schon, wenn Gangi das sagt, wird es seinen Grund haben!“

Auf diese Worte hin ergriff Inge den Helm und stülpte ihn unbeholfen über. Die Enden des Kinnriemens schoben sich über ihre Ohren, auf welche sie schmerzhaft drückten. Inge wagte indes nicht, nochmals zu Jammern und ergab sich ihrem Schicksal. Magda war geübt, sie zog an den Enden des Kinnriemens und hatte auf diese Weise in Sekundenschnelle den Helm auf dem Kopf. Gangolf setzte eine Schutzbrille auf und stülpte sich die dicken Schweißer-Handschuhe über.
- „Also los!“, rief er aus und schob den Schiebeschalter an seinem Winkelschleifer mit der diamantbesetzten Trennscheibe vor. Das Gerät setzte sich mit ohrenbetäubendem Lärm in Gang, auf den Gehörschützer verzichtete Gangolf diesmal entgegen seiner Gewohnheit, um gegebenenfalls Inges Rufen zu hören.
- „Dreh' die Spritze auf!“, rief er Magda zu, diese hantierte wild an dem Plastikteil herum, das am Ende des Schlauchs angebracht war, doch es gelang ihr nicht, diesem Wasser zu entlocken. Gangolf kam die Ursache in den Sinn:
- „Verdammt“, rief er und schaltete die Flex aus, „hab' vergessen, den Hahn aufzudrehen!“

Im abschwellenden Lärm der Maschine verstanden weder Magda noch Inge, was er gesagt hatte; während Gangolf in den benachbarten Waschraum hinüberlief, öffnete Magda das Visier ihres Helms, um die Spritze genauer betrachten zu können. Inge blickte sich ängstlich um und fragte sich, warum es nun schon wieder eine Verzögerung, einen Zwischenfall, eine Unpäßlichkeit gäbe.

Kaum hatte Gangolf den Wasserhahn aufgedreht, an welchem er kurz zuvor den Schlauch angeschlossen hatte, vollführte dieser das charakteristische schmatzende Geräusch, das entsteht, wenn das einströmende Wasser die Luft aus dem Schlauch verdrängt. Magda hatte indes in diesen Dingen wenig Erfahrung, sie wunderte sich über das seltsame Geräusch, und eine Sekunde später sprühte die Spritze mit scharfen Strahl das kalte Wasser durch das geöffnete Visier auf ihr Gesicht.
- „Brr“, rief sie erschrocken aus und drehte die Spritze mit einer schnellen Handbewegung von ihr weg schräg noch oben. Der geballte Strahl traf nun auf die Kellerdecke, dort prallte er ab und versprühte das Wasser, das in der Hauptsache über der Werkbank niederregnete. Das kalte Wasser schreckte Inge auf, zwar wurde ihr Oberkörper durch den Helm und der Lederjacke von dem niederprasselndem Regen bewahrt, doch ihre nackten Beine bekamen die Ladung ab. Unwillkürlich versuchte sie, den Ergüssen auszuweichen und zappelte auf der Werkbank mit Armen und Beinen umher.

- „Ah, gut, daß wir das auf diese Weise vorher ausprobieren“, sagte Gangolf, als er von dem Waschraum zurückgekommen war, und er konnte sich ausmalen, was geschehen würde, wenn dann der gesammelte Strahl konzentriert mit aller Wucht als kühlendes Naß auf ihre Haut treffen würde.
- „Nein, so geht das nicht“, sagte sich Gangolf, „auch wenn der verdammte Gürtel im Schraubstock festgespannt bleibt, bringt die mich mit ihrem Gezappel vollkommen durcheinander, nein, das kann ich nicht haben.“

Magda ist es zwischenzeitlich gelungen, die Spritze zuzudrehen, nur noch einzelne Tröpfchen lösten sich aus der Düse. Sie war Gangolf dankbar um seine Forderung, komplett in Motorradmontur bekleidet zu sein, denn erst jetzt bemerkte sie, daß auch ihre Stiefel einiges an dem Wasser abbekommen hatten, das von der Decke herabgespritzt war. Ihr vollgepritztes Gesicht hatte sie bereits vergessen, jetzt bemerkte Magda, wie das Wasser sich in einzelnen dicken Tropfen seinen Weg nach unten durch die Innenseite des Helms bahnte.

Wortlos verließ Gangolf erneut den Ort des Geschehens und ließ die beiden Damen buchstäblich im Regen stehen. Er ging in den Kellerraum hinüber mit dem Regal, an welchem Magda gefesselt gestanden hatte.
'Hab' ich es nur noch mit Verrückten zu tun?', fragte sich Gangolf, 'die eine mag es, gefesselt dazustehen oder in engen Kisten eingequetscht zu werden, die andere schnallt sich gar in einen Keuschheitsgürtel ein und wirft den Schlüssel weit weg in eine Kiste auf einer einsamen Insel.'

Kopfschüttelnd griff Gangolf nach einem Seil, das in dem Regal lag, und nahm es zu der Richtstätte hinüber. Verwundert blickten Opfer und Scherge ihn an, kommentarlos zog er das Seil unter den auf der Richtbank ruhenden Beinen hindurch und verknotete es. Nun konnte sich Inge nicht mehr zurückhalten und rief:
- „Was soll das, was machst du da?“
- „Reine Vorsichtsmaßnahme, bei einer OP wirst du auch festgeschnallt, ehe der Onkel Doktor das Messer ansetzt!“
Inge war von dem Vergleich entsetzt, doch Gangolf ergriff unbeirrt erst ihre eine Hand, dann die andere, und band diese an die zuvor verknoteten Fußknöchel. Inge wurde dadurch in eine nach vorn gebückte Stellung gezwungen mit nur noch geringer Bewegungsfreiheit.

- „Hey“, wagte Inge einen Widerspruch, ohne sich nennenswert zu wehren; Gangolf erklärte sich:
- „Tut mir leid, aber es geht nicht, daß du bereits von dem bißchen Wasser da so herumzappelst, was machst du erst, wenn jetzt dann der gezielte Strahl direkt auf deinen Körper zielt. Ich tu' das wirklich nicht extra gern, aber wenn ich mit der Trennscheibe ausrutsch', dann bist du am Ende querschnittsgelähmt für den Rest deines Lebens!“

Inge wagte keinen Einspruch mehr, fassungslos betrachtete sie ihre gefesselten Hände und Beine. Gangolf beschloß, einen Vorversuch zu starten, um zu sehen, ob die Kühlung und deren Auswirkungen mit den unternommenen Vorkehrungen funktionieren werden.

- „Eigentlich müßte man Öl zum Kühlen hernehmen“, erläuterte er, „aber so viel hab' ich gar nicht, was man da braucht! Also d'rum, Magda, ziele genau da hin auf den Zwischenraum, wo die Jacke aufhört und gleich darunter fängt das Eisenstück an. Ach so, halt, zuvor muß ich noch Zudrehen, damit das Schrittband und damit der ganze Gürtel wieder fest im Stock eingespannt ist.“

Gangolf nahm wieder die Kurbelstange in die Hand und drückte gefühlvoll, aber durchaus kräftig die Stange nach rechts unten, bis er meinte, daß die Klemmung ausreichend wäre. Anschließend unternahm er auf's Neue die Rüttel-, Drück- und Ziehversuche am Hüftband und auch an Inges Schultern, um sich zu vergewissern, daß das menschliche Werkstück nun unverrückbar in dem Stock hing. Inge wagte keinen Widerspruch mehr, klaglos ließ sie ihn gewähren.

- „So, jetzt bist du d'ran“, wandte sich Gangolf an Magda, „ziele genau auf das Eisenstück oberhalb von dem Hüftband da, das Teil muß unbedingt gekühlt werden, weil es die Hitze von dem Trennen aufnimmt. So, also Wasser marsch!“

Magda drehte an der Spritze, sogleich trat das Wasser trichterförmig aus der Düse.
- „Dreh' noch weiter an dem roten Ding, bis das Wasser mit einem dünnen festen Strahl herauskommt!“
Magda tat, wie ihr befohlen. Inge bäumte sich bei dem kalten Strahl auf und wand sich in den Fesseln, dank dieser sie sich aber kaum bewegen vermochte; dem Strahl auszuweichen war ohnehin vollkommen unmöglich.
'Wie soll ich das aushalten', verfluchte sich Inge, verkniff sich indes, etwas zu sagen, 'und dann redet der von irgend einer Hitze, ich spüre nur Eiseskälte!'

Gangolf beugte sich zu Inge vor und versuchte, Blickkontakt mit ihr aufzunehmen:
- „Und du schreist sofort auf, wenn es zu heiß wird, also nicht wegen der Kälte, sondern wegen der Hitze; du wirst dich freuen, daß dich die Magda mit dem Schlauch abkühlt.“
Inge nickte, sie verkniff sich, ihm ihre Meinung zu sagen: 'O du Arschloch, du mußt die Tortur ja nicht aushalten'. Doch dann besann sie sich, daß sie allein Schuld trägt an der mißlichen Lage und daß sie froh sein mußte, diesen Gangolf hier angetroffen zu haben, der sich alle Mühe gab, ihr zu helfen. Schnell schob sie ein „Danke, werde ich machen!“ nach, ehe Gangolf wieder zurückwich und den Trennschleifer vom Boden aufhob.

Inge schlotterte am ganzen Leib, ihre Knie nutzten den begrenzten Spielraum, etwas seitlich hin- und herzuwackeln, auch ihre Schultern begannen zu zittern. Magda hielt indes unaufhörlich auf das Eisenstück zu.
Gangolf schob den Schiebeschalter vor, die Trennscheibe begann mit ohrenbetäubendem Lärm sich in Drehung zu versetzen.
- „Eham, eham, eham“, klirrte es durch den Raum, das markerschütternde Geräusch ging jedem der drei unter die Haut.

Inge bebte, die Trennscheibe ließ ihren ganzen Körper vibrieren. Tatsächlich merkte sie nach wenigen Sekunden nichts mehr von der Kälte des Wassers, ihre Nerven waren zum Zerbersten angespannt. Anstelle des kalten Wasserstrahls verspürte sie plötzlich Nadelstiche auf ihrem unbedeckten Hautstreifen, welcher in dem schmalen Bereich zwischen Hüftgürtel und dem Saum der Lederjacke verblieb. Tatsächlich sendete die Trennscheibe einen wahren Feuerstrahl aus, der zwar in der Hauptsache senkrecht nach unten seitlich an Gangolf vorbei seinen Weg zum Boden suchte, indes auch nach oben seine Funken versprühte in Richtung Inges Kopf und Rücken; die grundverschiedenen Elemente Wasser und Feuer begegneten sich hinter Inges Rücken, nach kurzer Zeit wurden die Funken in Dampfwolken verhüllt, das Zischen und Pfeifen verband sich mit dem Kreischen des Motors zu einem wahren Inferno der Gewalten.

Gangolf beruhigte seine Nerven mit den Gedanken an Schillers Glocke:
'Nehmet Holz vom Fichtenstamme, doch recht trocken laßt es sein, daß die eingepreßte Flamme schlage zu dem Schwalch hinein.'
Hochkonzentriert führte er die rotierende Scheibe in senkrechter Bewegung auf und ab, der Trennschlitz wurde in Form eines schwarzen Strichs auf dem Edelstahl sichtbar.
'Daß die Scheibe schlage in den Gürtel ein', wandelte Gangolf Schillers Reim ab und fuhr im Geiste fort: 'Kocht des Gürtels Blei, schnell Wasser herbei, daß die zähe Gürtelspeise breche nach der rechten Weise!'

Kaum hatte Gangolf diese abgeänderten Reime sich zurecht gelegt, brach tatsächlich das Hüftband nach rechts weg, es hing plötzlich einige Millimeter von der Trennstelle entfernt in der Luft. Magda stieß einen kurzen Laut aus und bewegte die Spritze mit einem kurzen Ruck nach oben. Sofort korrigierte sie die unwillkürlich gemachte Bewegung und zielte wieder auf das Eisenstück, in das sich nun die Trennscheibe hineinfraß.

Schnell zog Gangolf die Flex zurück und setzte die Trennscheibe drei Zentimeter weiter links auf den Teil des Hüftbands an, welcher noch mit dem Schrittband in Verbindung war. Wieder bellte die feuerspeiende Trennscheibe ihr „eham, eham, eham“, wieder zischte der kalte Strahl aus Magdas Spritze, während das abgetrennte Ende des Hüftgürtels heftig herumzitterte.

Nicht nur äußerlich, auch im Inneren hatte Inge das Gefühl, daß alles bebte. Enorme Hitzewallungen machten sich überall breit, die Schwellung an ihrer Stirn, die sie sich zugezogen hatte bei dem Sturz auf das Wohnzimmertischchen, brannte unter dem enganliegenden Helm. Sie wagte es nicht, sich umzublicken, sie biß die Zähne zusammen und spannte ihre Rücken- und Beinmuskulatur bis zum Zerreißen an. Dabei flogen ihr in kurzen Abständen wirre Gedanken durch den Kopf; sie malte sich aus, wie sie für den Rest ihres Lebens im Rollstuhl säße, und sie überlegte sich andererseits, ob sie sich Gangolf bei erfolgreicher Befreiung aus Dankbarkeit anerbieten sollte.
'Blöde Kuh', schalt sie sich selber, 'der hat doch seine Magda, und außerdem hatte ich erst zweimal Männererfahrung, und die gingen nicht gut aus'.
Plötzlich bemerkte sie eine Veränderung in der Geräuschentfaltung hinter ihrem Rücken. Die Trennscheibe hatte auch diese Stelle des Hüftbands durchteilt und fraß sich wieder in das Eisenstück hinein, das jetzt nur noch mittig durch das obere Ende des Schrittbands gehalten wurde. Gangolf zog die Maschine zurück und schaltete den Motor ab, Magda drehte die Düse zu.

- „Spritz' weiter, spritz' weiter“, schrie Gangolf aufgeregt Magda zu, „spritz' weiter, das Eisentrum glüht weiter!“
Kaum war die Trennscheibe ausgetrudelt, legte Gangolf die Maschine auf den Boden und ergriff die Kurbelstange des Schraubstocks, um die Klemmung zu lösen und damit Inge zu erlösen. Prompt begann diese mit dem Hinterteil herumzuwackeln; 'eine gefährliche Situation', schoß es Gangolf durch den Kopf, 'sie darf jetzt nicht umkippen, aus dem Schraubstock herauskippen und hinunterstürzen. Geschützt durch seinen Schweißerhandschuh drückte Gangolf das heiße Eisenstück von dem Schrittband heraus, klirrend fiel es zu Boden. An der Stelle, an denen es auf Inges Rücken aufgelegen hatte, traten gewaltige Brandblasen hervor; das Viereck des Eisens war unverkennbar als Brandmarkung sichtbar. Gangolf wollte sich bei Inge beklagen, daß sie nicht Wort hielt, rechtzeitig einen Schrei loszulassen, um die Sache zu beenden oder zumindest eine Abkühlpause einzulegen, doch dann beschloß er, vorerst zu schweigen und sich lieber darauf zu konzentrieren, wie er sie von dem Schraubstock herunter bekäme.
'Gleich jetzt die Fesselung lösen geht nicht', überlegte er sich, 'die würde sofort zum Gürtel greifen und sich die Pfoten daran verbrennen.
- „Jetzt kannst' das Wasser abdrehen!“, rief er Magda zu, „ja, gut so, ich werd' jetzt die Inge unter den Schultern packen und halten. Bitte kurbel' du derweil den Schraubstock weiter auf, aber komm' nicht an das heiße Eisen da dran, auf dem sie immer noch sitzt. Hoffentlich hat die Silikoninnenbeschichtung die Wärme einigermaßen abgehalten.“

Hurtig drehte Magda das Wasser ab, ließ das Schlauchende mit der Spritze auf den Boden gleiten und betätigte die Kurbelstange. Nach einer Weile meinte Gangolf:
- „So, das müßte genügen. Bitte hilf mir, sie in die Höhe zu heben, damit sie von dem blöden Schrittband herauskommt. Ich nehm' sie links, nehm' sie am rechten Arm und dann heben wie sie gemeinsam in die Höh'!“

Magda nickte, faßte Inge mit beiden Händen am Oberarm und rief:
- „Ja, ich bin soweit!“
- „Gut, also los!“
Gemeinsam hoben sie Inge aus den Klauen des Schraubstocks, wie zuvor das heiße Eisenstück, so rutschte nun das ebenfalls heiße Schrittband von ihrem Unterleib, um klirrend auf den Boden aufzuschlagen.
- „So, und jetzt über den Schraubstock hinüber nach vorn zu ihren Beinen hin!“, befehligte Gangolf. Mit einem unsanften Plumpser setzten sie Inge vor dem Schraubstock auf die Werkbank ab, ihre Beine wurden dadurch stark angewinkelt. Gangolf löste die Fesseln und meinte lapidar:
- „So das war 's dann!“

Magda schwor sich beim Anblick der tiefroten Verbrennungsstellen, die den Verlauf des Keuschheitsgürtels auf Inges Haut aufzeigten, vorsichtiger bei den Selbstfesselungsaktionen zu sein; der Gedanke an den Umstand, daß die Technik versagen kann, daß ein Schloß nicht mehr aufgeht, irgendwie etwas Unvorhersehbares dazwischen käme, weckte die Vernunft in ihr. Andererseits war ihr nur zu gut bewußt, daß sie ihre urtümlichste Grundhaltung wohl nie aufzugeben in der Lage sein würde, sie rief sich das Sprichwort vom Krug in die Erinnerung, welcher solange zum Brunnen ging, bis er bräche.
'Brunnen', dachte sie, 'Brunnen, das ist es, was soll daran gefährlich sein, fest gemauert konnte man aus ihm schöpfen, der Brunn des Lebens, heißt es doch, sie würde gleich Inge dann fragen, die muß sich doch damit auskennen, die ist doch vom Umweltamt, was ich mitgekriegt habe'.

Daß es auch Brunnen des Todes geben könnte, diesen Gedanken schob Magda ganz weit weg von sich, ein fataler Irrtum.












































































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142. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 30.12.22 21:02

86

'Was war das für ein verrückter Tag gestern', kam es ihm in den Sinn, als Gangolf gähnend die Augen rieb und seinen Blick auf den zugezogenen Vorhang des Schlafzimmers richtete; der Stoff schien von der aufgehenden Morgenröte zu glühen. Gangolf gab sich einen Ruck und wälzte sich aus dem Bett, er zog den Vorhang auf und betrachtete das Naturschauspiel, das sich immer dann einstellte, wenn die Wetterlage umschlägt und sich ein Tiefdruckgebiet mit Regenneigung ankündigte. Wie immer, wenn er staunend das Spektakel betrachtete, kam ihm der schaurige Gesang des Reiterlieds in den Sinn, welches das Morgenrot als todbringendes Leuchten zum Inhalt hatte: >Morgenrot, Morgenrot, leuchtest mir zum frühen Tod!<

'Und was sind das nur für verrückte Weiber, die nun schon ein halbes Jahr lang an mir herumschwänzeln; was wohl aus der sadistischen Martina geworden ist, zusammen mit ihrer Pfarrers-Freundin Bettina, auf engstem Raum in Quarantäne eingesperrt, ob das gut gehen wird? Und dann diese Magda, gestern gefiel sie mir ja ausnehmend gut, wie sie so konstruktiv mitarbeitete und mitdachte, aber vorher, wo sie stundenlang am Regal gefesselt stand, sollte ich mich tatsächlich vertippt haben auf der Schaltuhr, 11 Stunden statt 1 Stunde, es ist alles möglich. Und dann kommt diese Inge daher, die spinnt ja vollkommen, sperrt sich in einen Keuschheitsgürtel ein und versteckt den Schlüssel dazu in die Kiste, die sie leergeräumt hatte. Jetzt bin ich gespannt, was der Brause heut' noch von mir will, aber dann hoff' ich doch, daß endlich wieder Ruhe einkehrt in mein Leben!'

Gangolf blieb noch eine Weile an dem Fenster stehen, wieder übermannten ihn die Gedanken an die Frauen, die er beiläufig in den letzten Monaten kennengelernt hatte.
'Da waren durchaus vernünftige darunter', sinnierte er, 'aber von denen will sich keine näher einlassen, die, die für ein geregeltes Eheleben tauglich wären, für eine Familiengründung.'
Er dachte dabei an Bettina, die er sehr schätzte, welche aber wohl keinen Mann näher als mit zwei Meter Sicherheitsabstand heranließe.

Gangolf schaute auf die Uhr und stellte zufrieden fest, daß er noch gut Zeit hatte für ein gemütliches Frühstück, bevor er aufbrechen mußte, um zu Brauses Tochter zu fahren, bei welcher sie sich verabredet hatten.
'Gut, daß ich den Termin nicht gleich für gestern, den ersten Tag nach der Rückkehr aus dem Abenteuerurlaub, ausgemacht hab', überlegte er und schlappte gemächlich und leise nach unten. Die Mädels schliefen noch, 'sie werden es brauchen nach der Aufregung gestern', dachte er sich und setzte die Maschinerie des Kaffeekochens in Gang.

Auch Magda schlich sich stillheimlich aus ihrer Kammer, in welcher sie heute Nacht einen Logiergast hatte. Sie war überrascht, wie gut sie sich mit Inge unterhalten konnte, wie schnell sie sich angefreundet hatten. Sie war ihr am Abend zuvor nach der Befreiung aus dem Keuschheitsgürtel bei der Körperhygiene behilflich gewesen, in der Pofurche hatte sich im Laufe der Tage allerhand Hinterlassenschaft abgesetzt. Zunächst hatte Inge ein Duschbad nehmen wollen, doch war sie eilends der Kabine entfleucht, als das Wasser schmerzhaft auf die Brandwunden rings um ihren Unterleib aufgetroffen war. Inge hatte sich dann nur ihren Oberkörper über dem Waschbecken abgewaschen.

So sehr Inge ihre erste Nacht ohne umgeschnallten Keuschheitsgürtel genoß, so sehr verfluchte sie die gewaltigen Brandblasen, die sie in Folge der Befreiung aus diesem sich zugezogen hatte.
- „Ich hätte doch Stop rufen müssen“, sagte sie sich und rieb sich dabei den Schlaf aus den Augen, „aber dann hätte der wieder eine ewige Pause eingelegt bis alles wieder abgekühlt wäre und ich wollte doch endlich `raus aus dem Ding.“

Inge setzte sich auf und betrachtete mit Schaudern die roten Striemen an ihrer Taille. Gegenüber dem Abend waren diese an diesem Morgen noch deutlicher zu sehen, sie wand sich aus dem Bett und stellte sich mit dem Rücken vor den kleinen Wandspiegel. Mit Entsetzen gewahrte sie oberhalb von ihrem Steißbein gewaltige Schwellungen, vor allem, wo das viereckige Eisenstück auf ihren Rücken gedrückt hatte.
- „Da bin ich mein Leben lang gebrandmarkt“, begann sie zu schluchzen, „jetzt weiß ich, warum ich mich nicht hinsetzen kann, warum das dann gar so weh tut.“
Sie war Magda dankbar, daß diese ihr das Bett überlassen hatte, auf der weichen Matratze war es auszuhalten, während Magda selbstlos mit dem Bettvorläufer vorlieb genommen hatte.
- „Soll ich dem Gangolf wohl gar noch dankbar sein, daß er mich so zugerichtet hat“, fragte sie sich erzürnt; Inge spürte, wie der Groll in ihr zu Wachsen begann.
- „Jetzt bloß weg von hier, so schnell es geht“, sagte sie sich, doch ihr wurde im selben Augenblick bewußt, daß sie erst einmal auf die Hilfe des Gastgeberpaars angewiesen war. Außer ihren unpraktischen Schuhen besaß sie kein einziges Kleidungsstück mehr, nicht einmal mehr ihren Keuschheitsgürtel, dieser lag vermutlich immer noch zersägt auf dem Kellerboden, ihre Shorts hatte sie sich im Wohnzimmer zerfetzt, als sie ungestüm weglaufen wollte, die Bluse lag irgendwo auf der Insel, darin das Smartphone. Bei dem Gedanken daran, daß sie selbst im Eva-Kostüm nicht von hier wegkam, nicht Hilfe rufen konnte, völlig mittellos hier bei den beiden Fremden war, wurde sie sehr betrübt.
'Jetzt muß ich diesen Gangolf bitten, mir das Hemdchen zu suchen, worin mein Smartphone steckt', dachte sie sich mit Grausen, 'und Magda, daß sie mir derweil was zum Anziehen borgt', so abhängig zu sein, das gefiel Inge überhaupt nicht.
'Ich werde mich an diesem Gangolf rächen', schwor sie sich, 'sobald ich wieder in Lage dazu bin, mir wird `was einfallen!'

Außer altem harten Gebäck konnte Gangolf in seinem Haushalt nichts weiter zum Frühstücken auftreiben; die Wirrnisse des Vortags ließen ihn und Magda das Einkaufen von Nahrungsmittel vergessen. Somit war er dankbar, von Brauses Tochter zu dem obligatorischen Kaffee auch frische Semmeln und guten Aufstrich bekommen zu haben. Gangolf genoß es, sich mit der Frau zu unterhalten, sie war mehr Gastgeberin als Kundin. Schnell stellte sich für ihn heraus, daß der Überprüfungstermin an der Photovoltaikanlage lediglich ein Vorwand für Brause war, um einen Grund für ein ausgiebiges Gespräch zu haben. Brause kreuzte kurz nach neun Uhr auf, Gangolf war bereits seit über einer Viertel Stunde zu Gast. Pflichtbewußt marschierte er zusammen mit Brause in den Keller, um die kleine Schaltanlage zu begutachten und auch die Ladebatterien in den Augenschein zu nehmen. Gangolf überprüfte alle Einstellungen und wie er erwartet hatte, zeigte das Aufzeichnungsgerät gute Energieausbeutewerte.

- „Ach, hätten Sie noch ein wenig Zeit, Herr Stumpf?“, lautete prompt Brauses Frage, als sie die Kellertreppe wieder hinaufstiegen.
- „Aber natürlich“, antwortete Gangolf und betrat wieder das Eßzimmer, das sie nur wenige Minuten zuvor verlassen hatten. Gangolf hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht, seinen Werkzeugkoffer aus dem Auto zu holen, ihm war klar, daß ein kleiner Schraubenzieher und ein Schaltschrankschlüssel als Ausrüstungsgegenstände vollkommen ausreichend sein würden.

- „Kommen Sie, gehen wir hinüber in's Wohnzimmer, da sitzt man doch bequemer“, drängte Brause, „oder wollen Sie noch `was essen?“
- „Nein, nein, danke, ich kam schon früher heute, war nett, sich mit ihrer Tochter zu unterhalten!“
- „Äh, ja, freut mich“, entgegnete Brause, indem er krampfhaft darnach suchte, das Gespräch auf sein Thema zu lenken. Gangolf bemerkte seine Absicht und ging zu Brauses Überraschung in die Offensive:
- „Nun, Herr Wachtmeister, was haben Sie auf dem Herzen, schießen Sie los!“

Brause brummelte immer noch irgendwas Unverständliches vor sich hin, Gangolf nötigte ihn:
- „Also was ist los, was bedrückt Sie, es mir freiweg zu sagen, bin ich wieder ihr Hauptverdächtiger bei dem Bankraub damals oder hat die Magda wieder `was ausgefressen oder was ist los?“
- „Sie bringen es auf den Punkt, Herr Stumpf, in der Tat ergaben sich neue Hinweise und ich würde Sie bitten, bei Gelegenheit mich mit zu der Insel zu begleiten, zu ihrer Insel, um das richtig zu stellen.“
- „Aha, das klingt ja richtig spannend, Sie machen mich neugierig. Ja, dann unternehmen wir eine Kahnfahrt. Normalerweise paddel ich mit meinem Rennkajak, aber ich hab' auch einen Ruderkahn.“
- „Nee, nee, danke, sehr liebenswürdig, aber ich denke da eher an einen Kahn mit Elektromotor, in Röthen hat ein Bootsverleiher da so einen, ich hab' mich erkundigt!“
- „Wenn Sie meinen, Röthen ist halt an der anderen Seite der Insel, da muß man um die halbe Insel herumfahren.“
- „Das ist richtig, aber wenn man nicht rast wie ein Wilder, dann sollte die Batterieladung reichen für hin und zurück.“
- „Ja, das denk' ich auch. Aber nun sagen Sie doch, was Sie da auf der trostlosen Insel vorhaben.“

Brause war froh darüber, daß Gangolf es ihm so leicht gemacht hatte, gleich auf sein Anliegen zu sprechen zu kommen.
- „Das kann ich Ihnen jetzt noch nicht sagen, bitte fragen Sie nicht weiter nach, Sie werden es dann sehen, wenn wir drüben sind. Wann hätten Sie denn bald einmal Zeit?“

Gangolf hörte heraus, daß es Brause drängte, und so entgegnete er ohne zu zögern:
- „Warum nicht gleich? Für heute hab' ich nicht mehr viel vor!“

Brause war nun doch von Gangolfs Spontanität überrascht. Gangolf fuhr fort:
- „Es war heut' früh ein gewaltiges Morgenrot, ein Schlecht-Wetter-Bot’ ist das, fahren wir lieber heut' gleich, wahrscheinlich wird’s morgen regnen. Ich müßte bloß noch schnell anrufen, wir haben nämlich heut' Nacht einen Logiergast gehabt.“
- „Ah, sind Sie so ein Naturbursche, der das Wetter hervorsagen kann, find' ich gut, daß es solche Leute noch gibt. Aber Sie haben recht, die haben heute Morgen was von Regen gemeldet in den nächsten Tagen. Aber ich will Sie wirklich nicht abhalten, wenn sie jemand zu Besuch haben.“

- „Nein, nein, kein Problem, da ist nur jemand gestrandet, sagen wir es einmal so, gestern Abend, der wird heute schon wieder wegfahren.“
Beinahe hätte sich Gangolf verplappert, nur mit Mühen gelang es ihm, Brauses instinktive Neugier abzuwehren, indem er einen Paddler erfand, der schon länger an dem Tag unterwegs gewesen war, die Orientierung in der hereinbrechenden Dämmerung verloren hatte und schließlich an dem Steg bei Gangolfs Hof gestrandet war.

Gangolf ging auf den Flur hinaus und wählte seine Festnetznummer, in der Hoffnung, daß Magda abnehmen würde. Sie tat es indes nicht.
- „Typisch“, stieß Gangolf aus und setzte sich wieder zu Brause.
- „Schlechte Nachrichten?“ fragte dieser prompt.
- „Nein, nein, gar keine Nachricht, geht keiner d'ran, nehmen wir einmal an, daß das dann eine gute Nachricht ist.“
- „Wenn Sie das so sehen.“
- „Ja, was bleibt einem schon anderes übrig, ist auch gut, nicht immer und überall erreichbar zu sein.“
- „Da ham' Se recht“, pflichtete ihn Brause bei, „also woll'n wir gleich los?“

Brause wollte ansetzen, den Bootsverleih in Röthen zu beschreiben, doch Gangolf winkte ab:
- „Kenn' ich schon, hab' dort von dem anfangs meine Boote ausgeliehen, bis ich mir selber welche gekauft hab'“.
- „Dann is' gut, ich kann Sie auch mitnehmen.“
- „Danke, aber ich fahr dann gleich von Röthen wieder hinüber nach Wesserbarg.“
- „Ja klar, versteh' ich, also bis denne.“

Als die beiden zu ihren Fahrzeugen gingen, drehte sich Brause nochmals um und rief Gangolf über die Straße zu:
- „Warten Sie noch `mal kurz, ich ruf' den Bootsmann lieber an, nicht daß der gerade nicht da ist oder daß sein Elektrokahn sonst wie nicht einsatzklar ist.“
Nachdem diese Frage geklärt worden war, schwangen sich beide in ihre Autos und fuhren los.

Der Bootsverleiher begrüßte die Ankommenden:
- „Schön, daß Sie wieder eine Bootsfahrt unternehmen wollen.“
- „Ja das mit dem Wollen ist so eine Sache“, entgegnete Brause.
- „Sind Sie wieder dienstlich unterwegs?“
- „Ja klar, wir müssen auf die Insel!“

Spätestens jetzt war sich Gangolf ganz sicher, daß Brause schon einmal auf der Insel war, doch er behielt seine Gedanken für sich. Der Bootsverleiher schickte sich an, die Einrichtungen des Boots zu erklären, und ließ auch die Ersatzbatterie nicht unerwähnt.
- „Passen Se bloß auf, nicht wieder zu verpolen, wie das ihr Kollege neulich jeschafft hat, bleibt mir zwar ein Rätsel, aber es jibt nichts, wat es nich' jibt!“

Gangolf blickte etwas verwundert, er konnte nicht glauben, was er da hörte.
- „Erzähl' ich Ihnen gleich auf der Überfahrt“, kürzte Brause ab. Der Bootsfahrer meinte abschließend:
- „Also wenn Se bloß halbe Kraft fahren, wa', dann sollte das reechen mit ehner Batterieladung, da kommen Se hin und zurück.“
- „Ja und der Müller war so doof und ist erst 'mal falsch herum um die Insel jefahren, dat war `n ries'n Umwech, zum Glück kannte sich die Bär aus und die is dann auf dem kürzeren Wech zurückgerudert.“

'Bär', grübelte Gangolf, 'Bär, wer war das bloß, hat der nicht sogar die Bär gesagt?' Kaum daß sie ihre Plätze eingenommen hatten, fiel es ihm wieder ein: 'Barbara Bär, die zweite Naturkundlerin, deren Ausweis ich in dem Zelt fand. Aha, mit dieser war er also schon `mal drüben, und mit einem doofen Müller, der es anscheinend geschafft hat, die Pole der Ersatzbatterie zu vertauschen, unglaublich.'

Innerlich schüttelte Gangolf den Kopf, ließ sich aber nichts anmerken. Sein Instinkt gab ihm recht; das zufällige Zusammentreffen beim Kaffeetrinken vorgestern auf dem Markt in Lüggen, er hatte etwas geahnt und hatte deshalb beabsichtigt, die Kiste leerräumen, das Geld an sich zu nehmen, doch da war ihm anscheinend jemand zuvorgekommen.
'Nun je, da bin ich neugierig, was mir da der Alte zeigen will, hatte er vielleicht Inges Schlüssel für den Keuschheitsgürtel entdeckt? Wie auch immer, ich werde meinen Spaß haben!'

Das gleiche dachte sich auch Brause: 'Da bin ich `mal was von jespannt, wie er reagiert, wenn er in die leere Kiste guckt! Dann hab' ich ihn, der wird austicken!'

Was beide nicht dachten war, was man sonst noch alles auf einer einsamen Insel finden konnte.







143. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 06.01.23 14:51

87

Inge verfluchte sich selber:
- „So eine verdammte Scheiße, ich brauch' jetzt mein Handy, jetzt gleich, und `was zum Anzieh'n. Und ein Brandsalbe für die Brandblasen! So eine Scheiße auch.“

Magda kam zu ihr und legte tröstend den Arm auf deren Schultern, doch Inge wehrte ab:
- „Laß' das, bring' mir lieber `was zum Anziehen und irgend eine Salbe gegen das Brennen überall!“
- „Ja, hm“, begann Magda zu stottern, ich habe mir selber soeben mein letztes T-Shirt angezogen, wir kamen erst gestern, also das heißt vorgestern, aus Italien zurück vom Urlaub und ich war noch gar nicht bei mir zuhause. Aber ich werde jetzt gleich eine Wäsche anstellen, Gangis Sachen kann ich dann gleich mitwaschen. Und ob er eine Brandsalbe hat, weiß ich nicht, schau' doch `mal selber in den kleinen Verbandskasten, der da im Kellerabgang hinter der Tür hängt!“

Inge blickte Magda verwundert an und fragte sie:
- „Äh, wohnst du nicht hier?“
- „Nein, nicht wirklich, ich war hier zwar schon häufig zu Besuch über Nacht, Gangi ist ja so gastfreundlich, du hast ja gestern ihn kennengelernt und gesehen, für ihn war das selbstverständlich, daß du dageblieben bist.“
- „Ach so ist das, und ich dachte, ihr seid ein Paar.“
- „Nein, das nicht, ich glaube, Gangi hat gar keine feste Beziehung. Also ich weiß es ziemlich sicher.“
- „Kannst du dann nicht zu deiner Wohnung fahren und mir was mitbringen, ich kann doch nicht die ganze Zeit so nackt herumlaufen, noch dazu mit den Brandstriemen.“
- „Ja, du hast recht, ich schau' gleich `mal in die Scheune, ob da ein Fahrrad steht, das ich nehmen kann. Ich hab' früher schon `mal von hier aus schöne Radfahrten gemacht.“
- „Hast du denn kein Auto?“
- „Nein. Und du?“
- „Ich hab' ein's, aber meinen Schlüssel verloren, also mein Smartphone, da ist so eine verdammte App d'rauf, die wie ein Autoschlüssel wirkt, und so kann ich jetzt nicht `mal nach Hause fahren. Kannst du nicht wenigstens diesen Gangi anrufen, daß der so eine Salbe mitbringt?“
- „Ich hab' ihn noch nie angerufen, aber ich glaub', er hat seine Nummer da irgendwo an dem Telephon aufgeschrieben.“
Erneut blickte Inge Magda an, als ob diese vom Mond käme.
- „Sag' bloß, du hast kein Handy.“

Beinahe wollte Magda ihr das bestätigen, doch dann fiel ihr gerade noch ein, daß sie sehr wohl eines hatte und daß sie sogar dazu verpflichtet wurde, dieses ständig mitzuführen. Andererseits schämte sich Magda etwas, dieses Gerät noch nie aktiv benutzt zu haben und auch fast noch nie einen Anruf bekommen hatte. Es ging ihrer devoten Natur ganz gegen den Strich, einen Menschen, gleich wen, anzurufen, eine Bitte zu äußern oder auch nur eine ganz alltägliche Frage zu stellen, beispielsweise nach dem Befinden.

- „Ich telephonier' lieber mit dem normalen Telephon“, gab Magda zur Antwort und ging in den Flur hinaus. Tatsächlich fand sie dort einen großen Zettel an der Wand hängen, auf welchen Gangolf etliche Nummern notiert hatte. Inge kam hinzu, zusammen suchten sie die Aufzeichnungen ab und kamen zum dem Schluß, daß die Nummer hinter den beiden Buchstaben >Gg< Gangolfs Handy-Nummer sein könnte.

- „Ja hallo, das ist ja eine Überraschung!“, meldete sich Gangolf, darüber erfreut, auf dem Display seine Festnetznummer als eingehenden Anruf erkannt zu haben.
- „Ja hallo Gangi!“

Schweigen.

- „Hallo Magda, wie geht’s dir und euch?“
- „Gut.“

'Telephonier' ich da mit einem Kleinkind?', fragte sich Gangolf, 'das sich nicht traut, auch nur einen Satz zu formulieren.'
- „Freut mich. Was macht ihr beiden alles, was habt ihr vor?“
- „Inge hat ein Problem.“
- „Aha. Ja, kann ich mir vorstellen, ich glaub', die hat jetzt viele Probleme.“
- „Sie fragt, ob du ihr eine Salbe für ihre Brandblasen mitbringen könntest.“
- „Könnte ich natürlich schon, wird aber noch eine Weile dauern. Ich bin gerade auf einer Bootsfahrt mit Hauptwachtmeister Brause.“
- „Ach so. Ich dachte, du wärst heute bei seiner Tochter, was machen.“
- „Ist schon erledigt.“
- „Ja dann viel Spaß. Ach so, und dann noch was.“
- „Ja was denn?“
- „Soll ich gleich eine Wäsche in die Maschine geben, daß du, also auch ich, daß wir dann wieder frische Sachen haben?“
- „Ja klar, gute Idee, danke. Und denk' bitte auch an das verschwitzte Ding da von der Inge, ihre Bluse, die ich auf der Insel gefunden habe, ich weiß jetzt gar nicht mehr, wo ich die hingeworfen habe.“
- „Und einkaufen fahren?“
- „Oh ja, das wäre sehr nett von dir, du weißt ja, wo die Räder stehen, mußt halt noch aufpumpen, aber das schaffst du sicher. Der Schlüssel für das Vorhängeschloß von dem Scheunentor hängt ganz rechts am Schlüsselbrett. Wie geht es Inge?“
- „Äh, ja gut.“
- „Na dann, ich wünsch' euch einen schönen Tag.“
- „Danke, dir auch!“

Dicht neben Magda stehend konnte Inge den größten Teil des Gesprächs mithören.
- „Hat der `was gesagt von eine Bootsfahrt mit Brause?“
- „Ja.“
- „Und wo wollen die hin?“
- „Das hat er nicht gesagt.“
- „Warum hast du ihn nicht danach gefragt?“

Magda ließ die Frage unbeantwortet. Nach einer kurzen Weile sagte sie:
- „Ich mach' jetzt erst 'mal Wäsche und dann kann ich ja mit dem Fahrrad nach Lüggen fahren, dann hol' ich dir was von mir zum Anziehen, aber viel hab' ich dort selber nicht mehr und dann kauf' ich auf dem Rückweg was ein, dann können wir ein Mittagessen kochen.“
- „Ja, aber beeil' dich bitte, ich möcht' nicht noch länger nackt da herum laufen!“

Magda nickte und ging in den Waschraum hinunter. Sie schraubte den Gartenschlauch ab, der dort immer noch an dem Hahn bei der Waschmaschine angeschlossen hing. Die kleine Rohrzange lag griffbereit auf der Waschmaschine, so daß sie problemlos deren Schlauch anschrauben konnte. Als sie wieder in die Wohnung hinauf gekommen war, sah sie Inge im Wohnzimmer vor dem Fernseher lümmeln. Sie rief ihr zu:
- „Also ich fahr' dann `mal los, hast du besondere Wünsche?“
- „Nee, so eine Salbe, denk' daran, bitte. Und beeil' dich!“
- „Ja“, entgegnete Magda knapp und blieb weiter unter der Tür stehen.
- „Is' noch wat'?“
- „Ehm, ja, würdest du mir bitte die Schuhe geben?“
- „Was, ach so, die ausgelatschten Dinger da, sag' bloß, du hast gar keine anderen?“
- „Nicht hier, und mit den Motorradstiefeln wollte ich nicht mit dem Rad fahren“

Magda verschwieg, daß sie tatsächlich keine anderen Schuhe hatte als ihre alten, ausgetretenen, teilweise schon aufgerissenen Chucks.
Inge zog die Schuhe von den Füßen und schleuderte sie Magda entgegen. Für Magda war Inges Verhalten vollkommen normal, es entsprach ganz ihrer devoten Grundhaltung, daß Menschen verächtlich mit ihr umgingen; bislang fand sie nur in Gangolf und Bettina eine Ausnahme, und auch in Wachtmeister Brause. Dennoch bemerkte sie, daß Inges Verhalten in deren mißlichen Lage unangebracht war, behielt indes ihre Meinung für sich.
'Eigentlich müßte sie doch bemerkt haben, daß ich barfuß in den kalten Keller ging, Gangi hätte mir sofort Schuhe geholt oder wenigstens Socken. Und erstaunlich, daß sie noch gar nichts zu der elektronischen Fußfessel gesagt hat, die hat sie doch sicher schon längst bemerkt.'

Magda packte eine Trinkflasche in ihren Rucksack und stopfte auch eine Kapuzenweste hinein, denn sie sah, wie sich die Wolken immer mehr zu einer geschlossenen Decke verdichteten und mit hoher Geschwindigkeit am Himmel entlang zogen. In der Scheune pumpte sie das Fahrrad auf, das sie bereits im Frühjahr benutzt hatte, schob es heraus, verschloß das Scheunentor, schulterte den Rucksack und radelte über den Hof dem schlaglochübersäten Feldweg entgegen.

'Ach, der Schlüssel noch', fiel es Magda ein, 'ich bring' ihn lieber zurück, nicht daß Gangi vor mir zurückkommt und noch eine Runde mit seinem geliebten Kajak rudern möchte, und dann kann er nicht in die Scheune.'

Inge wartete noch eine Weile, ging dann in den Flur hinaus und schlüpfte in ihre schönen Gabor-Schuhe, um sich auf Erkundigungstour durch das Haus zu begeben. In diesem Augenblick kam Magda mit dem Schlüssel zurück. Leicht erschrocken blickte Inge auf und fragte erstaunt:
- „Ah, da bist du ja schon wieder, klappt es nicht mit dem Fahrrad?“
- „Ja schon, ich wollte nur noch schnell den Schlüssel für das Scheunentor zurückhängen auf den Haken da.“
- „Ach so, ja, freilich, is' gut, gute Fahrt!“
- „Danke!“

Inge gelang es, ihre Neugier zu bändigen und verzichtete auf die Hausinspektion. Sie ging in Gangolfs Schlafzimmer, aus dessen Fenster sie beobachtete, wie Magda mit dem Fahrrad den Hof verließ und auf den Feldweg Richtung Wesserbarg einbog. Aus Gangolfs Kleiderschrank entnahm sie ein T-Shirt. Anschließend stieg sie in die Kammer hinauf, in welcher sie mit Magda die Nacht verbracht hatte. Magda war mit Shorts davongeradelt, ihre Jeans lag in der Ecke.

'Hat die nur so zerrissenes Zeug', wunderte sich Inge und begutachtete die Hose.
- „Ist jetzt auch egal“, sagte sie sich und schlüpfte vorsichtig in das Kleidungsstück, um es nicht weiter zu zerreißen. Magda war etwas größer als sie, so daß das Vorhaben problemlos gelang. Als sie sich umwandte, um die Kammer wieder zu verlassen, sah sie Inges Motorradstiefel stehen.

- „Welch ein Glück, dann brauch' ich nicht mit meinen schönen Gabors in das blöde Boot steigen“, rief Inge erfreut aus und vertauschte ihre Stiefeletten mit Magdas Stiefel.
- „Verdammt, sind die eng!“, verfluchte sie Magda kleine Füße, sie sah sich gezwungen, wie bereits bei Inges Chucks die Socken wegzulassen, um barfuß sich mit Mühen in die Motorradstiefel zu zwängen. Sie fühlte sich indes richtig wohl, endlich wieder vollständig angezogen zu sein. Beglückt stiefelte sie hinunter, schnappte sich den Schlüssel für das Tor und dachte auch daran, diesmal eine Wasserflasche mitzunehmen, die sie in eine Stofftasche steckte. Sie hielt kurz inne, kehrte nochmals zurück in das Badzimmer, zog ein Handtuch von einer Stange und steckte es in die Stofftasche zu der Flasche.
- „Damit polstere ich den harten Sitz aus,“ sagte sie sich, „sonst überstehe ich die Überfahrt nicht. Und wenn ich mein Smartphone dann wieder gefunden habe, dann hält mich hier nichts mehr, dann setz' ich mich in meine Corvette und kehre nie wieder hierher zurück! Dieser Gangi-Knacki wird sich noch wundern!“

Immerhin gestand sich Inge ein, daß sie sich seit ihrer Befreiung aus dem Keuschheitsgürtel wesentlich wohler fühlte und ihr kam es vor, daß die Brandblasen längst nicht mehr so schmerzhaft brannten als am Vortag nach dem Durchtrennen des Gürtels mit der Trennscheibe.
- „Und dann werde ich nie wieder in so eine verdammte Plastikschale kriechen“, schwor sie sich, öffnete das Scheunentor und zerrte das rote Kajak heraus.


























































144. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von folssom am 08.01.23 01:39

Da wird es wohl bald auf der Insel ein überraschendes Zusammentreffen geben.

Bin auf die dann folgenden Erklärungen gespannt.
145. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 10.01.23 06:29

Schön, daß die monotone Abfolge der Fortsetzungen wieder einmal durch eine Anmerkung unterbrochen wurde; da ich mir geschworen habe, nicht im Manuskript vorwärts zu lesen, sondern immer nur die Kapitel einzeln jede Woche hier hereinzukopieren, bleibe auch ich gespannt, wie es im Detail weitergehen wird!

Gute Unterhaltung wünscht M a g n u s .
146. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von Ihr_joe am 10.01.23 23:02

Lach, dann unterbreche ich das monotone Bild erneut um Dir mitzuteilen, dass ich immer noch mitlese.
Was dann bedeutet, dass mir die Geschichte weiterhin gefällt.

Dankeschön
Ihr_joe
147. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 13.01.23 19:54

Ja, schön, daß Euch beiden die Geschichte "immer noch gefällt"; eigentlich müßte das nicht unbedingt sein, denn man könnte sie ja auch als wöchentliche Pflichtlektüre betrachten ("Lach"). Und damit die Qual nicht so lang dauert, gibt es heute eine kurze Fortsetzung!

88

- „Stellen Sie sich vor“, ergriff Brause das Wort, als Gangolf das Gespräch mit Magda beendet hatte, „mein Kollege Müller war so blöd und ist mit Volldampf neulich losgepretscht, und dann noch umgekehrt um die Insel herum, und dann wunderte er sich noch, daß die Batterie auf dem Rückweg leer wurde!“
- „Ja, das sagten Sie bereits dem Bootsverleiher, als dieser uns das Elektroboot hier gab. Waren Sie also schon `mal auf der Insel?“
- „Ja, Frau Bär vom Umweltamt war auch mit dabei, zum Glück, die ist dann das ganze Stück zurückgerudert, mit uns zwei alten Säcken im Kahn, ich hab' mich so was von geschämt!“
- „Hm, gab' es ein Problem?“
- „Ja, der doofe Müller war so verpolt und verpolte die Batterieanschlüsse von der Ersatzbatterie, der Verleiher hat sich das gemerkt, haben Sie ja gehört, dem kam so was auch noch nicht unter!“

Gangolf wollte zwar wissen, ob sich ein Problem auf der Insel ergab oder aus welchem Grund er mit der Umwelt-Frau dort hingefahren war, doch ging er erst einmal auf Brauses Ausführungen ein:
- „Das ist mir auch rätselhaft, die Anschlüsse sind nämlich unterschiedlich dick, normalerweise kriegt man gar nicht die dünne Kabelschelle auf den dicken Pluspol der Batterie, und die große Schelle wird an dem dünnen Minuspol gar nicht richtig fest.“
- „Das wir auch der Grund gewesen sein, warum er gar so lange da herumgeschraubt hat, Mann, was für ein Kronleuchter. Wenn wir die starke Bär nicht gehabt hätten, trieben wir heut' noch auf dem See herum; die war echt eine starke Bärin.“

- „Da sind wir schon,“ unterbrach Gangolf das Thema und wies auf die Schneise in dem Schilfgürtel. Er verminderte die Geschwindigkeit und manoevrierte den Kahn gekonnt in die Einfahrt zu dem Inselsteg.
'Jetzt bin ich aber gespannt, was du mir zeigen willst', dachte sich Gangolf, während er den Kahn vertäute. Gangolf balancierte auf dem Stegbrett und betrat den schmalen Pfad, der in die Insel hinein führte. Brause folgte ihm schnaufend.
- „Machen Se `mal `n bißchen langsam, Herr Stumpf, meine Wampe macht da nich' mehr mit!“

Gangolf reduzierte das Marschtempo, blickte sich ab und zu um, Brause folgte ihm schwitzend. An der Stelle, wo ein noch schmalerer Pfad zu der Lichtung abzweigte, ging Gangolf indes geradeaus weiter.
'Jetzt will ich doch `mal sehen, ob er es merkt', dachte er sich und lachte sich ins Fäustchen.
- „Was erfreut Sie denn da so?“, wollte Brause wissen.
- „Ach, nichts weiter. Ich dachte gerade an `was Schönes.“
- „Das freut' mich für Sie, ich würde auch gern an was Schönes denken, zum Glück hat sich der Himmel bezogen, wenn jetzt noch die Sonne herunter stechen würde, das wäre ja nicht zum Aushalten!“
- „Auf der Insel ist es überall schattig, vielleicht nicht ganz vorne, da glaub' ich, ist eine freie Stelle ohne Bäume, das sieht man vom Wasser aus, wenn man da vorbei fährt, hinter dem Schilfgürtel. Da stürzen sich oft die Vögel hinunter, da können sie unbemerkt, also ungestört rasten, ist ja alles Naturschutzzone.“
- „Nicht ganz, irgendwo müßte da bald eine Lichtung kommen, mitten im Wald hier, vom Steg aus waren wir damals gleich da.“
- „Aha, also ich weiß nicht, wollen Sie `mal vorangehen?“
- „Nee, jeh'n Se ´mal weiter, es kann nich' mehr weeht sin.“

'Kaum kommen die Leute etwas außer Atem, verfallen sie in den Dialekt', überlegte sich Gangolf. Er freute sich, Brause in die Irre zu leiten und stellte sich ahnungslos, wo die Lichtung sei. Minutenlang stapften beide schweigend durch den dichten Wald, bis Brause stehen blieb und rief:
- „Halt, so weit war das nicht, ich glaub', wir sind da zu weit gelaufen. Drehen wir um und gehen nochmal zum Steg zurück. Die Lichtung war da nicht weit entfernt!“
- „Gut“, antwortete Gangolf, blieb stehen und drehte sich zu Brause um, „dann gehen Sie jetzt voran, ich kenn' mich hier nicht aus.“
Bei diesen Worten schmunzelte er innerlich, es freute ihn, wie locker er die Lüge herüberbrachte. Brause wendete sich gleichfalls um, nun schritt er voran auf den Weg zurück. Nachdem sie eine Weile zurückgegangen waren, entdeckte er einen schmalen Pfad, der rechts abzweigte.
- „Da könnte es gewesen sein“, rief er, „wir mußten irgendwo nach links abzweigen, als wir vom Steg gekommen sind!“
'Aber nicht hier', dachte sich Gangolf und setzte dabei ein Grinsen auf. Artig folgte er den Wachtmeister, der sich wacker durch das immer dichter werdende Gestrüpp den Weg bahnte. Als es immer beschwerlicher wurde, den Pfad weiter zu folgen, blieb er stehen und drehte sich zu Gangolf um.

- „Nee, hier war det och nich', verdammt!“
- „Rufen Sie doch `mal diese Frau Bär an, vielleicht erinnert sich die daran, wo der Weg da zu dieser Lichtung führt“, gab Gangolf ihm den Rat und freute sich diebisch, den Wachtmeister in dem Irrgarten der Insel gefangen zu sehen. Brause zog sein Handy heraus, rief die Telephonauskunft an und ließ sich mit dem Umweltamt in Lüggen vermitteln.

- „Hier Hauptwachtmeister Brause, Frau Bär bitte“, rief er in das kleine Gerät, das er mühsam mit seiner großen Hand ans Ohr hielt.
- „Wat, ham' Se nich'? Ach so, warten Sie, die ist Praktikantin bei der Frau Hm, wie hieß die gleich noch, von der Naturschutzbehörde, hat so einen ulkigen Namen. - Ja, Langohr, Sie haben recht. - Ach, die ist heute nicht da, ja, senden Sie mir eine SMS mit der Nummer von ihrem Handy, ist wichtig, danke, ja.“

Obwohl ihm klar sein mußte, daß Gangolf aus nächster Nähe das Gespräch mithören konnte, wiederholte Brause:
- „Die Kollegin im Amt schickt mir eine SMS von der Langohr, die war damals mit dabei hier auf der Insel, als sie die Vögel beobachteten, die müßte auch wissen, wo das war mit der Lichtung, die hatten ja ihr Zelt dort aufgebaut!“
Schweigend gingen sie den schmalen Pfad zurück und folgten schließlich wieder den Hauptpfad in Richtung Steg. Nach einer Weile gab Brauses Handy den typische Tonruf von sich, welcher eine eingehende SMS signalisierte. Er blieb stehen, zog das Gerät wieder hervor, tippte darauf herum und lauschte dem Rufton. Im selben Augenblick vernahm er etwas weiter weg auf der rechten Seite im Wald den typischen Rufton eines Smartphones. Überrascht zog Brause sein Handy vom Ohr und lauschte angestrengt. Auch Gangolf hörte klar die Tonfolge eines Smartphones.
- „Hören Sie das auch?“, wandte Brause sich an Gangolf, „kann das sein, daß die da im Wald ist, aber sie nimmt nicht an.“
Brause drückte die Aus-Taste und tatsächlich verstummte das aus der Ferne hergewehte Geräusch.
- „Das kam von da rechts“, meinte Brause erregt, „ja, sehen Sie, da vorne zweigt nochmal so ein Pfad ab, ja, da müssen wir hin.“

Brauses Lebensgeister erwachten, schnellen Schrittes bog er auf den besagten Pfad ab, nach wenigen Metern befanden sie sich am Rand der Lichtung. Er hielt weiterhin sein Handy in der Hand, auf der Lichtung angekommen betätigte er die Wahlwiederholung und prompt meldete sich das Anrufgeräusch zurück, diesmal wesentlich lauter. Brause lief ein paar Schritte weiter, der Signalquelle entgegen. Schließlich blieb er stehen, als die Tonfolge wieder etwas leiser wurde. In diesem Augenblick entdeckte Gangolf das Gerät, das in dem hohen Gras lag. Er wollte hinzueilen, um es zu ergreifen, doch drehte sich Brause um und war schneller, da er näher am Fundort stand.

- „Ja was haben wir da Schönes“, rief Brause genüßlich aus, betätigte die Aus-Taste, ging etwas schwerfällig in die Hocke und ergriff das Smartphone von dem Waldboden.
'Das hab' ich gestern übersehen, ich fand nur ihre Bluse da an einem Zweig hängen', dachte sich Gangolf, behielt indes seinen Gedanken für sich. Vielmehr fragte er Brause:
- „Sie ahnten also bereits, daß Langohrs Smartphone hier irgendwo liegen würde und haben mich gebraucht, daß ich Sie da auf die Insel schippere.“
- „Nein, gewiß nicht, das war jetzt reiner Zufall. Ich wollte Ihnen ganz was anderes zeigen, was Sie dazu sagen. Kommen Sie mit, es muß hier irgendwo auf der Lichtung sein.“

'Jetzt wirst du staunen', freute sich Brause insgeheim, sein kriminalistischer Spürsinn ist gänzlich erwacht, 'nur zu gern möchte ich dein Gesicht sehen, das du machst, wenn du siehst, wie die Kiste leer ist. Wo ist nur mein Geld hin verschwunden, wirst du dich wundern, na warte, gleich hab' ich dich!'

Wild entschlossen stapfte Brause weiter über die Lichtung. Langsam wurde er nervös. Allmählich wurde ihm heiß, obwohl der Himmel sich immer dichter mit Wolken zuzog.
- „Verdammt, wo war das bloß!“, begann er zu fluchen. Gangolf trat an seine Seite und fragte mit freundlicher Stimme:
- „Suchen Sie `was, kann ich Ihnen behilflich sein?“
- „Warten Sie, ich werd's gleich haben!“

Gangolf blieb am Rand der Lichtung stehen und betrachtete genüßlich, wie Brause wild hin- und hersauste, das hohe Gras mit seinen dicken kurzen Beinen niedermähte. An einer Stelle war er beinahe gestolpert, nur mit Mühe konnte er die Balance halten.
- „Hier ist es!“, rief er erfreut und lenkte seinen Blick in die Vertiefung hinab, in welcher er mit einem Bein zu stehen kam. Gangolf dachte sich:
'Da hat am Vortag auch schon die Inge herumgewühlt, noch wesentlich nervöser, als sie den Schlüssel zu ihrem Unterleibkäfig suchte, in welchem sie sich selber eingesperrt hatte.'

Brause war schockiert, er hätte schwören können, daß hier eine Aluminiumkiste eingegraben war; sekundenlang starrte er auf die Mulde, er nahm nicht wahr, als Gangolf sich ihm näherte:
- „Was ist hier?“, wollte Gangolf wissen. Brause löste sich aus seiner Schockstarre:
- „Hier war es!“
- „Was war hier?“
- „Ja die Kiste, und wenn ich sie nicht mit eigenen Augen gesehen hätte, ich bin doch nicht bekloppt, hier stand eine Kiste.“
- „Aha, und was hatte es mit dieser Kiste aufsich?“
- „Da war angeblich viel Geld d'rin, sagte mir die Bär.“
- „Hm, da wird sie halt mit der Kiste und dem Geld abgehauen sein.“
- „Nein, sie war leer, als wir da waren.“
- „Und jetzt ist die leere Kiste verschwunden?“, fragte Gangolf.
- „Scheint so zu sein.“
- „Dann fragen Sie sie doch, was damit ist. Also mir scheint es so, als ob die beiden da ihre menschliche Absonderungen vergraben hatten und keine Kiste.“
- „Zweifeln Sie jetzt an meinem Verstand?“
- „Keinesfalls, aber ich denke, wir sollten jetzt langsam zurückfahren, es wird bald regnen!“












148. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 20.01.23 19:11

89

Es war nicht einfach, den Elektrokahn von dem Inselsteg rückwärts aus der Schneise in dem Schilfgürtel herauszumanoevrieren; als sie endlich auf dem freien See heraußen waren, entdeckte Gangolf am gegenüberliegenden Ufer eine rote Spitze leuchten, ein Boot, das offensichtlich aus dem Damisch-Kanal in den See einfuhr. Gangolf wandte sich an Brause:
- „Sehen Sie `mal, da hinten kommt ein Boot aus dem Kanal heraus, ich möchte fast wetten, daß es sich dabei um den gestrandeten Passagier handelt, dem wir gestern Obdach gewähren mußten. Hätten Sie noch etwas Zeit, dann würde ich dem gern entgegenfahren.“
- „Ja klar, was sagt denn die Ladeanzeige?“

Gangolf beugte sich zu dem Kasten mit der elektronischen Anzeige hinunter:
- „Noch fast Dreiviertel voll!“
- „Na dann, fahren Sie schon!“
Mühsam wendete sich Brause um und suchte den See ab.
- „Ich seh' da nischt. Ach doch, ja, Sie haben recht, da paddelt einer.“

Als sich die beiden Boote näher kamen, erkannte Gangolf untrüglich eines seiner Lieblings-T-Shirts, das schlapperig um die viel zu schmalen Schultern eines zierlichen Oberkörpers hing. Die Gischt spritze bei jedem Paddelschlag auf, doch waren die Bewegungen wesentlich gleichmäßiger als am Vortrag. Inge dachte sich zunächst nichts weiter, es war für sie vollkommen verständlich, daß da ein Kahn in den Damisch-Kanal einbiegen wollte. Daß dieser Kahn indes so schnell herankam ohne Ruderbewegungen, das hatte sie nicht bemerkt. Sie konnte auch nicht ahnen, daß der beleibte Herr, dessen Rücken sie sah, ein ihr wohlbekannter Beamter war; Gangolf steuerte den Elektrokahn geschickt, daß er selbst meistens versteckt blieb hinter Brause, auf diese Weise erkannte Inge ihn erst, als sie bereits in Rufweite angelangt waren.

- „Hallo Inge, gut geschlafen?“ grüßte Gangolf und beugte sich aus dem Sichtschatten, den Brause bot. Inge blickte erstaunt auf und setzte mit dem Paddeln aus. Nun drehte sich Brause um und war noch erstaunter als jene:
- „Ach, Frau Langohr, also ich hätte ja mit allen gerechnet, sind Sie auch so eine begeisterte Paddlerin!“
- „Nein, nein, eigentlich nicht, aber ich muß noch `mal auf die Insel, `was suchen, das ich vermutlich dort verloren habe!“
- „Ist es etwa das da?“, fragte Brause und zog das Smartphone aus seiner Westentasche, das er kurz zuvor auf der Insel gefunden hatte, als er unbewußt das Gerät ortete. Die beiden Boote waren sich mittlerweile sehr nahe gekommen, Gangolf schaltete den Motor ab und ließ den Kahn seitlich an das Kajak herangleiten.
- „Äh, ja, das ist es!“, rief Inge verdutzt, „wie kommen Sie dazu?“
- „Haben wir gefunden“, entgegnete Brause triumphierend, lehnte sich leicht über die Bordwand zu Inge hinunter, die immer noch ganz perplex in dem Kajak saß, und übergab ihr das Gerät, nicht ohne altkluge Mahnung:
- „Passen Se besser auf auf ihre Sachen, aber wie Sie sehen, entgeht dem Auge des Gesetzes nichts!“

Inge war heilfroh, ihr Smartphone wieder in Händen zu haben, dennoch wurde sie durch Brauses Satz irritiert:
'Was heißt das, dem Auge des Gesetzes entgeht nichts, hat der eine Ahnung, daß sie das Geld aus der Kiste genommen hatte? Wahrscheinlich, denn was hätte der sonst mit dem Gangolf auf der Insel gesucht. Oder hatte der doofe Gangi dem Brause gezeigt, daß er auf der Insel in einer Kiste einen einsam deponierten Schlüssel zu einem Keuschheitsgürtel gefunden hatte, aber die Kiste war doch gestern gar nicht mehr da.'

Inge saß regungslos in Gedanken verstrickt in dem Kajak und starrte ihr Smartphone an.
- „Also wir woll'n dann `mal wieder, gute Fahrt, Frau Langohr!“
Gangolf ergänzte: „Stemm' dich von unserem Boot ab, damit du Abstand gewinnst, daß wir nicht durch unseren Wellengang dein Kajak zum Kentern bringen. Bis später dann!“

'Ein >später dann< wird es nicht geben, erst wieder im Gerichtssaal, wenn sie dich verknacken, du Sadist!', schwor sich Inge, stieß sich von dem Elektroboot ab und führte eine Wendekurve aus. Auch Gangolf vollzog eine Wendung und drehte ab. Er hob die Hand zum Gruß, welcher indes unbeantwortet blieb.
'Da sieh' einmal einer an, da kennen sich die also auch, sind per Du, wen kennt dieser Stumpf noch alles, da bleibt die Langohr offenbar sogar über Nacht bei ihm, irgendwie ein toller Typ, der mir langsam unheimlich wird.'
Beide hingen ihren Gedanken nach, Gangolf genauso wie Brause, schweigend fuhren sie in dem Boot nach Röthen zurück, die ersten Regentropfen fielen hernieder. Brause drückte sich seine Schirmmütze tiefer in's Gesicht, Gangolf stülpte sich die Kapuze über.

'Entweder ist der Stumpf eine total guter Schauspieler', sinnierte Brause, 'oder er ist tatsächlich unwissend-unschuldig, was diese Kiste anbetrifft. Das war ein Schlag in's Wasser, vielleicht besser, ich entschuldige mich gleich `mal.'
- „Herr Stumpf“, hob er an, „es tut mir wirklich schrecklich leid, daß ich Sie mit dieser Bootsfahrt aufgehalten habe, es ist mir peinlich, ich dachte und hoffte, Sie könnten mir zu dieser Kiste `was sagen, aber nun ist sie weg!“
- „Keine Ursache, das muß Ihnen doch nicht peinlich sein, aber was deuteten Sie da vorhin an, daß da Geld in der Kiste war und dann doch wieder kein's?“
- „Ich versteh' das ja auch nicht, und ich hoffte, Sie könnten mir dazu was sagen?“
- „Wieso ich, die beiden Mädels waren doch auf der Insel.“
- „Ja schon, aber Ihnen gehört sie, also hätte es doch sein können, daß Sie `was von der Kiste wußten.“

Es entstand wieder eine Gesprächspause; Gangolf grübelte darüber nach, wie er Brause etwas ärgern konnte:
- „Sagen Sie, Herr Brause, könnte es sein, daß die Kiste einfach zerfallen ist, also wenn die da Tag und Nacht dem Wind und Wetter ausgesetzt ist, da vermodert doch das Holz mit der Zeit.“
- „Es war eine Aluminiumkiste, Herr Stumpf.“
- „Ach so, ja dann natürlich nicht.“
'Der scheint ja wirklich nichts von der Kiste zu wissen', überlegte sich Brause. Nach einer Weile ergriff wieder Gangolf das Wort:
- „Also wenn die da so dastand auf der Lichtung, da könnte ja auch einmal jemand anders hingekommen sein, wenn es auch verboten ist, aber es ist doch nicht auszuschließen, so eine Aluminiumkiste glänzt doch richtig silbrig durch das Gras hindurch und man sah sie wohl schon von Weitem, könnte ich mir vorstellen.“
- „Nein, das nicht, die war tief eingegraben und immer mit so einem Gestrüpp bedeckt.“
- „Wie haben die beiden denn dann die Kiste entdeckt, wenn sie sie nicht selber mitgebracht und eingegraben hatten?“
- „Ja das ist es ja, da war ein Mann, den sie beobachtet hatten, wie der da an der Stelle herumgemacht hatte und dann hatten sie nachgesehen dort und fanden auf diese Weise die Kiste.“
- „Ach so war das, ja, ich verstehe langsam, aber wer war denn der Mann? Der konnte doch nicht so einfach von der Insel verschwinden wie ein Bauer vom Kartoffelacker?“
- „Darum geht es ja, daß wir endlich den Mann finden, es war wohl zu finster, daß die beiden den wiedererkennen würden.“
- „Ah, jetzt verstehe ich, und da galt ich als möglicher Verdächtiger?“
- „Wenn es mir auch peinlich ist, Herr Stumpf, ja, aber sehen Sie, das ist doch irgendwie naheliegend, außer Ihnen und den beiden Naturvöglerinnen kommt doch sonst wohl kaum jemand auf die Insel.“
- „Nun anscheinend doch, aber wenn Sie ein besseres Gefühl haben, kommen Sie doch zu mir auf meinen Hof nach Wesserbarg und durchwühlen Sie wieder alles, wie damals schon; ich kann Ihnen versichern, Sie werden weder Geld noch Kiste finden, Sie können auch meine Kontoauszüge einsehen, ich bin doch der gläserne Mensch überhaupt.“
- „Sie haben ja wahrscheinlich recht, Herr Stumpf, es hätte ja sein können und wir Polizisten sind angehalten, jeden noch so kleinen Verdachtsfall erst einmal nachzugehen. Gut, versprochen, ich werde Sie jetzt in Ruhe lassen, war schön, daß Sie sich Zeit genommen haben, mich hierher zu schippern, reden wir lieber über `was anders, was macht denn diese Frau Magda?“
- „Das weiß ich auch nicht so genau, diese Nacht blieb sie bei mir, sie hilft mir bei der Haushaltsführung, aber viel mehr wird sich da wohl nicht entwickeln zwischen uns.“

Das Gespräch nahm immer mehr die Form eines Plauderns an, Brause wußte nicht mehr recht, was er glauben sollte, Gangolf wiegte sich in Sicherheit, zukünftig von polizeilichen Ermittlungen verschont zu bleiben.

Wider Erwarten schaffte es Inge, das Kajak auf den Steg zu ziehen und sie nahm sich vor, keinen Grund zur Klage zu liefern, eisern biß sie die Zähen zusammen und schleppte das Boot zu Gangolfs Scheune. Sie war froh, weder Magdas Fahrrad zu entdecken, noch Gangolfs Auto, sie hatte es geschafft, als erste beim Hof zurück zu sein. Sie brachte das Kajak und das Paddel an ihre Plätze und verschloß das Scheunentor. Anschließend stapfte sie zu ihrem Auto, das treu am Waldesrand wartete, von ihr benutzt zu werden. Die Schlüssel-App funktionierte, mit einem knurrenden Geräusch entriegelten sich wie von Zauberhand die Schlösser, der Motor startete problemlos und röhrte mit dem typischen Klang eines Achtzylinders auf, um anschließend in ein Röcheln überzugehen. Sie lenkte das Gefährt in den Hof und stellte es direkt vor dem Hauseingang ab.
Im Haus entledigte sie sich der Motorradstiefel und der Jeans und schlüpfte in ihre Gabor-Schuhe mit den acht Zentimeter hohen Absätzen. Sie genoß das Gefühl, mit ihnen etwas größer geworden zu sein. Um ihre Hüfte band sie das Handtuch, Gangolfs T-Shirt behielt sie indes an. Sie warf nochmals einen Blick zurück, verließ dann das Haus und schwor sich, nie wieder zu diesen Verrückten zu fahren.

Magda horchte auf, als sie auf dem Feldweg schon von weitem ein seltsam röchelndes Geräusch vernahm, in der Ferne gewahrte sie ein Fahrzeug, das erstaunlich schnell näher kam und dabei eine im wahrsten Sinne des Wortes atemberaubende Staubwolke hinter sich aufwirbelte. Der einsetzende leichte Regen reichte noch nicht aus, den Staub zu binden. Magda sprang von ihrem Fahrrad und schob es auf den Feldrain, um nicht von dem heranrollenden Ungeheuer verschluckt zu werden. Die Front des weißen Tigers schien ein gefräßiges Maul zu haben, die schmalschlitzigen Augen blitzten bösartig auf. Magda vermeinte Opfer einer Halluzination geworden zu sein, als sie Inge hinter dem Lenkrad sitzend sah.

- „Das gibt’s doch nicht“, sagte sich Inge und schüttelte den Staub von ihren Gliedern ab, als der infernalische Angriff vorüber war. Im Hof angekommen, holte sie den Schlüssel für die Scheune und stellte das Fahrrad ab. Im Haus machte sie sich sofort auf die Suche nach Inge, fand diese indes nicht.
'Also war sie das doch', sagte sie sich, 'so eine kleine Person mit so einem dicken kraftstrotzenden Auto!'
Ihre devote Grundhaltung verbat ihr, sich darüber weiter Gedanken zu machen, vielmehr sah sie es als selbstverständlich an, daß andere Reichtum hatten, Macht und Kraft, sie dagegen stets als dienendes Wesen durch den Staub schleichen mußte. Sie holte die Wäsche aus der Maschine, hing sie zum Trocknen auf die im Waschraum gespannten Leinen. Sie hängte auch Inges T-Shirt auf, das dermaßen verschwitzt gewesen war, daß sie dieses erst einmal im Handwaschbecken einer Vorwäsche unterworfen hatte.
'Da wird Gangi aber traurig sein', dachte sie sich, 'wenn er erfährt, daß Inge sein geliebtes blaues T-Shirt mit den Orgelpfeifen vorne drauf angezogen hat, das er von Bettina geschenkt bekommen hat für sein Orgelspielen in ihrer Kirche.'

Magda ahnte natürlich nicht, daß Gangolf wegen Inge noch ein Vielfaches trauriger werden würde, schließlich auch noch wegen ihr selber.

- „Der hab' ich jetzt das Fürchten gelernt“, schrie Inge gegen das auf große Lautstärke gestellte Autoradio an, und sie genoß, endlich wieder Besitz über sich ergriffen zu haben; 'war schon demütigend, Gangolfs Verhalten, wie ich mich ihm offenbaren mußte, so ein Scheißkerl, aber wenn der glaubt, er bekäme das Geld zurück, hat er sich riesig getäuscht, im Gegenteil, der wird erst einmal hinter Schwedischen Gardinen sitzen, das garantier' ich dir, meinen makellosen Körper mit den Brandflecken zu übersäen!'

Auch Gangolf gewahrte von weitem das Röhren und Dröhnen, er wußte, ohne das Fahrzeug noch gesehen zu haben, daß Inge ihm entgegenkommen wird. Tatsächlich donnerte die weiße Corvette an ihm vorbei, er konnte nicht erkennen, wer am Steuer saß, doch war er sich sehr sicher, daß sie es gewesen sein mußte.
- „Solange hätte sie aber auch noch warten können, bis ich zurück bin“, sagte er sich, „daß wir uns ordentlich voneinander verabschiedeten, nach all' dem, was wir gestern zusammen durchgemacht haben! Undank ist der Welten Lohn!“

Selbstverständlich ahnte auch Gangolf nicht im geringsten, welchen bedrohlichen Ärger er noch wegen Inge sich einhandeln würde, da würde das grußlose Verschwinden absolut lächerlich dagegen sein.
149. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 27.01.23 19:02

90

Polizeiobermeister Müller lehnte gelangweilt am Türrahmen der Verbindungstür zwischen dem Flur und dem Pfortenzimmer des Lüggener Polizeireviers. Er betrachtete das emsige Handeln seiner Kollegin Katrin Mauser, welche an diesem Tag Pfortendienst hatte. Diese war damit beschäftigt, Schriftstücke in verschiedenen Mappen durchzulesen und sich dabei auf Zetteln und im Computer Notizen zu machen. In dem Augenblick, als eine junge Frau das Pfortenzimmer vom Straßeneingang her betrat, klingelte das Telephon. Mauser nahm den Hörer ab; nachdem Sie Namen und Dienststelle genannt hatte, lauschte sie angestrengt, was ihr der Gesprächspartner zu sagen hatte. Mit dem Kopf gab sie mehrfach ihrem Kollegen Müller einen Wink, an den Tresen zu gehen, um der dort wartenden Frau nach dem Grund ihres Besuchs zu fragen.

Mißmutig erhob sich Müller aus seiner lümmelnden Stellung und schritt zu dem Tresen:
- „Guten Tag, Sie wünschen?“
- „Guten Tag, mein Name ist Langohr, ich möchte eine Anzeige aufgeben.“
- „Aha. Was haben Sie gesehen?“
- „Ich hab' nichts gesehen, mir ist `was geschehen, ich wurde vergewaltigt!“
- „Aha, wann, wie, wo?“, fragte Müller und bückte sich, um aus einem Regal einen Schreibblock herauszufischen.

- „So, also wie heißen Sie?“, setzte Müller seine Frage fort, als er Stift und Papier bereitgelegt hatte.
- 'Ja rede ich chinesisch', empörte sich Inge: „Wie ich schon sagte, heiße ich Langohr. Inge Langohr.“
- „Ach ja.“

Pause.

- „Ja und weiter?“, bohrte Müller.
- „Nichts weiter, nur einfach Inge Langohr, ist das denn so schwierig?“
- „Nein, schon klar, wohnen Sie auch irgendwo?“

Polizistin Mauser bekam mit halben Ohr die Situation mit, alarmiert bat sie ihrem telephonischen Gesprächspartner um eine kurze Unterbrechung, als sie etwas von einer Vergewaltigung aufschnappte. Sie hielt die Sprechmuschel des Telephonhörers mit einer Hand zu und sagte:
- „Geht doch in den 17 nach hinten, muß doch nicht hier sein!“
Müller drehte sich kurz zu seiner Kollegin um, nickte ihr zu und sagte dann zu Inge:
- „Ja also kommen Sie!“

Müller führte Inge in das Vernehmungszimmer am Ende des Flurs.
- „Also Frau Lang, äh, Lang, wie hießen Sie nochmal?“
Inge schwieg beleidigt und zeigte stumm auf den Notizblock, den Müller vor sich auf die Tischplatte geworfen hatte.
- „Äh ja, Langohr steht da, gut, dann geb' ich das gleich `mal in den Computer ein.“

'Ist der total blöd?', dachte sich Inge im Stillen und wartete geduldig, während Müller minutenlang mit der Maus umherklickte, bis er das richtige Bildschirmformular gefunden hatte.
- „So, jetzt aber, also Langohr ganz normal mit h?“
- „Ja.“
- „Und ihr Vorname?“
- „Inge.“
- „Ach ja, stimmt, Sie haben recht, hier steht's ja, Inge, ganz einfach. Und wissen Sie auch den Namen von dem, der Sie vergewaltigt hat?“
- „Gangolf Stumpf“, entgegnete Inge einsilbig.
- „Wie?“
- „Gangolf Stumpf“, wiederholte Inge gedehnt.
- „Is' `n Ausländer, wa', wie schreibt man den?“
- „Mit G“
- „Mit G, aha, gut, wie weiter?“
- „Ja red' ich chinesisch“, platzte Inge der Kragen, sie zog den Notizblock zu sich heran und forderte den Polizisten auf:
- „Jetzt geben Sie mir schon Ihren Stift!“

Ohne Widerrede reichte Müller ihr diesen, Inge schrieb in Druckbuchstaben Gangolfs Namen auf und setzte dazu: Wohnhaft in Wesserbarg.
- „Aha, schön, gut, geben Sie her, ich geb' das gleich in den Computer ein, denn was man im Kasten hat, kann nicht mehr verloren gehen!“
Mühsam tippte Müller Namen und Wohnort von dem Zettel ab.
- „Schreibsystem Methode Columbus“ murmelte Inge leise vor sich hin und unterdrückte den Impuls, einen lauten Schrei auszustoßen. Müller spitze indes die Ohren und anstatt sich auf seinen Computer zu konzentrieren, blickte er auf:
- „Was meinen Sie mit Columbus?“
Jetzt konnte sich Inge nicht mehr an sich halten und platzte hinaus:
- „Jeder Schlag eine Neuentdeckung!“

Müller fühlte sich geehrt und antwortete zufrieden:
- „Wir arbeiten hier gründlich und decken alles auf, nicht nur Neues.“
- 'O Mann, ist der blöd', dachte sich Inge und preßte dabei die Lippen zusammen, um nicht wieder vernehmlich zu werden.
- „Und der hat Sie vergewaltigt?“
- „Ja, auf der Insel im Röthener See.“
- „Aha, jetzt verstehe ich, deshalb die Anspielung mit Columbus. Also ich schreib jetzt: Herr Stumpf hat Frau Langohr auf dem See, äh, halt, auf der Insel, äh, in welchem See?“
- „Im Röthener See.“
- „Im Rödener See, mit weichem oder harten t?“
- „Mit t-h“
- „Im Röthener See, äh, was, ach so ja, also vergewaltigt.“
- „Vorgestern Nachmittags“, ergänzte Inge.

Müller suchte die Del-Taste, löschte den Punkt und ergänzte die Zeitangabe. Als er nach einer halben Ewigkeit den Satz fertig eingetippt hatte, blickte er vom Bildschirm auf, lehnte sich zurück und begann halblaut zu grübeln:
- „Röthener See, die Insel, ach ja, da war ich neulich mit so `ner Mieze, mit dem alten Brause, wegen so `ner doofen Kiste.“

Inge wurde hellhörig und fragte:
- „Was brummeln Sie da alles?“
- „Ach, nichts weiter, ich war neulich auf der Insel. Aber sagen Sie, was haben Sie da auf der Insel gesucht, da darf doch niemand hin?“
- „Ich schon, ich bin die Leiterin vom Referat Naturschutz im Umweltamt!“
- „Aha, ach ja, jetzt erinner' ich mich wieder, die war auch irgendwas vom Naturamt oder so, glaub' ich.“
- „Und da hatten Sie eine Kiste gefunden?“
- „Ja genau, und die war leer, stellen Sie sich `mal vor, da fahren wir extra mit so `nem Schnellboot auf die Insel, um dann bloß in eine leere Kiste zu glotzen, na ja, mir kann's gleich sein, ich war nur der Kapitän, die beiden wollten da `rüber unbedingt.“
- „Und wissen Sie mehr darüber, warum nach dieser Kiste gesucht wurde?“
- „Nee, oder warten Sie mal, ja, ich glaube, die Mieze, äh, Entschuldigung, die Frau, die hatte gemeint, da läg' `ne Menge Geld in der Kiste, aber die war bis auf den Boden leer, so total von leer, das können Sie sich gar nicht vorstellen.“

'So leer wie dein Hirn', dachte sich Inge, 'wenn du in meinem Amt wärst, hätte ich dich schon längst `rausgeschmissen!'
- „Ja und dann?“
- „Nichts weiter, wir sind wieder zurück, da gab der Motor seinen Geist auf, wir mußten zurückrudern.“
'Immerhin wird es dir nie passieren, daß du deinen Geist aufgibst,' dachte sich Inge weiter, 'dazu muß man nämlich erst einmal einen haben.'
Müller fuhr fort:
- „So viel ich weiß, ist das Ganze dann eingestellt worden.“
Inge nickte zufrieden und meinte:
- „Nun drucken Sie schon das Protokoll aus, damit ich es unterschreiben kann.“
- „Ach so, ja richtig, Moment bitte, ich hol' es gleich aus dem Drucker!“

Während Müller hinausging, überlegte Inge, ob es Sinn machen würde, mit diesem Beamten weiter über die Anzeige zu sprechen. Eigentlich wollte sie ihre Bluse aufknöpfen und in die Höhe ziehen, damit er die Brandflecken zu sehen bekam, doch sie beschloß, das ihrer Ärztin zu zeigen, aber nicht diesem beschränkten Beamten. Inge setzte handschriftlich Ort und Datum unter das Protokoll, das nur aus dem einzigen Satz bestand, und unterschrieb es.
- „Vergewaltigung ist ein Offizialdelikt und muß in jedem Fall verfolgt werden“, sagte sie sich, „da brauch' ich jetzt erst `mal gar nichts weiter zu Protokoll geben. Der Stumpf wird zwar widersprechen und dann steht es eins zu eins, die beschränkte Magda wird nicht viel sagen, und die Brandflecken sprechen ihre eindeutige Sprache, das kann der Stumpf nicht wegleugnen, da kriegt er ordentlich `was d`raufgebrummt, er hätt' ja besser aufpassen können, der Blödmann!“
Inge bedankte sich bei Müller für dessen einfühlsame Aufnahme der Anzeige und verließ mit einem Siegerlächeln das Polizeigebäude.

- „Katrin“, rief Müller zu seiner Kollegin, als er wieder im Empfangsraum angekommen war, „wir müssen sofort los und die Ermittlungen aufnehmen.“
- „Hab' ich da recht gehört, hat die Frau soeben eine Vergewaltigung gemeldet?“
- „Ja genau, auf der Insel in dem See war das. Wäre gut, wenn Du mitkommst!“
- „Ich kann jetzt nicht weg hier, hab Pfortendienst.“
- „Ruf doch den Nisselpriem an, daß ich dich brauch' als Frau, ist besser, daß du da mitkommst, soll halt ein anderer sich da `runtersetzen.“
- „Ja, gut, ich versuch's `mal.“

Mauser erzählte Nisselpriem von der soeben aufgenommen Anzeige, dieser war damit einverstanden, daß sie mit Müller sofort zu Gangolf fuhr, um keine Zeit zu verlieren. Die Spuren im Fall einer Vergewaltigung sollten so schnell als möglich festgestellt werden.
- „Fahrt schon mal hinaus, ich sehe mich um, wer den Dienst für heute weiter macht!“

Müller wartete, bis er vom Hof des Reviers auf die Hauptstraße gekommen war und fuhr mit dem Streifenwagen noch einige hundert Meter in der Kolonne des Straßenverkehrs. Als er sich weit genug von dem Polizeigebäude entfernt glaubte, betätigte er den Schalter für Blaulicht und Sirene.
- „Spinnst du, wir haben doch nicht Sonderrecht!“, rief Mauser ihn zu.
- „Sei kein Spielverderber, wann dürfen wir schon `mal auf Verbrecherjagd gehen!“

Müller genoß es, an die brav an den Straßenrand ausgewichenen Autos vorbeizudonnern, in rasanter Fahrt erreichten sie in wenigen Minuten Wesserbarg.
- „Jetzt schalt endlich die beknackte Sirene aus,“, schrie Mauser, „da fallen sonst die Kühe in den Ställen tot um.“
Als sie an das Ende der Dorfstraße angelangt waren, schaltete Müller endlich das Getöse ab, das Blaulicht ließ er indes noch angeschaltet.
- „Wo müssen wir überhaupt hin?“, fragte er seine Kollegin.
- „Ja du hast doch die Anzeige aufgenommen, nicht ich.“
- „Aber die hat keine Hausnummer genannt.“
- „O Mann, bist du doof“, konnte sich Mauser nicht mehr verkneifen. Sie ergriff das Funkgerät. Im Revier erreichte sie ihren Kollegen Meier.
- „Gangolf Stumpf“, wiederholte dieser und tippte dabei den Namen in den Computer ein, „Moment, Wesserbarg Nummer 47. Diesen Stumpf kenn' ich, ich kann mich erinnern, den haben wir schon `mal `ne Nacht hier gehabt, war eine komische Sache.“
- „Ach ja,“ antwortete Mauser, „ich erinnere mich, wegen vermutetem Diebstahl in Laukuv, war dann aber nichts d`ran.“
- „Der war schon `mal im Bau?“, erkundigte sich Müller.
- „Ja, wurde fälschlicherweise verdächtigt, in einen Keller eingebrochen zu sein.“
- „Heute kriegen wir ihn!“, feixte Müller.
- „Zuerst müssen wir sein Haus finden, wenn es nach dem Navi geht, müßten wir hier noch weiter, aber das Dorf ist hier zu Ende, kehr' nochmal um, damit wir die Hausnummern suchen, wir brauchen Nummer 47.“

Als sie die Dorfstraße zurückfuhren, schien das halbe Dorf auf den Beinen zu sein, der Weg des Polizeiautos mit dem blinkenden Blaulicht war von neugierigen Einwohnern gesäumt. Angestrengt versuchten Mauser und Müller, nach den Nummernschildchen Ausschau zu halten, einige entdeckten sie, andere waren durch Hecken verdeckt oder fehlten überhaupt. Sie sahen sich genötigt, die Dorfbewohner zu fragen, Mauser öffnete das Fenster und fragte den Nächststehenden:
- „Wo ist bitte das Haus mit der Nummer 47?“
- „47? Weiß ich nicht, ich hab' hier 8, und meine Nachbarn haben 6 und 10, und der gegenüber hat 9, hier geht alles der Reihe nach! Zu wen wollen Sie denn?“
- „Zu Stumpf. Gangolf Stumpf.“
- „Stumpf? Nee, kenn' ich nicht, wie war sein Vorname?“
- „Gangolf.“
- „Nee, gibt’s hier nicht.“

Mauser fragte weitere drei Bewohner des Dorfes, doch erhielt sie von allen die gleiche Antwort.
- „Und nun?“, fragte Müller kleinlaut, sein Siegesmut ist dahingeschmolzen.
- „Ich ruf' nochmal d'rin an“, ermutigte Mauser ihn. Kollege Meier meinte, daß Brause etwas über Stumpf wüßte; tatsächlich konnte Brause Auskunft geben:
- „Durch das Dorf durch und dann immer weiter auf dem holprigen Feldweg, dann kommt ihr nach gut zwei Kilometer zu einem einsamen Hof, dort wohnt er. Aber sagt, was wollt ihr denn von dem Stumpf?“
- „Wir gehen einer Anzeige nach gegen ihn.“
- „Aha, dann viel Erfolg!“

Brause runzelte die Stirn. 'Wer hat denn den angezeigt und wegen was?', grübelte er, doch er beschloß, sich nicht weiter darüber Gedanken zu machen, für ihn war der Fall Stumpf abgeschlossen, er wollte sich nicht nochmals blamieren, ihn wegen einer verschwundenen Kiste zu konfrontieren.
- „Sollen ruhig einmal die Jungen daran,“ sagte er sich und widmete sich wieder seinen Angelegenheiten, „und ich muß nicht immer alles wissen.“

Mit dieser Erkenntnis lehnte sich Polizeihauptmeister Brause zufrieden zurück und freute sich auf seine immer näher rückende Pensionierung.
- „Eigentlich schade“, sagte er sich weiter, „daß ich den Bankraub nicht aufklären konnte, zu gern wäre ich mit diesem Erfolg in den Ruhestand gegangen, aber man kann nichts erzwingen. Ich war so überzeugt, daß der Stumpf zumindest irgendwas damit zu tun hatte, nun je, jetzt hat er irgend eine Anzeige am Hals, geht mich nichts mehr an, mach's gut, Junge, und kümmer' dich schön um die arme Armdran!“

150. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 03.02.23 20:16

91

- „Sag' `mal, willst Du jetzt wirklich einen Achsbruch riskieren?“, rief Polizeihauptmeisterin Kerstin Mauser ihrem Kollegen am Steuer zu, der den Streifenwagen gnadenlos über den schlaglochübersäten Feldweg zu Gangolfs Haus fliegen ließ.
- „Paß' auf, da vorn kommt eine enge Kurve!“

Mauser stemmte sich am Armaturenbrett ab, Müller gelang es mit Mühe, die Kontrolle über das Fahrzeug zu behalten. Er verspürte erstmals seit langem wieder einmal Angst, doch überspielte er diese, indem er sein Gesicht zu einer dämlich grinsenden Fratze verzog. Als sie auf Gangolfs Hof einbogen, stand dieser im langärmlichen Neoprenanzug an der Scheune. Er wollte eine Kajak-Tour unternehmen, gab das Vorhaben aber auf, als er sah, wie im Westen düstere Wolken standen. Als er den Streifenwagen erblickte, dachte er sofort an Brause.
'Was will denn der schon wieder, hat der jetzt eine Tauchermannschaft auf den See hinaus gehetzt, um nach der Kiste zu tauchen?'

Müller und Mauser stiegen aus, Müller griff an sein Holster und zog die Pistole heraus.
- „Spinnst du jetzt vollkommen?“, ereiferte sich Mauser.
- „Vergewaltigung ist ein Verbrechen und wie der da einsam heraußen lebt, bin ich lieber vorsichtig!“

Mauser lief in schnellen Schritten auf Gangolf zu, um zu Müller Abstand zu gewinnen.
- „Guten Tag“, rief sie in Laufen, „sind Sie Herr Stumpf?“
- „Ja, das bin ich.“
- „Ich heiße Katrin Mauser“, stellte sich die junge Polizistin vor, „Polizeihauptmeisterin, wir möchten Ihnen ein paar Fragen stellen.“
Sie musterte Gangolf, wie dieser überrascht in seinem enganliegenden Neoprenanzug dastand und seinen Blick abwechselnd auf sie und auf Müller warf; Müller hatte mittlerweile seine Waffe wieder eingesteckt, nachdem er ärgerlich feststellte, daß sich seine Kollegin absichtlich in ein mögliches Schußfeld gestellt hatte.

- „Ja dann fragen Sie,“ ermunterte Gangolf die Herannahenden. Müller platzte ohne Umschweife heraus:
- „Wo waren Sie gestern?“
- „Gestern war ich mit Kriminalhauptrat Brause auf der Insel.“
Überrascht blickten sich die beiden Polizisten an, sie waren unfähig, auf seine Aussage zu reagieren. Gangolf fuhr weiter: - - „Ja was ist denn da so verwunderlich daran, Sie schauen ja g`rad so, als ob wir auf dem Mond gewesen wären.“
Mauser faßte sich wieder und antwortete:
- „Ach da war Brause schon bei Ihnen wegen der Sache.“
- „Ja, den halben Tag waren wir unterwegs, bis wir mit dem Elektrokahn von Röthen aus auf der Insel waren, und weil da nichts zu finden war, hatte er mir versprochen, mich jetzt endlich in Ruhe zu lassen, aber jetzt schickt er Sie her. Wollen Sie jetzt wirklich mein Haus auf den Kopf stellen wegen der blöden Kiste?“
- „Wegen was für einer Kiste?“ blaffte Müller. Mauser machte sich folgenden Reim:
'Da hat der Brause also sogleich die Initiative ergriffen und ruderte mit dem nichtsahnenden Stumpf auf die Insel, zum Tatort, und da finden sie offenbar nur eine Kiste. Und nun meint dieser Stumpf, der Brause habe sie heute nochmals hergeschickt.'

Bevor Gangolf sich zu der Kisten-Frage äußern konnte, ging Mauser in die Offensive:
- „Also viel wichtiger ist es für uns zu wissen, wo sie vorgestern waren.“
- „Ja richtig, „mischte sich Müller ein, „vorgestern hatten Sie eine Frau vergewaltigt, ob in der Kiste oder im Gras, jedenfalls auf der Insel.“
- „Was reden Sie für einen Mist daher“, ärgerte sich Gangolf und wollte sich entfernen. Müller knurrte ihn an:
- „Bleiben Sie stehen, wir reden mit Ihnen! Also wo waren Sie vorgestern?“
- „Ja, ich war auf der Insel.“
- „Und was haben Sie dort gemacht?“
- „Ich hab' ein T-Shirt geholt, das jemand dort verloren hat.“
- „Von wegen verloren hat, das Sie jemand vom Leib gerissen haben.“

Gangolfs Mine verfinsterte sich, Mauser hakte nach:
- „Und wem gehörte das T-Shirt, war das ihres oder das von der Frau?“
- „Ihres, sie zog es in der Mittagshitze aus, als sie die Kiste suchte, wegen der dann gestern Herr Brause gekommen war“, erklärte Gangolf.
- „Sie geben also zu, vorgestern auf der Insel gewesen zu sein und ein T-Shirt genommen haben, das einer Frau gehörte.“
- „Da gibt es nichts zuzugeben, ich war so freundlich, es zu holen, aber es war so durchgeschwitzt, daß sie es am Abend dann gar nicht anziehen wollte.“
- „Halten Sie uns für blöd?“, ereiferte sich Müller, als er Gangolfs Erklärung hörte, „Sie haben eine junge Frau auf der Insel vergewaltigt und haben dann ihr Shirt weggeholt, um die Spuren zu verwischen, so daß gestern der alte Brause auch nichts mehr fand!“
Gangolf starrte Müller entgeistert an.
- „Das sollte genügen, Sie sind festgenommen, Herr Stumpf!“

Gangolf schnürte es die Kehle zusammen, er war nicht fähig, ein Wort des Protestes über die Lippen zu bringen. Müller holte Handschellen hervor und ließ diese um Gangolfs Handgelenke hinter dessen Rücken zuschnappen. Die langen Ärmel der Neoprenjacke reichten weit über Gangolfs Hände fast bis zum Daumenansatz, so daß die Handschellen nicht direkt auf der Haut der Handgelenke auflagen, sondern auf dem Neoprensaum; die Schellen lagen dadurch gepolstert an.

Wortlos trotteten die drei zu dem Streifenwagen, Mauser öffnete die rechte hintere Tür, Gangolf wurde sich erstmals bewußt, wie schwer es war, mit auf den Rücken gefesselten Hände in ein Auto zu steigen. Fürsorglich hielt Mauser ihr Händchen an die Dachkante, um Gangolfs Kopf vor einem Aufschlag an dasselbe zu bewahren. Nachdem sich Gangolf auf die Rückbank fallen gelassen hatte, schlug sie die Tür zu, umrundete das Auto, stieg von der anderen Seite ein und kam auf diese Weise neben ihm zu sitzen. Müller betätigte den Türverriegelungsknopf für die hinteren Türen und ließ den Motor aufheulen. Gangolf konnte gerade noch erkennen, wie Magda besorgt aus dem Haus lief, indes konnte er ihr mit den auf den Rücken gefesselten Händen nicht winken. Mauser griff über ihn hinweg zu dem Gurt, zog das Gurtschloß über Gangolfs Bauch und steckte es in das Gegenstück, anschließend gurtete auch sie sich an.

Auf dem Feldweg angekommen raste Müller wieder durch die Schlaglöcher, als hätte er einen Off-Road-Jeep unter seinem Hintern.
- „Jetzt fahr' nicht wieder so schnell“, schrie Mauser ihren Kollegen vor ihr am Steuer an. Im selben Augenblick schlug ein Blitz aus den tiefschwarzen Wolken auf die Erde, alle drei saßen für einen Moment geblendet da. Müller trat vor Schreck mit aller Kraft auf die Bremse, im gleichen Augenblick grollte der Donnerschlag vom Himmel und ein gewaltiger Wasserstrom prasselte hernieder, als ob die himmlischen Schleusentore schlagartig geöffnet worden wäre. Unter diesen war nichts mehr zu erkennen; bevor der Scheibenwischer seinen ersten Wisch vollziehen konnte, schlingerte der Streifenwagen, kam vom Weg ab und landete im lehmig-matschigen Feldrain.

- „So, das hast du jetzt von deiner blöden Raserei“, schrie Mauser Müller an, „schon am Hinweg hatte ich dich vor der Kurve da gewarnt und jetzt stecken wir im Dreck!“
Mit einer lässigen Handbewegung legte Müller den Rückwärtsgang ein, doch nichts bewegte sich. Gleich wie er auch den Motor aufheulen ließ, die Räder rutschten in dem von Sekunde zu Sekunde anschwellenden Schlammbad; verzweifelt versuchte er es vorwärts, mit dem gleichen Ergebnis. Mauser wollte die Tür öffnen, um sich ein Bild über das Schlamassel zu verschaffen, indes saß sie genauso gefangen im Fond wie Gangolf.
- „Mach' schon die Türen hinten auf“ belverte sie nach vorn; wortlos betätigte Müller den Entriegelungsknopf, die Elektromagnete quittierten seine Bemühung mit einem leisen Knacken. Trotz des strömenden Regens sprang Mauser in das Inferno hinaus, zog sich die Schildmütze tief in's Gesicht und umrundete das Fahrzeug, während Müller immer noch versuchte, durch wechselweises Einlegen des Vorwärts- und Rückwärtsgangs den Karren aus dem Dreck zu bekommen. Die Räder gruben sich indes immer weiter in die Kuhle. Geistesgegenwärtig nutzte Gangolf die Gelegenheit, allein auf der Rückbank zu sitzen. Er beugte sich vor, so daß er mit den Fingern die Handschellen hinter seinem Rücken abtasten konnte. Müller war viel zu sehr mit seinen Bemühungen beschäftigt, den Wagen wieder flott zu kriegen, so daß diesem Gangolfs Verrenkungen nicht auffielen. Nach einigem Hin- und Herdrücken gelang es Gangolf, die Handschellen von dem Neoprenstoff herunterzuschieben, er preßte die Daumen so eng es ging unter die Finger und es gelang ihm, sich mit einem Ruck aus den Schellen zu befreien. Er schob sie schnell in die Brusttasche seines Anzugs, die gerade groß genug war, um die Eisen darin aufzubewahren.

Mauser stieg völlig durchnäßt nach vorne neben Müller in's Auto.
- „Da geht nichts mehr, laß' es bleiben“, teilte sie ihm mit, „ruf' lieber einen Abschleppdienst.“
- „Ich ruf erst `mal d'rin an, die sollen uns holen“, blaffte Müller. Er erreichte Meier, der von Niesselpriem eingeteilt worden war, Mausers Pfortendienst zu übernehmen.
- „Ich kann da hier nicht wech!“, bedauerte Kollege Meier, „soll ich den Brause fragen, sonst ist hier niemand da.“
- „Nee, laß' `mal, ich ruf' `nen Abschlepper“.
'Brause', dachte er, 'der hätte mir gerade noch gefehlt hier.'
Die Blamage von der Bootsüberfahrt zur Insel, vor allem dann wieder zurück, wo sie sich von einer Frau zurückrudern haben lassen, saß ihm noch schwer in den Knochen. Die Abschleppdienste winkten indes ab, durch das plötzlich niedergegangene Gewitter kam es zu einer Massenkarambolage auf der Autobahn, vor zwei Stunden konnte da keiner nach Wesserbarg hinausfahren.
- „Verdammt, so eine Scheiße“, fluchte Müller los. Gangolf wagte es, sich einzumischen:
- „Wir könnten meinen Golf holen, ich hab' ein Abschleppseil.“
- „Nee, nee, Sie sind unser Gefangener, schon vergessen?“
- „Jetzt halt' aber die Klappe,“ fauchte Mauser, „Herr Stumpf ist so freundlich und bietet Hilfe an, da brauchst du nicht so blöd reden!“

Müller belegte sie mit einem vielsagenden Blick und schmollte. Mauser wandte sich an Gangolf:
- „Und Sie würden das wirklich machen?“
- „Ja klar, genauso wie ich der Inge geholfen hab', als diese gestrandet ist.“
Mauser wußte zwar in dem Moment nichts mit dem Namen Inge in Verbindung zu bringen, nahm aber Gangolfs Angebot an. Müller grunzte:
- „Paß' bloß auf, daß er dich nicht auch noch vernascht!“

Wutentbrannt stürzte Mauser aus dem Auto und warf die Beifahrertür mit großer Wucht zu. Sie öffnete die hintere Tür, in ihrem Ärger über ihren Kollegen bemerkte sie nicht, wie geschmeidig ihr Gefangener sich ganz ohne Hilfe aus dem Fond herauswinden konnte. Als Gangolf ausgestiegen war, drückte er dreist mit einer Hand die Tür vorsichtig zu, so daß diese fast geräuschlos in's Schloß fiel, doch keiner der beiden Ordnungshüter bemerkte, daß sich ihr Gefangener der Handschellen entledigt hatte.

Mauser und Gangolf stapften los. Gangolf überlegte sich, daß sein Golf vermutlich noch am Brenner stand, in der Quarantäne-Burg, in welcher Martina und Bettina eingesperrt worden waren, und er konnte nur hoffen, daß Bettinas Elektrowägelchen stark genug sein würde, den Streifenwagen aus dem Dreck zu ziehen.
Augenblicklich war Gangolf bezüglich des Wetters eindeutig im Vorteil, er zog sich die Neoprenhaube über den Kopf und war damit gut gegen den Regenguß gewappnet, während Mauser in ihrem kurzärmlichen Hemd zu frieren begann. Sie mußte auch die Schirmmütze abnehmen und vor ihrer Brust halten, sonst hätte der böige Wind das Bekleidungsteil davongetragen.

Auf ihrem Marsch konnten sie sich kaum verständigen, der Wind pfiff ihnen stürmisch entgegen. Nach einer Weile bemerkte Mauser dann doch, daß es Gangolf gelungen war, aus den Handschellen zu entkommen, sie sagte indes nichts dazu. Als sie schließlich in Gangolfs Hof einbogen, war auch dieser froh, endlich angekommen zu sein, obwohl er im Vergleich zu seiner weiblichen Begleitung weitgehend trocken geblieben war.
- „Gehen wir erst einmal in's Haus“, sagte er und öffnete die Tür.
- „Magda, wir haben Besuch“, rief er sodann, „sei so gut und hol' der Dame etwas Trockenes zum Anziehen.“

Magda kam aus der Küche, erfaßte sofort die Situation, und noch ehe Mauser zu einem Protest ansetzen konnte, hatte sie schon warme Sachen aus ihrer Kammer herunter gebracht.
- „Da rechts ist das Bad, da können Sie sich umziehen“, wies Gangolf die schlotternde Beamtin an. Diese nahm dankbar Gangolfs Aufforderung an. Erst jetzt, nachdem sie in das Badezimmer verschwunden war, wagte Magda zu fragen:
- „Was ist denn passiert? Wo seid ihr so schnell da weggefahren?“
Gangolf sprach absichtlich mit lauter Stimme:
- „Ach Magda, weißt du, ich bin nämlich verhaftet!“
- „Waas?“, entgegnete Magda erstaunt, „warum denn das?“
- „Das weiß' ich auch nicht so genau, angeblich hab' ich vorgestern jemand vergewaltigt!“
- „Was redest du da?“
- „Ja, weil ich der Inge ihr T-Shirt von der Insel geholt hab, den total verschwitzten Hadern, wenn du dich erinnerst; und das ist der Grund, daß ich sie vergewaltigt haben mußte, so einfach ist die Polizeilogik.“
- „Ja und jetzt bist du wieder zurück. Seid ihr im Regen gelaufen?“
- „Ja, der Streifenwagen ist abgestreift und steckt im Matsch fest. Wir fahren jetzt mit dem Auto von der Bettina hin, daß wir den wieder herausziehen.“

- „Soll ich Kaffee machen?“ fragte Magda, ohne weiter in der befremdlichen Sache nachzubohren. In dem Augenblick kam Mauser aus dem Bad zurück.
- „Vielen herzlichen Dank, das tut so gut, was Trockenes wieder auf dem Leib zu haben, ich bring' Ihnen das gleich morgen wieder zurück, versprochen.“
- „Nur keine Eile“, entgegnete Magda, „also wie ist es jetzt mit was Warmen zu trinken?“
- „Eigentlich darf ich das nicht annehmen, ich bin im Dienst. Und dann sollten wir schnell wieder zu meinem Kollegen draußen zurückkehren.“

Gangolf bat darum, sich gleichfalls umziehen zu dürfen:
- „Im Neopren die ganze Nacht da wieder in Ihrer Zelle zu liegen, ist nicht so angenehm.“
Jetzt wurde es für Mauser zur Gewißheit, was sie schon ahnte:
‚Das war also tatsächlich der Mensch, der neulich in der Arrestzelle eine Nacht verbrachte, und den ich mit Meier aus Laukuv abholte, wo ihn Leute eines Diebstahls im Keller eines Wohnhauses beschuldigten.’
Da Mauser im Gedanken versunken schwieg, wartete Gangolf nicht länger und ging in das Schlafzimmer. Als er kurz darauf wieder in gewöhnlicher Kleidung auf den Flur trat, hörte er Mauser und Magda im angeregten Gespräch.
‚Die Magda hat sich ja wunderbar entwickelt, noch vor kurzem hätte sie den Mund nicht aufgebracht, wenn da eine Polizistin in’s Haus gekommen wäre. Aber stimmt, mit dem Brause hatte sie auch ganz normal geredet.’

Gangolf beschloß, nicht sofort in’s Wohnzimmer zu treten, sondern ging erst einmal in’s Bad. Er schloß die Tür nicht zu, sondern ließ sie einen Spalt breit offen, die Wohnzimmertür stand ganz geöffnet, so daß er das Gespräch zwischen den beiden Frauen mithören konnte:
- „Gangolf ist so ein guter Mensch, wissen Sie, er hat mich auf einen Motorradurlaub mitgenommen und auch zwei weitere Frauen waren dabei und auf dem Rückweg hat sich nochmals eine angeschlossen, er hat immer bezahlt und er hat uns immer in Ruhe gelassen, ich glaub’ fast, er ist vielleicht schwul!“

Gangolf traute seinen Ohren nicht, als er Magdas Worte vernahm, auch die Polizistin wurde hellhörig und machte sich ihren Reim darauf.
‚Die werden sich ja wohl nicht abgesprochen haben’, überlegte sie sich, ‚das kommt so ehrlich und natürlich herüber.’
- „Und Sie sind seine Frau?“, wollte Mauser wissen.
- „Nein, nein, ich heiße eigentlich Annelies Armdran, aber alle nennen mich Magda, paßt irgendwie besser, nein, Gangolf hat weder Frau noch Freundin, ich helfe ihm hier in seinem Haushalt, er ist so ein guter Mensch, wissen Sie, wie vorgestern, als diese Inge da plötzlich auf-tauchte.“

‚Jetzt redet die auch von dieser ominösen Inge’, kam es Mauser in den Sinn, doch sie ließ Magda weiter reden.
- „Ja und dann wollte die sich aus ihrem Keuschheitsgürtel befreien, fand aber ihren Schlüssel nicht, da hatte ihr Gangolf einen gegeben, aber den hat sie abgebrochen, sehen Sie, hier auf dem Fensterbrett, da liegt noch der Rest davon.“
‚Das wird ja immer verworrener’, dachte sich Mauser. Als in dem selben Moment Gangolf aus dem Badzimmer in’s Wohnzimmer zurückkam, sagte sie:
- „Ich glaube, wir sollten dann `mal aufbrechen, und wenn wir den Karren aus dem Dreck gezogen haben, unterhalten wir uns weiter, dann nehm’ ich auch gern eine Tasse Kaffee.“
- „Ja“, sprudelte es weiter aus Magda heraus, „ich kann Ihnen noch so viel erzählen, was wir mit Inge alles erlebt hatten, bis sie endlich aus ihrem Keuschheitsgürtel befreit war.“
- „Also gut, bis dann.“
Gangolf reichte Mauser seine Regenjacke, die auf der Garderobe im Flur hing.
- „Ach, Sie sind wirklich so ein aufmerksamer Mensch, vielen Dank!“

Müller saß mürrisch im Polizeiauto und hielt Zwiesprache mit seinem Smartphone. Gangolf holte den Spaten aus dem Auto, den er vorsorglich mitgenommen hatte, und schaufelte die Räder des Polizeiautos frei. Anschließend verband er die beiden Fahrzeuge mit dem Abschleppseil; es war nicht einfach, die schwere Karosse aus dem Schlamm zu ziehen, doch nach einigen Minuten war die Aktion erfolgreich beendet.

- „So jetzt aber los, stellen Sie ihren Wagen ab und dann herein mit Ihnen“, knurrte Müller.
- „Sie werden doch nicht im Ernst glauben, daß ich jetzt mein Auto auch da in den Matsch hineinfahre; ich kann mir nicht vorstellen, daß Sie dann die Güte haben werden, dann umgekehrt mich mit ihrem Polizeiauto herauszuziehen, sobald Sie mich wieder freigelassen haben.“
Mauser mischte sich ein:
- „Fahr’ schon mal los, ich fahr mit Herrn Stumpf zurück und befrage gleich seine Bekannte, was da vorgestern alles abgelaufen ist. Ist vielleicht ohnehin besser, wenn ich allein mit dieser netten Frau spreche.“
- „Und wie willst du zurückkommen?“
- „Und wenn ich zu Fuß gehen muß, würde ich das lieber machen, als mit dir und deiner Fahrweise nochmals im Graben zu landen!“
Mit diesen Worten gab sie Gangolf einen Wink und schickte sich an, in dessen Auto einzusteigen. Gangolf setzte sich gleichfalls in das Fahrzeug, wortlos beobachteten beide, wie Müller den Motor des Streifenwagens aufheulen ließ, indes nun wesentlich vorsichtiger von dannen fuhr.

- „Der hat echt ein Problem“, kommentierte Mauser Müllers Verhalten, „sein Auto ist jetzt wirklich ein Streifenwagen, voll von den Dreckstreifen, sehen Sie `mal, wie der jetzt aussieht!“
Gangolf betrachtete belustigt das braungestreifte Fahrzeug, das sich Richtung Wesserbarg entfernte; er wagte es nicht, auf dem matschigen Wegesrand umzudrehen, sondern zog es vor, die gesamte Strecke im Rückwärtsgang zurück zu fahren. Nun drängte es Mauser doch, ihn zu fragen:
- „Sie müssen mir das nicht sagen, aber neugierig bin ich doch: Ist damals da noch was herausgekommen wegen des angeblichen Diebstahls in Laukuv, in dem Keller dort in dem Wohnhaus?“
- „Nein“, antwortete Gangolf und konzentrierte sich weiter auf das Rückwärtsfahren, „aber bitte reden wir dann drinnen weiter, ist gar nicht so einfach, auf dem aufgeweichten Matsch da mit den rieseigen Schlaglöchern zu fahren.“
- „Ja, das glaub’ ich, bin schon wieder still.“

Als sie in das Haus traten, waberte ihnen das starke Aroma des Kaffees entgegen.
‚Wann werde ich endlich wieder zur Ruhe kommen?’ fragte sich Gangolf, ‚eine Aufregung nach der anderen, das kann doch nicht ewig jetzt so weiter gehen!’
Er konnte sich freilich nicht im mindesten vorstellen, daß die wahren Aufregungen noch vor ihm liegen würden.

151. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 10.02.23 20:02

92

- „Kundenservice Neosteel“, meldete sich Anita mit stets fröhlicher Stimme, „was kann ich für Sie tun?“
- „Hier spricht Möpsus; ich möchte mit Herrn oder Frau Lende sprechen!“
- „Hallo Frau Möpsus, schön, daß Sie anrufen, ja, also die Geschäftsleitung ist augenblicklich nicht zu sprechen, aber vielleicht kann ja auch ich Ihnen weiterhelfen, oder soll ich etwas ausrichten?“
- „Hm, nein, ich muß schon mit den Lendes selber sprechen, sagen Sie ihnen, sie sollen mich anrufen, aber möglichst bald, es geht um viel Geld.“

Als Reinhold Lende von seinem benachbarten Schreibtisch aus hörte, daß eine Frau Möpsus anrief, wurde er hellhörig; er überlegte: 'Das wird doch nicht etwa die Petra Müpsus sein, die Geschäftsführerin des kleinen, aber feinen Konkurrenten aus Hessen.'
Er stand auf und gab Anita mit einem Wink zu verstehen, ihm den Hörer zu reichen.
- „Moment, Frau Möpsus, gerade kommt Herr Lende!“
- „Reinhold Lende hier.“
- „Petra Möpsus von Neosteel, guten Tag.“
- „Ja was denn, was denn, was denn, was verschafft mir die Ehre?“
- „Mach' es nicht so theatralisch, Herr Doktor, wann hast Du `mal Zeit demnächst, wir müssen Euch dringend wo treffen.“
- „Mach's du nicht so spannend, habt ihr wohl auch einen Anruf aus Berlin gekriegt?“
- „Ja klar, also was hältst du davon, wenn wir uns in euerer Richtung wo treffen, ist Montabaur in Ordnung?“
- „Ja, jetzt wart' `mal kurz, ich schaue kurz nach, dann machen wir doch gleich einen Termin.“

Die Geschäftsführer der beiden Unternehmen hatten sich schnell auf einen Termin geeinigt; noch in der selben Woche verständigten sie sich zu einem Mittagessen.
- „Das Problem ist nur das“, fuhr Reinhold Lende fort, „hier in Rheinland-Pfalz kriegen wir nichts mehr, wir müßten nach Nordrhein-Westfalen fahren, da spinnen sie noch nicht so herum.“
- „Ja, bei uns hier in Hessen doch auch, das kam von Bayern her, die müssen dort schon mit Gasmasken herumlaufen, die Ärmsten, das ist kein Spaß, das haben die von ihrem Schnöder, den sie so himmelhochjauchzend gewählt haben. Also gut, weißt du da was in Nordrhein, ist ja nicht mehr so weit von euch weg entfernt vom Westerwald, nehm' ich an?“
- „Wart' `mal, laß mich überlegen, in Uckerath gibt es ein tolles Wirtshaus, mit bayrischer Küche, ich glaub', das liegt schon d'rüben!“

Reinhold drehte die Sprechmuschel des Telephonhörers nach hinten und wandte sich an seine Büroangestellte:
- „Anita, würdest du bitte schnell `mal nachseh'n, ob das bayrische Wirtshaus in Uckerath offen hat?“
- „Ich kann auch später nochmals anrufen“, quäkte Petra durch das Telephon, als sie hörte, daß ihr Gesprächspartner mit dessen Sekretärin sprach.
- „Nein, nein, das haben wir gleich, alles was schätzungsweise nicht länger als drei Minuten dauert, soll man sofort erledigen, sonst geht das wieder dauernd hin und her.“
- „Da hast du recht,“ antwortete Petra und überlegte, ob ihr Gesprächspartner vielleicht bald ein Geschäftspartner werden könnte.
- „Ja, wir haben Glück“, verkündete Reinhold, „machen wir übermorgen, wann paßt es euch, so gegen Eins?“
- „Ja klar, wir richten uns ganz nach euch, aber sag', wo ist denn das Ucker-Dings, wie hieß das gleich?“
- „Uckerath, das ist gleich an der Autobahnausfahrt Siebengebirge, also auf der A3 Richtung Köln.“
- „Ja, schön, danke, also bis übermorgen dann in Uckerath, bayrisches Wirtshaus, so gegen Eins.“

Kaum hatte der Geschäftsführer von Neosteel das Gespräch mit der Konkurrenz beendet, forderte er seine Bürokraft auf:
- „Anita, erkundige dich bitte gleich nach der Bilanz von den Möpsusen, ob die immer noch so im Bastlerbereich vor sich hin dümpeln.“
- „Und wie soll ich das machen, mich nach der Bilanz erkundigen?“
- „Na ganz einfach im Bundesanzeiger.“
- „Haben wir den irgendwo?“
- „Im Internet natürlich, geh' auf Bundesanzeiger.de und such' dort unter My-Steel.“
- „Und da steht das einfach so im Internet?“
- „Ja klar, als Unternehmer sind wir völlig gläsern, kann jeder einfach von jedem Ort zu jeder Zeit nachsehen, wie wer dasteht, zumindest ab einem gewissen Jahresumsatz.“

---

Zur gleichen Zeit begrüßte Bundeskanzlerin Prank-Barrenkauer in knappen Worten die Kabinettsmitglieder und kam ohne Umschweife auf das Thema des Tages, das alles beherrschte, es mutierte längst zum Thema des Jahres, das Thema Condoma-Virus. Anstelle das Wort an Gesundheitsminister Scham gegeben zu haben, wandte sie sich an dessen Staatssekretär, welcher als Sprachrohr des unter Hemmungen leidenden Scham fungierte.
- „Sie wollen also allen Ernstes an den sogenannten Keuschheitsgürteln festhalten,“ wandte sich Prank an Doktor Unwohl, „daß Infizierte so einen Gürtel zwangsweise tragen müssen?“

Umweltministerin Graumaus lachte sich im Stillen in's Fäustchen, denn diesen Vorschlag hatte sie schon vor Wochen gemacht; sie hatte sogar ihren Keuschheitsgürtel im Anschluß an eine Kabinettssitzung zur Schau gestellt, als sie auf dem Flur ihren weiten Sommermantel öffnete, unter welchem sie außer dem glänzenden Eisen nichts weiter anhatte.

- „In England hat sich das bewährt“, fuhr Unwohl fort, „alternativ werden die Infizierten an das Bett gefesselt in speziellen Krankenhaus-Isolierstationen.“
Prank wußte nicht recht, wie sie nach dieser Antwort weitermachen sollte. Die Wortmeldung der Justizministerin Juxa kam ihr sehr gelegen:
- „Das sind aber doch sehr bedeutende Einschränkungen der Freiheitsrechte, glauben Sie wirklich, daß wir die durch das Parlament kriegen?“
Innenminister Schneehoffer antwortete:
- „Ich meine schon, wie ich bereits früher sagte, daß wir nicht zögerlich vorgehen sollten, nicht wie damals, bis wir mit den Gesetzen und Verordnungen soweit waren, hat sich das Corona-Virus überall hin ausgebreitet; wenn wir also uns einig sind, daß solche strengen Maßnahmen erforderlich sind, dann müssen wir diese flächendeckend in der ganzen Bundesrepublik einführen.“
Unwohl entgegnete:
- „Aus medizinischer Sicht müßte man jedweden Geschlechtsverkehr für eine bestimmte Zeit verbieten, andererseits ist mir schon klar, daß man solch ein Verbot natürlich überhaupt nicht überwachen kann und zudem den tiefsten Einschnitt in die menschlichen Rechte überhaupt darstellten.“

Ein Raunen ging durch den Sitzungssaal.
- „Was meinen Sie, wie uns die Presse zerreißen wird, wenn die Wind kriegen von solchen Beschlußvorlagen!“, antwortete Prank.
Staatssekretär Gscheid vom Auswärtigen Amt belferte in seiner ihm typischen Art:
- „Regierung verbietet das Vögeln!“
Nun platzte es Graumaus heraus:
- „In knappen Worten auf den Punkt gebracht!“

Im Saal entstand eine allgemeine Unruhe, Prank ließ die Anwesenden gewähren, bis sie schließlich wieder das Wort ergriff:
- „Herr Unwohl, wie sieht es eigentlich aus, hatte aus ihrem Ressort schon jemand Kontakt aufgenommen mit den Herstellern von diesen Keuschheitsgürteln, ob die überhaupt auf die Schnelle liefern können und was die kosten sollen?“
- „Ja, haben wir“, entgegnete Unwohl, „das ist tatsächlich eine wichtige Frage, denn wenn wir Erfolg haben wollen mit dieser sehr einschränkenden Maßnahme, dann müssen natürlich alle Infizierten sofort mit solch einem Gerät belegt werden, denn wenn es nur wenige einzelne bekämen, ist die gesamte Aktion letzten Endes wirkungslos.“
- „Ja und, was kam dabei heraus, wieviele Hersteller gibt es denn überhaupt, was sagen die dazu?“
- „In Deutschland haben wir zwei, Moment, mir fallen die Namen jetzt nicht gleich ein, irgendwas mit >Steel<“
.- „Neosteel und My-Steel“, gab Graumaus Nachhilfe.

'Woher die als Umweltministerin das weiß?', fragten sich einige der Anwesenden und Kulturstaatsminister Professor Siebenklug fühlte sich mit Grauen bestätigt, daß die Firmenbezeichnungen in Deutschland immer englischsprachige Namen haben mußten.
- „Beide Hersteller schienen über die Menge der benötigten Einrichtungen überrascht zu sein, sie sprachen von Einzelanfertigungen, die sie bisher produzieren, in Handarbeit, und über den Preis wollten sie noch überhaupt keine Angaben machen.“
- „Da muß man den Herstellern auch etwas Zeit einräumen“, mischte sich Wirtschaftsminister Fettmeier ein, „die können nicht die Produktion in kürzester Zeit hochfahren.“

Graumaus meldete sich zu Wort; beinahe hätte sich die Kanzlerin verplappert, konnte es sich gerade noch verkneifen, diese aufzufordern mit den Worten: 'Ja bitte, Ulla.'
- „Was ist mit den Chinesen, die produzieren doch alles in Mengen!“
- „Ob die auch solche Keuschheitsgürtel herstellen?“ fragte Unwohl zurück, und er fragte sich dabei im Stillen, warum diese junge Ministerin anscheinend da Fachwissen besäße.
- „Ja klar, schauen Sie `mal in's Internet, die Chinesen stellen auch supergute und teuere Modelle her und können die sofort liefern, vermutlich aus Großproduktion.“

Gscheid wollte schon herausplatzen, warum diese sich als Umweltministerin für die Produktion von Keuschheitsgürteln befaßte, konnte seinen Impuls dann doch noch unterdrücken.
- „An welche Mengen dachten Sie eigentlich?“, ergriff Prank wieder das Wort.
- „Äh, meinen Sie mich?“, blickte Unwohl auf, und als er Pranks Nicken sah, sagte er:
- „Wir dachten daran, bis Ende des Jahres eine Million solcher Dinger zu haben.“
- „Ein strammer Zeitplan für die Produktion,“ entgegnete Fettmeier, „wie sieht es eigentlich mit der Finanzierung aus, ich könnte mir vorstellen, daß diese Teile nicht ganz billig sind, sie müßten ja wohl höchsten hygienischen Standards genügen.“
- „Kein Problem,“ konterte Finanzminister Schmollz, „wir haben Hundert Millionen Euro eingeplant für medizinische Maßnahmen.“
- „Hundert Millionen“, erwiderte Graumaus, „da werden Sie aber nicht weit kommen, „mit einem Tausender pro Stück werden Sie schon rechnen müssen, das sind dann ja keine billige Spaßdinger für Sex-Spiele, sondern ernsthafte Fesselmaterialien aus Edelstahl und Silikoneinlagen, hochwertigst hergestellt, mit Schlössern, die wasserfest sein müssen und so weiter.“

Keiner der Anwesenden wagte Graumausens Sachverstand anzuzweifeln, Prank fürchtete, daß sich Ulla entblößen könnte und einen praktischen Anschauungsunterricht vorführen würde. Diese dachte genüßlich an den Besuch von Inge, mit der sie neulich eine heiße Nacht in Keuschheitsgürteln verbrachte.
‚Die war schon ganz extrem d’rauf’, erinnerte sie sich, ‚die hat doch glatt den Schlüssel so weit entfernt versteckt, daß sie sich doch tatsächlich nicht auf die Schnelle befreien konnte.’

Unwohl meldete sich nach einer kurzen Gesprächspause zu Wort:
- „Nachdem Kollegin Graumaus sich da anscheinend bestens auskennt, möchte ich vorschlagen, daß wir ihr die Fragen rund um die Beschaffung dieser Dinger überlassen.“
Unwohls Vorschlag fand breite Zustimmung, Gscheid sprach halblaut vor sich hin:
- „Da kann sie ja gleich als Versuchsobjekt herhalten.“
Sein Sitznachbar schlug ihn mit dem Ellenbogen in die Seite. Ulla Graumaus hingegen freute sich auf die hoheitliche Beauftragung, dennoch wiegelte sie zum Schein ab:
- „Also nein, nur weil ich mich da `mal früher damit befaßt hatte, bin ich da längst nicht Expertin.“
- „Keine Ausflüchte,“ entgegnete indes Kanzlerin Prank, denn sie kannte Ullas Vorlieben nur zu gut, „lassen Sie sich von Doktor Unwohl alle Unterlagen geben, die er diesbezüglich bereits hat und dann fühlen Sie den deutschen Herstellern auf den Zahn, sonst gehen wir zu den Chinesen.“

‚Warum nicht die chinesischen’, überlegte sich Ulla, ‚die sind wirklich gut, meiner ist auch aus China’. Ulla ahnte natürlich nicht die fatalen Folgen, welche die Spezialanfertigungen aus Fernost für die infizierten Zwangsträger in Deutschland haben würden.

152. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 17.02.23 19:46

93

Als die ermittelnde Polizistin, Hauptmeisterin Mauser, den letzten Schluck aus der Kaffeetasse genommen hatte, fühlte sie sich wieder richtig aufgewärmt und von dem Aroma des Kaffees innerlich gestärkt. Sie sagte zu der ihr gegenübersitzenden Magda und zu dem neben ihr sitzenden Gangolf:
- „Ich schlage vor, daß ich mir jetzt erst einmal von Ihnen, Frau äh“,
- „Armdran“, half ihr Magda darauf, „aber sagen Sie einfach Magda zu mir.“
- „Gut, Magda, also daß ich jetzt mit Ihnen allein in die Kellerwerkstatt gehe, von der Sie gesprochen haben, und da lasse ich mir von Ihnen das alles genau zeigen, was sich da vor zwei Tagen mit der ominösen Inge alles zugetragen hatte, danach frage ich dann auch Sie, Herr Stumpf, wie das aus ihrer Sicht alles gelaufen ist.“

Magda war sichtlich angetan von der Aufgabe, bei polizeilichen Ermittlungen mitzuwirken.
‚Das einzige, was schief laufen könnte’, überlegte sich Gangolf, als die zwei nach unten gingen, ‚daß sie sich verplappert mit dem Italien-Urlaub, sie darf doch nicht den Landkreis verlassen.’

Gangolf schaltete den Computer ein und besuchte die Seiten des KG-Forums.
- „Es war schon ein richtig geiler Anblick, wie die Inge dagestanden ist mit ihrem Dings da“, sagte sich Gangolf und tippte sich bei den Berichten zu den verschiedenen Typen von Keuschheitsgürteln durch.
‚Ist eigentlich schon ein Wahnsinn, was es alles gibt,’ dachte er, ‚Handschellen-Forum, Keuschheitsgürtel-Forum, gibt’s irgend `was, dazu es noch kein Forum gibt?’

Angeregt folgte Gangolf den Verweisen auf die Herstellerseiten, ‚My-steel, Neosteel’, las er staunend und klickte sich durch die reich bebilderten Angebote.
- „Puh“, rief er aus, „sind schon richtig teuer“, doch war ihm durchaus bewußt, daß maßgefertigte Qualitätsprodukte ihren Preis haben. Darüber hinaus war auch von chinesischen Keuschheitsgürteln die Rede, die über Amazon angeboten wurden.
- „Hey, die haben ja eine riesige Auswahl“, rief Gangolf aus, als er die Vielzahl von Abbildungen auf dem Bildschirm gewahrte.
‚Die schönen Modelle, wo das beste Stück richtig gut versteckt d’rinn steckt, die kosten aber auch ein’ Haufen Geld’, stellte er staunend fest und kam wieder zu dem KG-Forum zurück. Seitenweise fand er Testberichte, über Qualität, Alltagstauglichkeit und Langzeit-Trageeigenschaften, über Hygiene und Verschlußarten. Gerade als er den Mauszeiger auf das Schließen-Kreuzchen positioniert hatte, las er beiläufig die Überschrift eines Beitrags: >Latowski-Gürtel<.
Er zog die Maus zurück und klickte aus unerfindlichen Gründen auf die betreffende Bildschirmzeile. Eigentlich schwirrte ihm bereits der Kopf vor lauter Informationen zu Hüft- und Schrittbändern, Silikoneinlagen, Urinal- und Polöchern.

‚Ist die Menschheit noch zu retten?’ fragte sich Gangolf gähnend und betrachtete staunend die sich öffnende Homepage.
- „Machen Sie sich bitte frei!“, las Gangolf die fünf Worte in großen Buchstaben, die unterhalb eines Bildes geschrieben standen, auf welchem zwei Damen in weißen Kitteln und grünen Gummihandschuhen dem Lesenden einen auffordernden Blick zuwarfen. Die eine der beiden strengen Damen hielt ein seltsames Teil dem Betrachter entgegen; Gangolf gelang es erst auf dem zweiten Blick, darin einen aufgeklappten Keuschheitsgürtel zu erkennen. Verwundert mauste er herum, doch fand er keine Schaltfläche. Schließlich klickte er in das großflächige Bild, im Nu verschwanden die Dominas und ein sich drehendes hochglänzendes Edelstahlteil blinkte ihm entgegen.
- „Wow“, entfuhr es ihm, atemlos versuchte Gangolf das sich drehende Edelteil mit seinen Blicken einzufangen.
‚Das soll ein Keuschheitsgürtel sein’, fragte er sich, ‚nicht zu fassen, sieht eher nach einem Slip aus, nach einer Badehose aus Metall.’
Links und rechts fand Gangolf Buttons, die er staunend entzifferte:
>Genitalienkammer, Verschluß/Preis, Tragezeit, Im Alltag, Entwicklungsbericht, Maßnehmen, Material, Hygiene, Hüftbleche, Reizstrom<

- „Ja seh’ ich recht“, rief Gangolf verwirrt aus, „kann das denn wahr sein, les’ ich das wirklich?“
Er las weiter: >Analdildo, Wie komme ich an den KG?<
Gangolfs kleiner Mann meldete sich zwischen den Oberschenkeln und mahnte zur sofortigen Handlung, wild entschlossen klickte Gangolf auf den letzten Button und las:
>Wie komme ich an diesen KG ?
ganz einfach:
• Anruf unter der Tel.-Nr.: ... Hier kannst du einen Termin vereinbaren... <

- „Mann“, rief Gangolf erstaunt aus, „das klingt so richtig einladend und persönlich, gar nicht so steril-distanziert.“
Es folgte eine Adresse bei Dortmund, darnach gab es weitere Angaben:
>Die Wegbeschreibung kannst du dir mündlich erklären, faxen, mailen oder mit der Post zuschicken lassen  oder hier ausdrucken.
• Bei uns angekommen, ziehst du einen Sportdress über, der hier für dich bereit liegt.
• Darüber wird ein Stahlmuster zum Schnüren angelegt, in dem du schon mal das Tragegefühl spüren kannst.
• Jetzt werden Änderungen notiert und skizziert.
• Per Augenmaß wählst du die gewünschte Kammergröße aus.<

- „Das gibt’s doch nicht“, stammelte Gangolf weiter und wiederholte das Gelesene:
- „Ein Stahlmuster zum Schnüren angelegt, in dem du schon mal das Tragegefühl spüren kannst. Ist ja irre! Und was soll das heißen: >Per Augenmaß wählst du die gewünschte Kammergröße aus.<“

Gangolf kam aus dem Staunen nicht mehr heraus, ‚das ist eine Homepage, wie sie sein muß, richtig fesselnd!’
Er erinnerte sich, daß er eingangs etwas von einer Kammer gelesen hatte; er klickte zurück und kam prompt wieder zu dem sich drehenden hochglanz-blitzenden Edelmetallteil, das von den verschiedenen Buttons eingerahmt wurde.
- „Da“, rief er aus, „Genitalienkammer. Was ist denn das?“
Staunend las er:
>Penis und Hoden liegen, vor Zugriffen geschützt, in einer Innenkammer aus hochwertigem Silikonkautschuk, dessen Oberfläche sich wie natürliche Haut anfühlt... Drei Kammergrößen stehen zur Auswahl, aus denen du dich nach Augenmaß für eine entscheidest. Die kleine Größe hat den geringsten Röhrendurchmesser. Willst du bei einer Erektion den Gegendruck spüren, wäre das die richtige Wahl. Für die Hoden ist eine separate zweigeteilte Kammer vorgesehen ...<

Gangolf ergötzte sich an den Bildern, er scrollte nach unten, betrachtete das aufwendig versteckte, mit Edelstahl umschlungene Schloß, dann aber auch den stolzen Preis, der darunter genannt wurde. Noch immer konnte er sich nicht richtig vorstellen, wie dieses teure edle Ding getragen werden sollte, er scrollte noch weiter abwärts und da, unter Zubehör, stand er da, der Mann mit dem v-förmigen Metall an seiner Vorderfront.

‚Ein gewaltiges Gerät’, sinnierte Gangolf begeistert, ‚nicht einfach ein Gürtel, vielmehr eine Hose!’
Atemlos scrollte Gangolf auf und ab, begeisterte sich an den Bildern, las die einfachen, klar geschriebenen Texte.
- „Anscheinend gibt es da nur das eine Modell da“, sagte er sich, „aber was für eines das ist, dieses oder sonst nichts, eigentlich die einzig wahre Einstellung, keine Kompromisse, echte edle Handarbeit nach Maß!“

Für Gangolf stand fest, daß so ein Ding her muß, er widerstand indes dem Drang, sofort zum Telephonhörer zu greifen und anzurufen.
- „Gut Ding muß Weile haben“, sagte er sich und beschloß, die Sache mindestens über einen Zeitraum von einigen Tagen reifen zu lassen, „nur nichts überstürzen, so geil das Teil auch aussieht!“
Gangolf wechselte zum KG-Forum zurück und fand einige Berichte über den Latowski. Auch außerhalb des Forums fand er im Internet erstaunlich viele Trägerberichte. Sie fielen überwiegend positiv aus, lediglich das Sitzen auf harten Sitzflächen wurde beklagt.

-„Ist ja auch verständlich“, sagte sich Gangolf und holte sich nochmals die Aufnahme des Latowskis her, die denselben von hinten zeigte, „man sitzt da total auf dem Eisen d’rauf, während die anderen Gürtel so ein Schrittband haben, das sich in die Pofurche zwängt. So ein Teil hatte die Inge, na ja, ob das wirklich bequemer ist?“
In den verschiedenen Berichten wurden die Besonderheiten des Latowski-Gürtels gepriesen: Stromstöße könnten auf den Penis gegeben werden, ferngesteuert über Funk, und dann unweigerlich ein Analdildo, der auf einer Stange über dem Poloch montiert werden könnte, ohne daß man den Gürtel dazu öffnen müßte.

- „Darauf kann ich aber wirklich verzichten“, brummelte Gangolf und kam zu der Latowski-Seite zurück.
‚Da stand doch `was von Reizstrom’, versuchte er sich zu erinnern und nach kurzem Suchen fand er die betreffende Schaltfläche.
- „Das ist ja wirklich nicht zu glauben“, sagte er sich, „dieser Latowski muß ja ein genialer Techniker sein, durch und durch, schon allein, solch ein edles dreidimensionales Teil herstellen zu können, aus Edelstahl, ist höchste Schmiedekunst, und dann jetzt auch noch mit integrierter Elektrik!“

Staunend las Gangolf, was sich da ganz einfach vor ihm zeigte:
>Mit dem Funkempfänger der Reizstromkammer hat deine Herrin, selbst über größere Reichweite, die Kontrolle über dich. Der Sender verfügt über 9 Impulsstufen ... Du kannst Kurzzeit - und Dauerimpulse empfangen. Die Impulsstärke (maximal 80 mA Gleichstrom) wird über Plus - und Minustaste geregelt. ... Die Kontaktfläche, über die der Stromimpuls auf dich übertragen wird, befindet sich in der Penisröhre. Der Empfänger verbirgt sich innerhalb der Silikonkammer und kann von deren Außenseite (die am Metall anliegt) zum Laden der Akkus herausgenommen werden. ...<

Gangolf war dermaßen mit der Lektüre vertieft, daß er nicht bemerkte, als seine beiden Damen aus dem Keller in die Wohnung heraufgestiegen waren und diese zunächst unschlüssig im Flur unter der Tür zum Wohnzimmer stehen blieben. Erst als die Polizistin den Raum betrat und ihm über die Schulter sah, fuhr Gangolf erschrocken herum und errötete unaufhaltsam, denn Mauser und Magda konnten nun ungehindert auf den Bildschirm blicken.

- „Entschuldigen Sie bitte,“ bedauerte die junge Polizistin, „ich wollte Sie nicht erschrecken; wie ich sehe, studieren Sie gerade irgend etwas Elektrisches, das ist ja auch ihr Beruf!“
Erleichtert stellte Gangolf fest, daß der gezeigte Bildschirmausschnitt der Internetseite tatsächlich keine verräterische Spur, keine Peinlichkeiten darstellte, sondern nur den Satz:
> Die Verbindung vom TENS - Gerät zur Reizstromkammer wird über einen eingelassenen Stecker, an der Außenseite der Kammer, hergestellt und kann nur im aufgeschlossenen Zustand betätigt werden.<
Auch die umgebenden Bilder zeigten lediglich das Silikongehäuse, ich welchem sich das männliche Ding einfügen mußte, während von dem eigentlichen Gürtel nichts zu sehen war. Gangolf gewann die Fassung zurück, dennoch fiel es ihm schwer, sich auf die Befragung zu konzentrieren, die Mauser nun mit ihn durchführen begann. Im Geiste war er bei dem Latowski, es ging ihm nicht aus dem Sinn, wie es diesem Mann gelang, eine solche Maßanfertigung herzustellen. Mausers Fragen interessierten ihn dagegen überhaupt nicht, mit Mühe gelang es ihm, das Aufschneiden von Inges Keuschheitsgürtel zu beschreiben, auch das Holen des Schlüssels und des T-Shirts von der Insel. Die Polizistin schien indes mit seinen Ausführungen durchaus zufrieden gewesen zu sein, anscheinend stimmten diese mit den Aussagen von Magda überein.

- „Bin ich jetzt immer noch verhaftet, muß ich wieder in die kalte Zelle?“ fragte Gangolf am Ende der Befragung.
- „Nein, das nicht, aber ich muß Sie auffordern, sich hier in der Nähe aufzuhalten die nächsten Tage, also nicht weiter weg zu verreisen.“
- „Das kann ich gut versprechen“, antwortete Gangolf, „ich will ohnehin nirgends wo hin.“
Noch beim Aussprechen dieser Worte ertappte er sich bei der Lüge, denn seit ein paar Minuten wußte er genau, wohin er sobald wie möglich wollte.










153. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von modex am 18.02.23 22:05

Was für eine unerwartete weitere Wendung. Chapeau!
154. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 24.02.23 21:12

Schauen wir weiter, ob Gangolf seinen neuen Traum ausleben wird, ob er überhaupt noch in der Lage dazu ist...
Dir, Modex, und allen Lesern wünsche ich Gute Unterhaltung!



94

- „Guten Tag, Frau Langohr, hier spricht Polizeihauptmeisterin Kerstin Mauser; Sie hatten eine Anzeige erstattet wegen Vergewaltigung, wann können wir uns treffen, um darüber zu sprechen, wie sich das genau zugetragen hat?“

Inge Langohr war verdutzt, sie dachte, bereit alles auf dem Polizeirevier gesagt zu haben.
- „Hallo, sind Sie noch d’ran?“, fragte Mauser, als sie keine Antwort bekam.
- „Ja, ja, ich bin nur etwas überrascht, denn ich hatte bereits alles Ihrem Kollegen gesagt, Müller, glaub’ ich, hieß der Beamte.“
- „Das war im Grunde nur die eigentliche Anzeige, ich muß da schon noch etwas in’s Detail gehen, wann paßt es Ihnen, ich würde gern zu Ihnen kommen.“
- „Ja, also egal“, stotterte Inge, „kommen Sie morgen Nachmittag?“
- „So um drei?“
- „Ja, gut, also bis morgen dann, Frau Langohr!“

Dienststellenleiter Nisselpriem bat seine beiden jungen Ermittler in sein Dienstzimmer. Als er erfuhr, daß Gangolf der Beschuldigte war, rief er auch Brause hinzu. Dieser begrüßte die Anwesenden in seiner trockenen Art:
- „Was, der Stumpf schon wieder, was hat er denn nun ausgefressen?“
Sein Kollege, Polizeiobermeister Müller, antwortete:
- „Er hat Frau Langohr vergewaltigt!“
- „Moment, Moment, langsam“, ergriff Nisselpriem das Wort, „Frau Langohr hat ihn angezeigt, Kollege Müller hat die Anzeige entgegengenommen.“

Nun war es Müller, der Nisselpriem in’s Wort fiel:
- „Ich nahm das Protokoll auf und Frau Dings, Frau Langohr hat es unterschrieben“!
- „Ein Protokoll, das nur aus einem einzigen Satz bestand!“, konterte Mauser.
- „Aha, und der wäre?“, wollte Brause wissen.

Mauser las vor und überreichte es ihm anschließend:
- „Herr Stumpf hat Frau Langohr im Röthener See, auf der Insel, vergewaltigt, vorgestern Nachmittag.“
- „Und das ist alles?“, fragte Brause weiter.
- „Ja“, ergriff nun Müller das Wort, „steht alles da, kurz und bündig.“
- „Und was sagt der Stumpf dazu, habt ihr ihn schon befragt?“, interessierte sich Brause weiter.

Mauser antwortete:
- „Ich habe zunächst seine Bekannte befragt, ohne seinem Beisein, anschließend ihn, beide berichteten von einem, sagen wir `mal ungewöhnlichen Vorfall, den Vorwurf der Vergewaltigung stritt Stumpf vollkommen ab, auch seine Bekannte konnte sich nicht vorstellen, daß er je einer Frau etwas zu Leide tun könnte.“

Nisselpriem wollte von Müller wissen:
- „Was ist Ihr Eindruck, Kollege Müller?“
- „Äh, ja, also ich war bei der Befragung nicht dabei, ich hab’ bloß die Anzeige aufgeschrieben von Frau Nissel, äh, Frau Langohr.“
- „Ich dachte, Sie beide sind zu dem Stumpf hinausgefahren?“, setzte Nisselpriem nach.

Mauser wollte ihrem Kollegen die Peinlichkeit mit dem steckengebliebenen Polizeiauto ersparen, doch kam sie jetzt nicht umhin, von der Begebenheit zu berichten.
- „Und dann sind Sie nicht zusammen mit Ihrer Kollegin zu Stumpf zurückgekehrt?“, echauffierte sich der Dienststellenleiter. Die Polizistin entgegnete:
- „In der Situation entschied ich, daß ich lieber allein zum Stumpf-Hof zurückkehrte.“

Brause konnte sich nur zu gut vorstellen, wie sich das mit seinem Kollegen Müller zugetragen hatte, unwillkürlich kam ihm die unglückliche Kahnfahrt mit der Naturschützerin Bär in den Sinn.
Mauser fuhr fort:
- „Und ich möchte morgen auch lieber allein zu der Langohr fahren, zu der erst recht, da möchte ich eigentlich keinen männlichen Kollegen dabei haben, für morgen Nachmittag haben wir uns verabredet.“

Nisselpriem nickte und griff nochmals Müllers Mißgeschick auf, aus welchem Gangolf ihn befreit hatte:
- „Das war natürlich eine prima Gelegenheit für den Stumpf, seine Unschuld und seine Menschenfreundlichkeit unter Beweis zu stellen, das darf aber uns nicht täuschen, daß er weiterhin als Beschuldigter gilt. Noch hat er keine Beweise geliefert für seine Unschuld.“

Mauser sah sich genötigt, Gangolf in Schutz zu nehmen, obwohl sie neutral-sachlich bleiben wollte:
- „Frau Langohr hat aber auch noch keinen Beweis vorgelegt, daß er es war.“
- „Stop“, mischte sich Brause ein, „nicht Stumpf oder Langohr müssen Beweise liefern, das ist schon unsere Sache zunächst, wir ermitteln, soll dann der Staatsanwalt entscheiden, was er d’raus macht.“
- „Moment, Moment,“ mischte sich Nisselpriem wieder ein, „wir machen höchstens die allererste Befragung, und wenn es sich herausstellt, daß vermutlich eine schwere Straftat vorliegt, geben wir den Fall an die Kriminal-Kollegen in Kaiserswuselhausen ab. Das wird auch hier so sein, sollte die Langohr dabei bleiben, daß sie vergewaltigt wurde. Also bitte, Kollegin Mauser, fahren Sie zu Frau Langohr und schauen Sie einmal, was Sie von Frau zu Frau sich zu sagen haben."
- „Ja, das werde ich tun und dann geben wir die Sache ab, so oder so.“

Die Gesprächsrunde löste sich auf, Mauser und Müller erhoben sich, um das Zimmer des Chefs zu verlassen.
- „Einen Augenblick noch“, bat Brause, „eines solltet ihr noch wissen: Als ich gestern mit dem Stumpf auf der Insel war, um mit ihm nach der verdammten Kiste zu sehen, die gar nicht mehr da war, da hatte ich mitten auf der Insel das Handy von Frau Langohr gefunden, und wie es der Zufall will, kam uns diese mit einem Paddelboot entgegen. Als ich ihr ihr Handy überreichte, sagte sie jedoch keinen Ton davon, daß sie von dem Stumpf vergewaltigt wurde, sie schien ihm nicht einmal böse gewesen zu sein, im Gegenteil, ich hatte den Eindruck, sie lächelten sich einander zu. Auf jeden Fall waren sie per Du.“
- „Das ist in der Tat sehr merkwürdig“, meinte Mauser, „ich werde ihr morgen auf den Zahn fühlen und den Bericht dann den Kollegen nach Wuselhausen schicken.“
- „Ja, tu’n Sie das“, bekräftigte Nisselpriem sie, „aber vorher lassen Sie mir den lesen, bitte.“

---

- „Hallo, wie geht’s?“, begrüßte Reinhold Lende das in die Gaststube eintretende Ehepaar Möpsus, erhob sich artig und setzte ein strahlendes Lächeln auf.
‚Du falscher Hund’, dachte sich Steffen Möpsus grimmig, ‚das geht ja schon wieder gut los. Auch seine Frau Petra mochte nicht die übertriebenen Schmeicheleien, die nun Lende zum Besten gab. Sie antwortete mit einer Gegenfrage:
- „Wo ist denn Astrid?“
- „Die hatte nicht recht Zeit heute, ich hoffe, ich bin euch ein ausreichender Gesprächspartner.“

Steffen grollte innerlich, doch ihm war klar, daß der Kleinere zum Größeren bittstellend gehen muß und nicht umgekehrt. Es ärgerte ihn, daß er von Anfang an, vor über zwanzig Jahren, auf eine solide Finanzierung seines Betriebs gesetzt hatte und entsprechend auf langsames Wachstum. Sein Konkurrent indes, dem er jetzt am Mittagstisch gegenübersaß, ging risikobereiter in das Rennen, verschuldete sich kräftig, zu dessen Glück ging die Rechnung auf, dank Internet war die Vermarktung kein Problem.

- „Na, wie läuft euer neuer Premium-Gürtel?“, wollte Lende wissen und setzte dazu wieder seine abscheuliche Grins-Grimasse auf. Möpsus ließ sich nicht provozieren und konterte mit einer Gegenfrage:
- „Und wie euer neuer Masterpiece?“

Der Kellner kam mit den Getränken und rettete insofern die Situation, daß die gegenseitig gestellten Fragen nach dem Erfolg der jeweiligen Neuentwicklungen unbeantwortet in Raum stehen bleiben konnten.
- „Also dann `mal Prost“, forderte Lende seine beiden gegenübersitzenden Kontrahenten auf.
- „Ja zum Wohl“, ergriff Petra das Wort und ihr Glas, „doch sprechen wir jetzt doch lieber gleich für das Wichtigste, warum wir hier zusammensitzen.“

Steffen bemerkte sofort, daß sich seine Frau verhaspelte und damit ihre Nervosität zeigte. Deshalb fuhr er an ihrer Stelle fort:
- „So wie ich das sehe, ist das Wichtigste jetzt, daß wir uns einig werden, wie wir denen in Berlin gegenüber treten.“
- „Ja, daran hab’ ich auch schon gedacht“, entgegnete Lende und schlug in seiner Stimme den sachlichen Ton eines Geschäftsführers an.
- „Was mir Sorge bereitet“, fuhr er fort, „was sich die da alles vorstellen, der Gürtel soll absolut ausbruchsicher sein, dazu höchst hygienisch zu tragen unter Dauereinschluß, dann mit einem einheitlichen Schließsystem und zudem ganz schnell millionenfach produziert werden.“
- „Ja genau, dabei haben wir schon gesagt, daß wir auf Qualität wert legen und jedes Teil in Handarbeit in Kleinserie gefertigt wird, nicht am Fließband. Habt ihr auch über Preise gesprochen?“

Nun gelang es Lende nicht länger, seinen nichtssagenden Gesichtsausdruck zu wahren, sondern setzte wieder sein hämisches Grinsen auf:
- „Nee, nee, nichts dergleichen, müssen das erst `mal gründlich durchkalkulieren, die Preise für die Spitzenmodelle wissen die genau, können das von allen Herstellern im Internet erfahren, liegen bei euch genauso wie bei den unseren Gürteln bei die 1500 Euro, übrigens auch die guten von den Chinesen, die von den Amazonen hier unter’s Volk gebracht werden.“
- „Ja richtig“, entgegnete Möpsus, „das hat uns so ein Staatssekretär oder so ein Wichtigtuer gar damit gedroht, wenn wir nicht bis Jahresende eine Million liefern könnten, da würden sie auch bei den Chinesen anfragen.“
- „Das Schlimme ist“, antwortete Lende, „die produzieren tatsächlich in Massen, und dazu auch gute Dinger.“
- „Die sind dann aber auch richtig teuer. Also wir haben dem Menschen vom Ministerium gesagt, er soll uns die Produktionsanlage finanzieren, mit der wir die Gürtel in Großserien bauen können, so wie damals den Impfstoffherstellern, daß die ihre Produktion überhaupt erst richtig aufbauen konnten.“
- „Und geholfen hat die ganze Impferei wenig“, entgegnete Lende, „kaum hatten sie genug Stoff, hat das Virus mutiert und es ging wieder von vorne los.“
- „Stimmt schon“, pflichtete ihm Möpsus bei, „aber Reinhold, laß’ uns doch über eine Strategie reden, wie wir der Regierung entgegentreten können bei der Produktionsfrage. Immerhin sind wir gegenüber den Impfstoff-Leuten von damals im Vorteil, daß wir unsere Produkte dann nicht mehr dem Mutationsgeschehen anpassen müssen.“
- „Da hast du recht, Steffen. Wir werden -“

Möpsus hielt mitten im Satz inne, als der Kellner mit den Salaten an den Tisch trat.
- „Oh, wie schön“, begeisterte sich Petra und dankte dem Kellner, „fangen wir doch schon `mal an.“
- „Ja klar, guten Appetit“, entgegnete Lende.
- „Also ich warte für meinen Teil auf die Hauptspeise“, rechtfertigte sich Möpsus, „denn wenn ich jetzt gleich den Salat `reinhaue, dann bin ich gleich voll.“
- „Aber bitte, gerne, kannst’ uns gleich einmal deine Vorstellungen erzählen, während wir unsere Vitamine zu uns nehmen.“

Tatsächlich gelang es Möpsus, seine Überlegungen darzulegen, während seine Frau neben ihm und Lende gegenüber sich am Salat gütlich taten. Als letzterer mit dem Salat fertig war, ergriff dieser die Serviette und das Wort:
- „Wißt ihr eigentlich, wer diese Probegürtel geliefert hat, wart ihr das?“
- „Welche Probegürtel?“, fragten unisono Petra und Steffen.
- „Na die Dinger für die Notstandsübungen, die landauf landab überall gehalten wurden für die Behörden.“
- „Also ich weiß davon nichts“, entgegnete Petra und ihr Mann forderte Lende auf:
- „Erzähl’ uns was davon, ich weiß darüber nichts, Notstandsübungen sagst du, klingt ja interessant!“
- „Ja, ist wahrscheinlich geheim, aber die können das nicht durchgehend geheim halten, es ging dabei darum, daß die Behörden sich auskennen müssen, der Bevölkerung die Gasmasken auszugeben und zu erklären, wie das funktioniert. In Bayern haben die die Verordnung schon, die Ärmsten müssen mit dem Gummizeug vor der Schnauze herumlaufen überall in der Öffentlichkeit.“
- „Das haben wir auch gesehen in den Fernsehberichten, die haben natürlich viel mehr Probleme mit dem Condoma von den Urlaubsrückkehrern aus Italien und so, da muß das ganz schlimm sein. Aber was hat das mit den Keuschheitsgürteln zu tun?“
- „Ja, das ist so eine Sache“, grinste Lende bis hinter die Ohren, „aber sagt es bitte, bitte, nicht weiter.“
Vielsagend blickte er in die Runde, suchte jeden Winkel des Gastraums ab, erst als er sich eingehend überzeugt hatte, daß niemand zuhören konnte, beugte er sich über den Tisch und tuschelte zu seinen Konkurrenten:
- „Es gab bei den Notfallübungen auch eine Übung mit KGs, wie man die anlegt und so, also da ist `was Großes im Kommen, d’rum wollen die ja noch in dem Jahr eine Million haben, wahrscheinlich werden alle Infizierten dann zwangsweise in einen gesteckt.“

Petra und Steffen blickten sich erstaunt an, dann fragte Petra nach:
- „Und da haben die bereits Übungen mit Probegürteln gemacht, die brauchten dann aber doch auch etliche dafür. Wer hat die denn geliefert?“
- „Ja das wollte ich gern von euch wissen, also von uns haben die sie nicht, und von euch anscheinend auch nicht.“
- „Nein, da gab es keine Anfrage, das hätten wir mitgekriegt.“
- „Das ist der Vorteil bei euerem Laden, daß ihr da alles noch mitkriegt, was läuft. Ist bei uns leider nicht mehr so, aber so einen Großauftrag, das wär’ mir oder Astrid schon noch aufgefallen.“
‚Großspuriger Angeber’, dachte sich Steffen, ließ sich indes seinen Ärger nicht anmerken. Er fragte:
- „Also wie gehen wir vor?“
- „Wir nehmen jetzt erst `mal unseren Schweinebraten ein, oder was ihr euch bestellt habt“, antwortete Lende und vollführte mit dem Kopf eine Bewegung Richtung Küche, aus welcher der Kellner mit drei Tellern herausjonglierte.
- „Also ich krieg’ eine Schweinelende“, entgegnete Steffen.
- „Lieber `ne Schweinelende als eine Reinhold Lende, ich laß mich nicht vernaschen.“

Das Ehepaar Möpsus zwang sich zu einem Lachen, Steffen konterte:
- „Mag ja sein, daß du lieber Möpse hättest als Möpsus, aber so heißen wir nun einmal.“
Lende fiel es wesentlich leichter in ein Gelächter auszubrechen, er wünschte guten Appetit.

Am Ende der Mahlzeit waren sich die Kontrahenten einig: Sie würden vor Beginn der eigentlichen Preisverhandlungen mit der Bundesregierung den Aufbau einer automatisierten Produktionsstätte mit Finanzmitteln aus dem Staatshaushalt fordern. Dazu kämen die Entwicklungskosten für ein einheitliches Schließsystem, das für die Träger unter keinen Umständen zu überlisten wäre. Erst wenn diese Voraussetzungen geklärt sein würden, könnte man in die Preisverhandlungen für die Gürtel treten. Als Ausgangswert einigten sich Lende mit den Möpsus’ auf einen grob geschätzten Richtpreis von tausend Euro bei einem Rahmenvertrag von einer Million.

Petra Möpsus meinte zwar, ob tausend Euro nicht doch vielleicht etwas zuviel seien bei der riesigen Abnahmemenge, aber die beiden Männer wiegelten sofort ab:
- „Dann sollen sie bei den Chinesen bestellen.“
Keiner der drei ahnte, daß diese Option Wirklichkeit werden sollte, nachdem die Probegürtel bereits einwandfrei geliefert worden waren.

Daß sich der Chinese indes eine arglistige Bosheit einfallen lassen würde, geradezu ein kontraproduktives Mittel bezüglich der Eindämmung des Condoma-Virus’, das konnte sich freilich niemand auch nur im Entferntesten vorstellen.

155. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von modex am 24.02.23 23:40

Wieder einmal ein gelungener Teil mit eleganten Assoziationen zu dem, was China&Co. sonst so mit der Welt anstellen.
156. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 03.03.23 23:07

"Elegante Assoziation", danke, sehen wir weiter, was noch alles kommt!

95

Inge Langohr gestand sich ein, daß sie sich im Grunde genommen den ganzen Tag auf nichts anderes konzentrieren konnte als auf den angekündigten Besuch der Polizistin. Immer wieder ging sie im Gedanken durch, was sie jener sagen wollte, vor allem, wie sie die Vergewaltigung glaubhaft zu machen gedachte, indem sie der Polizistin die Brandblasen rings um ihre Taille zeigen wollte. Inge malte sich ein hübsches Sümmchen an Schmerzensgeld aus, das ihr zugesprochen werden würde; daß dabei dieser liebe Gangolf unschuldigerweise in das Gefängnis müßte, das bereitete ihr keine Skrupel.
- „Da hat er einfach Pech gehabt, wird nicht so schlimm werden für ihn, hätte er mich bloß nicht so gedemütigt und mit seiner Fragerei alles aus mir herausgepeßt.“

Als es endlich soweit war, daß Polizeihauptmeisterin Kerstin Mauser an der Haustür läutete, war Inge erleichtert; endlich war die Warterei zu Ende. Kaum hatte sie die Polizistin in’s Wohnzimmer hereingebeten, knöpfte sich Inge auch schon die Bluse auf und entblößte dadurch ihre Taille.
- „Sehen Sie nur, was mir der Kerl angetan hat!“, rief sie mit gestelltem Zorn der ihr gegenüberstehenden Beamtin zu.

Mauser trat einen Schritt näher, konnte indes zunächst keine Absonderlichkeiten auf Inges entblößtem Leib feststellen. Inge bemerkte den gleichgültigen Gesichtsausdruck ihres Gegenübers; sie neigte ihren Kopf, um nun auch ihrerseits die freigelegte Stelle zu betrachten. Erstaunt stellte sie fest, daß von den Brandblasen fast nichts mehr zu sehen war. Mauser bemerkte Inges Erstaunen, nach ein paar Sekunden der Stille ergriff sie das Wort:
- „Darf ich `mal das Ganze von hinten sehen?“

Inge vollzog die Körperdrehung in gleichen Moment, in welchem Mauser sich gleichfalls umwandte und um jene herumging, so daß sich beide wieder gegenüber standen. Aus der Situationskomik heraus begannen die beiden jungen Beamtinnen ein zaghaftes Lachen.
- „Also jetzt bleiben Sie steh’n und ich geh’ wieder zurück“, sagte Mauser und begab sich an den vorigen Standort.
- „Ja tatsächlich“, fuhr sie fort, „hier über dem Steißbein, das sieht ja nicht gut aus, da haben Sie eindeutig Brandblasen.“
- „Das war noch bis heut’ früh viel schlimmer, überall, auch vorne herum, überall, wo der Verrückte mich in so einen Keuschheitsgürtel gefesselt hat und beim Durchschneiden mit so einer höllisch lauten und vor allem heißen Trennmaschine hat er mich da überall verbrannt.“
'Das werden vermutlich die Druckstellen gewesen sein, verursacht durch das Einspannen in dem riesigen Schraubstock’, überlegte sich Mauser, doch sie sagte nichts dazu, sondern meinte beschwichtigend:
- „Eins nach dem anderen, jetzt setzen wir uns erst einmal, und dann fangen Sie der Reihe nach von vorne an, wie was geschah.“
Und im Gedanken fuhr sie fort: ‚Einen Kaffee könntest du mir aber schon anbieten oder wenigstens ein Glas Wasser!’

Inge redete und redete, Mauser hatte größte Mühe, ihrem Schwall zu folgen. Immer wieder machte sich die Polizistin stichwortartige Notizen. Nach einer Weile hob sie entmutigt die Hand und rief:
- „Stop, Frau Langohr, mir schwirrt schon der Kopf, darf ich jetzt `mal zusammenfassen, was ich bisher verstanden habe, ob das so stimmt: Sie sind also am Vormittag mit einem Ruderboot, also mit einem Kajak genauer, das Sie sich von Herrn Stumpf geliehen hatten, auf die Insel gerudert. Was machten Sie dort, welchen Grund gab es, dorthin zu gelangen?“
- „Das will ich aber nicht sagen und das tut auch nichts zur Sache“, konterte Inge.
- „Eigentlich schon, denn wie Sie erst recht als Beamtin des Umweltamts wissen, als Leiterin der Naturschutzbehörde, ist es normalerweise niemand gestattet, dort einen Fuß hinzusetzen. Aber gut, lassen wir das vorerst beiseite. Sie waren also zunächst allein auf der Insel, bis dann Herr Stumpf auftauchte.“
- „Ja, genau, der kam mir anscheinend mit seinem Rennkajak nachgerudert, ohne daß ich ihn bemerkt hatte. Wahrscheinlich wartete er so lange, bis ich auf der Insel an Land ging.“
- „Und auf der Lichtung mitten im Wald dort ist er plötzlich vor Ihnen aufgetaucht und hat Sie überfallen. Hat er zuvor etwas gesagt?“
- „Nein, weiß ich nicht mehr, irgend was wird er schon gesagt haben, jedenfalls nutze er schamlos aus die Einsamkeit dort, wo niemand was sehen konnte.“
- „Hm, gut, also schlimm für Sie, natürlich, wie ging es dann weiter, wann kam dann dieser ominöse Keuschheitsgürtel in’s Spiel?“
- „Ja, äh, also ich glaub’ gleich danach, da hat der den wo hergezogen.“
- „Ich kenn’ mich da überhaupt nicht aus mit so `n Zeugs, erzählen Sie mir bitte ein bißchen, wie das funktioniert.“
- „Haben Sie so ein Teil noch nie in der Hand gehabt?“
- „Nein, also erst neulich, vorgestern, als ich bei Herrn Stumpf war, da hat er mir den gegeben, so zerschnitten hingen da Metallbänder herum, ich konnte mir nicht vorstellen, wie man so ein Ding am Körper trägt.“
- „Äh, ja, das lernten wir bei der Notfallübung in der alten Kaserne da, ich weiß jetzt nicht mehr, wie das hieß, mußtet ihr da nicht auch hin als Polizeibeamten?“
- „Ja, durchaus, da sind wir Leidensgenossinnen gewesen. Was anderes, sollten wir nicht zum Du wechseln?“
- „Gerne, ich wollte das auch schon vorschlagen, Inge.“

Inge reichte die Hand, die Polizistin ergriff sie.
- „Kerstin, wie du ja wahrscheinlich schon weißt.“
Kerstin war froh, auf diese Weise einen Schritt weiter gekommen zu sein, um Inges volles Vertrauen zu gewinnen.
- „Und da habt ihr irgendwas mit Keuschheitsgürteln erfahren?“, wunderte sich Kerstin.
- „Eigentlich war das nur für die von den Gesundheitsämtern, aber ich blieb noch da und mußte dann prompt als Versuchskaninchen herhalten.“
- „Für was als Versuchskaninchen?“
- „Na für die Übungen mit dem verdammten Keuschheitsgürtel. Ich sach’ dir, da kamen alle, also zum Glück nur Frauen, ich mußte mich nackt auszieh’n und die nahmen dann diese blöden Dinger und legten die mir nacheinander alle um.“
- „Uff“, stieß Kerstin aus, „das mußtest du über dich ergehen lassen?“
- „Ja, mehr oder weniger, also wenn ich mich entschieden gewehrt hätte, wäre ich wohl schon davon gekommen, aber na ja, ich ließ sie machen.“
- „Hm, ist ja eine irre Geschichte, kaum zu glauben.“
- „Das kannst du mir aber glauben, Kerstin, das war so!“
- „Ja, ja, zweifelsohne, freilich, warum sollte ich das nicht glauben. Ich bin nur vollkommen überrascht, daß es so `was gibt. Nun, dann kanntest du ja wenigstens schon, was der Stumpf da mit dir machte mit so einem Teil.“
- „Ja, das war ganz gemein von ihm, da wollte er sein Verbrechen an mir vertuschen.“
- „Sag’ `mal, war das so ein Keuschheitsgürtel, wie du ihn bei dieser Übung hattest oder war das ein ganz anderes Modell?“
- „Äh, ach so, ja weiß ich nicht mehr, ich glaub’, die sind alle ähnlich.“
- „Gut, und dann mußtest du mit dem Keuschheitsgürtel um deinen Leib zurückrudern. Kam da der Stumpf auch mit, also hat der dich begleitet?“
- „Der ist mit seinem Schnellboot voraus und hat nur gelacht: >So, den Schlüssel hab’ ich, also kommst du schön brav zu mir vorbei, du schuldest mir noch die Leihgebühr für das Kajak.“
- „Oh, er hat dir also gedroht, daß er dich in dem Metallkäfig eingesperrt ließe, wenn du nicht bezahlst?“
- „Ja, so ist es.“
- „Und hast du dann bezahlt?“
- „Ja klar.“
- „Und dann hat er versucht, den Gürtel aufzuschließen?“
- „Ja, und da ist ihm der Schlüssel abgebrochen.“
- „Wo war das, in seinem Haus?“
- „Ja, im Wohnzimmer, und dann hat er mich gepackt und in den Keller gezerrt.“
- „Aha, und dann erfolgte die Befreiungsaktion mit der lauten Flex.“
- „Ja, ich glaub’, so nennt man diese Höllenmaschinen.“
- „Und seine Freundin war auch mit dabei?“
- „Die hat mich fortwährend mit eiskaltem Wasser abgespritzt, es war die Hölle.“
- „Warum denn das?“
- „Zur Kühlung, hat er dauernd gesagt, und ich sollte aufschreien, wenn es zu heiß wird, da flogen die Funken, kann ich dir sagen, die haben mich in eine Motorradlederjacke gesteckt und ich mußte so einen dämlichen Helm aufsetzen, zum ersten Mal in meinem Leben.“
- „Immerhin bist du dann von weiteren Brandwunden verschont geblieben mit dieser Schutzausrüstung. Und hast du dann nicht gerufen, daß er aufhören soll, als es dann offensichtlich da hinten so heiß geworden ist, daß heute noch die Brandflecken zu sehen sind?“
- „Nein, ich hab’ es mir verkniffen, ich wollte, daß es endlich schnell `rum ist, endlich `raus aus dem verdammten Eisengefängnis.“
- „Kann ich gut verstehen, du mußt Höllenqualen erlitten haben, zuerst die Vergewaltigung auf der Insel, dann mußtest du noch zurückrudern und dann auch noch das dann.“
- „Du sagst es.“
- „Aber sag’ `mal was anderes: Bei welchem Arzt oder Ärztin warst du, denn die Kriminalkollegen in Kaiserswuselhausen wollen sicher den Befund haben für ihre Akten.
- „Äh, ach, also nein, ich war da bei niemanden, was sollten die auch schon machen?“
- „Ja natürlich eine gründliche Untersuchung, daß wir anhand von den Spermaspuren den Täter überführen können.“
- „Aber das steht ja eindeutig fest, in meinem Fall, ich kannte ja diesen Stumpf, da gibt’s doch nicht die geringsten Zweifel.“

Inges Stimme wurde immer erregter.
- „Außerdem hab’ ich das alles schon zu Protokoll gegeben.“
- „Ich weiß, bei dem Kollegen Müller. Gut, dann kommen wir zum Abschluß. Du darfst gerne jetzt eine Weile für dich `was machen, ich brauch’ sicherlich eine Zeit, bis ich das jetzt hier alles aufschreibe und dann lesen wir das gemeinsam durch, ob ich das alles so richtig aufgeschrieben habe.“

Inge belegte Kerstin mit einem erstaunten Blick und fragte:
- „Mußt du das jetzt wirklich alles aufschreiben?“
- „Ja klar, das ist die Grundlage für weitergehende Ermittlungen der Kriminalpolizei dann. Vergewaltigung ist kein Kavaliersdelikt, den Fall müssen wir so oder so an die Kollegen in Wuselhausen abgeben, damit die dann in’s Detail gehen.“

Inge blickte Kerstin sprachlos an, nach einigen Sekunden der Stille ergriff sie das Wort:
- „Und ich dachte, das wäre jetzt hiermit alles geklärt, was sollen die da noch weiter ermitteln und in’s Detail gehen. Aber gut, also ich geh’, jetzt erst `mal in die Küche und mach’ mir `nen Tee. Möchtest du auch einen?“
- „Ja gerne, danke sehr aufmerksam!“ antwortete Inge.
‚Im Gegenteil, sehr unaufmerksam’, dachte sie sich, als sie ihre Worte aussprach, ‚und welchen willst du machen? Fragt man nicht zuerst den Gast?’

Als Inge mit zwei Tassen zurückkam, war Inge gerade fertig geworden, das Gehörte auf das Papier zu bringen. Ihre Handschrift wurde gegen Ende des Berichts immer unleserlicher. Sie trennte das durchschreibende Papier von dem Schreibblock und überreichte es Inge.
- „Was, das soll ich alles lesen?“
- „Ja, das wird es doch bei euch im Amt auch geben, daß ihr Berichte schreibt oder auch Aussagen eines Verfahrenbeteiligten aufnehmt.“
- „Ja, ja, immer so ein lästiges Zeug.“
- „Immerhin bringst du mit deiner Aussage hier einen Menschen mehrere Jahre hinter Gittern.“
- „Immerhin hat er mir sehr weh getan, zuerst auf der Insel, dann in seinem Keller, ich hoffe, es springt dann wenigstens eine großes Schmerzensgeld für mich dabei heraus.“

‚Aha, daher weht der Wind’, dachte sich Kerstin, ‚zum Glück kann ich den Fall einfach abgeben und muß mir keine Gedanken weiter machen, wer von den beiden jetzt seine Geschichte erfunden und erlogen hat.’

- „Muß ich das also jetzt wirklich unterschreiben?“, empörte sich Inge.
- „Allerdings“, entgegnete Kerstin leicht genervt, „andernfalls kriegst du gleich eine Vorladung nach Kaiserswuselhausen, und ich könnte mir vorstellen, daß die da nicht so viel Geduld und Verständnis aufbringen.“
- „Hey, ich bin das Opfer, schon vergessen, und nicht der Täter.“
- „Ist mir schon klar, beruhige dich bitte, ich sagte ja nur, was geschähe, wenn du da meinen Bericht nicht unterschreibst, das ist ein amtliches Protokoll, eine Aussage, im Prozeß vor Gericht wird dann Aussage gegen Aussage stehen, darum ist es wichtig, daß wir das hier möglichst genau alles niederschreiben und festhalten, und das werden dann die Kriminal-Kollegen auch noch tun.“

Ohne zu Ende gelesen zu haben, kritzelte Inge ihren Namen unter den Schriftsatz und schob den Papierbogen mit einem verächtlichen Seufzer zu Kerstin hinüber. Diese unterschieb dann ihrerseits, trennte den Durchschreibbogen ab, reichte diesen Inge und steckte das Dokument in ihre Tasche.
- „So“, sprach sie, derweil sie aus der Tasche die Folien mit der Fingerabdrucktusche herauszog, „dann können wir zum Abschluß noch zum Fingerabdruck kommen.“
- „Was?!“, schrie Inge auf, „meine Fingerabdrücke, nein, das laß’ ich nicht zu, ich laß’ doch nicht alles mit mir machen!“
- „Inge“, versuchte Kerstin mit gedämpfter Stimme zu beschwichtigen, „Inge, bitte, es muß sein, wie können die Kriminalbeamten denn sonst beweisen, daß auf dem Gürtel und auf dem abgebrochenen Schlüssel nur seine Fingerabdrücke sind und damit der als einziger als Täter in Frage kommt.“
- „Du glaubst mir also doch nicht, daß ich eindeutig den Gangolf, ah, den Stumpf, wollte ich sagen, daß der Stumpf also mich vergewaltigt hat, warum glaubst du mir das nicht“, schrie Inge hysterisch auf.“

Auch Inges Stimme wurde lauter, sie rief zurück:
- „Es geht überhaupt nicht darum, was ich glaube, sondern was der Richter glaubt.“
- „Einer Beamtin wird der doch wohl mehr glauben als so einem, so einem Bauern!“
- „Ganz so einfach wird das nicht sein, immerhin hat der Bauer einen Zeugen, eine Zeugin genauer, die alles aus nächster Nähe beobachtet hatte und das auch unabhängig von ihm übereinstimmend ausgesagt hatte.“

Inge holte ein paar Mal tief Luft und beruhigte sich etwas. Plötzlich hatte sie alle Not, gegen einen Tränenausbruch anzukämpfen. Mit belegter Stimme entgegnete sie:
- „Aber die ist doch befangen, die ist doch die Freundin oder Frau von dem Stt, Stumpf.“
- „Nicht einmal, sie verrichtet ihm zwar den Haushalt und sie sind wohl gut befreundet, aber sie hat auch ihre eigene Wohnung hier in Lüggen.“

Inge wußte darauf nichts mehr zu sagen, sie fühlte sich in die Enge gedrängt. Nach einer kurzen Pause fragte Kerstin:
- „Also was ist jetzt mit deinen Fingerabdrücken, bist du bereit?“
Inges Gesicht wurde aschfahl. Sie war zu keiner Antwort mehr fähig, sie schüttelte schluchzend den Kopf.

Kerstin wartete noch eine Weile, dann wandte sie sich wieder an ihr Gegenüber:
- „Inge?“, fragte sie im bohrenden Ton und suchte Augenkontakt mit ihr.
Schweigend saßen sie gut eine Minute da, bis Kerstin die Stille durchbrach:
- „Inge, - willst du deine Anzeige zurückziehen?“









157. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 10.03.23 20:20

96

Gangolf kam nicht mehr frei von dem Gedanken, einen Keuschheitsgürtel zu besitzen. Dabei hatte er kein Problem mit der Keuschheit; wenn seine Bekannten nicht wollten, ließ er sie in Ruhe. Und umgekehrt war es seinen Damen vollkommen egal, ob er mit einer von ihnen verkehrte oder nicht, und dennoch war er fasziniert von diesen edlen Metallkäfigen, welche die intimsten Bereiche des Menschen umschlossen.
- „Aber extra bis in’s Ruhrgebiet pilgern für so was“, sagte er sich, „und dann noch einen Haufen Geld dafür ausgeben, fast 1500 Euro, das ist doch schon ein Wahnsinn.“

Uneins mit sich selber besuchte er wieder das KG-Forum und zu seiner größten Verwunderung erblickte er da eine Kategorie der Selbstbauer.
‚Was es alles gibt’, staunte Gangolf und klickte wahllos die verschiedenen Beiträge an. Die meisten von diesen waren wenig informativ, häufig berichteten sie von mißlungenen Versuchen, das Allerheiligste in irgendwelche Ringe zu quetschen und mit einfachen Vorhängeschlössern zu verriegeln. Doch einige Beschreibungen zeugten ganz im Gegensatz zu den vielen anderen von höchsten Qualitäten, welche die Hobbyschmiede zur Anwendung brachten: Da war von Edelstahlschweißen und –polieren die Rede, von diversen Penisröhren und aufwendigen Schließmechanismen. Besonders faszinierte ihn ein Bericht, in welchem ein Gürtel aus Aluminium vorgestellt worden war. Allein von der Photographie bekam Gangolf Stielaugen, immer wieder mußte er auf das Bild klicken, während er versuchte, sich auf den Text zu konzentrieren.
‚Da hat also einer einfach ein breites Alu-Flachprofil vom Baumarkt geholt, es mit der Stichsäge verschmälert, so daß das Metall nicht in seiner ganzen Breite wie ein Faßreifen um den Körper hing, sondern im Bereich der Hüftknochen höher ausgeschnitten wurde, während es nach vorn vertieft wurde, um nicht auf dem Nabel, sondern etwas darunter den Bauch zu umschlingen. Diese schwungvolle Linienführung hatte der Erbauer, wie er berichtete, von den renommierten Herstellern abgeschaut.

Jäh kam Gangolf sein Kupfergürtel in den Sinn, den er schon als Schüler gebastelt hatte, als er von irgendwo her ein Stück Flachkupfer in Händen hielt. Das Schrittband hatte er damals ebenfalls aus einem Kupferstreifen gebogen und mit einigen Kettengliedern vorne und hinten mit dem Gürtel verbunden. Allerdings war er damals nicht auf die Idee gekommen, eine Röhre für sein Glied einzugliedern, ihm kam es auch nicht auf Keuschhaltung in irgend einer Weise an, sondern er liebte es in seiner spätpubertären Phase, wenn sein Penis einfach irgendwie an das Metall gedrückt worden war.

Mit schnellen Sätzen sprang Gangolf in den Keller und suchte in seinem speziellen Regal nach dem Relikt aus der Jugendzeit. Nach kurzem Suchen zog er den leicht verstaubten Gürtel hervor, das Scharnier ließ sich leichtgängig bewegen, so daß er nach Jahren zum Selbstversuch schritt. Hurtig riß er sich das T-Shirt vom Leib und legte sich das Metall um seine Lenden.
- „Uh, ist das kalt, und eng“, stöhnte er, als er mit Kraftanstrengung das eine Ende mit dem länglichen Schlitz über den Bügel des anderen Ende drückte.
‚Mensch, war ich einmal schlank’, wunderte er sich, ‚dabei sagen alle Leute heute noch, wie dünn ich wäre. Na ja, Konfektionsgröße 48 bei fast 1,80 ist vielleicht wirklich unterdurchschnittlich, aber so wie ich damals das Kupfer gebogen hab’, da war ich wohl noch eine Handbreit schlanker im Umfang.’

Gangolf bemerkte, daß er an den Hüften jeweils Luft zum Gürtel hatte, er konnte gut seine Daumen dazwischen stecken. Kurzentschlossen befreite er sich aus dem einengenden Gürtel, spannte die beiden Hälften in den Schraubstock und schloß denselben in der Art, daß die Enden etwas weiter herausgedrückt wurden auf Kosten der Gesamtbreite.

Nach wenigen Minuten war Gangolf mit der Korrektur zufrieden; das Metall lag nun überall eng an der Haut, aber er bekam noch ausreichend Luft, der Bauch wurde im Bereich des Nabels nur wenig eingedrückt. Nach diesem erfreulichen Einstand begab er sich auf die Suche nach dem schmalen Schrittband; nach einigen Minuten brach er die Suche ab. Er verspürte keine Lust, nach diesem Teil weiter zu suchen, da er es ohnehin als nicht gut gelungen in Erinnerung hatte. Vielmehr überlegte er lange hin und her, wie er an dem Gürtel ein neues Schrittband anbringen konnte. Als er leicht zu frösteln begann, zog er sich sein T-Shirt wieder über und ging in die Wohnung hinauf. Das große Gewicht brachte beim Treppensteigen seinen Bauch leicht zum Schwabbeln, er genoß dieses neue und doch eigentlich schon uralte Gefühl, in einem Metallband fest umschlossen zu sein.

Im Internet fand Gangolf jede Menge Angebote von Kupferschienen, welche für Elektro-Installationsverteiler Verwendung fanden. Es gab etliche Flachkupferprofile der Maße 30 auf 5, auch 30 mal 10 war weit verbreitet. Schließlich fand er auch einige Angebote mit den Maßen 60 mal 5.
- „60 x 5“, las er sinnierend vom Bildschirm ab und er fragte sich, welche Maße eigentlich sein Gürtel hatte. Da er keinen Meterstab und auch kein Lineal oben hatte, stieg er nochmals in die Werkstatt hinab.
- „50 mal 4 Millimeter“, laß er halblaut von der Skala des Meterstabs ab, „ein ungewöhnliches Maß.“
Langsam schritt er wieder hinauf, im Gehen überlegte er sich, daß für das Schrittband auch eine Breite von 30 Millimetern ausreichend wäre. Als er bereits fast oben war, kam er auf die Idee, auch sein bestes Stück auszumessen, denn 30 Millimeter Durchmesser für die Röhre kam ihm zu wenig vor, nach dazu, daß die Materialstärke noch abzuziehen wäre, um auf den Innendurchmesser zu kommen.
- „Ach“, schimpfte er auf sich selber, „es stimmt schon, was die Alten sagten: Was man nicht im Kopf hat, muß man in den Beinen haben.“

Gangolf überlegte kurz, den Meterstab einfach nach oben mitzunehmen, er entschied sich dann doch dagegen; es wäre ihm sehr peinlich, wenn Magda hereinkäme und ihn sähe, wie er sein Ding ausmaß.
- „Oh“, rief er leicht erstaunt aus, „an der dicksten Stelle ziemlich vorn hat der 40 Millimeter, das hätt’ ich nicht gedacht.“
Beim Hinaufgehen entschloß er sich, das breite Kupferprofil für das Schrittband zu bestellen, damit dieses im vorderen Bereich die Röhre vollständig unsichtbar verdecken würde. Weiter nach hinten müßte er es eben, wie der Kollege mit dem Aluminium beschrieben hatte, mit der Stichsäge verschmälern.

- „Puh“, rief Gangolf aus, als er wieder vor dem Computer saß, „ganz schön teuer, für eine Zwei-Meter-Stange wollen die 140 Euro.“
Gangolf suchte weiter, bis er auf >E-bay< einen Händler fand, der auch Meterstücke anbot. Er suchte noch eine Weile herum, ob er das Kupfer nicht doch noch irgendwo günstiger bekäme, und so entdeckte er nach einer Weile einen E-Bay-Händler, der die unterschiedlichsten Profilmaße in seinem Programm hatte.
- „Wow“, entfuhr es ihm freudig, als Gangolf in der Auswahl ein 90 Millimeter breites und dazu nur 3 Millimeter dickes Profil fand. Es gab zwar noch breitere Profile, doch waren diese dann wesentlich stärker und entsprechend auch stärker im Preis. Bereits seinen 50 mal 4-Gürtel konnte er nur mit größter Gewaltanwendung im Schraubstock biegen, deshalb entschied er sich, das 90 x 3 Millimeter-Profil zu bestellen; mit fast 180 Euro kein billiges Vergnügen, immerhin hatte er dann gleich zwei Meter davon.
‚Oder sollte ich doch lieber Aluminium nehmen, gar mich in Edelstahl versuchen?’, fragte er sich, wies den Gedanken indes wieder von sich. Nach seiner Erfahrung waren die Aluminiumprofile entweder spröde und damit schlecht zu biegen, oder sie waren im Gegenteil sehr weich, so daß der Gürtel damit nicht formstabil wäre.
‚Wie hat der Typ den so schön aus Alu hingekriegt?’, fragte er sich nicht ganz ohne Neid, ‚und dann alles so sauber poliert, echt ein Meister.’

Gangolf beschloß, bei dem Kupfer zu bleiben; diese Material war weich genug, um es einfach bearbeiten zu können, andererseits ausreichend fest, um bei einer Materialstärke von 3 Millimetern einen stabilen Käfig formen zu können.
- „90 Millimeter breit“, freute er sich, „da kann ich tolle s-förmige Konturen aussägen“, und er beschloß, auch das Hüftband damit neu zu fertigen.
Schwieriger fiel ihm die Entscheidung, geeignete Scharniere auszuwählen. Es gab zwar etliche Angebote, die einen erschienen ihm zu wackelig, die anderen zu klobig. Nach langen Zaudern entschied er sich für ein englisches Modell aus Edelstahl, 40 Millimeter hoch, die Flügel waren an den Enden stark abgerundet und maßen jeweils 38 Millimeter bei 2,5 Millimeter Materialstärke.
- „Die nehm’ ich jetzt“, sagte er sich und drückte den Bestell-Button. Damit hatte er auch die Gürtelbreite auf 40 Millimeter festgelegt. Zufrieden lehnte sich Gangolf zurück und dachte über Konstruktionsdetails nach. Um die Enden der Hüftbänder und das Frontschild des Schrittbandes miteinander zu verbinden, strebte er zunächst eine Lösung an, die er im Internetforum mehrfach gefunden hatte. Er gedachte, eine große Schloßschraube als Verriegelungsbolzen zu nehmen und vorne auf der richtigen Länge derselben ein Loch zu bohren, durch welches der Bügel eines kleinen Vorhängeschlosses gefädelt werden konnte.

- „Sieht aber nicht so toll aus“, dachte sich Gangolf, als er sich im Geiste vorstellte, wie vor dem edel funkelnden Kupfer ein schnödes Schloß baumeln würde und den Gürtel damit nach vorne noch weiter abstehend machte, als es die übereinander liegenden Kupferbänder ohnehin schon taten.
Nach langem Suchen kam er auf Briefkastenschlösser.
- „Das ist es“, rief er erfreut aus, „auf das Frontschild geschraubt arretiert der leicht ovale Körper des Schlosses die Enden der Hüftbänder, ich muß nur die Kontur genau ausfeilen. Und die Verriegelung nach vorn geschieht dann durch den kleinen Hebel, dessen Kontur in der Geöffnet-Stellung ich dann auch ausfeilen muß, um das gesamte Schloß in der geöffneten Stellung durchstecken zu können.“

Die größte Schwierigkeit bildete die Röhre. Gangolf betrachtete die vielen Abbildungen mit den abgewinkelten Rohrstücken, teils aus Metall, teils aus Kunststoff gefertigt. Er lief wieder in den Keller hinunter, um in einer Kiste mit Wasserinstallationsmaterial nach geeigneten Stücken Ausschau zu halten. Es war wie oft im Leben: Das eine war zu groß, das andere zu klein. Er fand einen DN50-Winkel mit 45 Grad, welcher ihm geeignet schien, denn darin hätte er sicherlich viel Spielraum, den er mit Silikon und Gummi verkleiden wollte. Leider waren die Formstücke sehr kurz und damit für seinen Zweck untauglich. Schließlich fand er ein weißes Teil eines Siphons, welches als Verbindung zu dem Ablauf in der Wand diente. Das Endstück maß 50 Millimeter, verjüngte sich nach wenigen Zentimeter auf 40, um dann im Winkel von 45 Grad weiter zu laufen.

- „Wenn es das nur auf einer größeren Länge mit 50 Millimeter gäbe“, sagte er sich und nahm sein Musterstück mit hinauf. Schier eine halbe Ewigkeit verbrachte Gangolf damit, das gesuchte Teil im Internet zu finden. Überall gab es das Stück, das er bereits in Händen hielt, in Verbindung mit einem Komplett-Satz eines Wannensiphons, endlich fand er den Fachbegriff: >Ablaufstück<, ‚eigentlich genial-einfach’, dachte er sich. Mit diesem Fachbegriff wurde er fündig, in der Bilder-Darstellung der Suchmaschine fand er tatsächlich ein Ablaufstück, welches durchgängig 50 Millimeter aufwies, indes war es bei den Amazonen vergriffen und eine erneute Lieferbarkeit war nicht genannt. Immerhin konnte er auf diese Weise den Hersteller und die Typnummer ausfindig machen, so daß er nun erneut bei >E-bay< fündig wurde; für einen Spottpreis, der weit unterhalb der Versandkosten lag, orderte er sein zukünftiges Penisgefängnis.

Mit einem Seufzer ließ sich Gangolf zurückfallen, er streckte die Arme in die Höhe, um sich zu entspannen. Als Magda bemerkte, daß er anscheinend nicht mehr gebannt auf den Bildschirm fixiert war, wagte sie hereinzukommen.
- „Hey“, wandte sich Gangolf ihr zu, „sag’ bloß, du stehst schon länger unter dem Türrahmen und sagst nichts.“
- „Ja, ich wollte dich nicht stören, du warst ja so gebannt da vor dem Bildschirm.“
- „Ach komm’, jederzeit kannst du mich unterbrechen, ich hab’ mir so Einzelteile zusammengesucht für, ah, ja egal jetzt, aber sprich, was gibts?“

Magda entging nicht Gangolfs Innehalten im Satz, sie war indes nie neugierig und bohrte nicht nach.
‚Er wird schon seine Gründe haben, es mir nicht zu sagen’, dachte sie sich, ‚wird halt wieder was für die Photovoltaikanlagen sein.’
- „Also, lieber Gangi, weißt du, ich habe doch nächste Woche Geburtstag.“
- „Ach so, tatsächlich, freut mich, wie jung bist du denn geblieben?“
Gangolf meinte sich zu erinnern, daß sie oder Martina oder Bettina einmal `was von 24 gesagt hätten, aber er wußte es nicht mehr mit Sicherheit.
- „Ich werde 25, am Samstag!“
- „Oh, das freut mich, da muß ich mir direkt ein Geschenk für dich ausdenken, wenn ich nur wüßte, was dich so richtig freut. Ich fürchte, wenn ich dir ordentliche Schuhe bestelle, dann gefallen die dir gar nicht, wenn ich sehe, wie du immer mit deinen ausgelatschten Chucks daherkommst.“

Magdas Miene verdüsterte sich, sie hatte Mühe, Tränen zurückzuhalten.
Besorgt schaute Gangolf sie an und forderte sie auf:
- „Magda, was hast du denn, komm’ her zu mir, schnell, setz’ dich auf meinen Schoß und flüstere es mir in’s Ohr. Ich wollte dich wirklich nicht kränken wegen deinen geliebten Chucks!“
Magda kam Gangolfs Aufforderung nach und sagte mir leiser Stimme:
- „Du weißt doch, was ich haben will, du hast es mir versprochen.“

Gangolf wurde verlegen.
- „Ich habe dir ein Geschenk versprochen, bitte hilf mir, Magda, entschuldige bitte, ich weiß es nicht mehr. Haben wir wirklich über ein Geschenk gesprochen?“
- „Sagen wir es genauer so, du hast mir versprochen, daß wir es machen, sobald wir von Italien zurück sind und es im Herbst nicht mehr so heiß ist.“
Jetzt fiel bei Gangolf der Groschen:
- „Du willst einen Brunnen graben, ist es das?“
- „Jah-ja, du erinnerst dich, ach, du bist so lieb!“

Ehe sich Gangolf versah, fühlte er seinen Kopf in Magdas Handflächen eingeklemmt, so daß ihr langer sehnsüchtiger Kuß auf seine Lippen unabwendbar wurde.
- „Ehrlich gesagt, ich hab’ darauf wirklich vergessen, ich dachte nicht, daß du das so ernst meinst, daß du das wirklich haben willst, einen Brunnen, mein Gott, immerhin bin ich froh, daß wir nicht in die Wüste fahren müssen, um dort einen zu graben.“
- „Ach Gangi, bitte, bitte, ich stell’ mir das so toll vor, wenn der dann jeden Tag immer tiefer wird, bis wir dann auf Wasser stoßen.“
- „Ich hab’ das noch nie gemacht, einen Brunnen graben, wird nicht so ganz einfach sein.“
- „Du kannst doch alles. Soll ich schon das Abendessen herrichten, bis du die Brunnenringe im Internet herausgesucht hast?“
Das war eine eindeutige Ansage.
- „Äh, ja, gerne, ich schau’ dann gleich `mal, was ich finde.“
Magda verschwand in die Küche, während er erneut das Internet bemühte.

‚Brunnengraben’, dachte sich Gangolf, ‚so eine verrückte Idee, aber es muß wirklich ihr Herzenswunsch sein.’
Was ihm am meisten freute war die positive Entwicklung, welche Magda in der letzten Zeit entfaltete, die ungehemmte Gesprächsführung mit der Polizistin, aber auch jetzt, ohne Umschweife deutlich ihren Wunsch zu äußern, das erfreute Gangolf.

Was er natürlich nicht im Entferntesten ahnen konnte, war der Umstand, welches Schicksal der Brunnen für beide bereithielt.



























158. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 17.03.23 19:48

97

Gangolf hatte eine unruhige Nacht hinter sich gebracht, als er sich den Ruck gab, um der Wärme des Bettes zu entfliehen. Hinter dem Vorhang mühte sich die aufgehende Sonne, sich einen ungestörten Weg durch die morgendlichen Dunststreifen am Horizont zu bahnen. Vereinzelt zwitscherten Vögel, ansonsten lagen die Felder vor Gangolfs Schlafzimmerfenster in einem tiefen herbstlichen Frieden.

Im Wohnzimmer angelangt schaltete Gangolf den Computer ein, es drängte ihn nachzusehen, ob Kupfer auf der blanken Haut getragen schädlich sein könnte, oder ob er die Gürtelinnenseiten mit irgend einem Material beziehen müßte. Er dachte daran, Silikonstreifen auf die Kupferbänder aufzutragen und mit eine Spachtel zu einer gleichmäßigen Schicht zu glätten. Zu seiner großen Freude fand er indes geradezu gegenteilige Ansichten; zwar lägen die Aufnahmen des Kupfers in die Haut im homöopathischen Bereich, doch berichteten Sportler, welche kupferne Armbänder trugen, durchwegs von positiven Eigenschaften, bis hin zu einer allgemeinen Stärkung des Immunsystems.
‚Was für tolle Nachrichten’, dachte sich Gangolf, ‚gerade jetzt, wo angeblich das Condoma so im Vormarsch ist.’

Gähnend schaute Gangolf die eingegangenen E-Mail-Nachrichten durch, erstaunt las er die Botschaft, daß bereits in den nächsten zwei Tagen die erst gestern bestellten Betonringe für Magdas Brunnen geliefert würden.
- „Ach“, seufzte er leise und überhörte dabei, daß sich auch Magda bereits aus ihrer Kammer geschlichen hatte und lautlos die Stiege herunter gekommen war, „wenn das Kupfer käme, das wäre mir viel lieber.“
- „Guten Morgen, Gangi, willst du schon aufbleiben, soll ich dir einen Kaffee machen?“, begrüßte Magda ihn. Üblicherweise war es Magda, die als erste von den beiden aufstand. Gangolf blinzelte etwas irritiert in den Flur hinaus.
- „Hast du schlechte Nachrichten?“ fragte Magda besorgt.
- „Nein, nein, im Gegenteil, ja gut, danke, frühstücken wir gleich, dann haben wir mehr vom Tag.“

Magda verschwand in die Küche, nach kurzer Zeit machte sich die Kaffeemaschine mit ihrem charakteristischem Gurgeln, Zischen und Sprotzen bemerkbar.
- „Deine Betonrohre sollen übermorgen kommen“, verkündete Gangolf, als er die Küche betrat, um an den reich gedeckten Frühstückstisch zu treten.
- „Was, uh ja, das ist toll“, feixte Magda, „dann können wir gleich anfangen.“

‚Oh, Mädchen, was bist du verrückt’, dachte sich Gangolf, doch er freute sich, daß Magda eine neue Aufgabe, wie es ihm schien, geradezu ein neues Lebensziel vor Augen hatte.
- „Gangi, wir sollten heute in die Stadt fahren, oder soll ich das lieber allein mit dem Fahrrad machen, wir brauchen wieder fast alle Sachen und dann könnte ich auch gleich wieder einmal in meine Wohnung schauen.“
- „Ja klar“, entgegnete Gangolf und schlürfte seinen ersten Schluck Kaffee in die Kehle. Das Frühstück zog sich ab da in aller Stille dahin, beide hingen ihren jeweiligen Gedanken nach; Magda malte sich aus, wie es gelänge, den Brunnen zu graben, Gangolf, wie er den Keuschheitsgürtel baute.
‚Wer von uns beiden ist jetzt der Verrücktere’, kam es Gangolf in den Sinn, und ehrlicherweise gestand er sich ein, daß es diesbezüglich wohl er wäre.

- „Schau’ `mal“, rief Magda erstaunt aus und deutete mit dem Finger auf einige Leute, als sie mit dem Auto auf den Parkplatz am Markt in Lüggen ankamen, „das ist wie in Italien!“
- „Was soll sein wie in Italien?“, fragte Gangolf und steuerte eine freie Parklücke an, ohne Magdas Fingerzeig zu folgen.
- „Na die da, schau’ doch `mal, die fassen sich dauernd an den Schritt!“

Jetzt erkannte auch Gangolf die bezeichneten Personen und starrte sie gleichfalls durch die Autoscheiben an.
- „Ja Wahnsinn“, stieß er aus, „jetzt kommt der ganze Wahnsinn auch zu uns und es wird nicht mehr lange dauern, da müssen wir dann auch mit so verdammten Gummimasken herumlaufen wie die in Bayern.“
- „Oh ja,“ ereiferte sich Magda und erinnerte sich freudevoll an den Geruch des Gummis, das sie während ihres Urlaubs begleitet hatte.
- „Und du findest das dann auch noch toll“, echauffierte sich Gangolf und öffnete die Fahrertür. Nach einer kurzen Pause gestand Magda ihre bizarren Sehnsüchte ein und sagte:
- „Ehrlich gesagt, ja.“

Das Geräusch der sich schließenden Autotür ließ Magdas zuletzt gesprochenen Worte unhörbar untergehen; Gangolf ging um das Auto herum und öffnete in alter Manier die Beifahrertür.
- „Ach Magda,“ fuhr er fort, „so zum Spaß im Urlaub oder auch bloß zum Einkaufen ist das vielleicht schon ganz lustig, aber auf der Arbeit zum Beispiel, da ist das nichts, oder willst du am Ende noch mit dem Gummi vor dem Mund deinen Brunnen graben?“

Magda zog es vor, dazu zu schweigen, am liebsten hätte sie herausgeplatzt:
‚Aber ja doch, ist doch affengeil, in Gummistiefeln im Schlamm, mit der Gummimaske vor dem Gesicht und mit den Gummihandschuhen am Schaufelstiel im Brunnenschacht zu graben.’

Als sie den Markt überquerten, deutete Magda wieder auf einen Menschen, der in der Ferne unter einem Parkverbotsschild stand und sich verstohlen umsah. Gangolf bemerkte ihn daraufhin gleichfalls, und er ahnte, was geschehen würde. Tatsächlich erging sich die arme Kreatur an der Stange des Schildes, hielt immer wieder ein, um sich umzusehen, ob ihn jemand bei seinem zwanghaften Trieb beobachtete, wandte sich dann wieder dem starren Eisen zu, bis er erschöpft vor dieser zu Boden ging und sich im Sitzen an ihr verging.
- „Komm’, gehen wir hier an der Seite entlang", mahnte Gangolf, „das ist dem sicher peinlich und ich will jetzt nicht mit dem seinen Virus infiziert werden.“

- „Hey Greti“, antwortete Ulla, als sie das Gespräch angenommen hatte. Nur wenige sehr gute Vertraute hatten ihre Nummer, auch die Kanzlerin, obschon von der anderen Partei, gehörte dazu.
- „Ulla, laß’ uns gleich zur Sache kommen“, drängte Prank-Barrenkauer, „wie kommst du voran mit deinen Gürteln?“
- „Wir werden wohl die chinesischen nehmen müssen“, meinte die Angerufene, „die beiden deutschen können nicht liefern und einen Haufen Geld wollen die auch noch dafür haben.“
- „Wieviel?“
- „Tausend Euro.“
- „Für wieviele?“
- „Für einen.“

Die Kanzlerin pfiff durch die Zähne.
- „Für einen?“
- „Für einen, da wird der Schmollz mit seinen 100 Millionen im Etat nicht weit kommen, das hatte ich aber bereits bei der letzten Sitzung gesagt.“
- „Ja, ich erinner’ mich. Und die chinesischen, taugen die auch was?“
- „Vollkommen.“
- „Klingt schon `mal gut, bei den Masken ist das das gleiche, die Dinger, die der Schießmann da in seinen Kasernen gelagert hatte, die sind großenteils Schrott, abgerissene Riemen, ausgeleiertes Gummi, angelaufene Gläser und so.“
- „Aber in Bayern haben die doch jetzt.“
- „Ja, für die haben sie die besten herausgesucht, aber für den Rest der Bevölkerung fehlen uns duzende Millionen.“
- „Klingt also nicht so gut. Und du meinst, die Chinesen könnten auch die Masken liefern?“
- „Ich hab’ das jetzt zur Chefsache erklärt und mich mit meinen ehemaligen Seilschaften abgesprochen. Wir kriegen einen Weg, richtig gute aus China zu beziehen, nicht solche mit Bändern, wie wir sie haben, sondern Vollmasken, die auch die Ohren bedecken. Ich hab’ schon einige Probemasken bekommen.“
- „Hast du heute Abend Zeit, dann komm’ doch einfach vorbei, sozusagen im Schutz der Dunkelheit.“
- „Gute Idee, also dann bis später!“

Während der Rückfahrt nach Wesserbarg schaltete Gangolf den Radio auf einen Nachrichtenkanal. Beklemmende Nachrichten über exponentiell steigende Ansteckungen drangen an die Ohren der Passagiere.
- „Jetzt kriegen wir das hier auch ab“, stöhnte Gangolf resigniert und lauschte den weiteren Ausführungen. Ein Oppositionspolitiker übte harsche Kritik an der Regierung, daß für die Bevölkerung immer noch keine speziellen Gummimasken zur Verfügung stünden, daß zwar in Bayern sich seit Wochen aufgrund der dort verteilten Masken die Ansteckungszahlen immer weiter reduziert hatten, indes für die restliche Bevölkerung in Deutschland keine weiteren Masken mehr vorhanden waren.

- „Es wird noch so weit kommen, daß Gesundheitsminister Scham wieder, wie vor zehn Jahren sein Vorgänger die albernen weißen Stoffmasken zur Pflicht machen wird“, ereiferte sich der Politiker weiter, „die nachweislich nicht das Geringste gebracht haben, im Gegenteil, in dem feuchten Stoff haben sich die damaligen Corona-Viren nach Tagen noch nachweisen lassen, während sie sonst nirgends an Kleidungsstücken oder sonstigen Oberflächen im Bereich von Infizierten nachzuweisen waren.“

- „So eine Schande, wie damals, du wirst dich nicht mehr so erinnern“, meinte Gangolf, „da hatten die zuerst auch nicht genug von diesen einfachen Masken, sie ermunterten, daß sich die Leute selber welche nähen sollten, was viele auch ideenreich machten, dann waren nur noch die blöden weißen Dinger erlaubt, die es zunächst auch nicht genug davon gab, ha, und jetzt haben sie nicht genug von den Gasmasken.“

Magda kommentierte Gangolfs Ausführungen nicht, voller Lust dachte sie daran, wie sie auf dem Strand von Caorle von Martina vergraben wurde, derart, daß nur noch die Frontpartie der Gasmaske aus dem Sand schaute.

Als der Rufton der Gegensprechanlage zur Haustür erklang, nahm Ulla Graumaus den Hörer ab und betrachtete den kleinen Bildschirm, der gleichzeitig aufleuchtete.
- „Ups“, rief sie verwundert aus und rief: „Hallo, bist du das, Greti?“
- „Tarnen und Täuschen“, quakte die ehemalige Verteidigungsministerin in das Gummi, die Umweltministerin drückte die Taste für den Türöffner und freute sich auf den Besuch der Regierungschefin.

Es kam, wie es kommen mußte: Gerade als Prank in den breiten Hausgang des alten Gebäudes eintrat, kamen ihr drei junge Männer entgegen.
- „Wie siehst denn du aus“, feixten sie sichtlich erfreut, einer von ihnen wollte sich ihr in den Weg stellen, doch die anderen beiden hielten diesen zurück.
- „Mach’ keinen Ärger, die kommt wahrscheinlich aus Bayern, die müssen dort alle so mit der Gummifotze herumlaufen!“

Prank war es sehr unwohl, war indes froh, daß sie unerkannt und ohne weitere Komplikationen zu Graumausens Wohnung hinaufgekommen war.
- „Hui, was hast du da für ein Modell“, begrüßte Ulla sie, „ist das so ein chinesisches Modell?“
- „Ja genau“, gab Greta, nach Atem ringend, kurz zur Antwort und faßte sich an den Hals, um die Maske abzustreifen.
- „Wow, die geht ja bis weit über den Kopf hinunter und umschlingt sogar den Hals.“
- „Ja, so ist es, und siehst du, hier kann man die auch um den Hals wie mit einem Halsband zuschließen, mit einem speziellen Schloß, das ist für die Unbelehrbaren, die sich weigern, die Maske zu tragen. Die müssen die dann die ganze Zeit über aufhaben und nur die von den Gesundheitsämtern haben dann den Schlüssel. Müssen sich dann halt täglich dort melden, dann können sie sich dort rasieren und Zähneputzen.“
- „Und wie machen die das dann mit dem Essen?“
- „Ach so, ja, das kriegen sie dann auch gleich dort, einmal am Tag, das muß reichen, zum Trinken gibt es da so einen Schlauch, der durch das Gummi führt über ein spezielles Ventil, und das Ende von dem Schlauch endet dann im Mund, müssen dann halt ständig das im Mund behalten.“
- „Ist ja irre“, entgegnete Ulla, „ist ja noch verrückter als meine Gürtel.“
- „Willst du auch `mal probieren?“ fragte Greta und reichte Ulla das schwarze Ungetüm.
- „Nur, wenn du meine Gürtel ausprobierst!“, entgegnete Ulla.
- „Dafür bin ich doch viel zu dick“, versuchte sich Greta herauszureden.
- „Ich hab’ die verschiedensten Größen, im Ernstfall muß jeder in so ein Ding eingeschlossen werden.“

Während Greta den glitzernden Unterleibkäfig nahm und etwas verschämt in das geräumige Badezimmer verschwand, hatte es Ulla mit der Haube leichter, sie zog das schwere Gummiteil über den Kopf, zog es zurecht und rastete anschließend auch das Schloß des breiten Riemens ein, das den Hals umschlang und somit die Gummimaske an den Träger fixierte. Nur noch die Haare schauten unten heraus und bildeten einen hellen Kontrast zu dem schwarzen Gummi.

Nach einigen Minuten kam Greta schnaufend aus dem Bad. Die glänzenden Bänder des Keuschheitsgürtels wirkten geradezu zierlich auf dem voluminösen nackten Unterleib.
‚Schön schaut das ja nicht gerade aus’, dachte sich Ulla, während Greta überrascht ausrief:
- „Hey, du siehst richtig Klasse aus, schau’ dich im Spiegel an, ist echt toll!“

‚Hoffentlich bewahre ich mir die ewige Jugendlichkeit und Schönheit’, dachte sich Ulla und betrachtete sich in dem großen Spiegel im Flur.
- „Ist schon irre“, quakte sie in das Gummi, „und so sollen die Leute jetzt dann immer herumlaufen, zum Einkaufen, auf der Arbeit?“
- „Gibt es eine Alternative?“
- „Ja, den Gürtel natürlich.“
- „Der kommt zusätzlich dazu, zum Eigenschutz, daß sich die Ärmsten nicht totreiben.“

Ulla hatte bereits nach wenigen Minuten genug von der Maske.
- „Sperr’ mich auf“, forderte sie ihre Besucherin auf, „oder gib’ mir den Schlüssel!“
- „Erst wenn du mich aus dem blöden Gestell da befreit hast.“

Die beiden Spitzenpolitikerinnen befreiten sich aus ihren probeweise angelegten Gefängnissen und waren sich einig, daß sich die Maßnahmen zur Bekämpfung der Epidemie wohl nur schwer durchsetzen lassen würden.
- „Zum Glück haben wir Politikerinnen natürlich unsere eigenen Schlüssel für die Geräte“, erfreuten sie sich erleichtert, „darum werden uns die Menschen beneiden.“
- „Hauptsache, sie wählen uns weiter“, meinte die Umweltministerin, „dir als Kanzlerin kann das freilich egal sein, das war denn wohl ohnehin deine letzte Regentschaft.“

- „Und dann hätten wir immer noch das Instrumentarium der Notstandsgesetze,“ entgegnete die Kanzlerin, während sie ihren Rock über die dicken Oberschenkel zog, „irgend jemand muß ja einmal als erster den Mut aufbringen, sie erstmals anzuwenden!“

159. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von Ihr_joe am 20.03.23 19:54

Ich muss auch ein Danke hier lassen.
Frech genug, dass ich lese mich köstlich erquicke und lange nichts geschrieben habe.

Ihr_joe
160. RE: Frech genug ...

geschrieben von M A G N U S am 22.03.23 06:38

Wenigstens einer, den ein bißchen schlechtes Gewissen plagt; nun je, "ego te absolvo", Melden macht frei!

... und herzlichen Glückwunsch zum 3000-sten Beitrag; eine imposante Zahl, ich werde wohl kaum 300 schaffen
161. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von modex am 23.03.23 22:59

@ M A G N U S:
Nun, wenn Du weiter so großartig lange Kapitel schreibst, dann nicht
Ernsthaft, das ist jedesmal eine Freude zum Wochenende, Deine Geschichte so zuverlässig und spannend fortgesetzt zu wissen & dann auch zu finden.
162. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 24.03.23 21:09

Für Euere Kommentare danke ich Euch, sie spornen mich an, unbeirrt weiter zu machen - und ehrlich, es ist ein wenig wie im Richtigen Leben:
Wenn ich mir auch immer wieder sage, daß ich selbstbewußt genug bin zu wissen, was ich kann, so genieße ich doch das Rauschen des Applauses!



98

Gangolf fläzte sich längs des Sofas und rückte das niedrige Wohnzimmertischchen mit dem gefüllten Bierkrug an seine Seite heran. Unter seinen Kopf plazierte er ein kleines Kissen, unter seinen Schultern ein größeres, so daß er einen guten Blick auf den großen Flachbildfernseher gewann. Nachdem er sich solchermaßen positioniert hatte, ergriff er die Fernbedienung und wählte einen Männerfilm aus. Um Magda das Mithören zu ersparen, stülpte sich Gangolf die Kopfhörer über und tauchte damit in die Illusion des Films ab. Magda saß vor ihm auf dem Boden und massierte seine Füße. Es war das übliche Ritual, das sie bei ihrer Herrin fast jeden Abend zelebrieren mußte, indes unter weitaus schlimmeren Umständen.

Martina bestückte Magdas Brustwarzen üblicherweise mit Nippelklammern, an deren Enden Glöckchen befestigt waren. Martina verlangte von Magda, daß die Glöckchen ständig klingelten; um das hervorzurufen war Magda gezwungen, ihren Oberkörper ohne Unterlaß vor- und zurückzubewegen und dabei die Massagetätigkeiten nicht zu vernachlässigen. Kaum ebbte das Glöckleinläuten ab, erhielt Magda einen höchst unsanften Fußtritt, meistens auf den Bauch, manchmal auch auf die Brüste. Die ohnehin schmerzhaft eingeklemmten Nippel erfuhren dadurch einen scharfen Schmerzimpuls; noch schlimmer wurde es, wenn sich durch die Tritte eine Nippelklammer gelöst hatte und das Blut sogleich schneidend scharf in die Warzen zurückschoß. Magda war zudem verpflichtet, sofort mit einer Hand die abgefallene Klammer wieder anzusetzen, sie durfte dabei nicht versäumen, mit der anderen Hand die Massage von Martinas Füßen fortzusetzen.

'Wie angenehm das bei Gangi ist', durchfuhr es Magda immer wieder, 'er ist nie gewalttätig'.
Ehrfürchtig beugte sich Magda vor und gab jedem der beiden Füße einen Kuß. Während Magda bei ihrer Herrin bereits nach einer Stunde durch die erzwungenen ständigen Oberkörperbewegungen und durch die schmerzhaften Nippelklammern vollkommen erschöpft war, gelang es ihr hier völlig spielerisch, die neunzig Minuten durchzuarbeiten bis zum Ende von Gangolfs Spielfilm. Während sie unentwegt mit ihren schlanken Fingern abwechselnd über die Fußsohlen und die Zehenzwischenräume strich, dachte sie voller Vorfreude auf die Lieferung der bestellten Brunnenschachtrohre.
- „Morgen sollen sie kommen“, murmelte sie leise vor sich hin, „und dann habe ich endlich eine richtige Aufgabe hier, ich werde es der Welt zeigen, daß ich zu `was tauglich bin, nicht die ewige kleine Haushaltshilfe, die Dienstmagd.“

Gangolf bemerkte anhand der leichten Lippenbewegungen, daß Magda etwas gesagt haben mußte; mit einer schnellen Handbewegung nahm er die Kopfhörer von den Ohren und fragte:
- „Was hast du gesagt?“

Magda blickte erschrocken auf und starrte Gangolf mit offenem Mund an.
- „Ah, entschuldige bitte, nichts, nein, ich war nur so im Gedanken, also, bitte ich wollte dich nicht stören, entschuldige bitte.“
- „Aber keine Ursache, ich will bloß nicht unhöflich sein, also wenn du `was sagen willst, so tu' das einfach, ich kann jederzeit den blöden Film unterbrechen, und du mußt auch nicht dauernd da auf dem Boden vor mir sitzen und meine Füße massieren, tu' doch einfach, was dir gefällt.“
- „Mir gefällt das, wirklich, du bist so fürsorglich, so lieb, meine Herrin hätte jetzt einen Tobsuchtsanfall erlitten, wenn ich sie so gestört hätte.“
Gangolf setzte sich auf und streichelte Magdas Kopf mit beiden Händen.

Als der Film zu Ende war, verabschiedete sich Gangolf von Magda und wünschte ihr eine gute Nacht.
- „Ich mach' nur noch schnell die Küche fertig“, gab Magda zur Antwort, als sie sich von ihrem Bodenplatz erhob.
- „Ach, laß' das doch sein, heb' das auf für morgen!“
- „Nein, da will ich doch gleich das Frühstück hinstellen und da muß alles aufgeräumt sein, das haben wir in der Hauswirtschaftsschule gelernt.“

Gangolf gab Magda einen Kuß auf deren Stirn und ging in's Schlafzimmer, wo er sein Nachtgewand anlegte. Er wartete einen Weile, bis er keine Geräusche mehr aus der Küche wahrnahm. Schließlich vernahm er Magdas Schritte auf der Stiege; Magda schlich zwar auf schier tigerhaft-leisen Sohlen, dennoch konnte sie es nicht vermeiden, daß einige Stiegenbohlen bei dem Auftreten deutlich wahrnehmbar knarzten. Gangolf schlich sich zurück in's Wohnzimmer, um erneut einen Film auszuwählen. Er fühlte sich zwar müde, aber noch nicht so sehr, daß er ohne weiteres einschlafen konnte. Nach einigen Minuten holte er sich aus dem Kühlschrank eine Weißweinflasche, welche zu einem Viertel gefüllt gewesen war. Als der Film nach fast zwei Stunden zu Ende war, war auch der Flascheninhalt zu Ende und Gangolf hatte die nötige Bettschwere erreicht.
- „Das muß wieder anders werden“, schalt er sich selber, „das geht nicht immer so weiter, ich werd' richtig zum Alkoholiker!“

Gangolf schwor sich, zur Abstinenz zurückzukehren, zumindest zu einer deutlichen Einschränkung des Alkoholgenusses, sobald die Aufregungen der letzten Tage abgeklungen sein würden. Er gestand sich zwar ein, daß diese im Grund genommen bereits mit dem heutigen Tag verschwunden waren, doch er zog es vor, es nicht so ganz genau zu nehmen. Jäh fiel ihm ein Vers seines Lieblingsdichters Eugen Roth ein:

>Ein Mensch, der spürt, wenn auch verschwommen,
Er müsste sich, genau genommen,
Im Grunde seines Herzens schämen,
Zieht vor, es nicht genau zu nehmen. <

Bevor Gangolf in einen unruhigen Schlaf fiel, gingen ihm tausend Gedanken durch den Kopf, und er war froh, daß Martina nicht mehr auf der Bildfläche erschien.
'Das könnte sich zwar bald ändern', grübelte er, 'ihre sechs Wochen Quarantäne werden bald um sein.'
Dann fiel ihm Ramona ein, die katholische Krankenschwester, die anscheinend spurlos vom Erdboden verschwunden war.
- „Eine Frau muß her“, sagte er sich und hielt mit der Bettdecke Zwiesprache, „eine richtige, nicht bloß eine Dienstmagd, eine richtige Frau zur Familiengründung.“

Gangolf bemerkte zwar schon seit Tagen, daß Magda auf dem besten Weg war, ein selbstbewußteres Leben einzuschlagen, er konnte sich indes nicht vorstellen, mit ihr verheiratet zu sein und mit ihr eine Familie zu gründen. Andererseits sagte er sich, daß sie wohl durchaus die perfekte Mutter wäre, häuslich, sparsam, pflichtbewußt.

Es war schon gegen Morgen, als Gangolf endlich einschlief, in einen richtigen tiefen Schlaf verfiel. Ein Geräusch ließ ihn erwachen, verschlafen blinzelte er in den Raum und gewahrte, daß das Tageslicht bereits durch den zugezogenen Vorhang drang. Wieder drangen seltsame Geräusche an sein Ohr, die er nicht zuordnen konnte. Mühsam setzte er sich im Bett auf und lauschte wieder. Es kam eindeutig von draußen her, nicht aus dem Inneren des Hauses.

Gangolf hätte es auch sehr verwundert, daß Magda früh am Tag derartige Geräusche verursacht hätte, vor allem, wenn sie wußte, daß er noch schlief.
Unter großer Willensanstrengung raffte sich Gangolf auf und trat an das Fenster; langsam zog er die Vorhänge zu den Seiten, als ob er fürchtete, andernfalls von der Morgensonne schmerzhaft geblendet zu werden. Wieder ertönte das dumpfe Geräusch, bald darauf wieder und wieder.
- „Was ist da draußen nur los?“, fragte er sich und öffnete das Fenster. Wieder drang der dumpfe Ton an sein Ohr, diesmal dank des offenstehenden Fensters wesentlich lauter. Er beugte sich so weit wie möglich aus dem Fenster, doch konnte er nicht um die Ecke des Hauses herumsehen, um das merkwürdige Geschehen in den Blick zu bekommen. Gerade in dem Moment, als sich Gangolf von dem Fenster zurückziehen wollte, vernahm er eine tiefe Stimme. Er spitze seine Ohren und vernahm etwas von einer vereinbarten Barzahlung bei Lieferung.

- „Ganold Stumpf hat das mit Chef ausgemacht“, drang von der Ferne an Gangolfs Ohr, und zu dessen größter Verwunderung hörte er Magda antworten:
- „Ach bitte, der schläft noch, der braucht seinen Schlaf, hatte eine kurze Nacht, bitte, lassen Sie die Rohre da, wir brauchen die ganz dringend, ich verspreche Ihnen hoch und heilig, Herr Stumpf wird alles bezahlen, Sie können doch nicht jetzt alles wieder aufladen!“

Jetzt begriff Gangolf, was vorsich gegangen war: Die Schachtringe sind angeliefert worden. Hurtig zog er sich an und eilte hinunter auf den Hof. Kaum daß er aus dem Haus trat, kam ihm Magda mit einem freudestrahlenden Lächeln entgegen:
- „Sie sind da!“, begrüßte sie ihn stürmisch, lief auf ihn zu und umarmte ihn.
Obwohl er ahnte, was geschehen war, fragte er trocken:
- „Wer ist da?“
- „Die Rohre“, jubelte Magda.
- „Die Rohre“, echote Gangolf mit matter Stimme.

Magda verspürte, daß sich Gangolf so gar nicht freute, schuldbewußt wich sie einen Meter zurück und fragte mit zögerlich:
- „Soll ich dir jetzt ein Frühstück machen oder willst du dich nochmals eine Weile niederlegen?“
- „Ah, ja, nein, also ein Kaffee wäre mir jetzt schon ganz recht!“

Magda drängte sich an Gangolf vorbei in das Haus und setzte die Kaffeemaschine in Gang. Gangolf schlappte weiter in die entgegengesetzte Richtung und betrachtete die abgeladenen Schachtringe.
'Zum Glück hat er die aufgestellt und nicht flach auf den Boden gelegt', bemerkte er und faßte den ersten Ring mit beiden Händen an. Er versuchte den Ring zu bewegen, dieser ruckelte indes nur wenige Zentimeter nach vorne, und kaum, daß Gangolf seine Hände zurücknahm, schaukelte das Betonteil wieder zurück.
- „Verdammt, sind die schwer“, brummte er, wandte sich um und schlurfte zu dem Haus zurück.
- „So eine beknackte Idee“, brummelte er im Gehen weiter. Das aus der Küche zu vernehmende Fauchen der Kaffeemaschine stimmte ihn heiter und es gelang ihm, sich beim Niedersetzen auf den Küchenstuhl eine entspannte Miene anzunehmen. Magda blickte ihn verunsichert an.

- „Komm' her zu mir“, rief Gangolf mit einem müden Lächeln und hob seine Arme an. Magda trat mit drei Schritten zu ihm, er zog sie auf seine Knie und machte ihr begreiflich, sich darauf zu setzen. Sie war über diese versöhnliche Geste sehr froh, lächelte zurück und ließ sich aus seinem Schoß sitzend den Kopf streicheln.
- „Es ist ganz deine Freude, gelt?“ raunte Gangolf ihr in das Ohr.
- „Oh ja, dann habe ich 'was zu tun“, entgegnete Magda mit gleichfalls gedämpfter Stimme.
- „Ja dann wollen wir `mal kräftig frühstücken, und dann frisch an's Werk zu gehen.“
Gerade noch konnte er sich es verkneifen, Schiller zu zitieren; unbewußt schweiften Gangolfs Gedanken an das wohl bekannteste Gedicht des begnadeten Dichters.
'Immerhin hat das Brunnengraben auch im Entfernten `was mit der Glockenherstellung zu tun', kam es ihm in den Sinn, 'wie die Glockenform, so müssen auch die Brunnenringe fest gemauert in den Erden liegen.'

Magda sprang auf und beeilte sich, Gangolf den frisch gebrühten Kaffee einzugießen; im gleichen Moment sprang die Drahtablage des Toasters in die Höhe, die beiden aufgewärmten Semmeln hüpften mit dieser und vermengten ihren Duft mit dem des Kaffees.
'Wie glücklich ein Mensch sein kann', überlegte sich Gangolf, 'selbst wenn es sich um eine Knochenarbeit handelt.'
Am anderen Ende sah Gangolf den Lieferschein und die Rechnung li-gen. Magda bemerkte Gangolfs Blick und reichte ihm die Papiere. Zögerlich erhob sie ihre Stimme:

- „Du Gangi, der Fahrer wollte gleich das Geld haben, aber ich konnte ihn überreden, daß du ihm das Geld überweist, sonst hätte er die Ringe gleich wieder mitgenommen.“
- „Au ja, das habe ich ganz vergessen, früher hatte ich, also bis vor wenigen Tagen, immer ganz viel Bargeld zuhause, aber jetzt nicht mehr, das tut mir Leid, daß ich dich da in Verlegenheit gebracht habe.“
- „Aber nein, der Mann war ganz freundlich, ich hab' ihn ganz tief in die Augen geschaut und dann willigte er ein.“
- „Da sieht man `mal wieder, was dein Charme alles bewirkt“, entgegnete Gangolf mit einem Lächeln.

Magda errötete leicht und wandte sich ab. Sie genossen das reichhaltige Frühstück, ohne viel weitere Worte zu machen. Jeder hing seinen Gedanken nach, Magda erging sich in Vorfreude auf das Brunnengraben, Gangolf versuchte, das Lied vom Lindenbaum zu verdrängen, das jäh seinen Geist umwob und schier nicht mehr von ihm weichen wollte:

„... und immer hör ich's Rauschen, du fändest Ruhe dort!“ - welch' eine todverkündende Ahnung.


163. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 31.03.23 20:52

99

- „Vielleicht tut die körperliche Anstrengung ja gut“, sagte sich Gangolf, „lenkt ab von den Gedanken, die einem sonst durch den Kopf schwirren!“
Magda kam bereits mit Schaufel und Pickel bewaffnet aus der Scheune, während Gangolf sich noch vollkommen im Unklaren darüber war, wo der Brunnen überhaupt Platz finden sollte.
- „Fünfzehn Rohre“, jubilierte Magda, „die hat der Mann ganz schnell von dem Lastwagen abgeladen.“
- „Der wird auch so einen Kran gehabt haben dafür, nehm' ich an“, entgegnete Gangolf.
- „Ja genau, und wenn die Rohre dann auf der Erde aufschlugen, gab es einen richtig starken dumpfen Schlag.“
- „Das hab' ich bis in's Zimmer hinein gehört. Nun gut, also fangen wir an, also so ganz nah am Haus d'ran möcht' ich den Brunnen nicht haben.“
- „Und da neben dem Mirabellenbaum, das wär' doch schön da, im Schatten von dem Baum“, schwärmte Magda.
- „Ist auch nicht so gut, da graben wir ihm das Wasser ab.“

Es ging noch eine ganze Weile hin und her mit dem Abwägen, welcher Standort der beste wäre; es stellte sich heraus, daß die Nordwest-Ecke des Grundstücks als einzig praktikable Stelle anzusehen war.
- „Jetzt müssen wir erst einmal die Dinger da hinten hinrollen“, gab Gangolf zu bedenken, „am besten fangen wir erst einmal an, ein Loch auszuheben und dann wuchten wir den ersten Ring hinein.“
Beide gingen zu der Nordwest-Ecke des Grundstücks, welche durch Gestrüpp von dem an dem Grundstück vorbeiführenden Feldweg abgetrennt war.

-„Was meinst du, machen wir es hier?“, wandte sich Gangolf an Magda.
- „Ja, also ganz wie du meinst, wenn du meinst, hier ist es gut, dann machen wir das, sehr schön, also fangen wir an!“

'Aller Anfang ist schwer', dachte sich Gangolf, 'hoffentlich wird das weiter unten dann leichter.'
Mit Schaufel und Spaten war zunächst fast nichts anzufangen, denn der dürftige Sauergrasbewuchs gründete sich auf steinigen und mit vielen Wurzeln durchzogenen lehmigen Untergrund. Gangolf mußte die Hacke weit ausholen, um mit gewaltigem Schwung das Erdreich aufzulockern. Magda schaufelte sodann das gelockerte Material beiseite, während Gangolf Luft holte zum nächsten Hieb. Als sie auf diese Weise eine Kreisfläche von etwa achtzig Zentimetern aufgehoben hatten, hielten sie inne und beratschlagten das weitere Vorgehen. Gangolf sprach seine Gedanken aus:
- „Vielleicht hätten wir doch so eine Brunnenbohrmaschine ausleihen sollen, eine Art Erdbohrer, es reichten ja wenige Zentimeter, daß wir dann den Schlauch da in ein schmales Rohr hinuntergeführt hätten und die Pumpe hätte das Grundwasser dann heraufgepumpt.“

Magda fand diese Idee überhaupt nicht gut, und sie war froh, daß die Schachtringe, „Rohre“, wie sie diese nannte, bereits abgeladen im Hof standen; dadurch konnten sie sich nicht mehr anders entscheiden.
- „Ach, das wird schon“, versuchte Magda Gangolf aufzumuntern, „guck', ab hier wird es schon viel leichter, nach unten zu graben.“

Tatsächlich gelang es ihnen, das meiste Erdmaterial nun allein mit der Schaufel aus der Grube zu heben, nur noch selten mußte der Pickel zum Einsatz kommen. Als das Loch etwa knietief ausgehoben war, kamen die beiden Arbeiter überein, den ersten Schachtring einzulegen. Sie gingen zu der Abladestelle auf der anderen Seite des Hofs und streiften sich Arbeitshandschuhe über.

- „Laß' mich das allein machen“, sagte Gangolf, „erstens sind wir uns zu zweit bloß im Weg, schau', die Ringe sind nur 25 Zentimeter breit, und dann ist das viel zu gefährlich, wenn der Ring umkippt, daß er dir auf's Bein fällt oder auf die Füße kippt! Überhaupt werden wir nachmittags zur Stadt fahren und dir ordentliche Schuhe kaufen, denn mit den Gummistiefeln fällt dir immer öfter die Erde in den Schaft, je tiefer wir graben, und deine Chuckis sind da ja auch nicht geeignet für die schwere Dreckarbeit.“

Widerwillig stimmte Magda zu und beobachtete mit gewissem Abstand, wie Gangolf an der zuvorderst stehenden Ring griff und diesen mit seiner ganzen Körperkraft langsam in's Rollen brachte.
- „Leck', is der schwar“, stieß Gangolf aus und verfiel dabei in seinen Dialekt. Nach einigen Metern hielt er ein, richtete sich von seiner gebückten Haltung auf und beklagte sich:
- „Jetzt hab' ich schon die kleinsten Ringe genommen, die es gab, nur 60 Zentimeter Durchmesser und nur 25 Zentimeter breit, und da stand, daß die noch immer noch 75 Kilo schwer sind, das wird dann eine blöde Wuchterei, wenn wir die dann übereinander bringen müssen.“

- „Laß' mich das `mal probieren“, bat Magda, und es geschah, wie es Gangolf vorhergesehen hatte: Noch ehe der Ring sich wieder in die Rollbewegung versetzte, kippte er seitlich um und donnerte mit einem dumpfen Geräusch auf den Boden.
- „Oh“, rief Magda auf, „oh, das habe ich nicht gewollt!“

Magda ging neben Gangolf in die Hocke, sie griffen unter den Rand des Ringes und hoben ihn mit gemeinsamer Kraftanstrengung auf die Höhe. Als der Ring wieder o-förmig dastand, wagte Magda nicht mehr, ihre Dienste zum Rollen anbieten, sondern war im Stillen Gangolf sehr dankbar, daß jener diese Arbeit verrichtete.

- „Jetzt müssen wir aufpassen, daß der Ring uns nicht gleich in die Grube wegkippt“, rief Gangolf, als er sich mit dem Ring dem Rand des ausgehobenen Erdloches genähert hatte. Beinahe wäre es ihm gelungen, den Ring an die beste Stelle zu bringen, um ihn von dort aus in das Loch kippen zu lassen, doch rutschte das Betonteil bereits eine Handbreit zu früh ab, so daß der Ring schräg in dem Loch zu liegen kam. Gangolf sprang in den schrägliegenden Ring und versuchte, diesen gänzlich in die Grube zu schieben, doch gelang es ihm selbst mit größter Kraftanstrengung nicht. Magda ersann Abhilfe:

- „Willst du den Schaufelstiel nehmen, dann hast du einen größeren Hebel zum Ansetzen an den Ring.“
- „Gute Idee, könnte funktionieren.“
Magda reichte Gangolf die Schaufel, er drehte sie um und rammte das Ende unterhalb der tiefsten Auflage in den Untergrund der Grube. Tatsächlich gelang es ihm auf diese Weise, den Ring zentimeterweise vorwärts zu bewegen und damit den Ring immer weiter von dem Rand der Grube herunterzudrücken. Schließlich rutschte der Ring in einem Ruck in das Erdloch und blieb in einigermaßen waagrechter Position liegen.

- „Er ist d'rinn“, jubilierte Magda und umarmte Gangolf, als ob sie bereits auf Grundwasser gestoßen wären.
- „Jetzt freu' dich nicht zu früh“, beschwichtigte Gangolf, „die ersten 25 Zentimeter sind geschafft, und ab jetzt wird es immer schwieriger, je tiefer wir graben müssen, den Dreck herauszukriegen.“

Bevor Gangolf weiterjammern konnte, griff Magda zur Schaufel und grub weiter. Sie kam gut voran, immer wieder mischte sich Sand zwischen die Lehmschichten, was das Vorwärtskommen nach unten vereinfachte.
- „So, laß' mich auch `mal machen“, sagte Gangolf. Magda indes entgegnete:
- „Ach Gangi, vielleicht könntest du schon `mal den nächsten Ring heranrollen, zu zweit könnten wir hier nicht schaufeln.“
- „Ja wenn du meinst, aber achte darauf, daß du nie die Füße unter den Ring bringst, vor allem, wenn du die Erde dann unter dem Ring wegkratzt, denn der wird dann mit einem Ruck weiter nach unten sinken!“
- „Ich verspreche aufzupassen!“

Gangolf schlappte über den Hof zu den Schachtringen, die dort ihrer Abholung harrten. Als er den zweiten Ring zur Stelle des zukünftigen Brunnens gerollt hatte, war Magda bereits deutlich tiefer in die Grube nach unten gedrungen. Der Ring rutschte tatsächlich mit seinem Gewicht einige Zentimeter tiefer.
- „Gut, dann können wir ja gleich einmal den zweiten Ring auf den ersten schieben, bevor der noch weiter in die Tiefe abrutscht“, meinte Gangolf, „aber ich werde ihn jetzt nicht direkt da über den ersten Ring abkippen, sonst brechen die Betonringe am Ende noch durch den Aufschlag.“

Gangolf brachte den zweiten Ring neben der Grube zum Kippen, so daß dieser neben dem ersten zu liegen kam. Gemeinsam mit Magda gelang es, den zweiten Ring auf den ersten zu schieben und zu ziehen; dank Nut und Feder an den Ringkanten kam der Ring nun genau auf dem ersten zu liegen.

Das Schaufeln ging ab diesem Punkt deutlich schwerer vonsich, denn der Schacht wuchs schlagartig auf einen halben Meter Tiefe; bei einem Durchmesser von nur sechzig Zentimeter Durchmesser kein großzügiger Platz zum Graben.
- „Mach' jetzt `mal Pause“, forderte Gangolf Magda auf.
- „Mach' doch du `mal Pause“, entgegnete Magda, „das Herrollen ist viel anstrengender, ich könnte das überhaupt nicht, wie du gesehen hattest, ich warf gleich den ganzen Ring um.“
- „Ach komm' jetzt und sei so gut und hol' uns `was zum Trinken.“

Diesem Ansinnen konnte Magda zustimmen, stieg aus den beiden Röhren und überließ Gangolf die Schaufel. Dieser begann mit dem Herumstochern und probierte aus, ob er die Arbeit besser vollführen konnte, wenn er in den Ringen stand oder außerhalb der Gruppe am Rand, um von oben aus die Erde herauszugraben. Immer wieder wechselte er zwischen beiden Arbeitsstellungen hin und her; nach kurzer Zeit kam Magda mit einem Korb zurückgelaufen.

- „Hier hast du dein Bier“, rief Magda und reichte Gangolf eine Flasche, während sie sich die Mineralwasserflasche nahm.
- „Du bist ein Schatz“, bedankte sich Gangolf und nahm einen kräftigen Schluck aus der Patentverschlußflasche.

Als schließlich der dritte Ring auf die beiden sich bereits in der Grube befindlichen gesetzt worden war, wurde das Tiefergraben immer beschwerlicher. Beim Herausziehen der Schaufel rieselte ein Großteil der Erde von der Schaufelfläche; dieser prasselte auf Magda Stiefel. Immer wieder mußte sie sich setzen und die Stiefel von den Füßen ziehen, um den angesammelten Inhalt aus dem Gummi zu schütteln. Als Gangolf während des Heranrollens des vierten Rings Magda dabei beobachtete, ließ er den Ring stehen und ging zu ihr:

- „So, Schluß jetzt, jetzt fahren wir in die Stadt und kaufen dir gescheite Schuhe.“
- „Ach Gangi, meinst du wirklich?“
- „Ja, das meine ich wirklich und zuvor essen wir irgendwo was, ich hab' einen Bärenhunger, also nichts gegen deine Kochkünste, Magda, da kommt keiner daran, aber ich glaube, du hast es dir heute wirklich verdient, dich einfach wo hinzusetzen und dich bedienen zu lassen. Bei dem Projekt Brunnengraben heißt es: Diszipliniert einteilen, nicht gleich am ersten Tag metertief hinabgraben, um dann völlig erschöpft da unten zusammenbrechen und im wahrsten Sinne des Wortes das eigene Grab schaufeln.“

Keiner von beiden hätte gedacht, daß diese Worte prophetische Weissagung enthielten.

164. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 07.04.23 12:34

Passend zum heutigen großen Sado-Maso-Tag gibt es die hundertste Fortstetzung, etwas länger als sonst! Allen treuen und untreuen Lesern wünsche ich gesegnte Feiertage!


100


Als Magda und Gangolf im Stadtzentrum von Lüggen ankamen, sahen sie wieder Menschen, die sich unentwegt im Schritt rieben.
- „Sieh' `mal da, überall sind die Menschen, die sich da reiben, die Ärmsten,“ rief Magda besorgt und zeigte im Halbkreis aus dem Autofenster.
- „Der Virus greift umsich, unaufhaltsam“, pflichtete Gangolf ihr bei, „da wird die Maskenpflicht auch bald bei uns kommen, wie in Bayern.“

Magda und Gangolf kehrten in ein italienisches Restaurant am Markt ein; als ihnen beim Eintreten der Geruch des Pizzateigs in die Nase stieg, bemerkten sie, wie hungrig sie waren.
- „Da drüben ist ein kleines Outdoor-Geschäft“, sagte Gangolf und deutete auf die andere Seite des großen Marktplatzes, „da kaufen wir uns dann beide neue Schuhe, extra für den Brunnenbau!“
- „Ach Gangi, du bist so wundervoll, bist du zu allen so aufmerksam?“
- „Zu dir muß ich es besonders sein, weil du dich immer so bescheiden zurücknimmst; wahrscheinlich würdest du am Ende noch barfuß in den Brunnen steigen, wenn ich dich nicht zu gescheiten Schuhen überredet hätte.“
- „Hm, kann schon sein, liegt in meiner Natur“, entgegnete Magda, und sie dachte daran, daß es vielleicht ein gutes Gefühl wäre, barfuß in dem engen Brunnen zu stehen.

Als sie mit dem Essen fertig waren und der Kellner mit der Rechnung kam, zog Gangolf wie gewöhnlich seine Geldbörse aus der Hosentasche; im ersten Augenblick durchfuhr ihm ein leichter Schreck, als er sah, daß er fast keine Scheine mehr einstecken hatte. Er hatte sich noch nicht daran gewöhnt, mit der Karte zu bezahlen, nachdem ihm Inge das Geld aus der Kiste weggenommen hatte. Er war sich auch unschlüssig, wie er diesbezüglich vorgehen sollte, zum einen ärgerte er sich natürlich, daß ihm auf diese Weise viel Geld abhanden kam, anderseits war ihm klar, daß es nicht sein Geld war, das er in der Kiste aufgehoben hatte.

Nachdem der Kellner das Kartenlesegerät geholt hatte und Gangolf die >Transaktion< erfolgreich durchführen konnte, überquerten sie den Platz, um zu dem Outdoor-Geschäft zu gelangen.
An der Ladentür hing ein handgeschriebenes Plakat mit dem vielversprechenden Hinweis von 50 Prozent Rabatt auf alle Waren, allerdings nur heute gültig. In dem Geschäft befanden sich entsprechend viele Menschen, die von dem hohen Preisnachlaß angelockt worden waren.
- „Geben Sie ihr Geschäft auf?“, wollte Gangolf wissen, als ihm ein älterer Verkäufer begegnete.
- „Sie meinen wegen des Rabatts, ja, es könnte schon sein, aber wir wollen auf jeden Fall heute noch so viel wie möglich verkaufen.“

'Erstaunlich', dachte sich Gangolf, 'warum gerade heute', doch er fragte nicht nach, sondern zog Magda mit sich zu den Regalen mit den Wander- und Trekkingschuhen.
- „Die möcht' ich haben“, rief Magda entzückt, als sie pinkfarbene Wanderschuhe sah.

'Wie sie sich verändert hat', überlegte sich Gangolf, 'zum ersten Mal, daß sie so etwas sagt, daß sie was will, daß sie etwas haben will!'
- „Wir brauchen aber welche, die über die Knöchel reichen, sonst fällt dir der Dreck wieder in die Schuhe hinein“, antwortete Gangolf.
- „Ach schade, ich fand die so schön, lila.“
- „Die anderen wird es auch in lila geben, Magda, schau, da hinten stehen die mit dem höheren Schaft!“

Nachdem Magda verschiedene Größen probiert und sich schließlich für das passende Paar entschieden hatte, probierte auch Gangolf verschiedene Modelle, denn er wollte gleichfalls gewappnete sein, wenn er in den Brunnenschacht steigen müßte. Als es wieder an das Bezahlen ging, dachte Gangolf wehmütig an die alten Zeiten, zu denen er alle Anschaffungen einfach bar bezahlte, mit dem Geld aus dem Banküberfall, das er den beiden Räubern abgenommen hatte, als diese auf der Flucht mit den Motorrädern aus der Kurve geschleudert waren.

'Und diese Inge hat sich einfach so einen Bonzen-Karr'n damit gekauft, während wir in Italien waren, aber das ist dem Brause ja egal, nur bei mir, da schnüffelt er dauernd herum!'
Gangolf schluckte seinen Ärger hinunter, der Verkäufer empfahl den Kauf von weiteren Bekleidungsteilen oder sonstigen Zubehörsachen, Jacken, Rucksäcke.
- „Heute 50 Prozent Rabatt“, lockte der geschäftstüchtige Mann, doch Gangolf konnte der Versuchung widerstehen. Als sie das Geschäft verließen, bemerkte er Magdas sehnsüchtige Blicke; immer wieder drehte sie sich um und betrachtete im Gehen die große Auswahl an Dingen.
- „Sag', doch was, Magda, wenn dir sonst noch `was gefällt!“
- „Ja, aber das bezahl' aber dann ich selber, es geht nicht, daß du immer für mich bezahlst!“
- „Aber Magda, ich will dir freilich nicht die Ehre nehmen, aber ...“
Magda fiel ihm in's Wort: „Nichts aber, sonst gehen wir gleich.“

Gangolf willigte ein, er wollte auf keinen Fall Magdas gewaltige Fortschritte in ihrem Prozeß, das Selbstbewußtsein zu finden, zunichte machen. Magda probierte eine Hose mit seitlichen Taschen an den Oberschenkel an und eine robuste Jacke. Gangolf freute sich mit ihr:
- „Einfach toll, daß du dir `mal was neues leistest.“
- „Meinst du, hoffentlich ist das nicht übertrieben, und hoffentlich schimpft mich die Herrin nicht dafür, wenn sie das sieht; ich fürchte, sie wird bald zurückkommen, die Quarantäne wird bald um sein.“
- „Aber Magda, du wirst doch nicht Angst davor haben, daß dich die Martina schimpft, nur weil du dir neues Gewand gekauft hast, was hast du nur für Ängste.“
- „Ach Gangi, wenn du wüstest; du bist so ein guter Mensch, wenn nur alle so wären.“

Zuhause angekommen fand Gangolf eine Benachrichtigung vor, daß eine Lieferung für ihn gekommen wäre und daß er die Ware am Abend in Lüggen abholen könnte, ansonsten würde sie am nächsten Tag nochmals zugestellt werden.
- „Ach verdammt, ausgerechnet jetzt kommt das Zeug, wo wir gerade nicht da waren“, sprach Gangolf, mehr zu sich selbst als zu Magda.
- „Das tut mir leid“, antwortete Magda, „wir hätten doch besser dableiben sollen, wenn du auf ein Paket wartest.“
- „Nicht so schlimm“, entgegnete Gangolf, doch ertappte er sich bei einer Lüge, als er die Worte aussprach. Er würde viel lieber seinen geplanten Keuschheitsgürtel basteln als Brunnengraben. Magda zog sich ihre alten Chucks von den Füßen und schlüpfte in ihre neuen pinkfarbenen Trekkingstiefel.

- „Die sind doch viel zu schön, um dreckig zu werden“, jammerte Magda und strich genußvoll mit ihren Händen über das Obermaterial.
- „Das sind doch Trekkingschuhe, kommt vermutlich von Dreck, den die abhalten und aushalten, die kann man doch leicht abwaschen, sind wasserdicht, also genau das richtige für das Brunnengraben. Aber bevor wir weitermachen, würde ich gerne noch einen Kaffee trinken.“
- „Ja freilich“, rief Magda und schickte sich an, in die Küche zu laufen.
- „Das mach' ich heute, das kann ich gerade noch“, entgegnete Gangolf, „nimm' lieber dein neues Gewand hinauf in deine Kammer, oder noch besser, zieh' es gleich an, bevor wir wieder zur Arbeit gehen.“

Magda willigte ein und kurze Zeit später stand sie in ihrer Outdoor-Bekleidung vor dem großen Spiegel im Flur und betrachtete sich von allen Seiten. Sie wollte es sich nicht eingestehen, doch konnte sie nicht leugnen, neue, bislang für sie unbekannte Gefühle in sich entdeckt zu haben. Nachdem sie sich ausgiebig beäugt hatte, trat sie behutsam in das Wohnzimmer und lächelte Gangolf an, als dieser gerade mit dem Tablett aus der Küche kam.
- „Prächtig siehst du aus, Magda“, begrüßte er die Eintretende, „setz' dich bitte, ich hol' gleich den Kaffee.“

Magda nahm Platz und ließ sich zum ersten Mal in ihrem Leben von jemanden bedienen, von den Kellnern in Gaststätten abgesehen. Gangolf stellte Teller und Tassen auf den Tisch und gruppierte das Milchkännchen und die Zuckerdose. Als er wieder in die Küche ging, um den Kaffee zu holen, bemerkte er im hintersten Augenwinkel, wie sich Magda von ihrem Sitzplatz hinunterbückte und über die Lowa-Schnürstiefel streichelte, zuerst über den linken Schuh, dann auch über den rechten.

'Jeder hat seinen Fetisch, wahrscheinlich muß man die geheimsten innersten Gefühle erst wecken, ehe sie richtig Besitz ergreifen', dachte sich Gangolf und verschwand mit einem verschmitzten Lächeln. Er freute sich für Magda, daß diese mehr und mehr ein Selbstbewußtsein entwickelte, von der geradezu krankhaften devoten Lebensart, welche sie bislang gepflegt hatte.
- „Ach Gangi, danke für alles, es ist so schön bei dir und mit dir, danke, daß ich da sein darf“, entgegnete Magda, als Gangolf mit der Kaffee-kanne hereinkam.
- „Und ich danke dir, daß du mich ein Stück weit in meinem einsamen Leben begleitest!“

Nach dem Kaffeetrinken zogen sich Magda und Gangolf das Arbeitsgewand an, schnürten sich ihre neuen Stiefel und marschierten zur Brunnenbaustelle. Magda hatte zunächst Skrupel, mit den neuen Stiefeln in den Schacht zu steigen, Gangolf ermunterte sie, daß diese Art von Schuhen speziell für schwere Belastungen gemacht sind. Magda gab ihm recht, daß das Arbeiten wesentlich angenehmer war, daß nicht mehr ständig Stein- und Erdbröckchen wie zuvor geschehen in den Schaft der Gummistiefel zu den Füßen gelangten.

Das Erdreich war in der Tiefe erstaunlich locker, es gelang verhältnismäßig leicht, in die Tiefe zu graben. Andererseits wuchs das Problem, den Aushub aus dem Schacht nach oben zu befördern; über die Hälfte einer Schaufelfüllung rutschte ab und fiel wieder zurück. Als Gangolf mit dem fünften Ring herankam, erkannte er Magdas Problem und meinte:
- „So, den Ring setzen wir jetzt noch d'rauf, aber dann hol' ich einen Eimer, den ich dann zum Ausleeren hinaufziehe.“
- „Ja, wahrscheinlich geht das dann besser, ich verliere immer soviel Aushub von der Schaufel, es ist so eng hier drinnen.“

Magda gestand sich ein, daß sie diese Enge gerade liebte, daß dieses Gefühl des Gefangenseins in der schmalen Röhre geradezu erotische Macht ausübte.
- „Und bring' bitte eine kleinere Schaufel mit mit einem kürzeren Stil.“
- „Ja klar, aber jetzt komm' erst `mal heraus, damit wir den Ring noch d'rauf setzen, und ich glaub', für heute reicht's dann auch.“
- „Ach nein, Gangi“, antwortete Magda, während sie sich aus dem ein Meter tiefen Schacht herauswandt, „bitte, noch einen Ring tiefer, es ist ja noch so hell.“

Mit gemeinsamer Anstrengung wuchteten die beiden den fünften Ring über den vierten, sie gingen zur Scheune, um die neuen Utensilien zu holen. Gangolf band ein Seil an den Henkel eines stabilen Baueimers, während Magda nach einer kleineren Schaufel Ausschau hielt.
- „Wart', ich glaub', im Keller liegt noch so eine Kohlenschaufel herum, mir der die früher die Eierkohle in die Schür' gegeben hatten.“

Zu den neuen Werkzeugen gesellte sich die Staffelei, die Gangolf mitnahm, denn der Einstieg und Ausstieg in den mittlerweile auf 1 Meter 25 angewachsenen Schacht war ohne Leiter kaum mehr zu bewerkstelligen.
- „Laß' mich doch jetzt weitergraben“, bot sich Gangolf an, doch wurde er vehement zurückgewiesen:
- „Nein, ich möchte graben, ich möchte da jetzt wieder hineinsteigen und da unten graben, ich find' das so schön, wenn man sieht, wie die Ringe immer weiter nach unten rutschen.“
- „Bitte, ich möchte dir den Spaß nicht nehmen. Aber mach' den Eimer höchstens halb voll, sonst derzieh' ich es nicht.“

Gangolf stellte die Staffelei in den Schacht, Magda stieg darauf hinab. Unten angekommen gab sie ihm Zeichen, die Leiter wieder hinaufzuziehen. An ihrer Stelle ließ Gangolf den Eimer an dem Seil hinab, Magda ging in die Hocke und begann sofort zu Schaufeln, im Nu war der Eimer voll.
- „Doch nicht so voll machen“, rief Gangolf hinunter. Tatsächlich erwies sich der Eimer als zu schwer zum Hinaufziehen.
- „Bitte leer' ihn wieder aus, daß er nur noch halb voll ist“, rief Gangolf hinunter, „morgen bau' ich eine Kurbelvorrichtung, oder noch besser, ich hol' so einen Seilzugmotor vom Baumarkt.“

Anfang Oktober wurde es gegen Abend sehr schnell dunkel; sobald die Sonne hinter den Baumwipfeln des Erlenbruchwaldes verschwand, dauerte es nicht mehr lange, daß sich die Nacht auf das Land herniederließ. Als der fünfte Betonring so weit hinunterrutschte, daß er nicht mehr über das Niveau des umgebenden Erdbodens hervorstand, rief Gangolf:
- „So, Schicht im Schacht“, zog zum letzten Mal den Aushubeimer hinauf und setzte die Staffelei in die Röhre.

Magda meinte:
- „Ach, jetzt schon aufhören, kannst du nicht ein Licht holen, du hast doch so ein langes Verlängerungskabel, also so eine Kabeltrommel und den Handscheinwerfer.“
- „Mit so `was fangen wir gar nicht an, wenn es finster ist, dann ist es ein untrügliches Zeichen, daß Schluß ist; schau', wir sind heute am ersten Tag schon so weit gekommen, fünf Ringe, wenn wir so weiter machen, sind wir bald fertig. Also immer langsam, Kräfte einteilen, schonend mit ihnen umgehen, sonst sind wir morgen schachmatt.“
- „Du wirst schon recht haben“, entgegnete Magda und stieg aus dem Schacht, „es ist halt so toll, da unten zu graben, und dann rutschen die Ringe immer weiter nach unten, daß man das so einfach machen kann, ist einfach toll.“
'Irgendwie bleibst du wohl doch immer das Arbeitstier', überlegte sich Gangolf und zog die Staffelei aus dem Schacht.

Als sich Gangolf kurz vor acht Uhr abends wie üblich auf das Sofa fläzte, gab es an diesem Abend eine Ausnahme: Entgegen der Gewohnheit brachte Magda ihm diesmal nicht das obligatorische Bier, sie ließ sich vielmehr auf einen Sessel fallen. Gangolf war sich im unklaren, ob ihr Verhalten mit der Erschöpfung aufgrund der geleisteten harten Arbeit zu tun hatte oder in dem fortschreitenden Emanzipationsprozeß, in welchem sich Magda befand. Gangolf erhob sich nochmals, um für sie und für sich Getränke zu holen, dann auch Erdnußflips und andere Knabbereien.

♪ Dinng-Donng – ding,ding,ding,Doonnng ♪
ertönte die Erkennungsmelodie der Tagesschau; was Magda und Gangolf anschließend von dem Nachrichtensprecher erfuhren, machte sie sprachlos.

165. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von modex am 07.04.23 21:12

100 Kapitel - 1000 Dank!
Und immer noch hat man den Eindruck, gleich, im nächszen Kapitel, da fügt sich das Bild zusammen. Andauernde Spannung als Karotte vor dem Osterhasen...irgendwie so, jedenfalls, Chapeau!
166. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von Ihr_joe am 07.04.23 22:20

Ta-ta, ta ta ta taa …

Wie uns soeben mitgeteilt wird hat der fantastische, erotische Kriminalroman
DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN, die 100 Folge erreicht. Aus gegebenem Anlass schalten wir in das bekannte KG Forum und überreichen dem Autor M A G N U S eine Walnuss, Entschuldigung natürlich einen Ostergruß, und bedanken uns für seine wunderbare Geschichte.

Wir schalten zurück ins Studio, dort sitzt einer der untreuen Leser für unser Interview:
„Hallo Ihr_joe, was gefällt ihnen an der Geschichte denn so außergewöhnlich?“

„Warum antwortet er denn nicht? Regie!“

„Der wurde gerade von seiner Herrin abgeholt, wir sollen dem Autor ausrichten: ‚So geht es nicht, meinen Sklaven (Entschuldigung sie meinte Zögling), mit so einem Werk von seinen Aufgaben, abzulenken.‘

Bild aus … Nein das war keine Peitsche … Schalt endlich um …

Krachquitsch
seit ihr Wahnsinnig, das gehört doch nich ge … quischkrach …
Entschuldigen sie die technische Panne, unser Programm geht gleich weiter.

Lächelnd
Ihr_joe


167. RE: Live-Schaltung Tagesschau

geschrieben von M A G N U S am 08.04.23 08:37

Das hätte ich nicht gedacht, daß es zum Jubiläum eine "Live"-Schaltung in das ARD-Hauptstadtstudio geben wird; herzlichen Dank an die Sendeleitung!

Nur zu dumm, daß der Interview-Partner überhaupt nicht zu Wort kam, sondern in Begleitung knallender Geräusche irgendwie aus dem Senderaum vertrieben wurde - indes sagt dieser Vorgang für sich schon alles; nun ja, es bleibt zu hoffen, daß er wenigstens in seiner wie auch immer gearteten Behausung als "treuer Leser" weiterhin Anteil am Leben haben darf!

Daß es weiterhin "andauernde Spannung" gibt, das freut mich sehr, daß das so aufgenommen und wahrgenommen wird, lieber Modex, und ich hoffe, daß auch die vielen stillen Leser das so empfinden, welche sich nicht getrauen, hier einen Kommentar loszuwerden.

Wo bleibt eigentlich einmal eine Negativ-Kritik?
Wie dem auch sei, wünsche ich weiterhin Spannende (Folter?) Unterhaltung, wie lange sich die Geschichte wohl noch dahin ziehen wird? Das Ende wurde ja bereits eingangs angedeutet...
168. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von folssom am 10.04.23 01:45

Auch ich bedanke mich für 100 spannende Folgen deiner Geschichte und hoffe, das der Brunnenbau langsam voranschreitet und somit noch einige Fortsetzungen folgen werden.
169. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 14.04.23 21:29

"... der Brunnenbau langsam voranschreitet und somit noch einige Fortsetzungen folgen werden."

Und ich fürchtete schon, der Fortgang der Geschichte wäre zu langatmig-langsam; aber es stimmt schon: Die Monumental-Geschichten hier im Forum ziehen sich über Jahre dahin und werden dennoch, vielleicht gerade deshalb gern gelesen.

Ich wünsche weiterhin viel Lese-Vergnügen!
Magnus.



101

- „Oh ja, dann können wir ja einfach weiter graben mit dem Brunnen“, rief Magda zuversichtlich aus, als der Nachrichtensprecher mit kühler Stimme verkündete, daß sämtliche Betriebe, die nicht äußerst dringlich zur Aufrechterhaltung der Nahrungs- und medizinischen Versorgung dienten, schließen mußten, „und zum Glück haben wir die Stiefel gekauft und Nahrungsmittel auch gleich für die ganze Woche.“
- „Hast du denn keine anderen Sorgen, als den Brunnen zu graben?“, fragte Gangolf.
- „Nein, eigentlich nicht“, antwortete Magda.
- „Ja denk' doch einmal an die vielen, die gestern nicht zufällig groß eingekauft hatten und jetzt auf Notlieferungen vom Roten Kreuz und anderen Organisationen angewiesen sind.“
- „Ja das ist natürlich schlimm für die“, gestand Magda ein.
- „Jetzt ist mir auch klar, warum der Typ gestern uns die Sachen zum halben Preis verkauft hat, der hat wahrscheinlich schon `was geahnt, durfte es aber nicht sagen.“
- „Also ich finde es richtig“, meinte Magda, „daß die jetzt schlagartig alles zumachen, sonst ist es, wie der Nachrichtensprecher sagte, sonst kommen die alle und machen Hamsterkäufe und das wäre ungerecht für die, die nicht jetzt zum Einkaufen fahren können und so können sie die Sachen aus den Läden gleichmäßig an die Bevölkerung verteilen.“
- „Ja, das wir so sein, wenn die gesagt hätten, erst nächste Woche oder erst in drei Tagen wird dann alles zu sein, dann wären doch alle nochmal gefahren und hätten den Kofferraum vollgehauen voll von Zeugs, was sie vielleicht gar nicht gebraucht hätten in der nächsten Zeit, aber einfach aus Angst horten, einlagern und bunkern und so.“

Magda und Gangolf diskutierten noch eine Weile hin und her, allmählich beruhigten sich ihre Gemüter in der Gewißheit, daß es ihnen bei den strikten Maßnahmen zur Einschränkung der Kontakte verhältnismäßig gut gehen würde.
- „Stell' dir vor, du wärst gestern in deiner Wohnung geblieben oder heute, morgen dürfte ich dich schon nicht mehr abholen“, gab Gangolf zu bedenken.
- „Dann wär' ich einfach mit dem Rad zu dir gekommen“, gab Magda unbekümmert zurück.
- „Ja nichts mit Radfahren, nicht einmal zu Fuß gehen, es ist alles aus, hast du nicht gehört, totale Ausgangssperre, den ganzen Tag über!“
- „Hm“, war alles, was Magda dazu sagen konnte.

- „Ich werd' uns gleich `mal anmelden in dem staatlichen Lieferportal da im Internet, damit die uns im Notfall dann gleich `was bringen können“, meinte Gangolf und wendete sich dem Computer zu.

Das Kreislein des Internet-Browsers rotierte und rotierte, minutenlang war keine Änderung auf dem Bildschirm ersichtlich. Endlich kam eine frustrierende Meldung:
>Wegen Überlastung ist diese Seite augenblicklich nicht erreichbar, bitte versuchen Sie es später, sie aufzurufen.<
- „Das geht ja schon gut los“, brummte Gangolf, „ist aber eigentlich logisch, daß jetzt nach der Tagesschau, wo der totale >Lock down< erstmals verkündet worden ist, alle versuchen, sich beim Lieferservice anzumelden.“
- „Probier' es doch morgen“, empfahl ihm Magda, „vielleicht hat sich bis dahin über Nacht alles ein wenig beruhigt“.
- „Ja, du wirst recht haben, ich glaub' auch, daß heute da nichts mehr geht.“

Mürrisch drehte sich Gangolf um und richtete seinen Blick wieder auf den Fernseher. Für die nächsten eineinhalb Stunden kündigte ein Sprecher eine Sondersendung an. Zu Beginn wurden nochmals alle Vorschriften gezeigt und gleichzeitig verlesen. Anschließend wurden Filmaufnahmen von Hauptstraßen in großen Städten gezeigt: Ein wahres Verkehrschaos ist ausgebrochen, es hatte den Anschein, daß ein jeder nochmals irgendwo hinfahren wollte, bevor die totale Ausgangssperre um Mitternacht in Kraft treten würde.

- „Zum Glück bin ich schon bei dir“, kommentierte Magda das wilde Gehupe in den Stauungen der nächtlichen Straßen.
- „Ein Wahnsinn, das alles“, meinte Gangolf und griff zur Fernbedienung. Gerade als er die Pfeil-nach-oben-Taste drücken wollte, um zum zweiten Programm zu kommen, äußerte sich ein Redner zu dem Verbot des Geschlechtsverkehrs:
- „So wie der Straßenverkehr untersagt wird, wird auch der Geschlechtsverkehr verboten, gleichgültig zwischen welchen Personen. Aus rein epidemiologischer Sicht mag es sehr vernünftig erscheinen, das Ansteckungsrisiko damit zu vermindern, da nachgewiesenermaßen neben den Aerosolen der Geschlechtsakt zur Verbreitung des Virus' maßgeblich beteiligt ist, aber kein Gesetz ist auf Dauer wirksam, solange die Einhaltung nicht überwacht werden kann. Der Effekt wird sein, daß sich die gewissenhaften Paare zurückhalten, die skrupellosen aber das Gesetz brechen werden, da man die Einhaltung desselben nicht kontrollieren kann. Damit werden kurzfristig Kinder geboren, die mit der genetischen Veranlagung von Eltern zur Welt kommen, die es mit der Gesetzesmoral nicht so genau nehmen. Sollte also das Verbot jeglichen Geschlechtsverkehrs über den verkündeten Zeitraum von zwei Wochen hinaus verlängert werden oder die Empfehlung zur Enthaltsamkeit dann weiter ausgesprochen bleiben, wird sich eine durchschnittlich feststellbare Verschiebung in der Genetik feststellen lassen, wenn auch zunächst nur in einem sehr geringen Maße. Das gleiche Szenario gilt mit den Ausgangssperren; findige Menschen wird es immer irgendwie gelingen, sich an den Kontrollen vorbei zu Bekannten zu begeben und es dort, schon allein aus der lähmenden Langweile heraus, zu machen, denn wenn alles Leben zurückgefahren wird, Arbeit wie Freizeit, keinerlei Aktivitäten, kein Sport, kein Spazierengehen, dann bleibt ja eigentlich oft nur noch das Bett. Hingegen werden treue Eheleute, die sich brav an die Gesetze halten, ihre intimsten Handlungen unterbinden und dadurch diese edle Gesinnung in Form ihrer Gene nicht an Nachkommen weitergeben können.“

- „Unglaublich, der Typ hat recht, daran hab' ich noch gar nicht gedacht“, meinte Gangolf, „auf was die alles kommen, ist schon ein Wahnsinn, was die da alles verbieten, wie Luther schon vor fünfhundert Jahren beklagte: >Der Papst würde den Priestern am liebsten noch das Scheißen verbieten!<

Gangolf griff wieder zur Fernbedienung und wechselte zum ZDF, dann zu den dritten Programmen der öffentlich-rechtlichen Sender, überall kamen Sondersendungen zu den weitreichendsten Beschlüssen zur Einschränkung der persönlichen Freiheitsrechte, die es jemals gegeben hatte.

- „Selbst im Mittelalter waren die Untertanen freier, die Leibeigenen, die durften wenigstens zu jeder Zeit auf die Straße hinausgehen“, empörte sich ein Befragter. Ein anderer pflichtete ihm bei:
- „Kennen Sie das >jus primae noctis<, das Recht der ersten Nacht, da konnte sich der Graf an den Jungfrauen vergehen vor deren Verheiratung, aber jetzt, jetzt ist alles verboten, ganz gleich, welcher mit welche.“

- „Was ist denn das für ein Blödsinn“, empörte sich Gangolf und zappte weiter. Endlich fand er auf einem Privatsender einen Spielfilm. Gerade als er umgeschaltet hatte, wurde eine Filmszene gezeigt, wie ein junge Frau auf einem Stuhl gefesselt hilflos dasaß. Gangolf war es peinlich sich einzugestehen, daß ihn die Szene erregte, aber auch Magda blickte gebannt auf die Bildfläche.

- „So möchte ich auch einmal sitzen, die ganze Nacht über“, kommentierte Magda das Gesehene, „irgendwie fehlt mir die Herrin“.
- „Muß das wirklich sein, Magda, genieß' doch deine Freiheiten, beziehungsweise das, was noch übrig sind von ihnen, denn ab jetzt gibt es die nächsten zwei Wochen keine Freiheiten mehr, da mußt du dich doch nicht noch künstlich einschränken lassen.“
- „Ach Gangi, das kannst du nicht verstehen, es ist auch nicht normal, was ich empfinde.“

Gangolf fiel nichts ein, was er darauf antworten hätte können, er zog es vor, Magdas Satz unkommentiert stehen zu lassen.

'Jeder Mensch hat wohl so seine eigenen Empfindungen', überlegte sich Gangolf, 'die sehen bei jedem anders aus, die einen kann man leichter verstehen, die anderen bleiben unverständlich. Immerhin bist du im Bereich Selbstbewußtsein und Selbstwertgefühl vorangekommen, und das ist schon `mal viel Wert.'

- „Mit dem Seilzugmotor wird es jetzt auch nichts“, kommentierte Gangolf mißmutig die Rundfunknachrichten, die er mit Magda beim Frühstückstisch abhörten. Der Rundfunksprecher wiederholte die Anordnungen, die bereits am Abend zuvor sein Fernsehkollege verkündet hatte. Auch das Internet war voll von den Nachrichten und Kommentaren dazu, eine lähmende Fassungslosigkeit machte sich auf allen Informationskanälen breit.

- „Kannst du nicht irgend so einen Kurbelmechanismus bauen“, meinte Magda, „mit dem du dann leichter den Kübel hinaufziehen kannst?“
- „Ja, das werde ich machen.“
- „Gut, dann werde ich schon `mal mit den Vorbereitungen für das Mittagessen beginnen, bis du soweit bist.“

Gangolf erinnerte sich an einen alten Drehstrommotor, den er irgendwo im Keller herumliegen hatte. Er überlegte, ob er die Welle mit einem Stück Wasserleitungsrohr verlängern könnte, um welches sich das Seil aufwickeln würde. Er verwarf indes die Idee, da er kein Gerät hatte, mit welchem er die Drehzahl des Motors herabsetzen könnte; mit der üblichen Drehzahl des Motors bei direktem Anschluß an das Stromnetz hätte sich die Welle zu schnell gedreht. Somit blieb Gangolf nichts anderes übrig, als eine Vorrichtung mit Handkurbel zu konstruieren. Nach gut zwei Stunden hatte er das Gestell gezimmert mit einer Aufnahme für das Rohr, um welches sich das Seil aufwickeln ließ.

Als Gangolf damit zu dem Brunnen ging, sah er Kinder aus dem Dorf mit ihren Fahrrädern den Feldweg heranfahren, die auf Höhe des Brunnens anhielten und interessiert durch die Büsche schielten. Seit der Lastwagen mit den Schachtringen durch Wesserbarg gerumpelt war, wußte jeder im Dorf, daß Gangolf anscheinend einen Brunnen graben wollte. Für die Kinder war es eine willkommene Abwechslung, eine Baustelle zu besuchen, die Schulen waren ohnehin, wie alle anderen Einrichtungen, geschlossen worden.

Gangolf setzte das pyramidenförmige Gestell über den Brunnenschacht, drückte das Rohr durch die Aufnahmelöcher und fädelte das Seil durch das leicht aus der Mitte angebrachte Loch in dem Rohr. Zum Ausprobieren gab er eine Ladung voll Sand in den Eimer und hängte diesen an das Seil. Er kurbelte den in die Tiefe hinabgelassenen Eimer mit der neuen Vorrichtung hinauf, arretierte die Kurbel, hievte den Eimer vom Haken und entleerte diesen. Zufrieden ging er in das Haus zurück, um Magda von der Einsatzbereitschaft zu verständigen. Er gönnte sich noch einige Schlucke Bier und nahm die halb geleerte Flasche mit hinaus auf die Baustelle. Magda zog sich um, schnürte sich die pinkfarbenen Stiefel und nahm eine Mineralwasserflasche mit.

Die Arbeiten gingen dank Gangolfs Vorrichtung gut voran, Magda konnte nun den Eimer randvoll füllen, problemlos kurbelte Gangolf den Aushub aus dem Schacht.

- „Sag' fei', wenn wir einmal wechseln sollen“, rief Gangolf in den Schacht hinab.
- „Ach nein, du weißt doch, Gangi, daß ich das gern mache da unten graben, das macht mich richtig an.“
- „Ja wenn das so ist“, antwortete Gangolf, „dann will ich dir natürlich deine Freude nicht nehmen.“

Daß Magda auch nach Fertigstellung des Brunnens immer wieder auf dessen Grund hinabsteigen würde, das hätte sich Gangolf nie gedacht; daß die Lust auf das feuchte Ambiente eine so anregende Wirkung ausstrahlen konnte und in Verbindung mit den beengten Platzverhältnissen zu einem dramatischen Ende führen würde, konnte natürlich auch Magda nicht ahnen.













170. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 21.04.23 20:24

102


- „Wasser“, rief Magda freudig erregt, „Gangi, es kommt Wasser!“
Gangolf beugte sich über den Schachtrand und blickte hinunter.
- „Ja endlich“, entgegnete er, „ich fürchtete schon, die fünfzehn Ringe würden nicht reichen, wir sind jetzt beim zwölften.“
- „Ah, dann sind wir schon bei drei Meter Tiefe“, echotete es von unten.
- „Äh, ja, wie schnell du im Kopfrechnen bist. Jetzt müssen wir, also du, noch weiter tiefer graben, bevor das Wasser noch höher steigt, damit es dann später hoch im Brunnen steht.“
- „Aber jetzt möcht' ich doch die Gummistiefel anziehen“, rief Magda zu Gangolf hinauf, „damit die neuen Schuhe nicht in den Schlamm kommen. Und jetzt ist es auch nicht mehr so, daß da `was durch den Stiefelschaft hereinkommt.“
- „Ja wenn du meinst, dann bau' ich das Gestell jetzt ab und setz' die Leiter ein, damit du herauskommst.“

Magda vertauschte ihre Trekkingschuhe mit den Gummistiefeln, hurtig stieg sie wieder in den Schacht, Gangolf zog die Leiter zurück, stellte die Seilzugvorrichtung über die Öffnung und ließ den Eimer hinab. Mit dem Graben ging es jetzt deutlich langsamer voran, es erforderte wesentlich mehr Kraft, die schwere wasserdurchtränkte Erde wegzuschaufeln.

Nach einer halben Stunde stand Magda knöcheltief im Wasser, sie konnte nicht mehr sehen, wohin sie die Schaufel setzte. Sie grub immer weiter, schaufelte unentwegt den wasserdurchtränkten Aushub in den Eimer und richtete sich in den kurzen Pausen auf, während Gangolf den Kübel hinaufkurbelte. Immer wieder rutschten die Ringe zentimeterweise tiefer, bis sie schließlich in einem Ruck fast zwei Handbreit absackten. Das Wasser spritzte auf und es kam, wie es kommen mußte, es lief in Magda Gummistiefel hinein. Magda schreckte kurz überrascht auf, ließ sich aber nichts weiter anmerken, im Gegenteil, sie empfand das kühlende Wasser durchaus angenehm, das sich im Inneren der Stiefel verteilte.

- „Wie tief bist du denn jetzt?“, wollte Gangolf wissen.
- „Also der unterste Ring ist jetzt fast ganz im Wasser“, röhrte Magda zum ihm hinauf.
- „Gut, dann haben wir es praktisch geschafft, also du hast es geschafft, du hast ja wie eine Wilde gegraben!“
- „Und du hast wie ein Wilder gekurbelt und den Eimer entleert!“
- „Ja, jetzt paß' `mal auf, wir sollten, wenn es möglich ist, jetzt die Ringe ausrichten, daß der unterste Ring etwa gleichmäßig mit der Wasserkante abschließt.“
- „An einer Seite ist er schon unter dem Wasser, an der anderen schaut er noch ein bißchen heraus.“
- „Ja, dann grab' doch noch an der Stelle, wo er aus dem Wasser herausschaut, vielleicht haben wir Glück und er rutscht dann an dieser Stelle noch tiefer, damit er dann waagrecht d`rinn liegt und damit der ganze Schacht senkrecht steht.“

Tatsächlich gelang es, daß die Ringe auf der einen Seite tiefer rutschten, während sie auf der gegenüberliegenden Seite blieben. Gangolf kontrollierte mit der Wasserwaage den obersten Ring, dieser lugte etwa eine Handbreit über die umgebende Erdoberfläche hinaus.
- „Jetzt noch ein bißchen weiter links“, rief Gangolf hinunter, „dann müßte es passen!“

Gangolfs Wunsch ging nicht in Erfüllung, der Brunnenschacht blieb in seiner leichten Schräglage.
- „Ach, was soll's“, sagte er sich, „Hauptsach', der Kübel geht g'rad `unter, ohne anstreifen; Klasse, also kumm' aufa, Magda, ejtz feier'm g'hörig!“

Voller Freude verfiel Gangolf in seinen angestammten Dialekt, schob die Aufzugsvorrichtung beiseite und stellte die Leiter in den Schacht. Magda stieg hinauf und wunderte sich, wie kühl es oben war.
- „Im Brunnen unten ist es viel wärmer“, berichtete sie.
- „Und das, obwohl du mit deinen Stiefeln eingeschöpft hast!“, resümierte Gangolf.

Wieder kamen Kinder an dem Feldweg vorbei, Gangolf winkte sie heran:
- „Wollt ihr einmal hineinschauen in den Brunnen, aber paßt auf, daß ihr nicht hineinfallt, der ist drei Meter tief!“

Neugierig kamen die Kinder näher, der größte der Jungen trat vor, ging vor dem Brunnen in die Hocke und lugte vorsichtig über den Rand. Nach ihm taten es ihm die anderen Kinder nach. Gangolf ging gleichfalls neben ihnen in die Hocke, um sie notfalls zurückhalten zu können, sollten sie sich zu weit nach vornüber beugen.

Nachdem sich die Kinder wieder auf die Fahrräder geschwungen hatten und Richtung Wesserbarg davongefahren waren, kehrten Magda und Gangolf in das Haus zurück. Magda befreite sich von Stiefeln und nassen Socken, während Gangolf die am Morgen in den Kühlschrank gestellte Sektflasche heraus holte und den Korken knallen ließ.

Nach dem Mittagessen gingen die beiden Brunnenbauer nochmals zur Baustelle; Magda begann, den Brunnenschacht mit dem Aushub nach außen hin zu verfüllen, während Gangolf aus dicken Brettern einen Deckel als Abdeckung für den Brunnen anfertigte. Es war noch nicht einmal vier Uhr am Nachmittag, daß sich die Sonne bereits wieder hinter die Baumkronen senkte, über Gangolfs Hof breitete sich der Schatten aus. Magda hatte den Brunnenschacht mit dem Aushub verfüllt und ging zu dem Haus zurück. Auf dem Hof kam ihr Gangolf mit dem Schachtdeckel entgegen, den er just in dem Moment fertiggestellt hatte.
- „Ah, da hast du ja schon den Deckel“, rief Magda ihm entgegen, „gerade bin ich mit dem Verfüllen fertig geworden!“
- „Sehr schön, mach' doch schon `mal einen Kaffee, ich leg' noch schnell den Deckel auf den Schacht, daß niemand hineinfällt, nicht daß die Kinder wieder kommen und neugierig in den Brunnen schauen!“

Gangolf schleppte den Deckel zum Brunnen und legte ihn auf den knapp über den Boden herausschauenden Schachtrand. Anschließend wälzte er einen großen Stein heran, den er mit Kraftanstrengung auf den Deckel wuchtete.
- „So, der bleibt jetzt hoffentlich da d'rauf liegen“, sagte er zu sich und wandte sich um, zu dem Haus zurückzugehen. Magda hatte zwischenzeitlich die Kaffeemaschine in Gang gesetzt; aus unerfindlichen Gründen hatte sie eine doppelte Menge vorbereitet, als ob sie drei oder vier Personen wären.

- „Erwarten wir Besuch?“, wunderte sich Gangolf, als er die bis oben hin gefüllte Glaskanne erblickte.
- „Oh, nein, uns darf ja niemand mehr besuchen, ich weiß nicht, warum ich so viel gemacht hab', irgendwie bin ich vor lauter Freude ganz durcheinander.“
- „Wenn es nichts weiter ist als daß du zuviel Kaffee gemacht hast, ist das ja gut, zu wenig wäre schlechter.“

Kaum hatten sich beide an den Tisch gesetzt, hörten sie ein Auto in den Hof brausen.
- „Wer rast denn da gar so daher?“, wunderte sich Gangolf und erhob sich. Magda erkannte das Geräusch wieder, sie erbleichte.
- „Hast du den Tod anklopfen hören?“ fragte Gangolf erstaunt.
- „Ja, so ähnlich“, stammelte Magda, „ich glaub', ich weiß', wer kommt!“

Gangolf riß die Haustür auf und erblickte einen Lada – den Lada. Magda lief ihm in den Flur nach und sagte:
- „Ich verstecke mich oben, sag' ihr, ich bin nicht da!“
Gangolf drehte sich um und antwortete:
- „Das ist doch albern, warum willst du dich verleugnen?“

Für ein Versteckspiel war es ohnehin zu spät, Martina kam mit schnellen Schritten auf Gangolf zu und gewahrte hinter ihm Magda. Gangolf hob die rechte Hand zum Gruß und rief:
- „Hallo Martina, schön, dich zu sehen, wie geht es dir, haben sie euch endlich wieder aus der Quarantäne herausgelassen?“

Anstelle eines Grußes gab Martina patzig zur Antwort:
- „Aha, da steckst du also, hatte mir das schon gedacht, als ich dich nicht in deiner Wohnung fand!“
- „Nun komm' doch erst einmal herein“, ergriff Gangolf wieder das Wort und trat zur Seite, um Martina hereinzulassen.
- „Nein, nein, ich muß gleich wieder los, ich wollte nur sehen, wo Magda steckt“, und an Magda gerichtet fuhr sie fort:
- „Pack' deine Sachen zusammen und dann nehm' ich dich nach Lüggen mit!“

- „Ach jetzt komm' doch erst `mal herein und erzähl' von eueren Erlebnissen mit der Quarantäne; Magda hat ohnehin viel Kaffee gekocht, gerade so, als ob wir auf dein Kommen erwartet hätten. Sag' ´mal, darfst du überhaupt Fahren, also seit heute gilt doch striktes Verbot für alles!“
- „Als Krankenschwester bekam ich eine Ausnahmegenehmigung. Also was ist jetzt, Magda?“, schnauzte sie diese an, "sonst fahr' ich wieder ohne dich und da kannst sehen, wie du nach Hause kommst, die sperren euch ein, wenn ihr losfahrt, auf der Bundesstraße bin ich zweimal kontrolliert worden und in Lüggen auch!“
- „Ich bleibe hier!“, rief Magda selbstbewußt aus dem Hausflur heraus auf die immer noch draußen stehende Martina.
- „Hey, bist du frech geworden, ich glaube, du brauchst endlich wieder `mal eine ordentliche Abreibung!“, empörte sich Martina.
Gangolf ergriff das Wort:
-„Sie darf bei mir bleiben, solange sie will!“
- „Ja, das will ich!“, rief Magda und suchte Schutz hinter Gangolfs Rücken.
Martina setze ihren typischen Schmollmund auf und fletschte anschließend die Zähne:
- „Das wirst du noch bereuen!“

Grußlos drehte sich Martina um und schritt zu ihrem Auto.
- „Was ist denn in die gefahren?“, wunderte sich Gangolf und blickte Martina nach, wie diese sich in den Lada schwang, den Motor mit einer unheimlichen Qualmwolke aufheulen ließ und davonbrauste.

'Dieser blöde Gangolf', ärgerte sich Martina, 'der hat meine Magda sicherlich überredet, bei ihm zu bleiben, das wird er mir büßen, mir wird schon was einfallen!'
Beinahe wäre sie der Versuchung erlegen gewesen, Gangolfs Angebot, einen Kaffee mit ihm und Magda zu trinken; nach der stundenlangen Fahrt von der Brenner-Quarantäne nach Laukuv mit Gangolfs Golf wäre eine Erfrischung durchaus angenehm gewesen, doch hatte der Ärger über ihn wegen Magda überwogen.
- „Soll doch die heilige Bettina seinen Karr'n ihm zurückbringen“, sagte sich Martina, „ich bin jedenfalls froh, wieder meinen Lada zu haben, meine russische Lady.“

Martina bremste scharf ab, als sie in Lüggen an das Haus gelangte, in welchem sie für Magda die kleine Wohnung gemietet hatte. Direkt vor der Haustür blieb sie stehen, öffnete die Heckklappe und wuchtete einen Koffer und eine Reisetasche heraus.
- „Eigentlich hätte das Magda machen müssen, das Zeug hochschleppen, schließlich bin ich immer noch ihre Herrin“, brummte Martina verärgert und quälte sich mit dem Gepäck die enge Stiege zu Magdas Wohnung hinauf. Der Gedanke, daß sie die Schlüssel zur Haustür und zur Wohnungstür hatte und somit zu jeder Tages- und Nachtzeit zutritt zu Magdas Behausung, stimmte Martina etwas heiter; in der kleinen Wohnung angekommen, warf sie die Tür mit einem Fußtritt nach hinten geräuschvoll zu. Ohne die Schuhe auszuziehen ließ sie sich auf Magdas Bett-Sofa fallen und genoß es, nach der langen Fahrt von der Italienischen Grenze bis nach Brandenburg alle Viere von sich zu strecken.

Kaum waren Gangolf und Magda in das Wohnzimmer zurückgekehrt, vernahmen sie wieder ein Motorengeräusch, diesmal indes wesentlich leiser.
- „Wer kommt denn jetzt schon wieder?“, wunderte sich Gangolf und erhob sich erneut, um in den Hof hinauszusehen. Er traute seinen Augen nicht: Vor ihm hielt ein Polizei-BMW an, zwei Uniformierte stiegen aus, Mauser und Nisselpriem, beide holten von der Rückbank schwarz-graue Gasmasken, die sie sich überstülpten, um damit Gangolf entgegen zu schreiten und diesen durch das Gummi quakend begrüßten:

- „Guten Tag, Herr Stumpf!“ - Gangolf verspürte, daß es nichts Gutes sein würde, wenn Polizeihauptmeisterin Mauser erneut auftauchte, diesmal gar in Begleitung ihres Chefs, des Dienststellenleiters Nisselpriem.

171. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 29.04.23 06:03

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Gangolf stierte fassungslos auf das Blatt Papier, das der Dienststellenleiter der Polizeiwache von Lüggen, Nisselpriem, vor ihm auf dem Tisch ausgebreitet hatte. Nisselpriem ließ Gangolf alle Zeit, die er benötigte, um den Inhalt zu begreifen. Magda erhob sich und wollte in aller Stille das Wohnzimmer verlassen.

- „Nein, nein, bleiben Sie ruhig da, Frau Armdran“, sprach Polizeihauptmeisterin Mauser, „wir müssen ohnehin nochmals mit Ihnen reden.“
- „Aber ich sagte neulich doch schon alles“, entgegnete Magda.
- „Wir wollen auch keine Vernehmung durchführen, sondern einfach nochmals reden, es haben sich neue Dinge ergeben, aber jetzt lassen wir erst einmal Herrn Stumpf in aller Ruhe den Haftbefehl durchlesen.“

Magda wurde bleich im Gesicht, Gangolf überflog verstört die Zeilen. Nach einer langen Zeit hob er den Kopf in Richtung Nisselpriem, dann zu Mauser, und sagte:
- „Ich dachte, das wäre erledigt, als ich neulich den Streifenwagen ihres Kollegen herausgezogen habe und dieser mich dann nicht mehr festgenommen hatte.“
- „Sie wurden nicht in Polizeigewahrsam genommen, Herr Stumpf“, ergriff Nisselpriem das Wort, „aber die Kriminalpolizei in Kaiserswuselhausen hat bei Gericht den Haftbefehl erwirkt, und wir sind heute da, den Haftbefehl auszuführen, nichts weiter.“
- „Ich werde jetzt also tatsächlich verhaftet wegen Vergewaltigung; aus Dank dafür, daß ich diese Inge aus ihrem verfluchten Keuschheitsding da befreit hab’, behauptet sie, ich hätte sie vergewaltigt, das gibt’s doch nicht, so eine Gemeinheit, im Gegenteil, ich hab’ ihr geholfen, und dann so `was“, empörte sich Gangolf.
- „Wir können da nichts weiter machen“, antwortete Nisselpriem mit gedämpfter Stimme, „ich kann Sie ja verstehen, Herr Stumpf, wenn ich mich in Ihre Lage versetze, aber wir haben das nicht zu entscheiden, wie gesagt, wir sind nur die Ausführenden.“

Gangolf gab darauf keine Antwort, nach ein paar Sekunden der Stille fuhr Nisselpriem fort und wandte sich leicht seitwärts zu Magda:
- „Frau Armdran, stehen Sie noch zu Ihrer Zeugenaussage, die von meiner Kollegin aufgenommen wurde?“
- „Aber ja, selbstverständlich, was sollte sich denn geändert haben?“, entgegnete Magda erregt.
- „Wissen Sie“, fuhr Nisselpriem fort, „soeben sind wir jemandem begegnet, und die Person meinte, Sie würden von Herrn Stumpf aufgehetzt, beeinflußt, zu Falschaussagen genötigt, Sie wären ihm hörig.“
- „Was!“, brauste Magda auf in einer Weise, wie es Gangolf noch nie von ihr erlebt hatte, „das ist ja unerhört, im Gegenteil, sie ist es doch, die mich abhängig machen will von ihr!“

Nisselpriem blickte erstaunt in Magdas zornigen Gesichtsausdruck, nach einer Weile entgegnete er:
- „Was mich nur wundert, Frau Armdran, ist das, daß Sie Herrn Stumpf verteidigen, wo sie doch selbst vergewaltigt wurden.“

Nun war es Nisselpriems Kollegin Mauser, welche diesen verwundert anblickte; sie wußte nichts von Magdas Vergewaltigung und auch nichts von ihrer Verurteilung wegen Totschlags, als sie den Vergewaltiger angeblich mit einer Vase erschlagen hatte.

Magda ging in die Offensive:
- „Frau Mauser, wir hatten uns vor ein paar Tagen so gut unterhalten, und ich möchte gerne mit Ihnen nochmals reden, von Frau zu Frau, können wir das vielleicht oben machen in meiner Kammer, ohne die Männer?“

Mauser blickte überrascht auf, Nisselpriem nickte ihr zu und meinte:
-„Ja, geht nur hinauf, ich bleibe mit Herrn Stumpf hier.“

Nisselpriem erläuterte Gangolf den weiteren Verlauf; er versuchte, den Sinn der Untersuchungshaft zu erläutern, daß diese scharfe Maßnahme bei Vergewaltigungsvorwürfen häufig angewendet werde, daß jedoch weiterhin die Unschuldsvermutung gelte, bis in dem Prozeß gegebenenfalls ein anderslautendes Urteil gefällt sein würde. Nisselpriem fragte auch, ob Gangolf einen Anwalt hinzuziehen wollte, doch dieser
verneinte, da er zum einen keinen kannte, weil er noch nie einen Rechtsanwalt benötigt hatte, zum anderen, da er sich nicht vorstellen konnte, daß ein Anwalt in der augenblicklichen Situation irgend etwas hätte ändern können.

Gangolf sprach nochmals den Vorwurf an, er würde Magda beeinflussen:
- „Ich nehme an, Sie haben soeben draußen auf dem Feldweg Frau Weiß getroffen, die war nämlich gerade da, bevor Sie gekommen sind, da ist sie gerade weggefahren wieder, und wissen Sie was, warum die jetzt gegen mich hetzt, weil es ihr nicht gelungen ist, daß Magda mit ihr gefahren wäre, sondern daß die lieber bei mir geblieben ist.“
- „Sie sagen also, daß Magda, Frau Armdran, mit dieser Frau Weiß hätte mitfahren sollen, aber jetzt erklären Sie mir doch erst einmal die Verhältnisse hier, ist Frau Armdran denn nicht ihre Freundin?“
- „Nein, eine gute Bekannte, sie richtet meinen Haushalt, sie hat in Lüggen ihre eigene Wohnung, aber ich hab' ihr oben eine Kammer eingerichtet, da kann sie auch übernacht bleiben, und jetzt in der Condoma-Krise ist das natürlich erst recht praktisch, weil sie ja nicht mehr hinaus darf, wie wir alle, und so will sie lieber bei mir bleiben.“
- „Ja und warum hat dann diese Frau Weiß so ein Interesse daran, daß sie mit ihr mitgekommen wäre, richtet sie auch deren Haushalt? Das würde ich ja verstehen, daß sie jetzt ärgerlich ist, wenn sie jetzt dann alles allein verrichten muß, aber daß sie gleich dermaßen scharf mit Ihnen in's Gericht ging, daß Sie Frau Armdran beeinflussen würden, sogar einschüchtern, das verstehe ich noch nicht.“
- „Ja, das ist auch schwer zu verstehen“, antwortete Gangolf, „vermutlich hatte ihr der lange Quarantäne-Aufenthalt negativ zugesetzt.“
- „Sie war in Quarantäne?“
- „Ja, wir waren zusammen im Italien-Urlaub, also ich allein mit dem Motorrad, und sie mit dem Auto, zusammen mit ihrer Freundin, und bei der Rückfahrt, da war gerade dann das mit der Quarantäne an der Grenze zwischen Italien und Österreich; ich bin am Tag davor mit dem Motorrad gerade noch durchgekommen.“

Gangolf gelang es, ohne zu stottern gleich zwei Falsch- und Halbwahrheiten problemlos über die Lippen zu bekommen. Nisselpriem fragte erstaunt nach:
- „Ach, Sie waren zusammen im Urlaub, und dann traut sie Ihnen eine Vergewaltigung zu?“

Im gleichen Moment, in welchem Nisselpriem den Satz zu Ende sprach, bereute er, das Gangolf mitgeteilt zu haben; prompt faßte Gangolf nach:
- „Was, sie hat das wirklich so gesagt, daß sie mir eine Vergewaltigung zutraut?“
- „Ja, eigentlich wollte ich Ihnen das gar nicht sagen.“
- „Und Sie glauben der das, das heißt, diese Inge Langohr hat auf diese Weise mit ihr einen Zeugen, eine Zeugin?“
- „Nein, Herr Stumpf, eine Tatzeugin ist sie sicherlich nicht, es sei denn, sie wäre mit auf der Insel gewesen, sie sagte nur, daß sie Ihnen solch eine Tat zutrauen würde, genauso wie sie diese Magda Armdran belästigen und mißhandeln.“
- „Was, das hat sie gesagt, daß ich die Magda mißhandeln würde?“
- „Äh, ja, so ist es.“
- „Was, ausgerechnet die, genau im Gegenteil, die ist es, die die Magda verprügelt, ganz ohne Grund, aus lauter Lust und Freude an der sadistischen Qual!“
- „Nun machen Sie aber `mal `nen Punkt, Herr Stumpf, sonst kriegen Sie noch `ne Klage wegen Verleumdung auf den Hals.“

Gangolf war fassungslos, er rang nach Luft, als er Nisselpriems Worte vernahm. Unfähig, etwas entgegnen zu können, starrten sich die beiden Männer für ein paar Sekunden wortlos an, bis sie die beiden Frauen die Treppe herabsteigen hörten. Mauser trat als erste ein mit einem irritierten Gesichtsausdruck, hinter ihr folgte Magda, und es war unschwer zu erkennen, daß diese geweint hatte.

- „So, seid ihr jetzt fertig,“ fragte Nisselpriem, doch betonte er seine Worte nicht wie eine Frage, sondern wie ein Feststellung, „dann sollten wir aufbrechen. Herr Stumpf, holen Sie ihre persönlichen Sachen aus dem Bad und dann fahren wir.“

Spätestens als Mauser am Ende der Siedlung nicht rechts, sondern links auf die Bundesstraße eingebogen war, wurde Gangolf unweigerlich klar, daß der Weg Richtung Autobahn führen würde, und nicht nach Lüggen zu der örtlichen Polizeidienststelle. Verzweifelt schloß er die Augen, in welchen er noch das Salz der Tränen verspürte, welche er bei dem Abschied von Magda vergossen hatte.

Als Mauser und Nisselpriem in das Polizeirevier in Lüggen zurückgekehrt waren, kam ihm Brause über den Weg gelaufen, der sich anschickte, nach Hause zu gehen.
- „Olaf, hast du noch schnell ein paar Minuten, ich würde gern mit dir reden, wir haben soeben den Stumpf abgeliefert.“
- „Den Stumpf abgeliefert, wohin denn?“
- „Nach Wuselhausen“, antwortete Nisselpriem, „aber jetzt kommt erst `mal herein, müssen das ja nicht am Gang hier besprechen.“
- „Sach' bloß, ihr habt ihn jetzt in die U-Haft gebracht?“, fragte Brause verwundert und schob seinen Bauch in Nisselpriems Büro.
- „Ja, so ist es, liegt ein Haftbefehl vor, die nehmen das sehr ernst, den Vergewaltigungsvorwurf.“
- „Ist ja nicht zu glauben“, entgegnete Brause.
- „Und dir hat also diese Inge Langohr nicht die kleinste Andeutung gemacht, daß dieser Stumpf da auf der Insel oder sonst wo übergriffig geworden wäre?“
- „Nein, nicht im Geringsten, die war so froh, daß sie ihr Handy von mir wieder bekam und ist dann gleich wieder davongerudert, übrigens mit dem Kajak von dem Stumpf, der hatte ihr das geliehen. Und keiner weiß, was sie eigentlich da so allein auf der Insel gemacht hat.“
- „Eine sehr verworrene Geschichte“, meinte Nisselpriem und strich sich um das Kinn, „gerade als wir zu dem Stumpf wollten, kam uns eine andere Frau entgegen, eine Frau Weiß, die sich ganz negativ über Stumpf ausgelassen hatte, er würde diese Magda Armdran manipulieren, sogar nötigen und sich vergreifen an ihr, allerdings hatte ich nicht den Eindruck, als wir dann bei ihnen waren. Angeblich war diese Weiß sogar mit ihm im Urlaub in Italien, also sie mit dem Auto, Stumpf mit dem Motorrad.“
- „Ja, dann kenn' ich die, stimmt, da kamen sie gerade zurück aus dem Urlaub, an dem Nachmittag, da traf ich sie zufällig auf dem Markt, beim Kaffeetrinken und Eisessen, die Magda Armdran war auch mit dabei“, erinnerte sich Brause. Er verwechselte Martina mit Birgit.
- „Und warum redet die jetzt gar so schlecht über den Stumpf?“
- „Keine Ahnung, was da vorgefallen ist, was sagt denn die Magda dazu?“, wollte Brause wissen.

Nun ergriff Mauser das Wort und klärte ihre beiden Kollegen darüber auf, was sie von Magda unter vier Augen erfahren hatte.

Sprachlos blickten sich die beiden Männer an unter dem Eindruck des soeben Gehörten, alle drei Polizisten blieben noch eine Weile stumm sitzen, ehe sie sich in den Feierabend verabschiedeten.

172. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 05.05.23 20:49

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Gangolf rebellierte. Er unterschrieb bei seinem Haftantritt weder die Liste seiner mitgebrachten Gegenstände, die er als >Habe< abgeben mußte, noch die Liste mit den empfangenen Dingen.
- „Machen Sie keinen Ärger, Herr Stumpf, Sie machen nur sich selber das Leben schwerer dadurch“, versuchte ein Justizangestellter Gangolf von dessen Protesthaltung abzubringen.
- „Und was ist die Strafe, kann ich denn noch mehr als in's Gefängnis gebracht werden?“, entgegnete Gangolf.
- „Sehr wohl, wir können Ihre Anträge ablehnen, dann gibt’s nämlich nichts extra!“
- „Anträge? Sie werden doch wohl nicht glauben, daß ich für irgend etwas einen Antrag stelle, daß ich vielleicht beantrage, Scheißen zu dürfen.“
- „Dann gibt es keinen Fernseher, zum Beispiel, Sie werden ihre Aufmüpfigkeit noch bereuen, das garantier' ich Ihnen!“

Als Gangolf weit nach Mitternacht in einen unruhigen Schlaf fiel, träumte er im Gegensatz zu seinen bisher verbrachten Nächten die absurdesten Sachen; der schlimmste Alp betraf den Brunnen, den er erst zwei Tage zuvor mit Magda fertig gegraben hatte: Als Magda Wasser schöpfen wollte, brach der Brunnen ein, Magda flog in den Schacht und die hinunterstürzenden Steine begruben sie.

Am Morgen war Gangolf unfähig, auch nur einen Bissen des Frühstücks hinunterschlucken zu können, obwohl es durchaus ansehnlich aussah; allein die Vorstellung, Gefängnisnahrung zu sich nehmen zu müssen, löste in Gangolf einen Brechreiz aus, und er mußte seine ganze Konzentrationskraft einsetzen, um diesem nicht zu erliegen. Er kostete ein paar Schlucke des lauwarmen Pulverkaffees, er hätte auch Bohnenkaffee bekommen, wenn er diesbezüglich einen Antrag gestellt hätte. Am Vormittag wurde er abgeholt und der zuständigen Haftrichterin vorgeführt. Bei dieser Gelegenheit lernte er seinen zugewiesenen Pflichtverteidiger kennen.
Wie es um dessen Interesse an Gangolfs Fall stand, zeigte sich schon allein dadurch, daß er Gangolf mit >Herr Schlumpf< anredete; die Richterin korrigierte ihn schließlich:
- „Jetzt sagen Sie doch nicht immer Schlumpf zu Herrn Stumpf! Also, Herr Stumpf, jetzt ist da gestern eine Zeugin aufgetaucht, die von Ihren Gewaltausbrüchen gegenüber Frauen berichtete. Was sagen Sie zu diesem Vorwurf?“

- „Sie müssen dazu nichts sagen“, meldete sich der Pflichtverteidiger zu Wort.
- „Ich will aber dazu `was sagen“, entrüstete sich Gangolf, „das ist doch eine ganz unerhörte Gemeinheit, wer ist denn diese Zeugin?“
- „Wenn Sie dazu nichts weiter zu sagen haben, kommen wir jetzt zu der Anklage zurück“, entgegnete die Richterin, ohne auf Gangolfs Frage einzugehen, „Sie bleiben also dabei, Frau Langohr nicht zu sexuellen Handlungen gezwungen zu haben?“
- „Ja, selbstverständlich, zweifeln Sie etwa daran?“
- „Und was sagen Sie zu dem Tatvorwurf der Folter und Freiheitsberaubung?“
- „Was, wie bitte?“, erzürnte sich Gangolf.

Der Pflichtverteidiger meinte wieder, daß Gangolf sich nicht äußern müßte.
- „Folter und Freiheitsberaubung, wie kommen Sie da d'rauf, was soll ich da getan haben?“
- „Frau Langohr gibt an, daß Sie nach der sexuellen Nötigung ihr einen sogenannten Keuschheitsgürtel angelegt haben, um sie damit zu quälen. Nachdem Sie den Schlüssel dabei abgebrochen haben, konnten Sie den mit einem Schloß versehenen Gürtel nicht mehr öffnen und mußten das Metall mit einem Trennschleifer durchtrennen, worauf sich Brandverletzungen auf dem Unterleib des Opfers bildeten.“
- „Nein, nicht wahr, ganz im Gegenteil, Frau Langohr kam zu mir und bat mich, daß ich sie befreien soll von dem Ding, ich hab' bis dahin noch nie so einen Keuschheitsgürtel gesehen, sie war ganz aufgelöst in Tränen, ich hab' ihr ein Kajak geliehen, damit sie auf die Insel im Röthener See paddeln konnte, um dort den Schlüssel zu holen, den sie dort deponiert hatte für den Gürtel, in den sie sich selber eingeschlossen hatte.“
- „Und so eine abenteuerliche Geschichte soll ich Ihnen glauben?“,
entgegnete die Richterin.
- „Das war so, das schwör' ich, und ich hab' auch eine Zeugin, Frau Armdran, die ist doch auch schon von der Polizei befragt worden, die hat doch schon alles zu Protokoll gegeben, bei Frau Wachthauptmeisterin Mauser, ja warum glaubt dann ihr keiner?“
- „Sehen Sie, wenn da nicht die neue Zeugin gestern die Aussage gemacht hätte, daß Sie bekannt seien für sadistische Handlungen, und vor allem, daß Sie die Zeugin Armdran beeinflußt haben, regelrecht hörig gemacht haben, stünde Langohrs Aussage gegen Ihre, mit dem Unterschied, daß Sie eine Zeugin benennen konnten, die zumindest den Foltervorwurf entkräftigte; aber so schätze ich die Glaubwürdigkeit der neu hinzugekommenen Zeugin höher ein, und ich sehe mich gezwungen, die von der Staatsanwaltschaft beantragte Untersuchungshaft anzuordnen. Herr Stumpf, Sie können die Tat jederzeit zugeben und damit das Verfahren verkürzen, insbesondere die U-Haft, also jetzt wäre so eine Gelegenheit.“

Der Verteidiger unterbrach die Richterin:
- „Geben Sie nichts zu, was Sie nicht getan haben, aber ja, wenn Sie die Tat begangen haben, dann könnte es vorteilhaft bezüglich des Strafmaßes sein, zu gestehen.“

Gangolf schluckte und erbleichte, als er begriff, daß es die Richterin ernst meinte. Der Pflichtverteidiger murmelte etwas dahin, ob die Haftgründe vorlägen, gab sich indes keine Mühe, diese zu hinterfragen. Schließlich wurde Gangolf wieder in seine Zelle gebracht, sein Glaube an Gerechtigkeit war restlos erschüttert.

---

Zur gleichen Zeit nagte das schlechte Gewissen in Inge Langohr; sie wollte ursprünglich Gangolf nur etwas Angst einjagen, ohne daß sie sich Gedanken darüber machte, was ihre falschen Behauptungen auslösten. Sie konnte jetzt auch keinen Rückzieher mehr machen, denn sie verlöre ihr Gesicht und machte sich der falschen Verdächtigung schuldig, worauf eine empfindliche Strafe stünde. Inge überlegte lange, wen sie in's Vertrauen ziehen könnte, schließlich fiel ihr nur ihre Praktikantin Barbara Bär ein.
- „Also wenn es sich wirklich so verhält“, gab diese zur Antwort, „dann scheint ja der Gangolf eigentlich ein ganz netter Kerl zu sein, wenn er dir sein Boot geliehen hat und dich dann sogar aus dem Dingsda befreit hat, auch wenn er dabei vielleicht nicht genug aufgepaßt hat.“
- „Ja und nun, was soll ich machen?“, fragte Inge irritiert.
- „Wahrscheinlich ist es das Beste, du bleibst bei deiner Aussage, und da es dann vor Gericht Aussage gegen Aussage steht, wird der Gangolf nicht verurteilt.“
- „Da bin ich mir nicht so sicher, seine Magda war ja nicht mit dabei auf der verdammten Insel, und so kann die gar nichts dazu sagen.“
- „Hm, du meinst also, das Gericht würde eher dir glauben als ihm und dann ihn verurteilen, ja das könnte natürlich schon sein, dann hätte er ziemlich Pech gehabt.“
- „Unschuldig verurteilt worden zu sein, dafür sitzt er dann mehrere Jahre.“
- „Und wenn du deine Anzeige zurückziehst, also irgend eine Geschichte erfindest, daß du dir das irgendwie aus irgendwelchen Gründen eingebildet hattest, auf der Insel, wegen der Erschöpfung nach dem Rudern, der Hitze oder so was, ja, aber dann sitzt du auch, ich glaub', wir haben das einmal irgendwo in der Rechtslehre gehabt, für falsche Verdächtigung, wenn man einem einer schweren Straftat bezichtigt, gibt es Gefängnis.“

Inge erbleichte, als Barbara ihr dieses gesagt hatte. Sie überlegten noch eine Weile hin und her, kamen indes zu keinem anderen Ergebnis, daß Inge auch vor Gericht bei der Verhandlung bei ihrer Behauptung bleiben müsse.

---

Während Inge sich mit einem unguten Gefühl von Barbara verabschiedete, freute sich Martina über ihre Falschaussage, die sie gegenüber Nisselpriem und Mauser gemacht hatte, als diese auf dem schmalen Weg zu Gangolfs Haus ihr entgegenkamen und sie über Gangolfs Wesen befragt hatten.
'Den hab' ich so richtig bei der Polizei angeschwärzt, geschieht ihm recht, was muß er auch meine Magda mir wegnehmen, soll er ruhig Schwierigkeiten kriegen', dachte sich Martina, 'Rache ist süß!'

Zu gerne hätte Martina gewußt, wer das Opfer ist, doch die Polizisten gaben ihr den Namen nicht preis.
Martina hatte sich mittlerweile vollständig in Magdas Wohnung eingerichtet; sie ludt ihre Sachen, hauptsächlich Kleidung und Schuhe, aus der mit Bettina zusammen genutzten Wohnung in Laukuv in ihren Lada und brachte alles nach Lüggen. Sie war sich noch unschlüssig, was sie mit Magdas spärlichen Gegenständen anfangen sollte, für's erste nahm sie deren Kleidungsstücke aus dem Schrank und warf sie in eine Ecke, um ihre eigenen Kleider darin unterzubringen. Während für die bescheidenen Bedürfnisse von Magda der Schrank überdimensioniert gewesen war, entpuppte sich dieser nun als zu klein, etliche Textilien mußte Martina in Koffern eingelagert lassen.

Bettina beschloß, die bislang gemeinschaftlich mit Martina genutzte Wohnung in Laukuv nach deren Auszug aufzugeben; für sie alleine war sie unnötig groß und auch unnötig teuer. Überhaupt wollte sie fortziehen und die Pfarrstelle wechseln, einen entsprechenden Antrag stellte sie bereits bei der Landeskirchenverwaltung. Gerne hätte sie wieder ihr Elektroauto gehabt, das sie in Wesserbarg bei Gangolf zurückgelassen hatte, als sie von dort aus mit Gangolfs Golf in den Urlaub starteten. Sie bemühte sich um eine Ausnahmegenehmigung, um trotz der Ausgangssperre das Haus verlassen zu dürfen, indes genügte es der Verwaltung nicht, daß sie Pfarrerin sei und aus beruflichen Gründen Menschen besuchen müsse, um diesen gerade zu den schlimmen Zeiten der Pandemie Trost und Segen zu spenden.


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Magda hatte ganz andere Sorgen: Als sie mit Gangolf mit dem Brunnengraben begannen, genügte zunächst die fünfsprossige Staffelei, um mit dieser in die Grube steigen zu können. Als der Brunnen immer weiter in die Tiefe wuchs, mußte Gangolf die schwere große Aluminiumleiter in den Schacht wuchten; diese Leiter hatte eine Länge, daß sie bis zur höchsten Stelle des Hausgiebels reichte. Eigentlich war der Brunnen fertiggestellt, doch wollte Magda nochmals hinabsteigen, um zu prüfen, wie hoch das Wasser über der Brunnensohle stand.
Sie suchte sich einige Latten zusammen, fand indes nur welche mit etwa zwei Meter Länge, so daß sie für die Zargen jeweils zwei Latten zusammennagelte, um auf die erforderlichen drei Meter zu kommen. Anschließend sägte sie von einer weiteren Latte kurze Stücke ab, die sie als Sprossen an die länglichen Latten nagelte. Sie verwendete verhältnismäßig große Nägel, die teilweise die Hölzer an den Rändern aufspringen ließen.
'Hätte ich da erst Löcher bohren müssen?', fragte sie sich, doch als sie sich von dem festen Halt der Sprossen auf den Zargenlatten überzeugt hatte, nagelte sie weiter, ohne sich um das Aufspleißen des Holzes zu kümmern.

Was Magda gleichfalls nicht kümmerte waren die zum Teil beträchtlich großen Äste in den Latten

- Eine verhängnisvolle Unbekümmertheit, wie sich herausstellen sollte.

173. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 12.05.23 19:40

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Für Wachtmeister Brause war inzwischen Inge Langohr die Tatverdächtige geworden. Obwohl es längst nicht mehr sein Fall war und auch nicht der Fall der Lüggener Polizei, beschäftigte er sich weiterhin um >seinen Fall<, den mysteriösen Bankraub, der für die beiden Räuber tödlich endete. Jahrelang galt die Beute als verschwunden, jüngst tauchte mit Barbara Bär eine Zeugin auf, die von einem großen Geldfund in einer Kiste auf der Insel im Röthener See berichtet hatte.

Brause überlegte sich, daß Langohrs Vergewaltigungsvorwurf lediglich zur Ablenkung diente, um zu verdeutlichen, daß sich Gangolf Stumpf regelmäßig auf der Insel aufhielt und dabei die Gelegenheit nutze, dort über Langohr herzufallen. Und dann fand deren Kollegin Barbara Bär auf der Insel die Geldkiste, doch war das Geld weg, als er zusammen mit jener und Müller auf die Insel kamen. Gleichzeitig kaufte sich Langohr das amerikanische Angeber-Rennauto Corvette. Als Brause dann mit Stumpf ein zweites Mal auf die Insel kam, war auch die Kiste verschwunden.

Brause sinnierte lange hin und her, schließlich beschloß er, nochmals Armdran zu besuchen und sie beiläufig zu ihrem Verhältnis zu Stumpf zu befragen. Als Vorwand diente ihm die Kontrolle der elektronischen Fußfessel, die jene nach wie vor zu tragen verpflichtet war, auch wenn sie sich nun im gesamten Landkreis frei bewegen durfte.

Seit Mausers Ausführungen bei dem Zusammentreffen in Nisselpriems Büro erschien Armdran in einem ganz anderen Licht, Brause konnte noch immer nicht recht glauben, was er da erfahren hatte, andererseits traute er von Anfang an Armdran nicht den Totschlag zu, für welchen diese verurteilt worden war, auch einige Monate im Gefängnis saß und sodann, mit einer elektronischen Fußfessel bestückt, auf Bewährung frei gekommen war.

- „Fahr' gleich zu dem Stumpf hinaus nach Wesserbarg“, riet ihm Nisselpriem, als sich Brause von diesem abmeldete, um Armdran einen Besuch abzustatten, „nach meinem Gefühl hat sich die dort bei ihm häuslich niedergelassen, aber egal, ja, sehe ruhig erst `mal in ihrer alten Wohnung nach, vielleicht ist sie ja doch noch dort.“

Gerade als Brause in den Gewerbehof in der nördlichen Altstadt von Lüggen einbog, an welchem das Haus mit Magdas Wohnung lag, ging die Haustür auf und Martina kam heraus. Sie schleppte einen Holzkasten vor sich her, den sie unsanft vor ihrem Lada auf den Boden fallen ließ. Brause kam ihr Gesicht bekannt vor, konnte es aber nicht mehr einem Namen zuordnen. Er begrüßte Martina und fragte:
- „Guten Tach, was machen Sie da?“

Martina antwortete:
- „Ach, altes Gerümpel da, das hat vor Wochen hier jemand abgestellt.“
- „Sie trauen sich `was, haben Sie keine Angst, erwischt zu werden?“
- „Wovor, daß ich das Zeug wegfahre?“
- „Immerhin gilt ein allgemeines striktes Ausgangsverbot.“
- „Ich bin Krankenschwester, OP-Schwester genau, und da habe ich eine Befreiung, warten Sie.“

Martina öffnete die Fahrertür, beugte sich in das Auto und zog die Bescheinigung heraus. Brause überflog die Zeilen und kommentierte:
- „Ach, Sie sind Frau Weiß, sagen Sie, Sie waren doch vor kurzem mit Herrn Stumpf in Italien, im Urlaub.“
- „Ja“, entgegnete Martina einsilbig.

Brause merkte an Martinas Tonfall, daß diese nicht willig war, ein Gespräch darüber zu entfalten. Er beugte sich zu dem Holzkasten, der auf dem Boden vor dem Lada stand.
- „Das Ding da kommt mir irgendwie bekannt vor“, meinte er, „das stand doch da vor dem Bett von Frau Armdran, sie hat da so ein Tuch darüber gebreitet.“

Martina zuckte mit den Schultern. Brause fuhr fort:
- „Sagen Sie `mal, ist Frau Armdran droben in ihrer Wohnung?“
- „Nein, da ist sie ausgezogen“, entgegnete Martina knapp.
- „Und wohin ist sie gezogen, wissen Sie das zufällig?“
- „Ich traf sie neulich bei diesem Stumpf, der manipuliert sie, nach meiner Meinung, die würde eine Mord begehen für ihn.“
- „Oh, das sind aber harte Worte, die Sie da aussprechen, Frau Weiß! Wie kommen Sie da darauf?“

Martina hob erneut die Schultern und meinte:
- „Ist nur so ein Gefühl, sonst wäre sie doch nicht hier aus ihrer schönen Wohnung ausgezogen und zu dem stumpfen Stumpf da gezogen. Darf ich den Kasten jetzt einladen und wegfahren?“
- „Aber selbstverständlich, aber denken Sie an ihre Maske, Sie haben doch eine?“
- „Ja, haben wir von der Quarantäne mitgekriegt, so ein Mistding.“
- „Ich kann ja auch nichts dafür, Frau Weiß, aber als Polizist muß ich Sie darauf hinweisen, ich hab' meine auch im Auto liegen, na ja, ich fahr' jetzt wieder, alles Gute!“
- „Ja, Ihnen auch.“

Kaum war Brause in sein Fahrzeug gestiegen, erhielt er einen Funkspruch: Aus der zentralen Überwachungsstelle kam soeben eine Meldung herein, daß von der elektronischen Fußfessel der Frau Armdran kein Signal mehr ausging.

- „Ja, das trifft sich ja gut, ich wollte ja ohnehin deswegen zu ihr, um endlich wieder `mal nachzusehen, ob alles in Ordnung ist“, gab Brause zurück.
'Wenn das kein Zufall ist', überlegte er sich, 'kaum schleppt die Weiß so einen Kasten aus dem Haus, an dem nicht nur ein Netzkabel heraushing, sondern auch andere Drähte, kommt aus der Ü-Zentrale die Nachricht über das Ausbleiben von Armdrans Fußfesselsignal'.

Brause überlegte noch eine Weile hin und her, bevor er losfuhr. Kaum war er auf der Hauptstraße angelangt, hielt er nochmals an und rief bei der >GÜL< an, der zentralen Überwachungsstelle für Träger von elektronischen Fußfesseln:

- „Sagen Sie `mal, wo hat sich denn die Überwachte zuletzt aufgehalten, sie darf sich im gesamten Landkreis aufhalten, und der ist groß.“
- „Moment bitte“, antwortete der Beamte von der GÜL, und nach einer Minute sprach er in's Telephon:
- „Herr Kollege, sind Sie noch d'ran?“
- „Ja sicher, haben Sie `was `rausbekommen?“
- „Also nach unseren Aufzeichnungen hat die überwachte Person seit Monaten schon nicht mehr ihre Wohnung in Lüggen verlassen, das ist sehr ungewöhnlich.“
- „Seit Monaten schon?“, echote Brause verwundert, „das kann doch nicht sein.“
- „Kann ich auch nicht mehr dazu sagen, vielleicht spinnt das System, funktioniert `was nicht mit der örtlichen Bestimmung oder so `was.“
- „Nun ja, haben Sie Dank“, verabschiedete sich Brause.

'Da ist `was faul', war sich Brause sicher, 'seit Monaten schon nicht mehr die Wohnung verlassen, und die Armdran saust munter herum. Das wird ja immer interessanter.'

Magda hörte nicht, als Brause mit seinem Polizeiauto in den Hof einbog, sie war gerade erstmals mit ihrer selbstgezimmerten Leiter in den Brunnenschacht gestiegen. Brause ging zum Haus, als nach dem Läuten niemand öffnete, stattete er der danebenstehenden Scheune einen Besuch ab, deren Schiebetor einladend weit geöffnet stand. Er entdeckte sogleich die beiden Kajaks, die übereinander an einer Wand auf Konsolen abgelegt waren. Daneben stand ein Herren- und ein Damenfahrrad. Auch Holzreste lagen herum, ein Fuchsschwanz lag auf dem Boden, eine Schachtel voll großer Nägel, Sägspäne.
'Hier hat erst kürzlich jemand gearbeitet', schlußfolgerte Brause, 'Stumpf kann es wohl nicht gewesen sein, der Ärmste sitzt in Wuselhausen.'

Als Brause aus der Scheune herauskam, entdeckte er am anderen Ende des Hofes einen Erdhügel, den er bisher dort noch nicht wahrgenommen hatte. Neugierig setzte er sich in Bewegung und gewahrte kurz darauf auch den obersten Ring des Brunnenschachts, der zwei Handbreit von dem Boden herausragte. Als er kurz vor dem Brunnen war, kam Magda aus dem Schacht herausgestiegen, sie blickten sich überrascht einander an.

Brause ergriff als erster das Wort:
- „Guten Tach, Frau Armdran, was für `ne Überraschung, Sie hier zu finden!“
- „Guten Tach, Herr Brause,“ entgegnete Magda und verließ den Schacht.
- „Haben Sie hier einen neuen Brunnen?“

Magda blickte etwas verlegen um, als ob sie von irgendwo her eine Hilfe bekäme, was sie antworten sollte. Sie bemerkte auf der anderen Seite des Gebüsches Kinder, die auf dem Feldweg von Wesserbarg mit ihren Fahrrädern hergekommen sind und durch das Gezweige neugierig hindurchspähten.
- „Äh, ja, den haben wir gegraben und gerade noch fertig gestellt, bevor sie ihn abgeholt haben.“
- „Sie meinen Herrn Stumpf?“
- „Ja, so `was gemeines, dabei hat er doch gar nichts getan, im Gegenteil, er hat dieser Inge den blöden Keuschheitsgürtel weg gemacht mit der Flex und ich habe dabei mit dem Schlauch das Wasser gespritzt, zur Kühlung, die sollte froh sein, daß es uns gelungen ist.“

Brause hatte die Kinder bemerkt und schlug vor:
- „Können Sie mir das bitte im Haus erzählen, das klingt ja höchst interessant“.
- „Ja gerne, gehen wir hinein.“

Magda setzte die Kaffeemaschine in Gang und entschuldigte sich:
- „Leider habe ich kein frisches Gebäck mehr, eigentlich überhaupt keines mehr, ich glaub', das muß man ja jetzt irgendwie bestellen, leider sind unsere Vorräte jetzt zu Ende gegangen, wissen Sie, wie man das machen soll?“
- „Am einfachsten macht man das über`s Internet“, erläuterte Brause, „aber man kann auch wo anrufen, warten Sie `mal, ich erkundige mich gleich `mal.“

Brause rief in der Dienststelle an und fragte nach der Nummer des Versorgungstelephons, er notierte sie, riß das Blatt vom Block und überreichte es Magda.
- „Hier können Sie anrufen und ihre Wünsche durchgeben, die liefern das dann aus, hängt von der Tour ab, wie die gerade unterwegs sind, aber spätestens am übernächsten Tag sollten sie vorbeikommen. Aber beschreiben Sie denen genau, wie sie hier her kommen, sonst finden die Sie nicht hier in dieser Einsamkeit.“

Magda bedankte sich und legte das Blatt Papier mit der Nummer auf den Wohnzimmertisch. Sie servierte den Kaffee, Brause gelang es, wie es ihm meistens gelang, mit Magda ein Geplauder zu beginnen.
- „Sie haben ja so schöne Stiefel an“, bemerkte er, „das kenne ich gar nicht von Ihnen, ich hab' Sie sonst immer nur mit so flachen Leinenschuhen in Erinnerung.“
- „Ja, die hat mir Gangolf gekauft, extra zum Brunnengraben, die sind so stabil und wasserfest, die kann man dann einfach wieder abwischen.“
Sie streckte ihr linkes Bein vor, und Brause nutzte die Gelegenheit, sich dieses genauer anzusehen.
- „Stört Sie da nicht diese Fußfessel?“

Magda errötete sogleich, als sie die Worte hörte.
- „Nein, er geht schon“, antwortete sie und zog unaufgefordert den Saum der Hose in die Höhe, so daß das elektronische Teil oberhalb des Stiefelrandes zum Vorschein kam.
- „Kann es sein, daß Sie vergessen haben, aufzuladen?“
- „Oh, ja, das kann sein“, stotterte Magda, „ich fürchte, ich habe das Ladegerät in Lüggen gelassen, oh, entschuldigen Sie bitte.“
- „Gerne, ich geb' das gleich `mal durch in die Zentrale, die haben sich nämlich soeben gemeldet, daß die kein Signal mehr kriegen.“

Brause rief in Näherdorf an und meldete der >Gülle<, daß mit der >überwachten Person< alles in Ordnung sei. Erleichtert lächelte Magda und dankte Brause.
- „Sagen Sie, Frau Armdran“, ich hörte, sie wären ausgezogen aus ihrer Wohnung in Lüggen.“

Magda kam in's Stottern:
- „Ja, noch nicht so richtig, aber ich glaub', ich bleib' lieber hier, also Gangolf hat es mir erlaubt, ich glaub', das wär' ihm auch lieb, dann wäre er nicht mehr so allein, wenn er wieder zurückkommt. Wissen Sie, wann das wieder aus ist?“
- „Sie meinen, wann er wieder entlassen wird?“
- „Ja, hoffentlich kommt er bald wieder.“
- „Das können wir nicht sagen, soviel ich weiß, ist er in Untersuchungshaft in Kaiserswuselhausen, da haben wir von Lüggen aus keinen Einfluß.“

Magda blickte ihn enttäuscht an und sprach mit stockender Stimme:
- „Aber Sie glauben doch auch hoffentlich nicht, daß er der Inge `was getan hat, so 'was gemeines, so 'was einfach zu behaupten!“

Nach einer kurzen Pause ergriff Brause wieder den Gesprächsfaden:
- „Frau Armdran, Sie wissen doch aus eigener schlimmer Erfahrung, wie das ist, wenn man von Männern belästigt wird und ich verstehe Sie vollkommen, daß Sie sich gewehrt haben und dabei mit der Vase zugeschlagen haben. Deshalb wurden Sie doch verurteilt, war es nicht so?“

Magda schluckte, sie hatte Mühe, die Tränen zurückzuhalten. Verstört blickte sie Brause in's Gesicht und überlegte, ob sie auch ihm die Wahrheit sagen sollte. Brause wartete eine Weile und meinte dann in einem gütlichen Ton:
- „Also ich wollte Sie da nicht verstören mit dieser alten Geschichte, entschuldigen Sie bitte, also wenn Sie darüber reden wollen, dann sagen Sie `was dazu, wenn Sie lieber schweigen wollen, dann ist das auch in Ordnung.“

Magda stammelte:
- „Neulich war Ihre Kollegin da, der hab' ich alles erzählt.“

Es gelang ihr nicht mehr, die Tränen zurückzuhalten, sie ließ ihnen freien Lauf.























174. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 19.05.23 20:58

106


Magda war ständig im Gedanken an Gangolf, wie es ihm in dem Gefängnis gehen würde, ob man ihn anständig behandelte, von Seite der Mitgefangenen und von Seite der Justizangestellten. Mit bangem Mut dachte sie an ihren eigenen Gefängnisaufenthalt zurück; sie hatte damals ein halbwegs erträgliches Auskommen: Die Mitgefangenen zollten ihr Respekt und ließen sie weitgehend in Ruhe, als diese erfuhren, daß sie wegen Totschlags verurteilt worden war. Auch von den Gefängniswärterinnen wurde sie geradezu mitfühlend behandelt unter dem Gesichtspunkt der Notwehr nach einer Vergewaltigung.

Der einzige Wehmutstropfen war die nicht hundertprozentig erwiesene Schuld des von ihr Getöteten; zwar war dieser bereits mehrfach vor Gericht gestanden wegen sexuellen Übergriffen, indes konnte ihm nie eindeutig eine Tat nachgewiesen werden.

Um sich von den Grübeleien abzulenken, verfiel Magda in einen wahren Putzfimmel: Sie arbeitete sich durch das Erdgeschoß, dann hinauf in das Dachgeschoß, schließlich fiel sie über den Keller her. Dort bestand am meisten Handlungsbedarf, Gangolf nahm es in den Ecken nicht so genau mit der Reinlichkeit. Die Regale trieften voll Staub, Magda schöpfte aus dem Vollen.

Im Waschraum hingen Gangolfs Neoprenanzüge; obschon sie ständig im geöffnete Zustand frei dahingen, verbreiteten sie den typischen Geruch, den diese Anzüge häufig mit sich trugen. Magda nahm die beiden Anzüge, den Long John und das Neopren-Shorty mit in die Wohnung hinauf, ließ heißes Wasser in die Badewanne einlaufen und seifte den Gummistoff innen und außen gründlich mit Seife ein.

Anschließend bewegte Magda die Anzüge in der Wanne hin und her, bei der Berührung mit dem gummierten Stoff bemerkte Magda das Aufkeimen einer leichten Erregung. Unaufhörlich zog sie das Neopren durch das heiße Wasser, bis ihr schließlich die Kräfte ausgingen und sie sich erschöpft neben die Wanne auf den Boden setzte. Sie genoß das Gefühl der wohligen Müdigkeit, noch nie hatte sie in ihrem Leben einen Neoprenanzug angehabt, nie diesen speziellen Stoff auf ihrer Haut gespürt.

Magda verspürte eine unbändige Lust in ihrem Innersten aufsteigen, welches ihr Müdigkeitsgefühl in den Hintergrund treten ließ. Mit einem Ruck raffte sie sich auf, ließ das Wasser aus der Wanne und spülte anschließend mit dem Brauseschlauch die Kleidungsstücke nochmals gründlich ab. Magda fand, daß die Anzüge in der Scheune besser trocknen würden als in dem Waschraum im Keller, zudem war die Gefahr eines Diebstahls aus der Scheune durch das stabile Schloß verringert worden, welches Gangolf an dem Schiebetor montiert hatte.

Die Dämmerung war über das Land hereingebrochen, doch anstelle sich von den Strapazen der Reinigungsarbeiten auszuruhen, ging Magda nochmals hinaus zum Brunnen, >zu ihrem Brunnen<, wie sie sich selber eingestand. Sie wuchtete den schweren Deckel herunter, stellte die von ihr gefertigte Lattenleiter in den Schacht und stieg in den finsteren Abgrund.

Vorsichtig nahm Magda eine Stufe nach der anderen, sie sagte sich selber, wie gefährlich es wäre, auszurutschen, gerade jetzt, wo sie allein ohne Gangolf hier lebte, wo weit und breit sich keine Menschenseele aufhielt. Am Tag kamen manchmal Spaziergänger oder die Kinder vom Dorf vorbei, aber jetzt, am Abend, in der Nacht, wurde es schnell stockdunkel und der Hof versank mit all seinen Teilen in der Finsternis.

Während Magda dies bedenkend langsam Sprosse für Sprosse nach unten trat, vernahm sie plötzlich ein platschendes Geräusch, Bruchteile von Sekunden später spürte sie bereits das Wasser in ihre Chucks laufen.
'Ach, wie dumm von mir', sagte sie sich, 'ist doch klar, daß da unten das Wasser steht.' Da ihre Füße nun bereits naß geworden waren, stieg sie noch weiter hinab und kam alsbald auf der Brunnensohle zu stehen. Das Wasser reichte ihr bis über das Knie, es drückte den Jeansstoff an die Haut.

Es war für Magda ein neues Gefühl, wie die Nässe sie umgab, nicht wie sonst, wenn sie vom Regen und Wind von oben her und seitlich durchnäßt wurde, sondern still von unten sich ausbreitete und sie gleichmäßig umflutete. Magda freute sich über die Abkühlung, ihr wurde erst jetzt bewußt, wie erhitzt sie von der Arbeit gewesen war. Nachdem sich Schuhe und der untere Teil der Hose mit dem Brunnenwasser vollgesaugt hatten, ging Magda langsam in die Hocke; sie spürte, wie sich Luftblasen aus der Hose herausdrückten und gurgelnd den Weg aus dem Wasser suchten.

Das nachdrückende Wasser ließ den Stoff nun auch an Magdas Oberschenkel kleben, immer tiefer sank sie hinunter, bis sie schließlich auf ihren Fersen zu sitzen kam. Sie überlegte sich sogar, ob sie sich ganz niedersetzen sollte, mit dem Hosenboden auf den Brunnenboden, doch fand sie das übertrieben, ihren Oberkörper wollte sie auf alle Fälle im Trockenen lassen.

Magda lehnte sich vorsichtig zurück, bis sich ihr Rücken an der Brunnenwandung abstützte. Sie blickte nach oben, wo sie durch die Brunnenöffnung die ersten Sternlein im schwarzen Nachthimmel aufblinken sah.
- „Wie unendlich weit seid ihr weg“, rief sie durch die Brunnenröhre hinauf, „hoffentlich kann Gangolf euch auch sehen durch sein vergittertes Zellenfenster, ach, ihr lieben Sterne, bringt ihm euer Licht in seine bedrängte Seele, grüßt ihn von mir, die ich so glücklich-frei hier leben darf!“

Irgendwann begann sie steif zu werden und Magda konnte auch nicht mehr leugnen, daß ihr kalt geworden war. Dennoch war sie erstaunt, wir verhältnismäßig warm es tief unten im Brunnen war, drei Meter unter der Erdoberfläche. Sie tastete vorsichtig nach der Leiter, setzte den linken Fuß auf die unterste Sprosse und stemmte sich empor. Sobald sie die zweite Sprosse verlassen hatte und damit wieder über den Wasserspiegel, triefte das Wasser von ihrer durchnäßten Hose herunter, die Leinenschuhe gaben schmatzende Geräusche von sich.

Nach jeder erglommenen Sprosse hielt Magda kurz inne und schaute zum Himmel hinauf durch die stets größer werdende Brunnenöffnung. Mit dem Gefühl einer leichten Wehmut verließ sie den Schacht, wie ein Vogelkind, das erstmals das Nest verläßt, oder ein Bärenkind die Höhle, in welcher es sich seit seiner Geburt befand.

---

Brause grübelte unentwegt, wie es sein konnte, daß die zentrale Überwachungsstelle sagte, die Überwachte wäre nie aus dem Haus gegangen. 'Das kann doch gar nicht sein', überlegte er, und plötzlich fiel es ihm wie Schuppen von den Augen:
- „Der omniöse Holzkasten mit den heraushängenden Drähten“, rief er aus, „das ist es, das muß mit dem irgendwie zusammenhängen, denn gerade als die Weiß den Kasten zu ihrem Auto nach unten geschleppt hatte, riefen die von der Gülle an, daß das Signal fehlt.“

Nach mehreren Minuten intensiven Nachdenkens kam Brause zu der Überzeugung, daß Gangolf hinter allem steckte, er traute diesem die notwendigen technischen Fähigkeiten zu, einen Sender zu bauen, der anstelle des Funksignals der Fußfessel das entsprechende Signal permanent ausstrahlte, aus Armdrans Wohnung. Auf diese Weise konnte sich Armdran unbehelligt überall herum bewegen, und Brause kam ein schwerer Verdacht:

- „Die Armdran hatte doch auch so einen feschen Motorradanzug an, in Lüggen, als ich sie auf dem Markt zufällig entdeckt hatte, und da verplapperte sich die andere Motorradfahrerin, die ich für die Weiß hielt, daß sie gerade von Italien zurückgekehrt wären, also ist doch klar, daß die Armdran auch mit dabei war.“

- „Na, hast du `was Neues herausgekriegt von der Armdran?“, erkundigte sich Nisselpriem, als Brause wieder mit seinem Chef zu einem >Gedankenaustausch< zusammentraf.
- „Die wohnt jetzt bei dem Stumpf auf dem einsamen Hof hinter Wesserbarg da draußen, am Röthener See“, entgegnete Brause, „aber sie hat wohl das Ladegerät für die Fußfessel in ihrer alten Wohnung gelassen und konnte deshalb das Ding nicht aufladen.“
- „Dann sollte sie das aber schleunigst holen und sich dann auch ummelden.“
- „Das wird wohl kaum gehen, jetzt bei der totalen Ausgangssperre, und der Stumpf sitzt in Wuselhausen, wie sollte sie nach Lüggen kommen?“
- „Stimmt auch wieder, na ja, ich werde denen von der Gülle sagen, daß das Ladegerät augenblicklich nicht verfügbar ist, und den Präsident werde ich bitten, das mit der Fußfessel bei ihr vorerst aufzugeben, da wegen der Ausgangssperre ohnehin keine Fluchtgefahr besteht.“

Brause nickte zustimmend und dachte sich: 'Ach, wenn du wüßtest, daß die höchst wahrscheinlich in Italien war mit dem Stumpf, mit dem Motorrad auf Urlaubsreise!' Doch er behielt seine Gedanken für sich, er erwähnt auch nicht, daß Martina den Holzkasten aus Magdas Wohnung entfernt hatte, in welchem er einen Sender vermutete.
- „Und dann, wenn das stimmt, was sie der Mauser gesagt hat, daß sie eigentlich völlig unschuldig ist und die Tat aus reiner Gefälligkeit, aus reinster Menschenliebe auf sich genommen hat.“
- „Glaubst du das wirklich, Olaf?“ fragte Nisselpriem.
- „Ja klar, mir war von Anfang an nicht klar, wie diese kleine, stets zurückhaltende liebe Armdran zu solch einer Tat fähig gewesen sein soll, auch wenn sie zuvor von dem Kerl vergewaltigt worden ist.“
- „Tja, da bin ich gespannt, was die Kriminaler und die Staatsanwaltschaft dazu sagen wird, ob die den Fall neu aufrollen, kann uns im Prinzip egal sein.“
- „So ist es“, pflichtete ihm Brause bei, „aber ich bin mir nicht sicher, ob die Armdran dann auspacken wird, ich fürchte, die ist viel zu rücksichtsvoll und will die Weiß nicht in die Pfanne hauen, auch wenn diese sich so abfällig über ihren Gangolf geäußert hat. Sie hat das ja auch alles der Kerstin im Vertrauen zugesteckt, unsereiner hätte sie das wohl nie gesagt.“
- „Warten wir's ab“, meinte Nisselpriem und machte Anstalten, das Gespräch zu beenden.

- „Eins noch“, bat Brause, „wie geht es jetzt weiter mit dem verschwundenen Geld aus der seltsamen Kiste auf der Insel, die dann auch noch verschwunden ist?“
- „Ach, das auch noch, keine Ahnung, sollen wir das jetzt tatsächlich auch noch den Wuselhausener Kollegen melden?“
- „Ja eigentlich schon, es handelt sich immerhin um viele tausend Euro, und einen Anfangsverdacht haben wir auch schon.“
- „Du meinst, diese, wie hieß sie gleich wieder-“
- „Langohr. Inge Langohr, Abteilungsleiterin der Unteren Naturschutzbehörde drüben im Umweltamt.“
- „Ja, richtig, Langohr, die hältst du also verdächtig, weil sie allein auf der Insel war, nachdem du bereits mit der anderen Frau-“
- „Barbara Bär“, half Brause erneut seinem Chef auf die Sprünge,
- „-nachdem du bereits mit der Frau Bär dort gewesen warst und feststelltest, daß die Kiste leer war, obwohl die Bär fest und steif behauptete, sie hätte zusammen mit der Langnas“
- „Langohr“, korrigierte Brause,
- „verdammt, Langohr natürlich, also daß die so sehr viel Geld dort in der Kiste gefunden hätten, ist wohl doch ein wenig dünn, das Ganze.“
- „Sagen wir `mal so, es ist ein Ansatzpunkt, den man nachgehen sollte, immerhin hat sie plötzlich diesen Kotz-Protz-Karr'n dann gekauft, sie, als die Obernaturschützerin.“
- „Gut, Olaf, ich werde das zur Sprache bringen, daß wir gewisse Anhaltspunkte haben, was die dann d'raus machen, ist deren Sache!“

Gemächlich schlappte Brause in sein Büro zurück, genüßlich lehnte er sich in seinem bequemen Sessel zurück, verschränkte die Hände hinter dem Kopf und freute sich insgeheim, daß es Herrn Stumpf offensichtlich gelungen war, der Gülle und damit allen Polizisten in Lüggen ein Schnippchen zu schlagen.
'Und jetzt sitzt er wahrscheinlich unschuldig in U-Haft', ließ er seine Gedanken schweifen, 'und die Armdran trägt unschuldigerweise die Fußfessel, und die echten Verbrecher, die Verbrecherinnen vielmehr, die laufen vor unserer Nase frei herum.'

Brause ahnte nicht, daß noch vor Jahresende die verworrenen Kriminalrätsel gelöst sein würden.
























175. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 26.05.23 20:58

107

Magda war froh darüber, in Gangolfs Haus zu wohnen, denn hier, in der Abgeschiedenheit des flachen Landes konnte sie sich viel mehr Freiheiten herausnehmen als in ihrer kleinen Wohnung in der Innenstadt von Lüggen. Regelmäßig kamen Kinder vorbei, aber auch Erwachsene nahmen es mit der Ausgangssperre nicht so genau. Gleich hinter Gangolfs Haus begann der Waldstreifen, der den Damisch-Kanal umgab, so daß Magda dort unbehelligt Spaziergänge unternahm ohne Angst, von Polizei und Wachdiensten dabei erwischt zu werden.

Auch innerhalb des Hauses fand Magda reichlich Zerstreuung; fasziniert blätterte sie durch die Bildbände, die Gangolf im Bücherregal aufgereiht hatte. Schließlich fand sie ein schmales Büchlein, das den Kajaksport beschrieb. In zahlreichen Bildern wurde darin alles gezeigt und ausführlich beschrieben, vom Einstieg bis zum richtigen Körpereinsatz zum kräftesparenden Paddeln. Gangolf hatte ihr nie das Kajakfahren angeboten, andererseits war bislang auch nie richtig Zeit dafür.

'Jetzt habe ich Zeit dafür', überlegte sich Magda und beschloß, die Anleitungen in dem Buch, die sich an Anfänger richtete, genau zu studieren und die empfohlenen Übungen zu absolvieren. Sie holte dazu eines der beiden Paddel aus der Scheune und setzte sich damit auf einen Hocker, welcher den Sitz in einem Kajak simulieren sollte. Die Füße stemmte sie, genau wie in den Abbildungen gezeigt, an der Wand ab. Sie war erstaunt, daß es da vorne in den Booten solche Fußrasten gab, an welchen man sich beim Paddeln abstützen sollte, um mit der Muskulatur des Oberkörpers die Armbewegungen zu unterstützen.

Mit leicht angewinkelten Beinen begann Magda mit den Trockenübungen, sie übte fleißig das Eintauchen der Paddel, das Durchziehen und Herausholen, links, rechts, links, rechts, unterstützt mit dem wechselweisen Abstemmen der Beine und Muskelanspannungen des Oberkörpers. Fasziniert betrachtete sie die Photographien der beschriebenen Kajaktouren, daß es da Gepäckluken gab, in welchen man wasserdicht Sachen verstauen konnte, las von wasserdichten Transportbeuteln und Spritzschutzdecken, die man sich überstülpte und an dem sogenannten Süllrand der Einstiegsluke einspannen konnte.

Bezüglich der Kleiderfrage überkamen Magda Bedenken, ob sie ungefragt einen von Gangolfs Neoprenanzügen benutzen sollte, und ob sie überhaupt sein Kajak einfach so nehmen dürfte. Es kam ihr in den Sinn, daß Gangolf sogar dieser Inge das rote Kajak ausgeliehen hatte; von dieser Erinnerung bestärkt beschloß sie, sich zu trauen und ohne Gangolf zu fragen, von Boot und Anzug Besitz zu ergreifen:

- „Was sollte er schon dagegen haben“, sagte sie sich, „er ist in allen Dingen so großzügig, mir gegenüber und auch ganz Fremden, wahrscheinlich würde er sich sogar freuen, wenn ich ihm den Wunsch äußere, Kajak fahren zu wollen.“
Magda trug das Paddel zurück in die Scheune und nahm von dort den Langarm-Neoprenanzug mit, den sie dort nach der Reinigung zum Trocknen aufgehangen hatte. Wieder beschlich sie das Kribbeln in den Händen, als sie über den geschmeidigen Gummistoff strich. Sie streifte ihre abgewetzte Jeans ab, setzte sich auf den Hocker und schob vorsichtig die Füße durch die engen Beinröhren der Neoprenhose. Sie ging dabei sehr behutsam vor, denn sie hatte Angst, durch einen zu festen Zug den Stoff aufzureißen. Sie fragte sich, wie Gangolf mit seinen großen Füßen durch den engen Saum hindurchkam, wenn es ihr mit ihren kleinen Füssen schon so schwer fiel, hindurch zu gelangen. Der restlichen Teil der Hose war wesentlich einfacher anzuziehen; kaum waren ihre Füßchen durch die schwarzen Beinröhren hindurchgezwängt, stellte sie sich auf und hüllte sich in den oberen Teil der Neoprenhose.

Als Magda anschließend die Jacke anlegte und den hinten herunterhängenden Latz durch ihre Beine nach vorne durch den Schritt zog, um diesen am vorderen Jackensaum zu befestigen, war es mit ihr geschehen: Es gelang ihr gerade noch, die zwei Schritte zum Sofa zu vollbringen, auf welches sie sich niederfallen ließ; in ihrem Leben war es der stärkste Orgasmus, der sie ergriffen hatte; selbst die Anprobe der ledernen Motorradkombi war nichts dagegen, als das Neopren im Doppelpack auf ihren Venushügel drückte und sie dabei innerlich zum Rasen brachte.

Die Minuten rannen dahin, in welchen Magda vollkommen erschöpft einfach nur dalag, im hingebungsvollen Halbschlaf, von allem Irdischen entrückt. Das Schrillen des Telephons ließ sie aus ihrer wonnevollen Welt emporschrecken; im ersten Augenblick wußte sie nicht, wo sie war und was sie hörte, indes kehrte schnell die Erinnerung an das Diesseits zurück und mit einem Satz hechtete sie zu dem Apparat und zog ihn hurtig aus der Ladeschale, um das nervtötende Gebimmel abzustellen. Auf dem Display hatte sie den Namen >Bettina< gelesen; schüchtern flötete sie in das Gerät:
- „Ja bitte“.

Gangolf hatte Magda bei der Verabschiedung nach seiner Verhaftung aufgetragen, Telephonanrufe entgegenzunehmen, vor allem, wenn es Anrufer waren, deren Namen eingespeichert gewesen waren. Gangolf ließ auch sein Smartphone zurück in der Annahme, daß man ihm dieses ohnehin wegnehmen würde. Neugierig lauschte Magda am Hörer, ob es die Bettina war, ihre Bettina, die Lebensgefährtin der Martina, Magdas strenger Herrin, derer sie sich zu entziehen gewagt hatte.

- „Magda, bist du das“, kam es aus dem Hörer, „bist du bei Gangolf?“

Magda erkannte ihre helle liebliche Stimme, erfreut diese zu hören, antwortete sie:
- „Ja, Gangolf bat mich, solange zu bleiben, wie ich will, und ich will da bleiben, wenigstens solange er fort ist.“
- „Ah, ist er wieder auf Dienstreise, darf er denn verreisen, also ich darf zum Beispiel nicht aus dem Haus, nicht einmal um Gespräche für eine anstehende Beerdigung zu führen, nur noch alles per Telephon, eine wahnsinnige Zeit ist angebrochen.“

Magda wußte nicht auf Anhieb, was sie Bettina antworten sollte, nach einigen Sekunden der Stille fragte diese nach:
- „Bist du noch d’ran, Magda?“
- „Ja, freilich, also auf Dienstreise ist er nicht, ich glaub’, das kann man so nicht sagen.“
- „Oh, ist `was Schlimmes passiert, mußte er in’s Krankenhaus?“
- „Nein, das nicht, aber du könntest ein gutes Wort für ihn einlegen.“
- „Ein gutes Wort für ihn einlegen“, echote Bettina, „was soll das heißen, mach’ es nicht so spannend!“

Magda räusperte sich und sprach:
- „Gangi wurde verhaftet.“
- „Was, nicht im Ernst“, empörte sich Bettina, „was ist denn geschehen?“

Magda berichtete Bettina, was sich mit Inge zugetragen hatte, und daß diese Gangolf der Vergewaltigung bezichtigt hatte.
- „Nicht zu fassen“, kommentierte Bettina das Gehörte, „Undank ist der Welt Lohn.“

Bettina versprach, umgehend bei der Polizei in Lüggen anzurufen und sich mit Mauser oder Brause zu besprechen. - „Das ist eine ganz hinterhältige Lügnerin, dieses Weib Martina“, ereiferte sie sich, „und sie war jahrelang meine Intimfreundin, ich schäme mich dafür. Und dich hat sie ja auch so schlecht behandelt, diese verruchte Sadistin!“

Aufgebracht berichtete sie von den qualvollen sechs Wochen, in denen Bettina auf engstem Raum in dem Wohncontainer mit Martina eingepfercht unter strikten Quarantänebedingungen dahinvegetieren mußte, und dabei die sadistische Grausamkeit jener Frau kennenlernen mußte, welche sie jahrelang geliebt hatte.

- „Eigentlich wollte ich mich von dir und von Gangolf verabschieden“, kam Bettina auf den Grund ihres Anrufs zurück, „ich bewarb mich für eine andere Pfarrstelle und werde diese große Wohnung hier in Laukuv aufgeben, schon wegen den Erinnerungen, ich fang’ dann irgendwo neu an; das Weib ist auch schon ausgezogen.“
- „Du meinst Martina? “, fragte Magda.
- „Ja klar, die wollte doch zu dir in deine kleine Wohnung ziehen, ist sie das nicht?“
- „Nein, also keine Ahnung, vielleicht doch, sie war total verärgert, wie sie neulich davon ist, sie wollte, daß ich mitkomme und dann traf sie unterwegs beim Wegfahren auf die Polizisten, und denen hatte sie dann gesagt, wie böse Gangi wäre und daß der mich aufgehetzt hätte, nicht mit ihr zu kommen, und dabei bin ich so froh jetzt, so frei zu leben, Gangi war immer so lieb, du weißt ja noch, wie er im Urlaub war, so großzügig!“
- „Ja, da hast du recht, ich rufe gleich an, den Wachtmeister Brause kenne ich, ich glaub’, der kennt mich auch, und wie hieß die andere sogleich?“
- „Mauser“, antwortete Magda, sie war sehr erfreut, daß Gangolf auf diese Weise Unterstützung erhalten würde.

Bettina wünschte Magda viel Glück, Gesundheit und Gottes Segen, sie versprach, sobald als möglich nach Wesserbarg zu fahren, wenn die Ausgangssperre aufgehoben sein würde.

Magda ging in der Küche, um sich einen Kaffee zu bereiten. Gerade als die Maschine ihr unverkennbares Quackeln von sich hören ließ, schrillte es erneut, diesmal die Haustürklingel. Die erwartete Lebensmittellieferung kam, der Lieferant, ein junger Mann, beäugte Magda belustigt, wie diese barfuß, ansonsten aber dick im Neoprenanzug verhüllt die Tür geöffnet hatte.

- „Ich wollte gerade zu einer Bootstour aufbrechen“, gab Magda stotternd eine Erklärung und nahm den Karton entgegen. „Es läuft gerade Kaffee durch, willst du auch einen?“, bot sie den Lieferanten an.
- „Hab’ leider keine Zeit, bin schwer in Eile, muß noch jede Menge ausliefern, darf ja keiner mehr sich was selber einkaufen; aber dennoch vielen Dank, vielleicht ein ander Mal!“

Ihre Nervosität steigerte sich, als Magda sich die Trekkingschuhe schnürte. Gangolfs Bootsschuhe waren ihr wesentlich zu groß, und ihre ausgetretenen Chucks hielt sie für unpassend. Die schwere Hausarbeit gewohnt war es für sie keine besondere Anstrengung, das Boot in der einen Hand, das Paddel und den wasserdichten Beutel mit der Trinkflasche in der anderen zu dem Steg hinunterzuschleppen.

Wie in dem Buch beschrieben stieg Magda in das Kajak und war erstaunt, daß diese Prozedur einfacher erfolgte, als in der Anleitung beschrieben stand. Vorsichtig stieß sie sich von dem Steg ab und wartete, bis sie mit dem Kajak etwas weiter weg getrieben wurde. Dann wagte sie den ersten Ruderschlag und versuchte sich, genau daran zu halten, wie sie es in der Trockenübung auf dem Küchenhocker gelernt hatte.

Es blieb nicht aus, daß Magda Bögen fuhr und in Schlangenlinien den Kanal entlang paddelte, einmal stieß sie auch auf das Ufer, indes steigerte sich ihre Freude von Minute zu Minute. Als sie an die Mündung zu dem Röthener See kam, hörte sie eine Weile mit dem Paddeln auf und genoß den herrlichen Ausblick über die glatte Wasserfläche.

- „Das ist also die geheimnisvolle Insel“, sagte sie sich, doch Magda beschloß, nicht weiter auf den See hinauszurudern, um nicht doch noch von jemanden dort entdeckt zu werden. In einem großen Bogen ruderte sie in den Kanal zurück, welcher im Schatten des dichtem Bruchwalds besäumt lag. Immer mehr machte sich der Kaffee bemerkbar, den sie unmittelbar vor ihrem Aufbruch reichlich genossen hatte, und sie beschloß, an den Steg zurückzurudern, um an Land sich zu erleichtern. Was sie indes nicht bedachte war der Umstand, wie umständlich die Verrichtung der Notdurft in dem festumschlingenden Neoprenanzug vonstatten ging. Sie überlegte sich, ob sie nicht lieber gleich zurück in das Haus gehen sollte, doch gewann die Lust Oberhand, den Kanal weiter hinunter zu paddeln.

Als sie sich schließlich ihrer Notdurft entledigt und sich anschließend wieder in das enge Neopren verpackt hatte, zwängte sich Magda mit großer Freude erneut in die Plastikschale, sie liebte es, mit den Sohlen ihrer Trekkingschuhe die Fußrasten zu spüren, sie genoß das Gefühl des Eingespanntseins in der schmalen Hülle des Schiffsrumpfes, ihre Sehnsucht nach unentrinnbarer Geborgenheit brachte sie an den Rand der Ekstase.

Immer gleichmäßiger erfolgten ihre Ruderschläge, immer unbewußter liefen Arm- und Rumpfbewegungen ab, Magda schweifte im Gedanken ab, sie war wieder bei dem Brunnen, dieser übte eine unsägliche Magie auf sie aus, ein unbegreifliches Verlangen. Erst als sie nach etwa zwei Kilometern aus dem Schatten des Waldes herausgekommen war und vor sich eine Brücke über den Kanal wahrnahm, kehrten ihre Gedanken zurück an die Gegenwart des Daseins, wie die rote Spitze des Kajaks das Wasser vor ihr teilte, wie gelegentlich Spritzer auf dem Neoprenanzug landeten.

-„Ich kehre jetzt lieber um“, sagte sie sich, denn Magda wußte von ihren Fahrradausflügen, daß bei der Brücke eine Schleuse lag, die sie nicht passieren wollte. Sie fürchtete, dort leicht gesehen zu werden. Das Wenden fiel ihr in dem verhältnismäßig schmalen Kanal schwerer als auf dem See, sie blickte nochmals zurück, im Hintergrund gewahrte sie einzelne Häuser von Holzbuch, jene Ortschaft, die ihr bei ihren Fahrradfahrten auf Anhieb gefallen hatte.
- „Irgendwann fahr’ ich bis dorthin“, gelobte sie, „wenn die blöde Ausgangssperre aufgehoben wird.“

Was Magda indes nicht gedacht hatte war die Tatsache, daß ihre erste Bootstour auch ihre letzte gewesen sein würde. Voll der Begierde, aufgewühlt von Lust, stieg sie, kaum daß sie das Kajak wieder ordentlich in die Scheune gebracht hatte, in den Brunnen hinab.

176. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von modex am 27.05.23 23:26

Es wird noch spannender. Und tatsächlich hattest Du mich mit der Kanufahrt auf eine laut letztem Satz falsche Fährte gelockt. Chapeau!
177. RE: Falsche Fährte!

geschrieben von M A G N U S am 30.05.23 11:36

In der Tat bin ich selber immer wieder überrascht, was ich mir da alles vor zwei Jahren ausgedacht hatte; die Details habe ich größtenteils vergessen.
Ich wünsche weiterhin gute Unterhaltung!
178. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von latexmonster am 30.05.23 22:29

Nun hatte ich diese wunderbare Geschichte bisher verschlungen und bisher nur still mit gelesen - aber sollte sie sich jetzt tatsächlich schon bald dem Ende zuneigen? Hoffentlich ist das nicht so und es kommen noch viele spannende Fortsetzungen…
179. RE: Dem Ende zuneigen

geschrieben von M A G N U S am 31.05.23 21:46

Es freut mich, liebes Latexmonster, daß Dir die Geschichte gefällt, obschon ein Kleiderfetisch kaum eine Rolle spielt: Nur sehr am Rande werden Gefühle angeregt bei der Berührung mit dem Neopren-Stoff, vielleicht wird auch ein leichter Schuh-Fetisch wahrgenommen.

Zu der Befürchtung eines baldigen Endes: Alles auf Erden hat irgendwann ein Ende, auch die wahren Monster-Geschichten hier im Forum; neugierig bin ich, wie lange noch die Galeere von den Rudersklavinnen bewegt wird und wann die Despotin Megara ihr Ende finden wird.

Immerhin steuert die Handlung auf einen Höhepunkt zu, nachdem monatelang die Sache mit dem Brunnen nur sehr vage angedeutet wurde!
180. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von SCHWESTER ANNIKA am 31.05.23 22:10

hallo, ja die Galeere wird noch länger von den Rudersklavinnen bewegt werden...

Gruß Schwester Annika
181. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 02.06.23 19:59

Das freut mich, liebe Annika, daß auf deiner Galeere weitergerudert wird, während hier zumindest Magda zurückgerudert hat...

Mehrfach flossen Gedanken und Handlungen aus deiner Geschichte hier mit ein, beispielsweise der Besuch des Grazer Schloßbergs.

Ich wünsche weiterhin gute Unterhaltung!



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Polizeihauptmeister Brause stieg aus seinem Auto aus, das er, wie alle Morgen, auf dem großen Parkplatz an der Bahnlinie gegenüber von dem Polizeigebäude in Lüggen geparkt hatte. In diesem Moment kam Barbara Bär auf dem Fahrrad gefahren, um dieses weiter hinten auf dem Fahrradständer bei dem Umweltamt abzustellen. Sie klingelte zur Begrüßung, Brause drehte sich herum und rief freudig aus:
- „Guten Tach, Frau Bär, freut mich, Sie wieder einmal zu sehen!“
- „Guten Morgen, Herr Brause, freut mich auch, wie geht `s?“
- „Danke, gut, ich hoffe, auch Ihnen. Sagen Sie `mal, hätten Sie `mal kurz für mich Zeit?“
- „Ja gern, kommen Sie doch gleich mit mir hinauf in das Büro von Inge, solange sie in Behandlung ist, soll ich sie dort vertreten, es gibt nicht viel zu tun, was ich machen könnte, aber ich soll immer da sein, damit überhaupt jemand im Büro ist.“

- „Das trifft sich gut“, willigte Brause erfreut ein, „ich wollte ohnehin mit Frau Langohr sprechen, erreiche sie aber nicht. Vielleicht können Sie mir ja Auskunft geben; aber sagen Sie, in welcher Behandlung ist sie da, etwas Schlimmeres doch hoffentlich nicht?“

Barbara druckste etwas herum.
- „Ich weiß nicht, ob ich Ihnen das erzählen darf, aber gut, jetzt gehen wir erst `mal hinein, muß ja hier nicht jeder zuhören.“

Brause war höchst erstaunt, was er von Barbara erfahren hatte.
- „Und wann ging das etwa los, was meinen Sie?“ fragte er nach.
- „So genau weiß ich das natürlich auch nicht, also auf der Insel war noch alles normal, wie wir da bei der Vogelbeobachtung waren; ich würde `mal sagen, als sie sich diesen Protzkarren gekauft hatte, da bemerkte ich es zu ersten Mal bei ihr.“
- „Hm“, überlegte Brause, „ich erinnere mich, da standen wir doch einmal vor der Bahnschranke, die solange geschlossen war, und da sind Sie dann wieder ausgestiegen.“
- „Richtig, da bemerkte ich es das erste Mal bei ihr.“
- „Und das war also deutlich vor der angeblichen oder tatsächlichen Vergewaltigung auf der Insel, dann müßte es der Täter jetzt auch haben, das soll doch alles so ansteckend sein, d’rum kriegen die doch dann so einen Keuschheitsgürtel verpaßt, damit jeglicher Geschlechtsverkehr unterbunden wird.“

- „Wird wohl so sein“, entgegnete Barbara etwas unschlüssig, was sie dazu sagen sollte.
- „Nun ja, Frau Bär, Sie haben mir sehr geholfen!“
Barbara wußte zwar nicht warum, Brause verabschiedete sich höflich und watschelte aus dem Büro hinaus.

Kriminalkommissar Schlauer studierte die Berichte, die ihm von den Vernehmungen der Polizeikollegen aus Lüggen vorgelegt wurden.
- „Da hat der Brause schon recht“, brummte er vor sich hin, „wenn der Tatverdächtige tatsächlich sich an dem Opfer vergriffen hatte, dann müßte er sich angesteckt haben, eine eindeutige Sache bei dem heutigen Erkenntnisstand über die Ausbreitung des Virus’.“

Schlauer kündigte sich in der seit einigen Jahren reaktivierten Justizvollzugsanstalt an, um mit dem Untersuchungsgefangenen Stumpf zu sprechen. Gangolf war überrascht, aus seiner Zelle geführt zu werden.
- „Besuch“, knurrte der Vollzugsbeamte kurz angebunden. Schlauer saß bereits in dem kleinen Besucherraum, in welchen Gangolf geführt wurde.
- „Soll ich Sie allein lassen?“, fragte der Vollzugsbeamte.
- „Nein, bleiben Sie hier, es ist gut, wenn ich einen Zeugen habe“, entgegnete Schlauer.

‚Das ist ungewöhnlich’, dachte sich der Wärter, ‚meistens wollen die Kriminaler allein mit den Gefangenen reden.’ Er war froh, nicht die häufig sehr lange Zeit auf dem Flur vor der Tür des Besucherraums stehen zu müssen.
- „Setzen Sie sich ruhig her neben mich“, forderte ihn Schlauer auf. Gangolf bezog die Aufforderung auf sich und entgegnete:
- „Nein, ich bleib’ lieber steh’n, wenn Sie nichts dagegen haben.“
- „Sie habe ich auch gar nicht gemeint“, konterte Schlauer und winkte den Vollzugsbeamten zu sich an den Tisch.
- „Ja uns Sie, Herr Stumpf, bleiben da aufrecht zwischen den Fenstern an der Wand stehen, Sie dürfen sich auch anlehnen.“

Nachdem sich der Justizbeamte neben Schlauer niedergesetzt hatte, trat eine unheimliche Stille in dem Raum ein. Niemand sagte auch nur ein Wort, Gangolf betrachtete die beiden vor ihm Sitzenden und umgekehrt. Gangolfs Stolz ließ es nicht zu, nach dem Grund von Schlauers Besuch zu fragen. Schlauer schwieg weiterhin, der neben ihm sitzende Beamte blickte sich zu diesem um und betrachtete ihn erstaunt; er räusperte sich, doch als auch daraufhin sich Schlauer nicht bemüßigt fühlte, etwas zu sagen, richtete der Wärter seinen Blick wieder stumm auf Gangolf, der weiterhin schweigend an der gegenüberliegenden Wand stand.

Die Minuten verstrichen in einer geradezu lähmenden Stille. Ab und zu warf Schlauer einen kurzen Blick auf seine Armbanduhr, richtete aber sofort darnach wieder sein Augenmerk auf Gangolf. Dieser nahm an, daß sie noch auf eine weitere Person warteten; doch er wollte keine Fragen stellen. Nach zehn Minuten erhob sich Schlauer und sprach:
- „Gut, Sie haben den Test bestanden“, und zu dem Vollzugsbeamten gewandt fuhr er fort:
- „Sie können mit Herrn Stumpf wieder gehen.“

Beim Gang durch den Gefängnisflur wunderten sich beide, was Schlauer mit dem Test gemeint haben könnte, und wie dieser bestanden worden war, da in der langen Zeit über keiner auch nur ein Wort gesagt hatte. Beide rätselten im Stillen jeder für sich, ob Schlauer sehen wollte, daß Gangolf in der Lage war, ohne einen Kommentar zu äußern, sei es Mißfallen oder Verwunderung, einfach nur minutenlang still dazustehen.

Obwohl es vom Gefängnis zum Amtsgericht nur wenige hundert Meter weit war, wurde Gangolf zwei Tage später in einen Gefangenentransporter verfrachtet und dem Haftrichter vorgeführt Dieser stellte ganz im Gegensatz zu Gangolfs Einweisung in die Untersuchungshaft fest, daß kein Haftgrund mehr vorläge und somit Herr Stumpf umgehend freigelassen werden muß.

Der Richter nuschelte etwas von einer Fluchtgefahr, die aufgrund der allgemeinen Ausgangssperre nicht mehr vorläge, aber auch von neuen Erkenntnissen, so daß die Staatsanwaltschaft selber um den Termin der Haftprüfung ersuchte. Die >Erkenntnisse< der Staatsanwaltschaft wurden Gangolf nicht mitgeteilt; wieder vorbot es sein Stolz, nach diesen zu fragen, und so bestieg er ebenso wortlos die Grüne Minna zur Rückfahrt in das Gefängnis, wie er sie zur Hinfahrt bestieg.

- „Wollen Sie denn nicht wissen, was zur Aufhebung der U-Haft führte?“, wandte sich Schlauer an Gangolf.
- „Nein“, knurrte dieser zurück und stieg ein. Als die Fahrt nach wenigen Minuten beendet war, wandte sich Schlauer erneut an Gangolf:
- „Es tut mir leid, daß es zu einer falschen Verdächtigung kam, bei solchen Vorwürfen kommt das leider sehr oft vor, aber Sie können versichert sein, daß das für das vermeintliche Opfer strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen wird. Bis zu Beginn des Gerichtsprozesses sind Sie jedenfalls jetzt auf freiem Fuß und hoffentlich auch darnach, bleiben Sie aber stets zu unserer Verfügung. Wie Sie gehört haben, müssen Sie sich als Auflage alle zwei Tage bei der nächsten Polizeidienststelle melden.“
- „Ha, soll das ein Witz sein“, empörte sich Gangolf, „und wie soll ich da hinkommen, wenn man seine Bude nicht verlassen darf?“
- „Ja, hm“, mußte der Kriminalbeamte zugeben, „da werden Sie wohl eine Ausnahmegenehmigung kriegen. Jetzt gehen Sie hinauf und packen Sie zusammen, Sie sind auf freiem Fuß.“
- „Aha, und was hilft mir das, wie soll ich bitte jetzt nach Hause kommen, krieg’ ich da auch so eine Ausnahmegenehmigung, daß ich fünfzig Kilometer Fußmarsch machen darf?“
- „Ich werde mich kümmern, daß Sie überstellt werden“, sagte Schlauer zu.
- „Überstellt“, knurrte Gangolf und betrat das Gefängnisgebäude.

---

Das kühle Wasser des Brunnens machte sich allmählich auch durch den Neoprenanzug hindurch bemerkbar; Magda beruhigte sich mehr und mehr, ohne dabei das Gefühl der Lust, der Begierde und der Hingabe einzubüßen. Sie verlor das Zeitgefühl, sie blickte nach oben, durch den Brunnenschacht hinauf zu dem Himmel, der einen gleißend-hellen Kontrast bildete zu der engen Verlies-Röhre, in welcher sie in der Finsternis saß. Irgendwann gab sich Magda einen Ruck, ertastete die Leiter und entwand sich dem selbstgewählten Gefängnis.

Im Haus schälte sie sich aus dem Neopren und gönnte sich ein ausgiebiges Bad. In der Wanne überfielen sie wieder die Gedanken an das Eingesperrtsein, an Enge, an Hilflosigkeit. Sie mußte schwer gedanklich dagegen ankämpfen, sich nach Martina zurückzusehnen, an ihre Herrin, ‚wenn die nur nicht immer dann im Lauf des Spiels so sadistisch-brutal geworden wäre’, dachte sich Magda und schüttelte den Gedanken an sie rasch ab. Dann fielen ihr Gangolfs präparierte Handschellen ein, sie erinnerte sich daran, daß Gangolf ihr einmal etwas erzählt hatte, daß sich diese nicht nur über eine Zeitschaltuhr schalten ließen, sondern auch ferngesteuert über das Smartphone.

Schnell verließ Magda die Badewanne, trocknete sich ab, zog sich nur einen Slip über und eilte in den Keller hinab. Sie nahm die speziellen Handschellen von dem Haken, an deren Seite Gangolf ein schwarzes Kästlein angebracht hatte, in welchem sich die Empfangselektronik für die Funksignale befand. Sie nahm das elektronische Kunstwerk in die Wohnung hinauf und breitete es vorsichtig auf der Platte des Wohnzimmertisches aus. Anschließend tippte sie auf Gangolfs Smartphone herum, bis sie zu der selbst geschaffenen Applikation kam mit der knappen Bezeichnung: >Cuffs<.

Obschon im Umgang mit den modernen Kommunikationsgeräten wenig vertraut, gelang es Magda, die Zeit der Verschlußdauer auf 30 Minuten einzustellen; sie klickte die Handschellen zu und ging in die Küche, um eine Kleinigkeit zu essen. Anschließend kehrte sie in das Wohnzimmer zurück, schnappte sich eine Lektüre, fläzte sich auf das Sofa und hüllte sich in eine wärmende Decke. Zu ihrer Freude gewahrte sie tatsächlich nach kurzer Zeit ein Klicken, das von dem Tisch her rührte. Sie schwang die Beine vom Sofa, griff nach den Handschellen und stellte fest, daß sich diese öffnen ließen.

- „Funktionieren also doch“, rief sie aus, „was hat da Gangi für Sorge gehabt, sie würden nicht zuverlässig aufgehen!“

Es war eine fatale Fehleinschätzung von Magda, Gangolfs Warnungen und Bedenken in den Wind zu schlagen...

182. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 09.06.23 21:33

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Minutenlang haderte Magda mit sich, ob sie es klicken lassen sollte. Zusammengekauert auf dem Grund des Brunnens kamen ihr nun doch Bedenken, daß Gangolfs Elektronikkonstruktion versagen könnte und die Bügel der Handschellen sich nicht nach der im Smartphone eingestellten Zeit öffnen ließen. Deutlich spürte sie ihren Herzschlag, als sie im fahlen Licht des Brunnenschachtes die geöffneten Schellen in ihren Händen hielt. Sie blickte in die Höhe, trübe graue Wolken verbreiteten eine düstere Vorahnung.

Magda drückte eine Schelle um ihr rechtes Handgelenk; beim Niederdrücken verfiel sie erneut in's Grübeln. Sie unternahm einen Versuch, ob es ihr gelänge, notfalls auch mit gefesselten Händen aus dem Schacht zu steigen. Zwar wollte sie durch die Handschellen genau das Gegenteil bezwecken, daß sie nicht vor dem Ablauf der eingestellten Zeit aufgeben konnte, sie fand es dann doch beruhigend zu wissen, daß es im Notfall funktionieren würde.

Magda richtete sich auf und beließ ihre linke Hand hinter dem Rücken, während sie einhändig versuchte, die wackelige Leiter hinaufzusteigen. Der Versuch gelang, was sie leicht bedauerte, sie stieg wieder hinab, setzte sich in's Wasser und ließ schließlich ohne weitere Bedenken die noch freie Schelle um ihr linkes Handgelenk schnappen.

Obwohl sich Magdas Augen an die Dunkelheit tief unten im Brunnenschacht gewohnt hatten, kam es ihr vor, daß es, gleichwohl noch früh am Nachmittag, immer finsterer wurde. Bedrohlich grau wölbte sich der Himmel über den Brunnen, der Wind pfiff durch das Gebüsch und erzeugte in dem Schacht ein eigenartiges Heulen. Nach einigen Minuten begann es zu regnen.

Magda hatte nichts dagegen, mit ihren Trekkingstiefeln und dem Neoprenanzug im Wasser zu sitzen, indes nervten sie die durch den Schacht fallenden Regentropfen. Mit Mühen gelang es Magda, die Kapuze der Neoprenjacke über den Kopf zu ziehen; sie vernahm zwar durch den Stoff hindurch immer noch die auf den Kopf aufschlagenden Tropfen, immerhin blieb dieser jedoch trocken.

- „Der Sturm wird schon nicht ewig dauern“, sagte sich Magda und kauerte sich, nun vollkommen von Kopf bis Fuß eingehüllt, am Grunde des Brunnens zusammen. Plötzlich vermeinte sie, im Rauschen des Windes, im Geplätscher der niederfallenden Tropfen ein Motorengeräusch zu vernehmen, das immer lauter wurde.

'Es ist doch Ausgangssperre', kam es Magda in den Sinn, 'wer fährt denn da noch herum, ich hab' doch gar keine Lebensmittel mehr bestellt.' Sie kam in's Grübeln:
- „Das kann doch nur Martina sein, die falsche Schlange“, sagte sie sich und hoffte, daß diese bald wieder fahren würde. Sie hörte, wie das Auto anhielt und vernahm auch das Türenschlagen. Sie lauschte mit angehaltenem Atem, doch sie konnte nichts weiter hören, die Windgeräusche übertönten alle anderen Laute, die bei Windstille an ihr Ohr hätten dringen können.

Kaum war die Tür des Autos zugeschlagen, hörte Magda es schon wieder fortfahren. Sie konnte sich keinen Reim darauf machen, wer da extra den unbequemen mit Schlaglöchern übersäten Weg zu Gangolfs einsam gelegenen Hof hinaus fuhr in die Einsamkeit des Nordufers des Röthener Sees, um nur kurz die Fahrzeugtür zu öffnen und anschließend sofort wieder wegzufahren. Magda überlegte hin und her, plötzlich vernahm sie das Geräusch eines Miauens. Erschrocken blickte sie auf und gewahrte tatsächlich eine Katze, die neugierig ihren Kopf in den Brunnenschacht hob und Magda mit gefährlich-grün schimmernden Augen von oben herab anstarrte.

- „Das fehlt mir gerade noch“, fauchte Magda und erhob sich. Die Katze zog sich daraufhin zurück, Magda beschloß indes, hinaufzusteigen, um den Schachtdeckel über den Einstieg zu schieben. Sie wußte zwar noch nicht, ob es ihr gelingen würde, mit den gefesselten Händen die schwere Holzscheibe zu bewegen, wollte es jedoch nicht unversucht lassen. Wie sie bereits durch ihre Vorübung wußte, gelang der Aufstieg auf der von ihr mit Latten zusammengenagelten Leiter problemlos. Als ihr Kopf über den Brunnenrand hinausragte, bemerkte sie erst die Heftigkeit des tobenden Sturms, den sie unten im Brunnen nur durch das seltsame Heulen in der Schachtröhre wahrnahm. Sie schaute sich nicht um, ihr ganzes Interesse gehörte dem Schachtdeckel; mit großen Mühen faßte sie den Rand, zog diesen über den Brunnenrand, stieg wieder einige Sprossen tiefer hinunter, während sie über ihrem Kopf den Deckel immer weiter zu zog.

Als sie dann ihre gefesselten Hände von dem Deckelrand nehmen mußte, weil die noch verbleibende Lücke entsprechend schmal geworden war, beugte Magda sich leicht, hob nun den Deckel von unten in dessen Mitte mit einer großen Kraftanstrengung an, wuchtete ihn seitwärts, so daß er tatsächlich vollständig auf dem Ring des Brunnenschachts zu liegen kam, es wurde sogleich stockfinster im Schacht, und – dann geschah es.

Am Tag nach dem Haftprüfungstermin kam Brause, um Gangolf aus dem Untersuchungsgefängnis in Kaiserswuselhausen abzuholen. Auf der Rückfahrt durchlöcherte er Gangolf mit Fragen, wie es ihm ergangen sei, ob sie ihn gut behandelt hätten, was die Staatsanwaltschaft alles vorgebracht habe, ob der Pflichtverteidiger seine Pflicht erfüllt habe und so fort. Gangolf antwortete sehr zurückhaltend, ihm war gar nicht nach Plaudern, denn es gelang ihm nicht, Brause richtig einzuordnen. Gangolf sah in ihm immer noch die verkörperte Staatsmacht, seine Schnüffelei und sein Einschleimen bleiben ihm suspekt.

- „Ach, nun geben Sie sich doch nicht so einsilbig“, forderte Brause ihn auf, „wissen Sie eigentlich, wie ich mich für Sie eingesetzt habe, daß Sie da endlich `raus kommen.“
- „Aha?“, hob Gangolf wiederum einsilbig die Stimme.
- „Ja, da sind zwei Damen aus ihrem Bekanntenkreis, die dazu beitrugen, daß zumindest der Haftbefehl ausgesetzt wurde; wenn es nach mir gegangen wäre, hätte ich ihn natürlich aufgehoben, denn die Beweislage ist für mich jetzt eindeutig und klar.“

- „Aha“, wiederholte sich Gangolf, „und die wäre?“
- „Da wäre zunächst diese Pfarrerin, ich hab' jetzt ihren Namen vergessen, mit dieser waren Sie ja anscheinend auch im Urlaub und die widerlegte das niederträchtige Urteil von dieser Frau Weiß, im Gegenteil, sie schwor Stein und Bein, daß es geradezu umgekehrt ist, daß Weiß diese Frau Armdran, diese Magda, beeinflußt hatte, daß diese sogar die Tötung des Vergewaltigungsverbrechers auf sich genommen hatte, obwohl höchst wahrscheinlich die Weiß das getan hatte.“

- „Ja, so `was vermutete ich auch schon“, antwortete Gangolf, „und was hat das mit mir zu tun, und wer ist diese zweite Bekannte, von der Sie sprachen?“
'Na endlich bist du etwas aufgetaut', dachte sich Brause und fuhr fort:
- „Ja, da ist noch die Frau Bär, die sagte aus, daß ihre Kollegin, diese Langohr, beinahe hätte ich jetzt Schlitzohr gesagt, also daß diese schon bei dem Kauf von diesem Angeberauto da mit dem Condoma-Virus infiziert war.“

Gangolf sah ihn verwundert an, sagte aber nichts darauf. Auch Brause schwieg eine Weile, dann fuhr er mit einer Frage fort:
- „Wie war denn eigentlich dieser Condoma-Test, haben Sie ihn bestanden, vermutlich schon, sonst wären Sie wohl nicht frei gekommen.“
- „Was für ein Condoma-Test?“ entgegnete Gangolf, im gleichen Moment fiel ihm ein, daß Kriminalkommissar Schlauer auch von einem Test sprach, als dieser ihn minutenlang in dem Raum schweigend stehen ließ.
- „Ja, stimmt“, fuhr Gangolf weiter, „dieser Schlauer war ja ein ganz Schlauer, der ließ mich eine Ewigkeit lang an der Wand stehen, sagte die ganze Zeit nichts, es war mucksmäuschenstill, auch der Wärter hat nichts gesagt, erst als die Zeit um war, hat er gemeint, daß ich den Test bestanden hätte, war wohl so ein Depperles-Test, wer hält es schweigend am längsten aus, bis einer doch was fragt und dann hätte ich verloren. So `was idiotisches ist mir ja noch nie vorgekommen.“

- „Und“, meinte Brause und drehte sich kurz seitlich zu Gangolf, „und haben Sie sich an den Pimmel gefaßt?“
- „Äh, wie bitte?“, entrüstete sich Gangolf.
- „Na, Sie wissen schon, von Mann zu Mann gesprochen, hätte ja sein können, daß Sie sich die lange Wartezeit verkürzt hätten, indem Sie sich an ihr Glied gefaßt haben.“

Gangolf blickte Brause entgeistert an, ließ dessen Worte auf sich wirken und sprach dann:
- „Ach so, Sie glauben, das war der Condoma-Test, ja, Sie haben wahrscheinlich recht, so einfach geht das, wer da von dem Virus befallen ist, der hält das nicht so lange aus, ohne sich da unten zu reiben.“
- „Könnte ich mir vorstellen, Herr Stumpf, und da Sie offensichtlich nicht infiziert sind, die Langohr aber schon vorher und es immer noch ist, dann hatten Sie wohl mit ihr nicht Geschlechtsverkehr, so einfach können die Dinge liegen.“
- „Hm, wenn Sie meinen, aber da muß man erst einmal d'rauf kommen.“
- „Ich fasse das jetzt `mal als Lob auf, Herr Stumpf, danke.“
- „Ach, Sie sind da d'raufgekommen?“
- „Nun ja, manchmal hilft es doch weiter, wenn man mit allen Leuten einfach viel spricht, ganz offen, aber immer hellwach, dann erkennt man die Zusammenhänge, die in solchen Fällen weiterführen können; gute alte Polizeiarbeit eben.“
- „Ja, vielen Dank dann jedenfalls für ihre Mühe und für Ihr beharrliches Eintreten für die Wahrheitsfindung.“

Brause fuhr im Schrittempo den Feldweg zu Gangolfs Hof, er konnte sich gut vorstellen, wie bei einem ähnlichen Sauwetter sein Kollege Müller den Streifenwagen in's Abseits schoß und auf Gangolfs Hilfe angewiesen war, den Karren wieder aus dem Dreck zu kriegen.
- „So, dann wünsch' ich Ihnen gutes Eingewöhnen wieder zu Hause, seien Sie froh, daß Sie diese fleißige Magda bei sich wohnen haben, aber Sie sollten sie bei Gelegenheit einmal ummelden, geht ja alles per Internet heute.“
- „Ja, mach' ich, danke nochmals.“

Gangolf schnappte sich seine Reisetasche mit den wenigen Utensilien, die er aus der Untersuchungshaft zurückgenommen hatte, schlug die Tür des Polizeifahrzeugs zu und ging raschen Schrittes zu seinem Haus.

- „Magda“, rief Gangolf, als er das Haus betrat, „Magda, ich bin wieder da!“
Gangolf lauschte, doch es blieb still in dem Gebäude; er rief nochmals, lauter als zuvor. Nachdem es weiterhin still blieb, schaute Gangolf erst oben im Dachgeschoß nach, dann unten im Keller. Schließlich ging er noch in die Scheune, doch auch dort konnte er sie nicht finden, dafür standen einträchtig die Fahrräder und die Boote nebeneinander.

Gangolf fragte sich, ob sie bei dem Wetter unterwegs war, und er kam zu dem Schluß, daß nur Martina in Frage kam, welche Magda abgeholt hätte.

Nicht ganz ärgerfrei ging Gangolf in das Haus zurück, nahm den Hörer des Festnetztelephons aus der Ladeschale und wählte Martinas Nummer. Während des Rufaufbaus begab er sich in das Wohnzimmer und setzte sich auf das Sofa. Gerade als sich Martina mit ihrer hauchenden Stimme meldete,
- „Ja hallo“, gewahrte Gangolf auf der Tischplatte sein Smartphone. 'Habe ich das da liegen lassen?' wunderte er sich und noch verwunderter war er, als er sah, welche >App< auf dem Display aufleuchtete, als er dieses berührte. Gangolfs Gedanken wurden indes zerstreut, da Martina fragte, was der Grund seines Anrufes wäre.

- „Das kannst du dir doch denken und ich wollte nur fragen, ob sie wirklich bei dir ist, damit ich mir weiter keine Sorgen machen muß.“
- „Äh, was sagst du da alles, wer soll bei mir sein, Magda?“
- „Na klar, die wolltest du doch neulich schon mitnehmen.“
- „Nein, die ist nicht hier, und nachdem sie neulich eben nicht mit wollte, dann ist es eben so und jetzt laß' mich in Ruhe mit ihr!“
- „Aber wart', Martina, wo ist sie denn jetzt sonst?“
- „Das weiß ich doch nicht, war sie nicht dauernd bei dir?“
- „Ich bin gerade erst wieder aus dem Gefängnis entlassen worden.“
- „Was, du warst im Knast?“
- „Ja, und auch wegen deiner Aussage, daß du mich als Sexualverbrecher einstufst; ich weiß zwar nicht, wie du auf so eine Meinung von mir kommst, aber das hat genügt, daß ich verdächtigt wurde und es immer noch bin!“
- „Wirklich?“ hob Martina ehrlich erstaunt die Stimme, „das tut mir wirklich leid, ja, stimmt, in meinem ersten Ärger hab' ich den Polizisten da so `was gesagt, aber daß die das gleich so ernst nehmen, das hätte ich nicht gedacht. Soll ich gleich zu dir hinauskommen, ich darf ja fahren zum Glück, damit du jetzt nicht so allein da in der Bude sitzt?“
- „Nein, laß' nur, ich komm' schon zurecht, aber wenn bis später die Magda nicht wieder auftaucht, dann ruf' ich dich nochmal an, es kann ja nicht sein, daß sie vom Erdboden verschluckt worden ist.“
- „Ja, wer weiß, vielleicht doch“, antwortete Martina hellseherisch, „dann wünsch' ich dir Alles Gute zurück in deiner Freiheit.“

Gangolf war überrascht, wie angenehm man sich mit Martina unterhalten konnte; diese zwei Gesichter hatte er schon mehrfach an ihr erlebt, und er bereute es, daß er nicht gleich ihr Besuchsangebot angenommen hatte. Andererseits war er froh, seine Gedanken in aller Ruhe sortieren zu können; er war das Alleinsein durch seinen Gefängnisaufenthalt gewohnt, aber auch zuvor war er, von dem Urlaub abgesehen und den Tagen darnach mit Magda, stets allein.

Während er von den alten Zeiten zu träumen begann, wie schön es früher war, als er am Sonntag zu den Gottesdiensten die Orgel spielte, als er seinen Basteleien nachkam, sein Amateurfunk-Hobby betrieb, da gewahrte Gangolf ein seltsames Geräusch, das sich von dem Heulen des Windes deutlich abhob; ihm kam es vor, als ob sich ein Raubvogel mit schrillem Schrei auf eine Beute herabstieß oder umgekehrt, daß das Opfer einen Todesschrei ausstieß, als es erbeutet worden war. Doch da es darnach sofort wieder, bis auf das mehr oder weniger gleichförmige Heulen des Windes wieder ruhig geworden war, dachte sich Gangolf nichts weiter.

'Wie kann es sein, daß meine alte Handschellen-App aktiv ist?', überlegte Gangolf sich, als er nach einiger Zeit sein Smartphon in die Hand nahm und die Zeitschaltung deaktivierte. 'Wahrscheinlich hat die Magda damit herumgespielt, obwohl ich ihr sagte, daß ich damit noch nicht fertig bin', nahm er an und hoffte, daß sie sich nicht draußen irgendwo mit seinen ferngesteuerten Handschellen an einen Baum festgemacht hatte. Er kam indes nicht auf die Idee nachzusehen, ob die entsprechenden Handschellen noch unten im Keller am Haken hingen, viel zu abwegig hielt er diesen Gedankengang.

Von Unruhe getrieben, wo Magda so lange in der hereinbrechenden Nacht geblieben war, holte Gangolf eine starke Taschenlampe und umkreiste sein Anwesen. Glücklicherweise hatte der Regen nachgelassen, so daß er im Strahl der Lampe einigermaßen gut sehen konnte. Er leuchtete auch zu dem Brunnen; da er jedoch dort nicht die lange Aluminiumleiter liegen sah, diese auch nicht im Schacht stehend, sondern den Brunnen mit dem Deckel abgedeckt im Strahl der Lampe vorfand, schied für ihn der Brunnen als Aufenthaltsort aus.

Gangolf und Magda waren in einem Umstand vereint: Sie durchlebten, beide nur wenige Meter voneinander entfernt, jeweils eine sehr unruhige Nacht; während Gangolf immer wieder jäh durch einen schrillen Schrei aus Alpträumen gerissen wurde, kippte Magda mehrmals in kurze Ohnmachtszustände weg.















183. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 16.06.23 19:42

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In den ersten Tagen der Ausgangssperre freuten sich die Kinder aus dem Dorf, nicht mehr in die Schule gehen zu müssen, sie konnten ausschlafen; der allmorgendliche Streß, rechtzeitig die Abfahrt des Schulbusses zu erwischen, welcher dann über eine Stunde lang die Schüler durch die Gegend gondelte, bis er endlich die Schule in Lüggen erreicht hatte, ging in eine gewisse Lethargie über.

Erst mit Eintreten der Dämmerung erlaubten die Eltern von Max und Peter ihren Kindern, das Haus zu verlassen, um deren Bewegungsdrang freien Lauf zu lassen. So war es nicht verwunderlich, daß sich die beiden Nachbarskinder trotz des Regens auf die Fahrräder schwangen, um über den holprigen Feldweg zum zwei Kilometer entfernten Dahmisch-Kanal zu gelangen.

Seit Magda und Gangolf mit dem Brunnengraben begonnen hatten, besuchten die beiden die Baustelle fast jeden Tag, und auch darnach, als der Brunnen fertiggestellt gewesen war, kamen sie immer wieder her und spähten durch das Gebüsch, hinter dem der Brunnen verborgen lag.

- „Schau' `mal, da bewegt sich der Deckel“, rief Max aufgeregt und zeigte durch die Sträucher auf den Brunnen. Die beiden Buben stiegen von ihren Fahrrädern und spähten durch die Zweige, um das seltsame Schauspiel zu beobachten. Peter meinte:
- „Das funktioniert irgendwie von selber, wahrscheinlich so, wie ein Garagentor von selber zugeht.“

Die Jungen konnten in dem Dämmerlicht Magdas Fingerkuppen nicht erkennen. Als der Deckel fast vollständig auf dem Brunnenrand zu liegen gekommen war, bewegte er sich nicht mehr weiter und es schien, als ob ein kleiner Spalt offen bliebe. Max und Peter wandten sich wieder ihren Fahrrädern zu, als plötzlich ein gellender Schrei auf ihr jugendliches Gehör einschlug; erschrocken drehten sie sich wieder zu den Büschen und standen eine Weile regungslos vor Schreck da. Peter fing sich als erster und begann die lähmende Stille zu überwinden:
- „Was war das?“

Max zuckte mit den Schultern und meinte:
- „Keine Ahnung, klang wie wenn jemand sich ganz weh getan hat.“
- „Gehen wir doch `mal hin und schauen nach, was da los ist“, entgegnete Peter; Max nickte stumm, und so marschierten die beiden um die Hecke herum in die Einfahrt des Hofes. Als sie an den Brunnen kamen, hörten sie nichts weiter als das durch den Wind verursachte Blätterrauschen. Die Buben knieten am Rand des Brunnens nieder und lauschten mit angehaltenem Atem. Aus dem Schacht drang durch den Deckel ein seltsames gedämpftes Röhren herauf, dessen Tonhöhe mit zunehmender Windstärke höher wurde und entsprechend bei abflauendem Wind tiefer, bis hin zur Unhörbarkeit.

- „Das ist nur der Wind, der da unten irgendwie pfeift“, meinte Max, „komm', fahren wir noch ein bissel bis zum Kanal, bevor es ganz dunkel wird!“
- „Aber das war doch ein Mensch, der da ganz arg geschrien hat!“, entgegnete Peter.
- „Ich versteh' das auch nicht, aber jetzt ist da nichts mehr zu hören von einem.“

Die beiden Jungen liefen zu ihren Rädern und fuhren bis zu dem Kanal hinunter. Als es vollkommen dunkel geworden war, kehrten sie wieder um. Der Regen hatte zwar nachgelassen, doch wollten die beiden nicht länger auf dem glitschigen Weg weiterfahren. Als sie wieder auf der Höhe von Gangolfs Hof waren, sahen sie den Schein einer Lampe über die Fläche huschen; sie hielten an, um durch das Gebüsch zu beobachten, wie der Lichtkegel zu dem Brunnen wanderte, dort eine Weile verharrte, dann aber wieder in einem weiten Bogen wegschwenkte.

Peter sagte:
- „Hast du das gesehen, da suchte auch einer, was da in dem Brunnen los war, wahrscheinlich hat der auch den Schrei gehört.“
- „Kann schon sein“, meinte Max, „fahren wir weiter, scheint ja alles in Ordnung zu sein:“
- „Ich weiß nicht“, ließ sich Peter nicht beirren, „ich hörte noch nie so einen entsetzlichen Schrei, der kam eindeutig aus dem Brunnen da.“

Zuhause angekommen berichteten die Jungen ihren jeweiligen Eltern von ihrem Erlebnis. Beide Eltern versuchten zu beschwichtigen, einer der beiden Väter meinte, es könnte sich um ein quietschendes Geräusch handeln, das von der Mechanik erzeugt wurde, welche den Deckel verschließt. Er konnte sich zwar nicht vorstellen, was es da für eine Mechanik gäbe, die einen Brunnenschacht verschließt, doch war er froh, daß Peter anscheinend die Erklärung akzeptierte.

Magda konnte sich nicht erklären, was genau geschehen war. Nachdem sie aus der Ohnmacht erwacht war, begriff sie nur, daß sie irgendwie bei dem Stoß, den sie dem Deckel verabreicht hatte, damit dieser vollkommen auf dem Schachtrand zu liegen kam, von der Leiter abgestürzt war.

Je länger sie nachdachte, desto wacher wurden Magdas Erinnerungen an das Geschehen, das sich in Sekundenbruchteilen ereigneten. Instinktiv hatte sie versucht, sich mit den Armen links und rechts an der Schachtwand abzustützen; die in den Handschellen gefesselten Hände vereitelten den Reflex, die Wucht ihres fallenden Körpers zog die tieferliegenden Sprossen von den Zargen, da jene durch das unsachgemäße Nageln gespreißelt waren und dadurch keinen festen seitlichen Halt auf diesen gewährleisteten.

Von den Handgelenken spürte Magda Blut rinnen, zudem schmerzten diese sehr, aber auch die Fingerknöchel meldeten sich mit spitzen Schmerzwellen, sobald sie versuchte, die Finger etwas zu bewegen. Einzig die Handschellen selber schienen nicht in Mitleidenschaft geraten zu sein; unter starken Schmerzen führte sie die gefesselten Hände an ihr Gesicht, mit dem Lippen betastete sie das Kunststoffkästchen, in welchem sich die Empfangselektronik befand, es schien Heil geblieben zu sein.
- „Jetzt kann ich nur abwarten, bis die drei Stunden endlich `rum sind“, sagte sie sich, um dann mit den befreiten Händen irgendwie hoch zu kommen.“

Nach einer Weile beschloß Magda, sich aufzurichten, um eine andere Körperpostion einzunehmen. Sie spürte ihre Beine nicht, anscheinend sind sie durch den Sturz blutleer und in der Folge taub geworden. Sie taste nach der Leiter, fand indes nur noch lose an einer Seite hängende Sprossen, an denen sie sich nicht mehr in die Höhe ziehen konnte.

- „So ein Mist“, fluchte sie, „warum mußte ich auch den blöden Deckel zu machen.“
Bei dem Versuch, die Beine zu bewegen, um aus der Hocke zu gelangen, in welche sie nach dem Sturz niedergegangen war, durchzuckte ein höllischer Schmerz ihren gesamten Körper, der Magda kurz vor eine erneute Ohnmacht brachte. Magda wurde klar, daß sie sich die Beine zumindest angeknackst, wenn nicht gar gebrochen hatte. Sie konnte nicht ausmachen, ob der Schmerz von den Knöcheln herrührte, von den Knien oder von den Oberschenkeln, es war ein gleißendes Höllenfeuer, das aufloderte bei dem Versuch, die Beine zu bewegen.

Die Tränen kullerten Magda über die Wangen, sie kehrte in die kauernde Stellung zurück, es dauerte viele Minuten, bis der Schmerz allmählich wieder etwas nachließ. Sie schickte Stoßgebete zum Himmel, sie rief nach Martina:
- „Herrin, meine Herrin, hol' mich hier `raus, ich tue alles, was du verlangst von mir, ich dulde alle Schmerzen, die du mir zufügen willst, aber bitte, bitte befreie mich von diesen Schmerzen da, ich halte es nicht mehr aus, bitte, bitte komm', komm' schnell, komm' jetzt, wo bleibst du denn!“

Magda setzte ihre ganze Hoffnung in die Handschellen. Wenn diese ihre Hände wieder freigegeben haben würden, sagte sie sich, würde sie versuchen, mit den Stangen der zusammengebrochenen Leiter nach oben zu stechen, um den Deckel vom Brunnenschacht zu stoßen. Alsdann würde sie laut um Hilfe rufen. Ihr kamen die Kinder in den Sinn, die trotz der Ausgangssperre am Abend mit ihren Fahrrädern vorbei gekommen waren. Sie würde diese hören und dann laut um Hilfe rufen.
- „Ja, das wird klappen“, sagte sie sich wieder, es war der Strohhalm, an den sie sich klammerte.

Es war kein richtiger Dämmerschlaf, eher ein Dahindösen, in welches Magda nach einer gefühlten Ewigkeit verfiel, ihre Atmung ging flach, der Herzschlag war unvermindert hoch, der Blutdruck sackte ab. Alles deutete auf einen Schockzustand hin, der sie in einen Dämmerzustand versetzte. Immer wenn sie zu wachen Momenten zurückkehrte, rüttelte sie an den Handgelenken in der Hoffnung, daß die Handschellen sich öffnen ließen, doch mit jedem Versuch wurde ihre Enttäuschung größer.

- „Das gibt’s doch nicht“, schrie sie ihren Schmerz aus dem Leib“, die verdammten drei Stunden müssen doch längst herum sein, nein, nein, Herr im Himmel, hilf, hilf, ich gelobe, nie wieder so einen Scheiß zu machen, alles bloß wegen der blöden Lust!“

Kein Beten half und kein Weinen, Magda fiel es immer schwerer, klare Gedanken zu fassen, das letzte, was sie begriff, war die Tatsache, daß die ferngesteuerten Handschellen nicht funktionierten. Am Rande des Wahnsinns bewegungslos in der vollkommenen Dunkelheit in dem engen Brunnenschacht zu kauern, gewahrte sie nach Stunden der Verzweiflung das Zwitschern der Vögel. 'Anscheinend beginnt der Morgen', überlegte sie und lauschte unter Tränen dem Morgengesang der Vögelein.

Am nächsten Abend radelten Peter und Max wieder zum Kanal; sie stiegen an der Einfahrt zu Gangolfs Hof ab und liefen zum Brunnen. An diesem Abend war die Luft vollkommen windstill, vereinzelt kämpften sich die ersten Sternlein durch die immer schwärzer werdende Abenddämmerung. Die beiden Buben lauschten an dem Brunnen und prompt vernahmen sie nach einer Weile stöhnende Geräusche.

- „Hörst du das?“, fragte Max seinen Freund.
- „Ja, da war was, das kam aus dem Brunnen.“
- „So ein komisches Stöhnen, sollen wir den Deckel weg ziehen?“
- „Nein, laß' `mal, vielleicht ist da ein wildes Tier d'rinn oder Ratten, die kämen dann heraufgesprungen und beißen!“
- „Wir könnten aber doch wenigstens klopfen.“
- „Ja, dann mach das doch.“

Max ging in die Hocke und klopfte zaghaft auf den Deckel. Es blieb still. Daraufhin beugte sich auch Peter hinunter und klopfte lauter auf das Holz. Es regte sich wieder nichts.
- „Komisch, na ja, vielleicht täuschen wir uns, aber gestern, das war ganz bestimmt ein Mensch.“
- „Ja, der Schrei war superlaut, so hörte ich noch nie jemanden schreien. Mein Vater meinte, irgend eine Mechanik macht da so ein Geräusch beim Zuschließen von dem Deckel, aber ich glaub', er hat das nur so gesagt, weil er das auch nicht weiß.“

Als sich die Buben wieder erhoben und sich zum Gehen anschickten, vernahmen sie wieder ein Geräusch aus dem Brunnen. Sie blieben daraufhin noch eine Weile am Brunnen stehen, nachdem es indes wieder vollkommen still geworden war, liefen sie zu ihren Rädern zurück.

- „Na, habt ihr wieder einen Schrei aus dem Brunnen gehört?“, fragte Peters Mutter, als dieser wieder nach Hause zurückgekehrt war.
- „Es war kein Schrei heute, aber so ein Stöhnen, das war ein Mensch, der da im Brunnen ist, wirklich!“, ereiferte sich Peter.
- „Ach, weißt du, da draußen in der einsamen Wildnis gibt es allerlei Geräusche“, versuchte Peters Vater die Aufregung seinen Sohnes zu dämpfen.
- „Nein, das war ein Mensch, ganz sicher, Max hat das auch gehört!“, rief Peter aufgeregt.
Sein Vater entgegnete:
- „Weißt du was, morgen Abend gehen wir gemeinsam dort hin, dann zeigt ihr mir `mal diesen Brunnen und dann schauen wir auch hinein, heute ist es schon zu spät, ich möcht' jetzt ein bißchen noch meine Ruhe haben, aber morgen, sobald es dämmerig wird, gehen wir da hin, versprochen!“

Peters Vater hoffte, auf diese Weise den Kindern die Ängste zu nehmen, zudem interessierte es ihn selber, diesen Brunnen erstmals zu sehen. Er erinnerte sich an den Lastwagen, die mit den Brunnenringen durch die Siedlung gefahren war.

Magda nahm ein paar Schlucke von dem Brunnenwasser, sie konnte nicht Tag und Nacht unterscheiden, sie hoffte, wieder das morgendliche Vogelgezwitscher zu vernehmen, um damit eine Uhr zu haben, die ihr zu verstehen geben würde, daß sie wieder eine Nacht verbracht hatte, in unendlicher Dunkelheit, unendlichem Schmerz.

Irgendwann würde auch ihre Hoffnung sterben, das wußte sie, doch noch lebte diese Hoffnung auf Erlösung in ihr.

Auch Gangolf hatte eine weitere unruhige Nacht vor sich, zwar nicht mit physischen Schmerzen, dafür mit psychischen.

184. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von modex am 18.06.23 22:27

Die Jugend von heute hat eben keinen Mut mehr. Und deren Helikoptereltern schon gar nicht...
185. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 21.06.23 13:59

Dank Internet gelang es mir problemlos zu erkunden, was unter dem Begriff der "Helikoptereltern" zu verstehen sei; beschämt muß ich eingestehen, daß ich mit zunehmenden Alter immer häufiger anscheinend heute vollkommen gebräuchliche Ausdrücke höre oder lese, unter denen ich mir nichts vorstellen kann.
Deine Einschätzung, lieber Modex, was die Kinder und Eltern anbetrifft, finde ich interessant, daran habe ich beim Schreiben gar nicht gedacht; es kommt auf jeden einzelnen Leser darauf an, in welchem Alter er diese sehen möchte und damit einhergehend mit deren Verhalten.
Wichtig ist mir, daß sie mit keinerlei SM-Praktiken und sonstigen absonderlichen Vorstellungen aus der Erwachsenenwelt konfrontiert werden, alle diese Phantasien müssen uns Erwachsenen vorbehalten bleiben.
186. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von modex am 21.06.23 22:42

Lieber Magnus, wie so oft stimme ich Dir vollkommen zu. Wobei die Curling-Eltern wohl die Helikopter-Eltern abgelöst haben. Und das ganz unabhängig vom Alter...kenne genug Dreißigjährige, die sich immer noch von den eigenen Eltern die Wäsche machen lassen. Welcher Student kann heute noch bügeln? Und wer weiß noch, wie man einen Brunnen baut?
187. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 23.06.23 20:48

111

Wieder ist Gangolf in der Nacht mehrmals von dem Schrei verfolgt worden, den Schrei, welchen er bei rationalem Denken eindeutig einem verfolgten Tier in dem nahen Wald zuordnete. Und dennoch ließ ihn dieses Geräusch nicht los, er konnte sich das nicht erklären. Er stand früh am Morgen auf, nahm ein spärliches Frühstück zu sich und beschloß, ungeachtet der geltenden Ausgangssperre sich auf das Fahrrad zu setzen und alle Wald- und Wiesenwege der Umgebung abzufahren.

Als Gangolf sein geliebtes Dreigang-Rad nach langer Zeit erstmals wieder aus der Scheune holte, mußte er dieses erst einmal gründlich abstauben. Anschließend pumpte er die Reifen auf, er war erstaunt, wie viel Luft seit seiner letzten Fahrt entwichen war. Er konnte sich gar nicht mehr richtig erinnern, wie lange seine letzte Fahrradfahrt zurücklag; mit Wehmut erinnerte er sich an die riesigen Fahrradtouren, die er mit diesem einfachen Dreigangrad durchgeführt hatte; er war damit in Wien und Paris, in Hamburg und Rom.
(Anm.: Das ist tatsächlich möglich!)

Als er sich sein erstes Motorrad gekauft hatte, unternahm Gangolf zum Abschied ein letztes Mal eine große Fahrradtour; in nur zwei Tagen erreichte er den Bodensee, an einem weiteren umrundete er diesen und besuchte in Vorarlberg einen Freund, den er einige Jahre zuvor bei einem Arbeitseinsatz kennengelernt hatte.

- „Und jetzt schleich' ich auf sumpfigen Waldwegen damit herum, um eine Frau zu finden, von der ich nicht einmal weiß, wie lange sie schon vermißt wird“, brummelte Gangolf vor sich hin. Seine Hoffnung war, daß es für ihr Verschwinden eine ganz einfache Begründung geben könnte; schließlich war Magda, so lange er sie kannte, eine etwas eigenwillige Person, die in vielen Dingen unberechenbar war. Gangolf fuhr den Weg hinunter zu dem Kanal und folgte diesem dann nordwestwärts, bis der Wald endete. Ständig spähte er links und rechts des Weges, ob er irgend ein Lebenszeichen von Magda entdecken würde. Auf dem freien Feld beschleunigte er seine Fahrt, denn hier konnte er problemlos große Flächen überblicken. Er überquerte den Kanal an der Schleuse und radelte auf der anderen Seite zurück. Bald gelangte er wieder in den Bruchwald, doch auch hier konnte er keine Auffälligkeiten entdecken.

- „Was habe ich auch erwartet“, sagte Gangolf sich selber, „daß die Magda einfach da irgendwo auf dem Waldboden sitzt und den Vöglein beim Zwitschern zuhört?“ Freilich wäre ihm das die angenehmste Variante gewesen, an die schlimmste wollte er gar nicht denken. Als er an dem See herausgekommen war, blieb er eine Weile stehen und blickte auf die Insel hinüber, auf >seine Insel<, die ihm so viel Ungemach eingebracht hatte.

'Und dabei fing alles so romantisch an', sinnierte Gangolf, 'das Geld, das ich dort in der Kiste verstaut hab', wie im Roman, eine richtige Schatzinsel, und jetzt so `was, beschuldigt einer Vergewaltigung, die ich dort begangen haben sollte.' Mit wehmütigen Gedanken kehrte er zu seinem Fahrrad zurück, das er auf dem Weg zurückgelassen hatte.

'Eigentlich hat alles mit dem Motorradfahren angefangen, das ganze Unglück', überlegte er, 'wäre ich meinem Fahrrad treu geblieben, wäre alles nicht passiert; aber nein, die Lust war stärker, und so nahm im Frühjahr alles seinen Lauf: Zuerst die wahnsinnige Martina, die >wilde Fegerin<, wie sie in der Annonce sich selbst bezeichnete, dann ihre ergebene, geradezu hörige Magda, die jetzt spurlos verschwunden ist.'

Mißgelaunt fuhr Gangolf einige Seitenwege entlang, aber auch hier konnte er, wie er erwartet hatte, nichts Ungewöhnliches entdecken. Er überlegte, ob er noch bis Holzbuch weiter fahren sollte, in diese Kleinstadt, in welche Magda so gerne geradelt war, verwarf den Gedanken indes wieder, nicht zuletzt wegen der Ausgangssperre. Er wollte sich nicht schon wieder in die Schußlinie polizeilicher Maßnahmen bringen. Jäh fiel ihm ein, daß er sich spätestens am nächsten Tag bei der Polizei melden mußte.

- „So ein Mist“, schimpfte Gangolf, „wieso bezichtigt mich dieses Weib, dabei hab' ich sie aus ihrem blöden Keuschheitsgürtel befreit; Undank ist der Welten Lohn!“
Zuhause angekommen machte sich Gangolf erst einmal ein Bier auf, fläzte sich auf das Sofa und versuchte, seine Gedanken zu sortieren. Er überlegte sich, daß Magda einen Zettel hinterlassen hätte, wenn Sie für längere Zeit von dem Haus weggegangen wäre. Sie mußte gegangen sein, denn ihr Fahrrad stand im Schuppen, die Boote sowieso, Martina hatte sie nicht abgeholt.

Gangolf kam immer näher der Überzeugung, daß Magda einen Unfall erlitten hatte. 'Vielleicht lief sie querfeldein durch das Gebüsch, strauchelte, prellte sich, daß sie kaum mehr Luft bekam, erst Stunden später wird sie von Leuten, die verbotenerweise spazieren gingen, gefunden und in ein Krankenhaus gebracht. Und ich Depp such' mich da ab, vielleicht sollte ich doch die Polizei anrufen, sollen die doch nach ihr suchen, sie steht ja ohnehin unter Überwachung.'

Bei dem Gedanken an Magdas elektronischer Fußfessel wurde Gangolf unsicher.
- „Die sind ja auch nicht blöd“, sagte er sich, „auf der einen Seite funkt der Sender ständig das Signal aus ihrer Wohnung in Lüggen, auf der anderen Seite melde ich sie als vermißt, nein, das geht also gar nicht.“

Gangolf erinnerte sich an die Begebenheit in Laukuv, wo er des Einbruchs in die Kellerräume des Wohnhauses bezichtigt wurde. Dort hatte sich Magda von Martina in eine Kartoffelkiste sperren lassen, aus welcher jene sich indes befreien konnte.
- "Was für verrückte Weiber“, brummte Gangolf kopfschüttelnd vor sich hin, „wo wird das noch alles hinführen.“ Der Gedanke an die Kartoffelkiste veranlaßte Gangolf, nochmals ganz genau sein Haus abzusuchen, er nahm sich vor, dreimal in jeden Winkel nachzuschauen, ob sie sich nicht doch irgendwo versteckt hatte. Mit Grausen bedachte er, wenn er sie tatsächlich fände, in welchem Zustand würde sie sich befinden, er wollte es sich gar nicht ausmalen.

Dann fiel Gangolf die aktivierte >Cuff-App< auf seinem Smartphone ein; er hatte sich noch nicht einmal vergewissert, ob seine umgebauten Handschellen mit der Fernsteuer-Elektonik noch an dem Haken hingen, an dem er sie vor Monaten aufgehängt hatte, als er das >Projekt< zurückgestellt und damit so gut wie aufgegeben hatte.
Schnell trank er sein Bier aus und eilte in den Keller; wie zur Salzsäule erstarrt verharrte er regungslos vor dem leeren Haken, der sich seines unbeschwerten Daseins erfreute.
- „Also doch“, stieß er hervor, „sie hat es also doch getan.“

Gangolf drehte jedes Brett um, das irgendwo an einer Wand gelehnt war, jede Blechplatte, jede Pappschachtel; selbst Gegenstände, die ganz offensichtlich viel zu klein waren, nahm er in die Hand und zog sie zur Seite, um hinter diesen einen Blick zu werfen: Eimer, Taschen, Putzlappen. Nach einer Weile schalt er sich selber: - -
- „Mann, du suchst hier nicht nach einem Schlüssel, sondern nach einem ein Meter sechzig großen Menschen!“
Er verließ die Lager- und Werkstatträume und ging in den Waschraum. Auch hier lugte er in Winkel, die vollkommen ausgeschlossen waren als Aufenthaltsort für einen erwachsenen Menschen, dennoch ließ es sich Gangolf nicht nehmen, hinter die Waschmaschine zu sehen. Bei dieser Gelegenheit schweifte sein Blick über den Haken in der Kellerdecke, an welchen er seine Neoprenanzüge aufzuhängen pflegte.

'Sollte sie gar', kam es Gangolf in den Sinn, doch er wagte es nicht, seinen Gedanken zu Ende zu bringen. Dann verwarf er seine Vorstellung; es konnte ja nicht sein, daß sie beide Anzüge zugleich angezogen hätte. Ihm fiel ein, daß Magdas spärliches, verschlissenes Gewand ganz gegen ihre sonst an den Tag gelegte Sorgfalt wahllos zerstreut auf dem Sofa gelegen hatte, als er nach seiner Rückkehr aus Kaiserswuselhausen erstmals wieder in das Wohnzimmer hineingegangen war.

Als Gangolf mit der Hausdurchsuchung durch war, wurde er schließlich in der Scheune fündig, allerdings nur, was die Neoprenanzüge betrifft: Seinen >Shorty< fand er da hängen; er konnte sich indes nicht erinnern, diesen jemals dort aufgehängt zu haben, von seinem >Long John< fehlte weiterhin jede Spur. Mißmutig kämpfte sich Gangolf weiter in das Innere der Scheune; im hinteren Teil lag alles voll Gerümpel und es rächte sich jetzt, daß er damals, als er das Anwesen erwarb, alles unbrauchbare Zeug einfach dort hingeworfen hatte.

Gangolf beschloß, die Gelegenheit zu nutzen, da er schon dabei war, und alles auf den Hof hinauszuschaffen, um auf diese Weise wenigstens einen Überblick zu erhalten, was er da alles gehortet hatte.
Es half alles nichts, er konnte den Heiligen Antonius anrufen, wie er wollte, Magda und Long John blieben verschwunden. Für Gangolf stand fest, daß sich Magda in seinem langärmlichen Neoprenanzug, bestehend aus Hose und Kapuzenjacke, davongemacht hat, dazu ihre neuen Trekkingstiefel an den Füßen und seine ferngesteuerten Handschellen um die Handgelenke.

Mit Schaudern dachte Gangolf daran, daß er nach seiner Rückkehr aus Kaiserswuselhausen arglos die >App< auf seinem Smartphone deaktivierte; normalerweise sollten die Handschellen in solch einem Fall sofort aufgehen, aber das waren die Dinge, die er noch nicht hinreichend ausprobiert hatte. Er machte sich Vorwürfe, daß Magda auf diese Weise wahrscheinlich in eine lebensbedrohliche Situation geraten war.

- „Sie wäre längst zurück“, rief er in zunehmender Panik, „damals trieb ich die beiden Bankräuber in den Tod, als ich sie verfolgte, und jetzt auch noch Magda; nein, o Himmel, das wollte ich doch nicht, nein, niemals!“
Gangolf lief auf und ab, er lief im Kreis, setzte sich, sprang wieder auf, es half nichts, die Panik überwältigte ihn, 'ein drittes Menschenleben, das halte ich nicht mehr aus, o Herr im Himmel hilf!'

Als er sich nach einigen Minuten wieder etwas beruhigt hatte, beschloß Gangolf, nochmals an das Seeufer hinunter zu gehen, um nachzusehen, ob irgendwo abgeknicktes Schilfrohr Zeugnis geben würde. Wenn er schon nicht mehr helfen konnte, so wollte er doch wenigstens Gewißheit erlangen, wo Magda das Ufer verlassen hatte und in den See hinausgewandelt war.

Nachdem er mit jedem einzelnen Schilfrohr Zwiesprache gehalten hatte, ließ sich Gangolf resigniert in das Gras am Uferabhang fallen; er betrachtete das Glitzern der Wasseroberfläche, das durch den reflektierten Strahl der im Westen stehenden Sonne hervorgerufen wurde, im Süden brauten sich gewaltige dunkle Gewitterwolken zusammen. Gangolf bildete sich ein, darin das Alpenpanorama zu erkennen, vor ihm der Vierwaldstädter See.
Unwillkürlich kam ihm Schillers >Wilhelm Tell< in den Sinn:

> Es lächelt der See, er ladet zum Bade,
Der Knabe schlief ein am grünen Gestade,
Da hört er ein Klingen, wie Flöten so süß,
Wie Stimmen der Engel im Paradies.
Und wie er erwachet in seliger Lust,
Da spülen die Wasser ihm um die Brust,
Und es ruft aus den Tiefen: Lieb Knabe, bist mein!
Ich locke den Schläfer, Ich zieh ihn herein.<

Überwältigt von dem vor ihm liegenden Naturschauspiel dachte Gangolf nicht mehr an das ihn sonst so bewegende Lied vom Lindenbaum, welches mit seinem dramatischen Imperativ nicht unbedingt Aussicht auf das Paradies bietet:
>... du fändest Ruhe dort!<
















188. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 30.06.23 20:42

112


- „Guck `mal, wat für `n Sauwetter da `runterkommt!“, brummte Peters Vater und zeigte aus dem Fenster; seine Frau folgte mit ihrem Blick dem Finger ihres Mannes und kommentierte dessen Feststellung:
- „Die Herbststürme werden immer heftiger, wie war das vor zehn Jahren noch ruhig hier heraußen! Aber du mußt mit Peter heute Abend da hinausgehen zu dem Aussiedler, das hattest du versprochen unserem Jungen, der wird sonst noch janz verrückt mit dem Brunnen.“

Wieder Erwarten verzog sich im Lauf des Nachmittags das Herbstgewitter, so daß mit Beginn der Dämmerung Peters Vater nach seinem Sohn rief, ob dieser tatsächlich noch Lust hätte, zu dem Hof des >Fremden< hinauszugehen. Vater und Sohn zogen sich an und verließen das Haus. Peter klingelte an der Tür des Nachbarhauses, doch Max hatte keine Lust, mitzukommen.

Max war mitten in der Pubertät, für ihn wäre es ganz undenkbar gewesen, mit dem eigenen Vater irgendwo hin zu gehen.
- „Ach, mach' schon“, drängte Peter ihn erfolglos. Somit zog Peter allein mit seinem Vater los. Schweigend schritten sie die Straße entlang zum Ende der Siedlung, von wo ab der Feldweg weiterführte, zunächst nach Süden, nach einigen hundert Meter fast im rechten Winkel westwärts. Es war die Stelle, wo Polizeiobermeister Müller die Kontrolle über den Streifenwagen verloren hatte, und er diesen in den schlammigen Wegrand setzte.

Peters Vater erinnerte sich daran, er erzählte seinem Sohn, daß neulich ein Polizist und eine Polizistin da waren und sich nach dem Haus des >Fremden<, wie die Dorfbewohner Gangolf nannten, suchten. Die Begebenheit hat sich sofort in der Siedlung herumgesprochen, es war ein willkommenes Gesprächsthema in dem sonst so beschaulichen Dörflein.

Alsbald schritten die beiden wieder still nebeneinander her, stets bedacht, nicht in eine der zahlreichen Pfützen zu steigen, die sich in den tiefen Schlaglöchern auf dem Weg gebildet hatten. Plötzlich hörten sie Laufschritte hinter sich, Peter drehte sich um und erkannte Max. Dieser hatte es sich anders überlegt; die Neugierde siegte über seinen Abgrenzungsdrang.

- „Na, hast `te es dir doch noch anders überlegt“, kommentierte Peters Vater das unvermutete Auftauchen des Nachbarjungen. Peter war sehr froh darüber, denn nun mußte er nicht mehr neben seinem Vater einhergehen, sondern konnte mit Max einige Meter vor diesem voranschreiten.

Als die Dreiergruppe zu Gangolfs Hof gekommen war, sahen sie fast nichts mehr; die beiden Buben zogen ihre Smartphones hervor und schalteten immer wieder das LED-Licht ein, um den Weg zu dem Brunnen zu finden.
- „Hier ist er“, verkündete Max und fuchtelte mit der elektronischen Lampe in seiner Hand herum.

- „So, dann woll'n wir `mal“, verkündete Peters Vater, zog die Ärmel seiner Jacke auf die Ellenbogen zurück, ging in die Hocke und schob den Brunnendeckel beiseite. Max leuchtete in den Schacht.

- „Paß' bloß auf, daß `te nich' `rinfällst“, mahnte Peters Vater ihn und warf selber einen Blick in den dunklen Schlund.
- „Da ist nichts weiter als zwei so Holzstangen da“, fuhr er fort, „war wohl `mal `ne Leiter, ja, guckt, da sin' die Sprossen alle wechgebrochen!“
Er nahm eine der beiden Latten, hob sie etwas an und begann, im Brunnenschacht damit herumzustochern. Nun hielt auch Peter sein Smartphone in die Dunkelheit, im schwachen Strahl vermeinten alle drei einen undefinierbaren Gegenstand auf der Sohle des Brunnens auszumachen.

- „Is' irgend so een Schaumstoff, wa“, meinte der Vater, „oder `n Sack, is' wohl wat d'rin, hat der Fremdling eenfach in`Brunn' jeworfen, also da is' nischt wehter!“

Peter ließ sich nicht so leicht abwimmeln:
- „Aber da war wirklich so ein fürchterlicher Schrei, hörte sich ganz schlimm an.“

Sein Vater zuckte mit den Schultern und meinte kurz:
- „Wer weeß“. Er schickte sich an, den Deckel wieder über den Brunnenrand zu schieben.
Nun mischte sich Max ein:
- „Und wie soll sich der Deckel von allein zugeschoben haben, guck, da is' kein Motor oder so was dran, is' bloß so eine einfache Holzscheibe.“
- „Und die soll sich eenfach so von Jeisterhand zujezochen haben?“
- „Ja“, riefen die beiden Buben gleichzeitig, und Peter fuhr fort:
- „Und dann war der laute Schrei.“
- „Ja wirklich komisch“, entgegnete sein Vater und schob mit einem Ruck den Deckel wieder über den Schacht.
- „Nicht daß noch jemand hineinfällt“, kommentierte er sein Tun, erhob sich mit einem vernehmlichen Stöhnen aus der Hocke und strich die Hände aneinander, um einen tatsächlichen oder vermeintlichen Schmutz von der Haut zu reiben.

Für Max und Peter verlief die Aktion unbefriedigend, das Rätsel des sich selbständig verschließenden Deckels blieb völlig ungelöst, die Urheberschaft des darnach erfolgten Schreis ebenso. Nur für Peters Vater war die Sache nun endgültig geklärt, er stellte klar:
- „Also das war's denn, jetzt habt ihr jesehen, daß da nischt is', da hat halt `n Vogel gekrächzt oder sonst `n Vieh, die Wildschweine quieken auch so, wenn `se mitten in der Nacht herumstreunen!“
- „Aber Papa“, widersprach Peter, „das war nicht mitten in der Nacht, sondern am Abend, noch bevor es dunkel wurde.“
- „Schluß jetzt“, herrschte ihn sein Vater an, „Wat soll ich denn noch tun, wir haben in den Brunn` jeguckt, da war niemand, und Ende.“

Schweigend machten sich die drei auf den Rückweg, die beiden Jungen leuchteten mit ihren Geräten, der Vater fluchte immer wieder, wenn er auf dem mittlerweile stockfinsteren Weg in eine Pfütze gestiegen war.

Gangolf zechte den ganzen Abend und die halbe Nacht, Flasche um Flasche wurde geleert, zuletzt auch noch eine halbe Flasche Weißwein. Er versuchte den Gedanken herunterzuspülen, daß man Magda irgendwann finden würde mit gefesselten Händen; Brause würde sofort ihn verdächtigen, wenn er die elektronischen Manipulationen an den Schellen unter die Lupe nehmen würde.

Gangolf zappte durch alle Fernsehprogramme, konsumierte zahllose Filme auf >Youtube<, versuchte sich nach Kräften abzulenken. Gegen drei Uhr in der Nacht fiel er endlich in einen einigermaßen festen Schlaf; als er erwachte, stand die Sonne bereits hoch am Himmel. Er machte sich einen Kaffee, zum Frühstücken verspürte er keine Lust, das Saufgelage bis spät in die Nacht stieß ihn sauer auf. Er griff zum Telephonhörer und wählte Martinas Nummer.

- „Hallo Süßer“, meldete sich diese, „wie geht`s dir?“
- „Beschissen“, antwortete Gangolf, „sie ist weg.“
- „Wie weg, meinst du Magda?“
- „Ja freilich, sie ist einfach weg.“
- „Und du hast wirklich überall schon nach ihr gesucht?“
- „Klar, gestern den ganzen Tag, ich weiß nicht mehr, was ich machen soll.“
- „Ich mach' dir `n Vorschlag, ich komm' gleich `mal zu dir gefahren, dann besprechen wir alles in Ruhe, hast `te überhaupt schon was gefrühstückt, ich bring' einfach was mit, ich darf ja hinaus, zum Glück.“
- „Ja das wäre fein, wenn du was Frisches mitbringen würdest.“
- „Ja klar, tschüßi, bis später.“

'Martinas zweites Gesicht', überlegte sich Gangolf, 'nicht zu glauben, daß sie eine ganz sadistische Hexe sein kann.' Er wandte sich in's Bad, um sich frisch zu machen und wartete anschließend sehnsüchtig auf Martina. Seine Psyche befand sich auf dem Nullpunkt, und wenn der Teufel in Person gekommen wäre, er hätte diesen hereingebeten, um nur überhaupt ein wie auch immer geartetes Wesen in seiner Nähe zu wissen.

Inge wandte sich in ihren Fesseln, mit denen sie an das Bett der Spezialklinik fixiert worden war. Sie weigerte sich standhaft, zu ihrem Schutz sich einen Keuschheitsgürtel anlegen zu lassen. Immer wieder rechnete sie nach, wie lange sie noch die Tortur durchstehen müßte. Sie überlegte sich, daß sie sich wahrscheinlich bei der sogenannten Notfallübung angesteckt hatte, als alle Teilnehmerinnen von den Gesundheitsämtern sich an ihr übten, den Keuschheitsgürtel anzulegen. Anschließend dauerte es noch eine geraume Zeit, bis das Virus in ihrem Körper ausgebrochen war. Sie erinnerte sich an die peinliche Situation, als sie ihr Luxus-Sportauto ihrer Kollegin Barbara vorführen wollte und diese sie anherrschte, sich nicht dauernd an den Schritt zu fassen.

- „Warum hab' ich mich dafür hergegeben, als Versuchskaninchen zu dienen“, verfluchte sich Inge, „warum war ich so blöd und hab' dann anschließend noch freiwillig diesen verdammten Gürtel getragen, warum war ich so geil, daß ich sogar den Schlüssel auf die blöde Insel gebracht habe, überhaupt dort das blöde Geld genommen, ach, alles ist so blöd gelaufen.“

Immerhin gelang es ihr problemlos, ihre Schuldgefühle zu unterdrücken, die sie gegenüber Gangolf entwickelt hatte, als sie von dessen Verhaftung erfuhr. Sie verfluchte sich zwar auch dafür, daß sie diese Verleumdung vollbracht hatte, daß sie ihn der Vergewaltigung bezichtigt und ihn anzeigt hatte, doch sie kam gut darüber hinweg. Sie hatte augenblicklich andere Sorgen.

Das Bundeskabinett beschloß, neben den bereits georderten chinesischen Gasmasken auch die Keuschheitsgürtel aus China zu beziehen. Die europäischen Hersteller konnten oder wollten nicht ihre Produktionskapazitäten kurzfristig ausbauen, um zu einer fabrikmäßigen Serienfertigung zu gelangen. Sie fürchteten, daß in wenigen Wochen der staatliche Nachfrage-Boom zu Ende sein würde und die aus dem Boden gestampften Fertigungslinien verschrottet werden müßten.

- „Wozu der ganze Aufwand?“, verlautete es von Mysteel und Neosteel gleichermaßen; beide Manufakturen verblieben bei ihrer bewährten handgefertigten Produktionsweise. Zwar wurde von den chinesischen Massenmodellen ruchbar, daß der verwendete Edelstahl nicht ausreichend edel wäre und insbesondere durch Einwirkung von Urin und Kot Korrosionserscheinungen aufträten, doch stuften die Experten in der Kabinettsrunde die Unterbindung des Geschlechtsverkehrs als wichtigste Maßnahme neben der Abschottung der Aerosole vermittelst der Gasmasken ein, um die Ansteckungsgefahr mit dem sogenannten Condoma-Virus zu vermeiden; zu erwartende Kollateralschäden an den ohnehin überreizten Geschlechtsorganen der infizierten Personen wurden zwar mit Bedauern, aber doch bewußt in Kauf genommen.

Ein nämliches galt für die in rauhen Mengen importierten Gasmasken; das Material des Maskenkörpers führte bei längerem Tragen zu Rötungen der Haut, die sich in Einzelfällen bis zu einem schmerzhaften Juckreiz ausweiteten.
Die Regierungsmitglieder hatten sich beizeiten hochwertige Masken aus deutscher Produktion gesichert, auch konnten sich die meisten Behörden reichlich mit Masken eindecken, so daß deren Angehörige gleichfalls mit gutem Material ausgestattet waren.

Magda wurde ein letztes Mal in das irdische Bewußtsein zurückgezogen, als sie in ihrem Trance-Zustand Stimmen vernahm. Plötzlich flammte ein gleißendes Licht vor ihren Augen auf, die Wasserfläche des Brunnenwassers, über welche sie seit Tagen steif darniedergebeugt verharrte, erstrahlte zu einem blendenden Leuchten, dann verspürte sie auf ihrem Hinterkopf ein Anstupsen als letztes Zeichen, sich von allem Irdischen zu lösen und dem aufflammenden Licht in eine neue Welt zu folgen.

189. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 07.07.23 21:05

113

- „Hey Gäng, da hast du ja mächtig ausgemistet“, begrüßte Martina Gangolf, als sie den großen Haufen mit dem Gerümpel auf dem Hof gewahrte; mit einem bezaubernden Lächeln schwang sie sich aus dem Lada.
- „Ich hab' gleich die Gelegenheit ergriffen“, erläuterte Gangolf, „wenn ich schon alles absuchen mußte, hab' ich gleich das ganze Gerümpel hinausgeworfen, das wahrscheinlich schon seit Generationen da in dem Schuppen lag.“

Als Martina die Semmeln aus der Papiertüte holte, füllte sich Gangolfs Küche mit dem Duft des frisch gebackenen Teigs. Seine Stimmung hob sich von Minute zu Minute, Martina erwies sich zu einer bemerkenswerten Gesprächspartnerin. Diese sprach entgegen ihres sonst an den Tag gelegten dominanten Gehabes die Gefühlsebene an, es gelang ihr, Gangolf Trost zu spenden, und sie schenkte ihm Zuversicht, daß das Leben weitergehen würde, so traurig der Verlust der getreuen Magda auch sein würde.

Als sich nach über einer Stunde das Frühstück seinem Ende nahte, sprach Martina Magdas Brunnenbauprojekt an:
- „Sag' mal, hat Magda eigentlich nochmals `was gesagt von wegen ihrem ewigen Brunnengraben, mit dem sie dir im Urlaub so oft auf den Ohren lag?“
- „Ja, das war das Wichtigste, kaum daß wir wieder zurück waren, hast du ihn noch gar nicht gesehen, drüben in der andern Ecke über dem Hof, da haben wir ihn gerade fertig gekriegt, als sie mich dann abholten.“
- „Und seid ihr auf Wasser gestoßen?“, wollte Martina weiter wissen.
- „Ja klar, in ungefähr drei Meter.“
- „Also, sag' `mal, hast du da schon hineingeguckt; weißt du, ich kenn' meine Magda, wie die tickt, so ein tiefer enger feuchter Brunnen, das wär' ihr Traum, wahrscheinlich hatte sie deshalb immer davon gesprochen; der kommt es doch nicht auf das Wasser an, das du jetzt damit hast.“

Gangolf erbleichte, als er Martinas Worte hörte. Er begann zu stottern:
- „Der Deckel war zu und es lag auch keine Leiter da, also hab' ich da noch gar nicht hineingeschaut.“
Ihm graute bei dem Gedanken, und er mußte Martina recht geben, jetzt erst wurden ihm die Augen geöffnet, warum Magda so darauf aus war, einen Brunnen zu graben.

- „Für drei Meter braucht Magda keine Leiter“, konterte Martina mit einem überzeugten Gesichtsausdruck. In Gangolfs Gesicht gruben sich dagegen tiefe Falten, mit leicht geöffnetem Mund starrte er sein Gegenüber an, als ob es sich um einen Mondmenschen handelte.
- „Bleib' sitzen und vesuch' dich ein bißchen zu entspannen“, fuhr Martina fort, „ich geh' schon nachsehen.“

Gangolf blieb gelähmt sitzen, widerspruchslos ließ er Martina auf den Hof hinaustreten. Nach wenigen Minuten kam sie zurück; Gangolf fixierte seinen Blick auf sie, als sie eintrat, und sie nickte stumm.

Minutenlang kämpfte Gangolf gegen die Tränen an, doch ließ er ihnen schließlich freien Lauf; Martina bettete seinen Kopf in ihren Schoß. Sie saßen lange vereint auf dem Sofa, bis Martina einen Vorschlag unterbreitete:
- „Laß' uns zu mir fahren, was hältst du davon, ich hol' dann vom Markt ein Grillhähnchen, ich sah', daß da einer so eine Bude hat, roch ganz appetitlich, derweil entspannst du dich, du hattest doch Magdas Zimmer so anheimelich gefunden, ich glaube, das wird dir gut tun, wenn du ein bißchen Abstand gewinnst von den Geschehnissen hier.“

Martina landete einen punktgenauen Treffer, Gangolf nickte nur stumm, er war überglücklich, in dieser Todesstimmung einen fürsorglichen Menschen um sich zu wissen. Als sich Gangolf aus der Umklammerung löste, kamen ihm Bedenken, ob sie nicht doch erst die Polizei verständigen sollten.

- „Und was glaubst du, was die dann machen“, wiegelte Martina ab, „die zerren Magda heraus und finden ihre Hände in deinen Handschellen gefesselt; da fährst du gleich wieder ein, stehst ja ohnehin schon unter Überwachung, genauso wie Magda.“

Gangolf blieb nichts weiter, als wiederum stumm zu nicken, er hatte keine Kraft mehr für einen wehrhaften Gedankengang, er ließ sich widerstandslos treiben. Magda öffnete die Heckklappe des Ladas und schleuderte die vorsorglich mitgebrachte Sackkarre auf den Hof in Richtung des Gerümpelhaufens. Gangolf begriff nichts mehr, willenlos folgte er Martinas Aufforderung, sich in den Kofferraum zu kauern. Sie breitete eine Decke über ihn aus und schlug mit einen ohrenbetäubenden Knall die Heckklappe zu.

'Das lief ja besser als gedacht', freute sich Martina, 'da konnte ich mir glatt die K.O.-Tropfen sparen, jetzt muß ich ihn nur noch oben herumkriegen, bei seiner Psyche, wie der beieinander ist, sollte das funktionieren.'

Gangolf wurde es hundsübel, als der hartgefederte Lada durch die Schlaglöcher schleuderte. Als das schlimmste Gerumpel vorüber war, wußte er, daß sie auf der Straße durch Wesserbarg waren, er spürte auch das kurze Abbremsen und dann die Drehung, mit welcher der Jeep auf die Bundesstraße einbog. Die schlagenden und schlingernden Geräusche wichen einem starken Vibrieren, der Motor dröhnte, und Gangolfs Gehirn nahm seine Arbeit wieder auf:
'So mußte sich Magda fühlen, als sie in dem Brunnen saß', überlegte er, 'aber wie schaffte sie es, den schweren Deckel über sich zuzuziehen?'
Sein Selbstbewußtsein schien allmählich zurückzukehren, beinahe wollte er schon die seinen gesamten Körper einhüllende Decke beiseite ziehen, als Martina mit einem Fluch auf die Bremse trat und anhielt.

- „Nicht schon wieder“, brummte sie, während sie das Fenster öffnete, „ich bin OP-Schwester im Einsatz“. Sie griff nach rechts auf den Beifahrersitz, wo sie ihre Gasmaske griffbereit niedergelegt hatte, doch durch das Geholper war diese vorne über gerutscht, so daß sich Martina schräg seitlich nach vorne bücken mußte, um sie von der Fußmatte aufzuheben.

Der Wachposten ließ ihr alle Zeit, das Gummiteil aufzusetzen, erst dann trat er näher. Martina zog ihren Dienstausweis und die Sondererlaubnis heraus, der Posten nickte kurz, bedankte sich und ließ sie passieren. Als der Kies unter den Reifen knirschte, wußte Gangolf, daß sie auf dem Hof vor dem alten Haus in der nördlichen Lüggener Altstadt angekommen waren.

Martina stieg abrupt auf die Bremse, Gangolf wurde auf das Blech gedrückt, welches den schmalen Kofferraum des Ladas von der Lehne der Rückbank trennte. Er zog sich die Decke von seinem Leib und bekam einen leichten Schrecken, als er Martina erblickte, wie sie die Heckklappe öffnete: Sie hatte die Gasmaske aufbehalten, es war ein deutsches Modell aus Bundeswehrbeständen, mit Riemen oberhalb und unterhalb den Ohren herum.

Die in Massen importierten chinesischen Modelle umfaßten den Kopf vollständig mit dem Gummi, sie benötigten keine Riemen, indes hörte man mit diesen schlechter, da die Ohren bedeckt wurden. Durch den vollständigen Einschluß des Kopfes spannte das Gummi viel stärker auf das Gesicht, vor allem auf die Wangen, als bei dem deutschen Teil. Elegant hatte Martina ihr langes, schwarzgewelltes Haar aus den Riemen herausgezogen, so daß diese nicht mehr sichtbar waren, ein bizarrer Anblick, der Gangolf sofort stimulierte.

Gangolf lebte abstinent, nicht, was seinen Alkoholkonsum anbetraf, auch nicht, was sein lustvolles Dasein ausmachte, dem er genußvoll frönte, aber bei den Frauen war er sehr zurückhaltend. 'Genau in diesem Zimmer war es das letzte Mal', kam es ihm in anheimelnder Erinnerung in den Sinn, 'genau in diesem Bettsofa'. Kurz überfielen ihn Bedenken, ob es richtig wäre, es hier zu treiben, quasi in Magdas Ruhestatt, während diese ihr letzte Ruhestätte in der Tiefe des Brunnens gefunden hatte.

Martina ließ ihm praktisch keine Wahl, wortlos entblößte sie sich vor ihm und legte sich darnieder, in ihrem Gesichtsausdruck lag eine stille, nicht zu widerstehende Aufforderung. Sie dachte gleichfalls an das letzte Mal, es war ebenfalls in diesem Zimmer, als sie zusammen mit Bettina in die Opferrolle schlüpfte und sich von den beiden Kerlen nehmen ließ, die den Simulationssender zur Neutralisierung von Magdas Fußfessel-Signalen aufbauten.

Martina war eine ausgesprochene Schönheit, das mußte Gangolf rundherum zugeben. Er betrachtete ihren großen muskulösen Körper, der entblößt vor ihm stand. Das Haar suchte zum Teil seinen Weg vor den Schultern, zu einem anderen dahinter, ihre Busen waren groß, hingen aber nicht schlaff herunter, die Taille verhältnismäßig schmal, das Becken breit, allein der Anblick brachte Gangolf in Wallung. Er vergaß darüber alles Ungemach, Magda und Inge, seine Begierde steigerte sich von einer Sekunde zur nächsten.

Martina tänzelte auf das Bett zu, setze ihren Fuß darauf, stemmte ihren rechten Arm auf den abgewinkelten Oberschenkel und forderte Gangolf mit verführerischem Lächeln auf:
- „Willst du nicht endlich zeigen, daß du ein richtiger Mann bist?“

Während Gangolf sich seiner Kleider entledigte, legte sich Martina auf das Bett, streckte sich und zog ihre Arme durch die Sprossen, welche sich hinter ihrem Kopf quer über die Breite des Sofas erstreckten. Durch die Streckung verschwand ihre ohnehin nur minimale Bauchwölbung vollends, vor Gangolf lag das Idealbild einer Frau, dem sich kein Mann entziehen konnte.

Gangolf rammte stark, Martina gelang es nur mit Mühen, nicht das Gesicht vor Schmerzen zu verziehen, sie beschloß, sich gnadenlos zu rächen.
'Du hast zum letzten Mal in deinem beschissenen Leben gevögelt', schwor sie sich, 'und du wirst diese verdammte Hütte hier nicht mehr verlassen!'
Mit dieser Gewißheit ließ Martina Gangolf freien Lauf, seine Lust an ihr auszuleben, und sie mußte sich eingestehen, daß er es gut machte, und sie mußte aufpassen, daß sie nicht doch noch ein gewisses Maß an Zuneigung für ihn entwickelte, was freilich ihren Plan schnöd durchkreuzt hätte.

---

Martina freute sich, daß sie den Schlüssel für das Schiebetor vor Gangolfs Scheune an dessen Schlüsselbund fand, sie schob das Tor auf und fand nach kurzem Suchen Schaufel und Vorschlaghammer; mit diesem Werkzeug bewaffnet schritt sie über den Hof zu dem Brunnen, in welchem sie vor kaum zwei Stunden Magda gefunden hatte. Sie schob den Deckel beiseite und blickte nochmals hinab.

- „Oh Magda, du treue Seele, da unten hast du deine letzte Ruhestätte gefunden, du hast es mir richtig leicht gemacht, daß du da mit Gangolfs Handschellen in den Brunnen gesprungen bist, du hast unser beider Geheimnis mitgenommen in dein Grab, das du dir hier selber gegraben hast.“

Martina griff nochmals zu einer der beiden Stangen, die Magda zu einer provisorischen Leiter zusammengenagelt hatte, und stieß auf Magdas neoprenumhüllten Leib. Magdas Kopf rutschte zur Seite, nochmals drückte Martina auf deren Schulter, bis der Oberkörper eine leichte Drehung vollzog. Magdas Gesicht kam auf diese Weise nach oben, ein letztes Mal blickte die Herrin auf ihre Sklavin herab und flüsterte dieser zum ersten Mal das für sie bislang unaussprechliche Wörtchen zu:

„Danke!“












190. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 14.07.23 21:11

114

Martina blickte besorgt auf den Himmel, der sich wie am Vortag rasch mit dunklen Wolken bezog.
- „Verdammt, es wird doch jetzt nicht regnen“, fluchte sie und setzte die Schaufel an den Rand des obersten Brunnenrings an. Nach kurzer Zeit hatte sie eine ringförmige Rinne gegraben, so daß der oberste Brunnenring nun frei zugänglich lag.

Mit ihren kräftigen Händen ergriff Martina den Vorschlaghammer und schlug nach Kräften auf den Betonring ein, bis dieser schließlich mit einem lauten Knacken an mehreren Stellen Risse bekam, einige kleinere Segmente brachen ab, fielen indes nicht in den Schacht, sondern kippten nach außen in die aufgegrabene Rinne.

'Jetzt bloß nicht sentimental werden', nahm sich Martina vor, ging dennoch in die Hocke und griff nach einen der herausgebrochenen Betonbrocken. Sie blickte nochmals in den Schacht hinab; nachdem es durch die aufgezogenen Wolkenformationen mittlerweile deutlich finsterer geworden war, bildete Magdas helles Gesicht auf dem Grund des Brunnenschachts einen bizarren Kontrast zu der Dunkelheit in der Tiefe. Ihr Mund war nur zu einem schmalen Spalt geöffnet, denn der vollständig geschlossene Reißverschluß der Neoprenjacke stützte das Kinn mit der breiten Halsmanschette und der angearbeiteten Kapuze ab, so daß Magdas Unterkiefer nicht absackte.

Dagegen waren Magdas Augen weit geöffnet; Martina wußte aufgrund ihrer medizinischen Ausbildung, daß Menschen, die im Todeszeitpunkt die Augen offen hatten, auch nach dem Tod diese offen hielten. Martina durchzuckte beim Anblick dieses lieblichen, friedeausströmenden Gesichtes ein Schauder, sie schüttelte sich kurz und rief in den Schacht hinunter:
- „Magda, es muß sein“.

Mit diesen Worten hob Martina den Betonbrocken über den Schacht und ließ diesen fallen. Sie vernahm kein lautes Platschen, auch sonst kein Geräusch, der dicke Neoprenstoff federte den Aufprall ab und ließ diesen sanft in das Brunnenwasser rutschen. Martina blickte nicht mehr hinunter, sie erhob sich und griff wieder nach dem langen Stiel des Vorschlaghammers, um die restlichen Teile des zertrümmerten Betronrings in die Tiefe zu stoßen. Der Vorgang ging ziemlich geräuschlos vor sich, denn auch die auf den ersten Brocken folgenden wurden durch Magdas Körper abgebremst; diese leistete dadurch ihrer Herrin einen letzten Dienst, auch wenn Martina sich dessen in dem Augenblick nicht bewußt war.

Als Martina sämtliche Überbleibsel des Betonrings in den Schacht verschwinden lassen hatte, drehte sie sich um, die Schaufel zu ergreifen. Dabei gewahrte sie durch das Gezweige Kinder, die von ihren Fahrrädern abgestiegen waren und interessiert ihr Tun beobachtet hatten. Da das Hinunterplumpsen der Betonbrocken kein lautes Geräusch verursacht hatte, kamen Max und Peter nicht auf die Idee, daß Martina mit dem Hammer den Brunnenring zerstört hätte, sie wunderten sich nur über die Schläge, welche vom Brunnen her ertönten.

Die einsetzende Dämmerung verwehrte den beiden Buben eine genauere Beobachtung; da zudem neben der Dämmerung der Regen einsetzte, beschlossen sie, wieder nach Hause zu radeln. Eigentlich wollten sie nochmals am Brunnen lauschen, ob sie wieder das seltsame Stöhnen gehört hätten, doch wollten sie nicht dort hingehen, solange da jemand zugange war.

Beim Zurückradeln diskutierten Peter und Max über das Gesehene, sie kamen überein, daß durch die Anwesenheit und das Arbeiten der Person an dem Brunnen mit diesem anscheinend alles seine Richtigkeit hatte und keine fremden Mächte am Werk waren, offenbar steckte auch kein Wesen in dem Brunnen, das die stöhnenden Geräusche von sich gab. Was den Schrei anbetraf, mußten sie Peters Vater recht geben, daß es sich wahrscheinlich doch um ein Tier handelte, das diesen verursacht hatte.

Martina war mittlerweile über den einsetzenden Regen froh, zum einen vertrieb er die beiden neugierigen Kinder, zum anderen brachte er Abkühlung, denn sie schaufelte jetzt in hohem Tempo den Aushub in den Schacht, der neben dem Brunnen aufgehäuft lag. Darüber hinaus hoffte sie, daß der Regen verräterische Spuren tilgte, wenn eines Tages die polizeilichen Schnüffler mit Spürhunden aufkreuzen würden. Als sie den Aushub restlos in den Schacht geschaufelt und damit Magda in drei Meter Tiefe ein feuchtes Grab bereitet hatte, wunderte sie sich, daß nichts mehr von der Erde übrig geblieben war.

Sie überlegte sich, daß eigentlich das Volumen von Magdas Körper und das der Schachtringe als Aushubvolumen zurückbleiben müßte. Sie konnte sich nicht vorstellen, daß die aus der Tiefe herausgeholte Erde an der Oberfläche austrocknete und damit zusammensackte, machte sich indes darüber keine weiteren Gedanken.

Zufrieden betrachtete Martina das vollbrachte Werk, sie glättete die Erde, so daß der verfüllte Brunnenschacht nicht mehr zu sehen war. Nachdenklich stütze sie sich auf dem Schaufelstiel ab, sie atmete schwer, vielfach war sie im Kaiserswuselhausener Krankenhaus dabei, gestorbene Patienten aus den Zimmern herauszuholen, doch nun hatte sie erstmals eine Leiche begraben.

Erst jetzt spürte Martina die Schwielen an ihren Fingern, die aufgebrochen waren; das Arbeiten mit der Schaufel waren ihre zarten Hände nicht gewohnt. Als sie wieder zu Kräften gekommen war, kam ihr das Gerümpel in den Sinn, das Gangolf aus der Scheune auf den Hof geworfen hatte.

- „Das trifft sich ja prima!“, rief sie erfreut aus, reinigte Schaufel und Vorschlaghammer, trug die Gerätschaften in die Scheune zurück und wandte sich dem Haufen zu. Auf das Absperren des Scheunentors verzichtete sie, sie wollte jetzt möglichst bald fertig werden.

Emsig schleppte Martina die alten Sachen zu Magdas Grabstelle und türmte darüber das Gerümpel auf.

- „So“, sprach Martina, „das Zeugs kann jetzt hier gut anwachsen bei dem Regen, niemand wird auf die Idee kommen, daß hier jemand darunter in einem zugeschütteten Brunnenschacht begraben liegt.“
Zynisch fuhr sie fort:
- „Einen Grabstein kann ich dir nicht geben, was sollte auch schon darauf stehen, etwa Marlies Armdran, genannt Magda, die totale Sklavin hat hier ein gebührendes Grab erhalten, selbst als Leiche ist sie noch mit Handschellen gefesselt.“

- - -

Im ersten Moment begriff er nicht, wo er sich befand. Es war stockfinster. Nach einer Weile des regungslosen Geradeausschauens versuchte er sich, herumzuwälzen, doch ging das irgendwie nicht. Er versuchte, seine Hände zu bewegen, seine Füße, aber auch die verharrten in ihrer Position. 'Was ist das nur?', fragte er sich und hob seinen Kopf an. Das ging.

Gangolf ließ seinen Kopf in die Horizontale zurückplumpsen, er konnte in der totalen Finsternis ohnehin nichts erspähen, immerhin kehrte allmählich seine Erinnerung zurück. Er erinnerte sich an einen guten Sex, mit Martina, mit dieser bildhübschen starken Frau, wie diese hingebungsvoll unter ihm lag, wie er oben auf war, wie er sich an ihr erging, wie er sich befriedigte. Martina, diese Sadistin, die sonst immer alles bestimmte, nach deren Pfeife alle tanzten, die Magda sadistisch quälte, er hatte Martina bezwungen.

Doch was war dann mit ihm geschehen? Das Gedächtnis spielte ihm einen Streich. Gangolf spannte seine Muskeln an zu einem erneuten Versuch, sich irgendwie zu bewegen. Es blieb bei wenigen Zentimetern, die er sich mit den Händen und Füßen rühren konnte.
- „Verdammt, was ist denn das“, fluchte er und erst bei diesem Aufschrei wurde es ihm bewußt, daß er irgendwie an das Bett gefesselt war. Die absolute Dunkelheit förderte das Aufkeimen einer Panikattacke, nach einigen Sekunden zog und zerrte er mit den Arm- und Beinmuskeln, er spannte die Schultern an, es half indes nichts, als einzigen Effekt spürte er seinen rasenden Herzschlag.

- „Jetzt nur nicht durchdrehen“, sagte er sich, doch das war leichter gesagt als getan. Gangolf zwang sich zu einer ruhigen Atmung, bewußt atmete er ein, hielt den Atem eine Weile an, atmete aus, ließ einige Sekunden verstreichen, bis er erneut Luft holte. Tatsächlich gelang es ihm auf diese Weise, sich einigermaßen zu beruhigen. Er begann wieder nachzudenken. Soviel hatte er mittlerweile begriffen: Er spürte das Eisen von Kettengliedern auf seiner Haut, an den Hand- und Fußgelenken, über den Oberschenkeln, über Bauch und Brustkorb.

Dann fiel ihm wieder ein, daß er nach dem Akt das Bett verlassen wollte, doch Martina hielt ihn zurück, sie rückte zur Seite und zog ihn neben ihr hinunter, wo er, an sie gekuschelt, in eine wohlige Müdigkeit verfiel. Plötzlich hatte er einen kurzen Stich in seiner Schulter verspürt, und er erinnerte sich an Martinas Worte:

- „Das wird dich beruhigen“. Er hatte das vollkommen überflüssig gehalten, da er ohnehin äußerst schläfrig darnieder lag; erst jetzt wurde ihm bewußt, daß sie ihm eine Spritze verabreicht hatte, die ihn in einen tiefen Schlaf versetzt hatte.

- „Dieses gemeine Weibsstück“, empörte sich Gangolf und hatte alle Not, eine erneut aufflammende Panik zu unterdrücken. Es war vor allem seine Blase, die sich immer deutlicher spürbar machte und nach Entleerung lechzte. Auf der anderen Seite lechzte auch sein Mund, einfach nur Wasser, wünschte sich Gangolf, nichts weiter. Er ertappte sich, bescheiden zu werden. Nach einer Weile wunderte er sich über sich selber.
- „Wie komme ich auf Wasser?“ Er dachte an seine Bier- und Weißweinvorräte, die ihm ein mehrwöchiges Überleben selbst bei strengsten Quarantänemaßnahmen verschaffen würden. Aber Wasser? Er dachte nicht, daß er sich an diese Flüssigkeit gewöhnen werden müßte, Wasser, so etwas albern-primitives, er schüttelte den Gedanken rasch wieder ab.

'Bin ich wahnsinnig geworden?', kam es ihm nach einer Weile in den Sinn, und Gangolf strengte sich wieder an, nachzudenken. Er kam auf keine andere Lösung. Es mußte so gewesen sein, daß Martina ihn mit der Spritze ruhiggestellt und ihn anschließend mit den Ketten bewegungsunfähig an das Bett gefesselt hatte.

-„Du verfluchte Hure“, schrie er, „ich werde auspacken, alles, du bist schuld daran, daß die Magda so enden mußte, du hast sie in den Selbstmord getrieben mit deinen sadistischen Quälereien, mich kriegst du nicht, da mach' ich nicht mit.“

Das Hinausschreien seine Ohnmacht half Gangolf, sich mit seiner augenblicklichen Lage in gewisser Weise abzufinden. Er mußte sich eingestehen, daß er genau genommen überhaupt keine Beweise hatte, die Martinas Taten an Magda belegten. Er mußte sich darüber hinaus eingestehen, daß er erst einmal aus der prekären Lage herauskommen müßte, ehe er darüber hinausgehende Pläne schmieden konnte.

Was Gangolf auch in seiner nun eingetretenen völligen Niederlage nie denken konnte, daß er am Vortag zum letzten Mal für viele Jahre den See betrachtet hatte, als er am Ufer lag, der Natur all seine Sinne zur Verfügung stellte, den leichten Modergeruch des Schilfgürtels einsaugend, das Zwitschern der Vögel lauschend, den Wind auf seiner Gesichtshaut spürend, die eindrucksvollen Wolkenformationen am Horizont betrachtend und diese im Geiste zu phantasievoller Überhöhung steigerte.

Blind und bewegungsunfähig lag er angekettet in dem Bett, in welchem er noch vor wenigen Minuten, oder waren es Stunden, gar Tage, den schönsten Orgasmus seines Lebens genossen hatte. Nie gab es für ihn stärkere Gegensätze in kürzester Zeit, Licht und Finsternis, Lust und Qual.

Nie hätte sich Gangolf vorstellen können, daß die Aufregungen der letzten Zeit sich nochmals dermaßen kräftig steigern würden; die Erlebnisse auf der Rückfahrt von Italien waren nichts weiter als ein kleiner Vorgeschmack auf das, was ihm darnach widerfahren würde, es lief auf eine ständige Steigerung hinaus, der Polizeigewahrsam wegen angeblichen Diebstahls in dem Keller von Martina und Bettinas Wohnung, wo er Magda suchte, dann der Gefängnisaufenthalt wegen des Vergewaltigungsvorwurfs gegen Inge, das Verschwinden und der Tot von Magda, und jetzt die totale Stille, die undurchdringliche Finsternis, die vollkommene Bewegungsunfähigkeit.

Gangolf sinnierte. Es blieb ihn nichts anderes mehr, außer daß er mit sich haderte, ob er seiner Blase Befreiung schenken, es einfach laufen lassen sollte.
- „Immerhin ist jetzt der Höhepunkt der Unannehmlichkeiten erreicht“, sagte er sich und verspürte in dieser Überzeugung einen gewissen Trost.

Und wieder hatte er sich getäuscht.

191. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 21.07.23 20:02

115


Anscheinend war er trotz seiner leicht schmerzenden Fesselung in der absoluten Stille und Dunkelheit eingedöst, denn als Gangolf Geräusche an der Tür wahrnahm, erschrak er so sehr, daß er das im Herzen spürte. ‚Wenn das so weiter geht, werde ich einen Infarkt erleiden’, malte er sich aus und wendete seinen Kopf in die Richtung der Geräuschquelle. Zu seiner Verwunderung blieb es jedoch dunkel, er vernahm das Schließen der Tür und das Näherkommen von Schritten. Gerade als er seine Empörung herausschreien wollte, vor allem, daß er dringend seine Notdurft verrichten müßte, nahm er einen starken Schweißgeruch wahr.

‚Das kann nicht die Martina sein’, durchfuhr es Gangolf, ‚nein, die war immer sehr gepflegt, ihr Haar strömte einen zarten Duft aus, nie war sie verschwitzt.’
Gangolf wurde unsicher, er bereute seine vorschnelle Verurteilung; vielleicht befand er sich ganz wo anders, kam es ihm in den Sinn, ‚vielleicht hält mich ja gar nicht die Martina hier gefangen, vielleicht bin ich ja bei einem schmierigen Typen, der mich brutal mit den Ketten gefesselt hat, ich werde es wohl gleich erfahren.’

Gangolf erfuhr nichts. Die Person, welche es auch immer sein mochte, tastete sich in kurzen Schritten an das Bett heran, Gangolf bemerkte das an dem stärker werdenden Schweißgeruch. Normalerweise war er unempfindlich gegenüber Gerüchen, in der angespannten Situation reagierten die ihm verbliebenen Sinnesorgane Nase und Ohren besonders sensibel. Der Unterschenkel der fremden Person stieß an das Polster, Gangolf spürte tastende Hände auf seinem Körper. So schwach auch die Berührung war, brachte sie Gangolf in Bedrängnis, da er ohnehin schon die liebe Not hatte, seinen Drang nach Entleerung zu bändigen.

- „Ich muß auf’s Klo!“, rief Gangolf in die Finsternis. Die tastenden Hände wurden von seinem Bauch weggenommen, und eine verzerrter Stimme forderte ihn leise auf:
- „Mach’ doch in die Windel!“

Gangolf war sprachlos, er mußte das Gehörte erst einmal verdauen, bis er begriff, was die Aufforderung bedeutete. Vorsichtig betastete er mit den Händen seinen Unterleib, erst jetzt fühlte er das Plastikteil, mit welchem sein Glied verhüllt worden war. ‚Was ist denn das’, empörte er sich, ‚eine Windel?’
Noch bevor er Überlegungen anstellen konnte, ob er es tatsächlich wagen sollte, in dieselbe hineinzumachen, spürte er wieder die tastenden Hände seines Gegenübers. ‚Was fummelt der in meinem Gesicht herum, jetzt an den Ohren?’, empörte er sich weiter, doch wollte er erst einmal abwarten, was geschehen würde und fragte nicht.
Plötzlich verspürte er einen Ohrstopfen in seinem linken Ohr, kurz darauf auch in seinem rechten. Jetzt konnte er sich nicht mehr zurückhalten, er richtete sich auf, soweit die über seine Brust gespannte Kette es zuließ, und rief:
- „Hey, was soll das, mach’ mich endlich frei, schalt’ das Licht ein."

Anstatt eine Antwort zu erhalten spürte Gangolf, wie ihm ein Sack über den Kopf gestülpt wurde. Er schüttelte seinen Kopf hin und her, schleuderte ihn zurück auf die Matratze, doch es half nichts, sein Gegenüber war eindeutig in der stärkeren Position, unbeirrt zerrte dieser den gummiartigen Stoff immer weiter über das Gesicht. Als schließlich auch sein Mund bedeckt worden war, rang Gangolf nach Luft, und er entschied sich, erst einmal still zu halten, denn er erkannte, daß sein Widersacher sich durch keine Gegenwehr von dem Vorhaben aufhalten würde.

Nach einigen weiteren Sekunden des Ziehens und Zerrens war sein Mund wieder frei, sein restliches Gesicht einschließlich der Ohren waren indes weiter mit dem drückenden Gummi bedeckt. Gangolf spürte, wie sich Fingerkuppen über seine Lippen bewegten, anschließend schoben sich schwielige Finger an seinem Hals entlang, er bemerkte eindeutig aufgeplatzte Blasen an den Fingerinnenseiten.
‚Das kann nicht die Martina sein’, schoß es ihm durch den Sinn, ‚auch wenn die verstellte Stimme eine Frauenstimme war, die mich zum Pieseln in die Windel aufgefordert hat.’ Gangolf roch den Schweiß nicht mehr, seine Nase war vollkommen von dem seltsamen Stoff umhüllt, welcher sich stramm um diese spannte, ebenso wie über die Augenbrauen und die Ohren.

Nachdem niemand mehr an dem Gummisack herumzerrte, der über seinen Kopf gezurrt worden war, waren seine Nerven auf das äußerste gespannt, was als nächstes erfolgen würde. Zunächst erfolgte nichts, zumindest nichts, was er wahrnehmen hätte können. Seine unter der dicken Gummischicht verborgenen Augen konnten nicht erkennen, daß das Licht angeschaltet wurde. Plötzlich knisterte es in seinen Ohren, Gangolf hob erschrocken den Kopf. Gleich nach dem knackenden Laut drang eine künstliche Stimme an seine Ohren, eine Computerstimme, wie aus dem Weltall:
- „Na, wie geht es dir, Skave?“

Irritiert bewegte Gangolf seinen Kopf hin und her; ‚woher kommt diese Stimme?’, überlegte er fieberhaft, ‚so hell und klar, direkt im Ohr, und doch wieder fern wie aus dem All!’ Nach kurzem Nachdenken wußte er bescheid: Es waren keine Ohrenstöpsel, die ihm in den Gehörgang gesteckt worden waren, sondern Ohrhörer, und jetzt spürte er auch die dünnen Drähte, die sich unter der Kopfhaube an seinen Nacken schmiegten.

Seine Irritation steigerte sich, als Gangolf einen immer stärker werdenden Druck auf seinen gesamten Kopf verspürte. Kaum hatte er diese Tatsache für’s erste akzeptiert, kam neues Ungemach auf ihn zu: Gnadenlos bohrte sich ein Gummibolzen in seinen Mund, Gangolf schnaufte und würgte, es half alles nichts, er konnte zwar seinen Unterkiefer etwas bewegen, doch blieb ihm nichts anderes übrig, als mit der Zunge das abartige Gummiteil zu befühlen und mit den Zähnen darauf herumzubeißen. Er gab das Beißen schnell auf, denn er spürte, wie diese Bewegung einen Würgereiz hervorrief, den er nur mit Mühen zurückhalten konnte.

‚Ein Knebel’, dachte sich Gangolf mit Entsetzen, ‚o nein, auch nicht das noch!’ Ab jetzt war es vorbei mit dem Sprechen und damit wurde ihm die Möglichkeit genommen, sich verbal zu empören. Alle seine Sinne waren jetzt außer Gefecht gesetzt, einzig sein Gehör stand ihm noch in gewisser Weise zur Verfügung, doch stand dieses unter der absoluten Kontrolle der Weltraumstimme.

Nochmals stieg der Druck auf seinen Kopf an, Gangolf vermeinte, ein blasendes Geräusch wahrzunehmen, doch er traute seinen eigenen Sinnen nicht mehr, er fühlte, wie er kurz davor stand, den Verstand zu verlieren. Anschließend vermeinte er zu fühlen, wie sich das Knebelinnenteil vergrößerte. ‚Das kann doch nicht sein’, durchfuhr es ihn, ‚ich glaub’, ich spinn’.

Gangolf wünschte sich nichts sehnlicher, als aus dem schrecklichen Traum zu erwachen. Doch kein Schrei ertönte, der ihn von dem Alp erlösten könnte. Nun war er unfähig gemacht, seinen Unterkiefer zu bewegen, fortwährend sah er sich gezwungen, den mächtigen Speichellauf herunterzuschlucken. Die Computerstimme ertönte und verhöhnte ihn:
- „Schön machst du das, Sklave.“

‚Als ob ich da `was zu machen hätte’, empörte sich Gangolf innerlich. Er wußte immer noch nicht, wer sein Meister war, plötzlich wuchs in seiner Vorstellung ein Strohhalm, an den er sich klammern wollte, er hoffte inständig darauf, daß Martina in suchen würde, so wie diese Magda gesucht und sogleich gefunden hatte, in dem Brunnen, in deren so geliebten Brunnen, den sie nur wenige Tage zuvor gegraben hatte, bis sie darin den Freitod suchte.

Der Gedanke an Magda ließ Gangolf seine äußerst mißliche Lage vergessen, aber auch der Gedanke an Martina, die sich in Gangolfs Vorstellung zu einem Gutmenschen entwickelt hatte. Sie wird diesen miesen stinkenden Tyrannen überwältigen, sie wird die Polizei rufen, Brause würde ihn finden.

Die Hoffnung auf Martinas Erscheinen, auf ihr Eingreifen, stärkte Gangolf, und es gelang ihm, sich erst einmal zu beruhigen und immer gleichmäßiger durch den Knebel ein- und auszuatmen.
‚Da muß wohl so ein Röhrchen eingearbeitet sein’, überlegte er sich, ‚wie bekäme ich sonst Luft.’

Gangolf begann, mit den Händen an dem Kunststoffüberzug der Windel herumzufingern; er drückte dazu die Handgelenke nach unten, soweit es die Ketten zuließen. Der Schließmuskel war mittlerweile hart geworden, der Drang, die Blase zu entleeren, ebbte etwas ab. Sein Peiniger bemerkte indes die Bewegung seiner Finger, er versetzte ihnen mit einem harten Gegenstand einen schmerzhaften Schlag.

- „Au“, grunzte Gangolf in den Knebel, zog die Finger zurück und formte sie zur Faust; ein großer Fehler, wie er sogleich feststellen mußte.
Noch gebannt und dem Einfluß des überraschend niedergegangenen Schlages konnte er nicht recht verstehen, was geschah. Er fühlte plötzlich seine zur Faust verkrampften Finger in einen Art Sack gesteckt; bei dem Versuch, die Finger wieder auszustrecken, mißlang ihm dieses Vorhaben.

Erst jetzt begriff Gangolf, daß seine zur Faust geformten Hände offenbar in einem speziellen kugelförmig geschnittenen Beutel gesteckt worden waren, der Saum wurde mit einem Riemen zugezogen, welcher nun neben der Kette das Handgelenk umspann.
‚Herrgott, was wird denn noch alles kommen’, fluchte er verzweifelt, ‚hoffentlich schlägt er mich nicht nochmal auf die Finger, ich brauch’ meine Hände heil, ich möcht’, sobald das hier vorbei ist, Klavierspielen, Orgelspielen, es reicht, Herr, schick’ mir deinen Engel, schick’ mir die Martina, errette mich!’

Dann kam Gangolf das Stufengebet der vorkonziliaren Messe in den Sinn, das wechselweise von Priester und Ministrant auf den Altarstufen gesprochene Eingangsgebet:
- „Quia tu es, Deus, fortitudo mea; quare me repulisti, et quare tristis incedo, dum affligit me inimicus?“

Was noch alles kommen würde, erfuhr Gangolf sogleich: Ein Riemen, ein Seil oder vielleicht auch eine Kette drückte trotz des Gummis spürbar in seine Nasenwurzel ein, prompt konnte er unmittelbar darauf seinen Kopf nicht mehr bewegen, dieser wurde tief in die Matratze eingedrückt, so daß der Hals gestreckt und das Kinn herausgedrückt wurde, im Verein mit dem dicken Knebel eine furchtbare Schikane.

Gangolf fiel das Schlucken noch schwerer also zuvor, er mußte sich richtiggehend darauf konzentrieren; unbarmherzig sammelte sich der Speichel, ständig nötigte ihn der Reiz zum Schlucken.

Unbewußt bewegte Gangolf seine Zehen, es waren die letzten Muskeln, die er noch bewegen konnte; er vollzog kleine Halbkreise mit den Füßen, soweit es die Ketten an den Knöcheln zuließen. Unvermittelt sauste der Schlag auf den Rist hernieder, genau gezielt, offenbar mit dem gleichen harten Gegenstand, der zuvor auf Gangolfs Hände einschlug, zuerst auf den jenen des linken, dann auf den des rechten Fußes.

Gangolf durchzuckte ein unsäglicher Schmerz, er schluckte und würgte, er spürte die Tränen in seinen Augen.
- „Hör’ auf mit dem Gezappel“, ertönte die unmenschliche Stimme aus dem Weltall. Gangolf versuchte, dem Befehl folge zu leiste, was unter dem Einfluß der Schmerzreflexe nicht einfach war.

Nach einem kurzen Augenblick der Ruhe verspürte Gangolf, wie ihm über die große Zehe seines rechten Fußes ein Gegenstand gestülpt wurde; er nahm an, daß es sich um einen Ring handelte. Neugierig, was das bedeutete, spannte Gangolf den Fußknochen an, so daß die Zehen senkrecht nach oben zeigten.

- „Also, geht doch“, ließ sich die außerirdische Stimme vernehmen. Der gleiche ringförmige Gegenstand wurde auch über die große Zehe seines linken Fußes gestülpt. ‚Krieg’ ich jetzt Zehenringe?’, fragte sich Gangolf, ‚wie krank ist denn das, er fesselt mich bewegungsunfähig und dann schmückt er mich mit Zehenringen, einfach irre, dieser Typ.’

Gangolf hatte sich zu früh über seine Schmuckstücke gefreut: Zunächst kaum merklich, doch dann umso mehr verspürte er, wie die Ringe anscheinend immer enger wurden, als ob sie sich zuziehen würden. Ihm kam der Gummisack in den Sinn, in welchem sein Kopf eingepreßt wurde, wie sich jener scheinbar immer weiter zuzog und durch den Druck bewirkte, daß das Gummi sich über alle Teile seines Gesichts eng anschmiegte.
Im Gegensatz zu dem weichen Gummi an seinem Kopf begannen die Teile an Gangolfs Zehen immer schmerzhafter zu drücken, jetzt begriff er, was mit ihm geschah: Schwielige Finger umgriffen seine Zehen, gleichzeitig wurde der Ring immer enger; Gangolf folgerte, daß es sich dabei um Schlauchschellen handelte.

- „Der Typ ist echt wahnsinnig, hör’ auf, hör’ auf“, quakte Gangolf in den Knebel, die Computerstimme quittierte sein Krächzen mit einem höhnischen Gelächter. Ein andauernder Schmerz breitete sich von den Zehen aus und durchströmte Gangolf Körper, ihm war klar, daß die Zehen blutleer wurden, das einzige, was den Schmerz lindern konnte, war der Versuch, die Füße möglichst wenig zu bewegen. Diese Sorge wurde ihm abgenommen:

War es eine Schnur oder ein Draht, Gangolfs Peiniger befestigte diese im normalen Gebrauch so sinnvollen Hilfsmittel an den Schlauchklemmen und spannte die Zehen auf diese Weise schmerzhaft aneinander; lagen bisher die Füße im Abstand von zwei Handbreit nebeneinander, bildeten die großen Zehen den Abschluß eines bogenförmigen Gebildes, das die Füße einzunehmen verpflichtet waren.

Gangolf versuchte sich, ganz gegen besseres Wissens sich Linderung zu schaffen, indem er die bogenförmig zusammengespannten Füße auf- und abbewegte. Sofort setzte es wieder die grausamen Schläge, jetzt nicht nur von oben auf den Rist, sondern auch auf die Sohlen; Gangolf bäumte sich in seinen Ketten, das Sofa unter ihm ächzte, die Matratze konnte kaum den Polsterfedern folgen.

Es waren nur einige Sekunden, doch Gangolf kam es vor, daß die Bastonade minutenlang andauerte, seine ohnehin durch das undurchdringliche Gummi ihrer Aufgaben beraubten Augen tränten unter dem Schmerz, der Würgereiz des Rachens verstärkte den Tränenfluß, es entwickelte sich zu einem Inferno, das Gangolf sich in kühnsten Träumen nie hätte ausmalen können.

Kurz dachte er daran, wie er vom Hausdach von Brauses Tochter abgerutscht und sich das Bein gebrochen hatte; der Wundschmerz war enorm gewesen, doch nach Ruhestellung des Beins und dank der schmerzlindernden Medikamente hatte jener sich aushalten lassen und war nicht vergleichbar mit den Schmerzen, die man ihm jetzt willentlich zuführte.

Wieder rief Gangolf alle Heiligen des Himmels an, wieder zitierte er Davids Psalm:
- „Gott, Du bist meine Stärke. Warum denn willst Du mich verstoßen? Was muß ich traurig gehen, weil mich der Feind bedrängt?“

Zunächst verstand Gangolf nicht, wie es dem Unmenschen, dem Tier da neben ihm gelang, seine blutleeren Zehen nicht nur bogenförmig aneinander zu binden, sondern nun auch noch gleichzeitig in die Höhe zu ziehen. Nach einer Weile fiel ihm ein, daß er über Magdas Bett Haken vorgefunden hatte, über deren Existenz er bereits gerätselt hatte; nun wurde ihm klar, daß es sich wohl auch in diesem Zimmer, in welchem er sich mit dem Sadisten befand, ähnliche Hacken geben mußte, vermittelst derer beliebige Körperteile in mehr oder weniger brutaler Weise in die Höhe gezogen werden konnten.

‚Ob die Martina auch zu solchen sadistischen Handlungen fähig war gegenüber der armen Magda’, überlegte sich Gangolf, und er erinnerte sich daran, wie er einmal furchtbare Schreie bis in den Hof hinunter gehört hatte, als er zu Magdas Haus gefahren war.

Nach einiger Zeit setzte auch unter widrigsten Umständen ein gewisser Gewohnheitseffekt ein, Gangolf begann, sich an die Schmerzimpulse zu gewöhnen, die von seinen blutleer nach oben und seitlich gespannten Zehen wie Nadelstiche den Körper durchzogen. Überrascht bemerkte er, daß es eine Bewegung an seinem Gesicht gab, kurz darauf gelang es ihm, durch die Nase zu atmen. Durch die Überstreckung fiel es Gangolf zwar nicht leicht, durch die Nase Luft zu holen, aber er freute sich der gewonnen Freiheit, so klein sie auch war.

Seine Freude weilte indes nicht lange, er vernahm ein seltsames mahlendes Geräusch, das schnell wieder vorüber war. Das Atmen durch die Nase fiel nun deutlich schwerer, er gab es auf und ging wieder zur Mundatmung über, hoch konzentriert, den Würgereiz im Zaum zu halten.

Eine geraume Zeit tat sich nichts, Gangolf lag weiter steif auf die Matratze gefesselt, unfähig, auch nur die geringste Bewegung zu vollziehen. Plötzlich bekam er durch das Röhrchen in dem Knebel keine Luft mehr. Erschrocken würgte er ein paar Mal, bis ihm einfiel, daß er alternativ durch die Nase atmen könnte. Offenbar war das von seinem Peiniger so beabsichtigt als weitere Erschwernis zu seinem ohnehin überaus unerträglichem Dasein.

Doch was Gangolf nun einatmete, verschlug ihm im wahrsten Sinne des Wortes den Atem: Es roch ekelhaft nach Schweiß, Gangolf empörte sich innerlich, daß der Sadist anscheinend einen Schlauch auf die Gummimaske aufgeschraubt und das Ende unter die Achsel seines verschwitzen Körpers gesteckt hatte.

Gangolf würgte und kotzte, der Schweißgestank war aus seiner Nase verschwunden und das Röhrchen im Knebel gab wieder die Luft zum Atmen frei. Gleichzeitig entleerte sich Gangolfs Blase, der üble Geruch war der Auslöser, das gepeinigte Organ verschaffte sich Erleichterung. Während die Geschichte untern herum damit zu Ende ging, war die Sache oben noch längst nicht ausgestanden, wieder und wieder würgte es Gangolf, da half das freigelegte Knebelröhrchen nicht fiel.

Gangolf blieb nichts übrig, als die Brühe wieder hinunterzuschlucken, der bittere Nachgeschmack sollte ihn noch Stunden später begleiten.

Minutenlang verspürte Gangolf keine weitere Handlungen seines Peinigers, er überlegte, ob dieser den Raum verlassen hätte. Es gelang Gangolf, das Gleichgewicht aus Atmung, Schlucken und Schmerzbewältigung zurückzugewinnen. Plötzlich wurde ihm wieder das Luftholen durch das Röhrchen verwehrt, erneut mußte er die anstrengende Nasenatmung aufnehmen. Nach einer Weile gewahrte er einen seltsamen Geruch, der in seine Nase stieg. Glücklicherweise war er nicht so ekelhaft wie jener zuvor, der den Brechreiz ausgelöst hatte.

‚Sollte das Sperma sein?’, überlegte sich Gangolf, inmitten seiner Überlegung setzte die Luftzufuhr durch den Schlauch aus, und Gangolf tat das einzig richtige: er hielt den Atem an, denn er ahnte, daß er andernfalls seine Lungen unnötig strapazieren würde. Nach einiger Zeit konnte Gangolf seinen Drang nach Atmung nicht mehr bändigen, er schüttelte sich, als ihm trotz gewaltigem Sog in den Lungen die Luftzufuhr verwehrt blieb.

Seinem Peiniger gefiel das Verhalten, die Computerstimme säuselte durch die Ohrhörer:
- „Du bist ja richtig kräftig, zwei Minuten, wow, solange hatte das Magda nicht ausgehalten.“

Sekundenlang atmete Gangolf konzentriert ein und aus, erst darnach rief er sich die Worte in Erinnerung, die ihm die Weltallstimme zuflötete:
- „Solange hatte das Magda nicht ausgehalten.“

Kaum seinen normalen Atemrhythmus wiedergefunden, was man unter den Umständen auch immer als normal bezeichnen konnte, stockte Gangolf erneut der Atem:

‚Was hab’ ich da gehört, Magda? - was wußte der Sadist von Magda?’





192. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 28.07.23 21:48

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- „Sympathie hin oder her, Olaf, das geht so nicht“, rief Nisselpriem Brause zu, „dieser Stumpf ist immer noch Beschuldigter, der Haftbefehl gegen ihn wurde ausgesetzt, aber nicht aufgehoben. Er hat sich gegen die Meldeauflage, als ist dieser nicht nachgekommen.“

Nisselpriem geriet leicht ins Stottern, als er in Brauses Gesicht blickte, der nichts weiter tat als leicht mit den Kopf zu schütteln.
- „Ja, ich ruf' ihn an“, entgegnete Brause trocken.
- „Nein“, widersprach ihm sein Chef, „du fährst dort hinaus zu ihm und geigst ihm gehörig die Meinung, daß es so nicht geht, sonst kannst du ihn gleich wieder nach Wuselhausen fahren.“
- „Deine Meinung“, korrigierte Brause seinen Chef, „aber klar, ich fahr' los.“
- „Und nimm' dir die Mauser mit, die soll sich dann `mal ernsthaft mit dieser, wie heißt sie gleich noch `mal?“
- „Armdran“, half ihm Brause nach.
- „Ja, diese Armdran, also die soll sich gleich `mal dort mir der unterhalten, was da mit der elektronischen Fußfessel los ist, die seit Tagen kein Funksignal mehr an die GÜL sendet.“

'Mann, ist der heute schlecht d'rauf', resumierte Brause, 'der bringt ja keinen ganzen Satz mehr heraus. Er rief seine Kollegin an, die wenige Minuten später in sein Büro kam. Brause schnappte sich seine Dienstmütze und verließ mit Mauser das Zimmer.

- „Hast du denn auch deine Maske mit?“, fragte Mauser ihren Kollegen.
- „Ach, stimmt, diese blöden Masken, danke, daß du mich erinnerst.“
Mißmutig kehrte Brause in sein Büro zurück und öffnete den kleinen Schrank, in welchem er am Morgen seine Gasmaske gelegt hatte. Mauser hatte derweil ihre Maske aufgesetzt, sie strich sich einzelne Haarsträhnen aus dem Gesicht, die sich in die Maske geklemmt hatten. Brause marschierte den Flur entlang, ohne seine Maske aufzusetzen. Mauser bedachte ihn mit einem schrägen Blick, den Brause indes unter ihrer Maske nicht ausmachen konnte. Sie zog und zerrte immer noch an ihren Haaren, mit beiden Händen war sie beschäftigt, herumzufummeln; die Augengläser wurden dabei beschlagen. Schließlich riß sie zornig das Gummi von ihrem schönen Gesichtchen.

- „So ein Mist auch immer mit den Dingern“, schimpfte sie und machte es ihrem alten Kollegen gleich, indem sie die Maske in der Hand hielt, ohne einen erneuten Versuch zu starten, sie aufzusetzen.
- „Wahrscheinlich wollen die, daß wir uns Glatzen schneiden lassen“, brummelte sie und hielt Brause die Tür nach draußen auf. Als sie das Polizeigebäude verlassen hatten, wandte sich Brause nach rechts. Mauser rief:
- „Wo willst du denn hin, da steh'n doch die Streifenwagen!“
- „Ach, ich fahr' lieber mit mehm' Privatwagen, da brauchen wir dann nicht mit den blöden Masken herummachen!“, entgegnete Brause.
- „Na, wenn du meinst“, schloß sich Mauser an und folgte ihn zum Bahnübergang Richtung Großparkplatz.

An der Ausfallstraße nach Norden stand der Kontrollposten, der bereits am Tag zuvor Martina mehrfach angehalten hatte.
- „Ach Brause, du bist`s, fahr' weiter, aber laß' dich nicht erwischen ohne Gemaske!“, lachte der junge Polizeikollege.

- „Siehs`te, im Streifenwagen hätten wir jetzt die ganze Zeit das blöde Ding da aufhaben müssen, die beiden Kerl da draußen beneid' ich nicht, die den ganzen Tag da mit ihren Gummitüten da im Gesicht stehen müssen.“
- „Da hast du recht, Olaf“, pflichtete Mauser ihm bei, „aber jetzt `mal was anderes, bist du immer noch von Stumpfs Unschuld überzeugt?“
- „Ja, der haut doch nicht einfach so ab, entweder ist er wieder mit seinem Kanuboot da unterwegs, wahrscheinlich, das nehm' ich an, hoffentlich ist er nicht gekentert und liegt irgendwo halb ertrunken im Wasser.“
- „Oder was?“, wollte Mauser wissen.
- „Ja was sonst?“, fragte Brause zurück.
- „Na, du hast entweder gesagt, und wer entweder sagt, muß auch oder sagen.“
- „Ach, Katrin, ja oder ist einfach da, sitzt zu Hause herum und hat die doofe Melderei einfach vergessen; ich wollte ihn ja einfach anrufen, was los ist, aber unser Chef wollte, daß wir gleich hinfahren. Was ist denn deine Meinung?“
- „Hm, ich weiß nicht, ist schon irgendwie alles sehr seltsam, mit ihm und mit seinem Umfeld. Also ich glaub' auch, daß diese Langohr das nur vorgegeben hat mit der Vergewaltigung, wahrscheinlich gab's einvernehmlichen Sex da draußen auf der einsamen Insel, ist doch so romantisch, die Langohr leiht sich von dem Stumpf ein Boot aus, sie rudert zur Insel, Stumpf folgt ihr nach, und los geht’s“

- „Und warum hat sie ihn dann angezeigt?“, wollte Brause wissen.
- „Keine Ahnung, vielleicht kam es danach zu einem Streit, vielleicht wegen der seltsamen Kiste, wo doch da angeblich viel Geld lag, und da war der Vergewaltigungsvorwurf ein Racheakt.“
- „Ja, so kann es gewesen sein“, stimmt Brause zu.
- „Aber was mich noch viel mehr irritiert ist diese Magda, du kennst sie ja wohl schon länger.“
- „Ja, da hast du recht, ein ganz tragischer Fall: Vater unbekannt, Mutter stirbt bei der Geburt, aufgewachsen in einem Berliner Waisenhaus.“
- „Oh, das ist wirklich tragisch“, reagierte Mauser betroffen, „sie hat also keinerlei Verwandte?“
- „Von einer Tante oder Großtante in Kanada war einmal die Rede, wenn ich mich recht erinnere, aber die standen nie im Kontakt zueinander. Und dann schon der Name Armdran, eigentlich heißt sie Marlies, ja, Marlies Armdran.“
- „Und die soll dann ihren Vergewaltiger umgebracht haben?“
- „So ist es, sie hat wohl sofort alles zugegeben, kam nach kurzer Zeit aus dem Gefängnis heraus mit der Auflage, diese elektronische Fußfessel zu tragen.“

Mauser schwieg daraufhin, sie dachte daran, was Magda ihr im Vertrauen erzählt hatte, wie sich die Dinge wirklich abgespielt hatten, daß sie die Schuld für eine andere Frau übernommen hatte, für jene, die vergewaltigt worden war.

Sie waren in Wesserbarg angekommen, Brause bog von der Bundesstraße ab und fuhr die Dorfstraße entlang. Peters Vater blickte brummend aus dem Fenster:
- „Ein Betrieb ist da auf der Gasse, seit die Ausgangssperre ist, fahren noch viel mehr Autos durch als vorher.“
- „Und die Kinder dürfen nicht `raus“, pflichtete seine Frau ihm bei, „hat dir Peter erzählt, daß er mit Max gestern Abend eine Frau an dem Brunnen gesehen hatte, die da was herumgemacht hatte?“
- „Ne, mit mir redete der doch nur das allernötigtste.“
- „Na, immerhin glaubt er jetzt auch, daß dort alles in Ordnung ist, bin ich was froh, dauernd lag er mir in den Ohren, daß dort ein Mensch in den Brunnen gefallen sei.“
- „Ach Quatsch, und wie sollte dann der Deckel darüber gekommen sein, ist doch alles Einbildung.“

- „Und hier, in der scharfen Kurve ist es wohl passiert, daß es den Müller herausgehauen hatte?“, wollte Brause von seiner Kollegin wissen.
- „Ja genau, ich ging dann mit dem guten Stumpf zurück in dessen Haus, ich war total durchnäßt, es regnete in Strömen, und diese Magda gab mir dann sofort trockene Sachen zum Anziehen, also es stimmt schon, man kann sich nur schwer vorstellen, daß die beiden Verbrecher sind.“
- „Komisch ist nur, daß die beiden jetzt wech sind, angeblich, sehen wir `mal, vielleicht sitzen sie ja gemütlich auf dem Sofa und laden uns auf einen Kaffee ein.“
- „Würde ich mir wünschen, wäre die einfachste Variante.“

Als sie in Gangolfs Hof einbogen, fiel ihnen sofort der Gerümpelhaufen in der hintersten Ecke auf.
- „Da hat er wohl ordentlich ausgemistet“, meinte Mauser und Brause sagte:
- „So, dann wollen wir `mal“. Er drückte auf den Klingelknopf, er hörte im Hausflur die Klingel ertönen. Nichts rührte sich, still und verlassen lag das Haus da. Beherzt drückte Brause auf den Türdrücker, er war überrascht, die Tür abgesperrt vorzufinden.
- „Die sind tatsächlich ausgeflogen“, kommentierte er seinen Mißgriff und fuhr fort:
- „Da sieht man `mal, wie wirkungslos diese Ausgangssperre ist, wären die beiden nicht unter Beobachtung, wäre ihr Verschwinden überhaupt nicht aufgefallen, ich möchte wetten, gerade hier auf dem flachen Land rennt doch jeder irgendwo hin, die halten es doch nicht aus in ihren Wohnungen.“

Mauser gab zur Antwort:
- „Ich fürchte, daß die Ausgangssperre ohnehin nichts bringt, genauso wenig wie die Maskerei, denn wenn es erwiesen ist, daß der Virus über das Sperma übertragen wird, was soll das dann alles. Die anständigen Leute werden sich ohnehin nicht im Intimbereich näherkommen, die es unbedingt erleben wollen, die ihre Triebe nicht bändigen können, werden weiterhin Wege finden, es irgendwo heimlich zu treiben.“

„Na ja, angeblich spielen die Aerosole schon auch eine Rolle, daß man sich nicht nur beim Liebesakt ansteckt“, meinte Brause.
„Mag schon sein, beim Küssen und so, aber doch nicht bloß beim sich Anschauen“, entgegnete seine Kollegin. Brause war erstaunt über ihre Haltung, er hatte sie eher als Befürworterin der harten Maßnahmen zur Virusbekämpfung eingeschätzt.
„Sehen wir `mal in der Scheune nach“, schlug Brause vor, „wahr-scheinlich fehlen dort die beiden Boote oder die beiden Fahrräder!“

Brause schob wie selbstverständlich das Tor beiseite, er wußte nicht, daß Gangolf dieses in letzter Zeit absperrte, seit Inge ungefragt ein Kajak herausgenommen hatte. Am Tag zuvor hatte Martina es nicht für nötig befunden, sich die Mühe zu machen, das Tor abzusperren, nach deren Meinung und Absicht würde Gangolf ohnehin nie wieder hierher zurückkehren.

- „Sieh' mal an“, räumte Brause ein, „beides ist da, beide Boote und beide Fahrräder, und auch das Motorrad.“
- „Da hast du dich wohl getäuscht in deiner Einschätzung der Lage“, kommentierte seine Kollegin lächelnd.
- „Und nu?“, wollte Brause wissen.
- „Keine Ahnung, ist doch dein Fall“, schnippte Mauser zurück.
- „Ne du, der Nisselpriem redet sich leicht, dauernd sagte er mir, die Sache mit dem Stumpf sei erledigt, ich soll da nicht weiter herumforschen, jetzt aber soll ich wieder dem nachlaufen, und das mit der Armdran ist aber eindeutig dein Fall, Frau Kollegin, er wollte, daß ich dich deshalb mitnehme, daß du mit der Magda das regelst.“
- „Wir könnten noch einen Blick in die Garage werfen“, meinte Mauser und schritt darauf zu, ohne Brauses Einverständnis abzuwarten. Das Garagentor war verschlossen.
- „Ist zu“, rief sie Brause entgegen.
- „Schau' `mal um die Seite herum, ich glaub', da war ein Fenster“, meinte Brause.
- „Tatsächlich“, entgegnete seine Kollegin, „sag' `mal, woher kennst du dich hier so gut aus?“
- „Ach weißt du, eine ungute Geschichte, vor zwei oder drei Jahren war das, da galt Stumpf als Hauptverdächtiger nach einem Banküberfall, da warst du noch nicht bei uns in Lüggen, also da verfolgte er höchst wahrscheinlich die beiden Bankräuber, die mit Motorrädern geflohen sind und mit vierzigtausend Euro Beute, doch die flogen bei der Verfolgungsjagd durch den Stumpf, oder wer es immer war, aus der Kurve und starben beide, der eine lebte zwar noch und gab an, daß der Verfolger ihm den Rucksack mit dem erbeuteten Geld abgenommen hätte, aber das Geld wurde nie gefunden. Wir drehten damals hier jeden Stein um.“
- „Und warum wurde Stumpf verdächtigt, den Bankräubern gefolgt zu sein und das Geld denen abgenommen hat?“
- „Zeugen sahen ein blaues großes markantes Sportmotorrad, davon gibt es in der Gegend nicht viele, alle anderen hatten ein Alibi, nur Stumpf nicht.“
- „Ah, ich verstehe, aber da war doch neulich was, daß das Geld auf dieser Insel im Röthner See aufgetaucht sei.“
- „Ja, das ist das Verrückte an der Geschichte, zwei Naturforscherinnen vom Umweltamt machten im September oder wann es auch war, Beobachtungen der Zugvögel, die auf der Insel Rast halten auf ihrem Weg von Skandinavien, und dabei beobachtete die eine, Barbara Bär, wie jemand auf der Insel herumschlich und sich in einer Ecke einer Lichtung zu schaffen machte. Die beiden Damen sahen nach und fanden eine Kiste mit vielen Geldscheinen darinnen. Als ich dann mit der Frau Bär dort war, war die Kiste aber leer. Ja, und jetzt kommt das allerhöchste: Die andere Forscherin, Inge Langohr, behauptete dann, von dem Stumpf vergewaltigt worden zu sein auf der Insel.“
- „Ja, den Teil der Geschichte kenne ich“, antwortete Mauser, „und es ist bis heute nicht geklärt, warum diese Langohr allein nochmals zu der Insel ist, und dann Stumpf ihr nach, und dann warst du doch nochmals mit dem Stumpf dort.“
- „Ja, so ist es, und dabei fand ich Langohrs Handy auf der Insel, also alles sehr merkwürdig, was da lief.“

Mauser spähte durch das kleine Seitenfenster und rief:
- „Ja, da steht der Wagen, mit dem hat Stumpf den Kollegen Müller aus dem Dreck gezogen.“
- „Aha, aber ist es dann nicht sehr mehrwürdig, wie die beiden verschwunden sind, die können doch nicht weggeflogen sein, wenn alle ihre Verkehrsmittel noch da stehen.“

Die beiden Polizisten drehten unschlüssig über das weitere Vorgehen eine Runde durch den Hof, sie blieben kurz vor dem aufgetürmten Gerümpel stehen, gingen dann achselzuckend weiter. Schließlich zog Brause sein Handy aus der Jackentasche und rief:
- „Ich ruf' den jetzt einfach `mal an.“
- „Tu' das“, bestärkte Mauser ihn in dessen Absicht. Brause setze seine kurzen Schritte fort, während er das Gerät an sein Ohr hielt und dem Rufton lauschte in der Hoffnung, daß Gangolf abnehmen würde. Mauser blieb indes stehen und betrachtete ihren Kollegen, wie dieser seine langsamen Kreise zog.

- „Guten Tach, hier Polizeimeister Brause, ich möchte gern Herrn Stumpf sprechen.“
'Nanu,' dachte sich Mauser, 'ist schon ein komischer Kauz, wie er sich klein macht, der Polizei-Haupt-Meister. Und komisch auch, daß Stumpf nicht selber an sein Telephon geht.'

Brause schwieg eine längere Zeit, er schien aufmerksam dem Gesprächspartner zuzuhören.
- „Und dann noch `was, kennen Sie eine Frau Armdran, Magda, diese Frau könnte Herrn Stumpf begleiten, wissen Sie davon was?“
Wieder lauschte er angestrengt, blieb schließlich wie angewurzelt stehen und blickte Mauser mit leicht geöffnetem Mund an.

- „Was ist denn geschehen, hattest du ein Gespräch zum Mond?“
- „Ja, so ähnlich“, war alles, was Brause herausbrachte.


193. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 05.08.23 07:23

117

Martina nahm den Schraubenzieher und drehte die Schlauchklemmen auf. Gangolf quittierte umgehend das schmerzhaft in seine Zehen zurückströmende Blut mit einem durch den Knebel erstickten Aufschrei. Ohne Hast entfernte Martina die Drähte, mit denen sie die Schlauchklemmen verbunden und damit die Zehen unbeweglich aneinander und in die Höhe verspannt hatte. Anschließend öffnete sie die Vorhängeschlösser an der Kette, mit der sie den Bauch an das Bett fixiert hatte. Sie zog die vollgesogene Windel von Gangolfs Unterkörper ab und ersetzte diese gegen eine neue.

Gangolf nutze die leichte Entspannung, um seine Arme anzuwinkeln. Seine Hände waren weiterhin an die Kette gefesselt, die jetzt lose an seinen Handgelenken baumelte. Nachdem Martina ihm eine neue Windel angelegt hatte, zog sie Gangolfs Hände auf den Bauch zurück; anfänglichen Widerstand gab Gangolf schnell auf, seine Armmuskeln litten unter der stundenlangen Verspannung und waren zu einer Kraftanstrengung nicht fähig.

Martina fädelte die Bügel der Vorhängeschlösser durch die Kettenglieder; nachdem sie sich vergewissert hatte, daß die Kette wieder unverrückbar-stramm Gangolfs Bauch und Handgelenke festhielt, drückte sie die Bügel in die Schlösser, was diese mit einem charakteristischem Klick-Laut quittierten. Nach vollbrachter Arbeit betrachtete sie zufrieden ihr Werk, ging in das Bad und wusch sich den Schweiß von ihrem Oberkörper; ihre Hose behielt sie an.

Als sie aus dem Bad kam, ertönte der Klingelton eines eingehenden Anrufs auf Gangolfs Smartphone; Martina zog das schmale Gerät aus Gangolfs Jeans, die er über einer Stuhllehne gelegt hatte. Sie erkannte auf dem Display einen bekannten Namen: Brause. Fieberhaft überlegte sie, was sie sagen sollte, sie drückte auf den grünen >Button<, meldete sich jedoch nicht gleich. Erst nachdem sich Brause mehrfach mit einem „Hallo“ gemeldet hatte, antwortete Martina mit verstellter Stimme ein „Hallo“ zurück und imitierte einen slawischen Zungenschlag:
- „Hier spricht Schwester Boschena.“

‚Das klappte ja besser, als gedacht’, freute sich Martina im Stillen, ‚überhaupt klappt alles wie am Schnürchen, Gäng spielt mit, Magda hat sich für immer verabschiedet, von der geht schon `mal keine Gefahr mehr aus, Bettina ist weg, irgendwo hin, weit weg hoffentlich.’

Martina beugte sich über den festgeketteten Gangolf und kratzte diesem gnadenlos mit ihren scharfen Fingernägeln über die Haut. Über die neuerliche Attacke erschrocken grunzte Gangolf in den Knebel, doch blieb ihm nichts anders übrig, als diese schmerzhaften Kratzer auszuhalten.
‚Das muß also doch die Martina sein’, überlegte er sich’, kein Mann käme auf die Idee, sein Opfer mit den Fingernägeln zu kratzen’. Er verstand überhaupt nicht, was mit dieser neuerlichen Schikane bezweckt werden sollte, er konnte sich nicht vorstellen, daß diese Aktion einen Lustgewinn für den Ausführenden darstellen könnte.

Mit neuer Bluse ausgestattet packte Martina ihre Umhängetasche zusammen und stopfte Gangolfs Kleidungssachen in eine weitere große Tasche. Sie schickte sich an, die zum Privatgefängnis umfunktionierte Wohnung zu verlassen. Unter der Tür drehte sie sich nochmals um, überlegte kurz, ging zu ihrem neuen bewegungsunfähig daliegenden Sklaven und nahm diesem den Knebel ab.

Gangolf war überglücklich, als er spürte, wie ihm das überaus lästige Gummiteil aus dem Mund gezogen wurde. Er atmete in kurzen Stößen ein und aus und schluckte erstmals seit Stunden ohne Würgereiz. Als Martina sich bereits wieder an der Tür befand, rief er mit schwacher Stimme:
- „Wasser, bitte Wasser“.

Martina hielt in ihrer Bewegung inne, dachte wiederum kurz nach und ging zurück; in der Küche füllte sie ein Glas mit Wasser und schüttete es Gangolf ohne Vorankündigung in den Mund. Gangolf hustete und prustete, zu überraschend schwappte der Schwall in seine Mundhöhle, um diesen mit bewußten Schluckvorgängen durch die ausgetrocknete Kehle abzuführen.

In der Kaiserswuselhausener Klinik angekommen wuselte sich Martina sofort in die Gynäkologische Abteilung, der diensthabende Arzt wollte sie zu den bereits wartenden Frauen abschieben, doch als Martina diesem ihren Dienstausweis unter die Nase hielt, erfuhr sie umgehend die Bevorzugung einer Angestellten.
- „Soll ich Ihnen eine Kollegin rufen?“, bot der Arzt an, doch Martina winkte ab:
-„Ich nehme an, Sie sehen an mir nichts neues.“

Der Arzt führte Martina in das Untersuchungszimmer, darin er eine gründliche Untersuchung vornahm. Auch die DNA-Spuren unter Martinas Fingernägel wurden sichergestellt.
- „Es war gut, daß Sie sofort hergekommen sind, so können wir alle Spuren gut erfassen“, meinte der Arzt und fuhr nach einer kurzen Pause fort:
- „Ich rate Ihnen sehr, bei der eindeutigen Beweislage Anzeige zu erstatten, auch wenn es sich möglicherweise um einen Bekannten handelt, das will ich jetzt gar nicht weiter wissen, geht mich nichts an, aber wenn Sie es wollen, würde ich die Polizei anrufen.“

- „Meißner, Kriminalpolizei Kaiserswuselhausen“, stellte sich die junge Kriminalpolizistin vor, als diese in der Klinik zu Martina geführt wurde, „Sie kennen den Peiniger namentlich?“
- „Ja, Gangolf Stumpf heißt der“, entgegnete Martina mit pathetischer Stimme, um die Untat des Beschuldigten dadurch hervorzuheben. Die Polizistin zwinkerte mit den Augen, als sie den Namen hörte, Martina entging diese unwillkürliche Reaktion nicht, sie fragte sogleich:
- „Kennen Sie den?“
Leicht irritiert gab die Polizistin zur Antwort:
- „Nein, äh, durchaus nicht, ist halt ein etwas ungewöhnlicher Name, darum bin ich leicht gestutzt.“

'Na, das soll ich dir glauben?', dachte sich Martina, sie freute sich sehr, daß Gangolf offenbar bei der Kriminalpolizei bekannt ist. Die Ärztin fragte weiter:
- „Ist er ein Bekannter von Ihnen, oder woher kennen Sie seinen Namen?“
- „Ja richtig, wir lernten uns vor etwa einem halben Jahr kennen, wir waren sogar im Urlaub zusammen mit zwei weiteren Frauen, -“, Martina stockte kurz, sie bereute, von den beiden Frauen gesprochen zu haben und korrigierte sich, „also wir waren zu zweit, also zwei Frauen, wollte ich sagen, die andere hatte er immer wieder belästigt, und nun kam er auch zu mir und ich konnte mich nicht erwehren, ich hab' ihn gekratzt, so fest ich konnte, aber er ließ sich nicht abhalten.“
- „Sie sind also nicht verheiratet mit ihm?“
- „Nein, wo denken Sie hin, ein gewalttätiger Macho, sobald es nicht nach ihm geht, in seinem Sinne, wird er handgreiflich.“
- „Und da sind Sie mit ihm in den Urlaub gefahren?“
- „Ja leider, da kannte ich ihn noch nicht so genau von dieser Seite, mir tat vor allem die andere junge Frau leid.“
- „Nennen Sie mir ihren Namen?“
- „Ja klar, die hieß Magda Armdran, wir nennen sie Magda, eigentlich heißt sie Marlies.“
- „Haben Sie auch Adressen, von diesem Herrn Stumpf und der Frau, wie hieß sie gleich wieder, sie sprachen in der Vergangenheitsform, haben Sie keinen Kontakt mehr mit ihr?“
- „Früher waren wir sehr eng befreundet, aber seit sie diesen Gangolf kennengelernt hat, waren wir nicht mehr so oft zusammen, sie ist neulich erst zu diesem Stumpf gezogen, nach Wesserbarg, in so einem ganz entlegenen Bauernhof“
- „Gut, Frau Weiß, es freut mich, wenn wir diesen Stumpf überführen können dank ihrer Beweise, gut, daß Sie gleich zur Untersuchung gekommen sind, viele Opfer duschen sich erst `mal alles ab, was natürlich sehr verständlich ist, und kommen oft erst Tage später, dann wird es schwierig, und die meisten Täter kommen davon, daß sie alles leugnen, es sei einvernehmlich gewesen, zumindest am Anfang, oder die Spuren sind alle beseitigt, oder es gab keine Abwehrhandlungen und so.“
- „Danke, Frau Meißner, es freut mich auch, wenn Sie den d'rankriegen!“

Polizeidienststellenleiter Nisselpriem saß mit seinen Kollegen Brause und Mauser in seinem Büro; sie sprachen über das weitere Vorgehen >im Fall Stumpf<. Längst wurde auch von Nisselpriem Stumpf wieder zu einem Fall erhoben; Brause hatte nie damit abgeschlossen, daß das Geld nach dem Bankraub spurlos verschwand und Gangolf für ihn immer noch der Hauptverdächtige war. Erst in letzter Zeit kamen ihn Zweifel, er vermutete jetzt Inge Langohr hinter den Vorgängen.

- „Irgendwie sind die beiden miteinander verbandelt“, mutmaßte Brause, dem einen gehört die Insel, der fährt prompt so ein Motorrad, das nach dem Bankraub gesehen wurde, die andere besucht die Insel als Naturschutzfrau, hat plötzlich viel Geld, kauft sich diesen Protzkarren, und dann zeigt sie den Stumpf an wegen Vergewaltigung, irgendwas stimmt da nicht.“

Nisselpriem dagegen empfahl ihm, den Fall als ungeklärt zu den Akten zu legen, zumal es nicht Brauses Aufgabe war, Kriminalfälle zu lösen, er war allenfalls anfangs beteiligt gewesen im Zuge der örtlichen Amtshilfe für die Kriminalpolizei aus Kaiserswuselhausen. Die junge Polizeihauptmeisterin Mauser war sich sicher, daß Inge die Vergewaltigung erfunden hatte, sie hatte Inge fast so weit gehabt, die Verleumdung zuzugeben, schlußendlich blieb jene indes doch wieder bei ihrer Anschuldigung.

Mitten in der Diskussion schrillte Nisselpriems Telephon.
- „Doch nur im Notfall“, rief er in den Hörer, ohne dem Anrufenden die Chance zu geben, den Grund des Anrufes jenem mitzuteilen. Er lauschte noch kurz am Hörer, ob der Anrufer etwas antworten würde, da dieser indes von Nisselpriems barschen Abweisung verunsichert wurde und sich nicht gleich darauf etwas zu entgegnen traute, warf Nisselpriem den Hörer auf die Gabel.

- „Wo sind wir steckengeblieben“, rief er in die Runde, „immer wenn's wichtig wird, wird man durch so einen blöden Anruf gestört, vermutlich wieder irgend so `was wichtiges, daß irgendwo ein Autofahrer beim Falschparken erwischt worden ist.“
- „Wir wissen immer noch nicht, wie wir weitermachen sollen“, ergriff Brause das Wort, „in seinem Hof ist er nicht, sind beide nicht, sein Auto steht in der Garage, auch sein Motorrad, die Fahrräder, die Boote.“
- „Wir melden das jetzt einfach an die Kriminaler in Wuselhausen, sollen sich doch die `was einfallen lassen“, meinte Nisselpriem, „also, auf geh'ts, oder haben Sie noch `was, Frau Mauser?“

Diese verneinte, und damit verabschiedeten sich die drei Polizisten. Brause hielt Mauser die Tür auf, als sie auf dem Flur hinausgetreten waren, kam Polizeiobermeister Müller auf sie zu:
- „Ich warte hier jetzt schon `ne Viertelstunde vielleicht, aber egal, was habt ihr denn so geheimes da drinn' beim Chef zu reden gehabt?“
- „Was, du standest die ganze Zeit hier draußen und hast auf uns gewartet“, wunderte sich Mauser, „wärst du doch hereingekommen.“
- „Ne, du, so wie der mich gleich angeblafft hat, nur im Notfall ihn anzurufen und so, also da geh' ich doch nicht zu ihm hinein, wenn ich ihn nicht `mal anrufen darf.“
- „Und was gab es denn, was du ihm sagen wolltest?“, fragte Brause.
- „Die aus Wuselhausen haben angerufen, der Stumpf wurde angezeigt wegen Vergewaltig-“
- „Na, das wissen wir doch schon lange“, fiel ihm Brause in's Wort,“ deshalb waren wir draußen bei ihm, und du warst doch auch schon bei ihm, und da hat er dich aus dem Graben gezogen, der Verbrecher“.
- „Olaf, laß' das, es reicht“, zischte Kollegin Mauser, „laß' ihn doch `mal ausreden, erst kommt er nicht beim Chef zu Wort, und jetzt fährst du ihm auch noch dazwischen!“

Für einige Sekunden schauten sich die drei abwechselnd an, dann brummte Brause:
- „Also was ist jetzt, was wolltest du uns sagen?“
- „Die Kollegen von der Kriminalpolizei in Kaiserswuselhausen haben angerufen, hier, vor `ner halben Stunde vielleicht, oder noch kürzer, und da sagte der eine, dieser Stumpf, bei den wir waren, der wegen Vergewaltigung verdächtigt wird, also der hat jetzt wieder eine begangen, also gegen eine Frau, so vergewaltigt eben.“

Brause und Mauser blickten Müller erstaunt an, nachdem die beiden nichts entgegneten, fühlte sich Müller genötigt, weitere Erläuterungen zu geben:
- „Also wie ich das verstanden habe, soll der Stumpf wieder eine Frau genommen haben, und die hat den dann angezeigt, also das wollte ich euch bloß schnell sagen, und das Beste ist, das war die Frau Weiß, das war doch die...
- „Wow, das ist ja echt eine Neuigkeit“, rief nun Mauser hastig dazwischen, „da müssen wir gleich nochmal `rein zum Chef, komm' mit“, forderte sie ihren Kollegen auf.
- „Ne, ne, grüßt' ihn von mir, wenn er mich nicht `mal am Telephon zuhört, was ich ihm sagen wollte, also ihr wißt es jetzt.“

Müller drehte sich um und ließ seinen Kollegen, seine Kollegin zurück. Diese machten lange Gesichter, als sie das Gehörte reflektierten. Ohne Anklopfen brauste Brause in Nisselpriems Büro zurück, dieser schreckte leicht auf und rief:
- „Was gibt’s denn noch, Olaf, daß du so hereinbraust, habt ihr da draußen ein Gespenst gesehen?“
- „Ja, in der Tat, ein ganz blasses noch dazu, das verschreckt gleich wieder das davongeflogen ist, weil es so Angst vor dir hat.“

Nisselpriem verstand nur Bahnhof, Mauser klärte ihn auf. Bestürzt starrte der Chef auf die Schreibtischplatte und stammelte schließlich:
- „Das hab' ich nicht gewollt.“
- „Na, dann geh' aber dann `mal zu ihm `runter und sprich mit ihm, der Müller hat zwar in letzter Zeit viel Mist gebaut, aber so brauchst du ihn auch nicht zu behandeln, der war ja völlig verschreckt.“

Mauser ergriff das Wort und fragte:
- „Das haben wir noch gar nicht besprochen, Olaf, hat diese tschechische Krankenschwester gesagt, wie das heißt, das Krankenhaus, also der Ort, wo dieser Stumpf im Koma liegt?“
- „Nein, als ich sie fragte, sie konnte immerhin gut deutsch, ob sie `was von einer Magda gehört hat, die Herrn Stumpf begleitet haben könnte, da brach das Gespräch ab, seitdem ist Stumpfs Handy nicht mehr erreichbar.“
- „Ein Fall für die Nachverfolgung, die Kriminaler werden das schon herausfinden, sollte der aus dem Koma erwachen und wieder nach Deutschland zurückkehren, wird der gleich verhaftet werden, nehm' ich an, aber wartet `mal, ich ruf' gleich `mal in Wuselhausen an, das will ich jetzt genauer wissen.“

Brause und Mauser blickten sich vielsagend an, eigentlich wollten sie wieder gehen, nachdem sie ohnehin nichts weiter in dem Fall zu tun hatten, Gangolf bewußtlos in irgend einem tschechischen Krankenhaus, Magdas Aufenthalt genauso unbekannt.
- „Hey Schlauer, alter Freund, ich hörte soeben, dieser Stumpf soll nochmals vergewaltigt haben.“
„ - „
- „Was, diesmal Frau Weiß, ja klar kenn' ich die, die hat mir gegenüber ausgesagt, saß sie dem Stumpf eine Vergewaltigung zutrauen würde, sie kam gerade von diesem weggefahren, da haben wir sie gleich befragt, wie sie den Stumpf einschätzt.“
„ - „

- „Na, Brause, was sagst du nun, was meinen Sie, verehrte Kollegin Mauser: Diesmal kriegen wir ihn, die Weiß war so weise und hat sich nicht gleich alles abgewaschen, sondern eindeutige Beweise mitgebracht, jetzt braucht's bloß noch den DNA-Abgleich mit dem Stumpf, sie fanden die unter den Fingernägeln, sie hatte sich gewehrt, und dann haben sie ihn.“
- „Es gibt einen Spruch über die Nürnberger“, dämpfte Brause den Optimismus seines Chefs, „ kennst du den?“
- „Ne, was?“
- „Die Nürnberger hängen keinen, denn sie hätten ihn.“


































































194. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von Ihr_joe am 05.08.23 21:30


Zitat

… - „Wasser, bitte Wasser“.


Lach, so ging es mir gestern auch … und war auch froh, dass ich welches bekam.

Als hättest Du es gewusst, auch das Kratzen, habe ich erlebt, nur der Grund war ein anderer …

Meine Beine konnte ich zwar nicht, dafür aber meine Zehen bewegen, da irrt der Spion …
… ach nein der Rest ist ganz andersherum

Und damit zu Deinem Werk, anscheinend nähern wir uns langsam dem Ende und ich hoffe, der Plan von Martina scheitert.
Einmal mehr, vielen Dank für die Geschichte, dem Erzähler.

Ihr_joe
195. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 09.08.23 11:46

Da haben wir offensichtlich beide eine Durststrecke überwunden, Du, liebes Sklävlein Joe, das Verlangen nach Wasser, ich jenes nach Kommentaren; und so danke ich Dir, daß Du das wochenlange Schweigen der Leserschaft unterbrochen hast!

Eines muß man Deiner Gebieterin lassen, daß sie anscheinend Deine Kommentare hier nicht zensiert, andernfalls hättest Du wohl nicht der Hoffnung zum Ausdruck verliehen, Martina möge scheitern in ihrer niederträchtigen Absicht.

Was das Ende anbetrifft, so erlebte ich gestern das Ende einer großartigen Erzählung, deren Geschehnisse ein gutes Ende gefunden haben. Muß es eigentlich immer einen guten Ausgang finden?
196. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von modex am 09.08.23 13:58

Dürstender! Mea culpa. Auch ich lese begierig, wenn auch für unseren Helden hoffend, die stets zuverlässig folgenden Kapitel. Weiter vielen Dank - was machen wir alle eigentlich, wenn Finale und Epilog online sind? Aber noch ist Zeit und Hoffnung.
197. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 11.08.23 22:58

"Noch ist Zeit und Hoffnung", das hast Du schön formuliert, lieber Modex, und die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Und was "Ihr alle" eigentlich machen werdet, wenn es mit Epilog und Finale soweit sein wird, da fällt mir die Galeeren-Geschichte von der Annika ein, welche seit Jahren Wellen schlägt und offensichtlich längst nicht in ruhigem Fahrwasser dahindümpelt...


118

Das Schlimmste war für Gangolf der Gedanke, daß sein Stolz gebrochen werden würde. Ihm war klar, daß er schon bald für die kleinsten Gefälligkeiten, die seine Herrin ihm gewähren würde, sich bedanken wird müssen, und sei es nur für einen Schluck Wasser. Er malte sich aus, wie er bestraft werden würde für Nachlässigkeiten, er machte sich keine Illusionen mehr über sein zukünftiges Dasein, welches er ab jetzt fristete.

Martina war zu weit gegangen, als daß sie einen Rückzieher machen könnte, das wurde Gangolf immer bewußter, es gab für sie keinen anderen Weg mehr, sie wird ihn ununterbrochen gefangen halten müssen, ohne jedwede Kontaktmöglichkeiten, ohne Aussicht auf Flucht.

Immer wieder überdachte Gangolf seine Situation, ob es doch noch einen Ausweg gäbe, daß zumindest die schlimmsten Qualen aufhörten. Er müsse sich fügen, überlegte er, er müßte ihre Spielchen mitmachen. Das mit dem Knebel war ihre fürchterlichste Waffe. Kaum hatte er sich einmal nicht für einen Schluck Wasser bedankt, hing der dicke Gummizapfen für Stunden in seinem Mund; unverrückbar-unausdrückbar blähte sich dann durch das Aufblasen diese Maulbirne auf und spreizte Gangolfs Kiefer schmerzhaft auseinander; röchelnd würgte er den Schleim in die ausgetrocknete Kehle.

Bettina erwirkte für den Tag ihres Umzugs von Laukuv in das nördliche Brandenburg eine Ausnahmegenehmigung, die ihr das Autofahren an diesem Tag erlaubte. Immer und immer wieder rief sie Gangolf an, an seinem Festnetzanschluß wie an seinem Mobiltelephon, doch dieser nahm den Anruf nie an. Als die Möbelpacker schließlich alle ihre Habe in dem Umzugswagen verstaut hatten, warf sie den Schlüsselbund mit den Schlüsseln der Wohnung und des Kellerabteils auf den Flur und zog die Wohnungstür zu.

Sie hätte sich gerne von ihrem Vermieter persönlich verabschiedet, doch durfte dieser wegen der Ausgangssperre nicht kommen. Sie hätte sich auch von Martina verabschieden wollen, ihrer langjährigen Wohnungs- und Liebespartnerin, doch waren beide nach dem gemeinsamen Quarantäneaufenthalt unter widerlichsten Bedingungen in dem engen Wohncontainer dermaßen in Streit geraten, daß Martina seit Wochen nicht mehr in der gemeinsamen Wohnung in Laukuv war.

'Sie wird schon wieder `mal zurückkommen, sie hat ja noch alle ihre Sachen hier', dachte sich Bettina, 'und da wird sie den Schlüsselbund gleich hier am Boden finden.'

Bettina freute sich auf ihre neue Pfarrstelle, auf einen Neuanfang in ihrem Leben. Sie hatte sich in der letzten Zeit auf das alleine Leben eingestellt, und sie war überzeugt, ab jetzt erst einmal für eine längere Zeit weiter alleine leben zu wollen. Bettina überlegte, von wem sie sich in Lüggen persönlich verabschieden wollte, sie würde gern die für diesen Tag gültige Ausnahmegenehmigung nutzen, auch wenn die Genehmigung nicht für Besuche gedacht war. Ihre Kollegen der Lüggener Kirchengemeinde waren sehr traurig, daß Bettina sie verlassen würde, freuten sich indes über ihren Kurzbesuch, sie wünschten sich einander alles Gute und Gottes Segen.

Schließlich unternahm Bettina einen letzten Anrufversuch bei Gangolf; als er wieder nicht annahm, beschloß sie, dennoch zu ihm nach Wesserbarg hinauszufahren, in der Hoffnung, ihn doch noch dort vorzufinden oder zumindest eine Nachricht zu erhalten, wo er sei. Sie wollte sich nicht nur von ihm verabschieden, sondern gerne die Fahrzeuge tauschen; so sehr sie sich an die Bequemlichkeit von Gangolfs Golf gewohnt hatte, so gerne wollte sie doch ihr vorbildliches Öko-Auto zurück haben, den Tausch rückgängig machen, der sich durch die Urlaubsfahrt ergeben hatte.

'Ach, war das eine schöne Zeit mit Gangolf', dachte sie zurück, 'wenn nur nicht diese dämliche Quarantäne gewesen wäre, an der Grenze zu Österreich, sechs Wochen lang mit Martina eingesperrt in der engen Bude, diese Sadistin, die ihre devote Magda so vermißte.'

Als Bettina die Dorfstraße in Wesserbarg entlang fuhr, stand Peters Vater vor dem Haus und unterhielt sich über die Straße hinweg mit seinem Nachbarn gegenüber.
- „Das geht hier zu wie auf der Autobahn“, schimpften beide, „von wegen Ausgangssperre, seit der Fremde da draußen ist, stündlich will da jemand hin zu ihm.“

Schon von Ferne sahen und hörten sie Bettina heranfahren; der Nachbar zückte sein Smartphone und schoß ein Photo von dem Golf, was Bettina peinlich bemerkte. Sie verlangsamte ihr ohnehin niedriges Tempo und betrachtete die beiden Dorfbewohner links und rechts der Straße mit schuldbewußter Miene. Als sie an ihnen vorüber war, photographierte der Mann von der rechten Straßenseite nochmals das Auto von hinten.

- „So, den zeig' ich jetzt an, das schicke ich jetzt gleich zur Polizei, denn das war jetzt der Fremdling selber mit seinem Golf!“
-„Na, da bin ich nicht so sicher, da saß doch eine Frau d'rinn“, meinte Peters Vater, „aber hast`te recht, egal, ich verpfeif' ja niemand' sonst, aber das muß `mal aufhören hier, wer da alles kam in der letzten Zeit, der Baulaster mit den Betonringen d'ruff, mein Peter wäre bald verrückt worden wegen dem verdammten Brunnen, den sich der da draußen gegraben hatte.“
- „Ja, Max schon auch, die meinten, da ist einer r'injefall'n und hätte ordentlich jeschrien', aber sach' `mal, du hast doch da nachjeseh'n, war da wirklich nichts d'rin, Max sagt, da lag so'n Stoffsack oder wat.“
- „Ach jetzt fang' nicht du ooch noch an, ja und selbst, wenn in dem blöden Sack wer d'rinne steckte, was soll's, dann waren wir jedenfalls schon zu späte, der lebte jedenfalls nimmer, ist halt so.“

Sein Gesprächspartner gegenüber sagte nichts weiter dazu, ihm kamen indes Zweifel:
'Sollten die Jungen doch recht haben, daß sie einen Schrei hörten?', machte sich der Mann Gedanken, 'die sind doch nicht blöd und behaupten einfach so eine gruselige Geschichte. Und da sind dauernd die vielen Autos, die da hinausfahren, sogar ein Polizeiauto war dabei, also da stimmt wat nich'!'
Er hob die Hand als Abschiedsgruß und schlappte wortlos in sein Haus.

Bettina war enttäuscht, daß sie niemand in Gangolfs Anwesen angetroffen hatte, auch keine Nachricht vorfand. Sie gestand sich ein, daß es auch nicht anders zu erwarten gewesen wäre, nachdem Gangolf nicht an's Telephon ging. 'Irgend was stimmt da nicht', mutmaßte sie, 'er kann doch gerade jetzt bei der absoluten Ausgangssperre nicht einfach spurlos verschwunden sein.'

Sie ging zur Garage, probierte an dem Tor, doch es war verschlossen. Unschlüssig ließ sie ihren Blick über den Hof schweifen, sie beschloß, in der Scheune nachzusehen, ob sein Motorrad da stünde. Tatsächlich fand sie dieses einträchtig neben den Fahrrädern und Booten stehen. 'Sehr seltsam', dachte sie erneut, 'selbst wenn er zu einem Spaziergang unterwegs ist, hätte er doch, wie sonst immer, sein Handy dabei.'

Als sie zurückging, bemerkte sie den aufgeschlichteten Gerümpelhaufen in der hinteren Ecke des Hofs.
'Da hat er ja ordentlich ausgeräumt', kam es ihr in den Sinn, 'der hat halt auch immer `was zu tun, auf so einem alten Hof wird es wohl nie langweilig'. Dann fiel ihr Blick auf das Seitenfenster der Garage. Sie schaute hindurch und sah mit einem Anflug von Wehmut ihr schnuckeliges Elektrogefährt, das sie gerne gegen den Golf eingetauscht hätte, so praktisch dieser Diesel-Kombi auch war.
- „Nun ja, es ist nicht aller Tage Abend, und wenn dieser Virus-Wahnsinn vorüber ist, komm' ich sofort her“, sagte sie sich.

- „Dieser Stumpf ist da!“, frohlockte Müller, als er das Kennzeichen in den Computer eintippte und Gangolf als Fahrzeughalter ausmachte. Brause griff sofort zum Telephon und versuchte jenen anzurufen. Wieder erhielt er keine Verbindung, er versuchte es auch auf dem Festnetz, erfolglos.
- „Das find' ich sehr aufmerksam von den beiden im Dorf, daß die das beobachtet haben und auch gleich gemeldet, komm', wir fahren da gleich `mal `raus!“

Brause verständigte Nisselpriem, der nicht sehr überrascht wirkte.
- „Wird halt wieder aus seinem Koma erwacht sein“, kommentierte er trocken, „aber ja, gut, fahrt hinaus zu ihm und nehmt ihn gleich fest.“

Die beiden Dorfbewohner hatten wieder ihre Gesprächs- und Beobachtungsposten eingenommen und sie freuten sich, daß ihre Langeweile erneut durch ein Fahrzeug durchbrochen wurde.
- „Sieh' mal, jetzt kommt da wieder `n Streifenwagen, ja meine Fresse, wat hat der Kerl da draußen alle anjestellt.“

Sein Gesprächspartner wandte sich gleichfalls der Geräuschquelle zu. Zu ihrer Verwunderung hielt das Polizeiauto an, Brause rief durch das Seitenfenster dem rechtsrandigen Beobachter zu:
- „Juten Tach, war'n Sie dat, mit den Bildern von dem Golf, oder ihr Kumpel da gegenüber?“
- „Ja, war ich, aber Sie kommen zu spät, der ist schon wieder abjehau'n“
- „Wat?“
- „Jouh, `ne Viertelstunde später kam der wieder hier zurückjefahren, aber da saß eine Frau d'rinn, mehn ich, die Sonne blendete so, kann man nicht gleich so sagen, sehen ja alle gleich.“
- „Da fuhr eine Frau mit?“ erregte sich Brause und freute sich, auf diese Weise auch eine Spur von Magda erhalten zu haben.
- „Nee, die fuhr nicht mit, die fuhr allehne.“
- „Wat', die fuhr allehne, dat wird ja immer schöner.“
- „Der hat halt den Karren ohsjeliehen“, mischte sich Peters Vater von der anderen Straßenseite ein.

- „Schönen Tach“, wünschte Brause, „danke, also, Müller, fahren wir wieder.“
Beinahe hätte er Müller ermahnt, vorsichtig den Feldweg entlangzufahren, doch er dachte an Mausers Schimpfe, er möge nicht so nachtragend sein und seinem Kollegen das Mißgeschick ständig wieder aufzuwärmen. Müller schickte sich an, das Fahrzeug zu wenden. Brause rief:
- „Was hast du denn vor, fahr' doch weiter!“
- „Na dem natürlich hinterherfahren!“
- „Nichts da, hast ja gehört, da ist eine Frau zurückgefahren, der Stumpf ist dann ja wohl bei sich da hinten. Nun fahr' schon weiter, aber schön langsam, du weißt schon.“

'Verdammt', verfluchte sich Brause selber', jetzt ist es mir doch herausgerutscht, er sprach weiter:
- „Und außerdem kommen wir der Lady, so es eine überhaupt war, ohnehin nicht mehr nach, ist ja schon minutenlang her, daß die zurückgefahren ist, und wir wissen nicht `mal, ob sie links oder rechts auf die Bundesstraße eingebogen ist.“
- „Aber dann gib' doch `mal `ne Meldung heraus“, entgegnete Müller, „stehen doch überall so Condoma-Posten herum.“
- „Condoma-Posten, das ist gut, ja, du hast recht, mach' ich gleich.“

Brause und Müller fanden den Hof verlassen vor, alles stand genauso da, wie bei Brauses letztem Besuch, auch das rote Auto stand artig in der Garage. Gerade als sie wieder wegfahren wollten, erhielt er über Funk die Meldung, daß alles rechtens sei, bei der Fahrerin handelte es sich um eine Pfarrerin mit Ausnahmegenehmigung wegen ihres Umzugs, die den Golf Kombi von Stumpf ausgeliehen hatte. Sie hatten bereits vor längerer Zeit die Fahrzeuge getauscht, und sie wollte den Golf zurückbringen, fand Stumpf jedoch nicht vor. Sie kannte zwar die gemeinsame Bekannte Magda, wußte aber über deren Verbleib ebensowenig wie über Stumpfes.

- „Zurück auf Null“, kommentierte Brause das Gehörte, „ist der also doch mit der Magda durchgebrannt, in die Tschechei. Wird schon wieder `mal aufwachen aus dem Koma.“

Was Brause natürlich nicht ahnen konnte: Gangolf würde nur liebend gern aus seinem anscheinend ewig währenden Alptraum aufwachen.

198. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 18.08.23 20:07

119

Gangolf hatte das Gefühl für Tag und Nacht vollkommen verloren, für ihn war immer Nacht. Eingehüllt in eine Maske aus dickem schwarzen Gummi, das den Kopf vollständig umgab, ließ Gangolf seine Augenlider stets geschlossen in der Hoffnung, dadurch die Pupillen von dem Druck des spannenden Gummis zu schützen; mit dem Verlust des Sehens ging der Verlust des Zeitgefühls einher.

Gangolfs Hände waren an die Kette um den Bauch gefesselt, selbst wenn er seinen Rücken stark krümmte, gelang es ihm allenfalls, sein gummiertes Kinn mit den Fingerspitzen zu fassen. Nur für die Verrichtung der Notdurft kettete Martina ihn kurzzeitig los, sie führte ihn in das Badzimmer, wo er sich wie ein Blinder zu der Schüssel tastete.

An Widerstand war in diesen wenigen kurzen Momenten nicht zu denken; zum einen war Gangolf durch die mangelhafte Ernährung sehr geschwächt, zum anderen waren Arme und Beine durch die stundenlange Fesselung steif, so daß er Mühe hatte, sich auf den Beinen zu halten. Darüber hinaus erstickte das Wissen um Martinas Kräfte jedweden Gedanken an Widerstand oder Flucht.

An die durchgängige Fesselung von Händen und Füßen hatte sich Gangolf einigermaßen gewöhnt, er hatte sich auch damit abgefunden, auf dem Boden auf einer kratzigen Decke zu liegen; was ihm indes ständigen Schmerz bereitete waren die Ohrhörer, die durch das spannende Gummi der Kopfhaube weit in den Gehörgang eingedrückt wurden. Neben den Ohren bildete seine gesamte Gesichtshaut eine einzige Quelle des Schmerzes; der ständige luftdichte Kontakt zu dem drückenden Gummi rief einen unablässigen Juckreiz hervor.

Eines Tages, oder war es eines Nachts, als Gangolf nach der Verrichtung seiner Notdurft zu seiner auf dem Boden ausgebreiteten Decke zurückgeführt wurde, verzichtete Martina auf die Ankettung seiner Hände; diese waren zwar weiterhin aneinander gefesselt, jedoch ohne Verbindung zu der Bauchkette.

'Sollte das ein Versehen sein', überlegte Gangolf und wartete neugierig, was weiter geschehen würde. Die fistelnde Computerstimme rieß ihn aus den Gedanken:
- „Maul auf“.

Gehorsam öffnete Gangolf den Mund, was durch die eng anliegende Gummimaske nicht ganz einfach gewesen war. Er fürchtete, den vermaledeiten Gummiknebel in den Rachen geschoben zu kriegen, doch dieses Mal handelte sich um eine Gummiteil, das breiter war und nur wenige Zentimeter in die Mundhöhle eingeschoben werden konnte.

- „Lutschen“, fauchte die sphärische Stimme in den Ohrhörern. Gangolf wußte mit diesem Imperativ nicht fiel anzufangen, er preßte das fremdartige Gummiteil mit den Lippen zusammen und saugte daran. Auch ließ er seine Zunge das Ding in kreisförmigen Bewegungen betasten; nicht daß er damit in irgend einer Weise Erfahrungen gehabt hätte, dennoch kam es Gangolf in den Sinn, daß es sich um einen sogenannten Dildo handeln könnte, ein Sex-Spielzeug, das vor allem Frauen zu verwenden pflegten, um sich damit zu befriedigen.

Wieder wurde Gangolf aus seinen Überlegungen gerissen, als die Stimme befahl:
- „Zubeißen.“

Gangolf schloß den Kiefer, er spürte, wie die Zähne sich in den Gummi festbissen und diesen etwas zusammendrückten. Schon erscholl die Stimme:
- „Fester“.

Gangolf schluckte und preßte die Zähne zusammen, so fest es ihm die Kaumuskeln ermöglichten. Seine Zunge bemerkte, daß sich in dem Gummi etwas leicht bewegte. Nochmals bellte die Stimme: „Fester“, gleichzeitig erfolgte ein schmerzhafter Tritt in Gangolfs Unterleib. Er schlug die Zähne in den Gummi, bis ihm nach einer Weile die Kiefermuskel schmerzten und er die Beißkraft wieder verringern mußte. Das rätselhafte Gummiteil wurde mit einem Ruck aus seinem Mund gerissen, Sekundenbruchteile später erhielt er erneut einen kräftigen Tritt in den Unterleib, was Gangolf mit einem kräftigen Aufschrei quittierte.

- „Leg' dich auf den Rücken“, herrschte die Computerstimme Gangolf an, und ehe er dem Befehl folge leisten konnte, wurde sein Kopf äußerst unsanft nach unten gedrückt. Anschließend fühlte Gangolf, wie seine Hände an der Verbindungskette nach oben und dann nach hinten über seinen Kopf gezogen wurden; er lag auf diese Weise gestreckt der Länge nach auf dem Boden.
- „Und so bleibst du liegen, sonst gibt’s Dresche!“, erscholl die künstliche Stimme in seinen schmerzenden Ohren.

Gangolf freute sich, auf diese Weise seine Glieder zu strecken, doch seine Freude währte nur kurz: Martina setze die Sohle ihres Schuhs auf Gangolfs Bauch und steigerte die Belastung auf den Fuß. Gangolf gelang es, die Bauchmuskeln anzuspannen, um dadurch einen Gegendruck aufzubauen. Noch waren seine durch das Rudern trainierten Bauchmuskeln stark, doch war ihm vollkommen klar, daß diese neben den Arm- und Beinmuskeln nachlachlassen würden, wenn die ununterbrochene Fesselung und die damit verbundene Bewegungsarmut anhalten würde.

Als Martina auch noch den anderen Fuß auf Gangolfs Oberkörper setzte, wurde es für Gangolf kritisch. Er mußte den Atem anhalten, da Bauch und Brustkorb von Martinas Gewicht zusammengedrückt wurden. Martina hatte ihrerseits Not, sich aufrecht zu halten, der schwankende Untergrund unter ihren Füßen nötigten sie, sich mit den Händen an der Wand abzustützen. Gangolf mußte sich schwer beherrschen, seine Hände vom Kopf hervorzuholen, instinktiv wollte er die Ursache der Erdrückung zu fassen kriegen.
'Sonst gibt’s Dresche', kam ihn die Drohung in den Sinn, und so biß er die Zähne zusammen und meisterte klaglos die Tortur.

Martina verschonte auch nicht Gangolfs Glied, auch dieses diente der strengen Herrin als Fußabstreifer.
'Wäre sie nur nicht so brutal, könnte man fast Lust kriegen', überlegte sich Gangolf, und er dachte an die Qualen, die Magda unter Martinas Fuchtel aushalten hatte müssen.
'Und ich hab' die noch auf dem Motorrad mitgenommen, wir kamen uns dabei so nah', sinnierte Gangolf, '>wilde Fegerin< hatte sie sich selbst betittelt, und jetzt so `was.'

Als schwachen Trost bemerkte Gangolf, daß der Schmerz seiner entzündeten Ohren übertönt wurde durch die Belastungsstöße, die er auf seinem Leib aushalten mußte.

- „Eigentlich macht er das schon gut“, sagte sich Martina und zog sich einen Stuhl heran, auf welchen sie sich setzte. Sie massierte mit den Schuhen Gangolfs Glied, doch nach den durchlittenen Qualen blieb dieses schlaff zwischen den Füßen eingeklemmt hängen; hingegen erwartete Martina, das es durch die eingehende Behandlung wie ein Pfeil nach oben ragen würde.
Verärgert über Gangolfs Unfähigkeit, zog sie die Beine zurück, versetzte dabei Gangolfs Rippen einen kräftigen Tritt und zog seine Hände wieder nach vorn und fixierte diese mit einem Vorhängeschloß an die Bauchkette.

Gangolf war enttäuscht; nachdem er klaglos alle Schikanen über sich ergehen hat lassen, erhoffte er sich als Belohnung eine Erleichterung seiner Gefangenhaltung. Die Enttäuschung währte nur kurz; zu Gangolfs großer Überraschung erscholl die Computerstimme mit der Aufforderung, sich aufzusetzen.

Artig gehorchte Gangolf, Martina griff den an der Rückseite der äußeren Hülle der Kopfmaske angebrachten Reißverschluß und zog ihn auf. Der leichte Überdruck zwischen äußerer und innerer Hülle entwich, anschließend öffnete Martina auch den Reißverschluß der inneren Hülle und schälte Gangolfs Kopf aus dem Gummi. Gangolf schlug die Augen auf und sah nichts als mehr oder weniger starke Grauschattierungen. Während er erschrocken über diese Wahrnehmung nachdachte, ob er blind geworden wäre, zog Martina die Ohrhörer aus Gangolfs Gehörgängen; sie ging dabei nicht vorsichtig vor, so daß die geschwollene und zum Teil bereits entzündete Haut im Gehörgang aufgerissen wurde und leicht zu bluten begann.

Mit schmerzverzerrtem Gesicht saß Gangolf da in der Ungewißheit, wie es weitergehen würde. Zum einem freute er sich, daß ihm die sinneraubende Kopfhaube abgenommen worden war, indes ereilte ihn die Panik, daß er durch den tagelangen Einschluß in jener blind geworden wäre und auch das natürliche Gehör verloren hätte. Verängstigt blickte er um sich; aus der Küche drang durch den Türspalt gleißend helles Licht.

Jetzt begriff Gangolf, daß seine Augen durch die lange Dunkelheit überempfindlich für Lichtreize geworden waren, im Laufe der Minuten gelang es ihm, Einzelheiten in dem abgedunkelten Zimmer zu erkennen. Er atmete auf, als er Geräusche aus der Küche wahrgenommen hatte, somit schien ihm auch das Gehör geblieben zu sein. Nach einiger Zeit gewahrte er schemenhaft die ausgetretenen Chucks von Magda, und er wußte, was ihm Martina in den Mund gesteckt hatte.

Je intensiver die Beziehung zu Amalia wuchs, desto lästiger wurde Martina ihr Sklave Gangolf. Freilich reagierte sie sich regelmäßig an ihm ab, wenn sie nach einem anstrengenden Tag als Krankenschwester ein gewaltiges Aggressionspotential mit nach Hause brachte und dieses an Gangolf entlud.

Gangolf fürchtete sich, wenn es dunkel wurde und mit Martinas Rückkehr zu rechnen war, andererseits war ihm die Abwechslung in dem tristen Dasein willkommen, so schmerzhaft sie auch war. Meistens erhielt er gewaltige Fußtritte, seltener griff seine Herrin einen Stock und schlug ihn damit. Mit strenger Fesselung war Gangolf völlig wehrlos der Willkür ausgeliefert; neben den Tritten und Schlägen fürchtete er die Metallklammern, die Martina häufig auf seine Brustnippel anbrachte. Die Zähne der Klammern bissen sich äußerst schmerzhaft in das empfindliche Fleisch, sie hinterließen unansehnliche Narben. Nach diesen Torturen betastete Gangolf die gepeinigten Stellen mit seinen üblicherweise stets kalten Händen in der Hoffnung, dadurch Linderung an den glühenden Wunden zu erlangen.

In Amalia fand Martina die ideale Partnerin; diese vereinigte in sich Bettinas erotische Sinnlichkeit und Magdas devote Grundeinstellung. Martina erkannte im Wesen ihrer neuen Partnerin, warum sie Magda und darnach Gangolf so malträtieren mußte: Beide hatten die Fähigkeit, starke Schmerzen auszuhalten, so daß Martina immer heftiger werden mußte, um von ihrem Opfer entsprechende akustische Reaktionen zu erhalten; Amalia indes schrie bereits bei kleinen Quälereien auf, was Martina meistens schnell genügte und in ihr befriedigende Lustgefühle der Überlegenheit und Macht hervorrief.

Darüber hinaus war Amalia als Buchhalterin nicht philosophisch-theologisch durchdrungen, ihre Sichtweise der Dinge war für Martina in angenehmer Weise nüchterner, allerdings auch nicht wieder so dumpf wie jene von Magda, mit der sie sich über das Essenkochen unterhalten konnte.

Da Gangolf nicht aufbegehrte, gewährte Martina diesem im Lauf der Wochen immer weitere Bequemlichkeiten; so konnte er dank einer längeren Kette selber in das Bad gehen, durfte sich duschen, wobei stets viel Wasser aus der Kabine spritze, da die Plastiktür einen Spalt offen blieb in der Breite der langen Kette, welche seine Hände und Füße umschloß und an dem eingemauerten Haken in der Ecke des Zimmers endete.

Gangolf bekam zunächst Bücher und Zeitschriften, um die lähmende Langeweile einzudämmen, schließlich stelle Martina ihm sogar einen alten Computer auf den Boden neben seiner Liegedecke. Es gab allerdings keinen Internet-Anschluß, so daß ihm ein Kontakt zu der Außenwelt weiterhin unmöglich war.

Gangolf vertrieb sich die Zeit mit den Filmen auf CDs, die Martina ihm von Zeit zu Zeit mitbrachte, und für diese er sich stets artig bedankte, immer unter der Furcht, sie könnte die Erleichterungen rückgängig machen und somit die öde Langeweile zurückholen, die ihn beinahe um den Verstand gebracht hatte.

Martina machte sich ernsthaft Gedanken, wie sie Gangolf loswerden konnte. Dieser lebte zwar weitgehend pflegeleicht in Magdas vormaliger Wohnung, während sie mit Amalia in der großen Wohnung in Laukuv residierte. Sie fand es trefflich, daß Bettina nach der Rückkehr aus der gemeinsamen Quarantäne bald ausgezogen war und sie somit über deren Zimmer verfügen konnte, das anschließend Amalia bezog.

Mit Magda war es einfacher, diese war derart devot veranlagt, daß sie nicht nur Martinas Sadismus ertrug, sondern auch vollkommen zufrieden ihre Zwei-Zimmer-Wohnung, die sie nur zum Einkaufen verlassen wollte. Zudem war sie durch die elektronische Fußfessel ohnehin genötigt, sich im Stadtbereich von Lüggen aufzuhalten, ein Umzug oder gar Wegzug war damit so gut wie unmöglich gewesen.

Mit Gangolf war das ganz anders, Martina war sich sicher, daß dieser jede Möglichkeit der Flucht wahrnähme, die sich ihm böte. Sie hatte deshalb in weiser Voraussicht beizeiten die alte einfache Wohnungstür durch eine massive einbruchshemmende Sicherheitstür ersetzten lassen mit mehrfachen Sicherheitsriegeln. Zudem hatte sie die alten Fenstergriffe gegen absperrbare auswechseln lassen.

'Eigentlich ist für alles gesorgt', überlegte sich Martina, die Lagerräume unter der Wohnung wurden aufgegeben, für wenig Geld konnte sie diese mieten, so daß ihr Gefangener sich nicht durch Stampfen oder Schreien hätte bemerkbar machen können. Zudem wurde er nackt gehalten, seine Kleidung hatte sie bereits am ersten Tag seiner Einlieferung in das Privatgefängnis in einen Altkleider-Container geworfen, als sie auf dem Weg zur Untersuchung in die Kaiserswuselhauser Klinik war.

Sollte es Gangolf irgendwie gelingen, sein Gefängnis zu verlassen, was nach menschlichem Ermessen unmöglich erschien, müßte er splitternackt hinauslaufen; in den durch die allgemeine Ausgangssperre menschenleeren Straßen fände er bei niemanden Gehör.

Die Schallschutzfenster ließ Martina stets abgeschlossen. Dennoch befiel sie leichtes Unbehagen bei den Gedanken, daß Gangolf irgendwann einmal zu einem Arzt gehen muß, wenn ihre Kenntnisse als Krankenschwester nicht mehr ausreichen würden, ihn zu behandeln, oder wenn er seine Zahnschmerzen nicht mehr aushielte und zum Zahnarzt müßte.

Die Condoma-Epidemie schwächte sich im Lauf der Wochen allmählich ab, erste Maßnahmen zur Eindämmung wurden aufgehoben. Martina beschloß, Gangolf in der Tschechei 'zu entsorgen'; sobald die Grenzen wieder frei passierbar sein würden, würde sie Gangolf in ihren Lada verfrachten und in einer einsamen Gegend irgendwo in den menschenleeren Schluchten des Erzgebirges absetzen. Niemand würde ihm dort seine Geschichte abnehmen, diese war zu unglaubwürdig: Eine deutsche Krankenschwester habe ihn über Monate gefangen gehalten und nun hunderte Kilometer entfernt splitternackt ausgesetzt. In der Zwischenzeit würde sie die Wohnung gekündigt haben, alle Spuren beseitigt, die einen Hinweis auf die Verwendung als Gefängnis geben könnten, insbesondere die dicken eingemauerten Haken entfernt.

Eine weitere Lockerungsmaßnahme der Freiheitsbeschränkungen im Zuge der Condoma-Epidemie betraf die Fahrschulausbildung für Motorräder; während die Ausbildung für Autofahren weiterhin untersagt war, durfte die Motorradausbildung wieder stattfinden. Martina meldete sich an, sie hoffte, aufgrund der fast gänzlich leeren Straßen einfache Voraussetzungen für die Fahrprüfung vorzufinden. Sie vermißte das Motorradfahren mit Gangolf; jetzt wollte sie das Fahren lernen, zum einen, weil sie damit unabhängig von diesbezüglichen Mitfahrgelegenheiten werden würde, zum anderen entsprach es ihrer dominanten Natur, daß sie anschaffte, wohin die Reise führen würde. Amalia freute sich bereits, mitfahren zu dürfen, sie malte sich lustvoll aus, ihrer Partnerin hintenaufsitzend hilflos ausgeliefert zu sein.

Als sie ihre Prüfung schließlich bestanden hatte, bat Martina ihren Fahrlehrer, eine gemeinsame Fahrt als Abschluß ihrer Ausbildung zu unternehmen; dieser schaute sie zunächst verdutzt an, doch als sie ihm klarmachen konnte, daß sie einfach eine Mitfahrtgelegenheit benötigte, um nach Wesserbarg zu gelangen, da sie ein Motorrad gekauft hätte und das dort zur Abholung in einer Scheune stand, willigte er ein.

Auf dem holprigen Feldweg zu Gangolfs Hof fluchte er leise vor sich hin und hätte sich eine Enduro gewünscht, ein geländegängiges Motorrad. Martina hatte neben der Bescheinigung der soeben bestandenen Prüfung auch den fingierten Kaufvertrag mit Herrn Stumpf dabei; die Fahrzeugpapiere mußte sie erst noch in den Unterlagen im Haus suchen. Gerne hätte sie sich auf die selbe Art Gangolfs Golf unter den Nagel gerissen, doch diesen benutzte immer noch Bettina, während deren Elektroauto weiterhin in Gangolfs Garage stand.

Ihr Herz schlug höher, als sie Gangolfs Rennmaschine aus der Scheune schob. Daß ihr Herz das Schlagen aufhören würde als Spätfolge wegen dieses Motorrads, das hätte sie nie im Leben gedacht.

199. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 25.08.23 22:44

120

Im Kriminalfall >Stumpf< gab es weiterhin keinerlei Spuren, einzig einen vagen Ansatzpunkt für die Ermittlungen: Brauses kurzes Gespräch mit einer Krankenschwester Boschena. Doch ehe diese mitteilen konnte, in welchem Krankenhaus der tschechischen Republik Gangolf im Koma läge und ob Magda bei ihm sei, brach das Gespräch vermutlich wegen leeren Akkus ab.

Ein Kriminaltechniker ermittelte zwar, daß Gangolfs Handy zuletzt im nördlichen Stadtbereich von Lüggen in das Netz eingeloggt gewesen war, doch wurde diesem Sachverhalt keine Bedeutung beigemessen. Zu eindeutig war Brauses Aussage gewesen, daß die Frau zwar durchaus ein gutes Deutsch sprach, die typische slawische Lautfärbung des zum ä neigenden e und die Betonung auf der ersten Silbe war indes unverkennbar.

Der Fall >Stumpf< erhielt dadurch internationales Ausmaß, Kommissar Schlauer schaltete das Landeskriminalamt ein, dieses das Bundeskriminalamt, welches Kontakt mit den tschechischen Behörden aufnahm. In der gesamten Republik konnte indes kein Stumpf ausfindig gemacht werden, es war auch kein Deutscher in irgend einem Krankenhaus in Koma gelegen.

Schlauer hielt engen Kontakt mit dem örtlichen Polizeirevier in Lüggen, Brause kamen erste Zweifel, ob die Frau vielleicht eine gute Schauspielerin war und eine falsche Spur in die Tschechei legte.
Die Polizisten beschlossen, Fahndungsplakate zu erstellen, alle Bewohner entlang der Dorfstraße von Wesserbarg wurden aufgesucht mit der Bitte, die Augen nach Herrn Stumpf und Frau Armdran offen zu halten.

- „Ja, ja, der Fremde“, erkannten die Dorfbewohner sofort die abgebildeten Fahrzeuge, Auto wie Motorrad. Peter lauschte hinter der Tür; als er hörte, daß die blaue R1 >des Fremden< gesucht wurde, kam er in das Zimmer hereingerannt und sprudelte los:

- „Das hab' ich gesehen“, rief er atemlos, „vorgestern oder vorvorgestern kam er vorbeigebraust, viel schneller als sonst, sonst fuhr der immer sehr langsam da an den Häusern vorbei.“

Peters Vater wollte seinen Sohn maßregeln, weil er nicht artig den Herrn Polizeihauptmeister begrüßt hatte, sondern ungefragt hereingeplatzt war, doch Brause richtete sogleich eine Frage an den Jungen:
- „Ist dir dabei etwas aufgefallen, war irgend was ungewöhnlich, warum er so schnell fuhr, ist jemand hinten mitgefahren?“
- „Nein, also ja“, kam Peter in's Stottern, „also zuerst, bevor er vorbeikam, ist ein anderes Motorrad hinter gefahren, die waren zu zweit, und ich glaub', der da hinten d'rauf saß, der ist dann zurückgefahren mit der R1.“
- „Gute Beobachtung, mein Junge“, lobte Brause, „wie heißt du denn?“
- „Peter.“
- „Sehr schön, Peter, und sach' `mal, ist der erste Motorradfahrer dann mit dem zweiten zurückgefahren?“
- „Nein, den hatte ich nicht mehr gesehen.“
- „Dann müßte dieser Motorradfahrer mit seinem Motorrad also noch da hinten geblieben sein, in dem Hof des Stumpf.“
- „Ich hab' aber nicht dauernd aus dem Fenster geguckt, vielleicht hab' ich ihn übersehen.“
- „Ja, das ist möglich, also vielen Dank erst einmal für deine Beschreibung“, und an Peters Vater gewandt fuhr er fort:
- „Und ruft sofort an, wenn ihr ihn oder jemand anders da hinter fahren seht, dieser Stumpf ist seit Wochen verschwunden, vermutlich untergetaucht, um einer Festnahme zu entgehen, wahrscheinlich in Begleitung mit Frau Armdran.“

Auch alle anderen Bewohner entlang der Hauptstraße des Dorfes, welche die einzige Zufahrtsstraße zu Gangolfs Anwesen bildete, waren von der Aussicht angetan, erstmals in ihrem Leben in einem Kriminalfall mitzuwirken.

- „Das mußt du gleich dem Kommissar sagen“, entgegnete Peters Mutter, als Peter noch eine Einzelheit zu den Motorrad-Beobachtungen eingefallen war, „am besten, du bleibst gleich vor der Haustür stehen und wenn der Kommissar zurückkommt, dann springst du auf die Straße und hältst ihn an.“
- „Aber das darf man doch nicht, wegen der Ausgangssperre.“
- „Du hast ja recht, Peter, aber in dem Fall ist das anders, ich glaube, das ist ganz wichtig, was du dem Kommissar zu sagen hast und da darfst du freilich kurz auf die Straße hinaus.“

Peter begab sich sofort auf den Beobachtungsposten vom dem Haus, prompt hörte er bald, wie das Auto des Kommissars auf der Dorfstraße zurückfuhr. Hurtig sprang er auf die Fahrbahn und winkte. Brause hielt an, ließ das Fenster der Beifahrertür herunter und rief hinaus:
- „Was gibt’s denn?“
- „Mir ist noch `was eingefallen“, rief Peter aufgeregt in das Auto hinein.

Brause schaltete den Motor aus und forderte ihn auf:
- „Na dann komm' herein und setz' dich neben mich.“

Für Peter war es der Höhepunkt seines bisherigen Lebens. Er durfte in einen Streifenwagen einsteigen und der Wachtmeister hörte aufmerksam zu, was er zu sagen hatte.

- „Also der Fremde, den alle hier so nennen, der mit der blauen R1, also der fährt ja normalerweise immer sehr langsam da vorbei.“
- „Das hast du schon gesagt.“
- „Ja, und der hat immer so einen blauen Motorradanzug an und auch einen weißen Helm mit blauen Streifen, sogar blaue Handschuhe und Stiefel mit blauen Streifen.“
- „Ja und, war das neulich anders?“
- „Ja, ganz anders, der hatte irgend so eine dicke schwarze Jacke an und auch einen ganz anderen Helm auf, weiß nicht mehr so genau, aber halt in einer ganz anderen Farbe.“
- „Hm“, entgegnete Brause und setzte eine nachdenkliche Miene auf, „und da bist du dir ganz sicher?“
- „Ja“, rief Peter aufgeregt, etwas nervös, weil ihm der Wachtmeister offenbar nicht sofort glaubte, „fragen Sie Max, der wohnt gleich da drüben.“
- „Ich glaub' dir ja, Peter, doch, das hilft uns sehr weiter, denn dann hat ja wahrscheinlich dieser Herr Stumpf, den ihr als den Fremden bezeichnet, das Motorrad gar nicht selber gefahren.“

Peter lief in das Haus zurück, aufgeregt berichtete er seinen Eltern und seiner Schwester, daß ihn der Wachtmeister gelobt hat für seine Aussage.

---

- „Olaf, weißt du eigentlich, daß du schon ein Viertel Jahr in Pension bist?“, wiederholte sich Nisselpriem.
- „Und du weißt, daß ich erst aufhöre, wenn ich weiß, was mit dem Stumpf wirklich los ist, der Fall scheint ja immer verworrener zu werden.“

Brause hatte am Ende seiner Dienstzeit Waffe und Ausweis abgegeben, seine Uniform durfte er behalten, und auch sein Schreibtisch stand ihm weiterhin zur Verfügung, ohne daß darüber eine Vereinbarung getroffen worden wäre.
- „Und da gab es also keine Veränderung außer dem fehlenden Motorrad?“ fragte Nisselpriem.
- „Nein, wir müssen da `rein, könnte doch sein, daß der da seit Wochen tot d'rinn' liegt.“
- „Du weißt, die Hürden für einen Durchsuchungsbeschluß sind mittlerweile sehr hoch. Aber vielleicht kannst du ja `mal so hineinschauen, also du weißt schon, ich brauch' mich nicht näher ausdrücken. Außerdem bist du nicht mehr im Dienst, und somit wird es allein dein Privatinteresse, da drinn' nachzusehen.“
- „Machen wir es so“, einigten sich die beiden ehemaligen Kollegen.

- „Ach, und noch `was“, rief Nisselpriem, als sich Brause bereits erhoben hatte, um das Chef-Büro zu verlassen, „warst du auch bei dem Haus von der, wie hieß sie gleich nochmal?“
- „Bei der Armdran, ja, aber da wohnt niemand mehr, kein Schild am Klingelknopf, die Rollos waren alle zugezogen.“


---

Gangolf saß mit angezogenen Knien in dem ihm zugewiesenen Winkel. Die Kette, die ihn mit dem Haken an der Wand verband, war in ihrer Länge so bemessen, daß es ihm möglich war, das Badezimmer zu betreten; bis zur Zimmertür, die zugleich die Wohnungstür bildete, konnte er nicht gelangen, auch nicht zu den beiden Fenstern, die sich in der gegenüberliegenden Wand befanden.

Gangolf hatte unendlich viel Zeit zum Nachdenken. Er malte sich aus, was er tun wird, wenn der Wahnsinn hier beendet sein würde: Er würde als erstes nach Grausneg fahren, dort in der Kirche Orgel spielen, dann natürlich ausgiebige Paddeltouren mit seinem geliebten Rennkajak unternehmen, schließlich zählte er im Geiste auch sein etwas in die Jahre gekommenes Motorad auf.

Als ihm die schönen Gedanken an die angenehmen Dinge des Lebens schwanden, packten ihn wieder die Gewissensbisse wegen den toten Bankräubern. Er sagte sich zwar immer wieder, daß diese selbst schuld waren, in wahnsinniger Fahrt zu zweit auf dem Motorrad in halsbrecherischem Tempo davonzujagen, während er diese mit dem Rennmotorrad verfolgte. Mit Schaudern kamen ihn die Bilder vor Augen, als er deren Motorrad im Gebüsch liegen sah.

- „Ich hätte den verdammten Rucksack mit dem Geld von dem Bankraub nicht an mich nehmen dürfen“, klagte Gangolf sich selber an, „das brachte nur Unglück: Ich hätte diese Inge nicht kennengelernt, sie hätte mich nicht der Vergewaltigung bezichtigen können.“

Dann fiel ihm wieder ein, wie er Martina kennen gelernt hatte, >wilde Fegerin sucht Soziaplatz< annoncierte diese in einer Motorradzeitschrift, „und ich Esel bin der natürlich gleich auf den Leim gegangen, und jetzt hält sie mich gefangen als Kettensträfling, als Sklaven, den sie hemmungslos nach Belieben mißhandelt.“

Schließlich kam ihm Magda in den Sinn, die unsäglich devot veranlagte Frau, die jetzt tot in seinem Brunnen lag.
'War sie denn überhaupt tot?', kam es ihm plötzlich in den Sinn, 'Martina kam auf die Idee, in dem verdammten Brunnen nachzusehen, in welchem sie Magda da gefunden hatte, wie sie sagte.'

Gangolf klammerte sich an den neu entdeckten Strohhalm:
'Vielleicht hatte Martina ihn angelogen, vielleicht lebte Magda noch, ich könnte mir vorstellen, daß diese in ihrer Verrücktheit sich eine Trinkflasche mitgenommen hatte, warm eingepackt in dem Neoprenanzug, mit den wasserdichten Trekking-Stiefeln, ja, das muß es sein, sie muß einfach noch leben!'

Der Gedanke an die lebende Magda tröstete Gangolfs aufgewühltes Gemüt, was ihn indes erschreckte war die Tatsache, daß anscheinend niemand hier nach ihm suchte.
- „Es ist doch Magdas Wohnung, die von der Martina bezahlt wird, warum sieht da der dicke Brause nicht nach? Der Sender hier ist auch weg, also müßten die doch von der Überwachungsstelle Alarm schlagen, daß Magdas Fußfessel kein Signal mehr sendet, ich versteh' das alles nicht mehr.“

Gangolf ärgerte sich darüber, daß er noch kurz vor seiner Gefangennahme Magda auf Brauses Geheiß umgemeldet hatte, was per >online< problemlos funktioniert hatte.

Brause fuhr mit einem alten Kumpel zu Gangolfs Hof hinaus; der ehemaliger Schlossermeister, seit Jahren im Ruhestand, zierte sich anfangs und schob die allgemeine Ausgangssperre vor, daß er nicht mitkommen dürfte.
- „Zier' dich nicht“, rief ihm Brause zu, „Kalle, das ist ein dienstlicher Auftrag, wenn du dich weigerst, du weißt, ich hab `ne Pistole.“

Kalle blickte ihn erschrocken an, im ersten Augenblick wußte er nicht, ob der alte Brause scherzte oder ob es ihm Ernst war, doch dann bemerkte er, daß das gar nicht sein konnte:
- „Wo hast `te denn dehn Halfter, ham' s'e dir abjenommen, wat, du kannst ja gar nich' mehr schießen!“

Die beiden Männer lachten, Kalle stieg in's Auto. Kaum waren sie durch Wesserbarg hindurchgefahren, läutete pausenlos das Telephon in dem Lüggener Polizeirevier. Das halbe Dorf meldete das durchfahrende Auto; es handelte sich zwar nicht um eines der gesuchten Fahrzeuge, doch alle Anrufer beteuerten, lieber einmal eine Meldung zuviel abgeben zu wollen, als eine zu wenig.

- „Warum seid ihr auch nicht mit `n Streifenwagen gefahren“, schnautze Nisselpriem, als er Brause am Telephon hatte.
- „Bin doch kehn Polizist mehr“, konterte Brause, muß ja jetzt alles mit mehm eigenen Karren fahren.“

Schlossermeister im Ruhestand Kalle benötigte fast zehn Minuten, bis er endlich das Schloß zu Gangolfs Haus geöffnet hatte.
- „Ich warte in deinem Wagen“, brummte er, betätigte den Türdrücken und stieß die Haustür auf.
- „Kommt nicht in Frage“, entgegnete Brause unwirsch, „ich brauch' dich zum suchen!“
- „Wonach suchst du denn?“
- „Nach `m Motorrad-Anzug, wehst `t schon, so ganz aus Leder, blau, und `m Helm, weiß mit Streifen.“
- „Und wo sollen wir den finden, dat Hoos ist groß!“
- „Fang' schon `mal hier an, ich geh' hoch in den Oberstock.“

Kaum war Brause die Stiege hinaufgekeucht, rief ihm sein Freund nach:
- „Olaf, kannst`te gleech wieder komm', dat Ding hing gleech hier an `ner Stange und seen Helm liecht hier uff der Kommod'.“
- „Also ist der Stumpf gar nicht mit seiner Maschine abgehauen“, resumierte Brause.
- „Der kann ja mal wat anderes anjehabt haben“, wendete Kalle ein.
- „Nee, du, die Kinder sachen die Wahrheit, der fährt sonst auch viel vorsichtiger, da ist wer anders mit seiner Maschine losgedonnert, dat sach' ich dir.“

Als die beiden auf den Hof hinaustraten, sagte Kalle:
- „Und nu', bleibt jetzt die Tür einfach offen?“
- „Ach so, ja, einfach nur zuziehen is' hier nicht“, pflichtete ihm Brause bei, „der hat ja so `nen normalen Türdrücker auch nach außen, keinen Knauf.“

Die beiden Männer kamen überein, den Türdrücker abzumontieren; zwar könnte ein Einbrecher dann einfach mit einem eigenen Türdrücker und der dazugehörigen Achse kommen und diesen einfach in das Vierkantloch hineinschieben, doch erschien ihnen dieses Vorgehen als unwahrscheinlich.

Zurück im Lüggener Polizeirevier bat Nisselpriem Brause sogleich zu sich.
- „Olaf, die Sache mit dem Motorrad von deinem Stumpf hat sich bereits geklärt.“
- „Aha, und wie, wurde er gesichtet?“
- „Nicht er, sondern sie: Die Martina Weiß, sie holte das Motorrad ab, sie hatte das von dem Stumpf abgekauft.“
- „Was?“, rief Brause erstaunt auf.
- „Ja, schon länger, als er noch da war, doch sie konnte erst jetzt die Führerscheinprüfung ablegen, damals durfte noch keine Fahrschulausbildung sein.“

- „Ja, ja, das verdammte Condoma“, seufzte Brause, „aber sag' `mal, wie kommt denn deiner Meinung der Stumpf dazu, seine Maschine zu verkaufen, ausgerechnet an die Frau, die er vergewaltigt hatte?“
- „Der Verkauf war vermutlich schon vorher, könnte ich mir denken, ja und die Weiß sagte, er wollte sich in Polen oder in der Tschechei oder Slowakei oder so wo eine neue Maschine kaufen; die Importe aus Japan wären in den Ländern billiger.“
- „Aha“, kommentierte Brause das Gehörte und legte eine kurze Denkpause ein, bevor er fortfuhr:
- „Dann könnte es also stimmen, daß da eine Krankenschwester Boschena an sein Handy ging, als ich versuchte, ihn anzurufen.“
- „Ja genau“, antwortete Nisselpriem, „und da hat es ihn bei der Rückfahrt geschmissen, daß er bewußtlos in ein Krankenhaus kam. Und diese Armdran war vermutlich auch mit dabei. Und das würde auch erklären, daß alle seine Fahrzeuge noch da standen, er ist wohl mit dem Zug dort hin gefahren, um mit dem neuen Motorrad zurückzufahren.“
- „Klingt irgendwie logisch“, stimmte Brause zu, „und das hat also diese Krankenschwester Weiß gesagt.“
- „Ja, so ist es. Und jetzt laß' uns hier unsere Arbeit machen, wir haben jede Menge mit der Überwachung der Anti-Condoma-Maßnahmen zu tun.“
- „Ich werd' mich `mal an die Weiß daran hängen, kommt mir irgendwie seltsam vor, einfach zu stimmig die ganze Geschichte.“
- „Tu, was du nicht lassen kannst, Olaf, es ist deine Freizeitangelegenheit, ich würde dir aber empfehlen, die Finger aus dem Spiel zu lassen, der Fall >Stumpf< ist einfach zu spitz, als darin herumzustochern, überlaß' das `mal getrost den Experten in Wuselhausen.“

Als Martina am späten Abend wieder nach Gangolf sah, um diesem ein kärgliches Mahl vorzusetzen, das sie aus der Küche des Krankenhauses mitgebracht hatte, beschloß Gangolf, jene nach Magda zu fragen. Seit Wochen hatte er seine Stimme nur noch für die unausweichlichen Schmerzenslaute benutzt, für das Stöhnen und Wimmern, er war überrascht, wie ihm seine eigene Sprache fremd geworden war:

- „Martina, jetzt sag' mir bitte nur ein's: Lebt die Magda noch?“





200. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 01.09.23 19:00

121

An diesem Morgen kam es ihm vor, daß Martina irgendwie in einer besonderen Eile war, geradezu in wilder Hast: Kaum daß sie ihm, wie auch sonst üblich, die Trinkflasche und eine trockene Semmel auf den Boden geworfen hatte, stürzte sie wortlos hinaus und knallte die Haustür hinter sich zu. Doch schon wenige Augenblicke später schwang die Tür wieder auf, die Herrin stürmte schnaubend herein, raffte von dem Tisch ihre Handtasche, die sie liegengelassen hatte, und eilte in gleicher Weise wieder davon, ohne ihn nur eines Blickes zu würdigen.

Nachdem es für einige Minuten still geblieben ist, wagte Gangolf seinen Kopf zu heben und seinen Blick durch das von der Morgensonne schwach erleuchtete Zimmer schweifen zu lassen. Und da gewahrte er es, er mußte zweimal hinsehen, um es zu begreifen: Seine Herrin hatte ihr Smartphone liegen lassen!

Wie ein Blitz durchzuckte ihn nur der eine Gedanke: Jetzt war der Fall eingetreten, den er sich schon lange aus dem Kopf geschlagen hatte, die große einmalige Chance, telephonieren zu können, um dem elendigen Sklavendasein ein Ende zu bereiten. Kurz haderte er mit sich, ob er es wirklich tun sollte, doch dann streckte er die Beine aus, soweit es die Ketten erlaubten, und tatsächlich gelang es ihm, mit den Zehen ein Tischbein zu berühren.

Plötzlich überkamen Gangolf Skrupel, ob er sich trauen sollte, das Handy zu erheischen, denn die Konsequenzen wären fürchterlich, wenn die Herrin ein weiteres Mal zurückgekehrt wäre, um nach der vergessenen Handtasche nun auch das Gerät zu holen.

Er malte sich im Geiste die Strafen aus: Dunkelhaft, Hunger, Dauerbeschallung mit schmerzhaften Sirenentönen, dann natürlich das übliche Auspeitschen und all die anderen schrecklichen Foltermethoden zur Bestrafung des Versuchs, an ein Telephon heranzukommen, für dieses Kapitalverbrechen, das einem Fluchtversuch gleichzusetzen wäre.

Gangolf kam es in den Sinn, sich rasch entschließen zu müssen, es gab nur zwei extreme Alternativen: Entweder wartete er noch einige Minuten, gar eine Viertel Stunde, um sicherzugehen, daß Martina nicht nochmals zurückkehren würde, um ihr Smartphone zu holen, auf diese Weise würde er sodann in aller Ruhe telephonieren können, allerdings mit der Möglichkeit, daß sie während der Wartezeit doch zurückkäme, ihn zwar in Ruhe ließe, indes wäre die Chance dann vergeben. Oder er handelte sofort auf die Gefahr hin, bei dem Versuch, das Handy zu erlangen, auf frischer Tat erwischt zu werden mit allen Konsequenzen...

Gangolf beschloß, sofort zu handeln: Das Handy im Blick, die wohl einmalige Chance zu ergreifen, jetzt oder nie, das Sklavendasein gegen das Gefängnis einzutauschen. Mit aller Kraft streckte er die Füße, die schweren Schellen schnitten in das Fleisch der Unterschenkel, doch er ignorierte den Schmerz, mit äußerstem Willen drückten sich die großen Zehen Millimeter um Millimeter um das quadratische Tischbein herum.

Als die Zehen jeweils eine Seite des Tischbeins berührt hatten, versucht er, die Zehen so fest es ging an das Holz zu drücken und seine Knie sodann anzuwinkeln, um das Tischbein auf diese Weise zu sich herzuziehen, indes gelang es nicht: Der Tisch war zu schwer, die Zehen rutschten ab, ohne daß sich der Tisch auch nur einen Millimeter bewegt hätte.

Frustriert starrte er auf seine Füße, schier fassungslos saß er da, für einige Sekunden wie gelähmt. Dann faßte er den Entschluß, die Schellen um seine Füße mit den Händen so weit wie möglich nach oben über das Schienbein zu schieben, um wertvolle Millimeter an Bewegungsradius zu gewinnen. Tatsächlich gelang es ihm, trotz seiner gefesselten Hände, die mit Handschellen nahe an seinen Bauch befestigt waren, die Eisenringe einige Zentimeter weiter in die Waden zu drücken.

Mit pochendem Herzen streckte er wieder die Beine durch, erreichte mit den Füßen das Tischbein und jetzt gelang es ihm, mit den großen Zehen das Holz wie mit einer Zange zu umklammern, so daß sich die Zehen vorne berührten.

Mit größter Anstrengung schaffte er es, den Tisch ein bißchen in seine Richtung zu bewegen, doch nach wenigen Sekunden mußte er den rechten Fuß zurückziehen, ein wahnsinniger Schmerz durchzuckte den gesamten Unterschenkel, der Fuß verkrampfte, er mußte die mühsam hinaufgeschobenen Schellen von der Wade auf die Knöchel zurückstreifen und den Fuß anwinkeln, um den Krampf abklingen zu lassen.

Schnell zog er auch das linke Bein zu sich heran, denn sollte in dem Moment die Herrin hereinstürzen, darf nichts darauf hindeuten, daß er den Versuch unternommen hatte, ihr Smartphone zu erangeln.

Glücklicherweise blieb es an der Haustür still, der Schmerz ließ nach und Gangolf drückte wieder die rechte Fußschelle so weit wie möglich auf die Wade, um einen neuen Versuch einzuleiten, den Tisch zu sich herzuziehen. Tatsächlich gelang es ihm nun, mit einem beherzten Ruck das Tischbein um mehrere Zentimeter zu bewegen. Nach diesem kleinen Erfolg zog er seine Füße wieder an sich heran, um die Fußeisen von den Waden herunterzuziehen, denn nun mußte er nicht mehr um jeden Zentimeter Bewegungsfreiheit geizen, den die Fußketten hergaben.

Beim dritten Anlauf gelang es ihm, das Tischbein soweit zu sich zu ziehen, daß er nun mit den beiden Fersen das Holz umklammern konnte und auf diese Weise bewegte er kraftvoll den Tisch. Er zog ihn bis auf etwa einem halben Meter heran, zog seinen rechten Fuß ganz zu sich zurück, hob das Bein, bis der Fuß auf der Tischplatte zu liegen kam. Vorsichtig ertastete er mit den Zehen das Smartphone, schob es bis zur Tischkante, gab ihm einen festen Stoß, es fiel in einem leichten Bogen herab, flog auf seine Brust, so daß er es schließlich mit den Händen auffing.

Mit zitternden Fingern umfaßte Gangolf das Gerät, nach mehrfachen Herumdrücken erreichte er schließlich das Notfall-Menü. Er atmete schwer ein und aus, rekapitulierte nochmals das Geschehen, wie alles ganz harmlos begonnen hatte, wie das Spiel aus Lust und Leidenschaft eine Eigendynamik entwickelt hatte, wie es aus dem Ruder gelaufen war.

Mit pochendem Herzen drückte er sodann wild entschlossen die drei Nummern auf die Mattscheibe, die er bis dahin noch nie in seinem Leben gewählt hatte :


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201. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von M A G N U S am 08.09.23 23:33

EPILOG


Die Anklage gegen Inge Langohr wegen verleumderischer Falschaussage in einem schweren Fall wurde fallen gelassen. Keine Condoma-Therapie schlug bei ihr an, so daß ihr zwangsweise ein aus China importierter Anti-Condoma-Keuschheitsgürtel verpaßt wurde. Der zu Korrosion neigende Stahl führte neben den bereits geschädigten Geschlechtsorganen zu schweren Eiterungen der Schamlippen; nach langem schmerzhaften Leiden erlag sie der Krankheit. Am Sterbebett erleichterte sie ihr Gewissen und gab die Verleumdung zu.

Gegen Martina Weiß wurde nie Anklage erhoben; die Klinikleitung bewirkte nach Intervention des Gesundheitsministeriums bei der Staatsanwaltschaft, auf eine Anklageerhebung zu verzichten, um nicht den dringend benötigten Dienst einer erfahrenen Krankenschwester zu gefährden. In Folge eines schweren Motorradunfalls erlitt sie mehrfache komplizierte Knochenbrüche und innere Verletzungen, an denen sie nach langem qualvollen Leiden starb. Sie beichtete ihrer früheren Lebenspartnerin Körperverletzungen und schwere Freiheitsberaubung; obwohl sie nie einer Religionsgemeinschaft angehörte, bewirkte die Partnerin eine kirchliche Bestattung nach evangelisch-lutherischem Ritus.

Gangolf Stumpf wurde wegen zweifacher Vergewaltigung und Freiheitsberaubung mit Todesfolge verurteilt. Das Gefängnis, in welches er eingeliefert wurde, nahm an einem Modellversuch mit gemischter Belegung teil. Ein Justizvollzugsbeamter äußerte Bedenken bei der Einlieferung des Verurteilten aufgrund dessen Straftaten; die weiblichen Häftlinge wurden daraufhin verlegt. Dank des Engagement eines pensionierten Polizeihauptmeisters beantragte die Staatsanwaltschaft ein Wiederaufnahmeverfahren aufgrund neuer entlastender Aussagen der vermeintlichen Opfer.

Die diesbezüglichen Informationen erreichten den Inhaftierten nicht mehr, er erhängte sich kurz vor Eröffnung des Wiederaufnahmeverfahrens in der Zelle. Er betonte stets seine Unschuld, zuletzt in dem hinterlassenen Abschiedsbrief, ihm wurden Hafterleichterungen versagt, da er sich weigerte, an Therapieprogrammen teilzunehmen, die für Sexualstraftäter angeboten wurden. Zudem litt er unter den Repressalien der Mitgefangenen.

Der Inhaftierte erhielt nie Besuch eines Geistlichen, da jener keine entsprechende Anträge stellte. Somit wurde der Freitod ohne nähere Betrachtung der Umstände als grundloser Selbstmord bewertet, eine Bestattung nach kanonischem Recht der römisch-katholischen Kirche blieb damit verwehrt. Die Vergewaltigungsopfer wurden aus dem Vermögen des Täters entschädigt, die Getötete wurde auf Kosten des vermeintlichen Täters exhumiert und bestattet.


R. I. P.


202. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von Ihr_joe am 09.09.23 13:20

Ein schnelles, happiges Ende, Du hattest es ja schon angekündigt, dass es kein glückliches werden würde.

Was schreibt man bei 4 Toten? Aber ja, so spielt das Leben, äh nein der Autor.

Ruhe in Frieden!

Danke für die gesamte Geschichte
Ihr_joe
203. RE: DER SCHREI AUS DEM BRUNNEN Ein erotischer Kriminalroman zu Zeiten des Condomaviruses

geschrieben von folssom am 24.09.23 22:49

Hallo M A G N U S,

nach 121 Folgen und somit über 2 Jahre guter Unterhaltung, hat mich das plötzliche Ende doch überrascht.

Es fehlt etwas am Freitagabend.

Aber ich möchte nicht vergessen, mich für deine tolle Geschichte bei dir zu bedanken.

Freundl. Gruß
204. RE: Schwanengesang

geschrieben von M A G N U S am 05.10.23 21:13

Es wird Zeit, mich von der Leserschaft zu verabschieden; mein Dank geht zurück für die Begleitung im Geiste, welche ich zu verspüren wähnte, wann immer ich eine Fortsetzung hier veröffentlicht hatte, namentlich an Sarah, Joe, Modex und an die vielen stillen Leser, verteilt über die weiten Gebiete unseres Sprachraums.

Mein Dank gilt auch den Betreibern dieses Forums, die durch ihr Engagement die Entfaltung unserer bizarren Gedankenwelt ermöglicht; mögen noch recht viele anregende Geschichten folgen, das wünsche ich uns allen,
Magnus.


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