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eröffnet von prallbeutel am 25.12.17 11:42
letzter Beitrag von prallbeutel am 08.08.23 19:00

1. Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 25.12.17 11:42

Hier entsteht die Neuauflage meiner Geschichte "Das Reich der Megara". Sie wurde von mir überarbeitet und erweitert.
2. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 26.12.17 15:11

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DAS REICH DER MEGARA



„Mir gelüstet nach einer Mahlzeit!
Diener, bring mir einen Kelch Rotwein und einen Jüngling -
den Rebsaft meine Kehle zu kühlen,
den Burschen meinen Appetit zu befriedigen.“

Megara



I.


Es war einmal...
... ein großes Reich auf einem sonnigen Kontinent, in dem gebot eine wunderschöne, aber zugleich grausame und machthungrige Königin. Nach ihrer pompösen Krönung verdoppelte sie die Steuern des nun gebeutelten Volkes und führte ein scharfes Regiment mit ihren willfährigen Schergen. Einige Jahre zuvor war ihr wackerer Gemahl, König Talos III., gestorben, doch von Gram war bei der Regentin keine Spur zu finden. Seit ihrer alleinigen Herrschaft vergnügte sich die Hoheit Megara mit diversen Jünglingen, die gerade erst das Mannesalter erreicht hatten. Seit zwölf Monden verbreitete sich durch Bänkelsänger und Herolde die frohe Kunde im Land, dass Megara offiziell nach einem Gemahl suchte, und hunderte junge Männer machten sich aus dem gesamten Reich auf den beschwerlichen Weg durch Steppen, Schluchten, Gebirge und Wüsten zum Schloss der Herrscherin, um voller Hoffnung um ihre Gunst zu buhlen.

Doch bisher war es niemandem geglückt, die hochnäsige Königin zufrieden zu stellen.
Von einigen Bewerbern hörte man anschließend nie wieder etwas. Die Monarchin ließ zwar durch einen königlichen Sprecher verkünden, dass die jungen Männer mit einem Sack voll Gold in ein fernes Gefilde gebracht würden und dort in Reichtum und Glück lebten, doch im einfachen Volke ging das Gerücht, die unholde Regentin Megara würde die Burschen im großen Kerker des Schlosses gefangen halten. Und mit dem Gerede hatte das Volk gar nicht so unrecht: Die Königin vertrat die Meinung, dass Mannsbilder, die mit ihr das Bett geteilt hatten, kein Recht mehr auf weitere Maiden hätten. So verschloss sie die armen Kreaturen in Keuschheitsgürteln und steckte sie in die unterirdischen und muffigen Verliese, die sich meilenweit in einem finsteren Labyrinth unter dem Schloss und weit darüber hinaus erstreckten und in denen die Fäulnis alles fraß.

Eines Tages hörte auch ein Bauernjunge namens Abas von dem Wunsch der Königin.
Da machte er sich, trunken vor Hoffnung, auf die lange und gefährliche Reise bis zum Schloss der Majestät. Nach vielen Wochen des Marsches kam er nach der Morgenröte an der Feste der Herrscherin an und stellte sich als Anwärter vor. Der Bauernjunge wurde bis zu Megara vorgelassen, nachdem er gemeinsam mit etwa 20 weiteren Jünglingen begutachtet und ausgewählt worden war. Anfangs hatte er mit über hundert anderen erwartungsvollen Männern stundenlang in einer schier endlosen Schlange gestanden, von denen die meisten Jünglinge zu ihrem Verdruss sofort wieder weggeschickt worden waren. Sie würden in der Gosse landen oder den mühevollen Rückweg in ihr Dorf antreten und mit der Schande leben müssen. Die Auswahlkriterien blieben dabei ein Geheimnis des Königshauses.

Nur 20 Jünglinge wurden in die Obhut der obersten Schlossverwalterin gelassen. Mit routinierten Bewegungen sah die groß gewachsene schlanke Dame in edlem Aufputz sich die Zähne und die Zungen der jungen Männer an, betrachtete ihre Muskeln und schließlich noch ihr Gemächt, was den Bewerbern rote Köpfe einbrachte. Dann sortierte sie mit kurzen herrischen Gesten ihrer langen schlanken Finger und nach Gutdünken 15 Personen als unwürdiges Gesindel aus, die von den Wachen mit Schimpf und Schande aus dem Palast gejagt wurden und in einer großen Jauchepfütze vor dem Torhaus landeten. So verdreckt mussten sie gebrandmarkt die Heimreise antreten, während die Wächter schadenfroh grölten und einigen der Erfolglosen stumpfe Pfeile in den Allerwertesten hinterher schossen, um ihre Demütigungen zu vervollkommnen.

Die fünf Auserwählten, zu denen auch der Bauernjunge Abas zählte, wurden gebadet, eingeseift, mit teuren Düften parfümiert und prächtig eingekleidet. Ihre Hoffnung darauf, letztlich der Erkorene zu sein, war zart und fein unter einem Berg aus Angst und Zweifeln vergraben. Die Verheißung auf ein neues Leben. Sie konnten es gar nicht erwarten, endlich die Regentin zu sehen. Und dann kam der große Augenblick: Sie wurden der göttlichen Herrscherin vorgestellt, die in ihrer Thronhalle saß. Hinter ihr hingen kostbare Gobelinstickereien, die die gesamte Wand einnahmen. Der Thron war großzügig mit Gold verkleidet. Auslandende Drachenschwingen bildeten die Rückenlehne. Sieben Stufen, eingefasst mit rotem Webteppich, führten zu ihren Füßen.

Die Jünglinge standen aufgeregt einige Schritt von der Throntreppe entfernt in einer Reihe aufgestellt auf dem kühlen Marmorboden, in den ein riesiger Drudenfuß mit geheimnisvollen Glyphen kunstfertig eingelassen war. Die Tyrannin schweifte nur flüchtig über die Ankömmlinge und zeigte lässig mit der mit vielen dicken Ringen geschmückten Hand auf den zweiten Interessenten von links, als suche sie sich auf dem Markt einen reifen Pfirsich aus dem Korb des Verkäufers aus. Es war ein junger Mann mit lockiger flachsblonder Haarpracht und strahlenden blauen Augen, die nun noch mehr glänzten. Nervös zupfte er mit seinen Zähnen an seiner feuchten Lippe. Sein Herz pochte ihm in der schmalen Brust, die sich vor Aufregung hob und senkte.

Die anderen Vier führte die Palastwache ab. Schwer gerüstete Männer, mit großen kräftigen Körpern und spitzen Lanzen oder scharfen Kurzschwertern bewaffnet, brachten das Quartett mit den hallenden Geräuschen ihrer klobigen Stiefel einen langen Gang entlang und dann tief hinab in die Kellergewölbe unter dem Herrscherhaus. Den Burschen dünkte bereits ein gar grässliches Menetekel: Kerker, Agonie, Richtblock oder was auch immer das grausame Schicksal für sie gesponnen hatte. Abas zitterte vor schwärender Furcht. Die dunkle Umgebung, die nur durch blakende Fackeln an der Wand schwach erleuchtet wurde, das laute schrille Klimpern und Klacken der Rüstungen der Wächter, und die hallenden Geräusche der Schritte, machten ihm Angst. Beinahe überkam ihn vor Aufregung eine Woge der Übelkeit. Doch noch mehr Sorge bereitete ihm die Entscheidung der Königin, die einen anderen Burschen bevorzugt hatte. Was würde nun mit ihm selbst geschehen?

Eine schwere mit Eisen beschlagene Tür wurde kreischend entriegelt, dann trat die Gruppe in einen weiteren Korridor, in dem links und rechts mehrere Zellen hinter dicken Metallgittern lagen. Das Gerücht war also wahr! Abas lief ein eiskalter Schauder den Rücken hinunter. Er würde als keusch gehaltener Sklave enden? Und bevor er weiter denken konnte, öffnete ein Soldat die erste Zelle und schubste Abas hinein. Der Jüngling fiel auf den mit Stroh bedeckten Steinboden und drehte sich um, als der Mann bereits die Gittertür klirrend verschloss. Gegenüber warf er den zweiten Burschen in eine Zelle, und auch die beiden Letzten endeten in weiteren Kerkerräumen. Als die Wächter wortlos den Korridor verließen, waren ihre Schritte hinter der schweren Tür nicht mehr zu vernehmen. Die dicke Pforte schluckte alle Geräusche. Es hing ein eklig süßer Gerüch von überreifem Obst in der Luft. Woher er stammte, konnte der Gefangene nicht ahnen. Abas sah sich in seiner kärglichen Zelle argwöhnisch um: Eine kleine harte Pritsche aus altem Holz bot ihm einen spartanischen Schlafplatz. Sonst enthielt der Raum nichts außer losem Stroh.

Auf der anderen Seite der Zelle war ein kleines Fenster. Vielleicht war Fenster nicht der richtige Ausdruck für die etwa zwei Ellen hohe und handbreite große Schießscharte, aus der in zwei Mann Höhe eine dünne Lanze aus Sonnenstrahl hereinstach, dem einzigen Licht für diesen traurigen Ort. Resignierend sank Abas auf die Pritsche und haderte mit seinem Los. Zu allem Überfluss quietschte eine Ratte in einer der dunklen Ecken - das einzige Geschöpf, das ihm hier noch Aufmerksamkeit zollte. Abas schleuderte seinen Stiefel in Richtung des Nagers, um ihm den Garaus zu machen, doch flitzte der pelzige Vierbeiner zu flink davon, um von dem ledernen Geschoss getroffen zu werden. Der Blick des Gefangenen wurde von einem verbeutelten Zinkkübel angezogen, den er beinahe getroffen hatte. Vermutlich war er für seine Notdurft gedacht.

Einige Etagen über dem düsteren und kargen Kerker feierte die Königin in feinerem Interieur unbeschwert ein rauschendes Fest. An ihrer Seite saß der neu eingekleidete Jüngling mit den goldenen Locken und blauen Augen, berauscht vom schweren Wein, den er zum ersten Mal in seinem jungen Leben genossen hatte. Zwei beeindruckende Buketts aus blutroten Rosen und weißen Lilien, verziert mit weißen Perlen, rahmten die Herrscherin und ihr neues Spielzeug ein. Zahlreiche Diener schleppten große Tabletts mit allerlei Köstlichkeiten heran. Gebratene Fleischsorten türmten sich zu Gemüse und Obst, trefflich Gebackenem, Kelche voller karmesinfarbenem Rotwein wurden geschwenkt und geleert, Spieße mit exotischen Leckereien reichten die Lakaien durch die Reihen. Die Tafel war überfrachtet mit Delikatessen und Labsal. Musiker flöteten und zupften auf ihren Instrumenten, und Feierlaunige tanzten die Pavane in der Mitte des großen Prunksaals und präsentierten dabei ihre kostbaren Roben aus Samt und Seide im mit kunstvollen Mosaiken besetzten Salon.

Das Bankett wurde ausgelassener, die Stimmung der angetrunkenen Edelleute und Mitglieder des Herrscherhauses unbefangener. Ein Hofnarr trat auf und gab artistische Einlagen zum Besten. Dabei ging so manches gewollt schief, und schon hatte er zahlreiche Lacher auf seiner Seite. Der Hofnarr stolperte in eine Schüssel mit einer zähflüssigen Süßspeise und fiel zappelnd mindestens ein halbes Dutzend Mal auf seinen Allerwertesten, wobei seine kleinen Glöckchen, die an seine Kleidung und seine Haube genäht waren, wild bimmelten. Ein feister Edelmann in moosgrünem Samtornat verschluckte sich würgend an einem saftigen Fleischspieß, als er über die Schmerzenslaute des Spaßmachers dröhnend lachte. Sein Nachbar hatte nun noch einen zweiten Grund, um amüsiert zu prusten, und schlug dem Hustenden freundschaftlich auf den Rücken.

Erst spät am Abend zog sich Despotin Megara mit ihrem Bettgefährten zurück, um ihrer Leidenschaft zu frönen. Die Gesellschaft würde noch bis ins Morgengrauen feiern, und so mancher Geck würde mit hämmerndem Schädel in einer Lache aus was auch immer erwachen. War erst die Majestät nicht mehr da, fehlte auch bald der letzte Rest Anstand. Natürlich würde dies auch so mancher junge Adelsmann nutzen, um der einen oder anderen Maid unter das Kleid zu fassen. Bei solchen Festen hatte es schon kopulierende Leiber neben angefressenen Spanferkeln und verschüttetem Wein gegeben.

Begleitet von zwei hünenhaften und kahlgeschorenen Leibwächtern in kurzen Beinkleidern und bis auf ein Ledergeschirr freien Oberkörpern, schritten die Beiden in ein prächtiges Schlafgemach. So eine pompöse Ausstattung hatte der Jüngling in seinem Leben noch nie gesehen, obwohl seine Familie zu den reichsten in seiner (fernen) Heimat gehörte. Die Leibgarde schloss von außen die zweiflügelige Eichentür, die mit Intarsien überfrachtet war. Dort würden sie den Durchlass notfalls mit ihrem Leben verteidigen. Mit verschränkten muskulösen Armen standen sie breitbeinig wie ein Bollwerk dort, um Megaras Refugium zu beschützen.

Das schwere Bettgestell war offensichtlich aus purem Gold oder zumindest damit überzogen. Die vielen künstlerischen Verzierungen mussten eine aufwändige Arbeit gewesen sein. Über dem Bett hing wie ein künstlicher Himmel ein kostbares Seidentuch mit einem Blütenmuster. Der Boden des Gemachs bestand aus luxuriösem Marmor. Die hohe Decke war mit Stuck veredelt, und an den Wänden hingen große Gobelins, auf denen detaillierte Schlachtenszenen abgebildet waren: Berittene Soldaten der Megara kämpften in prunkvollen Rüstungen gegen ein angsteinflößendes Trollmonster mit einer gigantischen Keule. Auf einem anderen Wandteppich waren zwei Armeen zu sehen, die auf- und ineinander stürmten und zahllose Lanzen und Schwerter schwangen.

Als der Jüngling auf das königliche Geheiß hin, zu ihr ins Bett zu schlüpfen, sich zur ihr legte, überraschte ihn der weiche Schlafplatz. Er fühlte sich wie auf Wolken gebettet. Es war unbeschreiblich. Nie im Leben hatte er ähnliches erlebt. Und was er in den nächsten Minuten und Stunden erfahren würde, das war für ihn auch unbekanntes Terrain. Die mondäne Megara führte den verzückten Jüngling in die Kunst der Liebe ein. Gemach entblößte sich die Majestät von einem kostbaren Seidenkleid, das mit einer schmalen Pelzumrandung verbrämt war. Dann folgte das nächste edle Gewand. Immer mehr bloße und makellose, alabasterfarbene Haut konnte der junge stierende Mann erkennen und spürte das Feuer in seinen Lenden, wie es wuchs und loderte. Oh, wie wundervoll! Was für Gefühle konnte die Königin erzeugen! Nur durch ihren sublimen und imposanten Anblick! Ein wildes Kribbeln durchschoss seinen Leib vom Haupt bis zum Zeh. Diese edle Majestät - was für ein Antlitz! Auch so etwas hatte der Jüngling weiland noch nie erblickt.

Das Liebesspiel war überwältigend für den jungen Mann, raubte ihm alle Sinne. Zwar hatte er schon in seiner Heimat im Stroh das Bett mit einer Magd geteilt, aber die Königin verzauberte den Jüngling auf eine Weise, die er nicht für möglich gehalten hätte. Sein Feuer brannte lichterloh wie nie. Und welch frivole Spiele die kühne Regentin kannte! Es war der schönste und aufregendste Abend seines Lebens, in dem seine Lust ausbrach wie glühende Lava aus einem Vulkan. Entspannt und befriedigt, glücklich und noch voller Eindrücke schlief er auf den weichen seidenen Kissen ein und träumte von einer süßen und strahlenden Zukunft als Gemahl der Königin und vielen weiteren himmlischen Nächten wie dieser.

Am nächsten Morgen wurde Abas unsanft von lauten und durchdringenden Schlägen gegen das Gitter geweckt: Mürrische Wächter prügelten mit ihren Hellebarden gegen die Zellenwände und rissen so die vier Jünglinge grob aus dem Schlaf. Durch das kleine Fenster hörte Abas von Weitem einen Hahn krähen. Die unrasierten Wächter sprachen kein Wort mit den Gefangenen. Sie transportierten sie unduldsam zurück zu dem Kellergang, den sie gestern gekommen waren. Ein Schmied erwartete die vier Burschen. Der massige, bärtige Mann trug eine dicke schmutzige Lederschürze und hatte mehrere dicke Ketten über die breiten Schultern geworfen. Seine Haut war von Brandnarben übersät. Nacheinander wurden die Gefangenen nun mit rostigen Fußketten verbunden. Die Wächter trieben die nun klirrende Gruppe eine Steintreppe empor in einen Innenhof des Palastes. Der Schmied marschierte hinterher. Hier war nichts schön oder dekorativ. Der Hof schien zum Gesindebereich zu gehören. Als Abas einmal beinahe stolperte, erhielt er von einem der Wächter mit einer kurzen Lederpeitsche einen kräftig knallenden Hieb über den Rücken, der wie Feuer brannte.

Der Marsch endete in einem düsteren Gewölberaum, der sich als Schmiede zu erkennen gab. Mehrere knisternde Feuer brannten in schwarzen Öfen, deren kurpferne Essen aufs Dach führten. Schürhaken und diverse Eisen steckten teilweise in den Flammen und der glosenden orangefarbenen Glut, die durch einen großen ledernen Balg am Leben erhalten wurde, den ein rußgeschwärzter Jüngling in Lumpen bediente. Das Feuer malte tanzende Schatten an das Gemäuer, und die Scheite knackten laut, als wollten sie auf sich aufmerksam machen. Die Luft war stickig, heiß, schmeckte nach Ruß und Talg. Der Rauch kratzte in den Kehlen. In der Mitte des Raumes stand ein gewaltiger Amboss.

Der stattliche Mann, der den Burschen die Ketten umgelegt hatte, erschien wieder und brachte einen schweren Korb mit. Abas sah die seltsam geformten metallenen Gegenstände darin, konnte sich aber keinen Reim darauf machen. Doch schon bald wurde ihm klar, was dies zu bedeuten hatte: Einer seiner Mitbewerber wurde von einem schmierigen Wächter zum Schmied gestoßen. Dann kamen zwei weitere Soldaten und rissen dem Jüngling die Kleider hinab, bis er splitternackt da stand und sich verschämt den Schritt hielt. Aber auch das ließen die Wächter in ihren schmutzigen Waffenröcken nicht zu, denn sie bogen ihm grob die dünnen Arme auf den Rücken.

Jetzt kam der bärenstarke und aufgeschossene Schmied mit seiner derben Lederschürze herbei und nahm einen Gegenstand aus dem Korb. Dann griff er nach einer langen schwarzen Zange, deren Ende zuvor in einem der Feuer gelegen hatte. Der schwarzbärtige und zugleich kahlköpfige Hüne legte eine Metallkonstruktion um die Hüften des Jünglings. Abas konnte nur staunend zu sehen, wie der klobige Mann mit dem geschorenen Schädel das Metall passend zurechtbog und zusammenschmiedete. So geschickt, wie er damit umging, blieb der Bursche unverletzt, obwohl der grobschlächtige Riese mit glühender Zange und einem schweren Hammer hantierte. Immer, wenn er auf dem Amboss auf ein Stück Metall schlug, um es anzupassen, erzitterte die Wasseroberfläche in einem Zuber, der sich an den Amboss schmiegte, und Abas konnte sein verzerrtes Spiegelbild in der schmutzigen Brühe sehen.

Bald war auch Abas an der Reihe und erhielt von dem Kraftmenschen den eisernen Schmuck, nachdem ihm die Wachen mit Gewalt die Kleider vom Leib gezerrt hatten. Das Material war sengend heiß auf seiner Haut, aber es hinterließ außer einer harmlosen Rötung keine sichtbaren Spuren, obwohl er hätte schwören können, den beißenden Geruch von versengtem Fleisch gerochen zu haben. Abas schämte sich für seinen weibischen Schrei, den er vor Schreck hervorgestoßen hatte, als sich die Hitze auf seine Männlichkeit gelegt hatte. Er starrte auf seine Lenden. War das ein Keuschheitsgürtel für Männer? Es war ein beklemmendes Gefühl, als sei sein ganzer Leib, sein Stolz, sein ganzes Wesen in einen engen Käfig gesperrt. Peinlich berührt von seiner Schmach, hielt er die Hände vor die Scham und suchte, sich zu bedecken.

Aber nicht nur Abas und seine drei Gefährten erlebten einen albtraumhaften Morgen.
Auch der Blondschopf wachte in Ketten auf. Verwirrt und erschrocken zerrte er an den Fesseln, die aber keinen Deut nachließen. Seine aufgerissenen Augen zeugten von glosender Furcht. Der Jüngling lag nackt in einem anderen Bett und war an Armen und Beinen am gusseisernen Gestell gefesselt. Und dann erschrak er gleich noch einmal: Um seine Hüften trug er eine Art Verschluss! Auch er hatte von den Gerüchten gehört, dass die Imperatorin junge Männer einkerkerte, die ihr die Aufwartung gemacht hatten, doch diesen nie Glauben geschenkt. Aber er war doch der Auserwählte gewesen! Er hatte mit Königin Megara das Bett geteilt! Und was war das nur, das seine Männlichkeit umspannte? Sollte es tatsächlich wahr sein? Hielt sich die hoheitliche Regentin keusch gehaltene Sklaven?

Während die vier neuen Gefangenen der Monarchin Haferschleim aus verkratzten Holzschüsseln von den Wachen durch die Gitter geschoben bekamen, um danach kräftig genug für die Arbeit zu sein, erschien Königin Megara bei dem Blondschopf, der sie irritiert ansah. Megara lachte lauthals, dass es nur so schallte in der großen mit Marmor ausgekleideten Halle. Dann kam sie ganz nah an den Jüngling und flüsterte ihm glucksend grausame Worte ins Ohr. „Nein!“ jaulte er. „Bitte! Habt Gnade, Euer Majestät!“
Megara lachte fast hysterisch und stolzierte in einem imposanten Seidengewand, das bis über den Boden schleifte, in einen anderen Salon, um dort zu speisen, gönnte dem Blondschopf jedoch keines Blickes mehr. Sie suhlte sich stattdessen in ihrem süßen Hass und genoss den sonnigen Tag.

Bei ihrer üppigen Mahlzeit stopfte sie sich die delikaten Leckerbissen nur so in den Mund und spie einiges davon angewidert aus. „Was hat sich der Koch dabei gedacht?“ schimpfte sie und machte grießgrämig ihrer Leibgarde ein hektisches Zeichen. Der rabenschwarze Hauptmann gab einen kurzen zackigen Befehl an einen der vierschrötigen Palastwächter, der sofort mit seinem gezückten, perlmuttfarbenen Dolch in die Küche eilte, um dem frevelhaften Koch habhaft zu werden. Wäre der Palast nicht so kolossal groß gewesen, hätte die Königin das verzweifelte Flehen und die gellenden Schreie des Kochs gehört, die durch die Küchenräume hallten.

Kurz nach dem Morgenmahl zog sich Megara in ein weiteres Gemach zurück, wo der Hauptmann der Leibgarde bald mit gebeugtem Haupt und unterwürfig erschien, eine kleine Schatulle aus Walnussholz in der Hand. Megara befahl barsch: „Stell es dort hin!“ Sie zeigte mit herrischer Geste auf einen niedrigen Tisch aus Bronze. Der Gardist senkte sein Haupt noch tiefer, stellte das Kistchen vorsichtig ab und verschwand rückwärts und mit zahlreichen Verbeugungen, wobei er sich mit seinem schlohweißen, geflochtenen Bart in den kunstfertig geschaffenen Fibeln aus Silber an seinem Umhang verhedderte. Megara hob den Deckel des Kästchens an und späte hinein. „Guuuut“, schnurrte sie und aalte sich in ihrer Zufriedenheit. „Vortrefflich! Der Koch wird seine Lektion gelernt haben.“ Sie klappte das Kästchen zu und stellte es ab. Sein kleines Opfer würde seine Kochkunst nicht schmälern.

Mit der ansteigenden Sonne nahm die Sommerhitze weiter zu, und selbst in den kühlen Räumen des Palastes verlangte Megara nach zwei Sklaven, die ihr mit großen Palmwedeln frische Luft zufächelten, während sie sich dem Müßiggang widmete. Unter dem Schloss schufteten derweil hunderte junge Männer in dem tiefen Silber-Bergwerk, das sich über viele Meilen erstreckte. In langen Schlangen aus aneinander geketteten Kreaturen marschierten die Arbeiter die endlosen Gänge entlang und schleppten schwere Körbe Gestein oder schlugen auf das Ende des Stollens ein, um ihn zu erweitern. Unter ihnen war auch Abas. Sein erster Tag im Bergwerk war die Hölle. Sein gesamter Körper war schwarz vom Dreck, seine Knochen und Muskeln schmerzten enorm, und das Atmen fiel ihm sichtlich schwer wegen der stickigen Luft und dem permanenten Staub, der sich überall ausbreitete.

Sollte das seine Zukunft sein? Halb bewusstlos vor Erschöpfung wurde er am Ende eines langen Arbeitstages in sein Quartier gebracht. An einem länglichen Trog konnte er sich mit Leidensgenossen säubern, und eine Schale Wasser löschte nur halb den Durst. Auch die karge Mahlzeit, bestehend aus undefinierbarem graubraunem Brei, reichte nicht aus, den Hunger zu stillen. Und alles, was er den ganzen Tag über von den Wachen gehört hatte, waren Beschimpfungen wie „Faulpelze! Wollt ihr hier Maulaffen feilhalten? Ich werde euch fürwahr Beine machen!“

Erst am zweiten Tag fand er Gelegenheit heimlich mit einem anderen Jüngling zu sprechen, was eigentlich bei Strafe verboten war. Der Junge hieß Skiron und war schon seit langer Zeit hier. Wie lange, das wusste er nicht mehr. Er ging stets gebückt und hustete ständig. Abas fragte auch nach den Hüftgürteln, die alle trugen. „Das sind Keuschheitsgürtel“, erklärte Skiron flüsternd. „Megara, die alte Hexe, hat allen Arbeitern solche Schlösser angelegt, damit sie nicht Hand an sich legen. Nur Mitglieder des Königshauses dürfen das.“ Abas sah Skiron mit großen Augen an. „Gibt es einen Weg, um aus diesem Martyrium zu entkommen?“ Er hing an den Lippen des Kameraden. Skiron nickte grimmig: „Ja.“ Abas war ganz Ohr. Skiron sah ihm mit leerem Blick direkt in die Augen. Abas spürte, wie sich die Worte des Leidensgenossen in sein Gehör brannten wie orangefarben lodernde Schmiedeeisen: „Als Reisender ins Totenreich!“
3. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von Gummimike am 29.12.17 00:29

So das ist also die Neuauflage. Allzuviel hast du ja nicht geändert aber de Text gestrafft und Teilweise besser beschrieben.
Gefällt mir.
4. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 01.01.18 13:11

Festbankette gab es an jedem Abend im Palast. Doch heute war fürwahr besonderer Tag: Der feiste Kronprinz Talos IV. feierte sein 18. Wiegenfest. Der fette und verwöhnte Jüngling hatte neben einem exquisiten und opulenten Festmahl sieben Jungfrauen geschenkt bekommen, an denen er sich laben sollte. Das einfache Volk munkelte, Talos sei seiner Manneskraft beraubt, aber niemand wagte diese schändliche Vermutung öffentlich auszusprechen. Das Gerücht war über dunkle Kanäle aus dem Palast gedrungen und bis in die Stadt und über das Land gespült worden. Angeblich hatten Gesinde oder Wächter im Herrscherhaus im Verborgenen Beobachtungen oder gar selbst Erfahrungen gemacht.

Talos galt als verzogener Prahlhans, feister Geck und genusssüchtiger Egomane. Nur seine Hybris war aufgeblähter als sein Wanst. Trotzdem nahm er nur selten Mätressen in sein Gemach. An diesem Wiegenfeste verließ Talos, sehr zum Unmut seiner Mutter, die Feierlichkeiten früh und zog sich zurück, obwohl sich das nicht geziemte. Seine goldgewirkte Tunika spannte über dem gewaltigen Wanst. An seinen dicken Füßen steckten goldfarbene Pantinen. Mit einem schwappenden Rotweinkelch wankte er durch die Gänge, gestützt von zwei Gardisten der königlichen Leibgarde, denen der Schweiß im Gesicht hinunterlief. „Finger weg, ihr Nichtsnutze!“ grölte Talos grantig mit schwerer Zunge und wäre beinahe auf den Boden geplumpst, hätten die Männer ihn nicht blitzschnell aufgefangen.

In seinem privaten Gemach angekommen, ließ er sich schwerfällig auf einen prunkvollen Diwan aus rotem Samt fallen, wurde einer goldenen Schüssel ansichtig und begann, Lebküchlein und kandierte Früchte daraus zu naschen, dann eine weitere Schale mit Apfel-Rosinen-Pudding zu vertilgen und schließlich noch Mandeln mit Honig in seinen Schlund zu stopfen, obwohl er sich bereits an der Festtafel für mindestens drei Personen gütlich getan hatte. Aber einem kulinarischen Genuss war sein adliger Gaumen niemals abhold. Bescheidenheit war ihm verpönt; sie war eine Zier für den einfachen Mob.

Als seine Mutter Megara ihm die sieben Jungfrauen in sein Gemach schickte, sah er gelangweilt zu, wie die knapp bekleideten Schönheiten auf dem glänzenden Marmorboden, in dem edle Intarsien aus Silber und Gold eingearbeitet waren, einen kunstvollen Bauchtanz aufführten. In hauchdünne Seide gewandet bewegten sie sich schlangenhaft und erotisch in einer lustvollen Choreografie. Ein Harfen- und ein Flötenmusikant begleiteten die Gruppe mit heiteren Melodien. Er ließ die stimulierende Darbietung gähnend über sich ergehen, ohne, dass es ihn irgendwie scherte. Statt ihr Beifall zu zollen, spie er auf den Boden und bohrte nach Essenresten zwischen seinen Zähnen und schnippte die Fundstücke durch den Raum.

Nach einer Weile schickte er sie kurzerhand wieder weg wie lästige Bittsteller. Den Hauptmann der Leibgarde winkte er heran und flüsterte ihm ins Ohr: „Verlustiere dich mit deinen Kameraden mit den Weibsstücken.“ Ein schmieriges Grinsen konnte der Hauptmann kaum unterdrücken. „Wie Eure ehrenwerte Hoheit befehlen.“ Er salutierte ehrergiebig ob des großzügigen Präsentes und verschwand unter mehreren tiefen Verbeugungen, als versuchte er mit seiner Nase den Bauchnabel unter seinem genieteten Lederwams zu berühren, das bei der Bewegung knarrte wie eine alte Holzkutsche. Der Uniformierte wählte sechs glückliche Wächter aus und verteilte die sieben unbefleckten Honigtöpfe an die scharfen Schwerter, die sich bereits in Vorfreude gen Himmel hoben.

Der königliche Fettwanst klingelte mit einem kleinen Glöckchen, und beflissen erschien ein schwarz gewandeter Mann - sein persönlicher Diener -, der besonderes Vertrauen genoss. „Bring mir… du weißt schon. Ich will mich amüsieren!“ Der Leibdiener nickte ergeben. Sprechen konnte er nicht, denn er war stumm. Dafür hatte das Königshaus vor Jahren gesorgt. So konnte er kein Geheimnis ausplaudern. Der Prinz wollte keine Zeit mehr mit langweiligen Weibsstücken vertändeln. Bald schritt das Faktotum seines Herrn in Begleitung von zwei Leibgardisten durch die Kellergewölbe des Palastes und löste die Ketten des Blondschopfs, den Megara verstoßen hatte. Das jüngste Spielzeug der Monarchin sollte - wie alle anderen Jünglinge zuvor - ein Leben in den Minen erwarten. Doch Prinz Talos hatte zunächst anderes mit dem jungen Mann vor.

An einer Stelle im Palast, an der um diese späte Stunde niemand mehr verweilte, ließen die Gardisten den Leibdiener mit seiner Begleitung alleine. Die Gerüsteten hatten ihre Aufgabe erfüllt und kehrten in die Wachstube zurück, wo ein herzhafter Braten und so mancher Kelch Gerstensaft auf sie warteten. Als Nachspeise warteten einige Mägde darauf, ihnen den Abend zu versüßen, während draußen der Vollmond das Mauerwerk der Feste beschien. Der Diener zückte seinen gebogenen Dolch und deutete dem Blondschopf an voranzugehen. Die klirrenden Fußketten machten jeden Fluchtversuch sinnlos. Der güldene Bursche trippelte, so schnell er konnte, vor dem Dienstboten her, während er an seinem Gesäß die Spitze des Dolches spürte, die ihn zur Eile antrieb.

Einige Momente später erreichten die Beiden ungesehen die Gemächer des Prinzen.
Fett thronte er auf dem Diwan und leckte sich die dicken kurzen Finger ab, an denen pompöse Ringe prangten. Der Herrscherspross zeigte vor sich auf den Boden. Der Diener drückte den Blondschopf vor. „Auf die Knie, du Unwürdiger!“ ranzte Talos ihn an, und der Diener drückte ihm schmerzhaft die Dolchspitze in den Rücken. „Wie nennt man dich?“ fragte Talos den vermutlich gleichaltrigen Jüngling. „Ich heiße Euros.“ Talos lachte dreckig und verschluckte sich fast an den Resten einer karamellisierten Mandel, die er noch im Mund kaute. „Nein“, sagte er lauernd, „ab jetzt heißt du Schwanzmaul!“ Euros sah ihn schockiert und unverständig an.

Talos riss seinen Umhang theatralisch zur Seite, und Euros wäre beinahe zurückgezuckt, als er sah, dass der Prinz unter seinem Umhang vollständig nackt war. Nur dicke goldene Ketten mit Edelsteinen verliefen über seiner fetten und hängende Brust. Ein umfangreicher Wanst wölbte sich prall in alle Richtungen, und fast verdeckt von der gemästeten Schwarte und den stämmigen kurzen Beinen schaute ein Penis hervor, der steif und dick aus einer wilden Schambehaarung hervorstach wie ein gedrungener Pilz aus einem Kräuterbett.

Der Scherge des Prinzen packte den jungen Mann im Genick und drückte sein Gesicht in seines Herren Schoß. Aufstöhnend wusste der Jüngling nicht, wie ihm geschah, doch schon bald hatte er Talos erigierten Luststab tief im Schlund. Der dicke, kurze Phallus wuchs in die Luft und erinnerte an eine gedrungene Möhre. „Saug daran und leck schön“, forderte Talos mit weibischer Stimme, die ihm eigen war, wenn er erregt war. Er ergötzte sich an der Ungemach von Schwanzmaul und grunzte genießerisch. Der Diener sorgte dafür, dass der Lustsklave seine Aufgabe zu Talos Zufriedenheit ausführte.

Nach nur wenigen Momenten ächzte der fette Königssohn und stöhnte, kicherte und atmete schwer. Eine lauwarme Flüssigkeit schoss Euros zwischen die Lippen, die er überrascht schluckte. Talos lachte über den Gesichtsausdruck seines neuen Spielzeuges: eine Mischung aus völliger Bestürzung und Ekel. „Bring Schwanzmaul weg und sorge gut für ihn“, lachte Talos mit piepsiger Stimme und einem wölfischen Grinsen, wobei seine langen, gelblichen Zähne zwischen den teigigen Lippen auftauchten. Der Diener katzbuckelte vor seinem Gebieter, zog den Jüngling auf die Beine und führte ihn hinaus. Euros Fußfesseln rasselten laut, und doch hörten die beiden das Gekicher des Herrschersohnes noch auf dem langen Gang aus schwerem Marmor.

Er übergab den Jüngling einem anderen Mann, der mit einer weinroten Tunika gekleidet war. „Ich heiße Xeno und werde dich nun in dein neues Heim bringen. Wenn du dich von Wert zeigst, kannst du dir das Wohlwollen der Majestät verdienen. Doch ich warne dich: Sollte Talos mit dir unzufrieden sein, so gnade dir die Todesgöttin.“ Euros verstand kein Wort. Was sollte mit ihm geschehen? Und was hatte der Prinz mit ihm gemacht? Das war ja Liebe unter Männern gewesen! Der Jüngling war völlig verwirrt. Auf jeden Fall hatte es ihm überhaupt nicht gefallen. Besonders, weil Talos so unansehnlich war: dieses gewaltige Doppelkinn, das ihn an einen Pelikan erinnerte; der riesige Wanst, der beinahe seine Oberschenkel bedeckte; die hängenden Brüste, die ihn an den Busen einer stillenden Magd erinnerten; die fettigen Haare und der Mund mit den fleischigen Lippen, den gelben, langen Zähnen, dem ausströmenden Geruch eines Hammels...

Xeno brachte den Lustsklaven in eine luxuriös eingerichtete Kammer, in der er auch baden und sich umkleiden durfte. Es gab einen prunkvollen Diwan, mit feinster Seide bespannt und mehreren flauschigen Kissen bedeckt, einen güldenen Tisch, kunstfertig verzierte Vitrinen, bauchige Sessel und einen gepolsterten Fußhocker. Von der Decke flackerte der Schein eines Kronleuchters, der mit zwölf Bienenwachskerzen bestückt war und den Raum mit bernsteinfarbenem Licht durchzog. Auf einer Anrichte stand eine Schüssel aus braunem Steingut und eine dazugehörige Kanne mit frischem Wasser. Endlich konnte er sich das Gefühl des Unflats aus seinem Mund spülen. Euros wollte kein Sklave sein. Er erkundete das Gemach. Die schwere Tür war von außen verriegelt. Ein Fenster führte in einen Innenhof, doch es war mit schwarzem Schmiedeeisen rautenförmig vergittert. Ohne Erlaubnis kam er hier nicht raus.

Am nächsten Morgen wurde ein armer Bauer vor die Tyrannin geführt. Die Herrscherin trug einen edlen Brokatmantel und Geschmeide aus Gold und Juwelen, der Mann eiserne Ketten an Händen und Füßen, einen zerrissenen Umhang und Lumpen am Leib. Einen Schlappen hatte er von seinem linken Fuß verloren, als ihn die Wachen auf dem Weg zu Megara grob gestoßen hatten. Die zwei Soldaten, die ihn vor die Herrscherin geworfen hatten, standen in ihren Stulpenstiefeln und Lederröcken stramm. Ein auf Hochglanz polierter ziselierter Brustharnisch schmückte die Männer, die ihre Gewandung voller Stolz trugen. Megara saß auf ihrem pompösen Thron und sah einen edel gekleideten Mann fragend an, der auf auf ein Knie sank. „Euer Majestät! Dieser nichtsnutzige Lump will die Steuer nicht zahlen. Wir haben bereits seinen Hof abgebrannt und sein Vieh geschlachtet, aber die Schuld ist nicht gesühnt“, berichtete der Mann in servilem Tonfall. Seine Augen waren zum Marmorboden niedergeschlagen. „Hast du dich vergewissert, dass der Wurm keine Münzen versteckt hat?“ fragte Megara lauernd. Der königliche Beamte antwortete demütig: „Selbstverständlich, Euer Majestät! Wir haben sein Weib vor seinen Augen... verhört.“

Der Bauer schluchzte laut auf. Vor seinem inneren Auge sah er seine entehrte Gemahlin, wie sie den grobschlächtigen Soldaten ausgeliefert war… Sofort erhielt er einen groben Schlag in den Rücken, und ein Wächter fauchte ihn an: „Schweig still!“ Die Monarchin schürzte die Lippen. „Reißt dem Gezücht die stinkenden Lumpen runter. Ich will mich selbst überzeugen!“ befahl sie fordernd. „Sofort, Majestät“, antwortete der Mann speichelleckerisch, der der Geheimgarde der Königin angehörte und Tribute sowie Steuern bei der Bevölkerung eintrieb. Er wies die Wachen unwirsch an, den Befehl auszuführen, die dem Bauern augenblicklich die letzten Kleiderfetzen vom Leib rissen.

Splitternackt stand der arme Mann nun gebeugt vor der Majestät und schämte sich seiner Hüllenlosigkeit. Sein Leib wirkte jünger, sehniger und ansehnlicher, als durch die Lumpen vermutet. Ein spöttischer Zug ging über die grausamen Züge der Regentin.
Der Geheimgardist fragte: „Was soll mit dem Sünder geschehen, Eure Majestät? Sollen wir ihn zu dem anderen Abschaum werfen, auf dass sich der Henker um ihn kümmere? Oder soll er die Gnade eines Sündermals empfangen?“ Megaras Mundwinkel deuteten ein Lächeln an. Doch in ihrer Stimme war so wenig Wärme wie im Geräusch einer Stahlklinge, die über einen Wetzstein schabt. „Nein! Er hat doch vielleicht etwas, was er mir geben kann…“ Der Gardist sah seine Regentin fragend an. Was konnte der Bauer besitzen? Seine restliche Habe hatten längst die Wachen unter sich verteilt. „Bringt mir meinen Leibdiener“, befahl Megara barsch, und eine unauffällige Gestalt, die im dunklen Hintergrund gestanden hatte, eilte beflissen los.

Kurz darauf war die Majestät mit ihrem Leibdiener alleine. „Wascht und kleidet den Bauerntölpel. Dann bringt ihn in mein Schlafgemach.“ Der Leibdiener verbeugte sich huldvoll und entfernte sich rückwärts mit mehreren devoten Verneigungen. Doch vor dem Treffen mit ihrer neuen Gesellschaft hatte Megara noch eine Aufgabe zu erledigen. Sie stolzierte gemach einen Gang entlang und betrat einen Raum, vor dem zwei Wachen postiert waren, die zackig grüßten und die zweiflügelige Tür für ihre Herrscherin öffneten. Megara schlenderte an einer Wand entlang, an der Dutzende Peitschen und andere Schlaginstrumente hingen. Sanft strich sie an den Gerätschaften mit den Fingern einer Hand entlang und wählte dann eine kunstvoll geflochtene Nilpferdpeitsche. Damit stieg sie eine breite Marmortreppe in ein Untergeschoss des Palastes. Wieder salutierte eine Wache in einem kleinen Schildhaus, das in die großen Blöcke der Mauer wie ein Alkoven eingebettet war, vor ihr und begleitete sie mit einer leicht blakenden Fackel eine weitere Steintreppe hinab in die Katakomben unter dem Schloss, die breit verzweigt angelegt waren und auch eine Verbindung zu der Silbermine hatte.

Megaras Ziel war das Peingewölbe für faule Arbeitssklaven. Die Regentin betrat einen unterirdischen Raum, der einer grob geschlagenen Höhle glich, und in dem nur ein fahles Licht der Fackeln die Steinwände erleuchtete. Mehrere Soldaten in Kettenhemden oder Lederrüstung waren anwesend, die stramm standen oder sich tief verbeugten – je nachdem welche Funktion sie ausübten. Megara wurde vom Leiter des Bestrafungskommandos ehrergiebig begrüßt. Dann zeigte der Mann auf eine Reihe in weiße Baumwollbahnen eingewickelte Sklaven, die eng nebeneinander auf dem Rücken lagen. Kleine Schlitze zum Atmen waren gelassen. Ansonsten war fast der komplette Körper von Kopf bis Fuß verbunden – bis auf das nackte Geschlecht! Für jemanden, der diese Ahndung von fehlender Arbeitsleistung bisher nie gesehen hatte, mag sie sonderlich bis bizarr erscheinen. Doch für Megara war dies ein wöchentliches Ruitual und gehörte zu ihrem genehmen Zeitvertreib. Eine Wonne zur Kurzweile, die sie kurz nach dem Tod ihres Gemahls eingeführt hatte.

Die mumifizierte Reihe bestand aus zehn Delinquenten. „Es möge beginnen“, befahl Megara knapp und beobachtete, wie eine gewaltige Holzapparatur in den Raum gerollt wurde. Die Eisenräder quietschten, und die Soldaten ächzten unter dem wahrhaft gewaltigen Gewicht. Über der stabilen Holzkonstruktion brannte ein Feuer auf einer massiven Eisenplatte. Darüber wiederum hing eine bauchige kupferne Wanne.

Jetzt schwenkten Helfer mehrere kleine Rohre, die mit der Wanne verbunden waren, über die Delinquenten: zehn Stück – also für jeden Sklaven ein Rohr. Ein Soldat meldete: „Es ist soweit.“ Megara nickte zufrieden und trat noch einen Schritt näher, um alles genau überblicken zu können. Der Soldat drehte ein Rädchen an der Konstruktion, das sämtliche zehn Ventile an den Röhrchen öffnete. Die Flüssigkeit aus der Wanne strömte durch die Wege zu den Sklaven und ergoss sich heiß über deren Männlichkeit. Trotz der Baumwollbahnen über ihren Gesichtern, gellten die hellen Schreie durch das Gemäuer, und gleichzeitig war das ausgelassene Lachen der belustigten Majestät zu vernehmen. Die Mumien wackelten und zappelten in ihrer restriktiven Fesselung, als wollten sie einen einstudierten Tanz aufführen.

In Kürze waren zehn Gemächte bedeckt mit elfenbeinfarbendem Wachs. Aus den Röhren tropfte der Rest, dann war die Wanne leer. Megara befahl: „Bringt den faulsten unter ihnen zum Strafpflock.“ Dann strich sie mit einer Hand über ihre Leder-Peitsche und spürte dabei ein wohliges Gefühl. Sie betrat einen Nebenraum, der exklusiv und prunkvoll eingerichtet war und gar nicht zu dem Kerkerraum passen wollte. Hier widmete sich Megara einem ausgiebigen Bad, das nach kostbaren Aromen duftete. Völlig entkleidet stieg der königliche Leib die mit einem Mosaik verzierte Treppe in das Becken und genoss das erfrischende Wasser. Ihre prallen Brüste streckte sie nach vorne, und dann schwamm sie ein wenig im Becken und planschte herum. Die langen Haare waren auf dem Kopf zu einem beeindruckenden Turm aufgedreht, damit sie nicht von der Nässe besudelt wurden.

Im ganzen Reich herrschte massive Wasserknappheit, doch hier im Palast der Herrscherin gab es zwei große Brunnen, die nur der königlichen Familie zur Verfügung standen.
Wäre Megara nicht so verschwenderisch mit dem kühlen Element umgegangen, hätte sie damit einen ganzen Landstrich versorgen können. Doch ihr gewaltiger Lustgarten musste bei den hohen Temperaturen mehrfach am Tage begossen werden: der Zierrasen, die Beete mit bunten Blumen, die Klettergewächse... Und auch die insgesamt vier Schwimmbecken im Schloss sollten sauber sein, so dass das Wasser nach Gebrauch stets ausgetauscht wurde. Alleine dafür benötigten die Angestellten einen beachtlichen Teil des gesamten Vorkommens. Davon hätten sich Dutzende Familien versorgen können, die stattdessen mit trockenen Kehlen darbten. Aber war es nicht nur angemessen, wenn ein so kostbares Gut der edelsten Dame und Allmächtigen des Reiches zustand? Warum es für niederes Gewürm verschwenden? Wäre das nicht verantwortungslos gewesen?

Während Megara sich und ihre Gedanken im Bad treiben ließ, hätte ein stiller Beobachter bemerkt, wie die Tyrannin leise zu stöhnen begann und ihre Augen schloss, wie sie verkrampfte und schließlich laut stöhnend und dann genießerisch seufzend zum Rand des Beckens schlenderte, um aus den Fluten zu steigen, ein verklärtes Lächeln im Gesicht, noch trunken vom ekstatischen Hochgefühl. Im Anschluss zog sich Megara ihre kostbaren Gewänder über und band einen samtenen Umhang mit einer goldenen Brosche vor ihrer Brust zusammen.

Ihr nächstes Ziel war der Strafpflock: Ein dicker Holzstamm mit etwa einer Elle Durchmesser. Ein Sklave, der sein Soll nicht erfüllt hatte, war bis auf ein paar Baumwollbahnen über seine Hüfte nackt und umarmte den Stamm breitbeinig. Füße und Hände waren mit dicken Ketten auf der anderen Seite fixiert.

Megara ließ wieder die Peitsche liebevoll durch ihre Hand gleiten, wie man vielleicht einem Kind übers Haar streichelte, und schwang gekonnt den Lederriemen durch die Luft. Bald knallte der erste Hieb auf dem Rücken des Mannes, der dumpf aufgrunzte, als der höllische Schmerz auf seinem Fleisch explodierte. Dann zischte der Riemen erneut. Und wieder. Und wieder. Die Geißel hungerte nach mehr. Megara arbeitete sich den Rücken hinab und hinterließ ein furchtbares Muster, das ihre Lust nährte.

Die Schreie des Mannes wurden unter dem beißenden Leder immer lauter und erbärmlicher, dann schließlich erschöpfter und kraftloser und leiser. In der Folge peitschte sie den Lendenschurz des Mannes hinunter und zauberte zielgenau eine Verzierung auf das blanke noch jungfräuliche Gesäß, als wollte sie die Signatur eines Künstlers an ihrem Werk anbringen. Längst winselte der Sklave um Gnade, aber Megara schien dadurch nur zu kraftvolleren Schlägen motiviert zu werden. Erst als ihr Arm lahm zu werden dräute, warf sie die Peitsche einer Wache vor die Füße und sagte: „Lasst ihn noch eine Weile mein Geschenk genießen. Anschließend zurück mit der Made in die Mine.“ Die Kreatur sollte nicht länger als nötig mit ihrer Anwesenheit den Palast beschmutzen.

Megara war nun bereit für ihr neuestes Spielzeug. Sie steuerte ihr Schlafgemach an und war neugierig, was sie dort erwartete. In Vorfreude zeichneten sich ihre Brustwarzen straff und hart unter dem edlen Stoff ab, der ihren königlichen Leib umschmeichelte. Der Bauerntölpel würde ein herrlicher Spaß werden. Wenn sie ihn aus seinen neuen Kleidern blätterte, würde ihm vielleicht frösteln. Glühende Kohlen könnten ihn wärmen... Er hatte schon Hof und Weib und Hab verloren, aber er hatte doch noch so vieles zu schenken: seine Würde, seine Schreie, seine Hoffnungen, sein Flehen, sein Leben...
5. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von Gummimike am 01.01.18 18:19

Was für ein Aas diese Megara. Allerdings hat sie durchaus kreative Einfälle zur Folterung der Sklaven.
6. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 07.01.18 12:03

Am nächsten Tag ließ sich der fette Prinz Talos mit seiner goldenen Sänfte über die Felder tragen. Er wollte die neuesten Sklaven begutachten. „Erleuchte mich! Arbeiten sie fleißig, Atropos?“ fragte er seinen Begleiter, der die Oberaufsicht über die Feldarbeit hatte. „Sehr wohl, Majestät“, antwortete Atropos in seinem harten Lederharnisch, „die Sklaven erreichen ihr Soll.“ Talos wedelte gelangweilt mit seinen dicken, beringten Fingern vor seinem Gesicht herum: „Ach was! Macht dem Gewürm Beine! Ich will, dass es nicht so faul auf der Haut liegen.“ Atropos verneigte sich demütig und gab einem Wächter die entsprechenden Kommandos. Daraufhin setzten sich mehrere Soldaten sofort in Bewegung und trieben die Arbeiter ambitioniert zu größter Eile an.

Als ein Sklave dabei stolperte und mit der ganzen Länge nach in den Dreck fiel, zog ein narbengesichtiger Wächter seine Rute und hieb auf den Liegenden ein, bis der humpelnd aufsprang und wieder weiterschuftete. Talos lachte meckernd über das Ungeschick. Dann verschluckte er sich und räusperte sich hustend. „Damit der Sklave nicht wieder hinfällt, soll er ab heute nur noch kriechen. Habt Ihr das verstanden?“ Atropos befleißigte sich, dem Prinzen schnell zu antworten. Wächter fixierten daraufhin an dem Sklaven perfide Ketten, die ihn in eine kriechende Stellung zwangen.

Atropos wagte den vorsichtigen Einwand: „Bedenkt Majestät, der Sklave wird so sein Soll nicht erfüllen können.“ Talos warf seinem Untertan eine Dattel von seiner goldenen Obstschale an die Stirn und erwiderte verdrießlich: „Dummkopf! Dann wird er dafür eben bestraft.“ Wieder lachte Talos meckernd und winkte lässig aus dem Handgelenk, auf dass die Sänfte weiter getragen wurde, die greinenden Laute eines Sklaven hinter sich lassend.

Die Männer, die die Griffe hielten, ächzten leise und marschierten stampfend unter dem beachtlichen Gewicht der Sänfte und des Herrschersohnes vorwärts. Abas und sein neuer Freund wurden heute mit zahlreichen anderen Sklaven, die alle mit Eisenketten aneinander gebunden waren, auf die Felder gebracht. Da das Sprechen streng verboten war, flüsterte Abas leise Skiron zu: „Warum arbeiten wir heute nicht in der Mine?“ Skiron wartete ab, bis ein Wächter weitergegangen war, dann antwortete er leise: „Ab und zu tauschen sie die Arbeiter aus. Aber freu´ dich nicht zu früh: Auf den Feldern bist du den ganzen Tag der brutalen Sonne ausgesetzt. Und die Feldknechte haben ein bestimmtes Soll zu erfüllen. Wer das nicht schafft wird von Megara hart bestraft und…“ „Ruhe da, oder es setzt Hiebe“, brüllte ein bulliger Wächter von hinten, der nur deshalb nicht gleich zugeschlagen hatte, weil er zu bequem war, zu den beiden Übeltätern zu laufen. Er gehörte zu den Wachen, die nicht ritten, sondern neben der Sklavenkolonne herliefen, mit langen Peitschen bewehrt, um für das geforderte Tempo der Gruppe zu sorgen und sie in Reih und Glied auf dem staubigen Weg zu halten.

Die Kolonne wurde unter der brütendheißen Sonne auf ein Feld geführt, wo endlose Reihen von Baumwollpflanzen standen. Die Aufgabe der Sklaven war es, die Baumwolle zu pflücken und große Weidenkörbe damit zu füllen. Noch stand das Tagesgestirn tief, denn es war früher Vormittag. Trotzdem herrschten schon kaum zu ertragende Temperaturen. Gegen Mittag würden die Sklaven nach Wasser schreien. Skiron wusste: Die Aufpasser würden den Leibeigenen nur wenige Schlucke gewähren, die lediglich verhinderten, dass die Sklaven vor Erschöpfung und quälendem Durst umkippten.

Bis zum Abend stand ihnen die reinste Hölle bevor. Dagegen war die Schufterei in der Mine noch ein Kinderspiel gewesen. Aber Skiron wollte seinem neuen Freund Abas nicht zu sehr Angst und Bange machen. Er würde es noch früh genug erfahren. Der Tag sollte kein Deut weniger schlimm werden, als befürchtet. Die Wärter tranken ständig aus ihren Wasserschläuchen – peitschen war ja so anstrengend. Und die Arbeiter erhielten aus einer verbeulten Metalltasse winzige Portionen, in die einige der besonders rauen Gesellen zuvor spuckten. Abas war am Ende seiner Kräfte, als es endlich auf den Rückweg in die Festung ging. Jeder Muskel, jeder Knochen in seinem Leib schmerzte höllisch. Mit letzter Mannhaftigkeit stolperte Abas in seine schmutzige Zelle und fiel auf dem mit Stroh bedeckten Boden nieder. Um sich auf die Pritsche zu legen, dazu fühlte er sich zu verzehrt.

Auch in den folgenden Tagen änderte sich nichts an den unbilligen Umständen. Die drakonische Plackerei auf den Feldern laugte ihn völlig aus. Doch versuchte er stets, sein Soll zu erfüllen. Denn mehrmals hatte er gesehen, wie die Wärter die Schwachen, die einfach nicht mehr konnten, prügelten, bis diese entweder wieder an die Arbeit gingen oder abtransportiert wurden. Skiron hatte nur den Kopf geschüttelt, als Abas ihn gefragt hatte, wo diese armen Kreaturen hingebracht würden. Gab es ein Lazarett für diese armen Geschöpfe? Aber die vielen aufgehängten Käfige vor der Festung mit den Skeletten darin sprachen Bände darüber, wie sich Autokratin Megara ungewünschter Untertanen entledigte.

Nach fast zwei Wochen hatte sich Abas mit der aufreibenden Feldarbeit abgefunden. Sein Körper war kräftiger geworden, wiewohl die spärlichen Mahlzeiten nur wenig nahrhaft waren. Doch statt abzumagern und zu zerbrechen, führte die Tagesroutine und seine Willensstärke dazu, dass seine Muskeln wuchsen, sein Körper sehnig und athletischer und seine Hände härter wurden.

Bald schon gehörte Abas zu den stärksten Sklaven und erhielt kaum noch Schläge der Wächter, denn er erfüllte sein Soll zuverlässig. Trotzdem litt er voller Mitleid unter den Qualen, die seine Gefährten erdulden mussten. Die perfiden Strafen der Aufpasser waren vielfältig und die Kreativität ihres Sadismus schien kaum Grenzen zu kennen. Einen Arbeiter hatten sie sogar in ein Geflecht von Ketten gesperrt, so dass er nur kriechend zu der auszehrenden Plackerei kommen konnte und so auch schuften musste.

Jeden Tag erhielt diese traurige Figur vor dem Abend von mehreren Wächtern eine Abreibung, weil er auf allen Vieren nicht schnell genug gewesen war. Dazu stellten sich die Männer mit ihren Prügelstöcken und Peitschen in zwei gegenüberstehenden Reihen auf, durch die der Arme kriechen musste. Bei diesem Spießrutenlauf krabbelte der Mann trotz seiner wunden Hände und Knie so schnell wie ein Wiesel und brüllte vor Angst und Schmerz. Später dann brabbelte er in einem Monolog davon, dass er am nächsten Tag mehr leisten würde. Seine Augen waren aufgerissen, sein krummer Körper wiegte sich hin und her. Abas dauerte der Sklave und konnte dem grausamen Geschehen nicht zusehen und drehte den Kopf jedes Mal weg.

Doch nach mehreren Tagen - der Sklave war immer schwächer geworden und würde wohl spätestens Morgen abtransportiert werden – fiel Abas auf, dass ein Wärter nur mimte, als schlüge er zu. Hatte er da einen Wohltäter gefunden? Konnte das möglich sein? Ein bisschen Menschlichkeit unter diesen mitleidlosen Bestien? Diesen brutalen Monstern? Frönte der Mann einem hehren Ziele? So gut er konnte, beobachtete Abas seit diesem Augenblick diesen Wachmann, einen klein gewachsenen, fast zierlichen Burschen, der nie seinen Helm abnahm und dazu noch einen Seidenschal vor dem Gesicht trug, der ihn vor dem feinen Sand schützte, der besonders bei Westwind über die Felder jagte. Der Wachmann gehörte zu einer Spezialeinheit, was Abas durch das rote Wappen auf dem Gewand erkannte. Solche Uniformen hatte er unter den Kerkerwächtern gesehen.

Und der Bauernjunge sollte recht behalten: Am Abend erkannte er den kleinen Mann wieder, wie er mit anderen seiner Einheit vor Abas Zelle patrouillierte. Später am Abend, die Wachen hatten sich zurückgezogen, wurde die schwere beschlagene Tür zum Zellentrakt erneut geöffnet. Abas glaubte seinen Augen nicht: Der kleine Wachmann kam alleine und schloss Abas Gitter auf. Mit gezücktem Schwert deutete er an, Abas möge keinen Laut von sich geben und vorangehen. Er gehorchte wortlos und spürte pieksend die scharfe Schwertspitze in seinem nackten Rücken. Seine Fußketten klirrten und schabten auf dem rauen Steinboden.

Der Weg führte einen Gang entlang, dann zweigten die Beiden in einen kleineren Flur ab und verschwanden hinter einer Tür in einem kleinen dunklen Raum, der völlig leer zu sein schien. Doch dann hörte Abas hinter sich das entzündende Geräusch einer Fackel, die die Umgebung erleuchtete. Er wagte es, sich umzudrehen, doch sofort drohte der Wächter mit eigentümlicher Stimme: „Leg dich auf die Liege da! Und die Hände über den Kopf!“ Abas gehorchte. Er trug immer noch Fuß- und Handketten, die weit genug waren, dass er damit auf den Feldern arbeiten konnte. Der Wächter hakte die Hand- und Fußketten mit Schlössern an der Liege fest, so dass Abas nun mit den Händen oberhalb seines Kopfes und ausgestreckten Beinen hilflos da lag. Sollte er bestraft werden? Wofür?

Er hatte immer sein Soll erfüllt. War es sadistische Willkür? Hatte er sich in dem Menschen geirrt? Abas wollte protestieren, doch schon fühlte er das blitzende Schwert an seiner Kehle. „Keinen Mucks, oder du bist tot!“ Der junge Sklave schluckte nervös und versuchte auf das Schwert unterhalb seines Kinns zu starren. Er fühlte die Spitze und wusste, dass die Schneiden der Schwerter so scharf waren, dass ein Recke sich damit problemlos rasieren konnte.

Doch was machte der Wärter nun? Er legte den Waffenrock ab und knöpfte sich das Wams auf. Dann löste er den Gürtel seiner Pluderhose. Abas wurde heiß. Er war in die Fänge eines… eines….. Ihm fehlte das Wort. Doch hatte er schon von verbotenen Ritualen zwischen Männern gehört, die…. Es war nicht auszusprechen! Es war Frevel! Abas betete zu den Göttern. Nein! Es durfte nicht geschehen! Lieber würde er für immerdar und bis in alle Ewigkeit als Feldsklave schuften, als Opfer dieser schändlichen Sünde zu werden!

Zur gleichen Zeit einige Etagen höher vergnügte sich der fette Kronprinz Talos mit seinem Blondschopf Euros. „Los, Schwanzmaul, hüh-hott! Lauf, vorwärts!“ Der dicke Sohn der Herrscherin hatte sich auf den zierlichen blonden Jüngling gesetzt und ließ sich durch die Gemächer reiten. Lachend und mit einer kleinen Gerte bewaffnet, trieb er den nach Atem schnaufenden und unter der schweren Last zitternden Euros über den harten, kalten Marmorboden. Talos war nur mit einer kurzen Tunika bekleidet, und seine gewaltigen Hüften und Hinterbacken drückten nackt auf Euros Rücken. „Los, Schwanzmaul! Vorwärts!“ Talos kicherte und hielt Euros blonde Locken als Zügel in den kurzen dicken Fingern, die durch die überdimensionierten und mit Edelsteinen besetzten Goldringe noch plumper und wurstiger wirkten.

Bald brach Euros unter dem enormen Gewicht des Prinzen zusammen, aber Talos stand wütend auf und schlug wild mit der Gerte auf den splitternackten Sklaven, der lediglich einen Keuschheitsgürtel trug. Sein Reittierchen umklammerte seine Unterschenkel und schützte sich in der Embriostellung. „Wirst du wohl aufstehen, du fauler Hund! Dir werde ich es zeigen, unter Prinz Talos wegzuknicken und ein Nickerchen einzulegen!“, schalt er sein Pony. Als die Gerte zubiss, zappelte Euros hilflos auf dem Boden und änderte verzweifelt seine Position, um dem Schlaginstrument auszuweichen, aber er hatte keine Chance. Erst als Talos sich verausgabt hatte, und besonders der kleine Po des Jünglings rot vor Striemen war, die bereits anschwollen, begnügte sich der Adelsspross mit der Bestrafung und zerrte den Kopf seines Untertans zwischen seine Beine. „Los, Schwanzmaul! Zeige mir, was du vergangene Woche gelernt hast!“ Als Euros devot und fatalistisch seinen Mund öffnete und Talos kurzen und stark behaarten erigierten Penis aufnahm, kicherte der Prinz hell auf, wie es seine Art war, wenn er erregt war.

Abas zitterte vor Angst. Der Wachmann hatte seine Pluderhose ausgezogen. Was für Beine der Mann hatte! Kein einzige Haar war zu sehen. Die Haut war zart, wie die einer Dame. Dann lüftete der Wärter endlich den Seidenschal. Abas sperrte vor Überraschung den Mund weit auf. Der Mann sah aus wie… ein Weib. Als er/sie sein/ihr Hemd ausgezogen hatte, war Abas sich sicher: Er hatte es mit einer jungen Lady zu tun. Die kleinen, runden und festen Brüste bewiesen es endgültig. „Guck nicht so, als hättest du einen Geist gesehen!“ schalt die Frau, die nun näher an die Liege trat. „Ich heiße Leda.“
Jetzt war die Stimme plötzlich eine Oktave höher als zuvor und hatte vermutlich ihre natürliche Klangfarbe bekommen.

„Du…du bist eine Frau“, stammelte Abas. Leda lachte leise. „Ja. Hast du das auch schon gemerkt? Auch Frauen dürfen als Wachen arbeiten. Warum auch nicht?“ Abas konnte nur staunen. Aber was wollte die junge Frau von ihm? Seine Miene schien die Frage deutlich auszudrücken, denn Leda kicherte: „Was glaubst du wohl? Ein hübscher Bursche wie du?“ Abas blieb der Atem weg. Dann bewegte sich das holde Weib gemach zu ihm und strich ihm zärtlich durch das Haar. Abas wusste nicht, wie ihm geschah.

Schon lag Leda bei ihm und liebkoste den durchtrainierten Körper des Jünglings. Abas genoss die Berührungen, spürte plötzlich einen Kuss, als sich ihre Zungen vereinten. „Du bist wunderschön“, hauchte Abas seiner Leda entgegen. Ein famoses Feuer entflammte in seinen Lenden, so heiß, wie er es noch nie in seinem Leben erlebt hatte. Doch dann erinnerte er sich an den Keuschheitsgürtel. „Wir können uns nicht lieben“, sagte Abas niedergeschlagen. Leda fragte: „Du meinst, weil eine Wächterin keinen Sklaven lieben darf?“ Abas schüttelte den Kopf. „Nein. Schau doch. Ich habe wie alle Sklaven einen Panzer um meine Männlichkeit.“

Abas fürchtete schon, Leda wüsste nicht, dass er sein Gemächt benötigte, um Liebe zu machen. Aber Leda stieg von Abas ab und hielt plötzlich einen Schlüssel in der Hand. „Ich bin Kerkerwächterin. Daher habe ich hier für alles Schlüssel.“ Mit diesen Worten kniete sie neben ihm nieder und steckte den gezackten Metallstift in den Keuschheitsgürtel und drehte das Schloss: Es sprang auf, und Abas Penis drückte den Gürtel ungeduldig zur Seite, denn Ledas Blöße hatte ihn stark erregt.

Ein Lächeln stahl sich in Ledas Gesicht. Sie stieg wieder auf den Burschen und setzte sich rittlings auf ihn, beugte sich vor und küsste ihn ganz ungeniert. Dem jungen Mann wurde blümerant. War er im Paradies der Götter? Diese junge Lady saß entblößt auf seiner Männlichkeit, und… Jetzt griff Leda nach seinem Lustspender und ließ ihn in ihre… Wie nannte man die Weiblichkeit in ihrem warmen Schoß? Abas stöhnte auf und verkrampfte, spürte die Hitze und das feuchte, zarte und enge Fleisch der Venus. Es war so wunderschön! Leda bewegte ihre Hüften und stöhnte ebenfalls auf. Abas Luststab bewegte sich in ihr und bereitete beiden größtes Vergnügen.

So ging es weiter und weiter, und das Paar näherte sich einem ekstatischen Finale. Abas atmete schwer, seine Hände ruhten auf den Seiten der Wärterin, nach und nach rutschten sie weiter zu den herrlichen Pobacken, die sich auf und ab bewegten und lustvoll spannten. Und dann wurde Abas ganz sonderbar: Er musste einen Schrei unterdrücken und hielt die Luft an, als er Leda tief in ihre schönen Augen starrte. Ein kräftiges Gefühl durchströmte ihn, ein Widerspruch eines süßen Mahlstroms gleich, und er goss seinen Samen in die Frucht des Weibes. Leda machte ein leises Geräusch, das sich anhörte, als habe sie Schmerzen, und Abas sah erschrocken zu ihr, doch Leda lächelte mit offenem Mund und küsste ihn erneut. Leidenschaftlich. Sie vereinten ihre Zungen begierig und voller Temperament.

Erst nach einer Weile, in denen sie sich liebkost und geküsst hatten, löste sich Leda von dem Gefesselten und brachte den Keuschheitsgürtel wieder an. „Das hier brauche ich wohl nicht, oder?“ fragte sie und zeigte auf ihr bedrohliches Schwert. Abas schüttelte den Kopf und zog sich bereitwillig seine wenigen Kleider an. Die Enge im Keuschheitsgürtel war so sehr anders, als die wohltuende Weiblichkeit von Leda. Sein Mannesgefängnis war kalt und ließ sein bestes Stück einsam und traurig zurück. Leda rüstete sich in ihre Uniform und brachte ihren heimlichen Liebhaber zurück in seine Zelle. Ein letzter eher flüchtiger Kuss, dann schloss die Wärterin die Tür seines neuen Heims. Abas spürte noch immer die Nachwehen seiner befreiten Manneskraft, doch umso brutaler war der Gegensatz in seinem Zuchtgürtel.

Im Palast vergnügten sich die selbstherrliche Herrscherin und ihre Entourage bei einem „Arena-Abend“. Im Westflügel des Schlosses lag ein großer Saal, der wie ein antikes Theater oder ein römischer Zirkus gebaut war. Königin Megara saß in einer prunkvollen und mit Obsidian verkleideten Loge und eröffnete zu dieser späten Stunde die heutigen Sklavenkämpfe. Hierzu mussten ausgewählte Sklaven antreten, die entweder das Pech hatten, gut gebaut zu sein und für Megara daher einen Augenschmaus bedeuteten, oder den Wächtern negativ aufgefallen waren. Der Potentatin waren gewöhnliche Zweikämpfe schon seit geraumer Zeit langweilig geworden. Deshalb mussten sich die Soldaten immer wieder etwas Neues einfallen lassen.

Besonders amüsant fand das Königshaus, wenn mehrere schwache Sklaven gegen einen besonders starken und großen Kämpfer antraten. Üblich waren scharfe Waffen wie Schwerter, Äxte, Beile, Dreizacke, Lanzen und Dolche; gegen blutrünstige Spektakel hatte Megara nichts einzuwenden, aber unterhaltsamer fand sie es, wenn die Athleten mit Öl eingerieben wurden und auf einem flachen Becken mit weiterem Öl nur mit ihren nackten Leibern kämpften. Sieger war, wer den Gegner für mindestens zehn Herzschläge auf den Rücken zwang. Regeln gab es ansonsten keine.

Da die Kämpfe am Abend bei Dunkelheit veranstaltet wurden, erhellten Dutzende blakende Fackeln an den Wänden den Saal. Die Flammen beleuchteten Megaras grausames Gesicht in einer Weise, die es in eine diabolische Fratze verwandelte. Aber auf diese Details achtete niemand. Die Zuschauer feierten die Kämpfer und schlossen Wetten über den Ausgang ab. Reichlich Wein floss aus bronzenen Kelchen die Kehlen hinab.

Bald wurden die ersten drei Geschöpfe in die Arena geführt. Wächter mit härenen Umhängen pieksten die Kämpfer mit ihren geschärften Hellebarden in die Allerwertesten und trieben sie so vorwärts. Sie waren splitternackt, was die weiblichen Zuschauerinnen in ihren pelzverbrämten Seidenkleidern begeistert pfeifen und jubilieren ließ. Auch Prinz Talos Schweinsäuglein leuchteten, als er von einem Gemächt zum anderen blickte.

Und dann erschien der Gegner: Ein muskulöser Mann, der mindestens einen Kopf größer und deutlich breiter und kräftiger war als seine drei Konkurrenten, die ob der kraftstrotzenden Erscheinung ein jämmerliches Bild abgaben. Ein Raunen ging durch die Sitze, denn die feinen Damen des königlichen Hofes hatten so einen gut gebauten Mann niemals zuvor gesehen. Und insgeheim starrten sie auch auf das gewaltige Gemächt des Riesen und spürten, wie es eine wohlige Wärme und ein Prickeln in einigen ihrer Körperregionen verursachte.

Der Prinz grinste dümmlich, als er den massigen Penis und die voluminösen Hoden sah, aber dann verfinsterte sich sein Blick, als er daran dachte, wie klein doch sein eigenes Gemächt gegen das des Adonis war. Sollten die drei Anderen den Gorilla niedermachen! Ihn entmannen und auf den Prahlhans speien! Unbewusst knüllte und drehte er am Tüll seines Gewandes, als wolle er ein armes Geschöpf garottieren. Pikiert schob er seine Unterlippe nach vorne wie ein beleidigtes Kind und sah zu seiner Mutter, die mit einem Zeichen den Kampf eröffnen würde. Dem stolzen Sieger winkten eine bevorzugte Behandlung und vielleicht sogar die Freiheit. Der Verlierer wurde öffentlich bestraft. Auch das war ein Teil der Arenakämpfe, auf den sich viele der Anwesenden bereits freuten. Megara hob ihre rechte Hand und ließ den Arm wieder fallen – das Zeichen, dass der Kampf beginnen sollte. Ihr Perlmuttarmband blitzte dabei im Licht der Fackeln auf. Sofort stürzten sich die drei Sklaven auf den Riesen.
7. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 12.01.18 19:00

Aber selbst der gemeinsame Schwung reichte nicht aus, um den Gladiator zu fällen. Als prallten sie gegen eine Wand, kamen sie vor dem Riesen zum Halten und klatschten in den öligen Unrat des Kampfpfuhls. Der Recke packte zwei von ihnen am Nacken und zwang sie mit ihren Köpfen bis auf den Boden in die Ölpfütze. Dann gab er den einen wieder frei und presste dafür den anderen mit aller Kraft auf den Rücken und stieg auf den zu Boden gerungenen mit seinen fast drei Zentnern Gewicht hinauf, um ihm den Garaus zu machen. Während die beiden übrigen verzweifelt versuchten, den Riesen nach hinten auf den Rücken zu zwingen, blieb der Gigant aufrecht sitzen, bis der Kampfrichter den Sklaven erlöste. Allerdings war der Mann damit ausgeschieden und erwartete ein dunkles Schicksal.

Jetzt wurde es noch schwieriger für die beiden verbliebenen Sklaven, gegen den Fels von einem Koloss zu bestehen. Ein Sklave lenkte den Hünen ab, während der andere von hinten auf den Gegner sprang und seinen Unterarm fest um dessen Hals schraubte und ihn würgte. Der Riese wedelte mit den Armen und wäre beinahe nach hinten umgekippt. Er versuchte den kleineren Sklaven abzuschütteln, aber der krallte sich fest und nahm dem Goliath nach und nach die Luft zum Atmen. Der Sklave hing an dem Gegner wie ein Bullenbeißer. Der andere Sklave rammte den Konkurrenten nun von vorne und prallte mit seiner Schulter genau in das gewaltige Gemächt. Jetzt endlich sank der Muskelprotz aufbrüllend auf die Knie. Jubel brandete aus den Zuschauerreihen auf. Die Damen des Königshauses klatschten aufgeregt in ihre Händchen. Was für ein Spektakel! So einen Giganten hatten sie schon lange nicht mehr in der Arena gehabt.

Der Kleine, der den Riesen gefällt hatte, setzte direkt nach: Mit einem kräftigen Ellbogenstoß in das Gemächt des Mannes sorgte er für einen weiteren Schmerzensruf.
Inzwischen war der Kopf des Goliath rot angelaufen, denn noch immer hatte er den anderen Gegner an seinem Hals hängen. Eine Halsader stand vor Anstrengung prall hervor. Da packte er mit seinen Pranken über seinen Kopf nach hinten und riss den Sklaven mit unglaublicher Kraft über sich und wirbelte ihn mehrere Schritte weit durch die Luft wie ein Säckchen Ähren.

Endlich hatte er sich von dem Plagegeist befreit. Der Sklave klatschte in das fußtiefe Öl, dass es nur so spritzte. Der Hüne schnappte sich nun den anderen Gegner, der zwei Mal sein Gemächt malträtiert hatte und zwang ihn auf den Boden. Jetzt kam die Gelegenheit für seine Revanche: Mit einer Pranke hielt er den Mann an der Kehle auf dem Boden, mit der anderen Faust hieb er dem Liegenden in dessen Juwelen. Ein schriller Schrei entfuhr dem Sklaven, was bei den Damen auf den Rängen ein jubilierendes Kichern auslöste. Der Gepeinigte drehte sich mit angezogenen Beinen auf die Seite. Aber der Riese riss ihn zurück auf den Rücken und warf sich mit seinen drei Zentnern auf sein Opfer.

Nach zehn Wimpernschlägen war es auch für diesen Unglücklichen vorbei. Er wurde von vier Wachen unter dem Jubel der Zuschauer aus der Arena geschleift. Jetzt blieb nur noch ein Gegner für den Koloss übrig. Vorsichtig umkreisten sich die Beiden wie zwei konkurrierende Raubkatzen. Schneller, als man es ihm zugetraut hätte, sprang der Riese nach vorne und umschlang seinen Konkurrenten mit einer Umarmung wie ein Bär, der seine Beute zerquetschen will. Er hätte die Kraft gehabt, Rippen bersten zu lassen...

Doch seine ganze Kraft nützte ihm nichts, denn das Öl machte die Körper der Kämpfenden glitschig, so dass der Sklave dem Griff, der ihn ins Todesreich geführt hätte, entkommen konnte. Schnell krabbelte der Sklave durch die Beine des massigen Gegners, und noch bevor dem Muskelmann klar wurde, was da gerade geschehen war, explodierte erneut ein Treffer in seinem Gemächt. Erschrocken brüllte der Riese auf und sank erneut in die Knie. Der Gigant erholte sich jedoch schnell und sprang wütend auf, drehte sich zu dem anderen um und sprang erneut auf ihn zu. Allerdings war der Sklave zu flink, sich fangen zu lassen und wich dem Großen immer wieder aus.

Die Fräuleins in ihren Seidenkleidern und Brokatumhängen auf den Rängen gaben aufgeregte Schreckensrufe von sich, als der Koloss den Kleinen beinahe erwischte. Das Lager spaltete sich: Die einen gönnten dem Riesen einen Erfolg, die anderen hatten Mitleid mit dem Sklaven. Die Gebieterin Megara verfolgte das Katz-und-Maus-Spiel und nippte nebenbei an ihrem goldenen Kelch mit dem schweren Rotwein.

Aber dann fiel der Sklave auf eine Finte des Riesen ein und wurde an einem Arm gepackt. Jetzt gab es kein Entkommen mehr. Der Mann zerrte wie verrückt an seinem Arm, doch der Riese zerquetschte ihm fast das Handgelenk. Elle und Speiche knackten verdächtig. Er zog seine Beute zu sich heran und schleuderte ihn mit grober Gewalt auf den Rücken. Er setzte sich auf sein Opfer und wartete die zehn Herzschläge ab. Der Sklave unter ihm zappelte mit letzter Kraft, aber den Giganten konnte er nicht abschütteln.

Nun wurde auch der dritte Sklave weggebracht. Der Sieger wendete sich zur Königsloge, kniete sich in den Staub und verbeugte sich tief. Megara verkündete: „Du sollst drei Jungfrauen erhalten, Kämpfer. Du hast sie dir verdient.“ Der Hofstaat und das weitere Publikum ließen einen aufbrausenden Applaus ertönen. Der Gladiator dankte Megara für ihre Gnade mit noch tieferen Verbeugungen, so dass sein Gesicht den Boden berührte.

Doch damit war der Arena-Abend noch nicht beendet. Eigentlich ging es gerade erst los. Die drei Verlierer wurden von armierten Wachen in die Arena zurück gebracht und nebeneinander mit ausgebreiteten Armen und Beinen auf dem Boden mit Pflöcken festgebunden, so dass sie wie drei große X aussahen. Dann kam der Scharfrichter: Ein schwarz gewandeter Mann mit einem blitzenden Silberdolch bewaffnet. Auf seinem Umhang prangte ein großer silberfarbener Greif. Er verbeugte sich demütig vor seiner Herrscherin und schritt dann zu dem ersten der Männer. Der Scherge kniete zu dem Sklaven hinab und zog seine scharfe Damast-Klinge. Dann griff er um den Hodensack des Verlierers und sah fragend ins Publikum.

Dutzende Daumen richteten sich an den ausgestreckten Armen nach unten: Keine Gnade sollte es für den Sklaven geben. Die letzte Entscheidung hatte die Majestät. Auch sie gab das erbarmungslose Zeichen. Der Sklave plärrte und zerrte an den Fesseln. Aber er konnte nur entsetzt zusehen, wie der Häscher seinen Dolch senkte und an den Hodensack des Sklaven ansetzte. Der Jubel des Publikums wurde so laut, dass die Angstschreie des Sklaven darin versanken. Prinz Talos reckte seinen Hals und grinste breit. Sein Mund öffnete sich vor lauter Erwartungshaltung. Vor Aufregung lief ihm ein kleiner Speichelfaden über das Doppelkinn.

Abas lag auf seiner Pritsche. Er konnte nicht schlafen. Was für eine Begegnung hatte er in dieser Nacht erlebt! Ihm war schon bang gewesen, alles nur geträumt zu haben, aber als kurz darauf zwei Wachen in dem Zellentrakt patrouillierten, und er Leda erkannte, die ihm ein Äuglein zuzwinkerte, da durchströmte ihn ein Wohlgefühl, wie er es bisher nicht gekannt hatte. Eine warme Kraft wogte durch seinen Bauch. Der Jüngling hatte sich verliebt.

Am nächsten Tag musste Abas wieder auf den Feldern schuften, aber er ertrug sein Schicksal mannhaft. Er dachte die ganze Zeit an Leda: ihre wunderschönen Augen, ihre zarte Haut, ihre heißen Lippen, ihre knackigen warmen Brüste, den flachen Bauch, die geschwungenen Hüften und die köstliche Weiblichkeit ihres Körpers. Am Nachmittag gehörte Leda zu seinen Wachen. In einem unbeobachteten Moment steckte Leda ihm sogar einen Brocken Brot zu.

So vergingen die nächsten Tage. Als Abschlussritual am Abend wurde die arme Kreatur in den Ketten wieder von den Wachen gepeitscht: Der Sklave, der vor Talos Augen gestolpert war, und deshalb sein künftiges Leben kriechend verbringen musste.
Am nächsten Tag fehlte der Sklave in den Reihen der Arbeiter. Abas fragte Skiron nach dem Mann. „Ich habe gehört, dass er sein Leben ausgehaucht hat“, bekundete der Kamerad und sah Abas traurig an. Abas war sprachlos. Für den Rest des Tages war er tief in Gedanken versunken. Er musste von diesem fürchterlichen Ort flüchten. Und die wunderbare Leda würde er mitnehmen. Gemeinsam würden sie ein neues Leben in Freiheit beginnen, weit weg von Megaras Schergen.

Des Nachts hatte Leda wieder die Möglichkeit gehabt, sich zu ihrem Abas zu schleichen. Sie riskierte damit Kopf und Kragen, aber ihr Geliebter war die Gefahr wert. Die Herzen der beiden jungen Leute schlugen wie eines. Dieses Mal verzichtete die Wärterin auf die Fesseln und legte ihre Waffe zur Seite. Sie vertraute Abas voll und ganz. Der Jüngling sah das Schwert in Reichweite liegen, und einen kurzen Augenblick liebäugelte er damit, die Situation zu nutzen, um aus dem Palast zu entkommen.

Aber das konnte er Leda nicht antun. Er fragte zwischen zwei leidenschaftlichen Küssen: „Warum flüchten wir nicht gemeinsam von hier?“ Leda schüttelte den Kopf: „Wir würden nicht weit kommen. Die Soldaten der Megara würden uns geschwind aufspüren.“ Das gab Abas einen Stich ins Herz, doch noch wollte er seine Hoffnungen nicht aufgeben, die gerade erst wie ein zartes Blümlein auf karger Erde gewachsen waren. Leda strich ihm tröstend über das Haupt. „Gräme dich nicht, Geliebter.“

Während das junge Paar im Kerker seiner Leidenschaft frönte, vergnügte sich Prinz Talos mit dem Blondschopf Euros auf seine bizarre Art. Der fettleibige Königssohn spielte den Arenakampf nach, der vor einigen Tagen stattgefunden hatte. Er wickelte seinen Arm von hinten um Euros, drückte ihm die Luft ab und erzählte aufgeregt: „Und so hat er ihn gepackt, und dann….“ Eine Gruppe Gesinde musste zuschauen und Interesse heucheln. Prinz Talos spielte auch die schmerzhaften Körpertreffer nach. Selbstverständlich war er bei der Demonstration immer der aktive Part. Euros dagegen musste ständig einstecken.
Er japste stöhnend auf, als ihn eine fette Faust mit all den Ringen genau in seiner Männlichkeit traf. Prinz Talos kicherte hell und gluckste vor sich hin. „Und dann ging es so weiter…“ Noch eine ganze Weile erhielt Euros Knuffe, Boxhiebe, Tritte und Backpfeifen, so dass ihm bald der ganze Leib schmerzte.

Die Nacht brachte auch nach der Präsentation des Kampfes nichts Gutes für den Blondschopf, denn Talos war durch die Hiebe in Euros Gemächt stark erregt und beugte den Sklaven über eine Truhe, um ihn von hinten zu nehmen. „Bitte nicht, Herr…“, flehte Euros, aber Talos rammte grunzend seinen Luststab, der hart und gierig vor Erwartung hervorstand, zwischen die engen Backen des Liebesdieners. Es dauerte nur wenige Augenblicke, bis der dicke Prinz seine Lust verströmte und stöhnend und sich weit übergebeugt auf Euros legte wie ein Seeelefant, der jemanden erdrücken wollte.

Als Talos wieder zu Atem gekommen war, zog er sich zurück und befahl Euros, in seiner Position zu verharren. Dann rief Talos nach Xeno, seinem Leibdiener. „Bring die Peitsche mit! Der Sklave muss für seine Unverschämtheit bestraft werden, mit den Rücken zuzudrehen!“ Xeno verbeugte sich und kam bald mit dem Gewünschten zurück. Talos machte es sich auf einem pompösen Diwan gemütlich, nahm ein paar Trauben und gab lässig wedelnd das Zeichen, Xeno möge mit der Bestrafung beginnen. „Zwei Dutzend reichen fürs erste“, stellte der Prinz wichtigtuerisch fest.

Xeno holte weit aus. Der kräftige Mann knallte das Schlaginstrument auf das zarte Sitzfleisch des Jünglings. Euros bäumte sich vor Schmerz auf, getraute sich aber nicht, seine Position zu ändern. Talos fläzte auf den Seidenkissen des Möbels, futterte Weintrauben und kicherte. Der Leibdiener schlug mit aller Kraft gnadenlos zu, denn er wusste, was geschah, wenn der Prinz nicht zufrieden sein sollte.

Als er die 24 Hiebe endlich ausgeführt hatte, verbeugte er sich vor Talos demütig und wartete auf weitere Befehle. „Verschwinde jetzt!“ sagte der Prinz und erhob sich ächzend von dem Diwan. Amüsiert betrachtete er den geschundenen Po des Blondschopfs. Vorsichtig strich Talos über die dick anschwellenden Striemen und leckte sich genüsslich über die Lippen. Euros wimmerte kaum hörbar und zuckte ängstlich bei jeder Berührung zusammen. In einer hektischen Bewegung warf Talos seine Tunika von sich und griff nach seinem erigierten Penis, der nur mit seiner Spitze aus dem dichten krausen Schamhaar herauslugte. Er steckte ihn erneut in Euros und rammelte wie wild drauf los.
Nach wenigen hektischen Augenblicken spritzte er ab und ließ sich nackt, wie er war, auf den Diwan fallen.

Schwer atmend sagte er: „Steh auf!“ Euros erhob sich und sah seinen Herrn mit Tränen in den Augen an. Der Prinz rümpfte die Nase und wedelte mit seiner Hand. „Warte in meinem Schlafgemach. Und bade vorher!“ Talos griff nach einer Weintraube. Vielleicht würde er am morgigen Tage mal durch die Kerker wandeln und sich ein neues Spielzeug suchen. Etwas Frisches. Etwas Aufregendes. Der Blondschopf wurde langsam langweilig…

Am nächsten Tag war draußen die Sonne kaum aufgegangen, da wurden einige Sklaven ausgesondert und in einer Halle des Kerkers gesammelt. Abas und Skiron gehörten dazu.
„Warum müssen wir nicht auf die Felder?“ raunte Abas seinem Freund zu. Der hob unwissend die Schultern. Bald schritt ein Mann in edlem Zwirn die Reihen der Sklaven ab. Er gehörte nicht zu den Wachen oder Soldaten. Vielleicht war es ein Vertrauter oder gar ein Mitglied der Herrscherfamilie? Auf seiner Brust war kunstvoll ein heraldischer Mantikor gestickt.

Der Mann gab knappe Anweisungen und wählte mehrere Arbeiter aus, die von den Wachen abgeführt wurden. Letztlich blieben nur noch zehn Männer übrig. Darunter auch Abas und Skiron. Soldaten führten sie in einen Teil der Kerker, den sie bisher noch nicht gesehen hatten. Hier war alles etwas sauberer, aber trotzdem spartanisch eingerichtet. Die Wachen brachten Fleisch, Brot und andere Speisen. Dazu gab es unbegrenzte Mengen frisches Wasser. Abas freute sich. Hatte Leda das für ihn organisiert? Und dann sah er sie auch in den Reihen der Wachen stehen. Aber sie machte ein eher betrübtes Gesicht. Warum? Es ging ihm doch nun viel besser. Und offenbar wurden die Auserwählten nicht auf die Felder oder in die Mine geschickt. Der einzige Nachteil war, dass sich nun Leda nicht mehr zu ihm schleichen konnte.

Am Nachmittag erschienen mehrere Soldaten. Sie befreiten die Sklaven sogar von ihren Ketten. Danach erklärte einer der Soldaten den Männern mit feierlicher Stimme, was die Schicksalsgöttin für sie geschrieben hatte. Abas und die anderen waren als Kämpfer für die regelmäßig abgehaltenen Arena-Abende der Königin erkoren worden. Nun würden sie in Ringkampftechniken ausgebildet werden. Tag für Tag trainierten sie gnadenlos und unbarmherzig. Abas erwies sich als sehr talentierter Kämpfer und ge gehörte bald zu den besten Gladiatoren. Seine präzise Technik und sein athletischer Körper brachte ihm dabei viele Vorteile. Die Übungsstunden machten Abas sogar Spaß, denn die Ausbilder waren zwar hart, aber gerecht. Abas vermisste fürwahr keine Geißel oder die Schufterei auf den Feldern. Nur Leda fehlte seinem Herzen sehr. Nicht einmal sehen durfte er sie mehr. Denn Leda war als Wächterin auf den Feldern und im Kerkertrakt der Arbeitssklaven eingeteilt.

Abas gehörte zu den stärksten und geschicktesten Kämpfern, und wurde nur selten besiegt. Die Lehrmeister stellten ihn sogar manchmal vor die Aufgabe mit zwei Gegnern gleichzeitig fertig zu werden. Und selbst das gelang dem gewandten Burschen. Doch eine Woche später begegnete er Kreios, dem riesenhaftesten Menschen, den Abas jemals gesehen hatte. Der Muskelberg war groß wie ein Gigant und breit wie eine Kutsche. Der Anblick des finsteren Gesellen war bereits Furcht einflößend. Zu allem Überfluss verlief eine lange Narbe von seinem linken Auge quer über sein Gesicht bis zum rechten Mundwinkel.

Aber damit nicht genug: Der Mentor zeigte auf Abas und meinte: „Das ist mein bester Neuling. Ihr zwei werdet miteinander ringen.“ Damit blickte er auffordernd auf den Koloss. Abas sah ungläubig von dem Lehrmeister zu Kreios und zurück. Das konnte nicht sein Ernst sein! Gegen dieses Ungetüm sollte er kämpfen? Da würde ja kein Knochen heil bleiben. Doch der Mann hatte es wohl ernst gemeint. Er schickte die beiden Recken kurzerhand in die Übungsarena und gab das Startsignal. Die anderen Gladiatoren scharrten sich neugierig in einem engen Kreis um den runden Platz. Skiron war bleich geworden. Sein Freund würde das nicht überstehen!

Skirons Befürchtungen wurden scheinbar wahr: Kreios wirbelte Abas durch die Luft, ließ ihn hart auf den Boden landen wie einen Wassersack, immer wieder, er schleuderte ihn einer Bola gleich durch die Arena, verdrehte ihm schmerzhaft die Glieder und nahm ihm im Schwitzkasten jeden Atem. Überraschenderweise verletzte sich Abas nicht, denn er rollte sich immer geschickt ab oder konnte sich aus den steinharten Griffen winden. Bis auf ein paar blaue Flecken und einer brutalen Landung auf seinem Steißbein blieb er heil.
Mit der Zeit konnte er Kreios sogar etwas Paroli bieten, aber es war auch Glück dabei. Eigentlich war er dem Riesen hoffnungslos unterlegen. Doch er verfügte über mehr Ausdauer als der Berserker und ließ sich nicht unterkriegen.

In den nächsten Tagen wuchs sein Ansehen in der Gruppe, und Abas fühlte sich sehr wohl. Aber er spürte auch immer stärker, wie sehr ihm Leda fehlte. Natürlich spielte auch eine Rolle dabei, dass sie den Schlüssel zu seinen Keuschheitsgürtel besaß.
Nachdem Abas unvergessliche Liebesnächte erlebt hatte, wollte er sie nicht mehr missen. Gemach aber deutlich bemerkte er, wie sich ein unangenehmer Druck in seiner Männlichkeit steigerte, besonders, wenn er an die ekstatischen Erfahrungen dachte, die ihm diese Venus bescherrt hatte. Aber er bekam keine Chance, sich Leda zu nähern, sie nur zu sehen. Seine frustrierte Männlichkeit machte ihn im Arenakampf nur stärker, aber eine wahre Befriedigung wollte sich nicht einstellen.

Potentatin Megara trug einen hohen gesteiften Samtkragen mit Perlmuttverschlüssen und stolzierte durch ihre prunkvollen Gemächer. Sie setzte sich ein mit Diamanten bestücktes Diadem auf und begutachtete sich selbstgefällig in einem mannshohen Spiegel. Sie war auf dem Weg zur neuen Auswahl Jünglinge, die glaubten, sie würden würdig sein, um als ihr Gemahl das Reich regieren und ihr einen Thronerben schenken zu können. Sie betrat kurz darauf eine Halle, in der ein Dutzend Männer eine Reihe bildete. Gelangweilt sortierte sie bis auf zwei Jünglinge mit lästig wedelnden Bewegungen alle aus.

Anschließend ließ sie sich auf einem protzigen Diwan nieder. Ein Barde sang und spielte auf einer Harfe für sie, bis sie ihn genervt wegschickte. Zwei Diener fächerten Megara mit großen Palmblättern frische kühle Luft zu, während sie die beiden verbliebenen Burschen betrachtete. Die jungen Männer standen erwartungsvoll vor der Hoheit und warteten darauf, angesprochen zu werden. Doch Megara ließ sich Zeit. Sie schnippte mit den Fingern und ließ sich von einem herbeieilenden Diener Wein einschenken. Die zwei Mannsbilder stand in einigen Metern Entfernung da wie Marmorsäulen und wagten es nicht, sich zu bewegen.

Der fettleibige Prinz besuchte derweil das Ausbildungslager der Gladiatoren, und beobachtete zwei Schwertkämpfer, die mit Holzwaffen einander umkreisten, bis plötzlich einer der beiden einen Ausfall machte und angriff. Der Gegner wehrte geschickt ab und drehte sich, wirbelte seine Waffe herum und hieb dem Anderen damit sengend auf den Rücken, so dass der Besiegte in den Staub stolperte. Prinz Talos lachte laut meckernd über den Sturz des Unglücklichen.

Der Waffenmeister wurde der Anwesenheit des Thronfolgers erst jetzt gewahr, sah erschrocken zu der Majestät und verneigte sich tief. Alle anderen Kämpfer fielen in den Staub und knieten nieder. „Gebt mir ein Schwert. Ich werde auch kämpfen.“ Die Worte des dicken Prinzen hingen bleischwer in der Luft. Der Schrecken des Lehrmeisters steigerte sich noch. Talos und kämpfen? Dieser ungelenke Dickwanst? „Aber Majestät! Die Sklaven sind es nicht würdig gegen Eure hohe…“ Talos unterbrach ihn: „Schweig still! Du gibst mir Widerworte?“ Der Kampfmentor schüttelte erschrocken den Kopf und verlangte hektisch nach einem Schwert für die Majestät. Er übergab Talos eine Waffe, von der er hoffte, der Prinz könne sie wenigstens heben.
8. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 21.01.18 11:16

Es war ein Dilemma: Würde das Schwert eher einem Dolch ähneln, würde er den Thronfolger beleidigen. Würde die Waffe aber zu schwer und mächtig sein und die Majestät überfordern, würde es dieser ebenfalls als Affront empfinden. „Melde dich heute Abend beim Kommandanten meiner Leibgarde. Du erhältst zwei Dutzend Hiebe auf deinen nackten Arsch!“ verkündete der Prinz bissig vor aller Ohren. Die Worte „nackten Arsch“ kamen ihm wie süßester Wein von den Lippen. Für den gestandenen Mann war diese Strafe völlig unangemessen - erst recht vor seinen Schülern -, und selbst die grausame Herrscherin Megara hätte sie nicht gutgeheißen. Doch wer wollte ihr davon berichten und sich den Zorn des Prinzen zuführen?

Wenigstens waren die Übungswaffen alle aus Holz und stumpf. Ein großes Metallschwert hätte Talos niemals führen können. „Der da!“ zeigte der Prinz auf den Kämpfer, der gerade gewonnen hatte, und fügte höhnisch und ironisch hinzu: „der Unbesiegbare!“ Der Gladiator war verunsichert. Gegen den Prinzen kämpfen? Es war bereits eine Todsünde, nur sein Haupt in Talos Gegenwart zu erheben. Und er sollte mit einem Schwert gegen ihn antreten? Er schaute entsetzt und unschlüssig zu seinem Lehrer, aber der Ausbilder gab den Befehl. Und er hatte ja den Wunsch der jungen Majestät gehört. Der Mentor betete zu den Göttern, der Kämpfer möge klug genug sein, und Talos gewinnen lassen. Egal, wie ungeschickt sich der Fettsack anstellte!

Da die Schwertkämpfer in direkter Nachbarschaft der Ringer übten, konnte auch Abas den Kampf aus einiger Entfernung sehen. Die Anwesenden knieten unterwürfig vor der Majestät im Staub; aber in diesem Fall durften sie ihr Gesicht erheben, um dem Kampf beizuwohnen. Schließlich heischte der Bastardsohn der Tyrannin nach Beifall. Und der Waffengang begann noch schrecklicher, als befürchtet, denn Talos stolperte über seine dicken kurzen Beine und wäre beinahe wie eine umkippende Stele aus Marmor im Staub gelandet wie seine Untertanen. Doch im letzten Wimpernschlag fing er sich und schwang sein Schwert ungelenk über dem Kopf, um anzugreifen.

Der Gegner wehrte den Schlag mit Leichtigkeit ab und hätte am liebsten die stumpfe Spitze seines Holzschwertes in die ungeschützte und wabbelige Flanke des Prinzen gerammt, um dem Widersacher einen schmerzvollen Rippentreffer zu versetzen. Stattdessen zog er sich nur zurück und umkreiste Talos defensiv, der schon nach dieser ersten Aktion stark schwitzte und ächzte. Weitere zwei Male versuchte der Fettberg erfolglos sein Glück mit tölpelhaften Bewegungen, die man kaum eine Parade nennen konnte, und der Gladiatorlehrling sah Hilfe suchend zu seinem Mentor. Mit einer heimlichen Geste zeigte ihm der Mann, dass er sich treffen lassen musste. Vielleicht gab sich Talos damit zufrieden. Endlich konnte der tumbe Prinz einen Erfolg verbuchen und schrie begeistert auf, um direkt weiter auf den Kämpfer zu prügeln und sein Schwert in dessen Magen zu rammen.

Der Rivale keuchte auf und verzog sein Gesicht peinvoll. Der Waffenmeister rief: „Wunderbar! Majestät! Ihr habt ihn besiegt! Welch filigrane Kampftechnik! Fürwahr! Exquisit! Fabelhaft!“ Prinz Talos giftete ihn Speichel spuckend an: „Was heißt hier besiegt? Liegt er etwa am Boden? Bittet er um Gnade? Vorher gibt es kein Pardon.“ Und wieder griff er an. Dieses Mal drehte sich der Schwertschüler weg, denn die Treffer des Prinzen taten höllisch weh. Das harte Holz konnte einige Blessuren verursachen. Talos lief ins Leere und wäre beinahe über sein Schwert gestolpert, das er zwischen seine dicken Beine bekam. „Verflucht!“ brüllte er. „Das sollst du büßen, du dreckiger Wurm!“ Schreiend kam er angerannt wie ein Berserker. Oder vielleicht eher wie eine gemästete Wildsau.

Nur halbherzig blockte der Gegner den Schlag und ließ sich absichtlich auf den Boden fallen. Der Thronfolger sah eher lächerlich denn gefährlich aus. „Bravo“, rief der Ausbilder der Hoheit zu. „Der Waffengang ist gewonnen!“ Talos atmete schwer, und sein Gewand war nass geschwitzt. „Der Hund hat seine Lektion erhalten“, ächzte er. Dann rammte er verbissen sein Holzschwert gegen alle Regeln der Ehre in die Rippen des Liegenden. Und noch ein Mal. Der Unterlegene stöhnte schmerzlich auf und krümmte sich am Boden.
Der Mentor rief: „Majestät! Ihr seid der Sieger! Euer starker Schwertarm beschädigt euren Gladiator, wenn Ihr ihm keine Gnade schenkt.“ Talos schnaufte verächtlich: „Dieser Versager! Du solltest ihn besser trainieren! Lass ihn ein paar Extrarunden durch die Sonne laufen! Und Wasser erhält er erst nach Sonnenaufgang wieder.“ Der Kampflehrer verneigte sich demütig, froh darüber, dass die Posse ihr Ende gefunden hatte.

„Oder besser…“, meinte Talos, während sich ein hämischer Tonfall in seine Fistelstimme schlich, „sollte er kriechen! Auf allen Vieren! Das, was er am besten kann!“ Talos rief herrisch nach Xeno, seinem Leibdiener. „Beschaffe die Kriechketten für diesen Nichtsnutz!“ Glucksend rief er nach seiner Sänfte und hievte sich hinein. Die Träger unterdrückten ein Ächzen und marschierten angestrengt unter dem enormen Gewicht mit ihrer Majestät davon. Mit der rechten Hand wedelte sich der Herrschersohn kühle Luft mit einem Seiden-Fächer zu, mit der linken grapschte er nach einer Schale voll gezuckerter Datteln.

Nach diesem Erlebnis sollten die Sklaven den Thronfolger so schnell nicht mehr sehen.
Während sie im Trainingscamp schwitzten, fläzte sich der dicke Königssohn auf seinem Diwan und futterte eine goldene Schüssel nach der anderen leer. Und als Nachtisch holte er sich oft Frischfleisch: einen Jüngling. Der blonde Euros war mittlerweile ausgemustert. Talos liebte die Abwechslung – wie seine Mutter. Daher schuftete Euros brav in den Minen unter dem Palast und fristete dort sein Dasein. Er empfand die knochenharte Schufterei in der feuchtschwülen Dunkelheit als das kleiner Übel. Doch es war kein Grund, der Schicksalsgöttin zu danken.

Des Nachts schliefen die angehenden Gladiatoren in großen Sammelzellen. Die jungen Männer trugen alle Keuschheitsgürtel. Ihr Mentor hatte ihnen erklärt: Königin Megara meine, die Recken müssen ihre gesamte Tatkraft in ihre Aufgabe stecken. Damit war wohl auch die sexuelle Energie gemeint. Den Männern gefiel das natürlich nicht, aber sie wurden nicht gefragt. Der ansteigende Lusttrieb in den engen Käfigräumen führte zu häufigen Streitigkeiten. Prügel waren an der Tagesordnung. Und wer bei einem Zwist erwischt wurde, dem blühte eine Züchtigungstrafe durch die Wachen.

In der folgenden Woche erschienen eines Nachts zwei Wachmänner, die Abas abführten.
Skiron machte sich große Sorgen. Sollte er für einen Arenakampf geholt worden sein? Oder erhielt er eine Körperstrafe wegen irgendeiner Nichtigkeit oder nur zur Belustigung der Männer? Doch als sein Freund mit einem breiten Grinsen zwei Stunden später zurückkehrte, war er erleichtert. Und leise flüsterte Abas ihm zu, was er erlebt hatte, der nur staunen konnte. Skiron hatte Abas Geheimnis und seine große Liebe Leda gekannt, aber den heutigen Streich wollte er kaum glauben: Leda hatte es irgendwie – vermutlich durch Bestechung – geschafft, Abas für ein Schäferstündchen in einen verlassenen Raum bringen zu lassen, wo das junge Paar ungestört war.

Abas Herz flatterte vor Aufregung, als Leda den Schlüssel zu seinem Keuschheitsgürtel gezückt hatte und ihn im Schloss umdrehte. Fast war es ihm peinlich, wie sein Lustspender hart und unnachgiebig sofort an Größe zunahm und prall nach vorne zeigte.
Leda hatte gekichert und war ihm in die Arme gefallen, um ihn leidenschaftlich zu küssen. Die Leiber rieben sich aneinander, die nach oben gerichtete Rute zwischen sich, und heizten seine Begierde noch weiter an. Längst brannten seine Lenden, und er konnte es kaum erwarten, dass Leda endlich ihre gerüstete Uniform ablegte. Heiß und innig vereinte sich das junge Paar und schwebte auf süßen bislang unbekannten Wolken ins Paradies…

Megara stolzierte in ihrer edlen Robe durch die Hallen des Palastes, ihre Leibgarde folgte ihr dezent im Hintergrund. Hinter einer Wand waren dumpfe große Trommeln zu hören, die eine Auspeitschung ankündigten. Mit diesen alltäglichen Bestrafungen von Sklaven hielt sich die Monarchin nicht auf. Megara schlenderte unter der hohen Gewölbedecke entlang und erreichte einen Raum, in dem ein mannshoher Kamin ein wärmendes Feuer aufwies. Die hoch lodernden Flammen fauchten leise. Ein Scheit brach in einem Funkenregen zusammen. Megara ließ sich auf einem Thron nieder, der auf zwei Stufen stand, die von einem prächtigen Bärenfell bedeckt wurden.

Im nächsten Moment öffneten zwei Schildwachen, die mit blitzenden Hellebarden bestückt waren, eine Flügeltür, durch die ein prächtig gewandeter Paladin schritt. Der edle Rittersmann trat auf Megara zu und verneigte sich mit einer schwungvollen Bewegung. „Was hast du von der Schlacht zu berichten, Telamon?“, wollte die Potentatin wissen und hob erwartungsvoll eine Augenbraue. Der Kriegsfürst verneigte sich erneut und erstattete in zackigen Worten und doch in leiseren Tönen, als er es vom Schlachtfeld gewohnt war, Rapport.

Leider hatte es hohe Verluste in den eigenen Reihen gegeben. Der Feind, deren Ländereien sie erobern wollten, hatte sich zwar verschanzen müssen, doch war er dort kaum zu besiegen. Für fünfzig gefallene Feinde blieben bis zu 300 der eigenen Männer auf dem Feld der Ehre zurück. Die Todesgöttin holte reiche Ernte ein. Da halfen auch keine Brandgeschosse, eine Armee aus Bogenschützen, Angriffstürme, Rammböcke, ja nicht einmal das moderne von den Alchimisten gemischte magische Pulver, das lauter knallte als Donner und Soldaten wie Schilfrohre umknicken ließ.

Megaras Laune war auf einem Tiefpunkt. Sie rief alsbald nach dem königlichen Jäger Daidalos. Eine Jagd wäre jetzt genau das Richtige, um sie abzulenken. Sie verabschiedete Telamon ungehalten: „Du wirst mir beim nächsten Mal bessere Nachrichten bringen, sonst, glaube mir, wirst du nie wieder solche Schmach verkünden können.“ Der Paladin katzbuckelte und zog sich unterwürfig zurück. Seine Zunge versteckte sich hinter zusammengepressten Lippen. Er war sich sicher, dass seine Hoheit ihre Ankündigung ohne viel Federlesens wahrmachen würde.

Sie musste sich ablenken. Eine Hetzjagd mit den königlichen Waidmannen wäre nun der beste Weg, ihre Gemütslage auf ein erträgliches Maß anzuheben. Was gab es Schöneres, als ein paar wohlschmeckende Kreaturen zu erlegen? Sie rief nach ihrer Leibgarde und den Wildschützen des Palastes. Ihre Zofe half ihr, sich passend in einen edlen Jagdrock aus Hirschleder zu kleiden. Megara betrachtete sich in einem mannshohen Spiegel und war zufrieden. Es schlich sich sogar ein seltenes Lächeln in ihr hartes Antlitz.

Kaum war die Tyrannin mit einer kleinen Kolonne auf ihrem stolzen Ross zur Jagd ausgeritten, erfuhr Prinz Talos davon. Sein Leibdiener Xeno hatte ihm geflissentlich davon berichtet. „Wenn Mutter zur Jagd ausreitet, wird sie erst morgen zurückkehren“, wusste Talos und riss vor Aufregung seine Schweinsäuglein auf, denn die Alleinherrscherin nächtigte dann regelmäßig in einer schanzenhaften Burg nahe dem großen Hirsch-Forst. Die Zitadelle mit der trutzigen Brustwehr und dem mächtigen Fallgitter und seinen armdicken Dornen aus Schmiedeeisen zeugte schon von Weitem von Megaras Macht. Das Bauwerk war eine Festung auf einem Felsen, der mitten in der Schonung in die Höhe ragte.

Das war eine gute Gelegenheit ein ausgelassenes Fest der besonderen Art zu feiern. Dass ihn niemand an seine Mutter verriet, dafür sorgte Talos mit einer ausgetüftelten Mischung aus Strafandrohung und Bestechung. Das hatte schon viele Male funktioniert.
Am Abend ließ er sich einen Jüngling aus dem Kerker holen. Xeno, der den Geschmack seines Herrn genau kannte, wählte für ihn den perfekten Liebessklaven aus. Der gerade erst der Jugend Entwachsene wurde gebadet und eingekleidet.

Während Talos sich fett auf einem Diwan fläzte, den Jüngling zwischen seinen Beinen, genoss er eine perfide Darbietung, die er sich selbst ausgedacht hatte und auf die er stolz war: Acht hungrige Sklaven waren mit auf den Rücken geketteten Händen zu ihm gebracht worden. Soldaten hatten den schmachtenden Opfern ihr Geschlecht mit einer duftenden Fleischpaste eingeschmiert. Auf Talos Kommando durften sich die Sklaven nun abschlecken und ihren Hunger befriedigen. Diese perverse Schau hätte ihm bei Megara eine Standpauke und Schlimmeres eingebracht.

Aber Talos trieb es auf die Spitze: Er ließ zwei Männer sich gegenseitig abschlecken, dann zwei Frauen, wieder zwei Männer, und als viertes Paar wieder zwei Frauen. Sündigeres hätte der Prinz nicht erdenken können. Er weidete sich an dem Ekel, den die Sklaven vor ihren Taten hatten; aber der grausame Hunger und die Furcht vor dem Thronfolger trieb sie zu ihrem Vorgehen, so dass sie sich gegenseitig das Gemächt leckten – Stück für Stück bearbeiteten sie gierig ihre Männlichkeit. Alle buhlten dabei stets um die Gunst des Prinzen und mimten die Vergnügten.

Talos stöhnte vor Lust auf, als der Jüngling ihn fast bis zum Gipfel der Lust brachte. Der Prinz starrte auf die leckenden Figuren vor ihm, und dann griff er dem Jüngling ins Haar: „Weiter! Schluck ihn! Nimm ihn ganz auf!“ Der Jüngling sah ängstlich auf und senkte sofort wieder den Blick demütig auf die vielen schwarzen Schamhaare, die ihn im Gesicht kratzten. Seine Kiefer waren weit offen. Er spürte, wie die dicke kurze Rute des Prinzen immer härter wurde und zuckte. Er ließ sie zwischen seinen Lippen eintauchen und liebkoste sie mit seiner rosafarbenen Zunge.

Eine Frau lenkte Talos ab, die aufstöhnte, weil sie die Mundfertigkeit einer anderen Sklavin an ihrer eingeschmierten Spalte erregte, da schrie Talos schrill: „Wachen! Reißt die Beiden auseinander!“ Zwei Soldaten führten den Befehl sofort aus und rissen die beiden Frauen grob hoch. „Bindet ihnen die Brüste fest ab!“ kreischte Talos, der es nicht leiden konnte, wenn andere Personen seine Lust teilten. In Vorfreude auf die tiefen Demütigungen und Schmerzen der Weiber, suhlte er sich in Selbstgefälligkeit und kraulte sein Doppelkinn.

Bald knieten die beiden Frauen vor dem Prinzen, ihre Brüste waren streng mit Hanfseilen gefesselt. Und bei ihrem leidenden Anblick kam der fette Herschersohn kichernd und ließ den Jüngling seinen Liebessaft schlucken. Talos rekelte sich auf seinem Diwan und stieß den Jüngling unwirsch mit einem Fuß weg. so dass der auf sein Gesäß plumpste. Sein Blick war scharf auf den Gedemütigten gerichtet - so fest, als wolle er ihn am Boden festnageln. Dann sagte er mit triumphierendem Unterton zu einem Wächter: „Bring die Sklaven wieder in den Kerker. Es gibt nichts mehr zu fressen für dieses Ungeziefer! Haltet sie schön mager, damit sie beim nächsten Mal wieder gierig lecken!“ Unter Talos hellem Lachen führten Soldaten die acht Sklaven ab.

Vorher allerdings winkte der Prinz die knienden Sklavinnen mit den eingeschnürten Brüsten zu sich, um kräftig und lustvoll die prallen Busen zu packen, zu kneten und zu drücken. Er gluckste zufrieden und sah die Frauen höhnisch an. Talos kniff in die Brustwarzen und zwirbelte so lange, bis die Sklavinnen ihre Schmerzensschreie nicht mehr unterdrücken konnten. „Schafft sie weg!“ sagte Talos grinsend. Dann wurde seine Miene schlagartig düster: „Sie langweilen mich.“ Sollten sie zurück in ihre Kerkerhöhle, wo sie siechen könnten. Aber getrennt und in Ketten! Er griff nach einem großen Trinkkelch und goss sich erlesenen Rotwein in den Rachen. Den Rest verschüttete er über den Jüngling und verließ den Raum. Er war müde geworden.

Im Kerker sanken die Sklaven in sich zusammen wie missratener Hefeteig. Kaum gesättigt, dafür zutiefst erniedrigt, darbten sie vor Hunger, und ihre Schwäche ließ sie wanken und stumpf und traurig aus hoffnungslosen Augen umher blicken. Einer der Wachen warf einen abgekauten Putenschenkel in den Zellenkäfig. Um die Almosen zu bekommen, rüttelten die Gefangenen ihre letzten Kräfte auf und zerrten um den Knochen wie räudige Gossenköter. Der pockennarbige Wachsoldat hatte seine Essensreste nicht aus Mitleid in den Käfig geworfen. Er hatte bei seiner langweiligen Aufgabe nun sein ganz persönliches Schauspiel. Und seine drei Kameraden erfreuten sich ebenfalls an dem unwürdigen Spektakel.

Später, als alles ruhig wurde, überkam ihn die Lust. Als er als Nachtwache alleine Dienst schieben musste, winkte er eine Sklavin herbei an die Gitterstäbe. „Willst du ein Stück von meinem knusprigen Braten?“ fragte er leise und hielt ihr einen Brocken kaltes Fleisch hin. Das würzige Brataroma zog verführerisch in die Zelle. Die Sklavin war ausgemergelt. Ihre Hände waren auf dem Rücken mit Ketten gefesselt. Gierig schnupperte sie durch das Gitter und sah den Wachmann flehend mit großen Augen an. Der Soldat grinste. „Ich lasse dich raus, dann gibt es was für dich. Aber du musst mir zu Willen sein. Willst du das?“ Die Frau stöhnte auf und nickte hastig. Der Gerüstete schloss die Tür auf und zerrte die Sklavin heraus. Er drückte sie über einen alten Tisch und wollte sie von hinten nehmen. Dazu legte er seinen Helm mit der Brünne ab, öffnete seinen Gambeson und den darunter getragenen Waffenrock und warf der Sklavin den Fleischbrocken vor das Gesicht. Die Frau schnappte danach und kaute gierig.

Im letzten Moment bemerkte der Kerkerwächter seine Zuschauer hinter der Gitterwand und brüllte: „Umdrehen! Alle umdrehen!“ Die Insassen gehorchten und starrten zur dreckigen Verlieswand, an der Moos und Schimmel gedieh. Der lüsterne Mann nestelte erneut am Waffenrock, und drei Wimpernschläge später stöhnte die Sklavin auf, als ihre Weiblichkeit den strammen Luststab aufnahm, der mit einem kräftigen Stoß in sie hineinrammte und nach der Sättigung seiner Lust dürstete.

Am nächsten Tag trainierten die Gladiatoren besonders hart. Zur Ankunft der Monarchin sollte ihr zu Ehren ein weiterer Arenakampf stattfinden. Wieder würde der Riese Kreios sich beweisen müssen. Was Abas zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste: Er würde gemeinsam mit seinem Freund Skiron gegen den Giganten antreten. Neben Ringkämpfen übten die Rekruten nun auch mit dem Schwert und verschiedenen anderen Waffen: Netze, Lanzen, Falchions, Streitkolben, Dolchen und Sicheln. Während der fette Prinz sich Spieße mit Braten, Äpfeln und Zwiebeln einverleibte und sich die dicken Finger abschleckte, schwitzten die jungen Männer bei dem harten Drill.

Den gesamten Tag über liefen die Vorbereitungen auf den Empfang der Herrscherin auf Hochtouren. Überall schmückten Diener den Palast, in der Küche bereitete das Personal Unmengen von Braten (darunter ein kompletter Auerochse am Spieß), in Butter getunkte Brote und viele andere Köstlichkeiten vor. Das Wildbret würde die Jagdgesellschaft erst mitbringen. Aber die königliche Küche hatte selbstverständlich Vorräte an Fasanen, Tauben, Hasen, Hirschen, Wildschweinen und vielem anderen Getier.

Als Megara mit ihrem Gefolge die Palastmauern erreichte, ertönten laute Fanfaren, Trommeln und Hörner als Willkommenssignal. Auf ihrem stolzen und reich geschmückten Ross trabte sie durch das eiserne Gitter. Ihr prächtiger Schimmelhengst wirbelte Erdklumpen mit den Hufen auf. Die Rappen und Falben der Entourage trugen kunstfertig bestickte Schabracken und Kopfhauben und folgten ihrer Führerin im Trab. Posten standen Ehrenspalier und grüßten die Herrscherin respektvoll, die mit flatterndem Umhang an ihnen vorbei ritt, ohne sie eines Blickes zu würdigen. Ein Standartenträger ritt dem Tross vorneweg, gefolgt von Megara und dem Jagdmeister Daidalos, der auf dessen langem Lederhandschuh ein Jagdfalken mit einer Lederhaube saß, sowie die engsten Verwandten des Königshauses; den Abschluss bildeten Edelmänner des Adels sowie als Nachhut eine mit langen Lanzen bewaffnete Reiterschar in Helm und Harnisch.

Talos hörte die Zeichen der Ankunft und ließ einen in Honig gebackenen Hähnchenschenkel lustlos fallen. „Mutter“, sagte er in einem abfallenden Ton, als hätte er auf eine faule Dattel gebissen. Ihre gegenseitige Abneigung war längst bekannt. Am liebsten hätte Megara ihren Sohn schon vor langer Zeit auf eine andere Burg geschickt, um ihm von königlichen Lehrern Zucht und Ordnung beibringen zu lassen. Außerdem ahnte sie etwas von seiner unnatürlichen Männerliebe.

Aber Talos besaß ein wichtiges Pfand: Er war als Kind zufälligerweise Zeuge gewesen, wie seine Mutter ihren Gemahl mit einem Pulver vergiftete. Er hatte gesehen, wie sie ihren dicken Goldring öffnete, indem sich die tödliche Substanz befand, dann hatte sie den Inhalt in des Königs Weinkelch rieseln lassen und es ihm mit einem zärtlichen Gutenacht-Kuss auf die Stirn überreicht. Noch in derselben Nacht hatte Talos III. nach einem Heiler gerufen und über starke Brustschmerzen geklagt. Aber auch der Leibarzt konnte nicht verhindern, dass die Majestät Blut spuckte und nach starken Krämpfen aus dem Leben schied. Prinz Talos hatte die letzten Minuten des Vaters noch vor Augen. Der König war zusammengebrochen und zuckte ein letztes Mal, dann hing seine blau gefärbte Zunge aus dem Mund.

Prinz Talos hatte seiner Mutter nie erzählt, wessen er ansichtlich geworden war, aber durch Andeutungen zur rechten Zeit, hatte er sie in einer Ungewissheit gelassen, die sie nicht wagen ließ, ihn aus dem Palast zu jagen. Trotzdem wartete Megara nur auf den passenden Moment, um ihren Sohn loszuwerden. Denn zu allem Unglück war der missratende Sohn auch noch ein Bastard. Sie verfluchte den Tag der Zeugung noch heute. Die Königsgemahlin hatte ihn vor Jahren mit einem Stallknecht gezeugt, als ihr Eheherr auf Kriegszug war. Talos III. hatte nie die Hitze zwischen ihren Schenkeln befriedigen können, dieser Versager! Ihr heimlicher Liebhaber konnte nichts mehr ausplaudern, denn den hatte Megara kurz nach der Geburt des Prinzen von Schergen in der weit entfernten Höllenklamm verschwinden lassen. Aber Talos blieb gefährlich und ihr ein Dorn im Auge. Eines Tages…, schwor sie sich.
9. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 26.01.18 19:40

Gegen Abend eröffnete Megara auf ihrem Thron das Festbankett. Vor dem Arenakampf sollten Hofstaat und Edelleute mit einem verschwenderisch üppigen Mahl zufrieden gestimmt werden. Mit sattem Bauch ließen sich die Kämpfe wohliger genießen.
Bald schon feierte die gehobene Gesellschaft im großen Speisesaal ein rauschendes Fest, lachte, tanzte, rülpste, sang und brüllte, warf mit Essen und kleckerte mit schwerem tiefrotem Wein. Draußen schufteten die Diener, schleppten immer neue überladene Tabletts mit Köstlichkeiten herbei und rannten danach in die Küche, um Nachschub zu holen. In den Kerkern darbten die Sklaven oder litten unter der Folter. Doch ihr Stöhnen und ihre Schreie drangen nicht durch die dicken Mauern in den tiefen Kellern. Sie befanden sich in einer ganz eigenen Welt der Dunkelheit, Feuchte, der Schmerzen und Hoffnungslosigkeit.

Der beleibte Prinz schmatzte mit offenem Mund, während ihm das Fett an den Mundwinkeln hinab lief, dann beugte er sich zu einer Schale mit Weintrauben vor, verlor das Gleichgewicht und stürzte über den Tisch, rutschte ein Stück und riss dabei zahlreiche Speisen auf den Boden, darunter ein knuspriger Kapaun in Kürbis-Kartoffel-Gratin und Innereien. Tadelnd sah Megara zu ihrem Sohn hinüber, doch der lachte nur über sein Missgeschick und suhlte sich mit dümmlichem Grinsen in den Braten, dem Obst und dem Gemüse wie ein Schwein im Dreck. Vier Diener sprangen flugs herbei, um geschwind den Boden zu wischen und die Unordnung zu beseitigen. Einer der Männer dachte angewidert: „Schweinebacke ist wieder voll in seinem Element.“

Der Schmaus verlief zunehmend unzüchtig, so dass Megara das Wort erklingen ließ, um die Gesellschaft an den bevorstehenden Arenakampf zu erinnern. Bevor diese dekadenten Dummköpfe schon vorher vor lauter Wein unter den Tischen schnarchen, dachte die Königin. Bald darauf schlenderte der Adel in vollem Putz durch die Palastgänge in Richtung Turnierplatz. Einige der Hofdamen kicherten und ließen sich von ihrer männlichen Begleitung sehr undamenhaft unter die Kleider greifen. Andere Herren wankten hin und her, vom Wein zu benebelt, um noch ein quiekendes Weib zu erobern.
Megara selbst trank kaum Alkohol und schüttelte nur missmutig ihr Haupt.

Endlich hatte die Gesellschaft plaudernd und lachend auf den Rängen der Arena Platz genommen. Die Monarchin eröffnete hiermit die heutigen Kämpfe. Unter brausendem Applaus und Jubel der Menge erschienen Artisten auf dem Turnierplatz, die eine menschliche Pyramide bauten, dann folgten mehrere Feuerspucker, ein Jongleur mit brennenden Kegeln, und schließlich ein Messerwerfer, der seine blitzenden und scharfen Klingen auf eine sich drehende Holzscheibe warf, an der eine leicht bekleidete junge Sklavin mit weit aufgerissenen Augen gefesselt war. Unter den aufgeregten Rufen aus dem Publikum schleuderte der Mann eine stählerne Schneide nach der anderen auf das in Todesangst verkrampfte Opfer. Junge Männer brüllten und feuerten den Messerwerfer mit lallenden Zungen an. Die Damen des Hofes hielten sich verschreckt die Hand vor den Mund, die Augen oder beides und heuchelten Schreck und Angst oder Mitleid mit der jungen Sklavin, waren jedoch zugleich fasziniert von der Szenerie.

Dabei wartete die Gesellschaft nur darauf, dass der Messerwerfer sein Opfer ritzte oder gar durchbohrte. Das wäre ein hübsches Spektakel als Einleitung für die Kämpfe! Doch da das Weib das Eigentum des Messerkünstlers war, wäre er töricht gewesen, es zu verstümmeln. Allerdings sorgte er dafür, dass der Adel auf seine Kosten kam: Er beherrschte sein Geschick so gut, dass er mit zwei perfekten Würfen die wenigen Lumpen der Sklavin vom Leibe schnitt, so dass die Gefesselte nun splitternackt an der Holzscheibe gedreht wurde. Die Menge lachte, grölte, jubelte. Was für eine Gaudi! Das nächste Messer zischte durch die Luft und landete zitternd drei fingerbreit unter der rasierten Scham der quiekenden Gefesselten.

Dann verkündete der Hauptmann der Arenawachen feierlich den ersten Kampf des Abends: Der Gigant Kreios, der unbesiegbare Riese, trat erneut gegen zwei arme Teufel aus der Gladiatorenschmiede an. Raue Soldaten führten zwei große Ochsenkarren auf den Platz und öffneten die großen hölzernen Tanks mit Öl, um den Kampfplatz vorzubereiten. Anschließend erschien Kreios unter der Begleitung von sechs bewaffneten Soldaten, die ihn in ihre Mitte nahmen wie ein gefährliches Monster. Der nur mit einem Lendenschurz bedeckte Athlet trug schwere Fuß- und Handketten, die ihn nur noch gefährlicher aussehen lassen sollten. Ein Soldat befreite ihn von den massiven Fesseln und auch von seinem Keuschheitsgürtel. Dann streckte Kreios seine muskulösen Arme in die Höhe und wurde bejubelt, als sei er bereits der Sieger des Tages.

Dann folgten die zwei Gegner. Sie betraten die Arena durch ein geöffnetes Gitter ganz ohne Begleitung oder Ketten. Auch sie trugen nur einen Lendenschurz. Ihre Keuschheitsgürtel waren ihnen ebenfalls für den Kampf abgenommen worden. Die jungen Damen im Publikum erhofften sich anregende Einblicke beim Kampf und konnten ihre Ungeduld kaum noch zügeln. Manche Lady saß aufgeregt auf dem Schoß ihrer Begleitung, andere hatten ihre kleinen Hände zu Fäusten geballt und warteten ruhelos auf den Start des Wettbewerbes.

Bis vor wenigen Augenblicken hatten Skiron und Abas nichts von ihrem Schicksal gewusst. Als ihr Ausbilder zu ihnen trat und von einem Kampf sprach, sahen sich die auserwählten Kämpen erschrocken an. Gegen Kreios antreten? Doch sie waren beide zu stolz, um ihre Angst noch deutlicher zu zeigen. Gemeinsam würden sie den Koloss in die Knie zwingen. Zumindest war das ihre zarte Hoffnung. Sie hatten sich nur kurz über ihre Strategie absprechen können, und schon standen sie im blakenden Licht der endlosen Fackeln, die am Rand der Arena an der Wand hingen und den Kampfplatz gut ausleuchteten. Auf ein kurzes Signal begann der Wettstreit.

Die beiden jungen Männer erkannten Kreios kaum wieder: Sein Gesicht war zu einer wütenden Fratze verzogen, und jeder Muskelberg seines Körpers schien unter höchster Spannung zu stehen. Zunächst umkreisten sich die Drei noch abwartend, aber dann sprang der Gigant mit Gebrüll auf Skiron zu und umfasste ihn wie ein Bär, der sein Opfer zerquetschen wollte. Abas sprang Kreios von hinten an den Hals und nahm ihn in den Schwitzkasten. Zornig griff der Riese nach Abas Arm, aber das Öl, mit dem die Athleten eingeschmiert waren, ließen ihn die Zwinge um seinen Hals nicht lösen. Skiron konnte sich der gewaltigen Umarmung entwinden und boxte nun Kreios in den Magen. Der Gegner schien den Schlag kaum bemerkt zu haben. Zu hart und kraftvoll waren die Bauchmuskeln.

Kreios warf sich plötzlich nach hinten auf den Rücken und begrub Abas schwer unter sich. Das Öl auf dem Boden spritzte wirbelnd in die Höhe. Abas befürchtete, in der Tunke ertrinken zu müssen. Er entließ Kreios aus seiner Gewalt und blieb trotzdem unter dem gewichtigen Hünen begraben. Skiron riss und zerrte an dem Riesen, doch bekam er ihn nicht von Abas hinunter. Schon dachte Abas, er habe den Kampf verloren, da gelang es ihm sich dank des glitschigen Öls unter Kreios hervorzuarbeiten und kam wieder auf die Beine. Sein Lendenschurz war dabei abgerissen, so dass er nun splitternackt in der Arena stand – ganz zur Freude der Damen des Hofes.

Als Kreios sich brüllend zu Abas umdrehte, drehte Skiron das Spiel herum und sprang nun seinem Gegner von hinten an den Hals. Abas nutzte die Gelegenheit und rammte Kreios seinen Fuß in dessen Männlichkeit. Der Riese fiel auf die Knie, als ein Schmerz in seinem Unterleib explodierte. Die Situation erinnerte ihn an seinen jüngsten Kampf. Da war er trotzdem Sieger geblieben, doch nun schnürte Skiron mit aller Kraft Kreios Luft ab. Allerdings hatte Abas das Pech gehabt, seinen Fuß nicht schnell genug wieder einzuziehen, und trotz der Pein in seinem Gemächt packte Kreios blitzschnell nach Abas Knöchel wie ein Schraubstock und riss ihn erneut von den Beinen.

Unter die Wachen hatte sich die junge Leda geschmuggelt. Wenn sie schon für ihren Liebsten Abas nichts tun konnte, um den Kampf in der Arena zu verhindern, so wollte sie wenigstens bei ihm sein und zu den Göttern beten. Sie stand mit ihrer Helmbrünne, dem Lederpanzer und dem geschwärzten Kettenhemd darüber in einer Gruppe Wachen, die sich mit der Darbietung auf dem Turnierplatz ein wenig Kurzweil erhofften. Niemand bemerkte, wie sie bangte, hoffte, bangte und hoffte.

Kreios zog Abas an seinem Bein immer näher zu sich und versetzte ihm einen kräftigen Hieb gegen seine Rippen, dass der Getroffene glaubte, sie seien gebrochen. Kaum war Abas aufgestanden, zerrte Kreios ihn mit einem Ruck wieder von den Beinen und hätte den jungen Gegner mit einem Tritt von oben auf den Liegenden zwischen dessen Beine entmannt, wäre er nicht im gleichen Moment von Skiron unter Aufbietung aller verbliebenen Kräfte nach hinten gezerrt worden. Nun lag Kreios auf dem Rücken und würgte, denn Skiron drückte ihm immer noch die Kehle zu. Trotzdem angelte Kreios mit dem Bein, mit dem er hatte zutreten wollen, in der Luft umher und rammte es mit der Hacke in Abas´ Gemächt. Durch seine Position verfügte er so zwar nur über wenig Kraft, aber es reichte, um den nackten Abas laut aufstöhnen zu lassen.

Im Publikum wurde dieser Treffer unterschiedlich aufgenommen: Während die Edelmänner schadenfroh lachten, gab es einige der Damen, die erschrocken auf die sich windenden Athleten starrten; andere kicherten; die Wachen grinsten hämisch und klatschten sich gegenseitig in die Hände, denn bei den Arenaspielen waren Wetten unter den Soldaten üblich. Die Einsätze waren zwar gering, aber man wollte ja Recht und Ehre behalten. Leda hielt sich entsetzt eine Hand vor ihre zarten Lippen, und nahm sie schnell wieder weg, um Gleichgültigkeit zu heucheln.

Im letzten Moment, bevor der Kampfrichter den scheinbar besiegten Abas aus dem Turnier genommen hätte, konnte sich der etwas Benommene hochrappeln und sprang nun todesmutig auf Kreios Brust, um ihn endgültig auf den Boden zu nageln. Der Riese hätte ihn mit Leichtigkeit abgeworfen, wäre er nicht immer noch im Schwitzkasten vom zähen Skiron gewesen. Kreios schnappte nach Luft, japste und wedelte mit den Armen umher. Abas wehrte die hilflosen Versuche ab, ihn aus dem Sattel zu schleudern. Endlich, als Abas und Skiron schon dachten, ihre letzte Energie sei von ihnen gegangen, verkündete der Schiedsrichter unter dem Aufraunen der Menge, dass Kreios verloren habe. Schwer nach Luft würgend, konnte der Riese seine Niederlage kaum fassen. Er hielt sich die Pranken an den Hals und schüttelte ungläubig mit dem Kopf.

Leda atmete erleichtert auf. Ein schwerer Stein fiel ihr vom Herzen. Ihr Geliebter hatte das Turnier unbeschadet überstanden! Na ja, dachte sie, ob Kreios Treffer wirklich keinen Schaden angerichtet hatte, würde sie bald des Nachts erfahren… Doch schon nach einem Wimpernschlag dachte sie, sie würde ohnmächtig werden, als die Despotin Megara das Wort ergriff: „Lasst die beiden Sklavenjünglinge um den definitiven Sieg ringen!“ Abas und Skiron sahen sich schockiert an. Die Freunde sollten gegeneinander kämpfen? Und was würde mit dem Verlierer geschehen? Sie hatten von schrecklichen Auspeitschungen gehört, die den krönenden Abschluss eines jeden Arena-Abends bildeten. Der Schiedsrichter befahl in einer Mischung aus festlichem und barschem Tonfall: „Beginnt!“ Abas und Skiron standen sich gegenüber. Vorsichtig umkreisten sie sich. Keiner wollte den Anfang machen.

Bald ermahnte sie der Kampfrichter. Aber auch die Rüge änderte nichts. Ein paar Scheinangriffe waren das Äußerste, dass die beiden Freunde zeigten. Schließlich wurde es Megara zu bunt. Auch das Publikum buhte, und erste Rufe: „Peitscht sie beide!“ wurden laut. Abas und Skiron rangen gezwungenermaßen miteinander, taten sich aber nicht mehr weh als nötig. Nach einigen Minuten brach der Zuchtmeister auf Geheiß der Obersten Machthaberin den sinnlosen Kampf ab. Megara verkündete mit missgelaunten Worten: „Sie sollen beide an den Pranger!“ Jubel ertönte von den Rängen. Wachsoldaten zerrten die öligen Athleten vom Platz. Danach stellten andere Wächter drei große Holzpranger auf.

Talos frohlockte: Nun kam seine Lieblingsstelle. Es handelte sich nicht um einfache Standpranger. Es waren eher Gerüste, die die Männer in eine hockende und breitbeinige Stellung zwangen, während ihre Hände neben dem Kopf in einem waagerechten Brett steckten. Da die Größe der Pranger genormt war, musste Kreios, der als erster wieder in die Arena geführt worden war, mit seinem Hintern fast den Boden berühren, um seine breiten Schultern unter das obere Brett drücken zu können. Er war trotzdem von jedem Platz gut zu sehen, denn der eigentliche Pranger stand auf einem Holzpodest.

Die Wachen verschlossen den Pranger an Füßen, Händen und Hals. Dann rissen sie dem Gladiator seinen Lendenschurz weg. Ein Aufjubeln bei den Zuschauerinnen belohnte die Aktion. Die Damen, die die gewaltige Pracht zwischen den Beinen hängen sahen, reckten ihre Hälse, um sich noch bessere Sicht zu verschaffen. Ihre männlichen Begleiter murrten neidisch. Anschließend wurden Abas und Skiron wieder vorgeführt. Spitze Lanzen sorgten dafür, dass sie sich zügig vorwärts bewegten. Dann wurden links und rechts von Kreios auch die beiden Freunde auf die gleiche Art fixiert. Auch Skiron nahmen die Wachen den Lendenschurz: Ein grinsender Mann steckte sein Schwert zwischen Hüfte und Stoff und riss ruckartig daran, so dass die knappe Bekleidung auf den Boden des Holzpodestes fiel.
Der Wachmann stupste den Stoff hinab in den Staub.

Das Publikum johlte. Solche Pranger hatten sie noch nie gesehen. Was würde das für ein Spektakel geben? Die Menge konnte sie nicht kennen, denn Prinz Talos hatte diese Art der Bestrafung erst vor kurzem unter strenger Geheimhaltung entwickeln lassen. Auch die junge Leda staunte über diese seltsamen Gerüste. Aber sie hatte gehört, dass Talos sie erfunden hatte – und das konnte nichts Gutes bedeuten. Nur die Herrscherin war eingeweiht und gab das Handzeichen, die Scharfrichter sollten mit der Bestrafung beginnen. Sofort liefen drei in schwarze Kapuzen gewandete Männer zu den Podesten.
Erst jetzt erkannte Leda, dass dort Kurbeln angebracht waren, die die Büttel nun drehten. Auf den Rängen war Stille eingekehrt. Alle waren gespannt, was dies bedeuten sollte. Voller Begeisterung und kindlicher Neugier starrten sie auf die Podeste.

Den Delinquenten war die Angst ins Gesicht geschrieben. Sie konnten wegen des Brettes gar nichts davon sehen, was da unter ihnen vor sich ging. Ihre Augen waren trotzdem aufgerissen. Sie spürten lediglich, wie das Gerüst vibrierte, und irgendwas knackte und rasselte. War es eine Winde? Was würde mit ihnen geschehen? Als Erster grunzte Kreios auf und brüllte: „Nein! Das dürft ihr nicht tun! Das ist unwürdig!“ Skiron und Abas versuchten ihren Kopf ein wenig zu Kreios zu drehen, aber konnten nicht viel erkennen.
Der Gigant zwischen ihnen grunzte und brüllte: „Nein! Nein! Aufhören!“ Da sein Hintern wegen seiner Körpergröße fast den Boden des Podestes berührte, spürte er als Erster den dicken hölzernen Pflock, der sich langsam in seinen Anus bohrte. Doch schon bald drückten auch die zwei anderen Zapfen gegen die beiden bisher jungfräulichen Hintern von Abas und Skiron. Die Beiden fielen in die empörten Rufe und Schreie von Kreios ein. Zu dem körperlichen Qualen kam die unerträgliche Scham.

Megara raunte zu ihrem Sohn: „Sollten wir sie nicht lieber knebeln?“ Talos lachte kurz und hell auf: „Nein, ihre Proteste sind doch gerade das Schönste daran! Lass die Schweinchen quieken!“ Er kicherte silberhell, so wie stets, wenn er unbändige Lust verspürte, wischte sich einen Speichelfaden aus dem Mundwinkel und widmete sich stolz wieder seiner Schöpfung. Die Scharfrichter drehten erbarmungslos weiter und ließen die hölzernen Rammen Zoll für Zoll steigen. Wie ein Zahnrad klackte es unter den Delinquenten. Skiron stieß plötzlich einen schrillen Schrei aus und atmete hechelnd. „Gnade!“ rief er und endete in einem unverständlichen Gewinsel. Prinz Talos merkte, wie sich seine Männlichkeit mit Blut füllte. Seine Erfindung würde ab heute der neue Höhepunkt der Kämpfe sein. Eintönige Auspeitschungen war er satt. Die konnte er noch genug in den Kerkern des Palastes begaffen. Bei der Arenabestrafung sollte es etwas Besonderes geben. Etwas Neues, was begeisterte, was Spaß machte. Was erregte!

Die Qualen der drei Gladiatoren nahmen von Augenblick zu Augenblick zu. Ihre Schreie hallten über den Platz. Die Menge berauschte sich an der Marter. Einige Edelmänner bemerkten, wie ihre Damen vor Erregung regelrecht zitterten und volle Faszination vom Spektakel gebannt waren. Ein junger Mann hatte sich unbemerkt so positioniert, dass er seinen Luststab unter die Röcke der Angebeteten führen konnte, wo sie diesen genießerisch streichelte, während sie mit der anderen Hand ihre eigene Hitze entflammte. Zwei Adelsmänner, die sich an zahllosen Kelchen Wein gütlich getan hatten, waren während des Kampfes eingenickt, nun aber aufgrund der lauten Schmerzensschreie wieder wach geworden und erkundigten sich mit schwerer Zunge, was geschehen sei. Ein Edelmann erklärte ihnen begeistert und gestikulierend die Apparatur und endete lachend: „Eine Maschine zum Pfählen. Durch den Arsch, wie bei einem Spanferkel über dem Feuer!“

Endlich waren die Zapfen in der höchsten Stellung angebracht und ragten nun tief in die Männer hinein. Die Rosetten der Opfer waren zum Bersten gespannt. Megara nickte den Bütteln zufrieden zu und verkündete das Ende der heutigen Spiele. Ob die Athleten eine neue Chance auf den Sieg erhalten sollten, ließ sie noch offen. Die beiden Jünglinge könnten ruhig aussortiert werden; doch auf den Riesen wollte sie ungern verzichten.
Als die königliche Gesellschaft sich in einen Vergnügungssaal zurückgezogen hatte, in dem rubinfroter Wein ausgeschenkt wurde, ein Barde seine gedichteten Zeilen zum Besten gab und einige Musiker mit Flöten, Harfe und Trommel zum Tanze einluden, löschten die Wachen in der Arena eine Fackel nach der anderen und säuberten den Platz von dem vielen Öl. Erst zwei Stunden später erhielten sie den königlichen Befehl, Kreios von dem Pranger zu nehmen und ihn zurück ins Trainingscamp zu sperren.

Er wusste nun, was auf ihn zukam, sollte er es erneut wagen, zu verlieren. Die beiden anderen Sklaven sollten zurück auf die Felder. Sie hatten den Giganten zwar besiegt, aber hatten sich - feige wie Hasen - geweigert gegeneinander mannhaft zu kämpfen. Sie waren es nicht wert, als Gladiatoren anzutreten. Doch für Abas und Skiron sollte die Nacht noch lang werden, denn sie wurden erst im Morgengrauen von ihrer furchtbaren Position erlöst. Die Stunden alleine in der Dunkelheit waren die Hölle gewesen! Die Beine waren zunächst brennend vor Erschöpfung gewesen und mit der Zeit taub geworden.
Ihre Rosetten brannten wie Feuer. Die Pfähle füllten sie dick aus. Keiner der Beiden schlief, doch aus Entkräftung fielen sie gegenseitig in kurzen Halbschlummer, aus dem sie durch ihre eigenen Schmerzen oder das Stöhnen des Anderen mehrfach aufschreckten.

Völlig erschöpft sackten am Morgen ihre Schenkel unter ihnen weg. Wächter peitschten auf sie ein, und als auch das nichts half, wurden ihnen Seile um die Füße gebunden, so dass sie ein wieherndes Maultier aus der Arena schleifen konnte. Die Wachen versperrten Abas und Skiron in ihre Keuschheitsgürtel und stießen die fast ohne Bewusstsein Taumelnden in ihre Kerkerzellen, wo diese sofort auf dem dünnen Stroh zusammenbrachen.
10. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von sheeeep am 30.01.18 20:37

Hallo Prallbeutel,
Megara,das war und ist eine meiner Lieblingsgeschichten!! Ich kann sie wunderbar jetzt nochmal lesen.Ich bin gespannt,ob du weitere Kapitel hinzufügst...das wäre Spitze...meinen Geschmack kennst du ja,ich habe ihn oft genug in den Kommentaren geschrieben...drangsalierte (Arbeits-)Sklaven..grausame, verwöhnte Herrinnen,Königinnen,Hoffräuleins,Galeerenkapitäninnen und und...und..die Ideen sind dir ja nie ausgegangen...eigentlich ist das ganze ja ein Buch und keine einzelne Geschichte...toll!! Herzlichen Dank für deine Mühe auch schon im Voraus!!

Grüße
Christian (shoeps)
11. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 03.02.18 20:50

Der kommende Tag wurde ihnen noch zur Erholung gegönnt. Dabei handelte es sich nicht um Mitleid, sondern um reines Kalkül. Heute wären die Sklaven nur eine Last gewesen und von genervten Wächtern vermutlich tot gepeitscht worden. Aber morgen würden sie zwei neue Arbeitseinheiten bilden, die alles tun würden, um nie wieder in das Teufelsgerüst des Prinzen gespannt zu werden. Alleine in ihren Zellen quälte die Beiden nun neben ihren wunden Kehrseiten auch eine unvorstellbare Scham. In diese „Kerbe“ schlugen die Wachen, die sich johlend über das unehrenhafte Schicksal der Sklaven lustig machten. Einer meinte hämisch: „Ha! Eine Parade von roten, aufgebohrten Ärschen seid ihr!“ Im flackernden Schein der Fackeln tanzten Schatten auf seinem Gesicht und bildeten eine Fratze des Todes. Ein besonders sadistischer Aufseher verlangte, dass Abas ihm am Gitter sein geschundenes Hinterteil zuwendete, sich bückte und die Backen auseinander zog. Hätte er dem Befehl nicht gehorcht, wären vier Wärter mit Holzkeulen in die Zelle gekommen und hätten ihn grün und blau geprügelt. Zumindest hatte der Mann dies mit einem fiesen Grinsen angekündigt. Sein Kamerad kicherte heiser.

Als Abas fast wie in Trance den Anweisungen Folge leistete, sah er nicht, wie der Wächter in seinem Rücken seine Macht genoss. Der Wachmann sah den Jüngling auf zitternden Beinen, in vorgebeugter Haltung. Abas Hände lagen auf seinen Pobacken. Der Wachposten grinste breit und maliziös über das malträtierte und wunde Hinterteil seines Gefangenen. Sein Kamerad flüsterte dem Wächter etwas zu. Beide feixten. Seinem Sadismus setzte er die Krone auf, als er einen Holzpflock nahm, damit kreisend zielte und ihn schließlich pfeilschnell wie einen Dolch durch die Gitterstäbe und in Abas versenkte.
Laut lachend sahen die Aufseher, wie der Jüngling aufschreiend und erschrocken einen Satz vom Gitter in die Zelle hechtete und schnell den Holzstiel zog und von sich warf. Der größte Schmerz war die entehrende Scham, die in seinem Gesicht glühte und in seinem Kopf wütete. Dröhnend lachten die Männer und verließen den Zellentrakt, um vor ihren Kameraden mit ihrem lustigen Streich zu prahlen. Abas dagegen sank weinend auf die Knie.

In der übernächsten Nacht konnte Leda zum ersten Mal wieder ungestört mit Abas sprechen. Sie war mit ihm alleine in der Kammer, die er schon früher mit ihr betreten hatte. Leda streichelte liebevoll Abas Haar, seine Brust, den Bauch, seine Schultern.
Ihre mitleidigen Blicke machten dem jungen Mann erst klar, dass Leda Zeuge seiner Folter gewesen war, und sein Gesicht wurde puterrot vor Scham. „Du konntest doch nichts dafür“, sagte Leda liebevoll. Und ergänzte aufgebracht: „Für die perversen Gelüste von Talos!“ Abas nahm sie in den Arm, aber schon bald sah Leda ihren Liebsten verwundert an: Sein Körper zitterte. Nun nahm sie Abas in den Arm und liebkoste ihn sanft. Sie spürte, wie Abas lautlos schluchzte. Warm drückte sie ihn an ihre Brust.

Noch lange saß das junge Liebesglück so beieinander, ohne zu merken, wie die Zeit verging. Als ihre zärtliche Nähe doch noch zu fleischlichem Verlangen wuchs, entkleidete sich Leda und wollte sich ganz ihrem Liebsten hingeben. Abas entschlüpfte vorsichtig seiner Stoffhose, die er erhalten hatte. Seine Rute bäumte sich auf, nachdem Leda ihn aus dem Keuschheitsgürtel befreit hatte. Die junge Frau lächelte ihn an und war voller Vorfreude, Abas mit ihrer feuchten Weiblichkeit zu empfangen.

Plötzlich stöhnte Abas schmerzhaft auf. Seine wunde Rosette peinigte ihn so sehr, dass er seine Hüften kaum bewegen konnte. Niedergeschlagen legte er sich neben Leda, die ihn mitleidig betrachtete. Abas schloss bekümmert die Augen. Doch da spürte er, wie sich sanfte und weiche Lippen um seinen Stab schlossen und daran saugten. Abas stöhnte auf. Dieses Mal vor Lust. Die Lippen begannen vorsichtig und fast schüchtern, doch ihr Verlangen wurde immer größer. Bald forderte sie die pralle Lanze zwischen Abas Beinen gierig ein, und der Jüngling vergaß den Schmerz und die Schmach, die Schande und die Qual in der Arena sowie seine brennende Kehrseite.

Am nächsten Tag brachte ein Leibdiener der Tyrannin eine Nachricht von Heerführer Telamon, der per Brieftaube von hohen Verlusten an der Front berichtete. Megara warf die kleine Pergamentrolle mit der Botschaft wütend auf den Boden und griff nach einer kleinen Gerte. Sie schlug auf den Liebdiener ein, der das Pech hatte, als Herold schlechte Neuigkeiten überbracht zu haben. Devot krümmte er sich vor der Herrscherin auf dem Boden und erduldete die wilden Schläge, bis Megaras Arm müde wurde, und der Rücken des Überbringers mit ungezählten feinen aber tiefen Striemen bemalt war. Obwohl die kleine Gerte einen eher unschuldigen Eindruck machte, war sie doch in der Lage gewesen, dem Mann sein Woll-Wams vom Rücken zu fetzen.

Eigentlich sollten heute einige Bittsteller vor die Majestät gebracht werden, aber bei der Laune der Regentin wagte es der Leibdiener nicht, seine Herrin daran zu erinnern und ließ die Angereisten wieder fortbringen. Auf ihre Gunst konnte heute niemand hoffen. Doch es gab ein anderes Augenmerk für die Potentatin: Die für heute geplante Einweihung einer 30 Schritt hohen Statue von Megara vor den Toren des Palastes würde die Regentin vielleicht wieder gütiger stimmen. Das von zahlreichen Steinmetzen gefertigte Kunstwerk war Meilen weit vom Palast entfernt zu sehen. Megara hatte die Schaffung der überwältigenden Skulptur nach dem Tode ihres Gemahls befohlen. Für den gewünschten Marmor waren mehrere große Transporte fast ein Jahr durch die Lande gezogen und hatten das seltene Material unter größten Mühen und Kosten aus fernen Ländern herbeigeschafft. Nun waren Teile der turmhohen Figur noch mit Gold überzogen worden – ganz so, wie es Megara für angemessen hielt.

Bei der gefährlichen Arbeit in luftiger Höhe waren noch kürzlich zwei Arbeiter in den Tod gestürzt, doch Megara blieb dabei: „Keine Sicherungsseile um meinen Marmor-Kopf! Welche Forderung! Und das mir! Der Königin! Allein für diese frevelhafte Idee sollte der Baumeister seine Hände verlieren“, ereiferte sie sich. Sie war sehr erbost gewesen, bei der Vorstellung, die Arbeiter hingen an Seilen, die das königliche Antlitz beschmutzten! Dann fiel ihr ein, dass der oberste Steinmetz ohne Hände sein Kunstwerk nicht vollenden könnte, und schwieg darüber.

Am Nachmittag brannte die Sonne wieder erbarmungslos vom wolkenlosen Himmel.
Während die Sklaven auf den Feldern schufteten, widmete sich Prinz Talos seiner Lieblingsbeschäftigung: schmausen. Er leckte sich gerade die kurzen dicken Stummelfinger ab, über die flüssiger Käse gelaufen war, als sein Leibdiener Xeno ihn an die Einweihung der königlichen Statue erinnerte. Würde er fehlen, hätte er eine strenge Standpauke und vielleicht noch mehr zu erwarten; also hievte sich Talos mürrisch von seinem Diwan und raffte kurzatmig seine Tunika und den Umhang in Ordnung. Er bemerkte, wie ihn der Gürtel drückte, und sein Gewand sich über dem mächtigen Wanst spannte. „Dieser vermaledeite Schneider!“ spuckte der Prinz einen gelben Klumpen aus seinem Hals auf den Boden. „Wie kann er es wagen, an Stoff zu sparen! Und der Gürtel ist viel zu kurz! Vielleicht reicht er ja für seinen Hals!“ Unwirsch begab er sich zu seiner Sänfte, die von sechs kräftigen Dienern getragen wurde, die unter dem Gewicht des fetten Prinzen mindestens genauso ächzten, wie unter der Hitze. Eigentlich hatte die Sänfte Platz für acht Träger, aber Talos ignorierte Xenos Rat, sie entsprechend zu bemannen. Sollten die faulen Burschen ruhig ein wenig ins Schwitzen kommen.

Megara erwartete ihren Bastard bereits ungeduldig und tadelte ihn mit einem grimmigen Blick. Trotz der sengenden Hitze lag ein Frosthauch auf dem königlichen Antlitz, Nicht einmal zu einem so wichtigen offiziellen Anlass konnte dieser Nichtsnutz pünktlich sein! Auch Megara war mit einer Sänfte gekommen. Der pompöse Tragestuhl war doppelt so groß wie der des Prinzen und wurde von zwölf starken Männern gehoben und glich eher dem Innenraum einer ganzen Kutsche, die die Herrscherin nun verlassen hatte, um dem Priester das Signal zu geben, ihr großes Ebenbild einzuweihen, und die Götter um Schutz und ein langes Leben zu bitten. Dutzende bunte Fahnen zeigten das königliche Banner. Lange Reihen mit Soldaten ergaben ein beeindruckendes Spalier und knallten auf Kommando ihre Hellebarden auf den Boden, gleichzeitig wie ein einziger Mann.

Talos war froh, als er endlich wieder im Schatten Platz nehmen konnte, und zwei Sklaven ihm Luft zufächelten. Wieselflink griff er in eine Schale mit in Honig gerösteten Mandeln, als befürchte er ansonsten zu verhungern. Die protzige Figur seiner Mutter interessierte ihn soviel wie das Schwarze unter seinen Fingernägeln. Im Gegensatz zu der Regentin: Stolz blickte Megara auf das kolossale Bauwerk ihres Antlitzes und gab dem Baumeister Anweisung, das Gesicht täglich mit Wasser vom Staub zu befreien. Nichts wäre eine größere Majestätsbeleidigung gewesen, als müsste sie eines Tages Taubendreck auf ihrem vergoldeten Königsgesicht entdecken. Der oberste Steinmetz wagte keine Widerworte. Seine Lippen bildeten einen harten dünnen Strich. Ihm war bewusst, dass im Reich der Megara große Wasserknappheit unter der Bevölkerung herrschte. Mensch und Vieh darbten. Und hier würde ein neues „Fass ohne Boden“ entstehen! Er schluckte seine Wut, die in ihm gärte wie Most im Weinkeller eines Winzers, hinunter und verbeugte sich demütig vor der Hoheit.

Nach dieser langweiligen Zeremonie brauchte Talos Ablenkung. Er ließ sich von Xeno einen „frischen Jüngling“ aus dem Kerker holen, doch gefiel er ihm nicht und rügte seinen Leibdiener streng. Xeno zitterte vor Angst: „Aber ehrwürdiger Prinz! Der junge Mann ist der hübscheste Bursche unter allen Sklaven.“ Talos war außer sich: „Dann schick die Reiter aus, sie sollen etwas Angemessenes für mich aus der Stadt holen!“ Xeno verneigte sich und verließ den Raum rückwärts, um dem Befehl nachzukommen.

Die ausgesandten Reiter waren Mitglieder einer Unterordnung der königlichen Garde und für vertrauliche Unternehmungen zuständig, die das Herrscherhaus persönlich betraf. Diese Art Geheimeinheit war verschwiegen und loyal bis in den Tod, gewissenlos und absolut zuverlässig. Die harten Männer, die ursprünglich aus Söldnern rekrutiert waren, hatten mehrere Eide auf das verehrte Königshaus abgelegt und führten jeden Befehl unter völliger Geheimhaltung aus. Als perfekt ausgebildete Kämpfer wären sie auch als Elitesoldaten geeignet gewesen.

Prinz Talos kam so noch in dieser Nacht an Nachschub für seine fleischlichen Gelüste; und er musste die Wahl der Gardisten loben: ein süßer, blonder, unschuldiger, zierlicher Jüngling mit einem so erfrischenden Gesicht, dass Talos bereits bei seinem Anblick kaum noch dazu kam, seine Männlichkeit durch dessen feuchte Lippen zu stoßen…

Enttäuscht wegen des zu schnellen Endes seiner Lust ließ er sich seufzend von dem verängstigten Burschen sauber lecken, der gar nicht wusste, was mit ihm geschah.
Nach einer Pause würde er es erneut versuchen. „Mit meiner Lederknute werde ich den Kleinen schon lehren, wie er mir die größten Genüsse bereitet“, dachte der Prinz und schlürfte Rotwein aus einem goldenen Kelch, während der entführte Jüngling zwischen den fetten Schenkeln des Königssohnes hockte.

Aber nicht nur Talos, sondern auch seine Mutter kam in dieser Nacht auf ihre Kosten: Sie hatte sich eine neue Auswahl potentieller Anwärter auf den Thron vorführen lassen und sich für einen langhaarigen jungen Mann aus dem Westen des Reiches entschieden.
Megara war von seiner Fechtkunst beeindruckt, die er gegenüber zwei Soldaten der Palastwache wunschgemäß demonstriert hatte.

„Ob er mit seinem eigenen Degen auch so geschickt umzugehen weiß?“, fragte sich Megara insgeheim mit einem Schmunzeln. Sie betrachtete den spitzbärtigen Fechter und die Schatten seines Körpers, die durch flackernde Kerzen aus Bienenwachs und Öllampen an den Wänden des königlichen Gemachs tanzten. Und sie wurde in ihrem Bett nicht enttäuscht. Der Recke wusste nicht nur mit Stahl umzugehen, sondern auch, wie er das Feuer eines Weibes entzündete und dieses dann auch bediente. Selten hatte ein Mann ihre Lenden so saftig gemacht. Trotzdem: Einen Mann an ihrer Seite würde sie niemals erlauben. Ein Spielzeug für ihre Gelüste dagegen schon.

Abas und Skiron schufteten auf den Feldern bis zum Umfallen. Oftmals erhielten sie harte Schläge mit Knuten, Peitschen oder der Breitseite eines Schwertes. Leda, die zur Wache gehörte, verhinderte mehrmals, dass die Gewalt ausuferte und gab den beiden geschundenen Freunden insgeheim kleine Schlucke Wasser aus ihrem Schlauch zur Stärkung.

Des Nachts traf sich Leda zwei bis drei Mal in der Woche mit ihrem Liebsten in der kleinen Kammer, in der sie ungestört waren. Doch stets mussten sie Sorge haben, entdeckt zu werden, was beide mit dem Tode bezahlen würden, war sich Leda sicher.
Sie hatte im Palasthof schon Köpfe wegen kleinerer Vergehen auf Lanzen aufgespießt gesehen.

Doch die junge Liebe brachte nichts auseinander. Bereits nach einer Woche hatte Abas wieder über sein Weib steigen und mit ihr für eine innige Stunde die Liege wie Mann und Weib teilen können. Inzwischen war die schreckliche Erfahrung in der Arena zwar nicht vergessen, aber Zeit heilte Wunden – solche und solche.

Megara erhielt in diesen Tagen erneut schlechte Botschaften von ihrem Paladin Telamon, der weitere hohe Verluste beklagte und Verstärkung anforderte, wolle Megara nicht davon absehen, das Nordland zu erobern. Aber von Rückzug wollte die Königin nichts wissen. Wenn Telamon weitere Soldaten benötigte, sollte er sie bekommen. In der Nähe des Palastes lagerten Dutzende Legionen, die nur darauf warteten für ihre Herrin in den Krieg zu ziehen.

Als Megara am nächsten Tag ihr Vorhaben mit ihren engsten Vertrauten und Günstlingen besprach, zu denen (wenn auch nur aus offizieller Etikette) ihr Sohn gehörte, klatschte Talos lässig Applaus. Er fläzte sich auf seinem Sessel und grinste dümmlich. „Wir werden das Nordvolk unterwerfen“, freute sich Talos mit vom Wein schwerer Zunge, und dachte an die blonden durchtrainierten Nordländer, die er gerne auf seinen Laken nehmen würde. Als hätte Megara die lüsternen und sündigen Gedanken ihres Mündels erkannt, blitzte sie ihn mit einem strengen Blick an. Talos, der bemerkte, dass alle Anwesenden gerade und mit erhobenem Haupt am Tisch saßen, während er als Einziger herumlümmelte, bezog Megaras Tadel auf seine Haltung und korrigierte diese ächzend. Doch immer noch wirkte er plump und schwerfällig. Am liebsten hätte er sich zurückgezogen.

In den nächsten Tagen erkannten auch die Feldsklaven, dass etwas im Busch war.
Überall war geschäftiges Treiben zu sehen, Soldateneskorten durchritten die Felder zum Palast und wieder hinaus. Ganze Truppen stiefelbewehrter Kämpen marschierten oder ritten an den Sklaven vorbei. Im Kerker waren die königliche Waffenschmiede zu hören, die Tag und Nacht ihre Öfen und Essen heizten und unentwegt glühenden Stahl schlugen. Ein rauchiges Aroma schien jedem Manne und Weibe in der Umgebung in die Nase zu steigen.

Wurde zu einem neuen Krieg gerufen? Standen gar Feinde vor den Toren der Stadt? In der Nacht, als Leda mit Abas allein war, erschien sie dem jungen Mann heute irgendwie verändert. Abas sah sie fragend an. Dann berichtete sie mit sorgenvollen Augen, was sie gehört hatte: Megara würde bald eine große Verstärkung nach Norden schicken, wo die Soldaten endlich gegen die wehrhaften Nordländer siegen sollten. Abas verstand offenbar noch nicht. Leda erzählte weiter: „Kapierst du nicht? Die vielen Soldaten werden Unmengen Nahrung, aber auch Kriegsgerät dabei haben. Eroberungsmaschinen, Baumaterial, geschmiedetes Werkzeug und mehr. Das werden sie nicht alleine schleppen. Es werden Sklaven mitgenommen. Und du….. du…“ Sie sank in seine Arme und konnte nicht weiter sprechen sondern schluchzte lautlos auf. Abas begriff endlich: „Du meinst, ich gehöre dazu?“ Leda blickte ihm fest in die Augen und nickte stumm. „Ich habe die Liste gesehen. Sie nehmen nur die Gesunden und Starken.“ Abas war niedergeschlagen ob des nahenden Unheils.
12. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 17.02.18 19:39

Dabei war die Gefahr nicht das schlimmste Übel. Am meisten schmerzte ihn, dass er von Leda getrennt sein würde für… Für wie lange? So ein Kriegszug würde lange dauern. Vielleicht würde er ihn gar nicht überleben… Als Sklave war er nur Schwertfutter... Er spürte, wie Leda sich an ihm festklammerte. Abas durchströmte ihre Wärme, merkte aber auch, wie Leda zitterte.

In dieser Nacht lag das Paar nicht wie Mann und Weibe, sondern eher wie Bruder und Schwester beieinander und war in Gedanken versunken. Bevor Leda ihren Gefangenen zurück in die Zelle bringen musste, sah sie Abas wieder tief in die Augen. Ihre Tränen waren getrocknet. Ein bedeutsamer Entschluss war gefasst. Sie würde sich als Soldatin verdingen und mit Megaras Armee nach Norden ziehen – mit ihrem Geliebten an ihrer Seite.

Der nächste Tag sollte für Prinz Talos eine böse Überraschung bergen. Bisher hatte er begeistert beobachtet, wie die Soldaten sich aufstellten, wie Kohorten von armierten Männern marschierten, wie Unmengen Schwerter, Äxte, Bögen, Pfeile, Dolche, Lanzen und Schilder gefertigt wurden, wie Baumeister Pläne für Eroberungsgeräte zeichneten.
Alle schienen in Aufruhr und waren mit verschiedenen Aufgaben betraut. Meist war der dicke Prinz mit seiner Sänfte nur im Weg gewesen, aber niemand getraute sich, ihm das zu sagen. „Wir werden sie besiegen! Wir werden ihnen die Herzen herausreißen und…. Ja!“ Talos war geradezu euphorisch. Er sah schon die langen Reihen aufgespießter Köpfe, die gefallenen Feinde, wie sie aufgestapelt entzündet wurden, wie er selbst - Prinz Talos – Gold und Juwelen von Telamon entgegennahm, und seine Schatullen überliefen. Wie das Land des Feindes brannte und schwarze Rauchschwaden den Himmel verdunkelten. Wie er über all dem thronte als triumphreicher Sieger und Machthaber.

Doch seine Mutter sollte ihn am heutigen Tage unsanft aus seinem Berserkerrausch reißen: „Es freut mich zu sehen, dass du mich in dem Feldzug unterstützt. Mir ist es sowieso schon lange ein Dorn im Auge, dass du nur den Tag verschläfst und deinen nimmersatten Bauch füllst.“ Talos sah seine Mutter schuldbewusst aber pikiert an. „Aber am meisten“, ergänzte sie und schnaubte laut durch die Nase, „missfällt mir dein sündiges Treiben. Meinst du, ich bin blind? Vergiss nicht, dass ich die Königin bin, und der Palast feine Ohren hat.“ Talos schluckte. Seine Vorliebe für Jünglinge hatte Megara noch nie so deutlich angesprochen. „Und daher, Talos, wirst du nun endgültig lernen ein ehrenhafter Mann zu sein, der meiner Nachfolge würdig sein könnte!“

Prinz Talos sah Megara unverständig an. Wollte sie ihn etwa in eine Burg schicken, wo er von Ordenspriestern erzogen würde? Die nächsten Worte der Herrscherin klangen in Talos Ohren wie laute Glockenschläge, gewürzt mit dem ätzenden Gift einer Viper: „Du wirst den Kriegstross nach Norden begleiten und dich im Kampf bewähren!“ Prinz Talos wurde ganz blümerant. Ihm wurde kurz schwarz vor Augen und musste sich auf einen Diwan fallen lassen, der unter dem hohen Gewicht gequält knarrte. Nach einer Schreckminute, in der er nach Luft schnappte, geiferte Talos seine Mutter an: „Ich habe gesehen, wie du Vater vergiftet hast!“ Dabei spritzte ihm Speichel aus dem Mund und sein stinkender Atem verströmte sich faulig im Raum. Megara zuckte leicht zusammen, doch sie hatte seit dem düsteren Abend ihrer ganz persönlichen Machtergreifung geahnt, das Talos sie beobachtet hatte. Woher sollten sonst die fettigen Fingerabdrücke an der Säule in der dunklen Ecke des königlichen Schlafgemachs gestammt haben? Megara war aufgrund dieser Erkenntnis ruhig und gelassen. Aber Talos unverschämter triumphierender Blick brachte sie zum Beben vor Zorn. Sie nahm sich einen Augenblick, sich zu fassen, dann stolzierte sie erhaben und ruhig zu ihrem Sohn, der sie nun nicht mehr ganz so selbstsicher ansah.

Was wollte sie nun tun? Ihn ebenfalls meucheln? Er hatte sie in der Hand. Schnell fiel ihm etwas ein: „Ich habe alles aufgeschrieben in einer versteckten Schriftrolle. Falls ich sterbe, wird die Wahrheit ans Licht…“ Megara schrie ihn an: „Donnerkeil! Schweig still, du missratenes Stück! Die Wahrheit! Die Wahrheit! Ha! Kennst du denn die Wahrheit?“ Sie sah den Prinzen höhnisch an. Talos war verwirrt. Was sollte das? Megara verzog ihre grausamen Züge zu einem feinen Lächeln, oder sie glaubte daran, doch es erinnerte eher an das Zähnefletschen eines Kettenhundes, und flüsterte: „Du bist ein dreckiger Bastard! Du bist nicht des Königs Blut! Du fettes Gezücht! Du entstammst dem Samen eines niederen Stallknechts, bei dem ich mir geholt habe, wozu mein Gemahl nicht fähig war! Du hast ihn nicht mehr kennen gelernt, denn er ist kurz nach deiner Geburt… auf eine lange Reise gegangen.“

Talos sah seine Mutter an, als wäre sie irr. Megara lachte. „Ja, Talos. Du hast unwürdiges Blut in dir. Du bist der Sohn eines Knechts! Du wirst niemals den Thron besteigen, wenn ich es nicht will!“ Sie spießte ihn mit ihren Blicken auf, wie einen Delinquenten in der Eisernen Jungfrau. Talos starrte sie mit offenem Mund an. Ein Faden Speichel tropfte ihm vom Doppelkinn, ohne, dass er es bemerkte. „Das ist eine Lüge!“ brüllte er mit kippender Stimme. Aber er wusste, dass seine Mutter die Wahrheit gesprochen hatte. Die Wahrheit, die ihn so hart traf und schwer traf wie Wackersteine. Er hatte in der Tat keinerlei Ähnlichkeiten mit Talos III. gehabt – weder in Leib noch im Geiste. Der Prinz ächzte auf, fiel auf die Knie und schrie hell und außer sich. Talos trommelte hysterisch mit den fetten Fäusten auf den Marmorboden und schrie wie ein kleines trotziges Kind. Sein Gekreische und Gegreine wurde immer lauter. „Nein! Nein! Nein! Nein! Nein!“

Megara hatte ihre Gefühle wieder unter Kontrolle und setzte ihre kühle Maske auf, die auch ihre Untertanen kannten und fürchteten. „Du wirst in drei Tagen mit dem Kriegstross aufbrechen! Stirb oder komm als Mann zurück!“ Damit ließ sie ihn stehen wie das unterste Gesinde. Der dicke Prinz fasste sich ans Herz. Schmerzen in seiner Brust ließen ihn kurz wanken. In den Krieg ziehen? Diese Strapazen... und fürderhin sich dieser Gefahr aussetzen? Vom Thron aus die Armeen deligieren, das war eine Sache. Aber selbst in Fleisch und Blut auf dem durstigen Feld der Ehre kämpfen? Dem Feind die Stirn bieten?

Die Tage bis zum Aufbruch lag Talos stundenlang fast apathisch auf seinem Diwan. Die Euphorie für den Kriegszug war vollends gewichen. Und dann war es eines Morgens soweit: Hunderte armierte Soldaten machten sich schwer gerüstet auf den Weg ins Nordland. Der Zug auf der Straße an der trutzigen Stadtmauer vorbei wollte kein Ende nehmen - wie ein gigantischer Lindwurm zogen sich Reiterheere, Felder von Fußsoldaten, und inmitten einer königlichen Garde eine große prunkhafte Kutsche, die den Prinzen beherbergte, dem Feind entgegen. Dazu kamen hunderte in Lumpen gekleidete Sklaven, die Nahrung und Kriegsgerät trugen. Die meisten von ihnen waren mit Fußketten aneinandergebunden und stolperten vorwärts.

Unter ihnen war auch Abas. Sein Freund Skiron war nicht ausgewählt worden, und die Freunde hatten sich in einem Gefühlschaos verabschiedet. Sollte Abas froh sein, dass der Kamerad der Gefahr des Krieges nicht ausgesetzt war, oder trauern, dass er ihn vielleicht nie wieder sehen würde? Leda marschierte als Wächterin in der Nähe einer Kohorte Sklaven, die Teile einer Felsenschleuder geschultert hatten. Leider war Abas mehrere Meilen weiter vorne in eine Zehnergruppe gekettet. Die junge Frau war stolz auf ihre neue Rüstung: Zu ihrem Waffenrock gehörte ein Dolch, ein Kurzschwert und ein wunderschöner Bogen samt Köcher. Es war nicht einfach gewesen, den Kommandanten von ihren Fähigkeiten als Soldatin zu überzeugen, aber trotz fehlender Übung brachte sie die Pfeile sehr genau ins Ziel der Strohscheibe. Und mit dem Schwert konnte sie seit ihrer Kindheit geschickt umgehen. „Ein Weib unter all den Männern“, hatte der Kommandant gebrummelt und den Kopf geschüttelt. Aber schließlich hatte er sie in die Einkleidekammer geschickt, wo sie die Reckenhose mit einem Gürtel festschnallte, damit sie ihr nicht hinabfiel.

Königin Megara verfolgte den riesigen Tross ihrer Armee vom höchsten Turm des Palastes. Bald schon war die pompöse Kutsche trotz ihrer großen Ausmaße kaum noch in der langen Schlange aus Reitern und marschierenden Landsern zu erkennen. Megara war zufrieden. Heute Abend sollte ein prunkvolles Fest den Aufbruch der Streitmacht würdigen. Aber insgeheim feierte die Majestät etwas anderes: Der schändliche Bastard war so gut wie tot! Sie trank ihren Kelch mit blutrotem Wein aus, ohne einmal abzusetzen. Niemals würde sie zulassen, dass dieser nichtsnutzige Fettsack den Thron bestieg. Ob sie ihn jemals wiedersah, stand in den Sternen.

Auf dem Weg ins Nordland bewegte sich das mächtige Heer nah an Abas Heimat vorbei. Von Weitem konnte der ehemalige Bauernjunge sogar Felder sehen, die sein Oheim bestellte. Aber unerbittlich schritt die gewaltige Kriegsmaschinerie weiter, an den Ländereien vorbei, denen er sehnsüchtig nachschaute. Bald schon schmerzten Abas die eisernen Ringe, die an seinen Fußgelenken schabten. Aber wer aus der Reihe tanzte, bekam die bissige Peitsche zu schmecken. Abas war harte Arbeit bereits gewohnt und versuchte so wenige Schläge wie möglich einzustecken. Schritt für Schritt schleppte er sich mit seinen Leidensgenossen vorwärts.

Am nächsten Tag erwachte gerade die Sonne, da verzögerte sich die Reise: Die breiten Räder der schweren Kutsche des Prinzen hatte sich in einer Sandkuhle eingegraben. Die starken Pferde brachten das Gefährt trotz der Peitsche nicht mehr vorwärts. Ein kahlköpfiger Hauptmann mit Stoppelbart und verwittertem Gesicht spannte weitere Tiere vor, aber auch das brachte nicht den gewünschten Erfolg. „Majestät! Darf ich Euch bitten, für einen Augenblick auszusteigen?“ erbat er, die Frage, die sich sonst niemand getraut hätte. Prinz Talos erhob sich grimmig. „Was soll das heißen? Bin ich etwa zu schwer?“ Der Hauptmann beschwichtigte den Thronfolger: Man habe bereits alles Mögliche von der Kutsche entfernt, um sie leichter zu machen, stecke aber immer noch fest. „Ihr sollt nicht in Gefahr geraten, falls die Kutsche umkippt“, fiel ihm ein. Schnaufend kletterte Talos schwergewichtig aus seinem fahrbaren Palast. „Dann werde ich die Zeit nutzen, um auszutreten“, meinte Talos. „Der viele Wein fordert Tribut.“

Der Hauptmann namens Kreon war ein erfahrener Soldat und Ausbilder. Er gehörte zu den Anführern des Kriegstrosses und war einer der wenigen Soldaten, die den Prinzen ansprechen durften. Stillschweigend machte er sich mit den anderen Heeresführern über den ungeschickten Talos lustig. Und gleichzeitig verfluchte er Megara dafür, ihm diesen dummen Fettsack mitgegeben zu haben. „Wache!“ riss Talos schreiende Stimme ihn aus seinen Gedanken. „Hauptmann! Wie soll ich über diesen Schmutz laufen!? Bringt mit einen Sklaven, damit ich mich auf ihn stellen kann!“ Kreon drehte sich verwundert um und sah Talos neben der Kutsche stehen und auf den Boden zeigen.

Die Hoheit wollte zu einem Busch, um sich dahinter zu erleichtern, aber ein Sklave sollte sich neben das Gesträuch legen, damit Talos seine herrschaftlichen Füße nicht mit dem Boden beschmutzte. Kreon gestikulierte kurz und streng, und sofort machten sich zwei Fußsoldaten im Laufschritt auf den Weg zur Sklavenkolonne, um einen Unglücklichen zu wählen – bei dem Gewicht des Prinzen konnte man wahrlich von Unglück sprechen.

Während das königliche Gefährt von schwitzenden Männern befreit wurde, balancierte der Prinz auf einem Sklaven, der sich flach auf den Boden hatte legen müssen, und nestelte unter seinem Seidengewand seine Männlichkeit hervor, um sich zu erleichtern.
Der Sklave betete zu den Göttern, dass der Prinz nicht das Gleichgewicht verliere, denn es war klar, wer dann die Schuld dafür bekäme… Talos stöhnte erleichtert auf. Leise plätscherte das königliche Wasser auf den staubtrockenen Boden und rannen auf dem harten Lehm entlang. Einige Tropfen spritzten dem Sklaven an die linke Schulter und Gesichtshälfte, aber der Leibeigene verzog keine Miene. Doch dann kam das Geräusch des Stromes immer näher, und der Sklave verspürte plötzlich einen kräftigen Strahl in seinem Nacken und hörte Talos hell und kindisch kichern. In der Zeit, in der man eine Kerze löschen könnte, war der Kopf des Sklaven pitschnass.

Talos sortierte seine Männlichkeit und würdigte seiner besudelten Unterlage keines Blickes mehr. „Endlich fertig?“ fragte er in seiner Falsettstimme schnippisch wie ein zickiges Weib. Hauptmann Kreon nickte ruckartig und gab kurze Befehle an die Soldaten.
Der Kutscher öffnete dem Prinzen die Tür und half ihm, einzusteigen. Der unglückliche Sklave hatte keine Gelegenheit sich zu säubern und wurde wieder in seine Kolonne gekettet. Da er nur wenige Fetzen am Leib trug, konnte er sich nicht abreiben, und Wasser gab es sowieso nur streng rationiert. Da waren die schmerzenden Rippen, die unter Talos geknirscht hatten, noch das geringere Übel.

Leda hatte die peinliche und erniedrigende Posse mitbekommen und dem Sklaven in einem unbemerkten Augenblick mit einem alten Lappen die stinkende Nässe weggewischt. Warum tragen die Sklaven selbst hier im Kriegstross Keuschheitsgürtel? Leda fragte sich das immer wieder. Das konnte nur mit reinem Sadismus des Prinzen erklärt werden. Erst nach Einbruch der Dunkelheit machte das Heer Rast. Ein Teil der Soldaten war bereits viele Meilen entfernt. Prinz Talos ließ sich lieber Zeit. Des Nachts schlief er in einem großen Zelt, in dem es ihm nicht an königlichem Luxus fehlen sollte.
Nur Lustknaben standen nicht auf der Speisekarte, was ihn fuchste. Ihm gelüstete nach Futter für sein fleischliches Verlangen. Aber wie sollte er dies hier unbemerkt bewerkstelligen? Er verfluchte seine Mutter! Er könnte jetzt so weich in seinem Bett liegen und sich das Feuer seiner Lenden von einem süßen Burschen heizen lassen…

Leda schaffte es heute zum ersten Mal seit dem Aufbruch ihren Geliebten unter einem Vorwand abzuketten und mit ihm abseits der lagernden Wachen und Soldaten zwischen hohen dunklen Bäumen zu verschwinden. Die Landschaft hatte sich schon ein wenig verändert. Die extreme Hitze war ein wenig abgekühlt, und Busch und Baum kleideten sich in Grün. Ab morgen würden die Soldaten unbegrenzt Wasser zur Verfügung haben, und davon sollten auch die erschöpften und ausgedörrten Sklaven profitieren; doch heute hatte Leda einen ganz anderen Quell im Sinn: Abas Liebe.

Beide fielen wie Verhungernde übereinander her und wälzten sich auf dem weichen Waldboden in einem Bett aus Laub und Moos. Über ihnen schien ein Vollmond, der ihnen silbernes Licht auf der kleinen Lichtung spendete, auf die sie sich geflüchtet hatten. Ein Mal schreckten beide auf, als fremdartige Tiere in der Dunkelheit heulten. Waren es Hyänen oder Wölfe? Zum Glück waren die Bestien der Nacht noch weit genug entfernt. Sicherheitshalber machte Leda mit zwei Fingern kreisende Bewegungen in der Luft, um mit diesem Schutzritual böse Geister fernzuhalten.

Ihre Leidenschaft stieg in den Armen des Galan so steil an, wie eine Gämse den spitzesten Fels erkletterte. Abas und Leda liebten sich innig und befriedigten ihre herzliche Leidenschaft. Sie schwelgten in romantischen Bewegungen der Liebe, wogten sich darin, bis beide zutiefst glücklich aufseufzten. Danach schloss Leda ihr Herzblatt ohne zu zaudern wieder in seinen Keuschheitsgürtel ein. „Eines Tages wirst du frei sein“, versprach sie und gab ihm einen zärtlichen Abschiedkuss. Sie brachte Abas unbemerkt von den Augen der Wachen zurück in die Sklavenkolonne, kettete ihn an und begab sich zu ihrem eigenen Ruheplatz.

Ein Soldat lag halb in ihrer Decke. „Kamerad! Das ist mein Platz!“ sagte sie und zerrte an der Wolle. Ihr starrer harter Blick und die harsche Stimme wäre für Abas nicht wieder zu erkennen gewesen, hätte er sie nun sehen und hören können. „Warum legst du dich nicht zu mir, Leda?“ fragte der Soldat mit einem süffisanten Grinsen. „Lykos möchte dich ein wenig wärmen.“ Ledas Gesichtszüge wurden noch härter: „Verschwinde!“ Der Mann zog seine Nase hoch und leckte sich über die Lippen. Eine lange tiefe Narbe links vom Kinn quer über das Gesicht bis zum rechten Auge zeugte von Kampfeslust. Ungeduldig kratzte sich Lykos über seinen Stoppelbart. „Komm schon, Weib! Zier dich nicht! Auf Kriegszug sind die Jungfrauen rar. Und die Glut deiner Lenden…“ Er unterbrach sich und sah sich listig um. Er lachte leise, um die anderen nicht aufzuwecken. Dann beugte er sich vor und zog Leda zu sich. Sie ließ es geschehen und flüsterte: „Wollen wir einen Schluck Wein trinken, um dein Feuer noch mehr anzufachen?“ Lykos grinste breit. Jede Evastochter hatte er bisher gepflückt. Auch Leda war offenbar keine Ausnahme. Und wer nicht willig war, den nahm er mit Gewalt. Aber dieses Luder juckte der Schritt, da war Lykos sicher. Sie hatte Feuer! Wie sollte ein Weib auch einem Herzensbrecher wie ihm widerstehen?

Leda ging zum Vorratszelt und erschien kurz darauf mit einem Kelch voll Wein. Kleine Mengen waren den Soldaten erlaubt, um die Moral der Mannschaft zu stützen. Lykos trank gierig und wischte sich mit dem Handrücken den Mund ab. Dann wollte er Leda unter den Waffenrock greifen, da erstarrte er wie eine Salzsäule. Er spürte den kalten Stahl an seinem Gemächt. „Jetzt wirst du meine Schlafstatt verlassen, Lykos. Und wage es nie wieder… Hörst du? NIE WIEDER Hand an mich zu legen! Sonst schneide ich dir dein Gekröse ab und stopfe es dir in dein dreckiges Maul! Hast du das vernommen?“

Lykos schluckte nervös und trocken. Sein Adamsapfel hüpfte. „Gut, Weib. So soll es sein. Aber ich schwöre dir: Weiber mit zuviel Stolz leben gefährlich. Dreh mir im Kampf nicht den Rücken zu!“ Mit verbissener Miene stand er auf und ging steif davon. Leda legte sich zurecht und schnallte sich den Dolch an den linken Unterarm, so dass sie ihn blitzschnell ziehen könne. Bevor sie zufrieden die Augen schloss, wartete sie noch auf ein bestimmtes Geräusch. Lange dauerte es nicht, da hörte sie, wie hastige Schritte von einem Schlafplatz hinter die Büsche führten. Ein feines Lächeln zeigte sich auf Ledas Gesicht. Das Rizinusöl würde Lykos seine Lust für heute Nacht verderben…

Am nächsten Tag stand der Feuerball bereits hoch am Himmel und brannte auf die Erde nieder, da kam der Tross in der Nähe eines Dorfes vorbei. Die Bewohner gehörten einem neutralen Fürstentum an, aber Prinz Talos befahl seinen Soldaten, den Ort zu plündern.
Hauptmann Kreon war der Befehl ein Graus. Zwar wurde der zähe Soldat im Krieg zum gnadenlosen Berserker, der alles und jeden schlachtete, der ihm vor das Schwert geriet; doch Bewohner eines neutralen Reiches auszurauben war unehrenhaft. Aber der königliche Befehl war gegeben und wurde daher bedingungslos ausgeführt.

Eine berittene Schar metzelte, brandschatzte und holte sich im Dorf, was es hergab: ein wenig Schlachtvieh und die Jungfräulichkeit so mancher hübschen Maid. Ein junges Weibsbild hielt die Spindel ihres umgestürzten Spinnrads noch lange danach verkrampft in den Händen und wiegte sich hin und her. Andere Mägde und Knechte irrten orientierungslos umher. Manche Bewohner begannen stoisch mit Aufräumarbeiten. Andere beweinten ihr Schicksal. Sonstige schworen bittere Rache und schüttelten hilflos ihre Fäuste in der Luft. Aber was hätten sie mit ihren Hacken, Sicheln, Dreschflegeln und Mistforken gegen gerüstete und berittene Krieger anstellen können?

Als der Tross des Prinzen weiter zog, verließ er verbrannte Erde und gebrochene Menschen. Soldatin Leda hatte eine junge Frau in ihrem Alter vor den Vagabunden retten können, doch ihr Heim war Beute der Flammen geworden. Leda drehte es den Magen um, als sie bereits schwarze kreischende Krähen sah, wie die Todesboten sich um einen Leichnam stritten und auf ihm herumpickten. Aufgescheucht von einem großen hässlichen Gänsegeier flatterten sie einige Schritte weiter. Leda sah den großen Vogel, wie er aus dem Gesicht des Toten Fleisch herauszupfte, und da wendete sie schnell ihren Blick ab.

Talos befahl nach wenigen Meilen eine weitere Rast, um ein Schlachtfest zu feiern. Er meinte bereits die duftenden Braten zu riechen, bevor die Feuerstellen angelegt waren.
Während der Vorbereitungen ließ sich der Prinz die Füße von seinem Diener mit aromatisiertem Wasser waschen und grübelte darüber nach, wie er an einen Jüngling kommen könnte. Seine Männer hatten schließlich heute auch ihren Spaß gehabt! Selbstmitleid nagte an ihm und Frust erhob sich in seinem Geist. Er opferte sich hier für sein Volk und niemand dankte es ihm!

Die Sklaven bauten das behelfsmäßige Lager auf. Die drückenden Lasten auf dem Marsch hatten sie zwar erschöpft, aber die Männer waren schwere Feld- oder Minenarbeit gewöhnt. Und da die Landschaft nun mehr Wasser bereitstellte, war die Rationierung aufgehoben. Der erste große Teil der Armee entfernte sich so von Tag zu Tag immer weiter von den Nachzüglern. Wenigstens würden die besten Krieger frühzeitig bei Paladin Telamon eintreffen. Auf den Nachschub und den Prinzen kam es nicht so sehr an.
13. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 04.03.18 18:22

Im Palast der Megara war der Gladiator Kreios unterdessen aus dem Trainingscamp geholt worden und unter strenger Bewachung in den königlichen Privatgemächern gebadet worden. Der Riese durfte sogar das große Badebecken betreten, denn jede Wanne war ihm zu klein gewesen. Unsicher verfolgte er, was mit ihm geschah. Warum wurde er gesäubert und parfümiert? Die Frauen, die seinen Leib mit Schwämmen wischten und Duftwasser über ihn träufelten, sagten kein Wort. Er hatte von den Gerüchten gehört, die man nur unter vorgehaltener Hand und unter Todesgefahr flüsterte, dass die Majestät sich heimlich mit einer großen Anzahl Männern vergnügte, und auch die Anwärter auf den Thron, die fast täglich zum Palast schwärmten, nur als Liebesdiener missbraucht wurden. Sollte er nun der nächste Mann im Bett der Herrscherin sein? Würde er anschließend sein Leben aushauchen müssen?

Bald brachten ihm die Palastwächter neue Arm- und Fußketten an, mit denen er an eine dicke Marmorsäule im Schlaf-Gemach der Königin festgebunden wurde. Dabei fixierten sie seine Arme hinter der Säule. Einer der Wachen schnürte dem Riesen die Augen mit einem safrangelben Seidenschal zu. Die Männer verließen mit klackenden Stiefelschritten den Raum. Es herrschte nun absolute Stille. Doch schon nach wenigen Minuten hörte Kreios leise Trippelschritte und unterdrücktes Gekicher. Er horchte auf. War das die Königin? Die erhabene und würdevolle Majestät würde sich doch nicht hastig wie ein junges Ding bewegen und kichern!?

Das Glucksen wurde immer lauter. Offenbar befanden sich mehrere junge Damen des Hofes fast unmittelbar vor ihm. Noch bevor die Regentin sich ihrem neuen Spielzeug widmen konnte, hatten die Töchter der Edelleute, die gerade aus dem Lustgarten kamen, beobachtet, dass der Gladiator in die königlichen Gemächer gebracht wurde. Die fünf jungen Frauen waren den Wachen hinterher geschlichen. Sie wussten, dass Megara noch eine Stunde lang mit ihren Beratern konferierte, so dass sie einen schnellen Blick in das königliche Schlafgemach wagten. Und tatsächlich: Da stand er, der gigantische Gladiator.
Nackt. Seine vielen Muskeln! Sein…. (!!)

Die Damen hielten ihre Hände vor den kleinen Mund und kicherten, starrten gebannt auf das gewaltige Gemächt. Eine besonders kecke junge Hofdame schritt bis direkt vor den Hünen, der sie um einen guten halben Mann überragte, und stupste die riesige fleischliche Schlange zwischen seinen Beinen an, die sich daraufhin wütend anhob. Die Freundinnen kicherten noch auffälliger, und die vordere Hofdame fühlte sich ermutigt, die Männlichkeit des Riesen erneut zu berühren. Dieses Mal streifte sie sie nicht nur, sondern packte kurz zu, was den Gladiator aufstöhnen ließ.

Die Frauen erschraken und wichen einige Schritte zurück. Die vordere Dame machte einen Satz rückwärts. Hatte der Sklave Schmerzen? Die Ketten spannten sich. Die Schlange erhob sich immer weiter… und blähte sich gefährlich auf. So etwas hatte die adlige Gesellschaft noch nie gesehen. Nach einem Schreckmoment beruhigten sich die Damen wieder und starrten neugierig auf das Gemächt des Sklaven: Es war prall und noch größer geworden. Die prächtige Lanze stand waagerecht und zeigte anklagend auf die kleine Gruppe junger Frauen. Doch bald griff die junge Lady wieder nach dem lustvollen Fleisch. Jetzt drückte sie es, strich über die geaderte Haut, zuckte leicht zurück, als Kreios sich aufbäumte und lauter stöhnte, doch dann spielte sie immer mutiger mit der Männlichkeit des Sklaven. Immer draufgängerischer und frecher wagte sie sich vor; und auch ihre Freundinnen kamen näher und wollten das Prachtstück berühren, streicheln, biegen, drücken.

Eine junge Dame schmunzelte: „Sieh nur, diese großen Bälle!“ Sie griff dem Sklaven beherzt zwischen die Beine. Wieder stöhnte Kreios laut auf, als er die zarten Finger geschickt mit seiner Männlichkeit spielen spürte. „Es spuckt oder weint“, sagte eine der Hofdamen fasziniert und wischte Lustflüssigkeit an Kreios schwingendem Liebesstab ab.
Da vernahm die Gruppe Schritte auf dem Gang. „Schnell!“ warnte eine der Damen kurzatmig. „Zur anderen Tür hinaus. Megara kommt!“ Die Mädels flüchteten keinen Augenblick zu früh. Die Königin erschien erhabenen Schrittes in ihren hohen Stiefelsandalen und blickte überrascht auf den erregten Kreios. Sie war sprachlos. Doch nach der ersten Verwunderung erschien ein breites Lächeln in dem Angesicht der Majestät. Eigentlich war es eher ein Zähne bleckendes, wölfisches Grinsen. Da hatte sie wohl die besondere Gunst der Götter erworben! Was für ein Prachtexemplar! Gemach ließ sie ihre Schleppe zu Boden gleiten und stellte sich vor den Sklaven. Wäre der Kämpe nicht bereits nackt gewesen, hätte sie ihn von oben bis unten mit gierigen Blicken ausgezogen.

Megara entblößte sich weiter und umfasste ihren Torso mit beiden Armen, als wolle sie sich umklammern und liebkosen. Die Knospen ihrer Brust waren hart und aufgerichtet.
Langsam hob sie eine ihrer Brüste und leckte ihren Warzenhof, so dass er glänzte. Dann strich sie über den kräftigen Muskelleib vor ihr, der nervös aufzuckte, als die königliche Hand über seine gewölbte Brust und den trainierten Bauch glitt. Und schließlich wanderten die herrschaftlichen Finger noch tiefer und verblieben an Stellen, die so manche Hofdame nur aus heimlichen Erzählungen kannte, die Kreios jedoch höchste Genüsse zu bereiten schienen.

Doch plötzlich stöhnte Kreios gequält auf: Megara hatte an seiner linken Brustwarze eine Zwinge angebracht, die mit einer Kette an einer weiteren Klemme verbunden war. Auch die zweite Vorrichtung biss kurz darauf in Kreios empfindliches Fleisch. Nun baumelte die Kette zwischen den Brustwarzen. Kreios Gesicht verzog sich kaum, denn er war Schmerz gewohnt, doch fühlten sich die tückischen Zwingen mit jeder Minute beißender an. Abrupt zog Megara in der Mitte der Kette und zwang den Giganten so auf die Knie.
Nur die Kraft drei ihrer Finger reichte aus, um den Hünen zu bezwingen. Der Riese rutschte langsam an der Säule in die Hocke, in die Megara ihn zwang. Die massiven Schenkelmuskeln wölbten sich. Kreios hörte ein klares Lachen. Dann war da vor seinem Mund etwas Feuchtes. Fleisch? Königliches Fleisch? Er wagte, seine Zunge hinausschießen zu lassen und vernahm ein lustvolles Stöhnen. „Weiter! Sklave! Weiter!“ forderte die Stimme leidenschaftlich. Kreios leckte und umspielte das weibliche Fleisch. Mit immer mehr Druck presste sich Megara gegen das Gesicht des Goliaths.

Sollte Megara es wagen, diesem Sklaven die Ketten zu lösen? Ihre Gier nach dem prächtigen Gemächt war zu groß, um gegen die Bedenken ankämpfen zu können. Sie löste zunächst den Seidenschal, und Kreios sah sie blinzelnd an. Vor ihm stand wirklich die Herrscherin! Und sie trug nur ein knappes Seidenkleidchen, durch dessen Stoff ein sündiges Auge den königlichen Leib betrachten konnte! Sie sah auf ihn hinab, denn noch hockte Kreios, so dass sein Gesicht nur wenige Handbreit von der Venus der Tyrannin entfernt war. Sie begann, die Ketten zu lösen und surrte ihm entgegen: „Wenn du mir ein guter Bettgefährte bist, sollst du reich belohnt werden.“ Kreios rieb sich die Handgelenke, als er die Fesseln los war. Anschließend entfernte Megara noch die Fußketten.

„Steh auf!“ befahl sie mit einer Stimme, die keine Widerworte kannte. Kreios streckte sich zu seiner vollen Größe. Mulmig wurde ihm klar, dass er nun auf die Majestät hinabblickte. Aber sie hatte es ihm geboten. Megara stolzierte zu einem prunkvollen Bett und legte sich zwischen die vielen bestickten Decken, wertvollen Kissen und edlen Felle.
„Komm zu deiner Königin“, forderte sie, und Kreios näherte sich respektvoll. Langsam. Zaghaft. Dann kroch er zu der Regentin, und bald liebten sie sich wie Mann und Frau. Die Lustschreie der Despotin hallten laut durch die Gemächer. Selbst ihr geheimer Liebesstab aus Stahl, den ihr der königliche Schmied nach dem Tod des Königs angefertigt hatte, konnte sich nicht mit diesem lodernden Schwert messen.

Am nächsten Tag schickte der Hauptmann Kreon, der die Abteilung mit Prinz Talos anführte, einen Vortrupp als Späher aus. Wegen der Bummeleien des Prinzen war sein Teil des Heeres so viele Meilen hinter dem ersten Abschnitt zurück, dass Kreon befürchtete, der Feind könne zwischenzeitlich Hinterhalte legen. Zu den freiwilligen sechs Reitern gehörte auch Leda, die mittlerweile bei den meisten ihrer Kameraden anerkannt war wie ein ganzer Mann. „Die Schürze mit dem Schwert“, war einer ihrer vielen Spitznamen. Doch getraute sie niemand in ihrer Anwesenheit so zu schimpfen, wollte er sich keine blutige Nase holen.

Das Sextett ritt in einem Bogen voraus, um bei eventueller Feindberührung nicht die Zugrichtung des Heeres zu verraten. Das Gebiet war nun stark bewaldet, und alte Bäume mit einem Stammdurchmesser von oft über zwei Ellen ragten mit ihrer gewaltigen Krone bis zu 150 Fuß in die Höhe. Langsam und bedacht arbeiteten sich die Späher vor. Als ein Soldat vom Ross sprang, um eine auffällige Spur auf dem Boden genauer zu untersuchen, horchte Leda auf. War das ein Tier im Unterholz gewesen? Oder hatte sie einen fremden Kundschafter entdeckt? Behutsam nahm sie ihren Bogen vom Rücken und zog einen Pfeil aus ihrem Köcher. Gemach legte sie ihn auf die Sehne.

Auch ihre Kameraden hatten das verräterische Geräusch im Unterholz vernommen und spannten ihre Bögen. Der Soldat, der den Humus untersucht hatte, war in die Hocke gegangen und stand gerade auf: „Menschen. Vielleicht Waldbewohner. Wir sollten vorsichtig…“ Weiter kam er nicht, denn plötzlich ragte eine Pfeilspitze aus seiner Brust.
Mit einem Röcheln fiel er mit einer Drehung zu Boden, so dass die trockenen Blätter aufwirbelten. Er landete auf dem Rücken, so dass der Pfeil noch weiter durch seine Brust gebohrt wurde.

„Deckung!“ schrie Leda und ließ ihren Bolzen in die Richtung zischen, aus der der Angriff gekommen sein musste. Augenblicklich sprangen alle Soldaten gleichzeitig von ihren Reittieren und suchten hinter den Rücken ihrer Rappen Schutz. Vereinzelt schossen sie ins Dickicht, aber kein Feind war zu sehen. Ein unbekanntes Ziel war kein gutes Ziel. Trotzdem hagelten weitere tödliche Geschosse auf den Trupp ein. Bald lagen zwei weitere Soldaten am Boden. Trotz ihrer Deckung durchsiebt mit Pfeilen. Hatte der Feind sie umstellt?

Leda und die beiden Überlebenden sprangen auf ihre Pferde und suchten ihr Heil in der Flucht. In rasendem Galopp schossen sie durch den Wald und hofften, dass ihre Tiere nicht stürzten. Die Bäume wurden zu gefährlichen Hindernissen. Überall lauerten Wurzelwerk und morsche Äste, die zu tödlichen Stolperfallen werden konnten. Der Weg wollte kein Ende nehmen. Durchschwitzt, die Tiere hatten Schaum vor dem Mund und wieherten aufgeregt, erreichten sie dann endlich das Lager. Erst dort bemerkte Leda, dass einer ihrer Kameraden angeschossen war. Der Pfeil steckte in seiner linken Schulter.
Der Medicus brannte die Wunde sofort mit einem glühenden Messer aus und entfernte das Geschoss. Der Soldat, ein tapferer Recke, schrie und biss auf einen dicken Lederriemen.„Wenn die Spitze nicht vergiftet war, wird er bald wieder kämpfen können“, erklärte der Heiler dem Hauptmann, der ihm dankend zunickte. Doch sollte das Bolzenende in ein Toxikum getränkt worden sein... Der Heiler brauchte die andere Möglichkeit nicht zu erwähnen, denn alle wussten, was das bedeuten würde.

Kreon besah sich den Pfeil genau: „Der stammt nicht von den Nordländern. Im Wald leben wilde Völker. Banditen. Mit denen machen wir kurzen Prozess.“ Er wollte mit zwei Abteilungen das Gesindel einkreisen und zwischen den Flanken zermalmen. Er stimmte sein Vorhaben mit dem Prinzen ab, der aber so beschäftigt war, mit seinen schiefen Vorderzähnen einen Hühnerknochen abzunagen, dass Kreon bezweifelte, die Hoheit habe ihm folgen können. Kreon stellte eine berittene Kampftruppe aus 50 Soldaten zusammen.
Niemand griff straffrei das königliche Heer der Megara an! Leda ritt neben Kreon als Anführerin der westlichen Reitergruppe, Kreon selbst übernahm die andere Hälfte der Kämpfer.

Nach wenigen Stunden erreichten die Soldaten den besagten Wald, teilten sich auf und umstellten das Gebiet. Einige Späher stießen in einem noch weiteren Bogen voran. Nach einiger Zeit meldete ein Kundschafter die Spuren der Angreifer und Rauch in der Ferne.
Kreon kratzte sich über das stoppelige breite Kinn: „Ihr Lager. Wir werden es dem Erdboden gleichmachen!“ Die Soldaten sammelten sich, nachdem sie sich versichert hatten, dass keiner der Feinde im Wald war, und rückten auf die kleine Ansiedlung vor, die auf einer großen Lichtung lag. Bevor sie auf einem Hügel sichtbar wurden, teilten sie sich erneut, um den Gegner von den Flanken anzugreifen. Erst spät erkannten die Waldbewohner die Gefahr und griffen hastig und laut rufend zu den Waffen.

Leda dankte den Göttern, dass sie nicht ein Dorf mit Weibern und Kindern vor sich hatten, sondern nur das Versteck der Krieger. Unter Kreons Kommando stürmten die beiden Abteilungen von Westen und Osten auf das Lager zu. Die Soldaten der Megara wurden von Pfeilen, Äxten und Lanzen empfangen; aber die ausgebildeten und gut gerüsteten Soldaten waren ihnen klar überlegen. Mit ihren Hellebarden, Spießen und schweren Schwertern metzelten sie die Waldbewohner in der Walstatt nieder. Als Leda einen Angreifer, der sie vom Pferd reißen wollte, ihr Schwert unterhalb der Kehle durch die Lungen stieß, spritzte ihr warme Flüssigkeit entgegen, so dass sie einen Augenblick blind weiter ritt, bis sie mit dem Handrücken den nassen Regen aus ihrem Gesicht gewischt hatte.

Die Widersacher waren innerhalb kurzer Zeit niedergemäht, obwohl es Leda eine Ewigkeit zu dauern schien, bis der Letzte sein Leben ausgehaucht hatte. Die blutige Ernte war eingefahren. Ein Soldat küsste sein Amulett: eine Münze an einem Lederriemen, den er um den Hals trug und ihm bisher stets Kriegsglück beschert hatte. Kreon ließ Feuer legen. Nur Schutt und Asche sollte zurückbleiben. Im Namen Megaras prasselten die Hütten im lodernden Feuer und fielen schließlich in kalter Asche zusammen. Auf dem Rückweg war Leda mit grimmigem Gesicht in Gedanken versunken. Der Krieg besaß eine hässliche Fratze. Sie träumte von einer kleinen Bauernkate, mit Abas als Gemahl und vielen Erben. In Frieden. In einem freien Land.

Am Abend spürten die 45 zurückgekehrten Soldaten die Anerkennung der Kameraden. Auch Kreon lobte beim deftigen Abendmahl die mutigen Männer und widmete den fünf Gefallenen ein kurzes Gebet. An mehreren Lagerfeuern versammelten sich die Soldaten, um bei dem flackernden Schein der Flammen zu speisen. Ein buckeliger Soldat, der durch einen dicken Furunkel am Hals entstellt wurde, griff gierig nach einem Stück des Ziegenbratens, wobei das Fett zischend in das Feuer tropfte. Danach wurden dem Wein zugesprochen, Lieder gesungen und Geschichten von Heldentaten und Geisterwesen erzählt. Einer der Männer hatte eine selbst geschnitzte Flöte und spielte darauf.

Als Leda von dem Hinterhalt zurückgekommen war, war sie und ihre Geschichte zunächst von einigen Soldaten verspottet worden. Ein Weib fürchtete sich eben. Ein Weib schwatzte viel. Aber nun sahen sie sie fast ehrfürchtig an. Auch ihre männlichen Begleiter bestätigten ihre Worte. Sogar Hauptmann Kreon lobte, dass sie „nicht nur eine kühne Zunge, sondern auch eine kühne Klinge“ bewiesen habe. Leda starrte gedankenverloren in die flackernden und prassenden Flammen. Ihr war nicht nach Feiern. Schon Morgen würden sie vielleicht die feindliche Festung erreichen. Zwar lag die Burg erst an der Grenze zum Nordland, doch dort wurde die gesamte Armee aufgehalten und benötigt.
Bevor nicht diese Bastion gefallen war, konnten Megaras Männer nicht weiter ins Territorium der Rivalen vordringen, wollten sie nicht riskieren, vom Feind später eingekesselt zu werden.

„Nur eine Festung! Eine einzige!“ hörte Kreon Megaras unbillige Rufe noch bei der letzten Versammlung im Palast. „Zerstört sie einfach! Brennt sie nieder! Fegt sie hinweg! Kein Stein soll auf dem anderen verbleiben!“ Aber das war nicht so leicht. Die Wehranlage war nicht irgendeine kleine Burg eines Fürsten. Sie war das größte Bollwerk, das die Welt kannte. Allein die viele Schritte dicken Mauern waren so hoch wie Megaras Palast und mit hunderten Bogenschützen besetzt. Zusätzlich gab es Schießscharten, Kübel mit kochendem Pech, Felsbrocken und angeblich sogar verzauberte Tiere, die den Feind mit ihren riesigen Reißzähnen zerfleischten. So munkelte man zumindest an den Lagerfeuern.

Und von den Geheimwaffen des Kontrahenten waren die erzählenden Männer unter der Wirkung des Weines schnell bei dem sagenumwobenen Amazonenvolk, das auch irgendwo in diesen Wäldern hausen sollte. Leda horchte auf. Amazonen? Daran glaubte sie nicht. Doch ein pausbäckiger Soldat bestand darauf, dass er mit eigenen Augen gesehen habe, wie vor einigen Jahren…

„Da war ich mit zwei Kameraden hier ganz in der Nähe unterwegs. Am Nachmittag des besagten Tages steigen wir an einem Bachlauf von unseren Tieren, um uns zu erfrischen.
Plötzlich, wie aus dem Nichts, erscheinen sie und kreisen uns ein: Kriegerinnen, in enges Leder gewickelt, mit langen Bögen bewaffnet, Amazonen! Die Weibsbilder sind größer als ein Mann und tragen ihr langes Haar offen, das ihnen bis zu ihren Lenden reicht. Wir stehen nur da und können uns nicht rühren. Hätte jemand die Waffe gezogen, so wäre es aus mit ihm gewesen.“ Ein Kämoe stand auf. „Und wie konntet ihr diesen Wesen entkommen?“ rief der Soldat von der anderen Seite des Lagerfeuers. Der Pausbäckige antwortete: „Einige der Amazonen ergreifen und fesseln uns. Ich fühle noch heute den harten Stiefel der Kriegerin auf meinem Rücken. Es geht alles ganz schnell. Sie verladen uns wie Säcke auf die Pferde bringen uns zu ihrem Lager. Dort werden wir wie Vieh untersucht: Muskeln, Zähne und…“ Der Erzähler griff sich grinsend zwischen die Beine.
Einige Kameraden lachten, andere staunten und hingen ihm an seinen Lippen.

„Die oberste Kriegsbraut vergleicht die Gemächte ihrer Gefangenen. Dann zieht sie blitzschnell ihren geriffelten Dolch und murmelt irgendeine Gebetsfloskel oder einen rituellen Spruch. Vielleicht hat sie auch Dämonen herbeigeschworen. Auf jeden Fall schreit mein Kamerad laut auf, und noch bevor wir begreifen, was ihm geschehen ist, hält sie sein Gemächt hoch in die Luft.“ Ein Raunen ging durch die Zuhörer. Einige Soldaten spürten, wie sich ihr Gemächt zusammenzog. „Oh, ja! Doch damit nicht genug: Sie greift nun zu meinem anderen Kameraden, der jetzt schon weiß, was auf ihn zukommt. Er zappelt brüllend in seinen Fesseln. Aber auch er ist in wenigen Wimpernschlägen entmannt! Natürlich glaube ich in heller Panik, dass auch meine letzte Stunde gekommen ist. Doch die Kriegerin schneidet meine Fesseln auf und bringt mich in ihr Zelt.“ „Und was dann?“ wollte ein Soldat wissen, der vor Aufregung an seinen schwarzen Fingernägeln knabberte, und in dessen linken blinden Auge sich das Feuer spiegelte.

„Das Weib ist so heiß und hungrig wie tausend Jungfrauen! Ich sage euch: Wir hatten eine Nacht, die ich nie in meinem Leben vergessen werde!“ Der Frager räusperte sich und spuckte ins Feuer. „Bindest du uns da auch keinen Bären auf?“ wollte der Soldat skeptisch wissen. „Ich? Aber nein! Genau so ist es geschehen! Das schwöre ich bei meiner Ehre!“ Leda hatte die Geschichte schnell als Lügenmärchen enttarnt und die Zeit genutzt, um nach den Sklaven zu sehen. Vielleicht konnte sie ungestört mit Abas sprechen. Doch heute Nacht waren zwei weitere Soldaten als Wachen abgestellt. Es gab keine Möglichkeit, ihn von den anderen Sklaven zu separieren. Nur einen kurzen Blick tauschten die Zwei unbemerkt aus.

Am nächsten Tag ritten neue Spähtrupps aus, denn die Festung des Feindes war nicht mehr weit. Leda konnte heute in Abas Nähe sein; doch seine Nähe war noch furchtbarer zu ertragen, als ihn nicht sehen zu können. Es waren die reinsten Tantalusqualen: So nah, und doch so fern! Wenigstens erhielten die Sklaven so nur weniger Hiebe, denn Leda prügelte nicht gern auf die wehrlosen Männer ein. Nur wenn sie zu langsam wurden, musste sie nachhelfen, holte aber nur halbherzig aus. Die Leibeigenen spürten ihr Wohlwollen und dankten ihr mit ihren Blicken.
14. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 11.03.18 20:05

Im Palast waren die emsigen Vorbereitungen für den nächsten Arenakampf in vollem Gange. Überall wieselten Diener und Wachen geschäftig wie fleißige Honigbienen herum. Megara wollte die Strafmaschine des Prinzen erneut einsetzen. Vielleicht hatte ihr nichtsnutziger Sohn ja doch mal etwas Sinnvolles geschaffen. Zwei Männer kontrollierten die Konstruktion auf ihre Funktion, schraubten hier und klopften da. Neben der Despotin, auf einem übergroßen Diwan, lag der hünenhafte Sklave Kreios, gewandet in feinster Seide. Megara liebte ihr neues Spielzeug. Es sollte gleich in greifbarer Nähe sein. Ein ungewöhnlich großer Schoßhund, schmunzelte Megara, aber dafür genau das Richtige! Auf ein Fingerschnippen begann Kreios der Majestät sanft die Füße zu massieren.

„Gibt es schon Neuigkeiten von Telamon?“ fragte sie ihren Leibdiener, der demütig drei Meter weiter an einer Säule mit umfangreich verschnörkeltem Kapitell stand. Der Mann neigte sein Haupt und berichtete, dass der Paladin die erste Verstärkung Soldaten erhalten habe. Nur der zweite Tross mit Prinz Talos fehle noch. Megara geiferte ihm entgegen: „Wieso ist Talos noch nicht da?“ Ängstlich zusammenzuckend starrte der Diener seine Herrin an: „Verzeiht, Majestät! Vielleicht ist er aufgehalten worden.“ Megara schnaubte ungehalten. „Diesem Tunichtgut würde ich Feuer unter seinem fetten Arsch machen!“ Der Diener versteifte sich und schluckte trocken. Die Regentin gab Kreios einen Tritt. „Hör auf! Es reicht! Komm lieber hoch zu mir und massiere meine königlichen Schultern.“ Der Riese begab sich hastig in Position und bewies mit seinen mächtigen Pranken ungewöhnlich zarte Fertigkeiten.

Um Kreios Hals blinkte ein breites goldenes Halsband, das mit feinen Halbedelsteinen verziert war, die seinen Namen bildeten. Ebenfalls trug er nun einen Keuschheitsgürtel aus purem Gold, der allerdings unter seinem knappen Gewand versteckt war. Nachdem Megara ihren Leibdiener weggescheucht hatte, empfing sie einen Wahrsager, der ihr mit Hühnerfüßen den Fortgang des Kriegszuges prophezeien sollte. „Die feindlichen Mauern werden fallen“, war sein Resümee, weil die Tyrannin dies sicherlich erwartete. Die Königin überlegte: „Zuerst muss die Festung im Norden stürzen. Vorher kann meine Armee nicht in Feindesland einfallen. Nur wenige Meilen sind dort gangbar. Ein Nadelöhr. Östlich und westlich von der Wehranlage blockiert eine tiefe Schlucht das Fortkommen hunderte Meilen breit.“

Laut forderte sie: „Seher! Sage mir, ob Talos im Kampf Erfolg haben wird!“ Der Weissager warf erneut seine Hühnerfüße und grummelte eine geheimnisvolle Formel. Seine Augen wurden groß. „Majestät! Der Krieg wird viele Opfer kosten. Talos wird sich als großer Führer bewähren und….“ Megara unterbrach ihn barsch: „Schweig still! Talos? Ein großer Führer? Wäre sein Arsch nicht so fett, würde er sich in das nächste Karnickelloch flüchten, sobald der erste Brandpfeil singt!“ Dann wurde sie ganz ruhig.
Gefährlich ruhig. Sie blitzte ihn abhold an. „Falls du wirklich die Kraft eines Sehers hättest, hättest du deinen eigenen Tod vorhergesehen!“ Der Mann ächzte erschrocken auf. „Majestät! Wieso Tod?“ Megara gab den Wachen einen kurzen Befehl: „Ergreift ihn und steckt ihn in den Kerker.“ Zwei schwarz gekleidete Gardisten mit finsteren Gesichtern packten den Mann, der jämmerlich um Gnade flehte, mit eisenharten Griffen und schleiften ihn aus den edlen Gemächern der Herrscherin. Morgen bei Sonnenaufgang würde sein Kopf rollen wie ein Käselaib und gemeinsam mit seinen Hühnerfüßen den Schloss-Hunden zum Fraße vorgeworfen werden.

Zornig betrat sie die Räume, in denen unfolgsame Sklaven bestraft wurden. „Gib mir die Peitsche“, riss die Hoheit der Wache das Leder aus der Hand und übernahm die Auspeitschung eines nackten Mannes in persona. Die Geißel wurde zu einem Teil von ihr. Sie sättigte ihren Appetit. Der lange Riemen knallte laut auf Fleisch und zeichnete tiefe Spuren darin. Wieder und wieder. Schweißgebadet war die Vornehmheit bald, doch ihre Schläge prasselten weiterhin auf das nackte Fleisch. Schreie des Schmerzes hallten durch das hohe Gewölbe. Doch Gnade kannte Megara so wenig, wie es das Mauerwerk für den Delinquenten übrig hatte. Selbst die rohen Wachmänner starrten entsetzt auf das Ergebnis ihrer Schlagkunst. Als ihr Zorn gekühlt war, warf sie der Wache die Peitsche vor die Füße, stolzierte hinaus in den langen Schlossflur und erfrischte sich in einem mit Jasminblüten aromatisierten Bad in ihren Gemächern. Ein feines Haarnetz bildete ihren Kopfputz, um die lange Mähne nicht dem Wasser auszusetzen. Danach kehrte sie zu ihrem „Schoßhund“ Kreios zurück, um sich von dem prächtig Bestückten wie eine Frau nehmen zu lassen. Sie gab sich ihm hin wie eine devote Magd und maunzte laut auf, als sie einen erotischen Klimax genoss.

Bald darauf erschien sie besser gelaunt im Festsaal, wo sie das opulente Bankett mit superben Delikatessen eröffnete, dem der nächste Arenakampf folgen sollte. Kreios fühlte seine gepeinigte Mannesehre. Noch vor wenigen Minuten hatte er der Herrin seinen heißen Samen in ihre Weiblichkeit gepflanzt. Die Regentin hatte ihn umklammert wie ein ängstliches Mädchen und war seiner Kraft und animalischen Ausstrahlung verfallen. Und jetzt war er wieder nur ihre Marionette, die fürchten musste, jederzeit, wenn sie das Interesse an ihr verlor, die Vergänglichkeit zu finden. Das Schoßhündchen saß zu den Füßen seiner Herrin und schaute ergeben zu ihr auf.

Der einst stolze Krieger musste um Essensbrocken betteln und wurde mit der Hand der Königin gefüttert. Die Edelleute lachten und scherzten über den zahmen und gedemütigten Riesen ohne Schneid, der in der Arena so formidabel und gefährlich gewirkt hatte. Andere erinnerten sich an Kreios unrühmlichen Abgang mit der Strafmaschine und machten mehr oder weniger offensichtlich obszöne Zeichen, um in seiner Wunde zu bohren. Der Höhepunkt seiner Schmach kam, als die Megara ihm befahl, auf allen Vieren an den Tischen entlang zu kriechen und um Essen zu betteln wie eine Töle. „Schau ihn dir an! Wie artig erzogen er ist“, kicherte eine junge Dame und hielt Kreios ein Stück gebratene Taube hin, nach der er schnappen sollte. Immer wieder zog sie das Fleisch weg und lachte glucksend. Nach dem vierten Versuch erwischte Kreios den Brocken endlich. Zwei Damen applaudierten, als sei ein trainiertes Kunststückchen geglückt.

„Ob er auch Wein säuft?“ fragte eine junge Frau, die Kreios mit ihrem Zeigefnger zu sich winkte und ihm mit ihrem Kelch den rubinroten Tropfen einflößte. „Ich auch! Ich auch!“ riefen noch drei andere Adelsfrauen, die Kreios nach und nach mehrere Kelche leeren ließen, bis sein Bauch sich wölbte wie bei einer trächtigen Hündin, und der Muskelmann taumelte. „Ich will auf ihm reiten!“ raffte eine junge Dame ihr voluminöses Kleid und sprang plötzlich auf, die selbst schon dem Trunk gut zugesprochen hatte, und setzte sich dem krabbelnden Kreios auf den breiten Rücken und trieb ihn johlend an wie ein Pony. Fragend sah sie zu Megara, ob es ihr auch gestattet sei, aber die Tyrannin nickte geneigt und war amüsiert, wie viel Freude ihr Schoßhund der Gesellschaft bereitete. Die vorwitzige Reiterin fühlte sich gebauchpinselt, auf dem königlichen Spielzeug thronen zu dürfen. Bald wankte Kreios immer unsicherer, denn der Wein zeigte seine Wirkung. Mittlerweile war eine zweite Dame aufgesessen und trieb das Pferdchen mit flachen Schlägen auf sein Hinterteil an.

Erst ein lauter Gongschlag eines Dieners und die Ankündigung, der Arenakampf werde in einer halben Stunde beginnen, ließ die illustre Runde aufstehen und gemach zum Turnierplatz lustwandeln. Dabei ließen es sich die beiden kecken jungen Damen nicht nehmen, auf Kreios durch die Gänge des Palastes zu reiten. Die jungen Edelmänner, denen die Damen versprochen waren, fanden dies weniger lustig, wenn der Schoßhund ihnen die Schau stahl. Einer der Adligen wollte dem Spuk möglichst schnell ein Ende machen und trieb Kreios zusätzlich mit der Spitze seines Schwertes an, die er dem menschlichen Reittier immer wieder in dessen Gesäß stach, um ihn zur Eile anzutreiben und seine Eifersucht zu besänftigen. Quiekend beschleunigte das Pferdchen.

Am liebsten hätte er noch viel kräftiger gestochen oder diesen Sklaven sogar entmannt; aber Kreios war Eigentum der hohen Majestät. Wer sich an ihm verging, durfte nicht auf Gnade hoffen. Also begnügte sich einer der jungen Männer damit, Kreios kurzes Gewand zur Seite zu schlagen, so dass dessen Hintern und KG zu sehen war. Nun baumelten die massigen Bälle frei zwischen den muskulösen Schenkeln, dem Schutz vor den vielen Augen beraubt. „Ein schneller Schnitt mit meinem Dolch“, dachte der junge Mann spitzzüngig. „Dann wäre es vorbei!“ Wäre er König des Reiches, so wüsste er, wie er sich Rivalen vom Halse hielte.

In der Arena brannten hunderte Fackeln und tauchten die Umgebung in ein fulminantes Licht. Vor den eigentlichen Kämpfen traten Artisten auf, die eine Pyramide aus zehn Personen bauen konnten, und viele weitere unterhaltsame Künstler wie ein Narrenpaar, Jongleure und Feuerspucker, ein Schwertschlucker sowie Bauchtänzerinnen, die auch ihre schlangenartige Gelenkigkeit gekonnt unter Beweis stellten. Ungeduldig wartete das Publikum aber auf die Kämpfe der Gladiatoren. Was würde Megara ihnen heute Grandioses bieten? Waren es dieses Mal vielleicht Zwerge, die gegen einen Riesen kämpften?

Während im Palast ausgelassen gefeiert wurde, herrschte im Lager von Talos militärische Ordnung und Drill. Talos hatte darauf bestanden noch eine Nacht zu lagern, bevor sie auf den Vortrupp und damit auch die Kohorten des königlichen Paladins Telamon trafen. Die Reise war anstrengend, und der Prinz benötigte Massagen, um seinen verspannten Leib ein wenig zu entlasten. Dazu fläzte er sich auf die knarrende Bettstatt, die ihm die Soldaten gebaut hatten, und streckte seine Glieder stöhnend. Zwei junge Kämpen kamen in sein Zelt, um ihm die Stiefel auszuziehen und seinen gewaltigen Körper durchzuwalken. Waren ihre Griffe zu vorsichtig, so schimpfte Talos, fassten sie die Hoheit jedoch zu kräftig an, so hatten sie drakonische Bestrafungen zu erwarten. Stets in Angst, seine Erwartungen nicht zu erfüllen, bearbeiteten sie die gewaltigen Fettberge, während der Prinz die Berührungen der hübschen Burschen genoss. Mit schamrotem Antlitz kneteten die jungen Männer ausgiebig das fette Gesäß des Adelssprosses auf dessen Geheiß. Talos´Schweinsäuglein funkelten vor Wolllust.

Am Nachmittag meldete sich Leda freiwillig zur Kräutersuche. Dem Koch fehlten bestimmte Pilze und Gewächse. Leda durfte einen Sklaven für die Arbeit mitnehmen. Das war für sie natürlich eine perfekte Gelegenheit, um mit Abas allein zu sein. Da der Sklave dabei weiterhin Fuß- und Handketten trug, und Leda bewaffnet und zu Ross war, reichte sie völlig als Bewachung aus. Beinahe wäre ihr Vorhaben zunichtegemacht worden, denn ein Soldat hatte bereits einen anderen Leibeigenen abgekettet und ihr zugeteilt. Leda bestand aber auf Abas, den sie unauffällig aus einer Gruppe „von gehorsamen Sklaven“ wählte – natürlich „ganz zufällig“. „Den, den du da abmacht hast, habe ich schon oft widerspenstig erlebt“, behauptete sie. Der Wehrmann drehte sich dem Sklaven misstrauisch zu und knallte ihm die Peitsche über den Rücken. „Das werde ich dir austreiben!“

Leda sah schuldbewusst, was sie angerichtet hatte. Sie hatte doch nur eine Ausrede finden müssen. Aber Hauptsache war, dass sie nun mit Abas alleine war. Sie ritt hinter dem Sklaven her, der im Laufschritt vor ihrem Ross hereilte, immer tiefer in den alten Wald hinein. Bald fanden sie große Flächen mit Pilzen und Kräutern en masse, die sie gemeinsam aufsammelten, damit es schneller ging. Die gepflückte Beute verstauten sie in ledernen Reittaschen, die am Sattel festgeknüpft waren. Anschließend schloss Leda ihren Liebsten aus den Ketten und dem Keuschheitsgürtel auf. Zufrieden lächelte sie auf das nun freie Gemächt hinab. Abas pflückte ein Veilchen vom Boden und steckte es Leda ins Haar. Sie küssten sich liebevoll und schlenderten ein Stück weiter, da hörten sie dumpfes Rauschen. War hier ein Wasserfall?

Das Paar folgte den Geräuschen, die immer lauter und durchdringender wurden. Und dann erkannten sie durch die Zweige und Blätter der Bäume das Naturidyll: Ein etwa 20 Fuß hoher Wasserfall ließ einen kleinen Fluss in die Tiefe stürzen. Unter der Abbruchkante hatte sich ein kleiner See gebildet. Leda legte ihre Waffen ab und entkleidete sich. Ihr Begleiter wurde magisch von dem weiblichen Körper angezogen. Er legte seinen Lendenschurz ab, und nun sprangen die Zwei in das frische Wasser. „Ich habe dich so vermisst“, schwärmte Leda und verschränkte ihre Hände hinter Abas Nacken. „Und ich dich erst“, stimmte Abas zu, und dann berührten sich ihre verlangenden und tastenden Lippen. „Du bist so wunderschön“, flüsterte Abas. „Deine Augen! Sie glänzen und funkeln wie Sternenlicht!“ „Und du riechst so gut“, sagte Leda und versank an Abas Hals.

Leda lächelte und tauchte mit ihrer Hand ins Wasser und an Abas Körper hinab, bis sie seine Männlichkeit fühlen konnte, die von wilder Begierde zeugte. Die knackenden Geräusche am Ufer hörten die Beiden nicht. Zu laut war die fließende Wasserwand, und zu sehr war das junge Glück in sein Liebesspiel vertieft. Zwei dünne Äste bewegten sich auseinander, und ein Augenpaar erschien, das die Beiden vorsichtig beobachtete. Lykos hatte mitbekommen, dass Leda mit dem Sklaven unterwegs war und seine Freiwache benutzt, ihnen heimlich zu folgen. Er hatte sich für die Schmach rächen wollen, die ihm die Soldatin angetan hatte. Er war von einem Weib verstoßen worden! Sie hatte seinen Stolz mit Füßen getreten! Das sollte sie bitter büßen!

Ein Kettensklave würde ihr keinen Schutz bieten. Als unliebsamer Zeuge konnte er leicht getötet werden. Lykos hatte sich alles genau ausgemalt: „Ich musste ihm mein Schwert durchs Herz bohren, als er mich angegriffen hat. Leider kam ich zu spät, denn Leda hatte der Aufsässige bereits erwürgt.“ Aber nun traute er seinen Augen nicht: Die beiden waren ein Liebespaar? In seinem Kopf arbeitete es. Was sollte er nun tun? Er würde Leda mit seinem Wissen erpressen können und ihre Liebe so erzwingen. Lykos lachte finster in sich hinein. Noch heute Nacht würde sie sein Lager teilen. Allein der Gedanke reichte, um seine Männlichkeit in seiner Lederhose wachsen zu lassen.

Umso heißer brannte sein Feuer, als er sah, wie Abas´ Mund genüsslich an Ledas Nacken knabberte, und er sie eng umschlungen hatte. Das Wasser verriet nur grobe Umrisse, aber Lykos beobachtete, wie sich die Leiber im Getändel bewegten, wie der Sklave die hübsche Soldatin von hinten nahm. Lykos platzte fast – vor Geilheit, aber auch vor Eifersucht. Seine Faust krampfte sich so hart um seinen Schwertgriff, dass seine Fingerknöchel weiß wurden. Aber er musste noch abwarten. Den richtigen Moment abpassen. Doch bis zum Abend würde er es nicht ertragen. Nein, er würde hier und jetzt nehmen, was ihm zustand!

Als Abas seinen Samen in Ledas Frucht pflanzte, räkelte sich auch das schöne Weib genussvoll stöhnend im Wasser. Lykos biss die Zähne zusammen, bis sie knirschten. Wilder Neid brannte in ihm wie ein Höllenfeuer. Langsam zog er sein Schwert aus der Scheide blank. Er würde zunächst den verhassten Nebenbuhler ins Reich der Totengöttin schicken. Als Belohnung würde er sich die süße Ernte einfahren und Leda danach erdrosseln. Ja, so sollte es sein. So würde es geschehen. Die silberne Klinge drückte einen Zweig zur Seite. Gemächlich stand Lykos aus seinem Versteck auf und trat ins Freie. Seine Muskeln waren angespannt. Er war bereit!

Noch hatten die Zwei die tödliche Gefahr nicht bemerkt. Sie standen nun nur noch in hüfthohem Wasser und umarmten sich, küssten sich zärtlich, die Nachwehen ihrer Lust genießend. Gerade wollte Lykos mit erhobener Klinge auf den Sklaven losstürmen, da ertönten Hörner, die ihn verharren und aufhorchen ließen. Mehrere schallende Warnungen ertönten und riefen zu den Waffen. Das Signal schickte alle Soldaten sofort in höchste Alarmbereitschaft. Lykos musste zurück ins Lager. Aber es war zu spät! Das sündige Paar musste ihn gesehen haben!

Trotzdem sprang er rückwärts zurück ins Gebüsch, sofort, nachdem er aus seiner Schockstarre erwacht war. Und offenbar hatten Leda und Abas ihn tatsächlich noch nicht bemerkt. Lykos hörte, wie die beiden nur wenige Schritte von ihm entfernt zum angebundenen Pferd liefen. Ledas Stimme und ein Klirren war zu vernehmen: „Hurtig! Binde dir die Ketten und den KG um! Ich muss flink zurück ins Lager! Laufe, so schnell du kannst, zurück.“ Als Lykos die Hufe hörte, eilte auch er zu seinem Ross und kehrte in einem Bogen zum Lager. Dort ähnelte es inzwischen einem Ameisenhaufen. So geschäftig ging es im Lager plötzlich zu. Hauptmann Kreon brüllte aufgebracht Befehle und stellte mit schnarrendem Bariton Kampftruppen zusammen. Wer nahe genug bei ihm war, konnte sein Grollen hören: „Verdammter Höllenpfuhl! Warum bin ich mit diesem Prinzen geschlagen?! Hätten wir hier kein Lager aufgestellt, wären wir schon längst an der Festung! Und jetzt, da Not am Mann ist, wird Telamon nicht genug Soldaten haben!“ Kreon brüllte weitere Befehle, und überall liefen Recken vollständig armiert durchs Lager und bildeten verschiedene Truppenteile.

Pferde wieherten aufgeregt, Waffen klirrten, weitere Hörner gaben Befehle. Auch Leda fand sich in ihrem Reitertrupp ein und wartete auf weitere Anweisungen. Offenbar sollten die Soldaten nun verstärkend zu dem Vortrupp vorrücken. Sie war als Bogenschützin eingesetzt. Sie hatte ihren Köcher mit spitzen Pfeilen gefüllt und eine neue Sehne aufgezogen, bereit, dem Feind Paroli zu bieten. Lykos war in einer anderen Einheit. In ihm brodelte es. Aber jetzt war der Ruf zu den Waffen das Entscheidende. Seine Männlichkeit bildete sich zwar noch deutlich unter dem Leder seiner Beinkleider ab, doch sein darüber liegnder Waffenrock verbarg seine Erregung vor neugierigen Blicken. Und der nahende Kampf ließ sein Blut auf andere Weise kochen.

In der Tat sollten die Truppen endlich aufschließen und den Männern vor der Festung dringend benötigte Unterstützung bringen. Hunderte Reiter und noch mehr Fußsoldaten zogen los, dem Feind entgegen. Das Lager war in weniger als einer Stunde verwaist.
Nur wenige Wachen und die meisten Sklaven waren mit Nachschubmaterialien hier verblieben. Prinz Talos trat aus seinem Zelt und zeterte: „Wo ist Kreon? Wo ist dieser dumme Hauptmann? Ich will ihn sprechen! Sofort! Er kann nicht einfach meine Armee entführen!“ Sein Leibdiener Xeno versuchte ihn zu beruhigen: „Majestät! Kreon hatte königliche Eil-Befehle! Es war größte Gefahr gegeben! Er konnte nicht warten bis…“
Talos unterbrach ihn barsch und brauste auf: „Bis was, du Idiot? Halt dein dreckiges Schandmaul, oder ich lasse es dir mit einer ehernen Mundbirne stopfen!“

Der Prinz bewegte sich unerwartet schnell, obwohl seine Schritte trotzdem plump und schwerfällig wirkten. Sein dicker Wanst wackelte vor ihm. Seine Hängewangen schlotterten, während er spuckend schimpfte: „Bringt mir den Hauptmann zurück! Ich will seinen Kopf aufspießen!“ Er schrie, als sei er selbst derjenige, der aufgespießt würde. Alle Versuche von Xeno, den Tobsuchtsanfall der Hoheit zu beenden, endeten erfolglos. Er buhlte um des Prinzen Wohlwollen wie eine opportunistische Hofschranze, aber Talos stieß seinen Leibdiener grob in eine Schlammpfütze und verschwand grimmig in seinem Zelt. Brummend sprach er zu sich selbst. „Muss man denn alles selbst machen!?!“

Je näher die Reiter der Festung kamen, umso mehr andere Einheiten schlossen sich ihnen an und rückten weiter vor. Und dann war es soweit: Leda ritt in ihrer Kolonne über einen Hügel und hatte freie Sicht auf die große Festung. Sie starrte gebannt auf das monströse Bauwerk. Wie sollte dieses scheinbar uneinnehmbare Bollwerk jemals erstürmt werden? So eine gewaltige Mauer hatte sie niemals zuvor in ihrem Leben gesehen. Die Bogenschützin hatte an Lagerfeuern schon viele Erzählungen gehört und so manche als Märe abgetan. Wie beispielsweise die Waldhexen, die einem Mann mit ihrem Mund die größten Genüsse bereiten könnten, aber als Preis seine Lebensenergie aus ihm saugten, so dass so mancher Soldat mit weißem Haar aufgewacht war. Oder die fliegenden Drachen, die sogar ganze Ochsen greifen und in ihre Horste in den Bergen verschleppen konnten. Oder von den verhexten Bäumen, die einsame Wanderer mit ihren Ästen fesselten und deren Körper durchbohrten…

Das waren doch alles Ammenmärchen und Dichtungen vergangener Generationen. Und so hatte sie auch nicht an die Ausmaße der Wehranlage des Nordlandes geglaubt. Doch die Berichte waren noch untertrieben gewesen! Vor den Mauern tummelten sich bereits hunderte Soldaten, die gegen die Bastei anrannten. Belagerungstürme, so hoch, dass Leda kaum die Kämpen erkannte, die auf sie gestiegen waren, brannten von Myriaden von Brandpfeilen, die die Nordländer von ihren hohen Zinnen schossen. Ein Turm war umgestürzt und hatte die Besatzung in den Tod gerissen. Gerade sprang ein stürmender Armierter als lebende Fackel in die Tiefe. Und schon folgte ein weiterer prasselnder Regen Pfeile, der wie Hagel überall landete und alles in Brand steckte. Schwarzer Rauch dominierte den Himmel.

Das Feld vor der Festung war übersäht mit Opfern der Schlacht. Kämpen der Megara. Leda starrte auf das Massaker und zog auf das Kommando ihres Truppenführers einen Pfeil aus ihrem Köcher, wie ihre Gefährten ebenso. Auf seinen Befehl sirrten etwa 50 Geschosse über die Zinnen. Auch Leda hatte ihren gefiederten Schicksalsspinner auf die Reise geschickt. Wie ein schwarzer Schwarm zischten die Geschenke Megaras auf die Nordländer nieder. Wer weiß, wie viele Leiber hinter der Mauer durchbohrt umsanken?
Wieder und wieder folgten Pfeilhagel. Und dann rückten vier gigantische Katapulte vor. Leda kam aus dem Staunen nicht heraus. Die gewaltigen Geräte wurden von jeweils 30 Sklaven gezogen. „Hoffentlich ist Abas nicht dabei“, betete Leda zu den Göttern, denn die Männer waren den feindlichen Waffen schutzlos ausgeliefert. Da ertönte Kreons hallende Stimme, die vom vielen Befehlen schon etwas heiser klang: „Bereitet die Felsen vor!“
15. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von AlfvM am 26.03.18 16:54

Hallo Prallbeutel,
eine super Geschichte. Gehts noch weiter oder ist schon Schluß, das wäre schade.
LG Alf
16. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 08.04.18 18:52

Leda konnte erkennen, wie Soldaten tonnenschwere Steine mit Pech bestrichen und sie anzündeten. Und auf ein lautes durchdringendes Signal aus einem Nebelhorn brach das Fegefeuer los: Mit lautem Gerumpel und einem peitschenden Knall wuchteten sich die mehrere Klafter langen Arme der Katapulte ohne Vorwarnung hoch und jagten die gewaltigen Lasten hoch in die Lüfte. Ein feiner Funkenregen tropfte auf die Angreifer hinab, doch die wild brennenden Geschosse rasten über die hohen Mauern und fanden dahinter umbarmherzig ihr Ziel. Dicke rabenschwarze Rauchschwaden türmten sich empor, und Kreon vermutete, dass Teile der Festung in Flammen standen. „Nachladen!“ brüllte er seinen Anführern zu.

Dutzende Soldaten hievten mit riesigen Taljen neue Felsbrocken auf die Katapulte, deren Arme mit starken Stahlwinden unter Aufbringung aller Kräfte wieder zurückgezogen worden waren. Doch noch bevor die Männer der Megara zu einem weiteren Abschuss kamen, schrillte plötzlich der Alarmruf: „Auuuuuuuuusfaaaaaaaaall!“ Leda sah an der Festungswand Dutzende feindliche Kämpfer auf Gäulen erscheinen, die ein verborgenes Tor geöffnet hatten, und die nun in wildem Galopp und mit Kriegsgeschrei und schwingenden blanken Klingen auf die Katapulte und die Bogenschützen zujagten. Schlachtenrufe und die Schreie der Verwundeten schmerzten in Ledas Ohren, als die Armeen aufeinander trafen.

In dem wilden Getümmel verlor sich ob des Durcheinanders alle Ordnung. Ledas Ross bäumte sich panisch auf und drehte sich mir rollenden Augen auf der Hinterhand. Die junge Soldatin konnte so gerade noch einem wuchtigen Hieb entgehen, den ein herangaloppierender vollbärtiger Reiter mit seinem schartigen Zackenschwert nach ihr zielte. Leda drehte sich im Sattel, wäre beinahe von ihrem Reittier gestürzt, konnte aber noch einen Pfeil aus ihrem Köcher ziehen, ihn auf die Sehne ihres Bogens legen und den Angreifer, der bereits einen zweiten Angriff startete, mit einem schnellen Schuss zu den Göttern schicken – oder in die Unterwelt.

Der Mann sackte zusammen, doch um sie herum wimmelte es nur so von Feinden. Wieder und wieder zog sie Pfeile auf ihre Sehne, um sich zu verteidigen und kam mehrmals nur knapp mit dem Leben davon. Zu Ledas Schrecken musste sie erkennen, dass die Sklaven, die an die Katapulte gekettet waren, von dem feindlichen Sturm niedergemacht worden waren wie Hafer von der Sense. Wenige Augenblicke später brannten die Wurfmaschinen lichterloh.

Erst, als eine weitere Soldatenschar von Telamon mit Pieken und Lanzen in einer undurchdringlichen menschlichen Wand vorstürmte, flüchteten die feindlichen Reiter zurück in die Festung. Sofort ratterte ein schweres Eisengitter kreischend hinab, um den Verfolgern den Weg zu versperren. Und anschließend bewegten sich wie magisch dicke Mauerteile krachend zusammen, so dass das Tor im nächsten Moment nicht mehr existierte. Telamons Männer mussten sich eilig zurückziehen, um nicht von kochendem Pech übergossen zu werden. „Hasenherzen!“ brüllten die Nordmänner höhnisch von den Zinnen und jagten Myriaden von Brandpfeilen hinter den Rückzüglern her. Die brennenden Katapulte heizten die Luft der gesamten Umgebung auf, so dass Leda trotz ihres ledernen Waffenrocks und ihres Kettenhemdes dachte, sie müsse verglühen. Doch ihre Schmerzen wurden von der nagenden Sorge nach Abas überlagert. War er an eines der Kriegsgeräte gekettet gewesen? War sein Schicksal besiegelt?

In den Reihen der Soldaten herrschte Chaos. Kreon und die anderen Anführer hatten große Mühe, wieder Ordnung in den Reihen ihrer Männer zu schaffen. Sie tadelten das Durcheinander und forderten Disziplin ein. Streitrösser stampften umher und bäumten sich hoch auf. Die Fußsoldaten stampften scheppernd durch das Hauptquartier. Es dauerte eine Weile, bis sich die Lage beruhigte. Einige Stunden später waren die Verletzten in ein Lazarett gebracht worden, und Kreon hatte sich mit Telamon in dessen Zelt zu einer Beratung zurückgezogen. Wie sollte die Belagerung weitergehen? Würde ein weiterer Sturm auf die Bastion sinnvoll sein? Und wann kamen endlich die benötigten Nachschubgüter mit Prinz Talos?

Aber der behäbige Thronfolger lag immer noch in seinem Lager, einige Meilen von der Kampfstätte entfernt. Ostentativ zeigte er seine Gleichgültigkeit, die Front zu erreichen und ließ stattdessen ein Festessen vorbereiten. Wie ein blasierter Gockel wandelte er durch das Lager und schnupperte nach dem bratenden Fleisch, das sich auf seinen Befehl hin an Spießen über den Feuern drehte. Im königlichen Zelt hatte der Koch dem Thronfolger bereits Hammelpastetchen und Safrankuchen kredenzt.

In der königlichen Arena amüsierte sich das Edelvolk währenddessen mit den Sklavenspielen. Das runde Bauwerk aus roten Ziegeln bot dem Publikum bequeme Sitzbänke und eine gute Sicht auf das Manegenrund. Für heute hatte sich Megara etwas Neues einfallen lassen. Keine Gladiatoren sollten heute antreten, sondern Reittiere. Als der Majordomus dies verkündete, war ein abfälliges Stöhnen zu hören. Pferderennen? Wie langweilig, war von den Rängen zu hören. Doch dann erklärte der Sprecher, was es mit den „Rössern“ auf sich hatte. Wenige Minuten später führten Wachen die Kreaturen in die Arena: An einer Halskette brachten sie acht Sklaven auf den Schauplatz, die auf allen Vieren krochen. Als die Damen und Herren auf ihren Sitzen genauer hinsahen, konnten sie erkennen, dass die Unterschenkel der „Pferde“ nach oben an die Rückseite der Oberschenkel gebunden waren, so dass die Athleten auf Händen und spitzen Knien über die mit Sägemehl bestreute Bahn staksten. Die baren Fußsohlen zeigten dabei zum Himmel.

Die Sklaven waren komplett nackt, und ein dicker Stab mit einem Wedel steckte in ihren Hintern, um als Pferdeschweif zu dienen. Im Maul trugen die Pferde eine Trense als Lenkhilfe. Ein Ledersattel war auf den Rücken gebunden. Die Hände steckten in dicken Lederwickeln. Megara fragte nun nach interessierten jungen Ladys, die einen Ritt wagen mochten. Sofort meldeten sich begeisterte Damen und baten ehrerbietig um die Teilnahme. Aus mehreren Dutzend Freiwilligen wählte die Regentin acht Reiterinnen aus, die von Wachen in die Arena begleitet wurden.

Ein Mann, der Rittmeister, erklärte den jungen Frauen die Handhabung des Reitgeräts. Natürlich hatten die Senioritas bereits Erfahrung mit echten Gäulen. Aber hier konnten sie ihr Tierchen mit einem Spezialinstrument antreiben: Ein edler Griff aus Elfenbein in den kleinen Fingern der Fräuleins ging in einen kurzen Holzstab über, der am Ende über eine Eisenplatte verfügte. Auf der einen Seite war die Fläche glatt, auf der anderen dräuten scharfe Spitzen aus Metall. Damit konnten die Damen ihr Pferdchen antreiben. Welche Seite sie bevorzugten, ob sie die Hinterbacken, die Fußsohlen oder die Männlichkeit damit traktierten, war ihnen natürlich selbst überlassen.

Megara versprach, die Siegerin mit einem rauschenden Fest und einem prächtigen Kleid zu honorieren. Die jungen Damen waren Feuer und Flamme und schwatzten aufgeregt durcheinander. Noch fühlten sie sich als Freundinnen; doch spätestens nach dem Startsignal würden sie Konkurrentinnen sein, die alles darum geben würden, ihre Mitstreiter auszustechen. Und schon bald ging es los: Die Teilnehmerinnen positionierten sich in einer Reihe. Die achtspurige Bahn ließ so viel Platz, dass sich die Athletinnen beim Start nicht in die Quere kommen konnten. Dann erklangen ein Trommelwirbel und schließlich ein lauter durchdringender Gong. Die Sklaven staksten ängstlich vorwärts.

Die euphorische Menge auf den Rängen jubelte und feuerte die Mädels lautstark an. Mit ihren Schlaginstrumenten klopften die Damen temperamentvoll auf die Pferdchen ein, doch die tatsächliche Geschwindigkeit blieb weit hinter dem zurück, was sie erwartet hatten. Durch die besondere Fesselung der hochgezogenen Unterschenkel konnten sich die Sklaven nur relativ langsam und wackelig bewegen. Die Reiterinnen waren fast gleichauf, obwohl sie bereits die lange Gerade der Bahn hinter sich gelassen hatten und sich nun in der ersten Kurve drängten. Einige Sklaven liefen sich fast über den Haufen, und eine Lady schlug mit ihrem Antreiber kräftig in die Männlichkeit der Konkurrenz, die dadurch ins Straucheln und in Rückstand geriet. Nun konnte sie triumphierend an der Widersacherin vorbeipreschen.

Der getroffene Sklave ächzte laut und verlor an Geschwindigkeit, hätte sich am liebsten auf die Seite geworfen, doch die Reiterin brachte ihn mit schwungvollen Hieben auf seine Hinterbacken wieder auf die Spur und Verfolgung. Den Rückstand versuchte sie mit umso kräftigeren Schlägen wieder aufzuholen und schenkte ihrem Gaul einen glühenden Arsch. Eine andere Lady prügelte wie in Trance auf ihr Reittier ein, dessen Gesäß nur noch aus zwei großen bläulichen Flächen bestand. Aber ihre Technik hatte wohlfeilen Erfolg: Sie führte das Feld bald an. Zwei andere Teilnehmerinnen waren allerdings eng hinter ihr. Die eine hatte sich darauf spezialisiert, das Gemächt ihres Pferdchens mit moderaten aber regelmäßigen Treffern zu malträtieren und so einen andauernden Spurt zu gewährleisten. Dabei kicherte sie, als habe sie den größten Spaß, vor allem an den jankenden Lauten ihres Vierbeiners.

Die andere Dame schlug mal hier, mal dahin, und sah sich nervös nach den Verfolgerinnen um. Sie sah, wie plötzlich ein Pferdchen strauchelte und mit dem Gesicht im Sägemehl landete, so dass die Reiterin fast kopfüber nach vorne gestürzt wäre. Ungehalten über diese Tölpelei stieg diese ab und prügelte auf das Geschöpf ein, setzte sich erneut in den Sattel und galoppierte los, doch sie würde wohl Letzte werden. Wütend holte sie alles aus ihrem Klepper heraus und verfluchte das Ungeschick der Kreatur.

Im Mittelfeld waren drei andere Vierbeiner fast gleichauf. Mit ehrgeizigen Schlägen holten die Ladys alle Kräfte aus ihren Tierchen hervor. Dabei führte mal der eine Sklave, mal der andere um eine Nasenlänge. Ein Fräulein hatte den Nachteil ein wenig fülliger zu sein. Zwar war ihr Pferd besonders kräftig und gleichzeitig ausdauernd, doch konnte es seine Vorzüge durch das zusätzliche Gewicht nicht ausspielen und blieb somit keuchend immer weiter zurück. „Wirst du faules Stück endlich laufen!“ rief die Dame aufgebracht und hieb mit ihrem Spezialinstrument auf das jaulende Vieh ein. Schließlich wollte sie sich nicht blamieren. - Nein, an ihrem Gewicht konnte es doch nicht liegen!

Kurz vor dem Ziel boten sich die Favoriten noch einen verbissenen Zweikampf. Doch dann sahen die Athletinnen, dass der Majordomus ein Schild mit einer „Eins“ hochhielt. Das Rennen war nicht zu Ende. Sie hatten lediglich die erste Runde geschafft. Noch zwei weitere lange Bahnen sollten folgen. Aber schon nach dem ersten Durchgang hatten die Pferde deutlich an Geschwindigkeit verloren, staksten unsicher und zitternd vorwärts. Die Muskeln brannten, die Hinterbacken standen in Flammen, und bei manchem Sklaven explodierten die Schmerzen in deren Männlichkeit.

Eine Lady kratzte mit den Metallspitzen immer wieder über die Fußsohlen ihres Tieres, um es anzuspornen. Unter ulkigen Verrenkungen hüpfte der Sklave vorwärts und schrie unartikuliert in die Trense, sabberte dabei wie ein schäumendes Ross und kämpfte sich weiter und weiter, die Bahn entlang. Nach zwei Runden waren die Geschöpfe völlig am Ende ihrer Kräfte, doch noch eine weitere Bahn mussten sie hinter sich bringen. Trotz wilder Bemühungen ihrer Reiterinnen bewegten sich die Gäule nur noch im Schneckentempo vorwärts und brüllten in ihre Trensen. Letztlich machte dann doch eine junge Adlige mit einem Endspurt das Rennen, die sich zuvor lange auf dem dritten Platz gehalten hatte. Die beiden überrundeten Konkurrentinnen ärgerten sich so sehr, dass sie ihr Reittier im Ziel noch fleißig mit Schlägen bearbeiteten, um ihre Wut und Enttäuschung zu besänftigen. Hilflos warfen sich die Tiere auf den Rücken und flehten um Gnade, doch die jungen Damen, die sich um ihr Fest und Ballkleid gebracht worden sahen, zeigten kein Erbarmen und hieben auf die entkräfteten Vierbeiner ein. Die Siegerin dagegen jubelte ausgelassen und ließ sich vom Publikum feiern.

Damit war der Spiele-Abend noch nicht beendet. Megara ließ acht frische Pferdchen in die Arena führen. Sofort fanden sich auch acht neue Freiwillige. Auch das zweite Rennen des Tages war spannende Kurzweil für den Adel. Im Anschluss brachten die Wachen die acht geschundenen Hengste zu den anderen zurück in die Kerker. Und wieder kündigte Megara frische Reittiere an. An diesem Abend ließ sich die Herrscherin nicht lumpen: Insgesamt fünf Mal ließ sie junge Damen um eine rauschende Feier reiten, so dass fast alle anwesenden Fräuleins die Möglichkeit hatten, ihr Können zu beweisen.

Nach einer Pause durch eine erotische Bauchtanzgruppe traten die fünf Siegerinnen noch in einem Schlusswettbewerb an: Dazu mussten sie auf ihre bisherigen Pferdchen steigen, die noch stark mitgenommen waren. Ungläubig und entsetzt begriffen die Kreaturen, dass sie erneut in die Bahn mussten. Da die Tiere kaum mehr das Gewicht ihrer Reiterinnen tragen konnten, verlief das letzte Rennen etwas anders: Die Ladys stiefelten hinter ihren Vierbeinern her und trieben sie so mit ihren Schlaginstrumenten an. Eine Dame wuchtete ihren Prügel immer wieder von unten elegant und schwungvoll in die Männlichkeit ihres Tieres. Aufjaulend sprang der Sklave dann kurzfristig regelrecht nach vorne, um schon bald unter der unsäglichen Anstrengung langsamer zu werden.

Da es bei dem Finale „nur“ noch um die Ehre ging, und alle fünf Ladys bereits gewonnen hatten, standen das Vergnügen und die Kurzweil hier im Vordergrund. Statt ehrgeizig den Sieg einfahren zu wollen, kicherten sie über die Reittiere, die sich unter den Prügeleien abmühten und verrenkten. „Schau dir meinen an“, lachte ein Fräulein mit turmartiger Hochsteckfrisur. „Immer wenn ich…..HIER treffe, springt er regelrecht vorwärts!“ Die beiden Damen zu ihrer Seite lachten, als der Sklave jaulend demonstrierte, was sie meinte. Gleich probierten sie die Technik bei ihrem eigenen Klepper aus. Fast über die gesamte Distanz blieben die acht Damen gleichauf. Sie nahmen das Rennen nicht wirklich ernst, so dass sie in der dritten Runde sogar ihre Gäule wechselten. „Lass mich mal zu dem da! Das fette Gemächt guckt mich schon die ganze Zeit so keck an. Da will ich mal ran!“

Und so kam es, dass die fünf Damen ihre Sklaven gleichzeitig durch die Ziellinie trieben – unter dem Jubel der Zuschauer. Auch Megara lächelte gnädig und applaudierte. Die Feierlustigen ließen den amüsanten Abend im Palastsaal bei Buffet und Tanz ausklingen. Die insgesamt 40 malträtierten Ponysklaven wurden im Kerker notdürftig versorgt. Sie würden noch lange Zeit an ihre Prügel denken dürfen und längst wieder auf den Feldern oder in den Minen arbeiten müssen, wenn die adligen jungen Damen sie vergessen hatten und sich mit anderen süßen Dingen oder neuen Sklaven verlustierten.

Erst am nächsten Tag erschien die Nachhut mit Prinz Talos an der Front im Hauptquartier von Paladin Telamon, der sich nur unter größter Disziplin unter Kontrolle hielt. Vor Wut bebte er, doch durfte er den Thronfolger nicht öffentlich beschimpfen. Der Prinz nahm alles gelassen und widmete sich einer fettigen Backware. Wutentbrannt stellte Telamon neue Truppen zusammen und plante mit Kreios und einigen anderen Hauptmännern die nächste Angriffswelle auf das feindliche Bollwerk. Aufziehender Nebel erschwerte für die Verteidiger die Sicht. Den Vorteil wollte Megaras Armee nutzen und noch in der kommenden Stunde angreifen. Leider waren die großen Wurfmaschinen zerstört. Doch Myriaden von Brandpfeilen würden das Innere der Festung in ein Höllenfeuer verwandeln. Der königliche Alchimist hatte ein Pulver entwickelt, mit dem die Pfeilspitzen kaum zu löschen waren.

Auch Leda gehörte zu den mutigen Bogenschützen, die vorrückten. Während der fette Prinz sich in seinem Zelt von einer Kohlenpfanne wärmen ließ, sollte draußen nicht weit entfernt ein loderndes Inferno den Feind zurückdrängen. Durch den starken wabernden Nebel waren die Soldaten unbemerkt so nah an die Mauer geschlichen, wie nie zuvor. Schon kam der leise Befehl zum Spannen des Bogens. Einige Männer liefen vor den Schützen mit einer brennenden Fackel, um die einzelnen Pfeile zu entzünden. Dann flogen auf ein Kommando hunderte Feuergeschosse über die Wehranlage. Zischend jagten sie über die gewaltige Mauer und hinterließen eine von Rauch geschwängerte Luft. Jetzt hieß es: Rückzug. Die Einheit rannte in Deckung; doch feindliche Bolzen verfolgten sie und mähten einige der Kämpen nieder.

Nun folgte die zweite Angriffswelle: Neu gebaute Belagerungstürme wurden von Sklaven ächzend zur Mauer geschoben. Die Lederpeitschen der Antreiber knallten auf die nackten Rücken der Männer, um sie zu größtmöglicher Anstrengung zu motivieren. Einsetzender Regen war für Telamons Armee ein wichtiger Vorteil: Bisher hatten die Nordmänner die Türme stets entzünden können. Leider machte die Nässe den Untergrund schlammig, und die Türme waren kaum vorwärts zu bewegen. Die Sklaven rutschten ständig aus und landeten im Matsch. Leda betete um ihren Abas. Hoffentlich war er im Lager geblieben! Der Regen entwickelte sich zu einem sturzbachartigen Niederschlag. Man sah kaum mehr die Hand vor Augen durch die Wasserwand. Das Prasseln des Wassers und Donnergrollen ließen alle Befehle ungehört verhallen. Bald war der Boden mit einer fast einen Fuß tiefen Schlammschicht bedeckt. Sollte auch dieser Angriff misslingen?

Leda hielt es nicht mehr aus. Sie wollte, sie musste zu Abas. Unter einem Vorwand kontrollierte sie seine Ketten und steckte ihm unbemerkt den Schlüssel zu seinen Hand- und Fußfesseln zu, damit er sich bei Gefahr befreien konnte. Dann kehrte sie schnell zu ihrer Gruppe zurück. Der fette Prinz saß derweil im Trockenen und naschte an einem Bündel Weintrauben und träumte von seinem erfolgreichen Kriegszug. Gefeiert als Held würde er zurückkommen. Dann würde ihm auch eine Statue zustehen. Und sie sollte größer sein, als die seiner Mutter.

Der Regen prasselte laut auf das Zeltdach; doch draußen war das Unwetter ohrenbetäubend. Blitze zuckten wild über den verdunkelten Himmel, als würde ein Gott Amok laufen, und erhellten das Lager und Schlachtfeld in ein helles, unnatürliches Licht. Unter Peitschenhieben hatten die Sklaven mühsam die riesigen Türme vor die Mauer geschoben, und die ersten Soldaten erklommen die Leitern im Innern, um zu den hohen Zinnen der Burg zu gelangen. Leda beobachtete die wagemutigen Krieger und betete die Götter um Erfolg an. Doch plötzlich ergoss sich eine Wanne mit siedendem Öl über einen Turm, und im Inneren waren furchtbare Schreie zu hören. Ledas Kehle war wie zugeschnürt. Beinahe wurde sie von Kreon umgelaufen, der mit einer weiteren Truppe auf die Mauer aus Granitgestein zustürmte.

Die Männer trugen einen gewaltigen Rammbock. Sie erreichten das Haupttor, dass aus dickem Eichenholz bestand und mit großen Eisendornen verstärkt war, rammten mit unvorstellbarer Wucht den eine Tonne schweren Bock dagegen, aber prallten ohne Wirkung davon ab. Einen zweiten Versuch hatte die Gruppe nicht, denn sie mussten schnell Schutz hinter einem der Türme suchen, um nicht von bösartigen Pfeilen aus den Schießscharten gespickt zu werden. Kreon war außer sich vor Wut und riss seine Streitaxt aus dem Waffengurt und kletterte auf einen der Türme. Ein alter Haudegen mit verwittertem Gesicht folgte ihm. Der Soldat hatte nur einen Arm, doch am Stumpf an seiner linken Seite war ein Gewinde angebracht, an das er nun eine gefährlich geformte Klinge drehte. So folgte er seinem Hauptmann mit grimmigen Zügen, die durch eine Hasenscharte entstellt war.

Der Kampf tobte wilder als je zuvor, und das Ringen um Sieg und Niederlage stand stundenlang auf des Messers Schneide. Schließlich konnten Megaras Soldaten die Zinnen erobern, so dass sich die Nordmänner in das Innere der Festung zurückziehen mussten. Jetzt konnte erneut ein Versuch mit dem Rammbock unternommen werden, und eine Reiterschar mit Soldaten rückte vor, bereit, das Bollwerk des Feindes zu stürmen. Die Tritte der schweren Streitrösser schmatzten in dem aufgeweichten Boden und hinterließen tiefe Spuren. Und immer mehr Soldaten strömten auf die Zinnen und eroberten einen Teil der Burganlage nach der anderen. Wilde Schwertkämpfe und tobende Duelle mit Streitäxten, Lanzen, Streitkolben und Morgensternen lieferten sich die Parteien auf den Gängen des Bollwerks. Inzwischen brach das Haupttor krachend und berstend unter dem gewaltigen Stößen des Bocks auf, und die Riegel splitterten spritzend durch die Luft.

Nun ritten die Soldaten donnernd in den Burghof und drängten den Feind weiter in den Rückzug. Auch Leda war mit ihrer Bogenschützengruppe in der Anlage und kontrollierte die Ställe und anderen Räumlichkeiten, ob dort Feinde versteckt waren. Der Regen hatte etwas nachgelassen, aber der Nebel war noch stärker geworden, so dass die große Gefahr bestand, Feind und Freund nicht auseinander halten zu können. Leda hörte von irgendwo Kreons Stimme brüllen: „Ich werde Megara dein Herz vor die Füße legen, du Hund!“ Wenige Stunden später stand fest: Der Feind war zurückgedrängt worden und ins Hinterland geflohen. Die Nordmänner hatten die gesamte Wehranlage aufgegeben. Überall brannten trotz der Nässe kleine Feuer. Die Luft war rauchig, und Leda musste mehrmals husten.

Sie stolperte durch nasse Asche, über Leiber, rutschte auf der Erde aus, kletterte über Trümmer eines zusammen gestürzten Gebäudes und trat aus dem Haupttor. Auch vor den Mauern waren die Spuren des Angriffs überdeutlich. Zu ihrem Schrecken sah sie, wie viele Seelen von Soldaten und Sklaven dem Kampf zum Opfer gefallen waren. Voller Furcht blickte sie zu der Stelle, an der Abas angekettet gewesen war: Aber Abas hatte sich befreien können. Die Ketten lagen lose am Boden. Wo steckte er?

Plötzlich wurde Leda von hinten gewürgt und in eine dunkle Nische gezerrt. „Jetzt hole ich mir, was mir längst zusteht“, fauchte eine Stimme, die Leda als die von Lykos erkannte. Der Soldat riss an ihrer Kleidung und nestelte zugleich an seiner Hose. „Komm her, Weib!“ brüllte er, und Speichelflocken flogen von seinem Mund. „Hilfe!“ rief Leda, aber niemand hörte sie. Lykos hatte ihr einen scharfen Dolch an den Hals gehalten. Gegenwehr war nun unmöglich. „Ich weiß, was du mit dem Sklaven treibst! Ein Wort von mir, und du verlierst deinen Kopf“, frohlockte er. Bald schon spürte die junge Frau die schmutzigen Hände des Soldaten derb und roh an ihrer Brust und stöhnte angewidert auf. Leda drehte ihren Kopf weg. Lykos lachte dreckig und holte seine Männlichkeit hervor, die wie eine Lanze hervorstach.
17. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von AlfvM am 08.04.18 20:48

Hallo Prallbeutel,
eine geile Geschichte, Danke. Hoffentlich geht sie bald weiter.
LG Alf

PS: Existiert die alte Auflage noch ?
18. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 22.04.18 20:00

Doch plötzlich sackte der Mann zusammen. Leda erkannte hinter ihm eine dunkle Gestalt. War das ein Retter? Oder wollte er Lykos nur seine Beute abspenstig machen? Nein, jetzt erkannte sie die Person: Abas! Er hielt einen Holzknüppel in der Hand. Leda fiel in seine Arme. Der Sklave war mit Ruß verschmiert und trug einige kleinere Brandverletzungen. Sie spürte seinen Odem an ihrem Hals, als er sie umarmte und an sich drückte. Leda überlegte fieberhaft. Sie war sich der Konsequenzen klar; doch trotzdem wagte sie es: Sie küsste ihren Retter und öffnete seinen Keuschheitsgürtel. Nun zerrte sie dem besinnungslosen Lykos die Hose weiter hinab und verschloss sein Gemächt in die eiserne Schelle, die zuvor ihr Geliebter getragen hatte. Jetzt lief sie mit Abas weiter nach links, wo mehrere gezäumte Rappen bereitstanden. „Komm! Steig auf!“ rief sie, und Abas sprang nach einem Schreckmoment hinter ihr auf den Gaul.

Leda galoppierte mit dem Sklaven durch das Haupttor, durch den Burghof, und hielt sich dann zu einer Seite, auf der ein Tor ins Hinterland führte. Sie jagte mit Abas an Kreon vorbei, der mit offenem Mund hinter ihr her starrte. „Deserteure!“ schrie der Hauptmann. Das Pferd der Flüchtenden schnaubte laut und dampfte aus den Nüstern. Das Tier preschte an den Soldaten vorbei und raste auf einen dichten Wald zu. Bevor die Männer zu ihren Reittieren gerannt waren, war Leda im dunklen Dickicht verschwunden. Bald kehrten die Soldaten zu der Festung zurück. Der Hauptmann tobte ob der Dreistigkeit dieser Metze. Schnell wurden Maßnahmen getroffen, um weitere Fluchten zu verhindern; doch ein weiterer Soldat hatte bereits das Weite gesucht. Prinz Talos schäumte vor Wut: „Verräter! Überläufer! Bringt mir die Köpfe dieses Dreckspacks!“

Auf dem Weg durch das Nordland würden die Flüchtigen gefunden werden, war sich Telamon sicher, denn direkt hinter dem Wald versperrte eine tiefe Abbruchkante jedes Fortkommen. Nur ein schmaler Weg führte weiter nach Norden. Dort konnten sie die Spuren der Verräter leicht finden. Meldereiter wurden trotzdem als Späher vorangeschickt. Aber bei dem bestehenden Nebel war es für die Armee ausgeschlossen weiter vorzurücken. Der Abmarsch war also für den nächsten Tag geplant. Die Kundschafter sollten währenddessen auf Ledas Spur bleiben.

Die Gerüstete und Abas kamen in dem dichten Wald nur langsam vorwärts. Der Nebel war sogar zwischen den Bäumen undurchdringlich wie die Netze von gigantischen Spinnen. So ging es einige Stunden weiter, doch das Reittier wurde immer nervöser, obwohl sich der Schleier zögerlich auflöste. „Was hast du denn?“ fragte Leda und streichelte den Klepper hinter einem Ohr. Bald sollte sie es erkennen: Im letzten Moment bäumte sich das Tier auf und wieherte aufgeregt. Leda und Abas sahen den tiefen Abgrund vor ihnen gerade noch rechtzeitig und starrten erschrocken zu dem Fluss unterhalb der Klippe hinunter, die gar 700 Fuß tief war. „Hier können wir nicht weiter“, stellte Leda fest. Links und rechts reichte der Canyon so weit das Auge sah. „Aber diese Felswand ist unüberwindbar“, meinte Abas verzweifelt. „Hier muss es irgendwo einen Übergang geben“, war sich Leda sicher. „Der Hauptmann hat davon gesprochen. Ein schmaler Grad, der über diese Schlucht führt.“ „Reiten wir nach links oder rechts?“ fragte Abas. Leda hatte keine Ahnung.

Sie entschieden sich für rechts und kamen nach wenigen Meilen tatsächlich an einen breiten Überhang, an dem der Fels mehrere Mannslängen nach vorne ragte. Auch auf der etwa in Pfeilweite entfernten Seite war so ein Vorsprung. Dazwischen führte eine schmale Steinbrücke über den gesamten Abgrund – zumindest so weit, wie das Auge bei dem Nebel reichte. „Da bringen mich keine zehn Pferde rauf!“ sagte Abas bestimmt. „Die hält vermutlich nicht einmal einen von uns, geschweige denn das Ross!“ Leda besah sich skeptisch die bröckelige Konstruktion, die aus alten, mit Moos bewachsenen Steinquadern gebaut war und an vielen Stellen brüchig und wackelig wirkte. „Und hier soll die gesamte Armee von Megara rüber? Das glaube ich nicht“, sagte Leda. „Es muss einen weiteren Übergang geben.“ Abas schaute ratlos umher. „Aber wo?“ Leda zuckte mit den Schultern. „Wir haben keine Zeit zu suchen. Wir müssen diese Brücke nehmen.“
Abas sah sie eindringlich an. War das ihr Ernst?

Zur gleichen Zeit besuchte eine Hofdame die Sklaven im Kerker, die bei den jüngsten Arenaspielen verloren hatten. Sie waren zur Strafe ausgepeitscht worden. Und nun erhielten sie seit geraumer Zeit weder Mahl noch Wasser. Besonders der peinigende Durst brachte sie fast um den Verstand. Das junge Fräulein hatte von dem Zustand der Sklaven gehört und war neugierig, wie sich ein Durstender wohl gebäre. Sie fächelte sich frische Luft zu und stieg aufgeregt die Treppen hinab, um sich am Leid der Eingekerkerten zu verlustieren. Dann ließ sie sich von der Wache die schweren Türen öffnen, bis sie vor einer Gitterwand stand, hinter der drei der Sklaven auf altem Stroh vor sich hinvegetierten. Das Burgfräulein kicherte verlegen.

Sie stolzierte zu einem Wasserfass und schöpfte mit einer Kelle das erfrischende Nass in einen Becher. Damit näherte sie sich der Gitterwand und präsentierte ihn den Sklaven. Die Männer rappelten sich schwächlich hoch und wankten zum Gitter, streckten ihre Arme aus, lechzten nach einem Schluck des kühlen und süßen Wassers, doch hatte sich die junge Dame so positioniert, dass sie von den Händen nicht erreicht werden konnte. „Wollt ihr das?“ fragte sie scheinheilig und goss gemächlich das Wasser auf den Boden, unerreichbar für die Männer, die gequält aufstöhnten. Das adlige Fräulein kicherte, als sei dies der größte Spaß, solch grausamen Schabernack mit den Männern zu treiben. Sie wiederholte ihr gemeines Spiel, und erneut reckten sich die Arme nach dem Becher. Doch die Pfütze auf dem Boden war so fern wie der Becher selbst. Nun nahm das Burgfräulein einen Schluck aus dem Fass, trank genussvoll, schluckte, nahm einen weiteren Schluck und kam erneut zum Gitter. Plötzlich spuckte sie das Wasser auf einen der Sklaven in die Zelle.

Sofort kämpften die Männer um die paar Tropfen auf der Haut, leckten sie ab, schabten sie mit den Händen zusammen, und der Getroffene versuchte seinen Besitz zu verteidigen. Bald schon wälzten sich die Sklaven auf dem schmutzigen Boden und gierten nach jedem Tropfen Feuchtigkeit, um die größte Pein der geschwollenen Zunge, des ausgedörrten Gaumens sowie ihrer geplatzten Lippen ein wenig zu mildern. Arme und Beine der Darbenden bildeten ein wuselndes Knäuel. Ächzend, schnaufend, röchelnd und brummend zerrten sie aneinander und drückten sich weg.

Fasziniert beobachtete das Burgfräulein das Geschehen, das die Frucht ihrer Grausamkeit war, und erlebte dann, wie die Männer auf die Knie fielen und um ein wenig mehr Wasser flehten. Aber die junge Frau winkte nur kichernd und verließ den Kerker mit hüftschwingendem Gang. Vielleicht sollte sie regelmäßig zu den Sklaven gehen. „Was für eine Erquickung! Was für eine lustige Kurzweil!“, dachte sie und konnte es kaum erwarten, es ihren Freundinnen von ihrem amüsanten Abenteuer zu erzählen. Sie hatte ein neues Spiel bei Hofe erfunden. Das würde ihr Ansehen vergrößern. Ihre Cousinen und Bekannten würden sie beneiden. In ihrem Gemach ließ sie sich auf einem seidenen Diwan nieder und nippte an kühlem Zuckerwasser. Wie köstlich es mundete! Sie leckte sich über die Lippen.

Megara wartete nervös auf Kunde von der Front und suchte den Horizont mit Argusaugen nach Herolden oder Botenvögeln ab. Doch nur eine einzige einsame kleine Wolke hing am Himmel, als wolle sie sie verhöhnen. Es vergingen Stunden der Unruhe. Endlich kam ihr Leibdiener und verkündete, eine Brieftaube sei gerade mit einer Botschaft von Telamon eingetroffen. Darin berichtete der Paladin von dem Sieg über das Bollwerk am Eingang zum Nordland. Über das grausame Gesicht der Regentin huschte ein huldvolles und befriedigtes Lächeln. Die erste Hürde war genommen, das Nordvolk zu unterjochen und tausende neue Leibeigene zu begrüßen. Die Herrscherin lächelte in sich hinein. Anfangs würde sie noch mit Frondiensten zufrieden sein, um nicht gleich das ganze Volk gegen sich aufzubringen. Aber in wenigen Jahren...

Jetzt konnte sie sich entspannt ihrem Spielzeug widmen. Sie befahl den Riesen Kreios zu sich und verschwand mit ihm in einem ihrer großen Badebecken. Der ehemalige Gladiator in seinem goldenen Keuschheitsgürtel liebkoste den Luxuskörper der Königin sanft und gekonnt, wie man es seinen Pranken kaum zutraute. Megara spürte ein angenehmes Prickeln auf ihrer Haut, wenn er sie berührte und streichelte. Auf ihre Geste wurden seine Finger gieriger und beim schwachen Licht einiger goldener Kandelaber paddelten die beiden mit ineinander geschwungenen Körpern durch das frische klare Wasser. Die Despotin ließ sich aus dem Becken heben und auf einem Diwan ablegen, wo Kreios vor ihr kniete und die königliche Weiblichkeit mit seiner Zunge verwöhnte.

Sie spürte eine unbändige Erregung in sich wachsen. Nach einigen Minuten schloss Megara ihren Lustsklaven auf, zog ihn an den Haaren ins Wasser zurück und erlaubte dem Hünen in sie einzudringen. Sie wollte, dass Kreios sie leidenschaftlich von hinten nahm und sie eng umfasste. Ihre Lust wuchs ins Unermessliche. Und auch Kreios lautes und tiefes Stöhnen fand den Weg über seine Lippen und wurde immer intensiver. Doch bevor Kreios seinen Samen in die Herrscherin pflanzen konnte, drehte sie sich um und sprang ihm auf die Arme, umwickelte ihre Beine um seinen muskulösen Oberkörper und spürte, wie Kreios heißes Schwert von unten in sie eintauchte wie in ein Butterfass.

Der Sklave hob die Pobacken der Majestät und führte sie in einem Rhythmus, ließ sein pralles Schwert zitternd in die Regentin sinken, und die geballte Lust nahm ihm fast den Atem. Dann kamen die Liebenden gleichzeitig in einer Woge, die ihren Geist überflutete und sie in eine andere Welt schickte. Megara versenkte ihre scharfen Fingernägel obsessiv im muskulösen Rücken des Riesen und hinterließ tiefe Spuren, doch davon bemerkte Kreios kaum etwas, denn seine Lenden brannten lichterloh. Die erfüllte Lust der Beiden spiegelte sich in ihren Gesichtern und katapultierten ihre Gefühle in Euphorie und Ekstase und Hingabe.

Doch nach wenigen Momenten war das Glücksempfinden bei Kreios vorbei. Megara behandelte ihn von oben herab, verschloss seine Männlichkeit wieder, als sei der vorangegangene Akt bereits vergessen. Danach ignorierte sie ihn und verließ das Becken hochnäsig, wickelte sich in ein prunkvolles aber hauchdünnes Musselingewand und verschwand aus dem Gemach, hinfort zu wichtigeren Dingen. Der Lustsklave blieb zurück wie ein verschmähtes und wohlfeiles Spielzeug und trocknete seinen trainierten Leib mit einem Baumwolltuch trocken. Von draußen hörte er eine Pauke schlagen. Vermutlich wurde eine Züchtigung angekündigt.

Leda riss sich den Waffenrock vom Körper und warf ihn in die Schlucht. Die Gewandung taumelte flatternd in die Tiefe. Aus einer Satteltasche holte sie zivile Kleidung, die sie sehr feminin machte, wie Abas bewundert fand. Zwar waren Wams und Hose eigentlich Männerkleidung, doch Leda machte darin eine gute Figur. Dann nahm sie das Pferd am Zügel und tastete sich vorsichtig auf die Brücke vor. „Folge mir, wenn ich rufe!“ Abas stand da mit offenem Mund. Bald schon war Leda im Nebel verschwunden. Die schlechte Sicht erlaubte nur, ihren Weg bis zur Mitte der Schlucht zu verfolgen. Dann war sie in einer weißen Wand verschwunden.

Plötzlich hörte der junge Mann Steinbrocken in die Tiefe brechen. „Leda!“ rief er beunruhigt und spürte sein Herz kräftig pochen. Wie konnte sie nur diesen waghalsigen Weg riskieren!? Das war mehr als tollkühn! Abas Kehle schnürte sich zusammen. Da hörte er ihre Stimme. „Alles in Ordnung! Komm jetzt! Aber vorsichtig! Halte dich in der Mitte! Und pass auf das Loch auf!“ Abas wurde fast schwindelig vor Angst. Was für ein Loch? Der einstige Bauernjunge tastete sich schwankend auf den Vorsprung vor. Er hatte nicht einmal die eigentliche Brückenkonstruktion erreicht, da machte sich bereits seine Höhenangst bemerkbar. Es gab keine Geländer. Die Brücke war nur etwa acht Fuß breit. Unter ihr gähnte der Abgrund. Ein leises Rauschen ließ einen reißenden Wildfluss in der Tiefe erahnen. Sehen konnter er den Grund wegen des Nebels nicht.

Abas hielt sich genau in der Mitte. Vorsichtig setzte er einen Fuß vor den anderen und hatte doch das beklemmende Gefühl, die Brücke würde so schmal wie seine Schultern sein. Wie Bretter einer Hängebrücke wackelte und schaukelte der Boden. Zumindest bildete der Jüngling sich das ein. Er widersetzte sich dem Impuls, auf allen Vieren zu kriechen; diese Schmach wollte er sich vor Leda nicht geben. Also ging er mit klopfendem Herzen Schritt für Schritt weiter. Plötzlich sackte sein linker Fuß weg. Abas schrie auf und stürzte. Sein gesamtes Bein hing unter der Brücke in der Luft. Das Loch! Er hatte es vor Aufregung nicht bemerkt. Mehrere Steinbröckchen fielen in die Tiefe. Ein unberuhigendes Knirschen war zu hören. Er zog sich wieder aufrecht und ging weiter. Nun zügiger. Nur hinfort von dieser gefährlichen Konstruktion. Bald erkannte er die Schemen am anderen Rand der Brücke: ein Ross und eine Gestalt, die ihm winkte.

Als Abas seiner Leda in die Arme fiel, erdrückte er sie fast vor Erleichterung. „Lass uns aufsitzen und weiterreiten“, schlug Leda vor. Die Beiden hatten nun die Hoffnung, ihre Verfolger abgeschüttelt zu haben, doch wollten sie lieber auf Nummer Sicher gehen und noch ein paar Meilen zwischen die Soldaten der Megara und sie bringen, bevor sie sich ein Nachtlager bereiteten. Eine halbe Stunde später kamen sie durch einen großen Birkenhain. Der Nebel löste sich auf, und die Sonne zeichnete goldene Lanzen, die den Staub in der Luft tanzen ließen. Einen anderen kleineren Laubwald ließen sie ebenso hinter sich und überquerten hinter einem Hügel eine saftige Wiese mit zahlreichen Wildkräutern. Dort machten die Beiden eine Rast.

Während Abas ein kleines Feuer anfachte, und dabei darauf sorgsam achtete, möglichst wenig verräterischen Rauch zu erzeugen, schoss Leda mit ihrem Bogen ein Waldtier, dass sie zubereiteten und hungrig aßen. Sie wussten beide nicht, was es war, aber es sah einem Marder ähnlich. Nach dem Mahl überkam sie die Lust, und sie fielen übereinander her, rollten und tollten im hohen Gras herum, hörten zirpende Grillen, scheuchten bunte Schmetterlinge auf und genossen das weiche Pflanzenbett unter ihnen, dass nach Lavendel und zahlreichen unbekannten Aromen duftete. Die begierigen Körper loderten bald glühend, und das Paar erlebte köstliche, heiße Wogen der Leidenschaft, die sich in ihnen wohlig ausbreiteten. Doch sie durften ihr Schicksal nicht herausfordern. Also löschten sie das Feuer wieder, als sie ihre Zärtlichkeiten gestillt hatten, und saßen wieder auf, um noch bis zur hereinbrechenden Dämmerung weiter zu reisen.

Die Landschaft wechselte von kleinen Wäldchen zu weiten Wiesen, und anschließend erreichten sie erneut einen großen dichten Forst. Hier wuchsen gewaltige, Jahrhunderte alte Eichen und Buchen, deren Kronen den Himmel verdeckten. Riesige Farne wucherten auf dem Boden links und rechts eines Pfades, auf dem sie sich hielten. Nach einer weiteren Stunde sahen sie mehrere über drei Männer lange Findlinge am Wegesrand,die einen hohen Dolmen bildeten. Den zu einem gigantischen Steintisch geformten Megalithen schmückte ein Kleid aus Moos und Flechten. Unter dem grünen Kleid waren eingeritzte Runen zu erkennen, deren Bedeutung ihnen aber nicht geläufig war. Die Steinblöcke waren für sich schon beeindruckend, aber neben ihnen lagen aufgetürmt... „Totenköpfe“, stieß Leda erschrocken hervor und zeigte auf die zehn oder zwölf Schädel, die zu einem Haufen aufgestellt neben dem rituellen Felsbauwerk lagen und sie mit weißen Zähnen höhnisch anzugrienen schienen.

Die beiden Gefährten sprangen von ihrem Zossen. „Was hat das zu bedeuten?“ wusste sich Abas keinen Rat. „Ich habe keine Idee“, meinte die desertierte Soldatin. „Vielleicht ein Grab. Oder eine Warnung…“ Dem Jüngling lief ein eisiger Schauder den Rücken hinunter. „Lass uns weiter reiten“, bat er. Sie stiegen wieder in den Sattel und trabten den Pfad entlang. Doch nach wenigen hundert Schritt hing ein Bündel an einem mächtigen Baumstamm: Als die Zwei näher kamen, erkannten sie, dass es grauenvolle Schrumpfköpfe waren, die an ihren Haaren zusammengeknotet am Stamm festgenagelt waren. „Wo führt dieser Weg hin, Leda?“ fragte Abas ängstlich. Hatten sie unglücklicherweise die Reise in die Unterwelt angetreten? Die Reiterin besah sich die Köpfe genauer: Die Lippen der Verstorbenen waren mit Fäden zugenäht worden, und die verkleinerten Gesichtszüge sahen gnomenhaft aus.

Plötzlich raschelte es im Gebüsch, und Leda riss ihren Bogen hoch und zog blitzschnell einen Pfeil aus dem Kocher, legte ihn an die Sehne und zog diese bis an ihre Wange. Abas nahm ein Schwert in die Hand und sah in die Richtung, aus der die Geräusche kamen, den Griff der Waffe krampfhaft umfasst. Dann wurde es immer lauter und schon erschienen mehrere große Gestalten im Unterholz, überquerten schnell den Pfad und verschwanden wieder: eine Rotte Wildschweine, angeführt von einem Keiler, mehrere Bachen mit ihre Frischlingen folgten. Erleichtert senkten die Beiden ihre Waffen und folgten weiter dem Pfad. „Ob es so eine gute Entscheidung ist, hier weiter zu reisen?“ fragte Abas zweifelnd, der sich immer noch Sorgen wegen der Schrumpfköpfe und Schädel machte. Leda war sich sicher: „Wir haben keine Wahl. Es gibt hier keinen anderen Weg. Das Dickicht ist zu dicht. Da kommen wir nicht durch. Bald wird es sicherlich eine Abzweigung geben. Außerdem werden wir auf diesem kleinen Pfad Megaras Armee nicht begegnen.“

Die Sonne sank unaufhaltsam dem Horizont entgegen, färbte sich rot, dann violett und bald herrschte im Wald tiefste Finsternis. „Wir müssen hier unser Nachtlager aufschlagen“, erklärte Leda. „In der Dunkelheit ist es zu gefährlich, weiter zu reiten.“ Abas lächelte seine Begleiterin in dem Versuch, Mut zu finden, an, und vertraute auf die Obhut der Bogenschützin. Als sich die Zwei beieinander ihre Bettstatt teilten, wussten sie nicht so recht, wer bei wem Schutz suchte. Abas flüsterte: „Erst die Totenköpfe, und dann die Schrumpfköpfe – das ist kein gutes Omen!“ Bei jedem Rascheln im Geäst horchten die Beiden auf, ob sich ein Feind nähere, doch nur kleine Waldtiere und der Wind erzeugten die Laute der Nacht.

Zahlreiche Meilen entfernt näherte sich der Soldat Lykos dem ersten Lager, das Abas und Leda am Tage aufgeschlagen hatten. Dort kniete er sich hin, untersuchte die ausgetretene Feuerstelle und prüfte die Huf- und Fußspuren der Verfolgten. Ein grimmiges Gesicht machend kickte er ein verkohltes Stück Holz zur Seite und ärgerte sich darüber, die Jagd bis zum Sonnenaufgang unterbrechen zu müssen; denn die Gefahr, die Spuren in der Dunkelheit zu verlieren, war einfach zu groß. Missmutig bereitete er sich das Lager und knabberte an einem Stück kalten Hasenbraten. Nach der Mahlzeit legte er sich nieder und betastete seinen Keuschheitsgürtel. „Dieses Weibstück wird wünschen, niemals geboren worden zu sein, wenn ich mit ihr fertig bin“, grummelte er. Er versuchte zu schlafen, aber lange blieb er wach und starrte den Vollmond an, der auf ihn hinab schien, als eine Wolke am schwarzen Himmel weiter wanderte. Sein fleischliches Schwert drückte von innen gegen die eiserne Vorrichtung und wollte die engen Grenzen nicht akzeptieren, doch es verlor den stundenlangen Kampf um die Freiheit schließlich und schrumpfte endlich als Zeichen der Niederlage frustriert zusammen.

In der eroberten Burganlage der Nordmänner organisierte Megaras Kriegsfürst Telamon den Zug nach Norden. Prinz Talos hatte stundenlang mit ihm gestritten, gefaucht, schnippisch und eingeschnappt protestiert. Er wollte lieber mit einigen Soldaten und Sklaven in dem Bollwerk bleiben, es wieder aufbauen und besetzen. Dort hätte er es gemütlich und konnte warten, bis die tollkühnen Recken den Feind besiegt - oder ihren letzten Atemzug ausgehaucht hätten. Doch der Paladin bestand darauf, dass die Befehle der Königin eindeutig waren: Der Thronfolger sollte zur Front, also weiter ins Land der fremden Gegner. Talos gab sich zerknirscht geschlagen, verlangte aber, weiterhin in seiner Kutsche reisen zu dürfen. Genervt gestand es ihm Telamon zu, obwohl der Tross dadurch langsamer wurde. Ärgerlich schleuderte der Kriegsfürst die Hirschhäute zur Seite, die den Eingang des Prinzenzeltes bildeten und kehrte in sein eigenes Lager zurück.

Hauptmann Kreon hatte inzwischen die Namen der Desertierten verkündet: Ein Sklave namens Abas, die Bogenschützin Leda und ein Soldat mit Namen Lykos waren mit insgesamt zwei Rappen verschwunden. Mit einer lodernden Fackel in der Hand informierte er Telamon und musste dessen schlechte Laune ertragen. Der Paladin schleuderte einen irdenen Krug durch den Raum, der scheppernd an einem metallenen Kriegsschild in zig Scherben zerbrach. Verräter wurden mit dem Tode bestraft. Sie würden eingefangen werden und auf sehr qualvollem Wege in die Unterwelt der Götter geschickt.

Herrscherin Megara hatte längst mit einer Todesbotschaft berechnet. Dieser Fettsack von ihrem Bastard hätte sich niemals ihren Lenden entwinden dürfen. Doch im Kriegszug würde ihre erbärmliche Brut sicherlich den Tod finden – so hatte sie gehofft. Leider hatte Telamon ihr andere Kunde gebracht: Talos freute sich bester Gesundheit und hielt sich sicher hinter den feindlichen Linien. Die Regentin schmiedete einen finsteren Plan dieses ungebetene Balg loszuwerden. Doch musste dies im Verborgenen geschehen. Wem durfte sie trauen? Sie benötigte einen Meuchelmörder… Während sie sich dem Liebesspiel mit ihrem hünenhaften Schosshündchen Kreios hingab, arbeitete sie fieberhaft an ihrem Mordplan und spürte, wie ihre Lust mit dem schändlichen Plan wuchs und sie letztlich laut ihre Inbrunst hinausschrie.
19. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von AlfvM am 22.04.18 21:22

Hallo Prallbeutel,
ich kann mich nur wiederholen tolle Geschichte. Hoffentlich gibts bald die nächsten Teile.
LG Alf
20. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 06.05.18 19:51

Am nächsten Morgen ritten Leda und Abas nach einem kargen Frühstück bereits bei Sonnenaufgang weiter. Ihr Weg führte sie durch eine Heidelandschaft, die immer mehr einem Moor glich. Friedlich aussehend war die Ebene, doch hinterhältig lauerte der Tod, wenn ein Unglücklicherer seinen Fuß an die falsche Stelle setzen würde. „Wir müssen strikt auf dem Pfad bleiben. Sonst ist es zu gefährlich wegen der Sümpfe“, erklärte Leda.
Abas sah ängstlich zur Seite und stellte sich vor, wie Ross und Reiter in den klebrigen Tiefen versanken, als würden böse Mächte sie hinab in die Unterwelt ziehen. Langsam setzten sie ihre Reise fort. Nach drei Stunden, die Sonne stand längst hoch am wolkenlosen Himmel, erschien auf einem weiten Feld eine kleine Siedlung, die mit einem hohen Palisadenzaun geschützt war. Eine zurückgelassene Kiepe aus Weidenruten stand am Wegesrand. Sie enthielt nur Zweige und Äste aus dem Umland. „Hier können wir vielleicht Proviant und ein Bad bekommen. Und sicherlich wird uns jemand sagen können, welche Nebenwege weiter nach Norden führen“, meinte Leda.

Das Tor zur der Kolonie war verschlossen. Zwei Wachen standen vor dem versperrten Eingang und sahen den Ankömmlingen misstrauisch entgegen. Die Männer trugen nietenbesetzte Lederröcke, die bereits so manchen Kampf überlebt haben mochten. „Was ist Euer Begehr?“ wollte ein buckliger Mann mit ausgeprägten Koteletten wissen, der Leda seine Lanzenspitze unfreundlich entgegenstreckte. Sie glitt vom Rappen und blieb vor dem Spieß stehen. „Wir sind Reisende und wollen nach Norden. Wir sind auf der Flucht vor der Südarmee“, sagte Leda. Das war nicht einmal gelogen. Der Wächter beäugte sie. „Ein Weib, das das Wort ergreift! Starker Tobak! Hat dein Gemahl keine Zunge?“ Abas wollte zu einer scharfen Erwiderung ansetzen, doch unauffällig kniff Leda ihn hinter sich an die Innenseite seines Oberschenkels und erwiderte: „Mein Bruder ist stumm, guter Mann.“ Der Wächter grunzte verächtlich und spukte einen braunen Klumpen aus. „Ja. Talos Armee ist auf dem Vormarsch. Viele Einwohner sind geflüchtet. Meldereiter haben gestern die böse Kundschaft gebracht. Nur wenige sind noch geblieben. Kommt rein, wenn ihr Münzen habt, Euer Quartier zu bezahlen.“

Er öffnete eine Seite des Tores und ließ sie hinein. Die Zwei ritten im Schritttempo eine kleine Straße entlang und stiegen vor einem einfachen Gasthaus mit zwei Dachgauben ab. Neben dem Bau hingen mehrere Hasen an einer Querstange, denen eine stattliche Frau gerade das Fell über die Ohren zog. Ein Hund beobachtete das Geschehen aus sicherer Entfernung. Vielleicht fiel für ihn ein Brocken ab. Ein kleiner Junge mit struppeligen Haaren, in Lumpen gekleidet, bot sich gegen ein Stück gewürztes Trockenfleisch an, das Ross zu versorgen, und Leda und Abas betraten die Taverne des Gebäudes. Bissiger Qualm kam ihnen in der Tür entgegen. Die Luft war mit dem Dunst verpestet, und Abas musste husten. Wie ein wabernder Nebel schlich der Rauch durch die Schenke.

An einigen groben Tischen saßen finstere Gesellen beim Würfelspiel, tranken aus Hörnern Ale, stießen sie grölend und johlend zusammen, dass der Inhalt überschwappte und kippten den restlichen Inhalt in ihre bärtigen Kehlen. Ein Mann stopfte sich mit den Fingern Zwiebelkuchen in den Mund, ein anderer Kerl nagte an einem Stück Fleisch, das auf seiner langen Messerklinge steckte. Triefendes Fett lief ihm dabei den unrasierten Hals hinab, was ihn aber nicht zu stören schien. Leda und Abas ließen sich an einem Ecktisch nieder, auf dessen Mitte eine gelöschte Kerze stand. An der Wand hinter ihnen hingen ein altes Hirschfell und eine noch ältere Leier, der schon mehrere Saiten fehlten.

Bald kam der Wirt der Schenke und fragte nach ihren Wünschen. Abas zuckte zusammen, als er das entstellte Gesicht auftauchen sah: Der stämmige glatzköpfige Kerl trug eine metallene Augenklappe, die mit Nieten an seinem Schädel angebracht worden war. Leda bestellte einen deftigen Eintopf, ein Laib Brot und zwei Krüge mit Bier. „Könnt ihr auch eure Zeche zahlen, Maid?“ fragte der Wirt und kniff sein verbliebenes Auge skeptisch zusammen. Seine Miene machte keinen Hehl daraus, dass er eine Bezahlung erhalten würde - wie auch immer die aussah. Leda holte aus ihrem Beutel einen Silbertaler und warf ihn dem Mann zu, der ihn überraschend geschickt auffing und nah vor seinem Auge musterte. „Wohlan! Seid meine Gäste“, verneigte der Mann sich plötzlich sehr freundlich, ließ die Münze in seinem Wams verschwinden und ging, um bald schon mit der Bestellung zurückzukehren.

Etwas unwohl war den Beiden in dem Gasthaus schon, denn aus dem Dunkel wurden sie von den zechenden Anwesenden misstrauisch, teilseise sogar feindselig beäugt. Nach dem Mahl fragte Leda nach einem Nachtquartier. Der Wirt ließ sich erneut eine Münze zeigen, die ihm Leda zuwarf, dann führte er seine Gäste eine wackelige und laut knarrende Holztreppe hoch zu einer kleinen Kammer. „Hier könnt ihr euer Lager aufschlagen. Meine Tochter bringt euch frische Leinentücher, Wolldecken und eine Kanne Wasser.“ Kurz darauf erschien ein rothaariges Mädchen mit dem Besagten, dazu brachte sie noch eine Schale mit frischen Äpfeln. Nach einer kurzen Weile legten sich Abas und Leda zur Nacht hin. Sie lagen sich in den Armen und streichelten sich, küssten sich, und dann erwachte ihre Leidenschaft, und sie gaben sich einem ausführlichen Liebesspiel voller Zärtlichkeiten hin. Abas erkundete Ledas nackten Körper, der heiß zitternd die Finger, Lippen und Zunge des jungen Mannes auf jeder Handbreit begrüßte. Und auch Leda liebkoste den ehemaligen Sklaven, küsste sein Gemächt und nahm es auf, begehrte diesen jungen Mann mit Haut und Haaren…

Einige Stunden später war die Kerze in ihrer Kammer gelöscht, und das Paar lag Arm in Arm auf seiner Wolldecke und schlief tief und fest, erschöpft von der langen Reise. Doch dann durchschnitt etwas die Ruhe: Ein Knarren auf den Stufen verriet eine Person auf dem Flur. Leda schreckte aus dem Schlaf hoch. Gemach glitt sie unter der Decke hervor, ohne Abas zu wecken. Sie streifte sich leise ein Gewand um und griff lautlos nach ihrem Schwert. Das Knarren wiederholte sich. Jetzt war es lauter als zuvor. Jemand stand vor ihrer Tür und lauschte. Leda huschte in eine dunkle Ecke des Raumes, nur noch ein schwarzer Schatten im Verborgenen. Jetzt öffnete der Eindringling die Tür, und langsam verbreiterte sich ein schwacher Lichtschimmerstreifen, der aus dem Flur herein schien.
Leda umklammerte ihren Schwertgriff fester.

Prinz Talos ließ sich schnaufend auf seinen Diwan fallen. Dieser Kriegszug war anstrengender, als er dachte. Warum musste er auch unbedingt mitreisen? Er musste niemandem seine Tollkühnheit und seinen Löwenmut beweisen! Sein Leibdiener Xeno zog ihm die Gewänder aus, denn dazu fühle sich der Thronfolger nicht mehr in der Lage. Bald lag der dicke Prinz nackt auf seinen Kissen, bäuchlings, wie ein sonnender Seeelefant.
„Ich brauche eine Massage!“ keuchte er. „Bring mir einen Sklaven, der sie beherrscht.“
Xeno verneigte sich und war froh, dass er diesen fetten Anblick nicht mehr ertragen musste.

Wenige Minuten später kam ein Sklave in einem Lendenschurz herbeigeeilt, der sich an die Arbeit machte und den Prinz durchknetete. Ständig musste er auf der Hut sein, nicht etwa zu fest, aber auch nicht zu sacht, zu massieren. Leicht war Talos zu reizen und bestrafte sofort und hart, wenn er unzufrieden war. Als Leibwächter blieben zwei Soldaten im königlichen Zelt, die stur geradeaus starrten wie steinerne Statuen.

Nach der Massage verlangte der Prinz, die Männer sollten den Sklaven fesseln und dann verschwinden. „Ich will heute Nacht nicht alleine bleiben. Er soll die Gunst haben, bei mir zu bleiben. Gefesselt wird er sich nicht an mir vergreifen können.“ Der Thronfolger betrachtete seine Beute mit einem gierigen und obszönen Blick und frohlockte. Wohlgestalt, jung, frisch... Ganz nach seinem unersättlichen Appetit. Das würde ein königlicher Schmaus werden!

Die Soldaten gehorchten dem Befehl und fixierten dem Sklaven mit Hanfstricken die Hände auf den Rücken, banden die Füße zusammen und brachten zusätzlich eine Halskette an, die sie an einem Stützpfeiler des Zeltes befestigten, so dass der Sklave weder fliehen, noch das Bett des Herrschersohnes erreichen konnte, um ihn zu meucheln oder Ungemach anzutun. „Keine Störungen mehr heute Nacht!“ befahl Talos. Die Soldaten zogen sich zurück. Niemand würde so tumb sein, den Prinzen zu belästigen.
Der fettleibige Adelsspross biss in ein Stück Honigkuchen, bevor er es über seine Schulter wegwarf. Der Magen des hungrigen Sklaven knurrte. Zu Hauf stapelten sich Delikatessen auf Tellern und in Schüsseln, der Düfte dem mageren Jüngling in die Nase zogen. Grinsend sah Talos seinen Gefangenen an. Endlich wieder ein Mann! Er wuchtete sich von den Kissen hoch und kam näher.

Der Sklave richtete seinen Blick demütig auf den Boden. Den Prinzen anzusehen, würde mit dem Tode bestraft, wie alle sonstigen Frevel ebenso. „Zieh dich aus!“ befahl Talos und erledigte dies zugleich selbst mit seinen gierigen Blicken. Der junge Mann riss sich seinen Lendenschurz weg, obwohl seine Hände auf dem Rücken gebunden waren. Nur einen Keuschheitsgürtel trug er noch. Talos hatte sich ein Seidentuch um die breiten Hüften geschwungen, aber eine deutliche Beule zeigte seine Erregung. Er strich über die glatte Brust des Sklaven, seine Schulter, packte seine Pobacken, die von einigen Peitschenstriemen gezeichnet waren, und kniff hinein. Ein unartikulierbarer Laut kam aus Talos Mund, dann watschelte er zurück zu seinen Kissen und langte in eine Holztruhe.
Rasselnd suchte er zwischen Goldmünzen und Geschmeide nach einem Schlüssel. Dem Generalschlüssel für alle Keuschheitsgürtel. Und da war er ja!

Grinsend hielt er ihn hoch und näherte sich wieder dem Sklaven. Der verängstigte Mann ahnte noch nicht, was auf ihn zukam. Dann spürte er, wie der Prinz das eiserne Höschen entfernte. Der Sklave schluckte. Was sollte mit ihm geschehen? Die Nacktheit war ihm peinlich vor der Hoheit. Talos griff nach dem Gemächt des Leibeigenen, der überrascht zuckte und leise aufstöhnte, als sich sein Luststab vergrößerte. Der Prinz stimulierte den Stab des Jünglings und drehte dann das Objekt seiner Begierde mit dem Rücken zu sich.
„Bück dich!“ wies er den Entblößten an. Der Sklave gehorchte voller Furcht. Talos schlug mit seinem Fuß an die Innenseite der Unterschenkel des Sklaven: „Breiterer Stand!“ Der Untertan folgte augenblicklich dem Befehl. Der dicke Herrschersohn griff in eine kleine Schatulle mit Fett und strich sich auf zwei Finger eine dicke Portion der weißlichen Masse.
Dann benestelte er den Anus des Sklaven.

Der Leibeigene zuckte erneut zusammen, verkrampfte seinen Po. „Entspann dich!“ befahl Talos. Langsam gelang es dem Sklaven sich zu beruhigen. Zumindest schaffte er es, seine Muskeln zu entspannen; sein Puls schlug ihm trotzdem bis zum Hals. Erst untersuchte Talos den Hintereingang des Jünglings mit einem Finger, dann mit zweien, dann mit dreien. Der Sklave stöhnte auf, ob aus Lust oder Schmerz oder beidem war nicht zu erkennen. Talos griff nach seiner nun knüppelharten Männlichkeit und versenkte sie mit einem groben Ruck in dem Gefesselten. So schnell und wild es seine unförmige Körpermasse zuließ, rammte der Königinnensohn nun seinen Liebessklaven. Sein Stechen und Bohren wurde immer stärker und schneller, doch bevor seine Rute spuckte musste er schweratmig pausieren und spielte an den Nippeln des Leibeigenen. Dann ging es mit wildem Gerammel weiter bis Talos ächzend seinen Samen versprühte.

Keuchend wankte er auf seine Kissen zurück und besah sich sein Werk: Ein Teil seiner Hinterlassenschaft klebte dem Jüngling an dessen Kehrseite und tropfte zu Boden. Zum Schrecken des Gefesselten war dessen eigenes Gemächt hart wie Granit und pochte verzweifelt um Erlösung. Talos sah den bestürzten Blick und lachte: „Hat es dir gefallen?“
„Ja, mein Herr“, antwortete der Gefesselte, der nicht so genau wusste, wie er den Prinzen ansprechen durfte, und was er gerade erlebt hatte. Talos lachte schallend und zog eine kurze Riemenpeitsche hervor. „Mal sehen, wir dir die Küsse meiner Geißel gefallen!“

Der Schemen, der sich in der Tür zeigte, gehörte einem Mann. Leda wurde der Silhouette eines bärtigen Kerls gewahr. An den Seiten seines Hauptes hingen lange Zöpfe hinab. Seine stämmige Statur passte zu einem der Männer, die unten in der Schankstube gewürfelt hatten. War er gekommen, um den Geldbeutel zu rauben? Der Kerl erschien nun deutlich im Licht des Flures: Weizenhelle verfilzte Haare umrahmten ein vernarbtes und wettergegerbtes Gesicht. Über die Stirn verlief ein großes Wundmal. Die Gestalt schlich in die Kammer und steuerte die Schafstatt an. Unter seinem Filzumhang tauchte ein kräftiger Arm auf, der von einem breiten Lederband geschmückt wurde. Auf einmal sah Leda in dessen Hand den kleinen Dolch blitzen. Schleichend näherte sich der Eindringling der Wolldecke, unter der Abas noch friedlich schlummerte.

Als der Räuber seine spitze Waffe zum Stoß hob, um das junge Paar im Schlaf zu meucheln, stieß Leda das Schwert hervor und vergrub die Spitze schmerzhaft im Nacken des Mannes: „Halte ein, Fremder! Was willst du hier, du Diebesgeselle?“ Ein Schmerzlaut ertönte, und Abas wachte auf. Er sah vor sich den unbekannten Eindringling mit braunen Zahnstummeln über sich stehen und kroch schnell einige Schritte weg. „Rede!“ forderte Leda. Der Mann antwortete: „Ich bringe euch nur frische Tücher…“ Doch genau in diesem Moment schwang er herum und schleuderte seinen Dolch aus dem Handgelenk auf Leda zu, die in einer Reflexbewegung zur Seite duckte und so dem tödlichen Metall um Haaresbreite entkam. Sofort zog der Mann sein Schwert unter seinem schwarzen Umhang hervor und schwang die scharfe Klinge gegen seine Gegnerin. Leda war in der Defensive und musste alle Kraft zusammennehmen, sich der starken Hiebe zu erwehren.
Der Mann war ein ausgezeichneter Schwertkämpfer und drängte Leda in eine Ecke zurück, um schließlich zum finalen Schlag auszuholen…

…da brach er plötzlich zusammen: Abas hatte ihm einen Holzschemel über dem Kopf zertrümmert. Ledas Hand zitterte. Sie hätte vermutlich ihr Schwert fallen gelassen und wäre dem Mann hilflos ausgeliefert gewesen, der sie mit einem Todesstoß durchbohrt hätte. „Hier werden wir nicht bleiben“, bestimmte Leda noch mit bebender Stimme. „Ich werde den Wirt wecken. Er soll uns Proviant und frisches Wasser besorgen. Dann reisen wir weiter, hinfort von diesem unglückseligen Ort.“ Abas war einverstanden und packte ihre Habseligkeiten zusammen. Eine gute Stunde später setzten die Zwei ihre Reise in der Dunkelheit fort. Nur ein Waldkäuzchen, das in einer Tanne saß, und der Wirt waren Zeugen ihres stillen Aufbruchs.

Erst im Morgengrauen rasteten sie und aßen eine Kleinigkeit. Der Tau machte die Wiese nass, und sie hinterließen deutliche Spuren. „Hoffentlich haben wir unsere Verfolger inzwischen abgehängt“, sagte Abas. Ein Schwarm Krähen krächzte laut am Himmel.
Nach einer Weile erschien links von ihnen ein Geysir, der wie ein kleiner Tümpel aussah, in dem das Wasser kochte. Abas fiel vor Schreck fast vom Pferd, als plötzlich eine mehrere Doppelschritt hohe Wasserfontäne der heißen Quelle laut zischend aus dem Wasserloch jagte. „Hexerei“ schrie Abas und wollte nur noch weg.

Nach mehreren Meilen kreuzte ein Schäfer mit seiner Herde ihren Weg. Der bärtige Mann trug einen langen geflickten Ledermantel und hatte seinen knorrigen Wanderstab über die Schulter geworfen, an dessen Ende ein Stoffbündel im Rhythmus seiner Schritte pendelte. Mit seinen schweren Lederstiefeln stapfte er seines Weges und musterte die einsamen Reiter interessiert. Doch Leda und Abas trabten schnell weiter. Sie mussten schnell fort, um nicht doch noch zwischen die feindlichen Linien zu geraten, denn gewiss rückten die Nordmänner bereits nach Süden vor, um Megaras Armee Einhalt zu bieten.

Die Idylle mit einer kleinen Wassermühle an einem kleinen Fluss trog, denn aus einem Wäldchen tauchten unerwartet mehrere Reiter auf, die ganz und gar nicht freundlich wirkten. „Banditen“, rief Leda und hieb ihre Stiefel in die Flanken des Pferdes. Das Tier wieherte. Die Hufen stampften laut über den Lehmboden. Die Schar Männer folgte brüllend in wildem Galopp. Einige der Strauchdebe hatten Hirschfänger gezogen und fuchtelten damit in der Luft umher, andere reckten Äxte in die Höhe. Der Anführer hatte sein Falchion vor sich gestreckt und zeigte auf die Flüchtigen.

Megara hatte sich heute besonders prachtvoll gekleidet. Ihr Gewand war von edelstem Stoff aus golddurchwirkter roter Seide. Zahllose Unzen Gold hingen um ihren Hals, ihre Arme und um ihre Taille. Heute gedachte das Volk dem Geburtstag des verstorbenen Königs Talos III., der von den Menschen zeit seines Lebens sehr verehrt worden war. Hatte der alte Herrscher noch dafür gesorgt, dass auch die Ärmsten der Armen nicht hungern und dürsten mussten, waren die Steuern unter Megara um ein Vielfaches erhöht worden, um ihren goldenen Säckel zu nähren. Offiziell ließ sich die Königin feiern, doch wusste sie insgeheim, dass das Volk in Wahrheit weiterhin Talos III. mit dem Fest würdigte.

Von einer gewaltigen Schmuckbalustrade winkte Megara hochnäsig auf das kniende Volk hinab. Unter die Menschenmassen vor dem Palast hatten sich Megaras Schergen geschmuggelt, um den kleinsten Hinweis auf Verrat zu erkennen und zu bestrafen. Niemand durfte seine Augen zur Majestät erheben. Und die kleine Ansprache der Herrscherin musste mit großem Jubel beantwortet werden. Wer es an genügend Freude fehlen ließ, machte sich verdächtig und wurde genau beäugt. Wenn er Pech hatte, würde er sich im Kerker wieder finden.

Auch die Höflinge und deren Ladys standen auf der prunkvollen Balustrade und sahen auf das Volk hinab. „Sieh nur, wie schmutzig einige von ihnen sind“, meinte eine junge Dame zu erkennen und rümpfte angewidert ihr Näschen. „Ja“, kicherte ihre Freundin leise, „man sollte dieses Geschmeiß in einen Trog werfen und waschen.“ Die beiden jungen Damen verstummten, als zwei hohe Beamte ihnen tadelnde Blicke zuwarfen. Zu Megaras Füßen hockte der einst stolze Gladiator Kreios mit seinem breiten Halsband und dem Keuschheitsgürtel aus purem Gold. Er war zu einem Schoßhündchen degradiert worden.
Bis auf einen dünnen Lendenschurz aus weißer Seide trug er keine Kleider. Sein Halsband war mit einer Kette verbunden, die Megara an ihrem Thronstuhl befestigt hatte. Früher hatte sie so oft einen zahmen Leoparden durch den Palast geführt. Doch nun erfreute sie sich an ihrem Kreios.

Nach der Ansprache erwartete die Regentin in der Empfangshalle des Palastes die Präsente der Bittsteller. Sie ließ sich großzügig beschenken und hörte sich scheinbar wohlwollend die Wünsche der Männer an. Doch ihr Leibdiener und der Schatzmeister sahen sich gegenseitig in die Augen, als wollten sie sagen: „Davon wird Megara morgen schon nichts mehr wissen“. Später am Tag stellte der Schatzmeister der Königin die Bilanz über die Goldvorräte auf. Megara tobte: „Das heißt, es gibt in den vergangenen Monaten kaum Zuwächse? Und wovon soll ich den Kriegszug bezahlen?“ Sie wütete und schimpfte, warf mit Goldmünzen nach dem Beamten, dessen Samtbarett dabei verrutschte, und verzog ihr hübsches Gesicht zu einer wilden Fratze.

„Ehrenwerte Hoheit“, versuchte er sie zu beruhigen, wehrte die prasselnden Geldstücke mit den Händen ab und richtete seine Kopfbedeckung. „Euer Sohn hat einen hohen…. Bedarf… an… Gold gehabt und…“ Megara fauchte: „Talos, dieser Nichtsnutz!“ Sie hatte geahnt, dass ihre missratene Brut dahintersteckte. Der Schatzmeister zuckte hilflos mit den Schultern: „Das Volk hungert. Unsere Steuereintreiber pressen so viel wie nur möglich aus ihnen heraus, aber mehr ist einfach nicht aufzutreiben…“ „Halt dein Schandmaul“, keifte Megara. „Füll die königliche Truhe mit Gold, oder ich werde sie mit deinen Innereien füllen, du impertinenter Versager.“ Der Schatzmeister verneigte sich: „Sehr wohl, Majestät.“ Megara rief nach dem Hauptmann der königlichen Gardisten, einer Art Geheimeinheit für besondere Fälle. Talos hatte den Bogen überspannt. Mit seinem ausschweifenden Lebensstil hatte er nicht nur die Staatskasse geplündert; dieser nichtswürdige Fettwanst würde endlich aus der Thronfolge verschwinden müssen.

Noch am selben Tag ritt eine dunkle Gestalt aus dem Palast. Der vollständig in schwarz gewandete Reiter war ein gefürchteter Assassin – ein Auftragsmörder. Sein königlicher Auftrag sollte ihn nach Norden führen. Die Palastwache erschrak, als sie den Mann erblickte. Die dunkle Gestalt trug einen kleinen schwarzen Spitzbart und hatte ausgeprägte dunkle Augenringe. Doch die Augen selbst strahlten eine gletscherblaue unergründliche Tiefe und Kälte aus, die selbst den gestandenen Wächter erschauern ließ.
Schnell sprang er zur Seite, um von dem schwarzen Ross nicht umgestoßen zu werden.

In der Schlossanlage lustwandelten derweil unbeschwert die jungen Damen des Hofes in ihren kostbaren Kleidern und hochgesteckten Frisuren, spielten mit ihrem wertvollen Geschmeide oder sahen einigen ausgemergelten Haussklaven zu, wie sie in der Hitze des Tages schwitzend ihre Arbeiten verrichteten. An einer Stelle des Palasthofes waren dumpfe Schreie und klatschende Geräusche zu hören: Offenbar wurde hier ein Sklave ausgepeitscht. „Kommt“, rief eine der Ladys. „Lasst uns zuschauen.“

Vier junge Damen liefen ohne Zaudern, ihre Röcke raffend, zu dem Bestrafungsplatz und blieben in respektvoller Entfernung stehen. Zwei Soldaten wechselten sich mit Peitschenhieben ab, die sie einem nackten Sklaven verabreichten, der mit ausgestreckten Extremitäten an einem senkrechten Gitter festgebunden war. Rücken und Gesäß waren mit unzähligen Striemen bedeckt. Eine Lady mit langen blonden Haaren zeigte kichernd zwischen die Beine des Delinquenten, wo sein Gemächt zu sehen war, als der Sklave unter Schmerzen zitterte. Einer der Soldaten schüttete einen Zuber mit Wasser über die Rückseite des Sklaven, der sich windend an der Gitterwand aufbäumte.

„Lass uns eine Pause machen“, schlug er seinem Kameraden vor. „Ich habe Durst.“ Der andere Wachposten nickte, und die Männer verschwanden im Schatten des Hofes und betraten einen Nebenflügel des Palastes, wo das Hauptquartier der königlichen Wache untergebracht war. Der Gezüchtigte hing weiterhin leise stöhnend in der prallen Sonne.

Nun trauten sich die jungen Damen näher an den Sklaven heran und bestaunten die tiefroten Striemen. Eine Lady wagte es, die Pobacken des Gefesselten zu berühren und über die geschändeten Stellen zu streichen, was den Sklaven aufzucken ließ. War es der Schmerz, oder war er der Umstand, von einer Edeldame berührt worden zu sein? Im ersten Moment schreckte die Lady zurück, doch dann tippte sie erneut an das geschundene Fleisch. Wieder zuckte der Sklave. Langsam bekam die junge Frau Spaß an dem Spiel und stach mit ihrem Finger wieder zu. Immer wieder.

Kichernd stellte sie fest, dass der Mann jedes Mal kräftig zuckte und ein Ächzen zu unterdrücken versuchte. Nach und nach wurden auch ihre Freundinnen mutiger und fassten den Gefangenen an. Albern gackernd untersuchten sie das Gemächt, das unter ihren Berührungen hart und groß wurde. Die Reaktion führte zu weiterem Gekicher. „Die Posten kehren zurück“, sagte eine der Ladys erschrocken, und flugs lief die Mädchenschar hüpfend und fröhlich lachend zurück in den Lustgarten. Bald darauf begann das Klatschen der Peitsche erneut. Der Geschundene heulte auf. Die Frauen aber hatten das Interesse an dem Sklaven verloren und spielten lieber mit einem Ball.
21. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von AlfvM am 06.05.18 20:19

Hallo Prallbeutel,
vielen Dank für die Fortsetzung. Ich habe mir die 1. Ausgabe zu Gemüte geführt und fand sie gigantisch. Was mir vielleicht noch besser gefallen hätte, wenn sich Leda mit dem Volk mit dem Schießpulver verbündet hätte. Auch hätte ich mir vielleicht auch ein glücklicheres Ende von Leda und Abas gefallen, aber vielleicht fällt dir ja bei der überarbeitung noch was ein. Falls nicht machts auch nichts es ist deine Geschichte und mir hat sie trotz allem was die Helden aushalten mussten super gut gefallen. Bitte mach bald eiter.
Lg Alf
22. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 20.05.18 19:30

Leda und Abas überquerten eine Graslandschaft und suchten anschließend in einem Labyrinth aus roten hohen Sandsteinfelsen Unterschlupf. Doch die Räuberbande blieb ihnen auf den Fersen. Zwischen den Felsen wendete Leda das Pferd und raste in eine andere Richtung weiter, wechselte wieder und sprang von dem Tier ab, schob es samt Abas schnell zwischen zwei hohe Felsen in eine dunkle Nische und kletterte an einer Seite des hohen Gesteins empor.

Von oben wollte sie beobachten, wo die Marodeure erschienen, um sie mit Pfeilen einzudecken. In wenigen Augenblicken erreichte sie die flache Decke des Felsens und kroch auf dem Bauch an den Rand, ihren Bogen bereit zum Kampf. Tatsächlich: Die fremden Männer näherten sich in ihrem Versteck. Weil sie die Hufspuren untersuchten, war einer der kräftigen Kerle abgesprungen und zeigte in die richtige Richtung. Leda konnte von ihrer hohen Zufluchtsstätte alles genau überblicken. Sollte sie jetzt die Verfolger aus dem Hinterhalt mit Pfeilen spicken? Aber würde sie gleich alle Räuber erledigen? Wohl nicht. Dann wäre ihr Schlupfwinkel verraten…

Die Horde wilder Männer ritt mit gezückten Beilen und breiten schartigen Schwertern um den Felsen und näherte sich gefährlich Abas Nische. Noch wenige Augenblicke, dann würden die Ersten ihren Gefährten und das Pferd entdecken… Leda konnte die finsteren Augen der vorderen Banditen sehen, deren Blicke sich für sie anfühlten wie wühlende Messer in ihrem Bauch. Doch im letzten Moment stoppte der Vortrupp auf einen Pfiff des flachsblonden bärtigen Anführers, der sie mit rauer Stimme zurückrief: „Die sind längst über alle Berge. Wir kehren um. Zwischen den Felsen verlaufen sich die Spuren. Der Untergrund ist zu hart.“

Die Männer drehten ihre Tiere grummelnd herum und folgten ihrem Befehlshaber.
Ledas Herz schlug ihr bis zum Hals. Das war knapp! Sie sah, wie die Schar Reiter zwischen dem rötlichen Felsgestein verschwand. Bald waren sie auch nicht mehr zu hören. Leda kletterte erleichtert von der Felsnase hinab zu Abas. Dabei wäre sie beinahe von dem glatten Stein gerutscht, als sie erschrocken einen kleinen Vorsprung losließ, weil sich eine Ringelnatter in einer Rille der Wand entlang schlängelte.

Endlich konnten die zwei Flüchtigen ihre Reise nach Norden fortsetzen. „Wohin reiten wir eigentlich?“ fragte Abas. Leda antwortete: „Wir müssen zunächst aus der Reichweite von Megaras Armee gelangen. Und dann wenden wir uns Richtung Westen, wo der große Ozean liegt. Die Ländereien an der Küste sind frei. Dort können wir uns niederlassen.“
Sie drehte sich im Sattel zu ihrem Liebsten um und meinte schmunzelnd: „Das heißt, wenn du mit mir die Zukunft teilen möchtest.“ Abas küsste sie als Antwort auf ihre Lippen und klammerte sich an ihren Leib. Ein elfenhaftes Lächeln huschte über Ledas Gesicht.

Lykos reichte dem Wächter an dem Tor eine Münze, die er seinem Lederbeutel entnommen hatte. „Klar habe ich sie gesehen“, teilte der Mann mit und schloss seine Hand mit den schwarzen Fingernägeln gierig um das Silberstück. „Sie waren hier und haben in der Taverne übernachtet. Doch sie sind schon lange wieder weiter geritten. Richtung Norden.“ Lykos versorgte sich eilig mit Proviant und Wasser, tauschte sein Reitpferd gegen einen frischen Falben aus, den er bei einem Stallmeister erhielt, der in seiner derben Pelerine eher wie ein Mönch aussah, und folgte den Flüchtigen im Galopp.


Tagelang verfolgte Lykos nun schon das junge Paar. Gerade ritt er an einem Waldrand entlang und folgte den Spuren des gesuchten Tieres. Ein Hufeisen war ein wenig verbogen, so dass er sich sicher war, immer noch auf der richtigen Fährte zu sein. Doch plötzlich stellten sich ihm vier finstere Gestalten auf ihren Rössern in den Weg. Der Soldat überlegte, ob er wenden oder an ihnen vorbeipreschen sollte. Waren es Wegelagerer, die lediglich einen Zoll erhoben, oder sollte er von Strauchdieben ausgeraubt werden?

Gemach kam er näher, aber da sah er, wie einer der Männer an der von ihm abgewandten Seite eine Armbrust spannte. Die anderen hatten ihre Hände auf die Knäufe ihrer breiten Schwerter gelegt. Lykos war nicht wohl bei der Sache. Vier gegen einen. Spätestens gegen die Schusswaffe hatte er keine Chance. Schnell entschloss er sich zur Flucht. Mit einem kräftigen Zug am Zügel drehte er das aufbäumende Pferd auf der Hinterhand herum, so dass der Lehm in Brocken durch die Luft schleuderte, und dann jagte er den Weg zurück, tief gebeugt über den Sattel, um dem Schützen ein möglichst kleines Ziel zu bieten.

Doch kaum hatte er einen guten Steinwurf zurückgelegt und dabei das Quartett hinter sich, so sah er den Weg erneut versperrt. Lykos fluchte lästerlich und bremste seinen Gaul hart. Die Kerle hatten Komplizen, die ihn in die Zange nahmen! Er war in einen Hinterhalt geraten! Da blieb nur der Ausweg in den dichten Wald. Todesmutig jagte er den Vierbeiner in das dichte Unterholz. Er übersprang ein grünes Gebüsch und raste zwischen den dicken Baumstämmen tiefer in das Gehölz hinein. Vielleicht wagten die Räuber den Sprung nicht…

Doch da hatte sich Lykos geirrt. Zwar umrundeten die Männer das Dickicht, doch kannten sie sich offenbar gut aus, denn sie nahmen ihn wieder in die Zange und kürzten den Weg sogar noch ab. Damit waren sie ihm wieder dicht auf den Fersen. Wenn das Pferd jetzt über eine Wurzel, einen Fels oder einen Ast stolperte, so war es um es geschehen - und um ihn ebenso.

Kaum hatte Lykos den unheilvollen Gedanken gefasst, da geschah es schon: Im gestreckten Galopp strauchelte sein Tier und rutschte so unglücklich, dass sein Reiter durch die Bewegung nach vorne aus dem Sattel katapultiert wurde. Im hohen Bogen flog Lykos auf den Humusboden und überschlug sich ein halbes Dutzend Mal, bis er hart gegen einen Baumstumpf prallte, wo seine Reise brutal gestoppt wurde. Benommen rappelte er sich auf und wollte das Schwert ziehen, da spürte er bereits eine scharfe schartige Klinge an seiner Kehle. Lykos atmete schwer. Er ließ seine Waffe langsam wieder in die Lederscheide sinken und schielte nach der Klinge und den Räubern, die ihn umkreist hatten und ihn höhnisch angrienten.

Leda und Abas waren in der Zwischenzeit durch eine weitere kleine Siedlung gekommen, die an einer Wassermühle lag. Auch dort hatten sie ihren Proviant erneuert und in einem großen Holzzuber ein erfrischendes Bad genommen und sich gegenseitig eingeseift und sich dann in dem heißen Wasser in ihrem Liebesspiel verloren...

Später sahen sie auf dem alten Marktplatz einen Pranger, in dem ein Unglücklicher steckte. „Was hat es mit ihm auf sich?“ fragte Leda einen Mann in einem fadenscheinigen Wams, bei dem sie einen Feuerstein kaufte und ihre Klingen schärfen ließ. Sie nickte zu der Gestalt in der Sonne hinüber. Der Mann spuckte zu Boden. „Der Bursche hat Deimos bestohlen, so heißt es. Deimos ist der reichste Mann unseres Ortes“, sagte der Mann erklärend. Leda blickte zu dem Delinquenten hinüber, der kraftlos in dem Pranger stand.
„Nun ja“, räusperte sich der Dorfschmied. „Man munkelt etwas anderes, aber…“

Leda wurde neugierig. „Was munkelt man?“ „Nun ja“, wiederholte sich der Mann. Jetzt hielt er eine seiner mit Schwielen bedeckten Hände vor den Mund und blickte aus den Augenwinkeln zu den Seiten, ob auch keine ungebetenen Zuhörer anwesend waren. Seine Fingernägel waren schwarz wie Pech. „Boreas heißt der Knabe. Und er hatte ein Auge auf Deimos Tochter Hebe geworfen und das Lager mit ihr geteilt. Doch einem Nebenbuhler - dem Sohn des Schultheißen – war sie versprochen. Und da hat der junge Mann dem Vater seiner Angebeteten von dem angeblichen Diebstahl berichtet…“

Ledas Mund öffnete sich. „Ach?“ Wieder sah sie zu dem jungen Burschen. Mehrere junge Mägde in geflickten Leinenkleidern umtanzten ihn nun und schnitten ihm Grimassen und beschimpften ihn. Leda beobachtete, wie eine der Frauen den Unglücklichen anspuckte, wie eine andere ihm einen kräftigen Tritt in den Allerwertesten versetzte, und wie eine dritte Boreas mit einem Lehmklumpen bewarf.

Leda bezahlte den Schmied und suchte Abas auf, der in einer nahen Schenke einen Krug kühles Bier trank. Als die Zwei sich schließlich zur Weiterreise fertig machten, ritten sie über den Marktplatz und beobachteten, wie eine Gruppe Mägde kichernd und feixend um den Pranger stand. Vom Rücken ihres Rappen konnten Leda und Abas sehen, dass jemand dem Burschen dessen Hose hinuntergezogen hatte. Ein junger Knecht gefiel sich darin, sich vor den jungen Fräuleins aufzuspielen und den wehrlosen Boreas mit dessen Ledergürtel zu schlagen. Lautes Gekicher war zu hören.

Angewidert stellte Leda bei genauerem Hinsehen fest, dass jemand dem Unglücklichen eine Rübe in den Hintern gerammt hatte. Für das Gesinde war das Spektakel ein großer Spaß. „Warum sagt die Tochter dieses Deimos nicht, wie es wirklich war?“ fragte Abas, dem Leda die Geschichte in der Taverne erzählt hatte. Leda brachte ihr Ross in Trab und antwortete: „Sie würde vermutlich ausgestoßen werden. Da wählt die Maid lieber die Alternative.“ Abas brummelte etwas, aber Leda hörte nur den Wind an ihren Ohren rauschen. Abas hörte noch, wie der Pöbel laut johlte, aber dann waren sie schon jenseits der Palisaden der Ansiedlung.

„Hoheit“, kündete Talos Diener den Besuch an: „Megara schickt Euch den Sonderbeauftragten Nyx mit einer sehr wichtigen und eiligen Meldung.“ Der Prinz, der sich gerade die dicken Finger vom Fett ableckte, schmatzte: „Wer stört mich bei den gebratenen Tauben? Was will der Mann? Ich kenne keinen Nix oder Nyx.“ Xeno machte ein dummes Gesicht. „Er ist Sonderbeauftragter von Königin…“ „Ja“, unterbrach Talos den Untergebenen unwirsch. „Dann bring ihn halt herein.“ Xeno verschwand hinter einem Vorhang, und kurz darauf kehrte er mit einem Mann zurück. Talos zuckte im ersten Moment zurück. Diese schwarz gewandete Gestalt machte einen unheimlichen Eindruck auf ihn. Hätte Xeno nicht von einer wichtigen Botschaft gesprochen, hätte Talos den Mann gar nicht empfangen.

„Was will er?“ fragte er pampig und griff nach seinem Weinkelch, ohne dem Gast etwas anzubieten. Nyx verbeugte sich nur leicht und zog seine Haube etwas zurück. Doch das Gesicht des Mannes ließ Talos noch mehr erschrecken: Eiskalte Augen betrachteten den Prinzen wie ein Reptil, dass seine Beute fixierte. „Die hohe Regentin schickt mich, mein Prinz. Ihr schwebt in großer Gefahr.“ Talos zuckte zusammen. „Was? Gefahr? Wieso? Ich?“ Der Abgesandte nickte ergeben. „Der königliche Seher sagt einen Mordversuch auf Euch voraus.“

Talos Hängewangen schlackerten ungläubig und ein Faden Speichel lief ihm vor Aufregung aus dem Mund. „Aber… Wer könnte so böse sein? Mein Volk liebt mich doch“, empörte er sich. Nyx Züge verkrampften sich kaum merklich. „Xeno“, rief Talos schrill aus voller Kehle. Der Leibdiener erschien sofort. „Ja, mein Prinz?“ “Schafft mir Hauptmann Kreon her! Rasch! Es geht um Leben und Tod!“ Nyx eiskalte Augen verkleinerten sich.

Wenige Augenblicke später erschien der Soldat in einem dicken Lederwams mit überlappenden Eisenscheiben. Talos berichtete aufgeregt und kurzatmig von der Neuigkeit. „Ihr müsst ab sofort ständig bei mir sein. Sollte mir nur ein Haar gekrümmt werden, wird Euer Kopf rollen.“ Kreon verneigte sich. „Jawohl, mein Prinz.“ „Gut“, sagte Talos, jetzt schon etwas beruhigter. Der Hauptmann gehörte zur Soldatenelite. In seiner Nähe fühlte sich der Prinz sicher.

Talos griff nach dem letzten Taubenflügel und stopfte ihn in den Rachen. Als er wieder zu Kreon blickte, sah er, wie der Hauptmann ihn glasig anstarrte. Talos schmatzte spuckend die Worte hervor: „Was siehst du mich so impertinent an, du…“ Der Rest blieb ihm, wie der gebratene Federvieh auch, im Hals stecken: Kreon sackte auf die Knie und fiel mit einem einzigen Klatsch flach aufs Gesicht. Ein kleines Messer steckte bis zum Heft in seinem Nacken. Talos kreischte schrill. Der Anblick des toten Hauptmanns hatte ihn in Todesangst versetzt. Was war hier geschehen?

Der dicke Prinz würde niemals erfahren, dass Nyx den Leibwächter blitzschnell ausgeschaltet hatte, und auch seinen eigenen Tod sah Talos nicht mehr kommen.
Mitten in seinem hysterischen Schrei verstummte er plötzlich und sah mit hervortretenden Augen auf seine fette Brust hinab, auf der sich ein roter Fleck ausbreitete. Nyx hatte Kreon bereits bei dessen Eintritt unbemerkt seinen Dolch abgenommen und nun auf den Thronfolger geschleudert. Die Klinge hatte sich tief in Talos Herz gebohrt.

Der Prinz hatte noch die Kraft, mit beiden Händen zitternd den Griff der Waffe zu umklammern, konnte sie aber nicht mehr hinausziehen. Mit einem lang gezogenen Stöhnen kippte er zur Seite und hauchte sein Leben aus. Eine bloße Backe seines voluminösen Hinterns war zu sehen, als das Gewand verrutschte - eine wahrlich unwürdige Position. In diesem Moment stürmten sechs Wachen in härenen Mänteln in das Zelt. Doch sie konnten entsetzt nur noch das Ableben des Thronerben feststellen.

Eine Stunde später saß Nyx bei Paladin Telamon. Der Kriegsfürst las aufmerksam zum bereits fünften Mal die königliche Nachricht auf der Pergamentrolle mit dem Wachssiegel der Megara, die Nyx bei sich gehabt hatte. „Niemals hätte ich Kreon diese ehrlose Tat zugetraut. Er war dem Königshaus seit vielen Jahren treu ergeben.“ Telamon schüttelte den Kopf. Nyx meinte ernst: „Leider kam ich zu spät. Sicherlich hätte unsere Königin den Mörder lieber lebend gehabt, um ihm für diesen abgrundtiefen Frevel zu häuten, aber ich musste schnell reagieren. Ich hatte gehofft, Kreon noch aufhalten zu können…“ Scheinbar betrübt brach Nyx ab.

Telamon fasste dem Sonderbeauftragten an die Schulter. „Ihr habt richtig gehandelt. Ich werde die traurige Nachricht sofort mit der Krähe zu Megara schicken.“ Nyx nippte an einem Zinnkelch. Wie süß der Wein schmeckte. Er war rot wie Blut und mundete wie Nektar. Telamon fertigte die Depesche an, steckte sie in eine winzige Rolle und rief nach einem Soldaten, der sie an einem Vogel befestigte. Als Nyx sich in sein Quartier verabschiedete, lehnte sich der Paladin auf seinem Stuhl zurück und grinste. Endlich war er diesen plumpen törichten Nichtsnutz von Prinzen los. Er musste sich nicht mehr mit dieser geballten Inkompetenz und Arroganz herumplagen. In der Armee der Regentin hatte man schon lange gemunkelt, dass Talos eines Tages solch ein Schicksal ereilen würde.

Im Palast der Megara langweilten sich einige Hofdamen bei der dargebotenen Harfen- und Flötenmusik. Viel lieber hätten sie sich mit jungen Edelmännern in ihren Gemächern fleischlich vergnügt. Die Ladys hatten eine Geheimsprache entwickelt, so dass sie auch im Beisein der Herrscherin von ihren Liebschaften schwatzen konnten. Eine Dame mit einer kecken Stupsnase erzählte von einem Hengst, den sie jüngst gekauft habe, und den sie nun einreiten wolle. Ihre Freundinnen wussten natürlich, dass sie verbotenerweise einen jungen Burschen aus dem Gesinde verführt hatte. War es der Stallbursche gewesen? „Du bist zu beneiden“, schwärmte eine junge Zuhörerin. „Ich hätte auch gerne so ein Ross. Oder noch besser ein Schoßhündchen.“

Bei ihrem letzten Wort sah sie auffällig zu Megaras Liebessklaven Kreios, der zu Megaras Füßen in seinem goldenen Keuschheitsgürtel hockte und scheinbar der Musik lauschte, wie seine Herrin auch. Megara trug heute eine edle und reich bestickte Robe mit Schleppe und ließ sich von zwei Sklaven, die nur einen Lendenschurz trugen, mit großen Palmenblättern kühle Luft zufächeln.

Eine andere Dame mit kunstvoller Turmfrisur und einem roten Seidenkleid schwelgte in Gedanken, wie sie mit ihren Freundinnen eine lustige Sklavenhatz im Lustgarten veranstaltete und die nackten und an den Füßen gefesselten Leibeigenen mit Peitschen von einer Stelle zur anderen trieb. Das wäre viel amüsanter als dieses Gedudel von Höflingen, denen sie am liebsten in ihre kleinen Gemächte treten würde, damit sie endlich still wären.

Als das Konzert beendet war, erschien eine Bauchtänzerinnengruppe in hauchdünnen Gewändern und präsentierte ihre Kunst. Megara war jedoch schnell gelangweilt und meinte zu Kreios: „Du solltest mittanzen. Vielleicht bringt mich das zum Lachen.“ Mit einer knappen Geste rief sie einen Wachmann und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Kurz darauf erschien der Mann mit einer kleinen Schatulle und überbrachte sie der Königin.
Megara holte daraus mehrere kleine Klammern, an denen Glöckchen angebracht waren.

Kreios musste vor ihr knien. Nun befestigte die Regentin an jede Brustwarze des Sklaven ein Glöckchen, dann an jedem Ohrläppchen eine, und schließlich klemmte sie noch drei Glöckchen an Kreios Männlichkeit. „Tanz für uns!“ rief Megara laut und schickte den Riesen in die Saalmitte auf den Marmorboden zwischen die Tänzerinnen. Als er nicht schnell genug reagierte, stieß ihm eine Wache einen Stab in seinen Bauch und drückte ihn weiter. Die Musik begann, und Kreios klingelte durch seine ungelenken Bewegungen wie ein Glockenspiel. Die Hofdamen und Edelleute lachten herzhaft über die ungeschickten Tanzversuche des ehemaligen Gladiators und zeigten mit den Fingern auf den Sklaven, der sich vor der Gesellschaft zum Narren machte.

Nach der Darbietung schlich sich Kreios mit gesenktem Haupt und puterrotem Kopf zurück vor Megaras Füße. Die Tyrannin befreite ihn nicht von den beißenden Klammern.
Doch war für den Sklaven der Gesichtsverlust viel schlimmer als die Pein auf seiner Haut.
Hatte er zuvor vielleicht noch einen Funken Würde gehabt, so war dieser nun endgültig erloschen. Als die Tanzgruppe aus dem Saal geführt wurde, griff plötzlich einer der Höflinge, der vor der Tür gewartet hatte nach dem Arm eines der Mädchen. „Komm her, ich bringe dich in mein Gemach, süße Maid.“ Doch die junge Frau mit den langen pechschwarzen Haaren wehrte sich entsetzt. „Nein, ich…“ Der Mann zerrte sie von den anderen weg und presste sie an seinen Körper. „Was ist? Willst du mir deine Gunst verwehren?“ Dann packte er ihren zarten Nacken und zwängte ihr einen feuchten Kuss auf.

Die Tänzerin zog ihre Fingernägel über die Wange des Höflings. Der Mann packte ihre Hände und bog sie ihr auf den Rücken. „Ei, was habe ich gefangen? Eine Wildkatze? Dich werde ich zähmen, mein Kätzchen.“ Er zerrte die Maid mit sich und verschwand in dem dunklen Gang, der zu seinem Gemach führte. Die anderen Frauen hatten die Szene erschrocken beobachtet und eilten nun schnell in ihre eigenen Gemächer, bevor sich andere Gecken sich ihrer bemächtigten.

Bald fand sich die Tänzerin in der Bettstatt des Edelmannes wieder und umschlang ängstlich die angezogenen Knie, nachdem der Entführer sie auf sein Lager geworfen hatte. Der Mann grinste fies und kam auf seine Bettgefährtin zu. Er riss ihr das Seidentuch vom Leib, so dass er den nackten wundervollen Leib betrachten konnte. Er leckte sich über die Lippen und nestelte an seiner Hose, um sein Gemächt zu ziehen. Die Frau wehrte sich mit Händen, Füßen und Zähnen, und als der Mann trotz allem in ihre Weiblichkeit eindrang, entfuhr ihr ein spitzer Schrei. Doch dann erlosch ihr Widerwille. Das Mannsbild stach wild in die Tänzerin unter ihm und beglückte sie mit seinem heißen Samen bereits nach wenigen Momenten.

Als er von ihr stieg, bliebe die Dame ruhig liegen und griff sich zwischen die Schenkel.
„Was ist das?“ fragte sie erstaunt und betrachtete seinen Saft. „Du warst Jungfrau?“ fragte er überrascht und gleichzeitig freudig. Die Maid nickte schüchtern. „Hast du mich zum Weibe gemacht?“ wollte sie wissen. In der nächsten Stunde liebten sich die Beiden erneut. Dieses Mal war der Höfling zärtlich und einfühlsam und beantwortete alle Fragen, die die Maid stellte. Schließlich war der Mann bereit, ein zweites Mal seinen Samen zu verschenken, als auch die Maid heiser stöhnte und zuckte. Kurz darauf kleidete sie sich wieder an, und mit einem langen Kuss verabschiedeten sich die Beiden voneinander. Das Weib hielt sich das Dekolletee zu, da der Saum weit eingerissen war. Sie eilte in ihr eigenes Gemach, um nicht gesehen zu werden.
23. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von AlfvM am 09.06.18 13:02

Hallo Prallbeutel,
vielen Dank für die Fortsetzung,ich freu mich auf die nächsten Teile.
VG Alf
24. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 10.06.18 16:27

Leda und Abas ritten auf einen riesigen Obelisken zu. Er ragte steil in den Himmel. Als sie näher kamen, erkannten sie erst die wahre Größe des Bauwerks. Auf einem Sockel aus schwarzem Basalt, der alleine etwa zwölf Fuß hoch war, ragte der große Spitzpfeiler weitere 40 Fuß in die Höhe. Auch der Obelisk war aus schwarzem Gestein und bedeckt mit eingeritzten fremdartigen Runen. „Was sie wohl zu bedeuten haben?“ fragte Abas, aber auch Leda konnte die Zeichen auch nicht lesen.

Vor dem Sockel war eine Zisterne angelegt. Die beiden Reisenden sprangen vom Pferd und erfrischten sich an dem kühlen und klaren Wasser. Als sie gerade ihren Weg fortsetzen wollten, tauchten aus dem nahen Waldrand sechs Mönche in braunen Kutten auf, die sich mit kurzen knotigen Seilen den Rücken geißelten und Gebete murmelten. Abas staunte: „Warum schlagen sie sich?“ Leda erklärte ihm, dass einige Mönche der nordischen Götter so ihre Buße taten. „Sie tragen auch Dornengürtel um die Beine“, wusste sie aus einer Erzählung zu berichten. Abas sah den seltsamen Männern staunend nach.

„Schnell, wir müssen weiter“, sagte Leda plötzlich und stieg auf das Ross. Von weitem war Pferdegetrappel zu hören. „Es könnten Soldaten des Nördlichen Königreiches sein. Wenn sie uns sehen, greifen sie uns entweder an oder rekrutieren uns für ihre Schlachtreihen.“ Abas sprang hinter Leda in den Sattel, und schon lenkte die ehemalige Soldatin den Vierbeiner in ein nahes Gebüsch. Kaum waren sie darin verschwunden, tauchte hinter einem Hügel eine Schar gerüstete Reiter auf, die wie nordische Krieger aussahen. Und sie ritten genau auf die Beiden zu…

Die Räuber lachten rau über den hilflosen Lykos, der nur noch mit einer kurzen Baumwollunterhose bekleidet um Gnade bettelte. „Ich will sein Beinkleid“, rief ein Bärtiger lachend und zeigte mit seiner Schwertspitze auf Lykos Hüfte. „Bitte, edle Herren! So lasst mir wenigstens einen Lendenschurz, um meine Männlichkeit zu bedecken! Ich flehe euch an“, bat Lykos mit erhobenen Armen. Aber schon nahmen ihn zwei der Banditen in die Mitte und rissen ihm die Unterwäsche vom Leib. Grölend lachte die Bande, während einer der Männer die zerrissene Hose durch die Luft wirbelte wie eine Trophäe. Doch plötzlich erstarb das Gejohle und Gelächter. Die Männer starrten auf Lykos Keuschheitsgürtel.

„Schaut euch das da an! Der Bursche trägt einen Keuschheitsgürtel! Haha! Wer hat dich denn versklavt, Kerl?“ donnerte einer der Räuber. Zwei seiner Kumpane zogen und zerrten an dem eisernen Kleidungsstück, aber es ließ sich nicht abnehmen. „Bitte lasst mich gehen. Und gebt mir wenigstens ein wenig Stoff, um meine Scham zu bedecken. Ich flehe Euch an“, sprach Lykos zu dem Anführer.

„Mach, dass du zu deiner Herrin kommst“, grölte der Bärtige und kam drohend mit seinem Ross auf Lykos zu, der dem Pferd ausweichen musste, um nicht umgeritten zu werden und dabei das Gleichgewicht verlor und in eine modrige Pfütze fiel. Lachend trabte die Horde davon, Lykos ohne Habseligkeiten alleine im Wald zurücklassend.
„Bitte, mein Herr! Gebt mir meine Hose zurück. Habt doch Erbarmen! Lasst mir wenigstens meine Würde!“ rief Lykos und stolperte verzweifelt hinter den Reitern her. Aber die Bande drehte sich nur lachend im Sattel um und ritt galoppierend davon. Lykos knurrte: „Diese Scharte in meiner Ehre werde ich wieder auswetzen, sollte ich euch eines Tages wieder sehen! Das schwöre ich bei den Göttern!“

Abas und Leda waren vor Schreck zu Salzsäulen erstarrt: Die nordischen Soldaten ritten genau auf ihr Versteck zu! Keine größere Distanz, als ein Bursche einen Kirschkern spucken konnte, trennten sie noch… Abas schloss die Augen und sah sein Schicksal besiegelt. Hier und heute würde er sein Leben aushauchen. Doch er hatte nicht mit Ledas Einfallsreichtum gerechnet. Seine Gefährtin beschmierte schnell ihr Gesicht mit dem feuchten Waldboden und wies Abas an, ihr es nachzutun. Dann holte sie zwei Tücher aus der Satteltasche, band sie hastig Abas und sich um den Kopf und konnte noch gerade ein Stück eines roten Tuches zerreißen und eine lange schmale Bahn des Stoffes an einen Ast knoten, den sie in die Hand nahm, da stoppte die Reiterschar genau vor ihnen, während einer der Krieger mt kehliger Stimme rief: „Da sind zwei Gestalten hinter dem Buschwerk!“

Mehrere Soldaten legten ihre Armbrüste an. Auf ihren Rücken trugen die Kämpen stählerne Schilde. „Kommt raus!“ befahl eine dunkle raue Stimme eines gepanzerten Reiters. Leda flüsterte: „Lass mich sprechen!“ Die Zwei erschienen, ihr Ross ließen sie angebunden hinter dem dichten Blätterwerk. „Habt Acht!“ rief Leda und schwenkte den Ast mit der roten Fahne. „Die Pest!“ stieß einer der Reiter erschrocken aus und ließ sein Streitross einige Schritte rückwärts tänzeln. Das gewaltige Tier stampfte den staubigen Boden fest. Kaum konnte man sich vorstellen, dass dieses schwere Reittier in jungen Jahren ein zartes Füllen war.

Auch die anderen Kämpen waren von dem Zeichen der Aussätzigen beeindruckt und zogen sich zurück. „Wer seit ihr und wo wollt ihr hin?“ fragte der Anführer der Reitergruppe. Der Nordmann trug seinen langen Bart zu zwei Zöpfen geflochten, die jeweils von einem kleinen Metallring gehalten wurden. Sein Haar war an den Seiten geschoren, der restliche Schopf dafür umso länger. In seinem finsteren Blick lauerte Gier. Leda antwortete: „Sei auf der Hut mit deinen Mannen! Wir sind kranke Wandersleute und wollen nach Nordwesten zu den freien Gestaden, um einen Heiler aufzusuchen, der uns vom Schwarzen Tod erretten kann.“

„So dann!“ meinte der Soldat zurückzuckend. „Viel Glück dabei!“ Mit einer raschen Geste befahl er den Weiterritt. Bald schon war die Schar hinter einem Hügel verschwunden, und nur die staubige Luft und die Hufspuren zeugten noch von der Gefahr, die nun dank Ledas List gebannt war. Abas grinste: „Die Pest?“ Leda grinste zurück und wedelte mit ihrer roten Fahne.

Mehrere Tage vergingen. Die Reise führte Leda und Abas durch mehrere kleine Siedlungen, in denen sie nächtigten. In einer schmucken Taverne genossen sie frischen Honigmet, nahmen jedoch nicht an dem Saufgelage einiger Männer teil, die nach der wilden Orgie einer nach dem anderen an den grob geschnitzten Tischen einschliefen. Den Schankmädels war es nur recht, dass die groben Mannsbilder nicht mehr in der Lage waren, sich ihnen zu widmen.

Am nächsten Tag ruhten sich die Beiden in einer kleinen Waldlichtung auf einem dichten Moosteppich aus und liebten sich wie Mann und Frau. Sie waren glücklich und wollten die Zukunft gemeinsam verbringen. Doch fehlte noch ein wichtiger Aspekt, um den Göttern zu gefallen. Und als Leda im nächsten Ort einen Priester sah, besprach sie mit Abas eine wichtige Sache. Abas strahlte sie an: „Ja, meine Holde! Ich würde mir nichts sehnlicher wünschen!“ Und noch am gleichen Nachmittag ließen sie sich von dem Ordensmann mit einem alten Ritual als Weib und Mann verbinden.

In der Nacht feierten sie ihren neuen Treuebund auf heißblütige Art. Ihre nackten Körper zitterten vor Verlangen und steigerten ihre Lust und Leidenschaft gegenseitig in ungeahnte Höhen. Experimentierfreudig wechselten sie die Stellungen und genossen das gegenseitige Vertrauen, die Zärtlichkeit des Partners und das wohlige Prasseln der Gefühle, das ihre Leiber durchflutete. Leda schlief schließlich in Abas Armen ein und erwachte dort wie ein kleines Kätzchen erst mit den warmen Sonnenstrahlen des nächsten Tages, die sie kitzelten.

Nyx wurde von Megara im königlichen Palast unter vier Augen empfangen und erhielt von der Regentin bei dem konspirativen Treffen einen großen Leinenbeutel mit Goldmünzen für seine Dienste. Der Assassin lächelte mit dünnen Lippen kalt und verbeugte sich höflich. Dann zog er sich zurück und eilte durch die Gänge des Herrscherhauses. Doch er hatte die letzte Tür noch nicht erreicht, als ihn ein Pfeil niederstreckte, der ihn in den Rücken traf und sein Herz durchbohrte. Stumm und mit ungläubigem Blick sank der Meuchelmörder mit flatterndem Umhang nieder. Der Beutel mit dem Judaslohn fiel ihm aus der Hand und öffnete sich: Klimpernd rollten die Münzen über den kühlen Marmorboden.

Ein pockennarbiger Wächter ließ seinen Bogen zögerlich sinken. Zwei weitere Gerüstete näherten sich dem Leichnam und schleiften ihn weg. Wenige Augenblicke später erschien der pockennarbige Schütze bei der Königin und erklärte steif, den Auftrag erfolgreich ausgeführt zu haben. Später fragte er sich, was es wohl mit dem Geheimbefehl auf sich gehabt hatte. Wer war der Mann gewesen, den die Königin töten lassen wollte? Und warum? Doch die Goldmünzen, die er von Megara erhielt, ließen seine Lippen schweigen. Zufrieden zückte er seinen Dolch und spießte einen Apfel auf, an dem er genussvoll knabberte.

Auch Megara war glücklich. Der Bastard war tot. Offiziell musste sie Trauer tragen. Doch innerlich frohlockte sie wie selten zuvor. Nyx hatte den Leichnam von Kreon, dem vermeintlichen Prinzmörder, mitgebracht. Megara befahl, den verräterischen Hauptmann aufzuspießen und vor dem Palast als Abschreckung auszustellen. Die Wachen rissen ihm die Kleider vom Leib und steckten ihm eine Lanze in den Hintern, stellten den Stab senkrecht auf, zerrten Kreon tiefer auf den Speer hinab und verlängerten den Stiel noch mit einem mehrere Schritt langen Pfahl, der in die Erde gerammt wurde. Bald schon würde der Kadaver von Fliegen bedeckt sein…

Lykos irrte noch immer durch den Wald, nur mit einem spitzen Ast bewaffnet, den er sich zur Jagd aus einem Baum gebrochen hatte. Bisher war er nur in der Lage gewesen, ein mickriges Kaninchen zu erlegen. Das kleine Fell sorgte wenigstens für einen Lendenschurz, aber das Fleisch hatte nur für zwei Tage gereicht. Mit knurrendem Magen durchstreifte Lykos den Wald nach Essen. „Schlimmer kann es im Hungerturm von Megara auch nicht sein“, murmelte er verdrießlich. Einige Zeit später fand er zwar immer noch kein jagdbares Tier, aber einen Strauch mit Beeren, die er pflückte und einige davon probierte. Sie schmeckten säuerlich, aber sie waren besser als nichts.

Anschließend traf er auf einen schmalen Pfad, dem er folgte. Nach mehreren Meilen erreichte er einen breiteren Weg, den er nun endlang lief. Er fragte sich resignierend, ob er die Soldatin, die ihn in den Keuschheitsgürtel gesperrt hatte, jemals wieder sehen würde. Ihre Spur hatte er längst verloren. Nach einer Stunde sah er in der Ferne dünnen Rauch aufsteigen. Eine Kolonie, wie er vermutete. Lykos genierte sich ein wenig, nur mit dem Kaninchenfell bekleidet, aber was sollte er tun? Er musste in die Siedlung und um Hilfe bitten. Er brauchte Kleidung, ein Pferd, etwas zu essen und zu trinken und ein Bett. Und einen Waschzuber. Und Waffen…

Wer würde ihn mit all dem eindecken? Er hatte doch keine Münze mehr. Lykos seufzte. Aber ein Versuch war es wert. Vielleicht könnte er für die gewünschten Dinge arbeiten. Der Empfang im Dorf war schlimmer, als Lykos erwartet hatte. Er musste sich gegen eine Horde Jünglinge wehren, die ihn umtanzten und mit faulem Obst und Kieselsteinen bewarfen und als Bettler und Abschaum beschimpften. Sah er so schlimm aus? Lykos warf zurück und lief hinter einem besonders dreisten Jüngling her, aber die Überzahl der jungen Männer, die ihn umsprangen, war zu groß. Widmete er sich einem der Plagegeister, wurde er von hinten oder den Seiten von anderen beworfen, geschlagen oder geschubst.

Lykos flüchtete durch die Straße, verfolgt und gehetzt von der Horde übermütiger Jungspunde, die nach ihm griffen und schnappten wie ein hungriges Wolfsrudel. Plötzlich stoppten die Verfolger, als eine laute Stimme vor Lykos ertönte: „Verschwindet, ihr Dreckspack! Macht, dass ihr wegkommt! Oder ich hetzte den Hund auf euch!“ Lykos sah vor sich eine mit roten Schindeln gedeckte Hütte, in deren Tür ein Mann stand. Die Arme hatte er vor seiner breiten Brust verschränkt, machte aber eine freundliche Miene, wenn das überhaupt mit dem schwarzen Bart möglich war. „Kommt herein, guter Mann.“ Lykos wischte und rieb sich den Dreck ungelenk vom Körper und folgte dem Unbekannten in seine Behausung. „Seit ihr Opfer der Brut?“ fragte er. Lykos wusste nicht, was der Mann meinte und sah ihn fragend an. „Räuber. Banditen. Finstere Gestalten, die meucheln, morden, brennen und plündern. Berittene Söldner, die es auf einsame Wanderer abgesehen haben. Ihr seht aus, als habe man euch nicht viele eurer Besitztümer gelassen und euch bitter mitgespielt“, lachte der Mann heiser.

Lykos erzählte von dem Raub. „Setzt euch erst einmal“, zeigte der Mann einladend auf einen gepolsterten Stuhl aus Korbweide. „Habt ihr Hunger und Durst?“ Lykos bejahte. Die ganze Zeit hatte er schon einen herrlichen Duft in der Nase. Ein Vorhang aus Leder im hinteren Bereich des Raumes schob sich zur Seite, und eine wunderhübsche Frau erschien. Sie trug ihre langen blonden Haare zu zwei dicken Zöpfen geflochten über der Brust und war ganz in Wildleder gekleidet, das sich an ihren femininen Leib schmiegte.

Der Gast sah sie staunend an. In Megaras Reich trugen die Frauen ausschließlich Seidengewänder. Es sei denn, sie hatten sich dem Kriegsdienst verdungen. „Mein Weib Kreta“, stellte er die Schönheit vor. Lykos musste sich sehr beherrschen, um Kreta nicht weiterhin anzugaffen wie ein sabbernder Idiot. Der Exsoldat wäre auch ohne Keuschheitsgürtel beim Anblick dieser heißen Lenden selbst entflammt wie ein lodernder Flächenbrand. Aber mit seiner eingesperrten Lust, die kaum noch zu bändigen war, wurde es zur fast unmöglichen Aufgabe. Er musste ein Aufstöhnen unterdrücken.

Bei einem opulenten Festmahl - so kam es Lykos zumindest vor - und reichlich Honigwein genoss er die Gastfreundschaft des Mannes namens Rhodos. Bald gesellten sich noch Freunde des Hausbesitzers dazu, und in feiernder Runde hätte Lykos sein Schicksal fast vergessen, wäre da nicht Kreta gewesen, die auffällig seine Nähe suchte und auch fand.
Bald schon drückte und quälte Lykos sein eingesperrter Luststab immer mehr. Am liebsten wäre er sofort über Kreta hergefallen, um seine grausame Abstinenz zu beenden, doch wie sollte er das tun, als Träger eines Keuschheitsgürtels?

Der riesige Lustsklave der Tyrannin hatte das gegensätzliche Problem: Megara forderte ausgiebige Liebesspiele und überforderte selbst den potentesten Krieger mit ihrem Verlangen. Nach der Zeit im goldenen Keuschheitsgürtel war Kreios froh gewesen, endlich seine Männlichkeit wieder spüren zu dürfen. Aber die Regentin hatte vor lauter Gier sein Gemächt vollständig geleert und immer noch nicht ihre Lüsternheit befriedigt.
„Du Schlappschwanz!“ hatte sie den Ermüdeten beschimpft und mit ihrer Hand auf den großen Phallus eingeschlagen. „Bin ich dir nicht schön genug?“ fragte sie vorwurfsvoll. „Warum wächst dein Liebesschwert nicht mehr?“

Kreios sah sie hilflos an. Jeder Erklärungsversuch wurde sofort unterbrochen. „Geschwätz!“ keifte sie. „Entweder du wirst hart, oder du bekommst die angemessene Bestrafung wegen Majestätsbeleidigung!“ Kreios war verzweifelt. Was konnte er tun? Leider nichts. Nach fünf anspruchsvollen Ritten war er am Ende seiner Fähigkeiten angelangt. Egal, wie sehr er sich bemühte, ließ sein fleischlicher Krieger ihn im Stich. Megara rief nach ihrem Leibdiener und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Mit einem schadenfrohen Grinsen sah der Lakai Kreios an und verschwand, nur, um bald mit zwei kräftigen Wachmännern zu erscheinen, die den königlichen Schoßhund in Megaras Bad brachten, wo ein großes Wasserbecken zu ihrer Entspannung bereit stand. Doch heute sollte hier eine Bestrafung stattfinden.

Kreios, wieder in seinen goldenen KG geschlossen, erhielt eine Kette um die prächtigen Hoden. Ein Wächter stieg mit dem anderen Ende ins Becken und tauchte. Plötzlich spürte Kreios den Zug auf dem metallenen Seil und wurde an den Rand des Beckens gezwungen. Schließlich stieg er ins Wasser, denn die Fessel wurde immer kürzer. Megara sah zufrieden nickend zu. Kreios hielt sich inzwischen schwimmend in der Mitte des Beckens auf. Genau unter ihm endete die Kette in einem Ring am Beckenboden in etwa zehn Fuß Tiefe. Der Taucher durchbrach tief einatmend die Wasseroberfläche und schwamm zum Beckenrand, wo er ausstieg.

Megara machte es sich auf einem Diwan bequem und sah dem auf der Stelle schwimmenden Kreios zu. „Jetzt wollen wir sehen, ob deine Ausdauer wenigstens auf dem Wasser besser ist“, lachte sie schallend. Es war offenbar ein Zeichen für die jungen Hofdamen, das Bad zu betreten. Kichernd und auf Kreios zeigend, versammelten sich die Ladys um das Becken und tuschelten miteinander. Fröhliches Gelächter hallte durch den hohen Raum mit der verzierten Gewölbedecke, während Kreios allmählich Arme und Beine schwer wurden. Aufsteigende Panik konnte Kreios nur schwierig unterdrücken.
Und mit jeder Minute wurde es unmöglicher. Der Beckenrand war für ihn wegen der kurzen Kette nicht erreichbar. „Bitte! Majestät! Habt Erbarmen mit Eurem Sklaven! Lasst Gnade walten! Oder Euer Sklave säuft elendig ab!“

Die Bitte sorgte nicht für Mitleid sondern für ausgelassene Heiterkeit. Statt Kreios zu retten, trippelten die Hofdamen an einen Rand des Beckens und holten einen mehrere Ellen langen Holzstiel mit einem Haken am Ende, tauchten diesen ins Wasser und zielten mit dem Haken um ein Glied der Kette, drückten den Stiel nach unten, und kicherten albern, als Kreios untertauchte und nach Luft schnappte, weil seine Männlichkeit ihn weiter unter Wasser zog. „Hilfe!“ rief Kreios und wedelte mit den Armen in der Luft. Mehrfach tauchte er unter, kam wieder nach oben, doch dann drückten die Damen den Stiel so weit sie es vom Rand aus konnten nach unten, und ließen ihn in dieser Position.
Der Sklave war untergetaucht, versuchte mit Armen und Beinen an die Oberfläche zu schwimmen, aber der Widerstand war zu groß. Bald wurde ihm die Luft knapp…

Abas und Leda ritten weiter Richtung freies Westland. Bei einem Gehöft rasteten sie, hobbelten die Vorderbeine des Tieres, ließen es saufen und kauften dem Knecht duftenden Rehbraten ab, den er über einem Steingrill röstete, aus dem die Funken nur so flogen. Dazu erhielten sie jeder einen Krug Dünnbier, der ihnen nach der anstrengenden Reise sehr gut mundete. Der Knecht wollte wissen, ob die Gerüchte über einen bevorstehenden Kriegszug nach Norden stimmten. Leda bejahte und berichtete von dem, was sie wusste.

Eine Stunde später durchritten die Zwei eine Hügellandschaft mit saftigen Wiesen. Ein Nieselregen durchnässte die Beiden und das Ross. Für die feuchte Kleidung entschädigte sie ein wunderschöner Regenbogen, der sich bunt über den gesamten Himmel zog. Als die Sonne wieder kam, trockneten die Reiter schnell, und erreichten ein Feld aus dicken Felsen. „Sieh mal“, rief Leda und zeigte mit dem Arm nach vorne. Abas sah den blauen Horizont: Sie hatten das Große Meer erreicht, dass sich im Nordwesten am Rande des Kontinents erstreckte. So viel Wasser hatten sie beide in ihrem Leben noch nie gesehen.

„Jetzt brauchen wir uns nur noch an der Küste zu halten und weiter nach Norden zu reiten“, erklärte Leda, „dann erreichen wir das freie Westland, in dem uns eine neue Zukunft erwartet.“ Leda spornte den Vierbeiner an. Weit ausgreifend beschleunigte das Pferd das Tempo. Die Luft roch salzig nach dem Ozean. Am Ufer war ein breiter Streifen Strand zu sehen. Als sich die Reisenden im Sand niederließen, um zu rasten und ihren Proviant über einem kleinen Feuer zu erwärmen, überraschte Abas seine Holde mit einem selbst gefangenen Fisch, den er in Ufernähe mit einem Pfeil aufgespießt hatte. Bald schon duftete der gebratene Meeresbewohner herrlich und mundete ihren Gaumen noch köstlicher.

Zur gleichen Zeit befreite ein Wachmann den armen Kreios aus seiner misslichen Lage.
Literweise hatte der Sklave Wasser verschluckt und um sein Leben gekämpft, und schließlich hatte Megara dem grausamen Spiel der Hofdamen ein Ende gemacht. „Heute Abend wird es etwas noch Unterhaltsameres in der Arena geben. Das verspreche ich euch. Es wird euch gefallen“, verkündete die Regentin. Aufgeregt klatschten die Damen in die Hände und konnten es kaum noch erwarten.

Endlich war es so weit: Nach der obligatorischen Show der Artisten, Narren, Tierbändiger, Tänzerinnen, Messerwerfer und Feuerschlucker präsentierte ein Herold mit ausgebreiteten Armen: „Hohe Majestät, werter Königshof, verehrte Edelleute. Heute werden wir ein Wettrennen der besonderen Art erleben, dass besonders den Damen gefallen wird.“ Und tatsächlich sollten die Ladys vor Aufregung und Begeisterung kreischen und rufen, als acht Sklaven in die Arena gebracht wurden, die jeder an einem etwa mannslangen Seil einen Stein von ungefähr zwölf Pfund hinter sich herzogen - das andere Ende des Seiles war unterhalb ihres Luststabes an gewisser empfindlicher Stelle befestigt.
25. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von AlfvM am 10.06.18 18:21

Servus Prallbeutel,
vielen Dank für diesen Teil, ich freu mich schon auf die nächste Folge.
VLG Alf
26. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 18.07.18 20:04

Megara sah zu ihrer Befriedigung, dass die jungen Damen bereits Wetten abschlossen, welcher Sklave wohl der Schnellste, wer der Langsamste werden würde. Kreios kniete vor Megaras Füßen und zitterte noch vor Erschöpfung, denn das stundenlange Schwimmen hatte ihn sehr entkräftet. Wenn die Herrin heute Nacht erneut so ausdauernd seine Manneskraft fordern würde, konnte er für nichts garantieren. Und sein Versagen wäre vermutlich sein Todesurteil… Er hörte die ihn umgebenden Laute nur wie durch dicke Watte: die Jubel- und Anfeuerungsrufe der Ladys, die Schmerzensschreie der Leibeigenen.

Lykos drehte sich alles. Er hatte zu viele Krüge mit dem süßen Met getrunken. Aber irgendwie bekam er noch mit, wie die schöne Kreta seine Hand in ihren Ausschnitt steckte, wie er plötzlich die weichen und wohl geformten Brüste spürte, wie sein Gesicht in ihr Dekollete gedrückt wurde… Dann fiel Kreta lachend nach hinten, und Lykos fand sich über dem hübschen Weib wieder. Im letzten Moment beherrschte er sich und erhob sich wieder, zog Kreta in sitzende Stellung und sah verschämt zu Rhodos, ihrem Manne, der aber offenbar ebenfalls zu tief in den Weinkelch geschaut hatte und mit nach vorne gesunkenem Kopf vor sich hindöste und dabei schnarchte.

Erst jetzt bemerkte Lykos, dass bereits viel Zeit vergangen sein musste. War er selbst auch eingenickt? Auf jeden Fall waren die Gäste alle verschwunden. Von hinten schlängelte sich eine Hand in seinen Wams, tiefer und tiefer, dann griff Kreta um seine Hüfte und umschlang sein Gemächt, besser: Sie wollte es ergreifen. „Was ist das?“ fragte sie erstaunt, als sie auf das Metall stieß und öffnete unverhohlen die Hose des Soldaten, bevor dieser es verhindern konnte. Lykos war es sichtlich peinlich und stieß sie weg, aber Kreta ließ nicht locker. Und ihr heißes Temperament und ihre lodernde Weiblichkeit zwangen Lykos bald zur Aufgabe. Er hielt seine Hände an den Seiten, damit sie auf seine Lenden schauen konnte. „Das“, sagte er, „ist ein Keuschheitsgürtel.“

Er erzählte ihr allerdings nicht die wahre Geschichte, sondern änderte den Inhalt ein wenig: “… und als ich bewusstlos war, steckten die Brüder mich hinein, weil sie neidisch auf meine Schönheit und männliche Stärke waren...“ Kreta hing ihm an den Lippen und glaubte offenbar jedes Wort. „Du Armer! Dann bist du ja deiner Männlichkeit beraubt!“
Lykos knirschte mit den Zähnen und brummte grimmig etwas Unverständliches. Kreta streichelte ihn und ertastete in seiner Hose die freiliegenden Kugeln seiner Mannhaftigkeit. Lykos stöhnte auf. „Oh, Kreta, lass es. Beraube mich nicht meines Verstandes. Du bringst meine Lenden in feurigste Glut!“

Kreta zog den Gast grinsend einige Schritte zu einem Vorhang und verschwand mit ihm dahinter. Bald war lautes Stöhnen der Frau zu hören, doch ihr Gemahl Rhodos schlief tief und fest seinen Rausch aus. Gequältes Seufzen von Lykos unterbrach Kretas vergnügliche Laute: „Bitte nicht. Lass mich doch. Es… Oh, Kreta! Du Wunder der Schöpfung! Bist du von den Göttern entsandt... Nein! Ich… Oooooh! Wenn dieser verfluchte Gürtel nicht wäre…“ Kreta hauchte erregt: „Kennst du die Kunst, deine Zunge zu gebrauchen?“ Lykos unterdrückte krampfhaft ein Jammern. Aber die Blöße wollte sich der Krieger nicht geben. Er wusste von der Liebestechnik, doch hatte er sie noch nie praktiziert. Warum auch? Frauen waren doch dazu da, um den Mann zu beglücken, und nicht umgekehrt! Aber seine Begierde war so angestaut, so groß und stark, dass er Kretas Wünsche sofort erfüllen wollte. Auch, wenn er dadurch seine Gier nach mehr nur noch weiter anfachen würde…

Kreta war beinahe unersättlich. „Ich will noch mehr von deiner Zunge!“ verlangte sie immer wieder. Lykos hatte ihr schon vier oder fünf Mal das höchste Glücksgefühl gebracht, doch die Schönheit war offenbar völlig ausgehungert und wollte mehr und mehr. Sie führte seine Zunge an die richtigen Stellen und stöhnte, juchzte, wimmerte vor schwelendem Glück. Lykos wurde fast wahnsinnig vor Begierde, und mit jedem lauten Aufstöhnen der prachtvollen Anmut wurde es schlimmer und schmerzhafter… Endlich war Kreta vollständig befriedigt und schlief mit einem zufriedenen Lächeln ein, während Lykos schnell aus dem Haus lief und sich auf der anderen Straßenseite in eine Tränke mit kaltem Wasser setzte, um die Hitze seiner Lenden einigermaßen zu beruhigen.

Welche Erniedrigung! Und ausgerechnet jetzt erschien eine Gruppe junger Leute auf der Straße und kam lachend auf ihn zu. Lykos war sich erst in diesem Augenblick schlagartig klar, dass er bis auf seinen Keuschheitsgürtel nackt in einer Tränke saß! Schnell sprang er auf und flüchtete wieder Richtung Haus. Doch zwei flinke etwa 18 Lenze alte Burschen stellten ihm ein Bein, so dass Lykos der Länge nach in den Dreck fiel. Sofort sah sich der Soldat umringt von der jungen Bande, und drei Jünglinge knieten sich respektlos auf seinen Rücken und drückten auf den Boden. Dann hörte er hinter sich helles Gekicher von mehreren jungen Frauen. Die Gören kamen näher, und plötzlich zuckte Lykos auf, als sei er von einer Hornisse gestochen worden, denn er spürte mehrere zarte Hände an seinem Samenbeutel.

„Finger weg! Lasst mich in Frieden!“ brüllte er auf, doch die Hände spielten, kneteten und zupften schamlos an seiner Männlichkeit, während die jungen Mannsbilder ihn in den Staub drückten. Noch von Kretas Liebesspiel bis aufs Äußerste erregt, brachten ihn die erneuten Berührungen letztlich über den erträglichen Punkt, so dass seine Rute sich gegen seinen Willen im KG ergoss, obwohl sie niemand angefasst hatte. Laut stöhnend durchzuckte es Lykos, als er seine Lust hinaus rief. Vor Scham war sein Kopf puterrot geworden. Im ersten Moment war die Bande der jungen Leute irritiert, doch wussten sie alle trotz ihres jungen Alters bereits, was es mit der „spuckenden Schlange“ eines Mannes auf sich hatte.

Weiteres Gekicher folgte, und die Jünglinge verspotteten ihr Opfer grausam. Tief gedemütigt lief Lykos zurück in das Haus von Rhodos und Kreta. Schnell schlug er die schützende Tür zu und verriegelte sie. Als er sich umdrehte, sah er Rhodos, wie er sich mit einem dicken Knüppel aus Holz ihm näherte…

Die Sklaven hatten sich in der Arena in einer Reihe aufgestellt. Die schweren Gewichte hinter ihnen waren mit Seilen an ihren Hoden verbunden. Nun erschienen die „Antreiberinnen“: Die ausgewählten Hofdamen wurden von den Rängen mit lautem Applaus begrüßt. Jede der Damen trug einen Dreizack, mit dem sie „ihren“ Sklaven antreiben würde. Auf den Rängen schauten die Edelleute gebannt zu. Sie hatten Wetten um Gold und Silber abgeschlossen, welcher Sklave welchen Platz erzielen würde.

Der Gewinner erhielt eine hohe Summe. Doch die Verlierer hatten „Strafen“ einzulösen.
So würde eine junge Dame beispielsweise den Wärter des Sklavenkerkers bezirzen müssen, um ihn zu bestechen, dann unter den Augen von mindestens drei Zeugen einem Sklaven den nackten Hintern präsentieren und ihn auffordern, diesen anzufassen. Daraufhin würde sie mit Hilfe des Wärters dem „unsittlichen“ Sklaven ein Motiv ihrer Wahl auf den Allerwertesten tätowieren. Tinte und Messer waren nicht schwer zu besorgen gewesen. Schon früher hatten die jungen Damen so manchen Scherz mit den Sklaven getrieben, ihnen Sprüche oder lustige Zeichnungen auf ihrem Fleisch verewigt.
Vielleicht male ich ihm ein Schwein, überlegte die Hofdame in Vorfreude und dachte: „Hoffentlich verliere ich und gewinne damit die Strafe!“

Eine andere Lady hatte als Wetteinsatz eingewilligt, sich von einer Sklavenzunge befriedigen zu lassen. Natürlich würde auch dafür ein Wärter bestochen werden müssen. Der Sklave musste dazu mit verbundenen Augen auf dem Rücken am Boden angekettet sein. Unter viel Gelächter und Gekicher würden ihre Freundinnen zuschauen und beobachten, wie die Männlichkeit des Sklaven wuchs und wuchs…

Eine weitere Edeldame erwartete folgende „Strafe“: Wenn sie mit ihrer Wette daneben lag, musste sie sich zwischen zwei Sklaven stellen und deren Männlichkeit reiben, bis einer der Beiden seinen Samen versprühte. Anschließend würden die Sklaven natürlich direkt wieder in ihre Keuschheitsgürtel gesperrt, so wie die Königin es angewiesen hatte.

Auf Megaras Zeichen starteten die Sklaven. Sofort spannten sich die Seile, und die Athleten verzogen ihre Gesichter schmerzhaft, was auf den Rängen lauten und frohen Jubel auslöste, und den Dreizack zum Einsatz brachte, der sich in die saftigen Kehrseiten der nackten Männer grub, um sie zu motivieren, fester zu ziehen. Trotz des Ansporns ging es nur gemächlich vorwärts, und noch waren alle auf einer Höhe. „Wie sehr sich so ein Gemächt dehnen kann“, lachte eine Edelfrau und zeigte auf die gespannte Haut in der Beingabelung eines der Sklaven.

Bald verschob sich das Feld der Läufer, zwei der Sklaven entwickelten sich zu Favoriten, während die Hofdamen der Zurückbleibenden fester und wilder mit ihren Spießen zustachen, doch scheinbar waren die Sklaven an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit angekommen. Eine Antreiberin hatte besonderes Pech: Sie trat aus Versehen auf das Gewicht ihres Leibeigenen, so dass er aufquiekend auf der Stelle trat und daraufhin auf alle Viere sank und laut jammerte. Aber einige kräftige Stöße mit dem Dreizack brachten ihn wieder auf die Beine, doch der Vorsprung der Anderen war nun uneinholbar geworden.

Als die Platzierungen feststanden, wurde der einen oder anderen Hofdame doch etwas mulmig zu Mute, während ihre Freundinnen sie auslachten: „Strafe! Strafe! Strafe!“
Morgen würde so mancher Streich im Hofe der Megara für viel gute Laune sorgen… Doch zunächst ging das Programm des heutigen Spektakels weiter: Die langsamsten drei Sklaven durften auf Talos Spezialsitz Platz nehmen. Unter schadenfrohem Lachen von den Rängen bohrten sich schleichend aber unaufhaltbar die dicken Zapfen in die Kehrseiten der Verlierer.

Eine junge Lady meinte zu ihrem Geliebten: „Der da links hat großes Pech gehabt. Er wäre bestimmt unter den Ersten gewesen, aber Athena konnte ja nicht aufpassen, wo sie hintritt!“ Ihr Freund zog sie zu sich und schnurrte ihr ins Ohr: „Lass uns noch ein wenig an den Schreien der Sklaven ergötzen. Und dann trage ich dich in mein Gemach und zeige dir, dass auch ich einen solch gewaltigen Zapfen habe, wie er an Talos Strafsitz angebracht ist…“ Belustigt lachte die Lady auf und küsste ihren holden Angebeteten. Sie konnte es kaum erwarten, zwischen die Seidentücher zu tauchen, um sich mit ihm zu vereinen. Nach den Arenaspielen war sie immer so feucht zwischen ihren Schenkeln…

Als Megara sich wieder zurückgezogen hatte, schickte sie ihren „Schoßhund“ Kreios fort. Nachdem seine Männlichkeit ihr nicht mehr genügte, überlegte sie, welche Verwendung sie noch für ihn hatte. Vielleicht sollte sie ihn wieder in die Manege schicken. Aber nun waren ihre Gedanken zunächst bei dem Besuch, der sich angekündigt hatte: Ihr Seher hatte in seiner Kristallkugel eine Vision gehabt, die er der Regentin unbedingt mitteilen musste. „Also“, sprach Megara, „was habt Ihr so wichtiges gesehen? Sprecht!“

Der Alchimist trug seine langen weißen Haare bedeckt unter der Kapuze seines langen Mantels, der mit sonderbaren mystischen Symbolen bestickt war. Er verneigte sich tief. „Verehrte Hoheit! Euer Königreich ist in großer Gefahr. Zwei Verräter werden Euch eines nicht fernen Tages vom Thron stoßen.“ Megara fragte hellhörig: „Zwei Verräter? Ich verstehe nicht.“ Der Seher erklärte: „Ich konnte ihre Gesichter in meiner Kugel nicht erkennen. Aber es müssen zwei Personen aus Euren Reihen sein, die sich auf die Seite des Feindes schlagen und mit einem mächtigen Heer eines Tages in Euer Land eindringen werden.“

Megara rümpfte die Nase und fragte empört: „Wer sollte das sein? Mein Paladin? Oder etwa einer meiner anderen Kriegsherren? Oder jemand aus dem königlichen Hofe?“ Der Seher schüttelte langsam den Kopf. „Nein, Majestät. Es sind zwei unbedeutende Kreaturen. Eine Deserteurin und ein entflohener Sklave.“ Megara lachte humorlos auf: „Ha! So ein Unsinn! Was soll solch niederes Gewürm mir schaden? Seit Ihr noch bei Sinnen, oder haben Euch Eure Kräuterdämpfe das Gehirn verraucht?“

Der Seher sog schmatzend Luft zwischen seinen faulen Zähnen ein und verneigte sich erneut. „Edle Megara! Ich kann Euch nur verkünden, was ich in der Kugel gesehen habe. Eine Soldatin und ihr Geliebter reiten nach Norden.“ Die Regentin winkte ab: „Also gut. Wirkt einen Zauber, so dass die beiden Abtrünnigen tot umfallen.“ Der Seher verzog sein Gesicht. „Werte Königin! Das ist mir leider aus der Entfernung nicht möglich. Aber einen Bann kann ich über sie legen, so dass sie mit Blindheit oder Taubheit gestraft sind. Oder ihre Beine lahm werden, oder…“

Megara hob eine Hand, um den Weissager innehalten zu lassen. „Sagtet ihr: eine Soldatin und ihr Geliebter?“ Der Seher nickte. „Ja, Euer Hoheit!“ Die Despotin winkte den Mann näher und flüsterte: „Könntest Ihr auch…“ Der Seher musste noch näher kommen, um die Regentin zu verstehen. Sein Ohr berührte fast die roten Lippen der Herrin, die ihm die Worte wispernd zuflüsterte. Seine Augen wurden groß, und er musste schlucken. „Ja, edle Megara. Wenn dies Euer Wunsch ist, so kann ich solch einen Bann wirken.“ Megara lehnte sich zufrieden zurück. „Gut. So tut es! Ihr dürft Euch entfernen.“
Der Seher verbeugte sich tief, klappte den hohen Kragen seines Umhanges nach oben und verließ rückwärts den Thronsaal der Herrscherin.

Abas und Leda ritten an der Küste des großen Ozeans entlang. Der feine Sandstrand war einem felsigen Untergrund gewichen, der die Reisenden auf einem steilen Pfad auf einige wild umtosten Klippen empor führte. Mittlerweile war das leicht aufgewühlte Wasser mehr als 150 Fuß unter ihnen, und Abas getraute sich kaum, in den steilen Abgrund zu schauen. Leda schien sich nichts daraus zu machen, denn sie leitete das Pferd nah am Abbruch entlang, weil dort der Pfad weniger Geröll aufwies. - Welches vermutlich durch den böigen Wind längst in die Fluten gestürzt war, ging es Abas durch den Kopf und sah sich bereits in die Tiefe fallen und versinken. Plötzlich stoppte Leda das Ross. „Sieh mal“, rief sie gegen den pfeifenden Wind an und zeigte schräg nach vorne.

Abas erkannte einen jungen Mann, der mit einem Kurzschwert gegen eine monsterartige Bestie kämpfte und immer weiter zurückgedrängt wurde. Leda und Abas kannten diese Art von riesiger Kreatur nicht. Sie trug dicke spitze Schuppen wie einen Panzer, hatte ellenlange Zähne im geifernden Maul und konnte sich auf zwei Beine erheben. So erreichte sie eine Größe von fast zehn Fuß. Lautes und tiefes Gebrüll mit Zischlauten kam aus ihrem gewaltigen Maul.

Der Jüngling, der von der Bestie in eine Felsnische gedrängt worden war, blutete bereits an mehreren Stellen. Es würde nicht mehr lange dauern, bis das Monster ihn zerfleischen würde… Leda zog gedankenschnell einen Pfeil auf ihren Bogen und zielte. Schnell schoss der Bolzen gegen die Panzerschuppen, doch er prallte zu ihrem Entsetzen wirkungslos ab. Jetzt drehte sich das Raubtier wütend um und brüllte so laut auf, dass Abas dachte, ein Donner wäre aufgezogen. Die Bestie trottete auf Leda zu, das Maul brüllend und geifernd weit aufgerissen, die Tatzen der Vorderläufe schwangen mit ihren langen messerscharfen Krallen durch die Luft, als wolle sie damit die lästige Angreiferin von dieser Welt tilgen.

Das Pferd der Gefährten wieherte panisch und bäumte sich auf, riss sich los und galoppierte angsterfüllt davon. Abas zog sein Schwert. Es wirkte gegen das gewaltige Untier wie ein Zahnstocher. Leda spannte einen neuen Pfeil ein. Je näher das Monster kam, desto kleiner kamen sich Leda und Abas vor. Abas spannte seinen ganzen Körper an und erwartete den sicheren Tod.

Als die Bestie nur noch wenige Schritte von ihnen entfernt war und zum mordenden Sprung ansetzte, schoss Leda ihren Pfeil und traf genau eines der reptilienartigen Augen.
Die Kreatur jaulte auf und kippte um… Ihr Kopf landete krachend auf dem Felsboden, nur einige Zoll entfernt von Abas, der einen Satz zur Seite machte und mit beiden ausgestreckten Armen das Schwert vor sich hielt.

Leda zog sicherheitshalber ihr Schwert, doch das Wesen aus der Unterwelt war offenbar tot. Der Pfeil war direkt ins Gehirn des Scheusals gedrungen und hatte sein Lebenslicht ausgelöscht. Der Jüngling kam herbei gesprungen. Er trug einen edlen Umhang aus Pelz und darunter ein Gewand aus feiner Seide. Seine Stirn schmückte ein besticktes Band mit dem Wappen des Nordkönigs.

„Ich danke Euch“, sagte er. „Ihr habt mein Leben gerettet! Wer seit ihr kühnen Leut?“ Leda und Abas stellten sich als Wanderer vor. „So folgt mir zum Hause meines Vaters. Er wird euch reich belohnen. Ihr seit meine Gäste, so lange ihr es wünscht.“ Schnell hatte der Königssohn namens Rodin ihr Pferd eingefangen, und die Reise zur Herrscherburg des Nordreiches konnte beginnen.

Während der Heimreise sollten die Beiden noch mehrmals über den gewandten Jüngling staunen: Er war ein exzellenter Reiter, ein zielsicherer Bogenschütze und hervorragender Schwertkämpfer. Nur Leda beherrschte Pfeil und Bogen noch ein wenig besser. Abas fiel ein Stein vom Herzen. Nun waren sie definitiv vor Megaras Schergen sicher und konnten im Nordland ein neues Leben beginnen…

Lykos sah noch den Holzknüppel heransausen und hob abwehrend die Arme, doch das Schlaginstrument holte ihn brutal von den Füßen. Wieder und wieder prügelte Rhodos wie von Sinnen auf den Exsoldaten ein. „Du Hurenbock! Du hast mein Weib geschändet!“
Der Beschuldigte wimmerte am Boden und flehte um Gnade. Eine Gegenwehr war völlig ausgeschlossen. Der nächste Schlag konnte ihm sämtliche Knochen und Rippen brechen oder den Schädel einschlagen, und Lykos kniff die Augen zusammen.

Doch der nächste Hieb krachte direkt vor sein Gesicht auf den Boden, so dass er den Windzug spürte. Jetzt packte Rhodos ihn grob an Keuschheitsgürtel und Kehle und hievte ihn hoch. „Auf den Stuhl da, du Hundesohn!“ Lykos gehorchte eingeschüchtert. Aufstöhnend strich er sich über die Stellen, auf denen bald großflächige blaue Flecken erblühen würden. Rhodos griff nach einem Hanfseil und fesselte den Mann auf dem Stuhl fest. „Das wirst du bereuen!“ giftete er den Gefangenen an. „Und Kreta werde ich lehren, wer der Herr im Hause ist. Ich werde sie…“

In diesem Moment erschien wie aus dem Nichts der Holzknüppel, den Rhodos zuvor irgendwo abgelegt hatte, und krachte mit voller Wucht auf dessen Schädel. Der Mann sackte zusammen wie ein Weinschlauch. „Kreta!“ rief Lykos erstaunt. „Du kommst gerade recht! Bin ich froh! Befrei mich schnell!“ Die Schönheit grinste grimmig und beugte sich über ihren Gemahl, um nach dem Herzschlag zu horchen. „Rhodos wird nie wieder über mich bestimmen“, sagte sie und stand auf. Lykos schluckte: „Ist er…“ Kreta nickte und schleifte ihn aus dem Raum.

Als sie erneut erschien, wiederholte Lykos seinen Wunsch, befreit zu werden. Doch Kreta sah ihn nur lächelnd an. „Du bist einer der Deserteure aus dem Süden?“ Lykos verschluckte sich vor Schreck und hustete. Kreta lachte. „Es stimmt also.“ Der Exsoldat fragte: „Woher weiß du das?“ Das Weib erklärte: „Vor einigen Tagen war ein Sendbote hier und war Gast bei Rhodos. Im Bett lösen sich die Zungen der Männer sehr leicht. Weißt du das nicht?“

Lykos bat: „Schnell. Dann mach mich los. Ich muss verschwinden, bevor Megaras Streitmacht hier ist und mich einfängt. Auf Untreue steht die Todesstrafe!“ Kreta wiegte keck ihren Kopf von einer Seite zur anderen: „Du bringst mir eine gute Belohnung ein.“
Lykos stöhnte auf: „Was? Du willst mich ausliefern?“ Kreta lachte glockenhell. Verhöhnte sie ihn? Der Flüchtling wurde zornig. „Du gemeines Miststück! Du Hure!“ Kretas Blick wurde böse. „Du hast eine scharfe Zunge. Sie vorsichtig, dass du dich nicht daran schneidest.“

Plötzlich zog sie einen spitzen blitzenden Dolch aus dem Gürtel ihres Kleides. „Und ich habe eine scharfe Klinge.“ Sie kniete sich vor Lykos hin. Dem Mann stand der Angstschweiß auf der Stirn. Hilflos rückte er den Stuhl ein wenig auf dem Boden hin und her. Was unter dem Käfig seiner „Rute“ hing, packte Kreta mit einer Hand derb und zog es nach unten, so dass Lykos auf dem Stuhl noch mehr verkrampfte und aufstöhnte. Jetzt setzte Kreta die Klinge an und grinste Lykos frech ins Gesicht. „Für einen Eunuchen bekomme ich sicherlich genauso viel. Und ein kleines Andenken wäre doch ganz nett…“
Lykos schrie: „Nein! Bitteeeeeeeeeeeeee!“ Kretas Hand zuckte…

Mehrere Tage waren vergangen:
Abas und Leda konnten kaum glauben, wie mächtig die Burgfestung des Nordkönigs war. Dagegen war selbst Megaras Palast leicht einzunehmen. Überall waren gerüstete Krieger mit schweren Waffen, muskelbepackte Ritter, die kämpfen würden wie Berserker, wenn sie zur Schlacht gerufen wurden. Heute standen Leda und Abas vor dem uralten und schwer kranken Nordkönig Adin. Auch die hohe Majestät bedankte sich bei den beiden Rettern Seines Sohnes. Neben zwei prunkvollen Rössern erhielten sie jeder einen Beutel mit Goldmünzen sowie die besten Schwerter, die sie jemals gesehen hatten. Doch damit nicht genug: Sie wurden offiziell vom König mit zitternder Stimme in den Adelsstand erhoben.

Die Tage vergingen viel zu schnell. Zu Hofe fühlten sich Abas und Leda wie ein Königspaar, schmausten bei opulenten Festgelagen, sahen bei Ritterturnieren, Tjost und Buhurt zu und liebten sich in edlen Gemächern in feinster Seide. Doch dann hieß es Abschied nehmen. König Adin hatte ihnen eine große Parzelle Land vermacht, die im Westen auf fruchtbarem Boden lag. Am Tag des Aufbruchs verabschiedeten sie sich von Adin, den vielen lieb gewonnenen Rittersleuten und natürlich auch vom Thronfolger Rodin.

Ihr Weg führte durch eine grüne Landschaft, und fast hatten sie ihr neues Zuhause erreicht, als sie eine kleine Staffel Reiter von Adin einholte. „Ihr müsst sofort zurückkehren!“ befahl der Anführer des Trosses. „Warum?“ fragte Leda. „Es ist etwas Furchtbares geschehen“, begründete er den Aufruhr. „Rodin ist ermordet worden!“ Abas blieb der Mund offen stehen. Nach dem ersten Schrecken, fragte er sich, warum er deshalb mit Leda zurückkehren sollte. Aber der Rittersmann hatte den königlichen Befehl dazu.

In der Burg des Königs erwartete das Paar die Hiobsbotschaft im Detail: Rodin war von einem schändlichen Assassin aus dem Süden gemeuchelt worden, als er gerade auf der Bärenjagd war. Wenigstens hatten die Wachen des Prinzen den Mörder bei einem Scharmützel getötet. Doch nun trauerte das Königshaus, und auch die gesamte Bevölkerung weinte mit, denn Rodin war sehr beliebt bei seinen Untertanen gewesen.

Ein Herold verkündete im Thronsaal vor den erstaunten Leda und Abas, dass nun der einzige Sohn Adins gestorben sei. Nach dem Glauben der Nordmenschen lebte Rodin nun in gewisser Weise in ihrer Lebensretterin Leda weiter, hörten die Gefährten perplex zu, „so dass hiermit als Thronfolgerin Leda ernannt wird“, ganz nach dem Willen der Götter.
Der greise König Adin hob schwächlich seine Hand, und Leda nahm sie in die ihre. „Versprich mir, meinen Sohn zu rächen und das Südland zu erobern“, flüsterte Adin mit letzter Kraft. Leda nickte ergeben und gab ihm ihren feierlichen Schwur. Adin lächelte zufrieden und schloss erschöpft die Augen. Nach einigen Minuten wurden Leda und Abas klar, dass Adin seine Lider nie wieder öffnen würde…

„Hoch lebe Leda, die Nordkönigin!“ rief der Herold laut in den Saal, dass Abas zusammen zuckte. „Hoch lebe Leda!“ wiederholten vereinzelte Ritter und salutierten mit ihren Schwertern vor ihrer neuen Gebieterin. Der Herold eilte aus dem Saal, und bald ertönte aus dem Burghof ähnlicher Lobgesang. Die Neuigkeit sollte im ganzen Nordreich verbreitet werden, und Gesandte ritten in allen Richtungen davon.

Drei Tage später waren die Trauerzeremonien beendet. „Kommt auf die Balustrade“, bat der oberste Ritter Leda. Leda und Abas stiegen mit ihm auf den größten Turm der Burg. Vor der Festung hatten sich tausende Menschen versammelt. Als sie Leda erkannten, brandete ein tosender Jubel los. Der Ritter setzte der neuen Majestät die Krone auf. „Es lebe Leda, die Nordkönigin!“ riefen die Männer und Frauen im Chor, so dass allen Anwesenden auf dem Turm eine wohlige Gänsehaut über den Körper lief.
27. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von sheeeep am 18.07.18 21:18

Lieber Prallbeutel,deine Geschichte war und ist zum Niederknieen.....Immer wieder herzlichen Dank !
28. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von AlfvM am 19.07.18 12:16

Hallo Prallbeutel,
vielen Dank für die Fortsetzung. Ich freu mich auf den nächsten Teil.
LG Alf
29. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 03.08.18 19:35

Lykos saß in einem kleinen Käfig, der auf einem rustikalen Ochsenkarren rumpelnd in Richtung Süden fuhr. Die kleine Abteilung von Megaras Armee brachte den Deserteur in seine Heimat, um ihn seiner gerechten Strafe zuzuführen. Bis auf seinen Keuschheitsgürtel war er nackt und musste sich dem Spott der Soldaten, vor allem aber der weiblichen Bewohner von Siedlungen aussetzen, die sie durchquerten.

„Seht euch diesen armen Tropf an!“ lachte eine Frau mittleren Alters und zeigte auf den Gefangenen. „Vielleicht ein untreuer Ehemann“, rief eine andere, „schaut euch doch seinen Keuschheitsgürtel an!“ „Ich habe gehört, dass Megara ihre Sklaven in solchen Dingern hält, damit sie ihre ganze Kraft auf die Arbeit bündeln“, meinte eine Dritte schmunzelnd.

„Hey, Mannsbild!“ rief die Erste laut hinüber. „Wie fühlt es sich an in so einem Keuschheitsgürtel? Darfst du bald wieder raus, oder bleibt deine Männlichkeit für immer versperrt?“ Sie lachte gackernd und schadenfroh, und ihre Bekannten fielen lauthals mit ein. Lykos Kopf wurde rot, und er spürte, wie sich seine „Rute“ verhärtete.

Aber in anderen Siedlungen war es noch übler gewesen: Faule Eier, Tomaten, Unrat und allerlei Dreck hatten die Frauen nach ihm geworfen. Ein junges Weib hatte gerufen, ob er nicht vor Geilheit platzen würde. Daraufhin hatte sie genussvoll ihren gleichaltrigen Burschen umarmt und geküsst. Kichernd waren die Beiden dann zwischen Strohballen verschwunden…

Sein Gemächt war noch vollständig, denn Kreta hatte sich nur an seiner Todesangst weiden wollen. Als dann Nässe an den Stuhlbeinen hinabgetropft war, und Lykos geweint hatte wie ein kleines Kind, hatte Kreta laut gelacht und von ihm abgelassen. Wenige Stunden später hatten ihn Megaras Soldaten so gefunden, Kreta die versprochenen Münzen gegeben und Lykos abtransportiert. Bald würde er Megaras Palast erreichen. Seine Angst wuchs immer mehr, je näher er der Regentin kam. Und schon jetzt zitterte er trotz der Hitze am ganzen Körper.

Für Leda waren die prunkvollen Kleider und das Diadem sehr ungewohnt, doch durfte sie innerhalb ihrer privaten Gemächer auch ihre geliebten Hosen tragen. Das Königshaus war unglaublich groß und luxuriös. So hatte Leda sich immer den Palast der Megara vorgestellt, nur, dass hier alles im nordischen Stil eingerichtet war. Das Schlafgemach übertraf allerdings alles: Das große Himmelbett der Königin war ein Traum. Auf dem massiven Holzgerüst waren Götter und Schlachten als Bilder eingeschnitzt. Das Kopfende war mit Wasserbüffelhorn und Edelsteinen verziert. Feinste Seide und weiche kostbare Pelze umschmeichelten die nackten Körper, die an diesem Ort ruhten.

Das junge Paar liebte sich dort oft und lange und konnte sein Glück kaum fassen. Doch an diesem Abend konnte Leda das Feuer bei Abas nicht entfachen. Fast schon verzweifelt überlegte Abas, woran es liegen könne. Dann plötzlich loderte doch noch die Lust in seinen Lenden auf, und er bestieg mit einem überwältigenden Wohlgefühl die Königin. Leda stöhnte leise auf, fühlte den Gipfel der Erregung nahen und klammerte sich an ihren Gemahl wie eine Ertrinkende an einem Holzbalken. Sie schloss genüsslich die Augen und gab sich voll hin, erlebte ein Glücksgefühl, dass stärker war, als bei ihrer Krönung. Nur gemächlich zog sich das Kribbeln und Beben in ihrem Körper zurück und wich einer wohligen Entspannung, wie sie sie selten zuvor in ihrem Leben erlebt hatte.

Doch hatte auch Abas Freude an ihrem Liebesspiel? Ächzend drang er weiterhin in sie ein, und seine Stöße wurden wilder und intensiver, doch irgendwie auch verzweifelter. So kannte Leda ihren Mann gar nicht. Schließlich zog er sich verwirrt zurück und starrte auf sein hartes „Schwert“. „Abas“, sah Leda ihn fragend an, „was ist mit dir?“ Abas schüttelte den Kopf. „Ich weiß es nicht. Es ist wie verhext. Ich brenne vor Begierde, aber ich finde keine Befriedigung. Es will kein Samen aus mir fließen.“

Als die Sonne erneut aufgegangen war, war es ähnlich. Leda erlebte größtes Glück mit ihrem Mann, doch seine eigene Erlösung wollte sich nicht einstellen. Die Königin griff nach seiner pochenden Rute und spielte damit, um ihm eine Erleichterung zu verschaffen, doch Abas verzog sein Gesicht in Schmerzen. Seine Geiheit steigerte sich dadurch nur noch. Weiter und weiter. Leda ließ erschrocken los. „Ich weiß nicht warum“, keuchte Abas, „aber es zerquetscht mir fast meine Männlichkeit. Umso mehr, desto stärker meine Begierde wächst…“ „Ein Fluch“, vermutete die Königin. „Es muss schwarze Magie sein. Das ist Megaras Werk!“

Ein Druide des Königshauses sollte Abhilfe schaffen, doch der weise Mann musste ihnen die Hoffnung auf eine schnelle Gesundung nehmen. „Es gibt nur eine Möglichkeit gegen diesen bösen Zauber. Ich kann einen Kräutersud kochen, den Euer werter Gemahl trinken muss. Dabei werde ich einige geheime Formeln sprechen. Dann sollte sich der Bann nach einiger Zeit lösen. Allerdings ist während dieser Zeit unbedingte Abstinenz erforderlich.“

Königin Leda und ihr Gemahl Abas mussten die bittere Pille schlucken. Also bereitete der Heiler das Ritual vor und Abas nahm den übelschmeckenden Sud ein. Während er mit der einen Hand den Kelch zum Mund führte, hielt er sich mit der anderen die Nase zu, denn der Trunk stank erbärmlich. „Wie lange muss ich denn…“ stammelte Abas und hoffte, die Andeutung würde reichen, aber der Druide sah ihn nur mit einem großen Fragezeichen im Gesicht an. „Wie lange darf ich nicht das Bett mit der Königin teilen?“ Der alte Mann entblößte seinen zahnlosen Mund, als er eine Art Lächeln zeigte. „Vier Jahreszeiten lang“, antwortete er. Abas ächzte. „Was?“ Verzweifelt sah er Leda an. „Es bleibt Euch keine Wahl“, sagte der Heiler. „Solltet Ihr einen einzigen weiteren Versuch starten, bevor die Zeit vergangen ist, wird der Fluch auf ewig an Euch kleben.“ Abas schwindelte. Ihm wurde schwarz vor Augen, und dann verließen ihn seine Sinne.

Megara, die Regentin des Südlandes, schritt an einer Reihe junger nackter Burschen entlang, die mit roten Köpfen an einer Wand standen. Die Herrscherin begutachtete die Männlichkeit der Jünglinge, als würde sie auf einem Pferdemarkt Gäule kaufen. Der königliche Kastellan folgte der Majestät und hielt Megaras knappe Kommentare zu den einzelnen Sklaven fest. „Guter Körper, aber zu kleines Gemächt.“ „Hübsche Augen, aber zu dürr.“ „Ordentlich bestückt, aber zu alt, Schließlich muss man die Blumen pflücken, wenn sie noch blühen.“ „Den nehme ich in die engere Wahl. Wascht und kleidet ihn. Dann soll er mir das Bett wärmen.“ Unwirsch wand sie sich ab. „Das reicht. Die anderen schick zurück in die Mine.“ „Sehr wohl, Euer Gnaden“, verbeugte sich der Kastellan.

Als einige Soldaten die jungen Sklaven über den Palasthof zum Kerker brachten, beobachteten zwei junge Hofdamen die Kolonne. „Ist dir eigentlich schon aufgefallen, dass es gar keine alten Sklaven gibt, sondern nur junge?“ „Ja“, erklärte die andere. „Vielleicht werden sie nicht so alt. Es sind eben minderwertige Kreaturen, wie Tiere.“ „Aber ist dir schon aufgefallen, dass einige Sklaven keinen Keuschheitsgürtel tragen? Wie sollen sie denn da vor ihrem sündigen Trieb geschützt werden?“ Das andere Fräulein lächelte verschmitzt. „Ach, DIESE Sklaven meinst du.“ „Was ist denn mit DIESEN Sklaven?“ „Nun, die haben keine Bedürfnisse mehr.“ Die Hofdame sah ihre Freundin verständnislos an. „Wie meinst du das?“ „Megaras Strafenkatalog ist groß. Und für einige Vergehen gibt es eine besondere Behandlung…“ „Was denn?“ fragte das Fräulein neugierig.

In diesem Moment bliesen die Turmwächter ihre Fanfaren: Das Zeichen für die Ankunft einer Reiterschar. „Lass uns ein anderes Mal darüber reden“, sagte sie und ging in hüpfendem Gang und wehendem Kleid davon. Mehrere Edelleute, aber auch Soldaten und Bedienstete des Hofes beobachteten, wie die Berittenen einen Käfig auf einem kleinen Pferdewagen in den Palast zogen. „Ein Gefangener“, sagte das Fräulein, die vorhin wissen wollte, was mit einigen Sklaven geschah. „Ja“, kniff die andere junge Lady ihre Augen zusammen, um schärfer sehen zu können, „und er ist nackt – bis auf einen Keuschheitsgürtel!“

Der Deserteur Lykos wurde in den dunklen Kerker gebracht und zu mehreren Sklaven in eine große Zelle gebracht. „So schnell wird man vom Soldat zum Sklaven, Lykos“, knurrte hämisch ein Wächter. „Und bei Sonnenaufgang wirst du sterben.“ Lachend stapfte er fort. Lykos sah sich ängstlich in dem dunklen Raum um. Es gab so wenig Licht, dass er kaum weiter als zwei Doppeschritte sehen konnte. Was sich wohl in den schwarzen Ecken verborg? Mit welchen Sklaven voll Trübsal und Kummer war er hier eingepfercht? Dann hörte er aus verschiedenen Ecken ein Rascheln. Schnell verdeckte er mit den Händen seine Scham. „Wer ist da?“ fragte er. Die Geräusche wurden lauter, kamen näher…

Dann sah Lykos vor sich mehrere ungepflegte Gestalten mit grimmigen Gesichtern und blitzenden Augen. „Was wollt ihr von mir? Verschwindet in eure Ecken.“ Aber die Insassen näherten sich langsam aber stetig und streckten ihre Arme nach dem Exsoldaten aus wie Untote, die Futter rochen. Wollten sich die hungernden Kreaturen an ihm laben? Aber die Sklaven hatten ihren früheren Peiniger erkannt. Lykos hatte die Feldsklaven oft genug nur aus Vergnügen gepeitscht und geprügelt. Das hatte sich ins Gedächtnis der Männer gebrannt wie ein Eisenmal. „Nein! Hilfe“ brüllte Lykos und drehte sich zum Gitter um, um daran kräftig zu rütteln. Doch schon griffen 14 vor Schmutz starrende Hände nach ihm, pressten ihn an die rostigen Eisenstäbe, verdrehten ihm die Arme, spreizten seine Beine, und dann brüllte Lykos auf, denn ein Sklave hatte Lykos Pobacken auseinander gezogen und war in ihn eingedrungen.

Als ein Wächter eine Stunde später in den Kerker kam, um nach dem Rechten zu sehen, stoppte er im ersten Moment überrascht, doch dann grinste er und kehrte zurück zu seinem Fleischspieß, den er über der knisternden Glut in einem schmiedeeisernen Feuerkorb grillte. Mit Appetit biss er in das knusprige fetttriefende Fleisch und hörte aus der Zelle Grunzen und unterdrücktes Keuchen. Später folgte ein spitzer Schrei. Vielleicht sollte er nach dem Essen doch mal nachsehen…

Doch der Wärter war nach dem schweren Mahl und einigen Bechern Wein eingedöst und wurde laut schnarchend erst wach, als Soldaten am frühen Morgen polternd die Treppe heruntergestürmt kamen, um den Deserteur dem Henker zu bringen. Lykos lag bäuchlings auf einem alten Strohballen, die Beine gespreizt, und war offenbar völlig entkräftet. Als ihn zwei Soldaten auf die Füße zwangen, sahen sie sein verschmiertes Gesicht. Sie konnten sich denken, was geschehen war. „Da hast du wohl noch mal richtig Freude gehabt, was“, lachte der Soldat zu seiner Linken.

„Deine Zeit ist um“, meinte der andere Mann. Lykos wurde in den Raum gebracht, in dem er sein Leben aushauchen sollte. Der Scharfrichter trug die schwarze Kapuze seiner Pelerine tief ins Gesicht gezogen und fragte ihn: „Hast du noch einen letzten Wunsch?“ Lykos stammelte: „Der Keuschheitsgürtel! Ich will nicht mit dieser Schmach sterben. Brecht ihn mir auf. Ich will mein Grab nicht mit ihm teilen!“ Der Henker grübelte, dann rief er nach einem Schmied. Selbst als Deserteur hatte der Exsoldat der Tradition nach dieses Recht auf einen letzten Wunsch, bevor er das Reich der Toten betrat. In Lykos wuchs ein kleiner Hoffnungsschimmer: Diesen Keuschheitsgürtel würde selbst der königliche Schmied nicht öffnen können.

Es dauerte nicht lange, da erschien ein kräftiger Mann mit grobschlächtigem Gesicht und langer Lederschürze. Ein schwarzer Bart hing ihm bis auf die Brust. Dafür war sein Kopf kahl. Lykos hoffte ingeheim, dass der Mann an dem Keuschheitsgürtel verzweifeln würde. Aber da hatte er sich getäuscht: Schneller, als ihm lieb war, war das Metallgefängnis ab. Trotz Verzweiflung und Angst vor dem Tod versteifte sich sein Luststab im Moment der neu gewonnenen Freiheit, die ihm nur so grausam kurz vergönnt sein sollte.

Spottend rief einer der Soldaten: „Warum darf er nicht noch einmal Hand anlegen und seinen Samen vergießen. Auch, wenn er auf den Steinen des Kerkers keinen fruchtbaren Boden finden wird.“ Die Männer lachten dröhnend, und als es abebbte, war ein helles Kichern zu vernehmen. Die Anwesenden wirbelten herum. „Was tut ihr hier?“ fragte der Scharfrichter streng die zwei Hofdamen, die sich hinter zwei Kisten versteckt hatten. Schüchtern kamen sie zum Vorschein und rafften ihre ausladenden Röcke. „Wir…“ begann das eine Fräulein, stockte aber und starrte auf Lykos nacktes erigiertes Geschlecht. Sie spielte mit einer Locke ihrer Haarpracht und leckte sich unbewusst über die Lippen.

„Euch ist der Besuch der Kerkerräume verboten“, erinnerte der Henker die Ladys. Gerade wollte er mit einer herrischen Geste den Soldaten befehlen, die Fräuleins nach oben an die frische Luft zu begleiten, da ertönten die Trompeten auf dem höchsten Turm des Palastes. Das Signal war den meisten unbekannt. Was mochte es wohl bedeuten? Die Damen sahen ratlos in die Runde. Der Scharfrichter und die Soldaten dagegen waren in höchstem Aufruhr. „Schnell! Kettet den Delinquenten an und kehrt dann zu eurer Truppe zurück.“

Die Männer verließen fast fluchtartig den Raum. Nur Lykos, der jetzt mit am Boden angeketteten Füßen da stand und sein Gemächt verdeckte, sowie die beiden Hofdamen blieben zurück. Die beiden jungen Frauen wussten sich keinen Rat, was dies alles zu bedeuten hatte. Es war eine groteske Situation: Lykos, mit steifem „Schwert“, nackt und angekettet, hauchte wie in Trance: „Ein Sklavenaufstand. Wir haben einen Sklavenaufstand.“ Die beiden Damen griffen sich bei den Händchen und sahen Lykos mit großen Augen an. Kurz darauf waren Schreie, klirrende Schwerter, Getöse und Gepolter zu hören. Durch ein schmales vergittertes Fenster waren gehetzte Schritte auf dem sandigen Steinboden zu vernehmen, dann plötzlich das wilde und entschlossene Gebrüll einer ganzen Horde Männer.

Das waren keine Soldaten! Das waren entlaufene Sklaven! In wenigen Augenblicken würden sie den Kerker stürmen und die Zellen öffnen, um ihre Leidensgenossen zu befreien. Der Exsoldat Lykos fürchtete einen Lynchmord an ihm, obwohl er längst ein Todgeweihter war. Aber wer wusste schon, wozu die Leibeigenen fähig waren? Womöglich sollte er sein Gemächt noch vor seinem Leben verlieren. „Schnell! Verriegelt die Tür von innen!“ rief er, und die beiden Edeldamen schoben mit vereinten Kräften drei schwere Balken vor, die so viel wogen, dass die Fräuleins sie kaum heben konnten. Aber die Angst hatte ihnen Bärenkräfte verliehen. Außer Atem blickten sie mit ängstlichen Blicken zum Eingang. Waren sie sicher vor dem Mob? Vor ihrem inneren Auge sahen sie sich schon geschändet auf dem Platz liegen, die Kleider hochgezogen und zerrissen.

Bald polterten Männer gegen die Tür und versuchten sie aufzubrechen, aber sie hielt ihrem Angriff stand. Rufe schallten durcheinander und forderten Einlass. Die Hofdamen zitterten vor Furcht wie Espenlaub, doch als sie merkten, dass die Aufbruchversuche fehlschlugen, beruhigten sie sich. Die Soldaten würden den Aufstand niederschlagen und die Revoltierenden hart bestrafen. Kurz darauf waren auch schon Megaras Militäreinheiten zu hören, die unaufhaltbar vorrückten. Geklirr von Waffen und Rüstungen war zu vernehmen; Befehle wurden gebrüllt. Nach etwa zwei Stunden war der Spuk vorbei: Die Soldaten hatten die Aufständischen eingekesselt und unter Kontrolle. Sie wurden in ihre Zellen getrieben, und die Schmiedegesellen begannen damit, die Leibeigenen wieder in Ketten zu legen.

Die noch heißen Reife wurden den Männern um Hand- und Fußgelenke sowie Hals gelegt. Die Schmiede zeigten kein Erbarmen und wurden von den Offizieren der Megara zur Eile angetrieben. Einer der Sklaven versuchte erneut zu flüchten, doch ein berittener Soldat rempelte ihn zu Boden, wo sich der Nackte mehrfach überschlug und schwer atmend im Staub liegenblieb. Schnell hatte der Reiter dem Flüchtling eine Seilschlinge um die Füße geschnallt und zog ihn mit seinem Pferd zurück zur Schmiede.

Von außen klopfte es an der Kerkertür, und die Hofdamen atmeten auf. Die Gefahr war gebannt. Sie entfernten die Riegel und… Die Tür schwang so kräftig auf, dass eine der Ladys zu Boden geschleudert wurde. Lykos sah zu seiner Überraschung, dass ein flüchtiger Sklave eintrat, mit einem gezackten Dolch bewaffnet. „Schnell! Schließ meine Kette auf“, rief Lykos. Er hatte eigentlich den Sklaven gemeint, denn gemeinsam mit ihm wollte er fliehen. Doch der Leibeigene machte keine Anstalten, den Schlüssel zu greifen, zu dem Lykos gezeigt hatte, sondern warf sich auf die liegende Hofdame, um der Holdseligen die schmucken Kleider zu zerreißen.

Die andere Lady griff nahm dem Schlüssel und warf ihn Lykos zu, der das Schloss der Kette hastig öffnete und sich nun auf den wilden Mann stürzte, der seine dreckigen Pranken bereits in den weißen Busen des Fräuleins gegraben hatte und ihr einen Kuss abnötigte. Lykos würgte den Sklaven, der von der Lady abließ und den Angreifer mit Faustschlägen traktieren wollte. Doch der ehemalige Soldat beherrschte den Nahkampf und versetzte dem Sklaven einen Hieb, der ihn zur Seite warf. Doch da zog der Mann seinen Dolch, den er eingesteckt hatte, um das Weib zu nehmen.

Lykos war in größter Gefahr. Der Sklave fuchtelte mit dem spitzen Stahl herum und startete mehrere wohlfeile Scheinangriffe. Dann stieß er blitzschnell zu. Das kalte Metall sollte sich in Lykos Herz bohren… Der Exsoldat sprang zur Seite, ergriff den bewaffneten Arm und schwang herum, so dass er die Schulter des Sklaven auskugelte und ihm den Dolch entwand. Mit einem eisenharten Faustschlag in dessen Nacken versetzte Lykos den Angreifer ins Reich der Träume. Beide Hofdamen flohen in Lykos Arme und himmelten ihn geradezu als galanten Retter ihres Lebens an. Wenige Augenblicke später fanden Soldaten von Megara die Drei in der Zelle – vereint in den Armen liegend. „Er hat uns gerettet“, sprach die eine Lady voller Inbrunst. „Ja, der entflohene Sklave wollte mir die Jungfräulichkeit stehlen“, behauptete die zweite Dame, obwohl sie insgeheim schon mit mehreren jungen Burschen des Hofes das Bett geteilt hatte, aber das sollten weder ihre Familie noch Megara erfahren. Einer der Soldaten sah sie irritiert an, denn er gehörte zu ihren Liebhabern, und er musste ein Grinsen unterdrücken.

Noch am gleichen Tage entschied die Regentin über das Schicksal der Rebellen: Sie würden ihr Leben in der Arena aushauchen. Zwar gingen der Königin dadurch zahlreiche Arbeitskräfte verloren, doch waren bereits neue Lieferungen aus dem tiefen Süden eingetroffen, wo Megaras Schergen regelmäßig Nachschub besorgten. Gegen Glasperlen, Spiegel und allerlei Tand tauschten die dortigen Fürsten Sklaven aus dem Hinterland ein. Gerade jetzt waren wieder Aberhunderte der armen Kreaturen in Ketten unterwegs, um den langen Marsch ins Reich der Megara zu absolvieren. Für einen zügigen Transport der Ware gab es für die Männer einen Bonus in Silber, so dass sie die Nackten erbarmungslos zur Eile antrieben. Viele der Gefangenen trugen auf ihren Schultern eine Art massive Deichsel, an denen die Arme ausgebreitet festgebunden waren; anderen waren die Augen verbunden oder die Arme im Nacken fixiert. Wer zu langsam war, den küsste die Peitsche.

Im Palast der Tyrannin gingen derweil Gerüchte um die Hofdamen herum. Die Rettungsaktion der beiden Fräuleins kam der Majestät zu Ohren, und auf Wunsch der jungen Ladys begnadigte sie derohalben ihren Helfer. Jedoch sollte der Deserteur nicht ganz straffrei davonkommen. Er wurde gemeinsam mit den Adelsfrauen vor die Herrscherin geführt. Megara entließ ihn aus dem Armeedienst unehrenhaft und verschloss ihn erneut in einen Keuschheitsgürtel. Daraufhin sollte Lykos entscheiden, wer der beiden Ladys die Hübschere sei, denn der anderen würde sie den Schlüssel zu seiner Männlichkeit geben. Lykos schwitzte und ächzte. Was sollte er sagen? Er konnte nicht obsiegen. Die Ungenannte würde böse auf ihn sein; und ausgerechnet sie wäre forthin seine Schlüsselherrin!

Aber Megara ließ kein diplomatisches Geschwafel und Schwadronieren gelten, so dass Lykos sich schließlich für eine der Ladys entscheiden musste, obwohl sie beide Schönheiten waren. Die nicht Auserwählte blitzte den Exsoldaten böse und beleidigt an und nahm den Schlüssel entgegen. Trotzig hob sie ihr Kinn und stapfte schlankerhand, die Röcke raffend, davon. Sie hatte eine Fleppe gezogen und eilte in ihr Gemach, bevor sie in Tränen ausbrach. Gewisslich würde sie den Schlüssel so schnell nicht verwenden. Die „Schönere“ namens Phoibe lächelte Lykos an. Die Entscheidung des Begnadigten hatte ihr gefallen. Megara beendete die Audienz und ließ Lykos unsanft aus dem Palast werfen. Er fand sich mit schmerzenden Gliedern am Fuße der großen Marmortreppe wieder und rappelte sich auf. Wie sollte er unter diesen argen Zuständen jemals auf einen Aufschluss hoffen dürfen?

Er suchte sich in der Stadt eine Bleibe und eine Arbeit als Gehilfe eines Seilers. Dafür stand ihm abends eine Schüssel mit Dickwurzsuppe oder Getreidebrei zu. In der nächsten Zeit sollte seine Hoffnung auf Freiheit von Tag zu Tag weiter schrumpfen, während zugleich der Druck in seinem Gemächt anstieg. Zwar besuchte ihn die Hofdame namens Ceres nach zahlreichen Bittschriften in der Stadt, doch nur, um ihn zu verspotten. „Ich bin also hässlich! Warum sollte ich dich befreien - eingedenk deiner Wahl? Was interessiert mich ein Gemächt aus dem Pöbel? Es gibt genug hübsche und galante Burschen aus dem Adel, die mich mit Kusshand umgarnen.“ Mit diesen Worten verließ sie ihn und erfreute sich an ihrer Macht über den unglücklichen Kerl.

Sie hatte zwar kein Mitleid mit dem ehemaligen Deserteur, aber trotzdem besuchte Ceres den Eingeschlossenen mehrmals, um ihn zu ärgern und zu reizen. „Wer weiß? Vielleicht habe ich den Schlüssel längst in den Fluss geworfen…“, neckte sie ihn und weidete sich an seiner unerfüllten Lust, als Lykos aufstöhnte und sich in seinem Gesicht das Entsetzen abzeichnete. Beim vierten Besuch schluckte Lykos seinen Stolz hinunter und flehte sie auf Knien an: „Bitte habt doch Erbarmen mit mir. Schließt mich nur für eine Stunde auf, so will ich zufrieden sein. Aber meine Männlichkeit zwickt und zwackt. Ein Mannsbild kann an seinem eigenen Samen ertrinken!“ Die Ceres kicherte, tat, als überlege sie, und meinte dann amüsiert. „Wenn ihr mir zeigt, wie ihr euch den Samen abschüttelt, will ich euch diese Gnade gewähren.“ Lykos stöhnte auf. Das junge Fräulein wollte zusehen? „Also gut“, sagte er gedemütigt mit gesenktem Blick. Was blieb ihm anderes übrig? Die Dame grinste triumphierend und verschränkte die Arme vor ihrem kleinen Busen. „Dann entkleidet euch!“
30. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 11.08.18 18:43

Lykos gehorchte, streifte sein Lederhemd und die grüne Schnürhose ab und streckte die Hand für den Schlüssel aus. Aber Ceres lachte nur. „Haltet ihr mich nicht nur für hässlich sondern auch noch für eine dumme Gans? Ihr würdet mir den Schlüssel entreißen und flüchten.“ Lykos musste sich an einen Holzbalken binden lassen. Nur eine Hand blieb ihm frei, denn damit sollte er seinen Luststab halten können. Kichernd öffnete die junge Frau das eiserne Gefängnis und beobachtete amüsiert, wie sich die befreite Rute begierig aufrichtete.

Lykos griff danach und heizte seine Lust hemmungslos weiter an. Und schon nach wenigen Momenten verströmte sein Saft unter dem Gekicher der Lady, die genau beobachtete, was da vor ihren Augen geschah. Lykos stöhnte erleichtert auf. Sein halbschlaffer Stab tropfte und fühlte sich gut an. Doch ihm blieb kaum Zeit. Schon kam Ceres in ihrem plissierten Kleid herbei und kerkerte die Männlichkeit wieder ein. Der Gefesselte seufzte auf. „Bindet mich los“, forderte er, aber die Maid schüttelte den Kopf. „Jetzt, da ihr wisst, wo der Schlüssel ist, muss ich ihn erst verstecken.“ Sie verschwand, und Lykos wartete auf ihre Rückkehr.

Und wartete. Und wartete. Und wartete. Vergeblich. Sie kam und kam nicht zurück. Er versuchte sich von den Seilen zu befreien, aber sowohl Tau wie auch der Holzbalken, an dem er stand, waren stabil und unnachgiebig. Er war mit seiner Schlüsselherrin in eine alte Scheune gegangen, wo sie ungestört waren. Doch dies erwies sich nun als großer Nachteil, denn hier würde ihn niemand finden oder seine Hilferufe erhören. Wo blieb diese Hexe nur?

Plötzlich schnupperte Lykos und rümpfte die Nase. Wonach roch es hier? Rauch! War irgendwo ein Feuer ausgebrochen? Die Scheune würde brennen wie Zunder! Und mit ihr würde Lykos sterben… „Hilfe!“ brüllte er aus vollen Lungen. Wo kam das Feuer her? Was hatte hier das Stroh entzünden können? Dann stutzte Lykos: Der Rauch schien von draußen durch einen Luftzug hereinzuwirbeln. Offenbar stammte er von einem Ofen oder Feuer der Nachbarhäuser. Erleichtert atmete Lykos auf. Aber wann kam endlich dieses kleine Biest zurück und befreite ihn aus seiner misslichen Lage? Wollte sie ihm mit dem Rauch ins Bockshorn jagen?

Nach einer scheinbaren Ewigkeit kehrte die Dame zurück und löste endlich die Schnüre.
Lykos kleidete sich hastig an, als müsse er nach all dem Geschehen noch immer seine Scham vor der Lady bedecken. „Nächste Woche um die gleiche Zeit“, sagte die Maid leichthin. Dann entschwand sie. Lykos war verblüfft. Wollte dieses Mädel ihn nun jede Woche auf diese beschämende Weise erleichtern? Er war zwischen Lust und Scham hin- und hergerissen. Aber der animalische Trieb eines Mannsbildes zwang ihn dazu, sich vor der Lady zu erniedrigen.

In der Tat hatte Ceres ein neues Hobby gefunden: Ein Mal in der Woche kam sie in die Stadt und schnürte Lykos an den Balken in der Scheune, holte dann ihren Schlüssel aus dem Versteck und ließ den Exsoldaten Hand anlegen. Ersichtlicherweise verfolgte sie damit keine hehren Ziele. In der dritten Woche begann das Fräulein damit, unter ihren Röcken mit ihrer Weiblichkeit zu spielen, während Lykos seine Männlichkeit griff. Weil die Rute aber sehr schnell den Samen verspritzte, fesselte die Adelsdame in der Folgewoche Lykos beide Hände hinter den Balken und umfasste selbst das lüsterne Fleisch.

Als der Exsoldat guttural aufstöhnte und kurz vor dem Gipfel der Lust war, ließ sie ihn los und verwöhnte zunächst sich selbst wenig damemhaft. Lykos wurde beinahe wahnsinnig vor Frustration und Lust. Er schnappte nach Luft wie ein Ertrinkender. Sein Leib verkrampfte sich weiter. Sein Verstand schien sich aufzuweichen wie ein Pfund Butter in der Mittagssonne. Sein Gemächt wackelte und wippte hilflos umher. Beinahe hätte Lykos vor Verzweiflung laut geschrien. - Endlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, durfte auch er seine Erlösung finden und brüllte seine Befriedigung erleichtert hervor.

Eine weitere Woche später verschloss sie ihn schließlich, ohne ihm die Erleichterung zu gönnen, nachdem sie ihre Lust gekühlt hatte. Der Gefesselte konnte es kaum glauben und hoffte auf einen bösen Streich. Die empörten Proteste stellte Lykos schnell ein, als die Schlüsselherrin drohte: „Noch ein Ton, und ich werde einige Wochen auf einen Besuch verzichten.“ Lykos musste sie wohlfeil um Entschuldigung bitten und anbetteln, ihm die „dummen und unangemessenen Worte“ zu verzeihen. Zufrieden kichernd verabschiedete sich Ceres, als sei nichts gewesen.

Zwei Tage später erzählte die Maid ihrer Freundin Phoibe von ihren geheimen Besuchen in der Stadt und zeigte stolz den Schlüssel zu ihrem ganz privaten Lustsklaven. „Leihst du mir den Schlüssel mal?“ fragte Phoibe und konnte ihre Aufregung unter ihrem geröteten Antlitz nicht verbergen. „Nein“, antwortete Ceres kurzerhand. „Den teile ich nicht.“ Phoibe redete eindringlich auf Ceres ein, aber diese ließ sich nicht erweichen. Nach einiger Zeit begannen die beiden jungen Frauen zu streiten. „Jetzt gib mir schon den Schlüssel!“ sagte Phoibe, die sich in Rage geredet hatte, und sie rangelten um den Gegenstand wie zwei Krähen um einige Brosamen. „Nein!“ schrie Ceres schrill und zerrte Phoibe weg, doch die Freundin erwischte den Schlüssel, entrang ihn der Eigentümerin und lief damit weg, so schnell dies in ihrem langen Kleid möglich war. „Bleib hier! Komm zurück! Gib mir spornstreichs den Schlüssel!“ forderte Ceres, aber Phoibe flüchtete mit ihrer Beute, die sie eng an ihren Busen drückte.

Erst nach längerer Zeit näherte sie sich ihrer Freundin zögerlich wieder. „Sag mir, wo und wann ich deinen Lustsklaven finden kann“, wollte Phoibe wissen. „Wenn ich ihn getroffen habe, bekommst du den Schlüssel zurück.“ Doch Ceres blieb stur. Sie wollte ihren Lykos für sich alleine haben. Phoibe redete abermals auf ihre Freundin ein. „Sprich: Warum wechseln wir uns nicht ab?“ Aber Ceres schüttelte nur bestimmt und stumm den Kopf. „Wenn du mir nicht sagst, wo der Sklave ist, dann behalte ich eben den Schlüssel“, meinte Phoibe. „Von mir aus!“ sagte Ceres trotzig und verschränkte die Arme. Keiner der uneinsichtigen Damen wollte nachgeben, und so gingen sie starrköpfig auseinander.

In der kommenden Woche wartete Lykos vergeblich auf Ceres´ Besuch, denn die befürchtete, dass Phoibe ihr auflauern und hinterherschleichen könnte. - Auch weitere sieben Tage später ließ sie sich nicht blicken. Lykos ward sehr unruhig. Seine Begierde wuchs und wuchs, und außerdem hatte er Angst, Ceres habe ihn vergessen oder war es leid, mit ihm zu spielen. Sein Gemächt sprengte fast auseinander, so fühlte er sich. Zwischen seinen Schenkeln schienen schwere Bleikugeln zu hängen.

Zum Palast vorgelassen zu werden, das war für ihn als einfacher Seilergehilfe ausgeschlossen. Hätte man ihn dort ohne Erlaubnis erwischt, so würde er auf dem Richtblock enden. Oder würden die Wachen ihn einfach aufspießen? Oder aufhängen und den Krähen überlassen? Lykos schüttelte sich bei dem grausigen Gedanken. Völlig verzweifelt und mit wenig Hoffnung wartete er eine Woche später erneut auf die Hofdame. Viel Hoffnung hatte er nicht mehr, aber es war alles, was ihm blieb. Sein Herz machte einen Sprung, als Ceres tatsächlich erschien. „Den Göttern sei Dank!“ schickte er ein Gebet in den Himmel. Eine Felsenlast fiel von ihm ab.

Er entkleidete sich, und Ceres fesselte ihn dieses Mal jedoch nicht stehend, sondern auf dem Rücken liegend. Nun würde sie wie gewohnt den Schlüssel aus dem Versteck holen…
… doch sie pfiff stattdessen nicht sehr damenhaft. Was sollte das bedeuten? Hatte sie etwa noch jemanden mitgebracht? Lykos wurde rot vor Scham, als er die andere Lady sah, die damals mit ihm und Ceres in der Zelle gewesen war. „Hallo, mein süßer Retter“, sagte Phoibe. „Kennst du mich noch?“ Der nackte Mann antwortete: „Wie könnte ich Euch je vergessen??“ Sie kicherte, zückte den Schlüssel und befreite Lykos aus seinem Keuschheitsgürtel. Die beiden jungen Damen starrten gemeinsam auf Lykos´ Männlichkeit, die im Eiltempo wuchs. Der Gefesselte bemerkte die Blicke, und den Grund dafür und änderte seine Gesichtsfarbe in ein noch intensiveres Rot.

„Ab heute werden wir uns gemeinsam vergnügen“, flüsterte Ceres ihm ins Ohr und ergriff spielerisch seinen Schaft. Lykos stöhnte auf und stöhnte immer lauter, als die wunderbaren Streicheleinheiten der jungen Lady ihn bis an den Rand eines Orgasmus führten… Aber dann stoppte Ceres und quetschte sein Gemächt rücksichtslos. „Warte gefälligst auf die Erlaubnis, deinen Samen zu verströmen!“ Lykos ächzte. Was war hier los? Solch Grausamkeit! Kurz vor dem Gipfel seiner Lust beendete sie das Spiel! So infam konnte nur eine Dämonin aus den Höllenfeuern sein!

Phoibe raffte ihre Röcke und stellte sich über sein Gesicht. Der ehemalige Soldat glaubte seinen Augen nicht trauen zu dürfen: Die Hofdame trug nichts unter den weiten Röcken und senkte nun ihre Lenden mit ihrer nackten Venus… Welch Anblick! Ihm schwindelte vor Geilheit. Während Ceres seinen Luststab erneut griff und daran spielte, zupfte, zog, drückte und ihn massierte, presste sich ihre Freundin auf das Gesicht des Liegenden und rieb hockend ihre Scham auf seiner Nase und seinem Mund. Vor lauter Lust schnellte seine Zunge hervor und verwöhnte die feuchte Weiblichkeit der adligen Dame. Oh, was für sündige Taten! Und sie waren so gut! Oh, stöhnte Lykos, was ging hier vor? Welches Hexenwerk war hier am Werke?!

Nachdem Ceres 13 Pausen eingelegt hatte, um zu verhindern, dass der Lustsklave seinen Samen vergoss, stöhnte Phoibe laut auf. Sie rieb sich über Lykos Gesicht und zuckte.
Auch Lykos war wieder am Rande zu seiner Erleichterung, doch wieder versagte Ceres, dieses Mal boshaft kichernd, seine Befriedigung. Dann wechselten die Damen die Position. Ceres stellte sich über das Gesicht des Liegenden und drohte: „Wenn du deinen Samen von dir gibst, bevor ich mein Vergnügen hatte, werden wir deinen Schlüssel in die Tiefen des Flusses werfen!“

Lykos leckte ihre Weiblichkeit und erlebte Himmel und Hölle zugleich, denn Phoibes Finger verwöhnten seine Männlichkeit so geschickt, dass er es kaum aushielt und nur die fürchterliche Angst vor ewiger Keuschheit ihn davor bewahrte, zu früh… Doch da konnte er nicht mehr! Er biss sich auf die Lippen, aber… „Mmmmpf“, ertönte es unter Ceres Röcken, als sie einen lustvollen Schrei ausstieß, und gleichzeitig Lykos in hohem Bogen seinen Samen versprühte und das Gefühl hatte zu explodieren wie ein mächtiger Vulkan.

Ceres entspannte auf ihrem Liebesspielzeug und stand schließlich auf. Die Frauen verschlossen Lykos wieder und befreiten ihn von den Seilen. In der kommenden Woche wollten sie seine Lust anfeuern, ihn aber am Ende unbefriedigt verschließen. Ceres und Phoibe lachten vergnügt bei der Vorstellung und freuten sich schon sarddonisch auf die nächste Begegnung mit ihrem Lustsklaven, bei der sie ihn in den geilen Wahnsinn treiben wollten.

Die Wochen vergingen. Leda erwies sich als gute und gerechte Königin des Nordlandes.
Doch ihr größtes Problem stand nun vor den Toren der Burg: Telamon mit Megaras Armee. Der Zusammenprall von tausenden armierter Kämpfern brachte beiden Seiten große Verluste, und die Felder des Nordens waren bald bedeckt von den Opfern des Krieges. Nach grausamen und brutalen sechs Wochen zog sich Telamon endlich zurück. Über die Hälfte seiner Soldaten waren auf dem Feld der Ehre geblieben. Und die Burg der Nordkönigin war immer noch nicht eingenommen.

Als Kriegsgefangene ausgetauscht werden sollten, und Telamon einen Hinterhalt legte, indem er die eigenen Männer entgegennahm, aber anschließend sowohl die Vermittler unter parlamentärer Flagge als auch die Gefangenen erstechen ließ, mobilisierte Königin Leda ihre Truppen und jagte hinter Megaras Armee her, die sich zügig zurückzog und Richtung Süden floh. Die erbitterte Verfolgung mussten die Nordmänner schließlich abbrechen, denn Telamon erhielt aus dem Süden weitere Verstärkung von den Truppen der Aggressorin. Ein starker Gewittersturm begleitete die Armee nach Norden, als würden die Götter ihre Wut über den feigen Rückzug kommentieren. Durchnässt und frierend kamen die Soldaten schließlich in ihrem Heerlager an.

Die Invasion aus dem Süden war missglückt, doch der Krieg zwischen Nord- und Südland war deshalb in keiner Weise beigelegt. Im Gegenteil: Königin Leda plante einen Vergeltungsschlag und entwickelte mit ihren Beratern bereits einen großen Zug in das Reich der Megara, um die Despotin zu stürzen und ihr Volk von ihr zu befreien. Außerdem hatte sie dem verstorbenen Nordkönig Adin geschworen, seinen Sohn zu rächen. Bei all ihrem Tun merkte sie kaum, wie es ihrem Gemahl erging.

Abas war mittlerweile ein Nervenbündel geworden. Zu gern hätte er wieder mit seiner Königin und seinem Weib geschlafen, doch ihm war sogar verboten, selbst Hand an sich zu legen. Immer wieder musste er sich mit eisernem Willen zusammenreißen, immer wieder war er kurz davor, die Warnung des Heilers in den Wind zu schießen. Er musste einfach eine Erleichterung haben! Aber zugleich hatte er auch panische Angst vor dem verkündeten Fluch.

Hilfe suchend wendete er sich an den Druiden, ob dieser seine wilde Männlichkeit beruhigen könne, aber der Mann, der vor einem prasselnden Feuer saß, schüttelte betrübt den Kopf: „Es tut mir leid. Normalerweile gibt es dagegen diverse Kräuter, aber gegen den Fluch gibt es nur diese eine Möglichkeit. Solltest du deinem Trieb erliegen, so bist du verloren für alle Zeit.“ Abas schluckte und seufzte tief. Er starrte in die lodernden Flammen, die zwischen den Holzscheiten zuckten, während draußen ein Nieselregen die Burgmauern durchnässte.

Nach einer Weile stand er stumm auf, verließ den Heiler niedergeschlagen und erstieg die Zinnen der Festung, um die Glut seiner Lenden in Sturm und Regen abzukühlen, doch auch, als seine Kleider und Knochen kalt, feucht und klamm waren, spürte er noch die lodernde Begierde, die ihn so sehr peinigte. Was sollte er nur tun? Bald schon würde Leda mit ihrem gewaltigen Heer nach Süden aufbrechen. Und Abas würde an ihrer Seite reiten. Doch wie sollte er sich auf den Kriegszug konzentrieren, wenn ihn seine Männlichkeit so sehr quälte?

Einen Tag vor dem großen Aufbruch ertrug er den Druck nicht mehr und zog sich in ein Turmzimmer der Burg zurück, entkleidete sich und fasste seinen Luststab. Oh, was war das für ein Genuss! Dann begann er, seine Männlichkeit zu bearbeiten, da hörte er Schritte auf der Wendeltreppe. Wer mochte es wagen, hier in die königlichen Gemächer einzutreten? Schnell zog sich Abas das Beinkleid an, und schon öffnete sich knarrend die Tür: Die Königin stand vor ihm, auf ihren Schultern ruhte ein feines Seidengewand, und sie öffnete vor Erstaunen den Mund. „Abas!“ sagte Leda vorwurfsvoll. „Um der Götter Willen! Was tust du?“ Sie kam herbei und griff in seinen Schoß, fühlte die harte Rute und zog ihm die Hosen hinab, um sicher zu gehen. „Du hast doch nicht etwa gewagt…“

Abas jammerte bekümmert: „Nein. Ich wollte, aber…“ Leda sah ihn misstrauisch an und warf ihm sein Wams zu. „Kleide dich an und folge mir! Sofort!“ Abas gehorchte seiner Majestät und stellte mit Schrecken fest, wohin der Weg sie führte: in die Hof-Schmiede.
„Euer Gnaden“, sagte Abas, „das wird nicht nötig sein. Ich…“ Die Regentin des Nordlandes unterbrach ihn barsch: „Ruhe! Schmied, sorgt für einen guten Keuschheitsgürtel für meinen Gemahl! Und lasst ihn nicht aus den Augen, bis er verschlossen ist.“ „Sehr wohl, Euer Gnaden“, antwortete der kräftige bärtige Mann mit der ledernen Schürze und begab sich sofort an die Arbeit.

Abas ließ sich resignierend auf einen dicken Holzstumpf fallen, der dort als Sitzgelegenheit diente. Er sah zu, wie der Schmied den Keuschheitsgürtel auf dem Amboss mit Zange und Hammer formte. Im Hintergrund saß ein junger Geselle, der mit einer Punze einen silberfarbenen Harnisch bearbeitete, um eine kunstvolle Ziselierung anzubringen. Aber dafür hatte Abas keine Augen. Er starrte nur auf die Arbeit des Schmiedes, die für ihn bestimmt war. Mit jedem Hammerschlag näherte sich ihm die Keuschheit, und er konnte nichts gegen das Menetekel tun. Welche Torturen und Enbehrungen standen ihm da bevor? Was hatten die Göttinnen ihm da für einen grausamen Schicksalsfaden gesponnen?

Am nächsten Tag war die Zeit des großen Aufbruchs gekommen. Fast das komplette Heer des Nordlandes zog Richtung Süden, um die Diktatorin von ihrem Thron zu stoßen und die unterdrückten Menschen des Südlandes von ihrem Joch zu befreien. Fahnenmeere auf Pferden und der Fußsoldaten reichten bis zum Horizont; die Hörner der Vorhut bliesen zum Abmarsch, dem Feind entgegen. Rüstungen und Waffen schepperten; die schweren Stiefel der Männer stampften im Gleichschritt die Erde fest. Die Streitrösser der Anführer waren mit schmuckvollen Schabracken bekleidet, die die Farben des Nordlandes präsentierten.

Während die riesige Nordarmee gen Süden zog und es in den Tälern und Wäldern sowie über die Felder vom tausendfachen Hufgetrappel donnerte, machte sich Megaras Streitmacht für ihre Verteidigung bereit. Um die Hauptstadt waren zwei mächtige Ringe von Soldaten mit schwerer Reiterei und Myriaden von Bogenschützen in Stellung gegangen. Sie würden keinen Schritt zurückweichen. Der Prunkbau der Hoheit war zusätzlich von den Elitekämpfern der Monarchin geschützt. Innerhalb des Palastes waren Unmengen an Lebensmitteln eingelagert worden. Die arme Bevölkerung darbte in diesen Tagen mehr als sonst. Aber dieses Opfer zollten ihre Untertanen gern für ihre geliebte Hoheit, war sich Megara gewiss.

Trotz der Kriegsvorbereitungen lebte der königliche Hof weiterhin in Saus und Braus, feierte rauschende Feste und erfreute sich an abendlichen Arenakämpfen, bei denen Sklaven aufeinander gehetzt oder zum Amüsement der edlen Damen gemartert wurden.
Der junge Sklave Euros gehörte zu einer großen Kolonne Arbeitskräften, die vor den Toren der Stadt einen Schutzwall aus Palisaden mit angespitzten Pfählen bauen mussten. Der Blondschopf war von der heißen Sonne bereits braun gebrannt, obwohl er vor einigen Tagen noch milchweiße Haut besessen hatte, da er tagsüber in den Minen der Herrscherin schuften musste, nachdem Megara ihn als Bettgespiele verstoßen hatte.

Auch ihr bisheriges „Schoßhündchen“ Kreios war zum Arbeitseinsatz eingeteilt und trug schwere Lasten für die Soldaten. Mit seinem nackten Oberkörper, der vor Schweiß glänzte, sah der Hüne gewaltig aus, und so mancher Edelmann, der sich zuvor über das Spielzeug der Regentin lustig gemacht hatte, machte einen weiten Bogen um den kräftigen Riesen. Einige Maiden dagegen konnten den athletischen Leib nicht lang genug anstarren.

Megara umgab sich dieser Tage lieber mit einem jungen süßen Burschen mit weicher und zarter Haut, der zu den vielen Jünglingen gehörte, die in der Hoffnung zum Palast gereist waren, das Herz der Königin gewinnen zu können. Sie hatte seinen Namen vergessen und nannte ihn forthin Herzchen. Doch auch Megaras neuester Bettgefährte würde irgendwann als Sklave enden, da waren sich Megaras Leibdiener, die Soldaten der Sondergarde und die übrigen Wachleute in der Festung sicher. Und viele würden folgen, sollte die Nordkönigin Megaras Reich nicht einnehmen.

Das Nordheer ritt und marschierte unterdessen unaufhaltsam vorwärts Richtung Süden. Bald schon würden es erste Feindberührungen geben. Königin Leda umgab sich mit erfahrenen Kriegern, die sie strategisch berieten. Abas, der als Gemahl der Majestät im Nordland traditionell nur eine relativ unbedeutende Rolle spielte, durfte bei den streng geheimen Beratungen nicht anwesend sein. Er fühlte sich überflüssig und wandelte gelangweilt im Lager umher, dass das Heer vor wenigen Stunden aufgestellt hatte.

Zelte über Zelte bedeckten die Graslandschaft. Eine Zeitlang beobachtete Abas einige Soldaten, die klirrend mit dem Schwert Zweikämpfe übten. Dann zog er sich im königlichen Schlafzelt zurück und warf sich auf die Kissen und Felle der Ruhestätte. Doch zur Ruhe kam er in keiner Weise. Im Gegenteil: Sofort wanderten seine Hände zu dem eisernen Keuschheitsgürtel und machten ihm unmissverständlich klar, dass seine Männlichkeit für ihn vorerst unerreichbar sein würde. Würde er den Fluch ertragen, bis er von ihm genommen war, oder hätte er bis dahin seinen Verstand verloren? Er wusste es nicht.
31. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 31.08.18 17:01

Nach einer langen und beschwerlichen Reise erreichte die Armee des Nordvolks die Grenze zu Megaras Reich. Königin Leda hatte ihren Soldaten streng verboten, brandschatzend umherzuziehen. Die Landbevölkerung war schon gebeutelt genug. Leda verstand sich als Befreierin der unterdrückten Menschen, nicht als neue Tyrannin.

Zu ihrer Überraschung fand sie trotzdem verkohlte Hütten vor, sowie leere Schafspferche, in denen blutige Pfützen von einer großen Schlachtung kündeten.
„Megaras Schergen haben sich Vorräte besorgt – ohne Rücksicht auf ihre Vasallen“, stellte Leda kopfschüttelnd fest. „Ihr geht es nur darum, sich in ihrem Palast einpuppen zu können wie eine Made im Speck. Es wird Zeit, dem Spuk ihrer Schreckensherrschaft ein Ende zu bereiten.“

Die Armee setzte ihren Feldzug fort und ritt über kahle Felder, auf denen noch vor kurzer Zeit prachtvolle Wälder gestanden hatten, nun jedoch schauten sie nur noch traurige Baumstümpfe an. „Megara wird das Holz für Schutzwälle benötigt haben“, überlegte Leda. Ihr Kriegsfürst nickte: „Ja, Euer Gnaden. Nun sind auch die wenigen Bäume des Südlandes gefällt worden. Wir müssen damit rechnen, dass der Feind auch neuartige Angriffswaffen gebaut hat.“ Leda nickte. Bei Megara musste sie auf alles gefasst sein.

Sie waren noch keine halbe Stunde wieder im Sattel, da fanden sie am Wegesrand mehrere nackte Männer, die auf dem Rücken ausgestreckt an jeweils vier Plöcken festgezurrt waren. Die Armen waren kaum bei Bewusstsein, ausgemergelt und bettelten um Wasser. Leda erfuhr, dass sie Soldaten der Südlande waren, die jedoch desertieren wollten. Zur Strafe hatte man sie hier zurückgelassen. Ein Kämpe mit einer Hellebarde stellte sich vor einen der Unglücksraben und nestelte an seinem Beinkleid. „Ihr Bastarde wollt trinken? Hier habt ihr mein Wasser!“ Grinsend holte er seine Männlichkeit hervor. In diesem Moment erschien Leda höchstpersönlich und schickte den Hellebardier wütend weg. Sie wies einen Soldaten an, den vier Gefangenen Wasserschläuche zu reichen und sie von den Stricken zu befreien. Sie erhielten Kleidung und durften sich in die Reihen der Nordarmee einfügen.

Und dann trafen die Heere aufeinander: Schwerter, Äxte, Morgensterne und Lanzen klirrten, rasselten, knallten zusammen, Kriegsgebrüll und das Donnern der Streitrosse erfüllten die Luft. Schon bald herrschte das tosende Gebrüll der Soldaten, prallten die Kampflinien aufeinander, Reiter wurden aus den Satteln gerissen und am Boden verwundet von den Pferden zermalmt oder von Spießen erstochen. Nach endlosen Stunden zogen sich Megaras dezimierten Einheiten eilig zurück. Ausgelassener Jubel brach bei den Siegern aus. Sie brüllten die ganze Anspannung hinaus und schworen sich weiter aufeinander ein.

Leda entschied, diesen Vorteil zu nutzen und sofort weiter vorzurücken. Hörner riefen das Aufgebot zum Vormarsch. Ledas Streitmacht setzte sich in Bewegung. Die Stadt in der Ferne wirkte wie ausgestorben. Und auch der Palisadenzaun war nicht bemannt. Ungehindert konnten die Nordmänner ihn passieren. War die Stadt verlassen worden?

Plötzlich kniff der nordische Kriegsfürst die Augen zusammen und schnupperte in die Luft. „Hier stimmt etwas nicht!“ Jetzt sah Leda es auch: Eine kleine Feuerlinie bahnte sich in der aufkommenden Dämmerung links und rechts den Weg vorbei an den Flanken des Nordheeres. Was hatte das zu bedeuten? „Eine Falle!“ brüllte der Kriegsfürst. Eine Feuerwand schoss fauchend in den Himmel, und die heißen Flammen leckten gierig nach Luft und schnappten wie bissige tollwütige Kampfhunde nach allen Seiten. Dann breitete sich Feuer und unerträgliche Hitze immer weiter aus. Ledas Soldaten waren eingekesselt. Das Feuer näherte sich und würde sie auffressen, wenn kein Wunder geschehen würde…

Als habe das Schicksal keinen schon genügend großen Preis verlangt, warnte eine überschlagende Stimme: „Brandpfeile!“ Im letzten Moment hoben hunderte Soldaten ihre Schilde über die Köpfe und bildeten so ein Schutzdach, auf das Myriaden von brennenden Geschossen prasselten und großteils stecken blieben. „Rückzug!“ schrie Leda. „Wir müssen durch die hintere Feuerwand brechen. Sonst verglühen wir hier.“ Die Führer der Truppeneinheiten hatten große Mühe, eine Panik zu unterbinden und einen einigermaßen geordneten Rückzug einzuleiten. Leda gingen einige Schreie durch Mark und Bein, die von lebenden Fackeln zeugten.

Jeder musste um sein Leben bangen. Als das Nordheer hinter einem nahen Hügel in Sicherheit war, schüttelte Leda im schnell errichteten Lager resignierend den Kopf. „Megaras Palastfestung ist uneinnehmbar.“ Auch ihr Kriegsfürst wusste sich keinen Rat. Mit ihren Mitteln würden sie nicht in der Lage sein, das Bollwerk zu erobern. Selbst eine Belagerung der Feste war nicht aussichtsreich.

Doch dann ereilte Leda eine Überraschung: Am frühen Morgen des nächsten Tages hastete Ledas Kriegsfürst, ungerüstet nur in Lederkutte und Beinkleid gewandet, außer Atem in ihr Zelt: „Euer Gnaden! Es gibt vortrefflich Neuigkeiten. Ganze fünfhundert Soldaten haben sich ergeben und sind übergelaufen.“ Konnte das wahr sein, oder handelte es sich hier um eine Kriegslist der Tyrannin? Doch Leda konnte sich von der Ehrlichkeit der Männer überzeugen und gab Waffen aus, um sie in ihr Heer aufzunehmen.

Die feindliche Regentin hingegen tobte auf der anderen Seite der Mauer: „Hochverrat! Fast eine gesamte Kohorte Eidbrüchiger! Wie konnte das geschehen?“ Die Herrscherin war außer sich und spuckte Telamon vor die Füße. Am liebsten hätte sie ihn vor allen Soldaten geohrfeigt. „Dieses Gewürm hatte mit die Treue geschworen! Und kaum kommt da ein Weibsstück am Horizont dahergelaufen, dass zu allem Überfluss eine Deserteurin aus meinen Reihen ist, schon laufen diese ehrlosen Feiglinge wie die Hasen! Sollte ich sie jemals in meine Hände bekommen, werden sie…“ Der Paladin hörte nicht mehr zu, wie Megara zahlreiche grausame Foltermethoden aufzählte und sich bildlich und detailverliebt ausmalte, was sie der Reihe nach mit den Fahnenflüchtigen tun werde…

Ledas Kriegsfürsten beratschlagten das weitere Vorgehen. „Es wird viele Leben kosten“, sagte der oberste Führer des Heeres, und Ledas Berater stimmten ihm zu, schlugen anerkennend auf den Holztisch. „Schutt und Asche“, orakelte einer der Männer, „die Stadt wird nicht mehr existieren. Vielleicht zünden Megaras Schergen die Häuser sogar selbst an.“ Er sah in die Runde, was die Anwesenden von seiner Meinung hielten und nippte an seinem Zinnbecher mit Ale.

Königin Leda zog sich zurück und besprach die Situation mit dem alten Weissager, der auch schon bei Abas Fluch geholfen hatte. „Die Aaskrähen werden wie ein schwarzer Teppich über den Gefallenen kauern“, sah der weißhaarige Mann in die düstere Zukunft, während er in eine Flamme starrte. „Doch ihr könnt das große Leid umgehen…“ Leda hing an seinen Lippen, als er ihr von dem magischen Schlafmohnpulver erzählte, von dem eine alte Überlieferung berichtete, und das nötig war für den Plan, den die Kriegsgötter ihnen darlegten.

Bereits am nächsten Tag, kurz nach Sonnenaufgang, näherten sich drei Reiter aus der Stadt dem Heerlager. Die Parlamentäre trugen eine große weiße Fahne, die im Wind flatterte. „Wir übergeben Euch hiermit die Stadt. Die Tore werden geöffnet. Die Bewohner haben beschlossen, sich Euch ohne Bedingungen zu ergeben und Megara abzuschwören.“

So viel Glück konnte Leda kaum glauben, doch es schien wahr. Das würde viel Blutvergießen verhindern. Jetzt fehlte nur noch der Palast der Megara. Ihn jedoch zu erobern war fast unmöglich. Auch eine Belagerung würde das Herscherhaus viele Monate ertragen, denn die Lager waren bis unter die Dächer mit Lebensmitteln gefüllt, die sie zuvor der unterdrückten Bevölkerung geraubt hatten. Aber Leda hatte sich den Plan ihres Heilers durch den Kopf gehen lassen und stimmte schließlich seiner Idee zu. Sie gab die Vorbereitungen den staunenden Soldaten in Auftrag.

Innerhalb des Palastes war den Hofdamen und Edelleuten das ständige Feiern vergangen. Sie hatten die ernste Lage erkannt und vertrauten notgedrungen den dicken Mauern der Bastion und den wenigen Elitesoldaten, die ihnen noch verblieben waren, nachdem das „normale“ Heer desertiert war. Megara ließ gegen Mittag einen Vermittler zu Leda reiten, der eine Botschaft zu überbringen hatte: Sollte das Nordheer gegen den Palast ziehen, so würden Geiseln aus dem Nordland entmannt werden. Kein Mitleid, kein Erbarmen sollte es geben.

Im Laufe der nächsten drei Tage nähten und bauten Ledas Handwerker ein seltsames Gebilde aus Tierhäuten zusammen. Die Nichteingeweihten rätselten, was es damit auf sich hatte. So mancher Bursche schwadronierte von Hexerei. Gleichzeitig braute der Heiler mit mehreren Gehilfen in seinem großen Zelt, dessen Eingang ein weißer Widderschädel schmückte, in einem voluminösen Kupferkessel über dem Feuer eine seltsame Suppe. Zuvor hatten fast 50 Reiter im weiten Umkreis bestimmte Kräuter und Blumen pflücken müssen. Den meisten Soldaten war das alles nicht besonders geheuer.

Endlich war es soweit: Der Heiler stellte kleine Tongefäße her und füllte diese mit einem Pulver, das er zuvor mit dem Kräutersud vermischt hatte. Er versiegelte den Inhalt mit Wachspfropfen. Dann breiteten Helfer den großen Ballon aus Tierhaut aus und entzündeten darunter ein Feuer in einem Korb, der mit dem Ballon verbunden war. Die Tierhaut blähte sich durch die Hitze auf wie eine riesige Kugel. „Schwarze Magie!“ rief ein Soldat und stand da mit offenem Mund. Ein anderer schritt ängstlich rückwärts, als sei ihm der Schnitter persönlich begegnet. Das konnte alles nicht mit rechten Dingen zugehen! Und als dann der Heiler mit den Tongefäßen in den Korb stieg, einige Seile durchtrennte und das Feuer weiter anfachte, da zitterte der Soldat vor Furcht: Der Ballon erhob sich und flog wie ein Vogel durch die Luft!

Der Alchemist stieg in den Himmel, höher und höher, dann hielt er die Höhe bei und näherte sich dem Palast der Megara. Der Wind trug ihn genau in die richtige Richtung. Innerhalb der Befestigung herrschte große Enge. Denn als Megaras Soldaten desertiert waren, hatten sie sich keine Zeit genommen, die Sklaven zu befreien. Daher waren die Unglücklichen von den Eliteeinheiten in die Burg gebracht worden. Vielleicht sollten sie als menschliche Schutzschilde missbraucht werden? Außerdem konnte die Palastwache jede starke Hand gebrauchen, denn für den Notfall gab es gewaltige Steinwurfmaschinen, die nun unter Peitschhieben der Antreiber von den fast nackten Leibeigenen in Stellung gebracht wurden.

Die Soldaten beluden die Katapulte mit Felsbrocken, aber auch mit entzündlichem Teer.
Außerdem hatte Megara vor, einige der entmannten Geiseln zur Abschreckung als Wurfgeschosse zu verwenden. Die Despotin wartete auf die Attacke, doch die gefürchteten Nordmänner verharrten vor den Mauern. Wollten sie den Palast belagern? Am Nachmittag kam ein Wachmann in Megaras Gemach, als diese sich gerade von ihrem neuen jungen „Spielzeug“ verwöhnen ließ: „Entschuldigt, Majestät! Aber ein großer künstlicher Vogel ist am Himmel erschienen. Eine Blase. Und sie spuckt Feuer! Vielleicht haben die Götter sie geschickt.“

Megara trat den Jüngling brüsk zur Seite und eilte auf den höchsten Turm des Palastes. Sollte ein Drache gesichtet worden sein? Und auf welche Seite würde er sich schlagen? Auch im großen Innenhof der Festung waren alle Häupter zum Himmel gerichtet. „Was…“ begann die Regentin, aber sie kam nicht mehr dazu, die Frage zu Ende zu stellen, denn plötzlich quollen an mehreren Stellen des Hofes dicke Rauchschwaden auf. Der Heiler hatte die Tongefäße abgeworfen, die ihren einschläfernden Inhalt nun freigaben, als sie auf dem Stein in tausend Scherben zerbarsten. Wie wabernde Nebel zog die geheimnisvolle Mischung durch den Hof. Megara stand mit Telamon und zwei Wachleuten auf dem höchsten Turm und beobachtete, wie ein Waffenbruder nach dem anderen umkippte. Der Rauch zog auch durch Fenster und Türen, Schießscharten und andere Öffnungen in die Gemäuer und ließ sämtliche Bewohner in einen tiefen Schlaf fallen. Nur die Vier auf dem hohen Turm waren außerhalb der Wirkung und blieben wach.

Sie schüttelten fassungslos den Kopf, verstanden nicht, was da vor sich ging. Und nun ertönten auch noch die bassigen Hörner der Nordmänner, deren Armee sich in Bewegung setzte. „Nein!“ rief Megara entsetzt. „Haltet sie auf! Zu den Waffen!“ Die beiden Wachmänner liefen die Wendeltreppe hinab, um den Befehl weiter zu leiten, doch kaum unten angekommen, umgab sie der Rauch des Schlafmohns und ließ sie ihre Besinnung verlieren. Scheppernd fielen ihre Hellebarden auf den kalten Marmorboden, und ihre Körper sackten wie leblos zusammen.

Telamon verriegelte die schwere Falltür zum Turmdach. „Majestät! Der Palast wird gestürmt. Die Nordmänner haben einen bösen Zauber gewirkt. Alle Soldaten sind tot.“ Megara schrie: „Nein! Das glaube ich nicht! Das wagen sie nicht! Entmannt alle Sklaven! Sofort!“ Telamon versuchte, seine Königin zu beruhigen: „Wir können nicht hinab. Der Rauch ist vergiftet. Er würde uns sofort töten. Es ist schwarze Magie!“ Megara musste hilflos mit ansehen, wie die schweren Tore des Palastes aufgebrochen wurden und hunderte Krieger in den königlichen Hof eindrangen. Die gesplitterten Riegelbalken schepperten zu Boden, die Türflügel knallten zitternd gegen Wände. Die Recken verteilten sich im Hof, Schwert oder Pike vor sich. Auf Ledas Befehl wurden sämtliche Sklaven von ihren Ketten befreit, obwohl sie noch bewusstlos waren.

Die Elitesoldaten und Palastwachen der Megara wurden in den berüchtigten Kerker geschleift, wo sie in dunklen Gewölben mit schweren Gittern und Dämmerlicht durch einige wenige Fackeln an den groben Wänden darauf warteten, dass sie wieder zu Besinnung kamen. Leda persönlich führte die Gruppe an, denn sie kannte sich als einzige in den Kellern und Gängen gut genug aus. Wer hier unten zu Megaras Zeiten hauste, hatte das Sonnenlicht meist das letzte Mal im Leben gesehen.

Plötzlich gab es im Innenhof einen Tumult. Kreios, der Hüne mit dem nackten Oberkörper, war durch die Wolken des Schlafpulvers nur benommen, konnte also nach seinem großen Morgenstern greifen und sich auf drei Nordkrieger stürzen, die mit Mühe den wuchtigen Schlägen standhielten, doch schnell waren ihre Metallschilde völlig verbeult, deformiert und nutzten kaum noch etwas. Doch da liefen jetzt fünf weitere Krieger herbei, die den Riesen schließlich überwältigten. Einer warf ein Netz über den Koloss, ein anderer schleuderte einen Strick um dessen Füße, drei schlugen mit ihren Waffen zu, so dass der Gigant zu Boden ging. Ein Nordmann wollte gerade mit seinem Breitschwert zustoßen und Kreios Herz durchbohren, da hörte er die königliche Stimme von Leda: „Stopp! Lasst ihn leben! Er ist nur ein Sklave. Er hat noch nicht begriffen, dass wir ihm die Freiheit schenken werden.“

„Euer Gnaden“, kam Ledas Kriegsfürst zu ihr, „wir haben die meisten Angehörigen des Hofes gefunden, doch Megara selbst und ihr Paladin sind verschwunden wie durch Hexerei!“ „Durchsucht die Burg bis in den kleinsten Winkel“, befahl Leda. Sie konnte nicht geflüchtet sein. Das war unmöglich. Alles war abgesperrt gewesen. Sie musste irgendwo ein Versteck gefunden haben. Sie musste gefunden werden! Und wenn ihre Männer jeden einzelnen Steinquader umdrehten, um sie zu fangen!

Telamon starrte von den Zinnen hinab auf den Tumult. Als er sich wieder zu seiner Regentin umdrehte…

…war Megara verschwunden. Die Falltür war geöffnet. Der Paladin lief zu der Öffnung: „Majestät!“, rief er laut, aber niemand antwortete. Was sollte er nun tun? Er entschloss sich, Megara zu folgen und zog sein Schwert. Lieber im Kampf sterben, als unehrenhaft vor dem Feind auf den Knien liegen! Telamon raste die steinerne Wendeltreppe hinab, das Schwert vor sich. Dann kam er bei einer Kammer vorbei, deren Tür aufstand. „Majestät!“ rief er und ging auf Megara zu, die ihm den Rücken zuwandte. „Majestät“, sagte er erneut, „hier sind wir nicht sicher. Ich höre schon die Nordmänner auf der Treppe. In wenigen Augenblicken werden sie hereinstürmen. Aber ich werde uns bis aufs Blut verteidigen.“

Kaum hatte er den Satz beendet, erschienen mehrere Soldaten und drangen in die Kammer ein. „Ergebt Euch! Dann behaltet Ihr Euer Leben!“ rief der Anführer, ein scharfes Schwert auf Telamon gerichtet. „Niemals!“ brüllte der Kriegsfürst und ging mit seinem Schwert auf die Eindringlinge zu. In der engen Räumlichkeit blieb nur der Zweikampf: Der Paladin hielt sich in dem nun folgenden wilden Schwertkampf mit dem Gegner wacker, doch bald schon schoben sich Nordmänner an den Seiten vorbei und positionierten sich in seinem Rücken. Er war nun der Übermacht unterlegen und ächzte mit einer Klinge in der Brust auf. Sein Schwert fiel scheppernd zu Boden, dann sackte Telamon kraftlos zusammen, seine Augen brachen. Sein Leben war ausgehaucht.

An der rückwärtigen Wand der Kammer stand die Despotin und hatte dem letzten Aufbäumen zugesehen. Der Sprecher der Nordmänner sagte mit fester Stimme: „Königin Megara! Hiermit seid Ihr Gefangene von Königin Leda, Herrin des Nordvolkes. Ergebt Euch Eurem Schicksal!“ Die Regentin ließ sich ohne Gegenwehr abführen. Ihre Mimik verriet nichts über ihre Gefühle. Mit hoch erhobenem Kopf ging sie die Wendeltreppe hinab auf den Hof, umringt von nordischen Kriegern.

Nur eine Stunde später waren die Sklaven im Kerker wieder bei Bewusstsein. Die Wolken aus Schlafmohnextrakt verloren ihre Wirkung. Den Leibeigenen wurde die Freiheit versprochen, was sie jubelnd aufnahmen. Viele Soldaten von Megara wechselten die Seite und schworen einen Treueid auf Königin Leda. Trotzdem blieben einige Männer und Damen im Kerker, denn sowohl die Angehörigen der Elitepalastwache wie auch der Adel mussten mit der nordischen Gerichtsbarkeit rechnen.

Den größten Triumph wollte sich die neue Herrscherin des gesamten Nord- und Südreiches bis zum Schluss aufbewahren. Erst waren wichtige Regierungsgespräche zu führen, aber am nächsten Tag besuchte Leda im Kerker die gefallene Diktatorin Megara. Leda ließ sich von zwei Wachen mit Fackeln zu ihr führen und trat in die düstere Einzelzelle ein, wo die Gefangene in schweren Ketten ihr Dasein fristete. Leda wollte sie gerade ansprechen, da stutzte sie. Sie befahl den Wachen, die beiden Lichter näher zur Gefangenen zu bringen, damit sie ihr Gesicht sehen konnte.

Als „Megaras“ Antlitz von den Flammen erleuchtete, stieß Leda einen erschrockenen Ruf aus. „Sucht sofort die Umgebung ab! Das ist nicht Megara! Das ist nur irgendeine Magd in einem königlichen Gewand!“ Die Gefangene sackte weinend zusammen. „Die Königin hat mich gezwungen. Wenn ich etwas gesagt hätte, hätte sie meinen Liebsten entmannt…“ Leda unterbrach sie: „Nein. Megara hat keinerlei Macht mehr. Ich habe sie vom Thron gestürzt. Wir werden sie finden und zur Rechenschaft ziehen.“

Königin Leda wies die Wachmannschaft des Kerkers an, die Magd frei zu lassen. Mehrere Reitertrupps durchkämmten nun die Umgebung und schickten Kundschafter in alle Windrichtungen durch die Lande, um Megara aufzuspüren. Nichts blieb unversucht. Doch die Tyrannin blieb wie vom Erdboden verschluckt.
32. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von AlfvM am 01.09.18 21:12

Geile Geschichte setze sie bitte baldmöglichst fort.
LG Alf
33. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 15.09.18 14:59

Die Tage vergingen, und obwohl die Angehörigen des Adels jammerten und flehten und um Gnade baten, glaubte ihnen niemand ihre angebliche Reue. Längst waren ihre seidenen Rüschenkleider verdreckt und zerrissen. Und auch der anfängliche Hungerstreik wegen „des ungenießbaren Fraßes“ hatten die feinen Damen und Herren längst eingestellt. Jetzt wurde ihnen bewusst, wie sehr das Volk, und besonders die Sklaven, unter ihrer Willkür und Gewaltherrschaft gelitten hatten.

Aber Leda ließ keine Gnade walten: In den kommenden Tagen wurde ein Edelmann nach dem anderen der Gnade der Götter übergeben. Weil nach alter Tradition des Nordlandes keine Frau hingerichtet werden durfte, beschloss Leda, die edlen Fräuleins in dem dunklen Kerker des Palastes verrotten zu lassen. All ihr Schreien, Wehklagen, Greinen und Betteln brachte ihnen nichts ein.

Zwei Tage später erschien ein Mann mit Dreitagebart, der sich als Soldat für Königin Leda verpflichtet hatte, beim Kerkermeister und bat um Einlass. Eigentlich war es den Kriegern streng verboten, ihre Manneslust an den Gefangenen auszulassen, aber der Soldat reichte dem Kerkermeister eine großzügige „Spende“, so dass der Wächter beschloss, eine Zeitlang nicht so genau hinzusehen, wer da in den Kerker ging. Sollte der Recke sich doch vergnügen. Die Zicken hinter dem Gitter hatten es nicht besser verdient! Der geheimnisvolle Besucher hieß Lykos und war auf der Suche nach Phoibe und Ceres, die immer noch den Schlüssel zu seinem Keuschheitsgürtel besaßen.

Noch sehnsüchtiger als Lykos erwartete der Gemahl der Königin, Abas, den Aufschluss seines Gürtels, doch die Majestät blieb unnachgiebig. Erst einige Wochen waren vergangen, und ein ganzes Jahr musste Abas ertragen, um den Fluch aufzulösen. Leider war der Magier der Megara nicht mehr unter den Lebenden. Er hatte sich mit einer Giftkapsel aus der Verantwortung gestohlen, als Ledas Armee den Palast eroberte. Der Heiler von Königin Leda konnte daher den Zauberer nicht mehr nach der Formel für den Fluch befragen, um ihn vom jungen Abas zu nehmen.

Zwar werkelte der Heiler tagelang mit allerlei Räucherwerk, Töpfen und Tiegeln herum und murmelte geheimnisvolle Bannsprüche, doch nichts schien zu helfen. Abas fühlte sich immer noch… nun, wie sollte er sich vornehm genug ausdrücken als Gemahl des vereinten Nord- und Südlandes? Eine distinguierte Umschreibung fiel ihm nicht ein. In seinen Gemächern jammerte er: „Ich fühle mich wie ein geiler Bock, dem die Ziegen verwehrt werden, obwohl sie vor seiner Nase ihre Hintern hinstrecken!“ Königin Leda hatte zwar Mitleid, konnte sich aber kaum mit Abas´ Problem befassen, denn die Regierungsgeschäfte verlangten ihre volle Zeit. So musste Abas auch in den kommenden Wochen verschlossen bleiben und tapfer sein.

Ganz anders der ehemalige und jetzt erneute Soldat Lykos: Er hatte es tatsächlich mit seiner Verwegenheit geschafft sich in den Kerker Einlass zu verschaffen und nach einiger Suche die beiden jungen Damen Ceres und Phoibe zu finden. Die Edelfrauen witterten ihre Chance, der trostlosen Gefangenschaft zu entkommen und forderten ungestüm ihre Freiheit als Preis für den Schlüssel zu Lykos Keuschheitsgürtel. „Quid pro quo“, sagte Phoibe und grinste mit ihrem mittlerweile schwarz verdreckten Gesicht, aus dem ihre Stupsnase ragte.

Lykos hatte also eine weitere – nicht unerhebliche – Summe an den dubiosen Kerkermeister bezahlt, um die beiden Fräuleins zu kaufen und erhielt daraufhin einen Hinweis auf das Versteck des Schlüssels. Da Lykos den Beiden nicht traute, mussten sie ihn begleiten. Misstrauisch ließ er sich zu dem Versteck führen. Seine Sorge war jedoch unbegründet gewesen. Sie hatten die Wahrheit gesprochen, und Lykos hatte sich aufgeschlossen. Was für ein Gefühl der Freiheit hatte ihn durchströmt! Er war putzwunderlich, als Ceres ihn aufforderte, sein Lager mit ihm zu teilen. SIe wollte wohl das erste Weib sein, das den hungrigen Stab umschloss. Das ließ sich der Soldat nicht zwei Mal sagen und zog sich mit der jungen Frau zurück. Das Paar vergnügte sich wild miteinander, und beide hatten offenbar größte Befriedigung und Freude an dem, was sie da taten.

Anschließend verabschiedeten sich die beiden Damen, kleideten sich unauffällig ein; Lykos half ihnen sogar, zwei Gäule zu stehlen, und mit ein wenig Mundvorrat machten sich Ceres und Phoibe auf die Reise nach Westen, außerhalb von Ledas Machtbereich. Seit dieser Zeit lebte Lykos unauffällig unter den Soldaten und hob sich nur ab und zu als Weiberheld hervor, der vor seinen Kameraden von seinen frivolen und heldenhaften Abenteuern erzählte, jedoch dabei stets „vergaß“, den Keuschheitsgürtel zu erwähnen, den er getragen hatte. Die grausame Zeit der Enthaltsamkeit war für ihn vorbei.

Nicht so für den Gemahl der Königin: Abas schaute jedem Kleid hinterher, so dass ihn Leda oft mit bösen Blicken zur Räson bringen musste. Der königliche Gemahl bettelte jede Nacht mehr, ihn doch wenigstens probeweise von dem eisernen Verschluss zu befreien, und eines Tages ließ sich Leda erweichen. Sie hatte sich zwar hin und wieder von ihrem Manne ihre Weiblichkeit „küssen“ lassen, doch vermisste sie Abas „Schwert“ und öffnete den Keuschheitsgürtel.

„Aber wenn der Fluch noch nicht vergangen ist, was geschieht dann?“ fragte Leda sorgenvoll. Abas zuckte mit den Schultern: „Was soll schon geschehen? Dann verschließt du mich wieder, und wir warten notgedrungen die restlichen Monate ab.“ Leda nickte, aber während sie Abas aufschloss grübelte sie in Gedanken: „Hatte der Heiler nicht irgendeine Warnung ausgesprochen?“ Doch das heiße Verlangen der Beiden zueinander war so groß, dass es alle Bedenken zerstreute. Abas stöhnte lustvoll auf, als sein scharfer Dolch die Freiheit spürte und er sich über die Majestät der vereinten Länder schob. Auch Leda spürte die Feuchte ihrer Lenden und ertastete den harten Stab mit den Händen, bevor er endlich sein Ziel fand.

Das junge Paar versank in lodernder Leidenschaft - heiße und sinnliche Stunden folgten.
Die Königin stieß spitze Schreie vor Lust und Begierde aus und klammerte sich an den jungen straffen Körper ihres Gemahls, der sie zu so großem Vergnügen führte. Doch mit der Zeit bemerkte sie, dass Abas verspannte und nervöser wurde. Er hatte noch kein Mal seinen Samen in sie gegossen. Nun konzentrierte sich Leda auf Abas Lust, aber diese schien er nicht befriedigen zu können. Seine Gier, sein wilder Wille nach Entspannung blieb unerfüllt. Egal, wie sehr er sich bemühte. Sein Zepter pochte und flehte förmlich um eine Erlösung, doch sie blieb ihm verwehrt.

Schließlich nahm die Königin sein Schwert in den Mund und verwöhnte Abas nach allen Künsten. Abas gefiel es offenbar prächtig. Seine Lustgeräusche und Hüftbewegungen verdeutlichten, wie sehr er es liebte. Aber sein Saft wollte einfach nicht verströmen. Irgendwann gab Leda ihre Bemühungen auf und seufzte. Abas hatte seinen Luststab selbst in die Hand genommen und führte schnelle Bewegungen aus, Leda sah kopfschüttelnd zu, aber Abas konnte seinen Samen nicht verteilen. Er war völlig frustriert und jammerte: „Oh, Leda! Was soll ich bloß machen?“ Die Herrscherin antwortete: „Da bleibt nur wieder der Einschluss in…. Ach je!“ Abas sah sie an und unterbrach seine „Handarbeit“: „Was ist denn?“ Leda sah ihn bestürzt an: „Mir fällt gerade ein, was mein Heiler gesagt hat. Solltest du bereits vor Ende der vierten Jahreszeit versuchen….. Oh, je! Was haben wir getan?! Du wirst auf ewig diesem Fluch ausgesetzt sein!“

Abas starrte sie an: „NEIN!“, rief er entsetzt. „Das darfst du nicht zulassen! Du bist die Herrin über Nord- und Südland! Du musst mich von diesem Bann befreien können!“ Aber Leda blieb stumm und senkte resignierend ihr Haupt, denn sie hatte keinen Rat. Abas Schicksal schien besiegelt.

Einige Wochen nach der furchtbaren Erkenntnis musste Ledas Gemahl in einer Kammer eingesperrt werden, denn er wütete von morgens bis abends und nutzte jeden unbeobachteten Moment, um Hand an sich zu legen. Doch das alles machte ihn von Tag zu Tag nur unbefriedigter und besessener. Die „geheimnisvolle Krankheit“ des Verfluchten sprach sich im Volk herum, doch niemand wusste genau, worum es sich handelte. Es war lediglich bekannt, dass Abas allmählich den Verstand verlor.

Eines Tages stand ein langhaariger alter Druide aus dem Nordland vor dem ehemaligen Palast der Megara, den die amtierende Königin Leda als ihren neuen Regierungssitz annektiert hatte. Der bucklige Druide versicherte, Abas heilen zu können. Zunächst war Leda skeptisch, doch als der Druide alle Einzelheiten über Abas Fluch kannte, war sie überzeugt, dass der Mann mit seinem knorrigen Wanderstock seherische und heilende Kräfte besaß. Er verbrannte eine Kräutermischung über einem kleinen Feuer und verwirbelte den Rauch im Raum, in dem Abas saß. Anschließend musste der Gemahl der Regentin einen bitteren Sud trinken.

Nicht nur das Königshaus sondern auch das gesamte Volk betete zu den Göttern, dass der Trunk helfen möge, den Mann ihrer Befreierin von der „mysteriösen Erkrankung“ zu heilen. In den kommenden Tagen zogen sich Leda und Abas immer wieder in ihr prunkvolles Schlafgemach zurück, um zu prüfen, ob der Fluch besiegt war. Doch zunächst gab es keine Veränderung, und Abas verlor fast den Verstand vor Geilheit.

Als nach einer Woche Abas zum ersten Mal nach so ewiger Zeit wieder seinen Samen - brüllend vor Erleichterung und Ekstase - in Leda verströmte, lagen sich die Beiden überglücklich in den Armen. Zwar hatte Abas sehr lange gebraucht, aber letztlich war er am Ziel seiner Bemühungen angekommen. Auch in der zweiten Woche war der Gemahl der Königin in der Lage, als gesunder Mann ihr Lager zu teilen, und Ledas Hoffnungen, eines Tages Abas einen Sohn schenken zu können, keimten wieder auf.

Die Regentin dankte dem Heiler, der ihr allerdings als Wehrmutstropfen verkündete, dass der Fluch wohl nie völlig verschwinden werde. „Was bedeutet das?“, wollte Leda erschrocken wissen. Der Heiler erläuterte, dass Abas zwar seinen Samen versprühen könne, aber dafür zuvor jedes Mal mindestens fünf Mal seine Königin beglücken müsse, bevor es möglich werde. Leda grinste. Das würde ihr nichts ausmachen. So waren die Liebesnächte umso länger. Allein bei dem Gedanken daran, entfachte in Leda ein Feuer, das leidenschaftlich loderte. Am liebsten hätte sie sich sofort mit Abas zurückgezogen, doch wichtige Regierungsgespräche standen auf dem Tagesplan. Leda konnte den Abend kaum abwarten, um sich ganz unköniglich auf Abas zu stürzen.

Die Diktatur der Tyrannin Megara hatte das Südreich in wenigen Jahren völlig zu Grunde gerichtet, so dass es eine Menge beim Wiederaufbau zu tun gab. Als erste Amtshandlung hatte Leda die knebelnden Steuern drastisch gesenkt und das frische Wasser der Quellen für alle freigegeben. Auch die Sklavenarbeit in der Silbermine unter dem Palast sowie die Schufterei auf den Baumwoll- und Tabakfeldern sollten nur noch von freiwilligen Lehnsmännern erledigt werden – gegen gute Entlohnung versteht sich.

Mehrere Monate vergingen, und das große vereinigte Reich entwickelte sich prächtig. Leda führte es mit gerechter und gütiger Hand. Eroberungen anderer Länder hatte sie nicht im Sinn, und ihre Armee diente nur der Verteidigung der Grenzen. Dann kam der Tag, an dem die Majestät in ihrer barmherzigen Art bestimmte, dass die Edelfrauen aus dem Kerker entlassen werden sollten. Doch bevor sie ihre Freiheit erhielten, sollten sie noch einmal ähnliche Ängste durchleiden, wie sie ihren Sklaven zugemutet hatten. Deshalb ließ Leda sie in die Arena führen, in denen seit ihrer Herrschaft nur unterhaltsamer Zirkus stattfand, und verkündete, dass sie nun sterben müssten.

Natürlich waren die ehemaligen Edelfräuleins voll Panik und Furcht und liefen in ihren mittlerweile nur noch aus schmutzigen Fetzen bestehenden Kleidern wie von Sinnen in der Manege umher, während das einfache Volk, das die Ränge bekleidete, amüsiert lachte und applaudierte. Die feinen Damen, die längst wie bettelnder Pöbel aus der Gosse aussahen, schrieen und flehten um Erbarmen und Gnade. Und in Todesangst kreischten die Weiber plötzlich los, als mehrere stämmige Männer mit Lederschürzen die Arena betraten und sich einzelne Frauen herauszogen und zu einem Amboss zerrten. Sollten sie hier enthauptet werden?

Ihnen wurden die dreckigen Stoffreste, die ihre Körper noch bedeckten, vom Leib gerissen. Sollte das die letzte Demütigung vor dem grausamen Todesurteil sein? Aber dann bemerkten sie, dass ihnen Keuschheitsgürtel um ihre Hüften geschlossen wurden.
Eine nach der anderen wurde so versperrt. Verschämt hielten sie ihre Arme und Hände vor ihre nackten Brüste, doch das Publikum johlte vor Freude. So mancher unter den Zuschauern und Zuschauerinnen hatte unter der Herrscherschicht der Megara schwer gelitten. Welch eine Genugtuung bot sich in diesem Bild für die Menschen! Unter den Besuchern der Arena fand sich auch der ehemalige Sklave Skiron, den Abas als Leibeigener unter Megaras Fuchteln kennengelernt hatte, der inzwischen als Bienenzüchter ein zufriedenes Leben führte. Und auch der blonde Jüngling Euros saß in einer der Reihen – der Goldschopf, der von Megara und ihrem feisten Bastardsohn Talos als Liebesspielzeug missbraucht worden war, und nun als freier Mann in der Stadt als Händler ein gutes Auskommen hatte.

Als sich die Erhabenheit Leda erhob, verstummte der Jubel, und alle hörten andächtig zu, wie sie verkündete, dass den „noblen Ladys“ das Leben geschenkt war. Die Ironie in ihrer Stimme schallte weit durch die Arena. Doch würden die Begnadigten als Geächtete das Reich verlassen müssen und nach zehn Sonnenaufgängen als vogelfrei betrachtet. Als zusätzliche Bestrafung für ihre zügellose unkeusche Lebensweise werde sie ihr neuer eiserner Schmuck an ihren Lenden stets daran erinnern, wie ausschweifend und anrüchig sie auf Kosten ihrer Untertanen gelebt hatten.

Nach fünf Jahren sei ihnen erlaubt für wenige Tage zurückzukehren, um sich von den königlichen Schmieden befreien zu lassen. Anschließend würden sie das Reich der Leda wieder verlassen müssen. Dieses Mal für immer. Um ihnen sofort die Hoffnung auf einen Ausbruch aus ihrer Lendenfessel zu nehmen, erklärte Leda, dass die Gürtel von keinem anderen Schmied der bekannten Welt geöffnet werden könne. Als die Ladys diesen Schrecken noch gar nicht verdaut hatten, erschienen Soldaten der Königin, unter ihnen auch Lykos, der mittlerweile als Hauptmann diente, und prügelte die „feine Gesellschaft“ unter begeisterten Zurufen von den Rängen mit langen Bambusstöcken aus der Arena.

Wieder und wieder knallten die Hölzer auf die zarten Pos, die zuvor wohl noch nie gezüchtigt worden waren. Die Edeldamen rannten, nackt bis auf ihr neues ehernes Geschmeide, die Straße entlang, und noch mehrere Meilen weit trieben Reiter sie mit Stöcken und langen Lederpeitschen bis aus der Stadt hinaus. Als letzte Barmherzigkeit warfen die Soldaten den Fräuleins einige alte Stoffreste wie Almosen vor die Füße. Wie eine wilde Horde zankten und prügelten sich die Weiber um die fadenscheinigen Decken und Fetzen. Mit ihrem einzigen Besitz versuchten sie ihre gestriemte malträtierte Haut und damit größte Schande zu bedecken.

Noch mehrere Tage lang gab es immer wieder Streitereien und Gezänk um die Woll- und Leinenreste. Eine Dame fand sich am Morgen gänzlich unbekleidet vor. Da sich einige Ladys bereits von der Gruppe abgesetzt hatten, blieb ihr nur die Möglichkeit bar und hüllenlos weiter zu marschieren, bis ihr vielleicht selbst die Gelegenheit gegeben war, eine Kameradin zu bestehlen. Tränen liefen auf ihrem schmutzigen Gesicht hinab und erzeugten helle Bahnen auf ihren Wangen.

Noch viele Jahre lang sollte sich die Bevölkerung dieses Landstrichs von den nackten Weibern erzählen, die die Gegenden durchstreiften und sich zu dumm zum Jagen anstellten und daher nur Beeren und Pflanzen hatten, um ihren Hunger zu stillen. Die wenigen Naturalien wurden mit scharfen Krallen und Zähnen verteidigt. So manchen Ringkampf fochten die Rivalinnen darum aus, rissen an ihren langen Haaren und kratzten sich die Haut auf, bespuckten sich und bissen um sich wie tollwütige Hunde. Die einstigen Adelsdamen, die mittlerweile mehr wilden Waldkreaturen glichen, eilten mit ihren letzten Kräften durch die großteils abgeholzten Forste und Gehölze des Reiches, denn sie wollten nicht als Vogelfreie aufgegriffen werden.

Leda saß auf ihrem feudalen Thron und dachte derweil über das Schicksal der Geächteten nach. Ob alle die Grenze unbeschadet erreicht hatten? Der Hinweis auf die Vogelfreiheit war ihr nicht nur als leere Drohung von den Lippen gekommen; auch unter ihrem Volk war dieser königliche Erlass bekannt. So mancher Bursche wusste sicherlich mit einer vogelfreien jungen Dame vielerlei anzustellen…

Vermutlich würde sie erst davon erfahren, wenn sich in fünf Jahren zeigte, wie viele Geächtete bei der königlichen Schmiede vorstellig wurden. Vielleicht würden ja auch einige Ladys in ein Kloster ziehen und nie wiederkehren? Ihre Weiblichkeit lebenslang aufgeben und lieber den Göttern dienen? Sie würde es vielleicht niemals erfahren.

Und was war aus Megara geworden? Hatte sie nach ihrer Flucht ein neues Leben gefunden? Würde sie eines fernen Tages mit einer neuen Armee vor den Toren des Reiches stehen? Leda rieb sich die Stirn. Regieren war ganz schön anstrengend. Bald zog die abendliche Dämmerung über das Reich. Im Thronsaal brannten große Fackeln, die die Halle erleuchteten. Aber die Stadtmauer verschwamm bereits zu einem schwarzen Umriss. Die junge Königin erhob sich, nahm das Zeichen ihrer Macht, ein mit Juwelen besetztes Diadem, ab und schritt in ihrem seidenen Gewand zum Schlafgemach, wo Abas bereits ungeduldig wartete.

Voll Leidenschaft kam er seiner Majestät entgegen und küsste sie zart auf die Stirn. Dann knöpfte er das kostbare Seidengewand auf und schob seine Arme langsam unter Ledas hauchdünnes Kleid. Das junge Paar wankte, sich liebkosend, zum großen Himmelbett und sackte darauf eng umschlingend in die weichen Kissen. Mehrere Lampions tauchten das Bett in sanftes Licht. Heiße Worte erreichten Ledas Ohr. Und bald waren Beide ganz in ihr Liebesspiel eingetaucht. Es sollte beinahe bis zur Dämmerung dauern und endlich auch Abas auf seine Kosten kommen lassen.

Viele Meilen entfernt im fremden Westland vergnügten sich zwei Damen mit zwei Wanderburschen. Phoibe und Ceres genossen die Männlichkeit der beiden Jünglinge. Ihr Lustgestöhne, die spitzen Schreie und das Gekicher tönten laut aus dem Schlafraum der kleinen Herberge, einem Fachwerkhaus mit tief hängendem Dachfirst. „Ich kenne ein schönes Spiel“, hauchte Ceres ihrem Burschen, der nur seine Schaffellweste trug, lustvoll und verführerisch wie eine Metze ins Ohr. Der junge Mann schloss die Augen und erwartete voller Vorfreude ihre geschickten Hände oder gar ihre Lippen an seinem Gemächt. Dann klickte plötzlich etwas um seine Männlichkeit.

Der junge Mann sah erschrocken auf und betastete das seltsame eiserne Gestell um seinen Luststab. Vorsichtig zog er daran, aber es ließ sich nicht entfernen. „Was ist das?“ fragte er irritiert und zog kräftiger. Dann sah er Ceres vorwurfsvoll an. Die beiden Damen kicherten. Phoibe sagte: „Es lässt sich nur mit einem Schlüssel öffnen. Aber den haben wir nicht hier. Du musst dich noch gedulden.“ Der andere Jüngling sah schadenfroh und gleichzeitig auch etwas beängstigt zu seinem Kameraden hinüber. „Gehört das zu dem Spiel, von dem du sprachst?“ Ceres und Phoibe nickten und kicherten erneut.

Ceres, die den Schlüssel zu dem ehemaligen Keuschheitsgürtel von Lykos in ihrem Stiefel verborgen hatte, sagte mit gespieltem Mitleid: „Bis wir dich wieder aufschließen können, wird einige Zeit vergehen. Aber du weißt ja, wie man auch mit dem Mund ein Weib glücklich machen kann!“ Wieder kicherten die zwei Damen ungeniert. Es wurde eine lange Liebesnacht, mit der jedoch nur drei Personen zufrieden waren. So konnte es nun jede Nacht sein. Ganz nach Lust und Laune. Ceres und Phoibe freuten sich auf ein vergnügliches Leben mit den beiden Burschen. So schnell würden die zwei leichtsinnigen Knaben sie nicht mehr los…

Viele hundert Meilen von Ledas Regierungssitz entfernt, weit in einem fremden Landstrich im Osten, wo der mächtige Herrscher Brackus sein großes Reich führte, stand die Majestät von seinem imposanten Thron auf und wankte mit vom Wein schweren Schritten auf einem purpurnen Teppich den Gang entlang zu seinem Schlafgemach. Seine ehemalige Gemahlin hatte ihm nie einen Erben geboren. Daraufhin hatte er das „verfluchte Weib“ dem Feuer übergeben. Bevor Brackus seine Augen schloss, wollte er sich noch mit seiner neuen Konkubine vergnügen. Welch Göttergeschenk diese bezaubernde Mätresse war! Nie hatte er eine Dirne gekannt, die ihm zwischen seinen Laken solchen Genuss bereitet hatte.

Der gewichtige Machthaber entblößte sich seiner Staffage, warf seine Kleider und den Schmuck zu Boden und legte sich nackt auf sein großes königliches Lager. Er griff nach einer kleinen vergoldeten Glocke mit einem Griff aus Walnussholz und klingelte. Kaum hatte er die Bimmel weggestellt, erschien sie: In feinste hauchdünne Tücher gehüllt und einem Schleier über dem Haupt näherte sie sich dem Bett mit aufreizenden und gleichzeitig anmutigen Bewegungen.

Brackus spürte, wie seine Männlichkeit erwachte und wild nach der süßen Weiblichkeit dieses göttlichen Wesens gierte. Grausam langsam näherte sich die Verschleierte und kroch wie eine Schlange zu Brackus unter das Laken. Diese Aphrodite konnte schnurrendes Kätzchen oder wilde Raubkatze sein. Der Herrscher zitterte vor Erregung. Sein Blut kochte. Er riss den Schleier vom Schopf der Liebreizenden und küsste die verehrte Schönheit. Sein majestätischer Stab pulsierte wie besessen.

Megara erwiderte die heißen leidenschaftlichen Berührungen, als würde sie sich nach ihm verzehren wie nach einem galanten Adonis. Doch in ihr war keine lodernde Hitze für diesen Mann. Ihr Herz blieb kalt wie das Eis eines Gletschers. Nur eines brannte in ihr: der Gedanke an Rache.

Bald würde Brackus sie zum Weibe nehmen…

Als Brackus Liebesstab in die Geliebte eindrang, prasselte draußen Regen wie Kaskaden auf die Steine des Palastes, zogen schwarze Wolken auf, donnerte es krachend am Himmel und ein zuckender greller Blitz erhellte für einen winzigen Augenblick den Raum – als hätten die Götter ein Omen gesandt.






34. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von AlfvM am 17.09.18 22:30

Lieber Prallbeutel,
vielen Dank für die tolle Fortsetzung. Mir ist schon eine Änderung aufgefallen bzgl. Abas super. wer weis was dir sonst noch einfällt. VLG Alf
35. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 04.10.18 18:30

II.



Etwa eine halbe Dekade war vergangen.

Im vereinigten Nord- und Südreich unter Königin Leda herrschte immer noch Frieden. Die Grenzen des Reiches waren gut gesichert, und das Volk lebte zufrieden und glücklich unter dem neuen Herrscherhaus. Die Steuern waren deutlich verringert worden, Wasser war allen frei zugänglich und ehemalige Andenken an die Despotin Megara waren vernichtet worden. Beispielsweise hatte Leda die überdimensionalen Statuen von Megara und Prinz Talos entfernen lassen. Bei dem symbolträchtigen Akt jubelten tausende Zuschauer, als die gewaltigen protzigen Bauten stürzten. Und als Leda verkündete, das Edelmetall und die Edelsteine im gebeutelten Volk zu verteilen, brandete eine Begeisterung auf, wie sie das Land nie zuvor gesehen hatte.

Auch eine verhasste Blutweide vor der Stadt war gefällt worden, denn sie war unter Megara zum Symbol der Unterdrückung geworden, weil dort regelmäßig willkürliche Züchtigungen durch ihre Schergen ausgeteilt worden waren. Der mächtige Stamm des Baumes war von den vielen Ketten und Seilen gezeichnet gewesen. Hunderte Rücken und Gesäße von Verurteilten hatten dort unter grausamen Hieben der Peitsche gezuckt, Kehlen hatten vor Qual geschrien. Eine Holztribüne für Schaulustige war längst abgebrochen und verbrannt worden.

Und so glücklich wie ihre Untertanen unter ihrer neuen Herrschaft waren, so zufrieden lebte auch Leda im ehemaligen Palast der Megara, ihrem neuen Regierungssitz. Ihr Gemahl Abas spielte traditionell als Mann keine große Rolle im politischen Geschäft; seine Aufgabe war eher repräsentativer Art. Und natürlich war er auch Ledas Bettgefährte.
Durch den Fluch von Megaras Schwarzmagier, fiel es ihm immer noch schwer seinen Samen zu verströmen. Diesen Nachteil bedauerte Leda aber in keiner Weise, denn dadurch erfreute sie sich eines an Ausdauer reichen Mannsbildes an ihrer Seite. Und wenn Abas dann schließlich den Höhepunkt der Lust erreichte, war das Empfinden für ihn viel intensiver als früher.

Eine völlig andere Kultur lebten die Menschen im fernen Ostreich. Viele Generationen lang waren in dem Patriarchat Männer an der Macht gewesen. Frauen waren quasi der Besitz des Mannes gewesen und besaßen kaum Rechte. Herrscher Brackus war dafür gefürchtet, dass er Jungfrauen in sein Schlafgemach einlud und sie „einritt“, wie er es nannte. Er besaß als Regent das Recht der ersten Nacht. Seine ehemalige Gemahlin hatte ihm lange Jahre keinen Erben geschenkt. So hatte Brackus sie kurzerhand dem Feuer überreicht und lebte seit dieser Zeit als einsamer Mann, obwohl jede Nacht andere Jungfrauen unter sein Laken krochen. Wie durch einen Fluch wurde keine der Weiber schwanger. Brackus verfluchte die Götter dafür.

Doch eines Tages lernte er eine Maid kennen, die in seinem Palast beschäftigt war, und die eine ganz besondere Ausstrahlung besaß. Brackus war wie verzaubert von dieser Schönheit. Es verging kein Tag, an dem er nicht auf seinem Thron saß (eingerahmt von seinen beiden Wolfshunden) und an das wunderbare Geschenk der Götter dachte, dass sie ihm vielleicht als Ausgleich für seine Erbenlosigkeit geschickt hatten. Gewöhnlich bevorzugte er blutjunge Dinger, doch diese Frau war fast so alt wie er. Ihre Augen, ihre Stimme, ihre Bewegungen – all das ließ Brackus nur noch an das Eine denken: Er musste dieses Wesen besitzen! Keine Schatulle mit Gold und Edelsteinen wäre dafür zu kostbar.

So dauerte es nicht lange, bis er sie in seine private Kammer führen ließ. Der Abend sollte jedoch ganz anders verlaufen, als er es sich gedacht hatte. Statt sie mit Gewalt und dröhnendem Lachen zu besteigen, fühlte er sich sonderbar gezähmt, wollte sie nur zärtlich berühren und verging gleichzeitig vor brennender Leidenschaft. So holte er seit dieser Nacht nur noch dieses eine besondere Weib zu sich. Brackus war überzeugt: Diese göttliche Erscheinung würde ihm einen kräftigen Stammhalter schenken. Die folgenden Nächte waren nicht minder wundervoll und gefüllt mit heißen Spielen, die Brackus staunend und genießend von ihr lernte. Die Angebetete war zugleich so süß, so unschuldig und doch sündig wie eine Dämonin aus der tiefsten Unterwelt.

Nur wenige Wochen später verkündete der große Herrscher seine Hochzeit mit seiner geheimnisvollen Konkubine. Herolde reisten durch das ganze Reich, um die frohe Kunde dem Volk mitzuteilen. Das Fest war das größte und teuerste Ereignis im Ostland seit die Geschichtsschreiber die Chronik des Ostreiches niederschrieben. Allein das Festmahl verbrauchte tausend Lämmer und viele Eichenfässer besten Wein. Dutzende Musikanten mit Lauten, Trommeln, Rasseln, Flöten und Harfen sorgten mit ihren Kompositionen für fröhliche Stimmung. Der Tag der Vermählung wurde zum höchsten Feiertag im Land und sollte dem Regenten eine neue, erfolgreiche Ära seiner Herrschaft bescheren.

Doch diese Heiterkeit sollte nicht lange bleiben. Mit der Zeit stellten Brackus´ Vertraute fest, dass der Machthaber in seinen Entscheidungen immer stärker von seiner Gemahlin manipuliert wurde. Doch alles Zureden, alle Warnungen wurden von ihm unwirsch abgeschmettert. Wer die Gebieterin an seiner Seite kritisierte, kam vor das Todes-Tribunal und war sich eines grausamen Ablebens sicher. Niemand durfte die Herrscherin ungestraft in Verruf bringen. Und so verstummten nach und nach auch die loyalsten Stimmen.

Nach einem Jahr starb Brackus unerwartet an einem Herzanfall. Zumindest glaubte das der Heiler der Majestät. Sein Weib wusste es besser. Sie hatte das Pulver in seinen Wein geschüttet und ihn ins Reich der Todesgöttin geschickt. Die Trauerfeier wurde pompös mit hundert Fanfaren und einem Begräbnis in einem riesigen Mausoleum aus kostbarem Marmor zelebriert. Seine Frau war als Pluta bekannt und niemand wusste, dass sie Megara hieß und unter falschem Namen im Ostland lebte, nachdem sie aus ihrem Reich im Süden hatte flüchten müssen.

Pluta weinte sich die hübschen Augen aus und spielte die vor Gram und Trauer gebeugte Witwe, die ihren schweren Kummer kaum ertrug und gepeinigt mit dem schrecklichen Schicksal haderte. Nach den Sitten und Gebräuchen würde nun der Erstgeborene des Machthabers den Thron besteigen, doch war Brackus kinderlos geblieben - ein Novum in der Historie des Ostreiches.

Als schon einige Senatoren des Herrschers nach der verführerischen Autorität griffen, verkündete Pluta bestimmend und selbstsicher, dass ihr der Thron gehöre. Sie erstickte jedes Aufbegehren im Keim. Im Patriarchat des Ostreiches glich dies einem Wunder, aber der Witwe des Reichsfürsten gelang es rechtzeitig, genügend Anhänger um sich zu scharen, dass sie den Zepter der Befehlsgewalt behielt und ein strenges Regime anführte, dass keine Widerworte duldete. Bald schon verstummten die kritischen Stimmen, denn vielfach hörte man von Entführungen der Oppositionellen, die dann entweder einen Kopf kürzer oder gar nicht mehr auftauchten… Pluta ließ sich eine goldene Krone mit Widderhörnern und Rubinen schmieden, so dass es nicht wunderte, dass sie im Volk als „Teufelsmonarchin“ bezeichnet wurde.

Innerhalb weniger Jahre erschuf Pluta eine Schreckensherrschaft, in der sie aus dem Patriarchat ein Land der Frauenmacht gestaltete, das sämtliche Männer völlig unterdrückte. Mit perfiden Maßnahmen wurden sie aus wichtigen Stellungen entfernt und ausschließlich für niedere Arbeiten eingesetzt. Bildung und Reichtum waren nur Frauen vorenthalten.

Männer hatten in ihrem Reich kaum Rechte. Und sobald ein Jüngling eine Dame ehelichte, so ging er damit in ihren Besitz über. Die Staatsmacht wurde von Frauen geleitet: Exekutive (Uniformierte mit Schlagstöcken und Peitschen), Legislative (Senatorinnen) sowie Judikative (Richterinnen und Anklägerinnen) waren für Mannsbilder absolut tabu. Wagte es ein Mann, eine Frau anzuklagen, so hatte er keinerlei Chancen, vor einem Tribunal Recht zu bekommen. Ließ sich dagegen ein Mann etwas zu schulden kommen, wurde dies meist außergerichtlich durch die tatkräftige Exekutive mit „handfesten Argumenten“ geregelt. War dann doch einmal ein Mann vor Gericht, so erwarteten ihn drakonische Strafen.

Die Senatorinnen hatten sich auf eine ganz einfache Strafanwendung geeignet: Bei der ersten Verurteilung verlor der Mann... Beim zweiten Urteil folgte der zweite ... Und beim dritten Richterinnenspruch wurde ihm auch noch ... abgeschnitten. Viele reiche Damen, die Dutzende Arbeiter besaßen, konnten dies bestätigen. Doch die Sklaven verfügten über zwei Arme und zwei Beine und konnten schuften - das war die Hauptsache. Leider sorgte das harte Vorgehen gegen die männliche Bevölkerung dafür, dass bereits eine Diffamierung reichte, dem Betroffenen übel mitzuspielen.

So kam es nicht selten vor, dass eine Lady aus Eifersucht, weil sie einen Jüngling nicht haben konnte, diesem irgendeine Schandtat andichtete und ihn denunzierte, so dass der Leidtragende eine Strafe erhielt und die Konkurrentin zukünftig bei jedem Liebesspiel daran erinnert wurde. Solche minderwertigen Exemplare wurden dann früher oder später ausgetauscht und für die Feldarbeit verwendet.

Wenn jedoch zwei Damen vor dem Kadi stritten, so waren für die Verurteilte Peitschenhiebe vorgesehen. Da aber im Ostreich der Pluta der Grundsatz galt, dass kein Weib gezüchtigt werden durfte, so wurde die Strafe an einem Sklaven oder dem vertretenen Ehegatten der Schuldigen ausgeführt. Es blieb eine Schmach für die Verliererin, doch wenigstens blieb ihr Popöchen ungezeichnet.

Pluta selbst verfügte über einen gigantischen Harem aus schönsten Jünglingen. Damit sie sicher ging, dass ihr Besitz nur durch ihre persönliche Gestalt beglückt wurde, hatte sie die Sklaven in Keuschheitsgürteln eingesperrt. Pluta hatte zwar eine ausgesprochen lebendige Libido, doch bei über hundert Liebessklaven war ein Aufschluss für den Einzelnen recht selten. Trotzdem hielten sich die Leibeigenen täglich mit umfangreichen Turnübungen und gesonderten Mahlzeiten in bester körperlicher Verfassung. Denn Pluta legte großen Wert auf ein perfektes Äußeres ihrer Haremssklaven sowie eine überdurchschnittliche Liebeskraft. Wer versagte und Plutas Anforderungen nicht genügte, den sortierte sie aus. Was mit diesen Unglücklichen geschah, war im Volk nicht bekannt. Aber es kursierten grauenvolle Gerüchte von geheimen Kerkern.

Doch trotz ihres unermesslichen Reichtums war die Despotin nicht zufrieden. Sie konnte einfach nicht ihren Thronsturz vergessen. Aber eine Invasion ins vereinigte Nord- und Südreich war selbst für das mächtige Ostimperium reinste Utopie. Am freien Westland ihr Mütchen zu kühlen ging auch nicht; denn dazwischen lag ja Königin Ledas Machtbereich.
Also blieb Pluta nur noch der Weg noch weiter nach Osten - ein beinahe unbekanntes und angeblich wildes Land.

Sie schickte mächtige Galeeren und Kriegsschiffe über das Meer in ferne Lande, um dort Bodenschätze, Gewürze und Arbeitssklaven zu annektieren. Ausgestattet mit Tauschmitteln, aber auch genügend Waffen, um ein schwaches Volk zu unterjochen, machten sich mutige Seefahrer gemeinsam mit Soldaten auf den langen Weg ins Ungewisse. Alte Legenden berichteten von Seeungeheuern, so groß wie Galeonen, die mit ihren riesigen Mäulern alles verschlangen, das sie erwischen konnten. Wer sie erblickte, so die Sage, musste sterben. Trotzdem waren tapfere Recken bereit, für die Königin - und eine beachtliche Anzahl Goldmünzen - das Abenteuer auf sich zu nehmen.

Auf Monster des Meeres stießen die mutigen Männer nicht, dafür mussten sie sich durch zornige Stürme kämpfen, die den Schiffen und der Besatzung alles abverlangten. Nicht nur einmal waren sie dem Tode nah, bevor sie die fernen Gestade erreichten. Lange Zeit hörte man im Ostreich nichts mehr von der Flotte. Und dann kam eines Tages die frohe Kunde: Von dem fremden Land hinter dem Horizont, viele Wochen entfernt, kehrten die gerüsteten Krieger mit reicher Beute zurück. Darunter waren auch hunderte Männer eines fremden Volkes, die in Ketten gelegt ihrer Zukunft als Sklaven entgegengingen. Sie schienen robust, kompakt und etwas kleiner gebaut - ideal für harte Arbeit auf dem Feld oder in den Minen.

Die beißende Peitsche und schwere Ketten hatten die neuen Gefangenen willig gemacht. Die Rückfahrt hatte sich anfangs nicht nur wegen der gefürchteten Stürme als beschwerlich herausgestellt. Zwar war nun reichlich frisches Trinkwasser, Fleisch und exotisches Obst vorhanden, doch der Stolz der Leibeigenen war nur mühsam zu brechen. Täglich waren die nackten Eingeborenen über Fässer gespannt und gezüchtigt worden, um ihnen Manieren beizubringen. Nur langsam fanden sie sich in ihre Rolle ein. Man hatte ihnen die Kleidung aus Leder genommen und festgestellt, dass sie ein ausgeprägtes Schamgefühl besaßen. Die Offiziere der Pluta hatten einige vertrauenswürdige Sklaven mit einem Lendenschurz ausgestattet, die als Gegenleistung ihresgleichen bewachten und auch einige der Züchtigungen ausführten.

Im Heimathafen wurde die wertvolle Fracht gelöscht und an Händlerinnen verkauft: exotisches Obst, seltene Hölzer, Gewürze, Kakao, Lederhäute. Für die Leibeigenen gab es Auktionen, bei denen die feinen Damen der Gesellschaft für ihre Arbeitskräfte klingende Münze boten. Bald schon wurde der Markt von den billigen Ostsklaven überflutet, so dass sie kaum noch etwas einbrachten und im Dutzend verhökert wurden. Die Plantagenbesitzerinnen freuten sich umso mehr über gestiegenen Profit.

Das Militär unter Pluta war so organisiert, dass die höheren Dienstränge von Frauen besetzt waren, während die einfachen Waffenträger ausschließlich aus Männern gebildet wurden. Schließlich sollten die Verluste von Damen auf dem Schlachtfeld so klein wie möglich gehalten werden. Außerdem waren traditionell nur Mannsbilder auf dem Feld der Ehre, die sie dort für ihre Damen verteidigten. Und Pluta musste zugeben: Bei gleicher Ausbildung und Bewaffnung war ein Mann normalerweise einer Frau überlegen. Das lag naturgemäß an der ausgeprägteren Muskulatur. Dafür hatten Männer das kleinere Gehirn.

Während Pluta also den fernen östlichen Kontinent mit weiteren Besuchen ihrer Armee ausbeutete und Sklavenjagden veranstaltete, um genügend „Material“ für die Felder, die Minen, das Heer und die Galeeren zu haben, überlegte sie, wie sie sich an Leda rächen könnte. Diese Schmach bohrte in ihr seit langer Zeit unerträglich. Sie hatte schon so viele Ideen verworfen: Invasion, Gift, Assassine, Schwarzmagier… Aber die Regentin schien unangreifbar zu sein.

Eines Abends besuchten sie zwei Senatorinnen, die sich mit ihr zu einem geheimen Treffen versammelten. Die drei Damen in ihren langen edlen Gewändern setzten sich an einen prunkvollen Tisch auf weiche große Sessel, die mit rotem Samt überspannt waren. An den Seiten standen drei Sklaven des fernen Kontinents mit großen Palmwedeln, die für kühle Luft sorgten. Sie trugen lediglich einen Lendenschurz. Darunter waren sie in Keuschheitsgürtel eingesperrt, denn Pluta duldete keinen Mann in ihrem Palast, dessen Männlichkeit frei war.

An den Seiten des Gemachs standen große schmiedeeiserne verzierte Ständer mit Bienenwachskerzen, die flackernde Schatten auf die kalten Steinwände malten. Die beiden Senatorinnen stießen mit der Herrscherin an, dass die goldenen Kelche aneinander klackten und der rubinrote Wein beinahe überschwappte; dann nahm jeder von ihnen einen kleinen Schluck des kostbaren Getränks. Die Frau mit dem langen blonden und kunstvoll geflochtenen Haar machte den Anfang: „Wir empfehlen Euch, Hoheit“, begann Kerbera, „die Götter anzurufen, um einen Fluch über Leda zu schicken.“
Pluta, alias Megara, winkte gelangweilt ab. „Unsinn!“ Kerbera sah sie entsetzt an.

Die Herrscherin räusperte sich: „Für so einen Wunsch müssten wir hunderte Leibeigene in den Tempeln opfern. Dann fehlen uns trotz der Schwemme bald Arbeitskräfte und Kriegssklaven.“ „Aber die Hohepriesterin hat verkündet, dass die Sterne richtig stehen, um die Götter mit einem Blutgeschenk sanft zu stimmen“, sagte andere Senatorin. „Was interessiert mich die Tempelfrau?“, rief Pluta mürrisch. „Wir werden mit Waffengewalt gegen den Feind vorgehen. Und wenn es alle Soldaten kostet, die wir haben!“ Die Senatorinnen verneigten sich stumm und höflich, denn eine Widerrede gegen die Tyrannin würde auch ihnen nicht gut bekommen. Auch wenn sich Pluta offenbar selbst widersprach. Sie wollte nichts von einem Fluch wissen.

Nach der fruchtlosen Zusammenkunft hatte Pluta nur noch das Bedürfnis, sich an einem Liebessklaven in ihrem Harem abzureagieren. Sie schritt durch die kühlen Flure des Palastes bis zu einer streng bewachten zweiflügeligen Tür, die von außen mit faustgroßen Nieten beschlagen war. Sofort öffneten ihr zwei weibliche Wachen in prächtigen Uniformen. Die Leibwachen der Herrscherin waren speziell ausgebildete Kämpferinnen, die es sogar mit den aus den alten Legenden bekannten Amazonen aufnehmen könnten.

Pluta betrat eine kleine Halle, die mit kunstvollen Mosaiken am Boden und den Wänden verziert war. Mehrere Liebessklaven hielten sich dort auf einem großen Diwan auf. Sie trugen lediglich einen Keuschheitsgürtel am Leib und waren vom Hals abwärts akkurat rasiert. Als ihre Herrin eintrat, sprangen sie auf und fielen ihr zu Füßen und krochen demütig auf sie zu. Über Plutas grausames Gesicht huschte ein flüchtiges Lächeln. „Du da!“, zeigte sie lässig auf den jüngsten Liebessklaven, den sie besaß.

Der blond gelockte Jüngling war gerade ins zarte Mannesalter eingetreten und robbte sich etwas näher zu seiner Königin. „Komm!“ befahl Pluta und schritt an ihm vorbei in ein Separée, das von einer prunkvollen in Seide gespannten Bettstatt dominiert wurde. Pluta nahm den „Generalschlüssel“ für sämtliche Keuschheitsgürtel ihrer Sklaven von ihrer Halskette und öffnete das Gefängnis. Der Blondschopf stöhnte erregt auf, als sein Liebesstab wuchs. Doch Pluta verlangte offenbar zu viel von dem unerfahrenen Liebhaber, der nervös und ängstlich zitterte. Er war so angespannt, dass seine harte Pracht in sich zusammenfiel.

Pluta war außer sich vor Wut. Ihre feuchten Schenkel begehrten jetzt ein kräftiges Schwert… Sie stieß ihn grob zur Seite und rief nach der Wache. Sofort stürmten die zwei uniformierten Frauen herein, die vor der Tür gestanden hatten. Pluta beschloss: „Bringt dem Burschen bei, dass er standhaft zu sein hat, wenn seine Herrin es wünscht! 50 Peitschenhiebe auf seinen süßen Hintern werden es ihn lehren. Anschließend kehrt mit ihm zurück!“
36. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von sheeeep am 05.10.18 12:59

Wunderbare Fortsetzung,Prallbeutel! Die Erzählungen aus dem Reiche der Pluta (Megara) lassen das Kopfkino anspringen.Arbeitssklaven,Liebessklaven,
Galeeren...und..und.. Herrlich!Herzlichen Dank mal wieder!
37. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von AlfvM am 09.10.18 16:37

Hallo Prallbeutel,
ich kann sheeeep nur zustimmen. Ich freu mich sehr über die neuen Teile. Danke.
VLG Alf
38. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 15.10.18 18:52

Auf das nichts Gutes verheißende Kommando ergriffen die Frauen den Jüngling, der vor Angst schlotterte, aber keine Gegenwehr wagte. Es hätte auch keinen Sinn gehabt, denn neben den scharfen Waffen der Wachen, verfügten diese auch über spezielle Techniken, um mit ihren bloßen Händen und Füßen einen Mann kampfuntauglich zu machen. Das war schon so manchem Rebell zum Verhängnis geworden, der die Palastwächterinnen unterschätzt hatte.

Die Herrscherin richtete ihre Aufmerksamkeit ihren anderen Liebessklaven zu. „Wer darf mich denn nun beglücken?“, fragte sie neckisch in die Runde und bewegte ihren beringten Zeigefinger wie einen Stab hin und her. „Du da!“ entschied sie schließlich, als sie gestikulierte, als wäre der Finger ein Dolch, mit dem sie einen Stück Braten aufspießen wollte. Der Sklave kroch ängstlich herbei, den Kopf demütig gesenkt. „Nein“, meinte Pluta in impertinenter Arroganz. „Du da!“ Sie zeigte auf einen anderen Sklaven, der sofort unterwürfig herbeieilte. Der Andere zog sich zurück, als sei er von einer Giftspinne gebissen worden.

Die Majestät befreite die ausgewählte Männlichkeit und zog sich mit dem Jüngling zurück. Vor Geilheit tropfte der Sklave bereits. Seit über zwei Monaten hatte Pluta ihn nicht mehr von dem metallenen Gefängnis befreit. Sie genoss das Liebesspiel mit dem Leibeigenen sehr ausführlich: seine Zunge, seinen Stab, seine geschickten und sanften Hände… Zwar verströmte der Lustsklave sehr zügig seinen Samen, aber nach kurzer Pause stand er dafür umso länger seinen Mann für die Königin. Befriedigt schickte die Tyrannin den Recken schließlich - wieder in seinen Keuschheitsgürtel verschlossen - mit den Worten weg: „Packe er sich!“ Dazu wedelte sie mit ihrer beringten Hand, als wolle sie eine lästige Fliege vertreiben.

Da erschienen die Wachen mit dem jungen Blondschopf. Pluta sah höhnisch auf sein verheultes Gesicht und rotziger Nase. „Hast du deine Lektion gelernt?“, fragte sie amüsiert. Der Jüngling nickte devot und antwortete mit zittriger Stimme: „Jawohl, meine Herrin. Das habe ich.“ Pluta kicherte. „Dann komme her! Lege dich artig auf den Rücken!“ Der Sklave gehorchte sofort und verzog schmerzerfüllt sein Gesicht, als seine wunden Pobacken das Laken berührten, in die sich die Peitsche der Wache tief eingegraben hatte. Als Pluta sich auf seinen Lenden niederließ, um sich zu verlustieren, durchschoss ihn der Schmerz seines malträtierten Fleisches wie ein loderndes Feuer, aber gleichzeitig nicht weniger intensiv unbändige Lust, die seinen Liebesstab hart wie Granit werden ließ.

Die Regentin hatte den hungrigen Dolch des jungen Mannes schamlos in ihre Weiblichkeit einsinken lassen. Mit einem lustvollen Seufzer begann sie, den Jüngling zu reiten. Erst war es ein sanftes Wiegen, doch bald wurden ihre Bewegungen härter und schneller. Bald schon ritt sie ihren Sklaven im Galopp. Der Blondschopf stöhnte gleichzeitig vor Pein und Lust, als seine Hinterbacken unter dem Gewicht der Herrin und den Rittbewegungen auf der Bettstatt hin und her gerieben wurden. Wie nah lagen doch Schmerz und Euphorie beieinander! Und dann war der Moment gekommen: Pluta schrie in Ekstase auf und erlaubte auch dem Sklaven seinen heißen jungen Saft in sie zu schießen. Auch der Jüngling konnte sich nicht gegen dagegen wehren, dass ein kehliges Grunzen der Lust seiner Kehle entfleuchte.

Viele hundert Meilen entfernt im vereinigten Nord- und Südreich der Königin Leda herrschte freudiges Treiben auf den vielen Märkten des Landes. Der größte Markt war nicht weit vom Palast der Majestät entfernt. Auf den großen Marmorplatz, auf dem Megara ihre Statue hatte aufstellen lassen, hatte kein Untertan seine Füße setzen dürfen, wollte er nicht an einem der vielen hohen Galgen hängen. Doch nun war der Platz freigegeben für das Volk: für die vielen emsigen Marktschreier, die Stände mit frischem Obst, Gemüse und allerlei kunstvollen Korbwaren, Gewürz- und Kräuterhändler mit ihren aromatischen Waren sowie Kaufleute, die diverse Holzschnitzereien, nützliche Waffen und pralles Vieh feilboten. Schneider stellten vortreffliche Gewandungen für holde Damen, aber auch für den edlen Recken aus. Jeder beschwor, dass seine Tücher von den erlesensten Stoffen der bekannten Welt stammten und seltene Meisterstücke waren.

Ein Kaufmann stand mit seinem Ochsenkarren zwischen den Ständen, an dem zahlreiche Kupertöpfe und Pfannen hingen; ein dicker Bierbrauer in gestepptem Wams präsentierte sein Ale. Mehrere Mannsbilder stießen verbeulte Humpen zusammen und grölten frohlockend ein zotiges Lied, während sie den kühlen Trunk die Kehle hinabgossen und sich anschließend mit dem Handrücken über den Mund wischten. Doch es tummelten sich auch Beutelschneider und Quacksalber auf dem Markt. Zwielichtige Gestalten unter dunklen Kapuzen huschten durch das Gedränge und erleichterten so manchen unvorsichtigen Wanst um seinen Münzbeutel oder andere Habe. Dabei konnten die Opfer noch von Glück sagen, wenn von den scharfen Klingen der finsteren Gesellen nur ein Riemen oder eine Naht durchtrennt wurde, denn genauso leicht schnitten sie durch Fleisch. Die Knochenflicker und Wundheiler dagegen reichten Siechenden ihre absonderliche Medizin, die allerdings - trotz aller lauten Schwüre - nimmer zur Genesung der gepeinigten Kranken beitrug.

Junge Mägde spielten in ihren Kleidern und Schürzen mit gleichaltrigen, rotwangigen Knechten und Stallburschen Fangen und liefen wild die gepflasterten Gassen entlang, an denen sich weitere Stände aneinanderreihten. Hinter einem Stapel Strohballen liebten sich ein Stallbursche und seine pausbäckige Buhle, eine dralle Jungfer vom Nachbarhof. Bäcker legten duftende Brote und anderes Backwerk auf Holztabletts aus, und saftige Fleischstücke hingen an Haken zum Verkauf. Dem Volk fehlte es an nichts. Jeder Bauch wurde satt, denn die Steuern waren deutlich gesenkt worden. Königin Leda war bei ihren Untertanen beliebt und gefeiert. Sie galt als die brave Befreierin des Südlandes und genoss die Verehrung der vereinigten Nord- und Südvölker. Stets hatte sie ein offenes Ohr für die Sorgen und das Ungemach der Armen und Kranken. Ihr zu Ehren wurden bunte Feste abgehalten, wurden Lieder gesungen und Poesie erschaffen. Wo sich die Gekrönte zeigte, jubelten ihr die Untertanen zu und preisten sie in den höchsten Tönen.

Wie anders war die düstere Atmosphäre voller Furcht im Ostreich, in dem Pluta mit tyrannischer Hand regierte. Nach dem jahrelangen Patriarchat des früheren Fürsten war seine Witwe in das Gegenteil geschwenkt: Männer wurden vollkommen unterdrückt und galten nicht viel mehr als Tiere. Sie waren im Besitz der Frauen, die sämtliche Macht an sich gerissen hatten. Mannsbilder in Freiheit galten als widernatürlich, so dass sie entweder zwangsverheiratet oder versklavt wurden, damit sie als Kriegs-, Arbeits- oder Liebessklaven dienen konnten, um ihrer Aufgabe im Leben gerecht werden zu können. Wer sich diesen eisernen Regeln widersetzte, wurde entweder nach den strengen Gesetzen abgeurteilt und erhielt meist nach der Bestrafung noch eine letzte Möglichkeit, sich zu bessern. „Hoffnungslose Fälle“ dagegen ernannte das Gericht zu Geächteten, die kurzerhand als vogelfrei erklärt wurden.

Die Damen des einfachen Volkes munkelten, dass die Richterinnen hin und wieder Rechtlose benannten, nur damit die erhabenen Ladys auf die Jagd gehen konnten. Denn gerade in der feinen Gesellschaft jagte die Dame keine schnöden Tiere sondern lieber Sklaven. Illustre Jagdgesellschaften waren Höhepunkte des Sommervergnügens in den gehobenen Kreisen. So eine Hatz wurde wie eine Feierlichkeit zelebriert. Es gab ein kurzweiliges Rahmenprogramm mit Tanz, Buffet, Musik und Gaudium, bei dem sich die Ladys in festliche Stimmung brachten.

Hauptpunkt war die Jagd zu Pferde. Dazu kleideten sich die Edelfräuleins in enge Lederhosen, um wie Recken reiten zu können. Im alten Ostreich wäre das unvorstellbar gewesen. Ein gesellschaftlicher Affront gegenüber den herrschenden Patriarchen. Ein Weib in Beinkleidern! Sie wäre für diese frevelhafte Posse im Strafturm gelandet und gezüchtigt worden. Aber heutzutage nahmen sich die Frauen das Recht heraus und folgten den Spuren der Flüchtlinge auf dem erdigen Boden, bewaffnet mit Lasso und einer kleinen Armbrust, die kurze Pfeile verschoss. Die Spitze war in eine Paste aus bestimmten Pilzen, Mohn und einem Kräutersud getunkt, so dass der Getroffene nach wenigen Momenten das Bewusstsein verlor.

Kein Sklave sollte bei der Jagd sein Leben lassen, denn er wurde der Jägerin zum Geschenk gemacht. Dieses oft als resitenten Abschaum bezeichnetes Klientel bedeutete zunächst einiges an Erziehungsarbeit bei den neuen Eigentümerinnen. Früher oder später hatte noch jeder Flegel Gehorsam und Loyalität gelernt, wenn die Peitsche, der Hungerkäfig oder die Zange ihr Werk vollbracht hatten. Und es machte den meisten Damen der Gesellschaft auch Freude, die Entwicklung der noch wilden Kreatur zu einem artigen Diener mitzuerleben. Nur wenige Ausnahmen unter den Männern waren zu schwach, um die Dressur zu bestehen.

Genauso in Mode waren Arenenkämpfe. Der große Zirkus der Hauptstadt war vor vielen Jahren für Gladiatorengeplänkel gebaut worden, wo Muskelmänner oder Raubtiere gegeneinander gestritten hatten; doch inzwischen ließ Regentin Pluta Sklavenkämpfe veranstalten: Gepanzerte Frauen jagten dort wehrlose Sklaven zum Vergnügen des weiblichen Publikums auf den Rängen. Diese Form der Belustigung erinnerte sie an die abendlichen Feiern im Südreich, in dem sie mit ihrem Bastardsohn Talos den Adel vergnügt hatte – mit dem Unterschied, dass in ihrem Ostreich nun keine Männer mehr auf den Rängen zu finden waren.

Ausnahmen bildeten nur Sklaven mit Palmwedeln, die den Damen frische Luft und Schatten spendeten. Die restlichen Mannsbilder waren die Sklaven in der Arena, die nackt und panisch vor den gerüsteten Frauen davonliefen, bis sie vor lauter Erschöpfung nur noch krabbelten, dann nur noch krochen und schließlich besiegt wurden. Was mit den Männern angeblich geschah, wurde im vereinigten Süd- und Nordreich in Geschichten und Berichten kolportiert. Dabei übertrafen sich die Schilderungen an Grausamkeit. Ob sie der Wahrheit entsprachen, konnte niemand wissen. Die Reiche hatten ihre Grenzen geschlossen, und es gab keinerlei diplomatische Beziehungen zwischen den Adelshäusern.

Pluta betrat ein edles Gemach mit hoher Gewölbedecke, in dem eine Kusine des verstorbenen Herrschers badete. Mit blanken apfelrunden Brüsten saß sie in einer reich verzierten Wanne und genoss das Aroma der kostbaren Gewürze und seltenen Blüten, die ihr Badewasser enthielt. Die Regentin sah streng zu einem Sklaven hinüber, der bemüht war, seinen Blick demütig und starr auf dem Mosaikboden zu halten. Aber Pluta war sich sicher: Ein Mann, der seit Monaten keusch gehalten war, würde der Versuchung nicht widerstehen können, seine Augen für einen flüchtigen Moment über die zarten Rundungen des Fräuleins streifen zu lassen.

„Bedecke dich mit einem Tuche“, wies Pluta die junge Dame an, die zwar gehorchte und aus der Wanne stieg, doch unsittlich kicherte. Sie hatte genau gewusst, was sie dem Sklaven antat, und dass es unschicklich war, sich unbekleidet zu präsentieren. Und nicht nur das. Zu ihrem Glück ahnte die Majestät nicht, dass die Badenixe sich im Wasser nicht nur gewaschen hatte, sondern auch einem frivolen Vergnügen nachgegangen war…

Pluta sagte streng: „Das wird Konsequenzen haben, meine Gute.“ Sie rief nach der Wache, die den Sklaven sofort mitnahm. Er würde einige Tage bei brackigem Wasser in einem finsteren Kerker verbringen, bis die Oberste Hofbedienstete entschieden hatte, wie viele Peitschenhiebe er für seine frevelhafte Lust erhalten sollte. Womöglich würde ihm ein Teil seiner Männlichkeit geraubt werden, doch das lag im Ermessen der Hofbediensteten und ihrer Tageslaune.

Das unvorsichtige Fräulein selbst musste am nächsten Tag vor Pluta vorsprechen und um Entschuldigung für ihre Unsittlichkeit bitten. Die Tyrannin entschied als „Denkzettel“ auf zehn Hiebe mit dem Rohrstock auf das blanke Gesäß. Das Fräulein sah erschrocken zu Pluta, die selbstgefällig auf ihrem pompösen Thron saß. Die junge Frau kannte die Rohrstockstrafe am Herrscherhof. Sie war schon oft als Zeugin anwesend gewesen. Zehn Hiebe mit dem speziellen und besonders schmerzhaften Stab würden den Delinquenten für mindestens eine Woche zwingen, weder zu sitzen noch auf dem Rücken zu liegen.

Am Nachmittag war es soweit: Das Fräulein wurde von zwei weiblichen Wachen in den Bestrafungsraum geführt. An der gegenüberliegenden Seite saß Pluta. Links vom Eingang standen weitere Wachen sowie zwei Soldatinnen, die die Hiebe abwechselnd ausführen würden. Jede von ihnen hielt einen der gefürchteten langen geschälten Rohrstöcke in der Hand und wippte bereits ungeduldig auf den Fußballen. Pluta grinste höhnisch und gab auf dünkelhafte Weise das Zeichen zu beginnen.

Die Soldatinnen schritten auf die gegenüberliegende Seite zu einem Holzgitter, an dem die nackte Vertretung des Fräuleins gebunden war. Da körperliche Züchtigungen an Frauen verboten waren, gab es so genannte „Prügelknaben“, die für die Verfehlungen büßen mussten. Jedes Fräulein von Adel hatte solche Burschen für diese heiklen Zwecke. Zwar entgingen den Sünderinnen damit die Schmerzen, allerdings sprach sich schnell herum, welcher Prügelknabe von welcher jungen Dame die meisten Striemen auf dem Hintern hatte. Daraus ließ sich natürlich lesen, wie erzogen eine Lady war oder auch nicht.

Daher war dem Fräulein die Bestrafung unangenehm. Besonders deshalb, weil ihr Prügelknabe sowieso schon zahlreiche Striemen trug. Erst vor einer Woche hatte sie heimlich Wasserpfeife geraucht, was ihr aber mit ihren jungen 18 Jahren noch nicht erlaubt war. Daraufhin hatte ihr Sündenbock sechs Hiebe mit dem Rohrstock erhalten.
Und in der Woche davor… Was war da gewesen? Sie konnte sich nicht mehr daran erinnern. Aber ihr Prügelknabe hatte Dutzende alte Striemen. Also musste irgendwas gewesen sein… Noch in Gedanken wurde sie aus ihren Erinnerungen gerissen, als der erste laute Hieb auf das Gesäß des jungen Mannes knallte, und der Jüngling erbärmlich aufschrie. Von Schlag zu Schlag wurden die Laute des Burschen erbärmlicher und eindringlicher.

Als das grausame Urteil endlich vollzogen war, verließ Pluta zufrieden den Raum. Die Soldatinnen folgten mit stolzem Schritt. Traditionsgemäß würde der Sklave die nächste Stunde an dem Holzgitter stehenbleiben. Daher gingen auch die übrigen Wachen. Nur das junge Fräulein blieb zurück bei ihrer Vertretung. Sie starrte auf den manig geschundenen Po. Er sah arg mitgenommen aus. Sie näherte sich dem Sklaven und meinte: „Ich sollte mich wirklich bessern. Sonst…“ Der Jüngling stöhnte leise auf, als sie ihre Hand ausstreckte und über seine geschwollenen Striemen strich. Das Fräulein umspielte die Lenden des jungen Sklaven und näherte sich seiner Vorderseite. Leider trug er wie alle Sklaven einen Keuschheitsgürtel.

Die junge Dame wagte es, ihre Fingerchen dem Gemächt des Prügelknaben zu nähern. Immer lustvoller stöhnte der Sklave und zerrte hilflos an seinen Fesseln. Das Fräulein kicherte und befühlte das, was unter dem kleinen Eisenkäfig hing und zupfte daran. Sie stellte fest, dass die Berührungen dazu führten, dass der gefangene Liebesstab des Sklaven so kräftig anschwoll, dass er sich fast aus dem Gemächtsgitter zu pressen schien. Ob sie ihn dazu bringen konnte, seinen Samen zu vergießen? Das würde sie gerne einmal erleben. Noch war ihr wegen ihres Alters kein Lustjunge zugeteilt worden. Und doch war sie schon sehr neugierig darauf, was es mit dem geheimnisvollen Akt der Liebe zwischen Frau und Sklave auf sich hatte. Sie zupfte fleißig weiter an dem Säckchen des Sündenbocks, aber es geschah nichts weiter, als dass er stöhnte und zitterte. Schulterzuckend ließ sie ihn stehen.

Pluta hatte eigentlich wichtigere Dinge zu erledigen, als sich um die ungezogenen Streiche der jungen Damen ihres Hofes zu kümmern. Sie hatte einen Krieg gegen das vereinigte Nord- und Südreich zu fechten. Und da kam ihr ein prächtiger Gedanke. Sie ließ eine Senatorin namens Alekto rufen. Die Frau galt als besonders grausam und rachsüchtig. Bei ihr hatten die Sklaven nichts zu lachen. Hinter vorgehaltener Hand munkelten die Damen, dass Alekto nur mal einen richtigen Mann zwischen die Schenkel einladen müsse, um ihre Unzufriedenheit loszuwerden. Denn von ihr war bekannt, dass sie niemals einen Sklaven in ihr Bett ließ.

Das Geheimnis der Frau kannte nur Pluta: Alekto gehörte zu den Edeldamen, die von Leda aus dem Vereinigten Reich gejagt worden waren – mit Keuschheitsgürteln zur Strafe um die Hüften gebunden. Erst nach fünf Jahren sollten die Exilantinnen bei Leda erscheinen, um von der metallenen Hose erlöst zu werden. Die Zeit war nun gekommen. Alekto war bereit, die gefährliche und lange Reise auf sich zu nehmen. Sie und noch mehrere Dutzend Edelfräuleins machten sich auf den Weg, um ihre Freiheit zurückzuerhalten. Die Strapazen und Gefahren nahmen sie in Kauf, denn nichts war ihnen wichtiger, als endlich ihre Freiheit als Weibe zu erhalten.

Pluta machte sich dies zu nutze: Alekto sollte ausspionieren, wo Ledas Truppen positioniert und wie stark die Mauern waren, wie groß ihr Heer war und über welche Kriegswaffen sie verfügte. So versprach sie sich wichtige Erkenntnisse für ihre Invasion, damit ihr Rachefeldzug erfolgreich werden würde. Und so kam es, dass die Edeldamen es wagten, mit ihrem Tross weit nach Westen zu reiten, um sich befreien zu lassen. Um kein falsches Bild abzugeben, bestand das Gefolge nur leicht bewaffnete und ungerüstete Wächterinnen. Die Damen ritten geschützt in ihrer Mitte, teilweise auch in Kutschen. Sie konnten es kaum erwarten, endlich zu erleben, wie der Schlüssel im Schloss ihrer Keuschheitsgürtel herumgedreht wurde.

Leda hielt Wort: Nachdem die Reisegruppe an der Grenzburg der Regentin angekommen war, erhielt sie Kost und Logis für drei Tage. Am Morgen des zweiten Tages befreite der königliche Schmied sämtliche Adelsdamen aus ihren Keuschheitsgürteln. Die Herrscherin brauchte gar nicht zu erwähnen, dass die Ladys das Reich bis zum dritten Sonnenuntergang wieder zu verlassen hatten, denn so schnell wie möglich machten sie sich auf den Heimweg ins Ostland, um dort kurz hinter der Grenze in das erste Lusthaus einzukehren, wo gerade erblühte Jünglinge „zum Pflücken reif lagen“, wie Alekto es einer Mitreisenden grinsend erzählte. Erst später fiel der Senatorin auf, dass sie beinahe gelacht hatte – das erste Mal seit fünf Jahren!
39. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von AlfvM am 17.10.18 18:29

Für die Männer in Plutas Reich ist es schlimm. Vll. macht sie ja Fehler und es gibt eine Wendung. Tolle Geschichte bitte weiter so.
40. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 21.10.18 16:02

Nur wenige Steinwürfe hinter der durch einen Palisadenzaun befestigten Grenze, wo ihnen einige Soldatinnen von einer Warte aus nachschauten, drängten sich die Frauen im ersten Lusthaus und feilschten um den Preis. Eine Dame wollte gleich drei Sklaven haben, bei einer anderen musste der Jüngling himmelblaue Augen besitzen, während wieder eine andere einen kräftigen und modellierten Körper in mokkabraun bevorzugte. Eine Begleiterin der Frau kicherte schadenfroh, als sich herausstellte, dass der muskulöse Bursche das kleinste Gemächt im Haus hatte. Doch die Dame wusste sich zu helfen und nahm ihr Spielzeug mit in ein Gemach, wo sie ihn an das schmiedeeiserne Bett fesselte. Die Schreie des Jünglings waren erbarmungswürdig, doch niemand wagte es, die Tür zu öffnen oder nur zu klopfen.

Alle Lustsklaven waren bald für Stunden damit bemüht die ausgehungerten Ladys zu befriedigen, obwohl die Herrin des sündigen Tempels gepfefferte Preise verlangte. Die Männer waren zwar darauf geübt, ihren Saft nicht frühzeitig zu verschießen, doch irgendwann kam es bei allen Sklaven zu einem solchen Malheur. Allerdings hatten die Jünglinge ja auch Zungen. So ausgiebige Lust fand selten ihren Weg in dieses Haus. Die Herrin hatte schon so manche begierige Dame erlebt, aber diese Edelfräuleins waren trefflich ausschweifelnd, vulgär und grenzenlos in ihrem Verlangen. Und das durften sie sein. Sie zahlten sehr großzügig, und da meckerte die Hausdame nicht über die erheischten Dienste, sondern ließ die vielen Münzen glückselig durch ihre Finger gleiten.

In früheren Jahren war dieses Domizil eine Schenke gewesen, in deren oberen Kammern willige Huren Wanderer, Kaufleute und Ritter beglückten. Doch seit Pluta das Patriarchat gestürzt hatte und das Ostreich forthin zügellos ins andere Extrem regierte, waren nur noch männliche Lustsklaven gefragt. Die meisten Huren wurden weggeschickt, als sie nun nicht mehr gebraucht wurden. Zumindest erhielten sie eine Abfindung aus Plutas Schatulle, um anderswo ein neues Leben beginnen zu können. Junge Männer, meist aus der Gosse, oder dem Waisenhaus entwachsen, suchten ihr Glück in dem frivolen Gewerk - mal freiwillig, mal fanden sie sich nach einer durchzechten Nacht auf einer Strohstätte in seltsamer Leibwäsche wieder. Teilweise angekettet, um sie an ihr neues Zuhause zu gewöhnen.

Alekto mochte es, wenn vor ihren Augen ein Sklave gepeitscht wurde, während sie für einen anderen Jüngling ihre Schenkel spreizte. Selbstverständlich wurde ihr Wunsch auch hier erfüllt. Die Besitzerin des Bordells war dafür bekannt fast jedes Begehren in die Tat umzusetzen, wenn die Münze klingelte. Alektos Gesicht war voller Verzückung. Während der Jüngling ihrer Wahl leidenschaftlich in sie stieß, tief und fest, ganz nach ihrem Geschmack, züchtigte eine Angestellte des Lusthauses den anderen Sklaven mit einer kurzen aber mehrschwänzigen Peitsche. Je mehr Alekto sich einer bebenden fulminanten Ekstase näherte, umso kräftiger sollten die Hiebe werden. Alekto war fast von Sinnen vor Berauschung, als sie spitz schreiend den Samen des Jünglings empfing und dabei einen Augenblick glaubte, zu schweben…

Und auch die Peitschenfrau, die früher hier als Freudenmädchen gearbeitet hatte, sah zutiefst befriedigt aus. Wie der Zufall es wollte, hatte sie einen ehemaligen recht ruppigen Freier in dem Sklaven erkannt, als der junge Mann vor einigen Tagen als „Frischfleisch“ ins Bordell geliefert worden war. Er war Sohn eines reichen Bauern gewesen, der in der Umgebung seine Felder beackerte. Doch die Zeiten der freien Männer waren vorbei. Die Peitschenhiebe gingen der Dame daher mit purer Freude von der Hand. Als der Jüngling seine ehemalige Liebesdienerin vor einigen Wochen erkannt hatte, war das Entsetzen wie gemeißelt in sein Gesicht gehämmert gewesen. Inzwischen fügte er sich seinem Schicksal.

Erst nach drei Tagen voller ausschweifender Orgien in dem Etablissement ritt Alekto weiter zu Pluta, um ihr zu berichten. Die Despotin erfuhr so manche Neuigkeiten, die sie ihrem Generalstab weitergab. Wichtige strategische Schwächen der Grenze, die Verteilung der Armee, die Bewaffnungen der einzelnen Soldatenzüge, der Aufbau der Wehrmauern und Bollwerke - all das hatte Alekto in Erfahrung gebracht. Pluta gierte nach den Informationen und sog sie auf wie ein trockener Schwamm eine Pfütze Blut. Jetzt konnte ihr Kriegszug bald beginnen! Sie schwelgte in der Zukunft, die sie wieder auf den Thron des Südreiches bringen würde – ja, sie würde drei ehemalige Reiche vereinen und regieren! Die stärkste Macht des Kontinents werden! Unbesiegbar!

Doch als sie gerade tief in glänzendem Ruhm und süßem Sieg badete, unterbrach sie eine Palastwache. „Majestät, entschuldigt die Störung. Aber eine Küchenmagd hat verbotenerweise von einer Rübe genascht. Sollen wir die Frau dem Gericht überstellen oder direkt…“ Er wurde von einer schrillen Stimme unterbrochen. „Was?“, rief die Tyrannin wütend. In erster Linie war sie allerdings über die Belästigung erzürnt.
„Hat das Weib einen Prügelknaben?“ Die Soldatin verneigte sich höflich: „Ja, Majestät. Was soll mit ihm geschehen?“ Pluta streckte ihr kleines Kinn vor und sagte mit sadistischer Freude: „Wohlan! Stampft dem Sündenbock die Rübe in sein jungfräuliches Hinterteil. Er soll sie bis zum kommenden Sonnenaufgang tragen. Danach soll das Weib dem Medikus helfen, sie wieder zu entfernen.“ „Sehr wohl, Majestät“, bestätigte die Wache den Befehl mit einem nervösen Zucken im Gesicht und verschwand.

Pluta war schlecht gelaunt und genervt. Jetzt wurde sie bereits wegen solcher Bagatellen befragt! So ging das nicht weiter! Sie war viel zu nachsichtig. Zucht und Ordnung mussten unbedingt verschärft werden! Sie schritt mit wehendem Brokat-Umhang an den strammstehenden Wächtern vorbei und trat an ein bleiverglastes hohes Fenster des Palastes, aus dem sie in einen der drei Innenhöfe des Palastes blicken konnte. Dort wurden gerade von königlichen Schergen mehreren Haussklaven metallene Schuhe angebracht. Das bizarre Fußkleid zwang die Träger fürderhin, auf ihren Ballen zu gehen. Die Zehen wurden dabei unnatürlich nach oben gebogen. Dieses Schuhwerk war bereits nach wenigen Augenblicken schmerzhaft.

Diese Tortur wurde nicht als Bestrafung durchgeführt. Allerdings waren zurzeit sehr hochgewachsene Sklaven in Mode, so dass sich jede Dame, die etwas auf sich hielt, mit möglichst großen Leibeigenen schmücken wollte. Da wurde gern mit den steilen Metallstiefeln nachgeholfen, und einige Männer trugen zusätzlich zahlreiche Ringe aus Kupfer um ihren Hals, die ihn nach und nach streckten. Kleinwüchsige Sklaven schickte man als Ausschuss in die Erz- und Salzminen, wo sie in niedrigen, engen Stollen kriechen konnten. Für irgendetwas waren die Wertlosen gewisslich gut!

Von der drohenden Gefahr aus dem Osten ahnte im Vereinigten Reich niemand etwas…
…bis einige Wochen später eine seltsam gewandete Frau im Palast erschien und dringend mit Königin Leda sprechen wollte. Sie hatte sich dem Palast auf einem Schimmel genähert und trug ihr Gesicht verschleiert, und um ihren Leib hatte sie weite, edle Stoffe gewickelt, die nicht aus der Region zu kommen schienen. Die Wache ließ die Unbekannte jedoch nicht vor. „Sagt mir, wer Ihr seid und was Euer Begehr ist!“, bellte der kinnbärtige Hauptmann der Uniformierten die verschleierte Frau an, die ganz ohne Begleitung auf ihrem Ross saß. Mit lautem und klarem Sopran trug sie vor: „Es gibt wichtige Kunde aus dem Ostreich. Es droht unaussprechliche Gefahr! Ein kolossaler Heereszug! Eine Invasion! Wahrlich! Krieg!“

Aber der Wächter wirkte fürwahr nicht beeindruckt. Schon oft hatten wandernde Quacksalber und gewiefte Schlitzohren versucht mit erfundenen Geschichten Gold zu erschwindeln. Viele von den Spitzbuben waren Frauen gewesen: Wahrsagerinnen, Künstlerinnen, Magierinnen, Kräuterhexen… Doch die meisten von ihnen waren Scharlatane, die nur - oh, wie putzwunderlich - auf Münzen aus waren. „Wie sie wohl unter ihrem Schleicher aussieht?“, fragte sich der Hauptmann in Gedanken und spürte, wie sein Gemächt wuchs. Dann raunte er ihr mit heiserer Stimme zu: „Wenn du mit in meine Kammer kommst, dann werde ich dich vielleicht ohne Wegezoll vorlassen…“

Die Frau nickte andächtig, flüsterte ein piepsiges und hastiges „Habt Dank, mein Herr“ und folgte dem breit grinsenden Mann in der dicken Lederrüstung in den Palastflügel, in dem die Wachen untergebracht waren. An den Wänden hingen an schmiedeeisernen Haken Hellebarden, Schwerter, Falchions, Spieße, Streitkolben und Schilde. Einige Rüstungsteile standen oder lagen auf dem Boden. Der Wächter öffnete am Ende eines Flures eine dicke Eichentür, deren Riegel quietschten. Eine kleine Kammer mit grob gezimmertem Bett, Tisch und Schemel lag dahinter, und sie traten ein.

Nun waren die Zwei ganz alleine. Der Wächter schob einen schweren Riegel von innen vor die Tür und drehte sich zu der Verschleierten um. „So“, sagte er in beinahe obszönem Tonfall, „ich hoffe, du bist es wert…“ Er kam auf seine „Beute“ zu und spürte, wie seine Männlichkeit wuchs und wuchs. Es hatte sich bereits eine feuchte Stelle an seiner rauen Hose gebildet. Er küsste seinen Besuch auf die Stirn und Wolllust stieg in ihm auf. Jetzt hob er voller Neugier den Schleier und…

…erstarrte wie vom Blitz getroffen. Seine Kinnlade fiel hinab, als schaue ihn ein Nachtmahr an. „Was…..“ Der zierliche junge Mann unter dem Tuch warf seinen Umhang und das Kleid ab und trug darunter nur einen Lendenschurz und ein dünnes Leinenhemd. „Wer… Was soll das bedeuten?“ brüllte der Wächter und sah fast angewidert zu dem Mann. Er hob drohend eine Faust. Der Entlarvte hielt die Arme schützend hoch und erklärte: „Haltet ein! Gemach! Ich musste aus dem Ostreich fliehen. Aber als Sklave hätte ich keine Chance gehabt. Also habe ich mich als Weibstück verkleiden.“ Er zeigte auf die Tücher, die auf dem Bette lagen.

Der Wachmann wischte sich mit den Handrücken über die Lippen als seien sie voller Dreck. „Ein Mannsbild!“ Es hörte sich an, als sei es ein Verbrechen, ein Mann zu sein. Der Besucher nickte. „So ist es! Ich habe nie behauptet, ein Weib zu sein. Und ich habe nicht gelogen: Ich muss dringend mit der Königin sprechen! Es ist ausgesprochen wichtig“, redete er auf den Wächter eindringlich ein. In seinem lodernden Blick lag inbrünstiger Wille. Der Gerüstete sah sein Gegenüber skeptisch an. Sollte er es wagen, die Hoheit mit dieser ominösen Botschaft zu belästigen? Er könnte sich mit dem Larifari deses Hallodris zum Narren machen. Aber was, wenn es wahrlich von Wichtigkeit war?

„Also gut. Ich werde die Majestät fragen. Aber wehe dir, dein Anliegen stellt sich als Nichtigkeit heraus! Dann landest du im Kerker und siehst die Sonne nie wieder!“ Auch diese Warnung ließ den Fremden offenbar kalt. „Alldieweil bleibst du hier und wartest auf meine Rückkehr!“ Der Wachmann verließ grummelnd sein Gemach und befahl einem schlaksigen Soldaten mit einem Schmiss auf der linken Wange, der im Flur stand: „Pass auf die Tür auf! Der Fremde darf nicht hinaus!“ Der Untergebene salutierte zackig, runzelte aber die Stirn. War der Hauptmann betrunken? Wieso Fremder? Er hatte sich doch eine Kurtisane oder Dirne mitgenommen, das Bett zu wärmen…

Zur gleichen Zeit bezirzten nahe der Grenze zum Ostreich zwei wunderhübsche junge Damen einen Jüngling. Sie hatten ihm paradiesische Verlockungen versprochen und waren mit ihm immer tiefer in die Ebene geritten, die die Grenze zum Ostland darstellte. „Weiter dürfen wir nicht reisen“, warnte der Jüngling die beiden Ladys. Die Grenze war gefährlich. Vor allem für Männer, denn im Ostreich herrschte strenger Feminismus. Allerdings schienen die Zwei sich nichts daraus zu machen. Und als Feigling wollte er selbstverständlich nicht dastehen, sondern als der tapfere Recke, als den er sich ausgegeben hatte, um sich bewundern zu lassen.

„Gleich sind wir da“, versprach die eine junge Dame grinsend und zeigte nach vorne. „Da! Dort sind wir ungestört. Schau! Am Ufer des Flusses ist ein herrlicher Strand, und das Wasser ist so klar, dass man bis zum Grund sehen kann.“ Es war ersichtlich, was sie ihm Schilde führten. Der Bursche konnte vor seinem inneren Auge bereits die Schönheiten in ihren nackten zarten Leibern sehen, wie sie in dem erfrischenden Nass badeteten. Weit und breit waren keine anderen Reisenden zu sehen. Grenzwachen gab es hier nicht. Es würde ein prickelndes Abenteuer, aber keine ernste Bedrohung geben. Und vor Flussdämonen hatte er zuletzt als kleiner Bube Angst gehabt.

Einige Minuten später erreichten sie den Fluss. Tatsächlich war es ein idyllischer Platz mit einem kleinen Sandufer und bunten Steinen, die im nassen Boden glänzten, wie geschaffen für ein stilles Schäferstündchen. Der Jüngling namens Nereus war schon ganz von Sinnen. Die mögliche Gefahr durch Grenzsoldatinnen im männerfeindlichen Osten schloss er aus. Zu schön war die Aussicht, mit gleich zwei engelsgleichen Damen am Ufer des Flusses zu liegen und zum Manne zu werden…

Sie hatten sich mit Ceres und Phoibe vorgestellt und seien die Töchter eines reichen Kaufmannes aus dem fernen Westland. Allein waren sie angeblich auf der Queste nach Abenteuern unterwegs. Die beiden Ladys waren exquisit gewandet und ritten Rösser edelsten Blutes, so dass niemand bestreiten konnte, dass sie von noblem Stand waren. Seit Wochen waren sie auf sich alleine gestellt und nun froh, einen galanten Ritter kennengelernt zu haben. Das schmeichelte Nereus natürlich sehr. Von ihrer Geschichte war jedoch nur wenig wahr: Die beiden jungen hübschen Weiber waren tatsächlich von der westlichen Küste gekommen, als sie vor einigen Monaten von einem Herold gehört hatten, dass sich das Reich des Brackus seit einigen Jahren zu einer strengen Frauenherrschaft entwickelt hatte. Auch ihre Namen waren wahr. Aber den Rest ihrer Vergangenheit hatten sie wohl wissend verschwiegen…


Einige Monate zuvor:

Ceres und Phoibe erinnerten sich an verflossene Tage. Als Adelsdamen im Südreich hatten sie unter der Regentin Megara ein verschwenderisches und geradezu dekadentes Leben auf Kosten der verarmten und unterjochten Bevölkerung geführt. Und da Ceres und Phoibe eine sadistische Ader hatten, liebten sie es, Sklaven perfide zu quälen. Als ihr süßes Leben im Südreich zu ende gegangen war - Megara war gestürzt worden - suchten sie sich ihre Opfer in unwissenden jungen Burschen wie Nereus.

Fast vier Jahre lang hatten sie zwei tumbe Jünglinge in Keuschheitsgürteln gefangen gehalten. Eine Zeitlang wurde der eine von ihnen bevorzugt, während der andere Monate lang am Stück in seinem Liebeskerker schmorte, und dann begünstigten die zwei frivolen Damen den anderen. So ging es bis zu dem Tag, als sie von dem neuen Ostreich hörten. Kurz darauf ritten sie, fest entschlossen, im Ostreich ein neues Leben zu beginnen, mit ihren Liebesdienern durch die Lande, immer der Morgensonne entgegen.

Mehrere Monate dauerte die Reise. Im Nordlande, das inzwischen mit dem Südreich vereinigt war, durften sie sich nicht blicken lassen. Daher es arg geboten, auf der Hut zu sein. Doch als sie in die Nähe der Grenze zur Ostnation kamen, waren sie von einem Trupp berittener Soldatinnen aus dem östlichen Reich überrascht und angegriffen worden. Die beiden Männer wurden mit Lassos eingefangen und von ihren Rössern gezogen, mit „Halsgeigen“ fixiert und an ein Seil hinter einem Pferd hergezerrt. Die Reiterinnen würden die beiden Jünglinge auf dem Sklavenmarkt verkaufen. Phoibe und Ceres erhielten als Entschädigung einen Filzbeutel mit Münzen. Sie riefen den Frauen noch hinterher: „Wollt ihr die Schlüssel zu den Keuschheitsgürteln haben?“ Eine Soldatin drehte sich im Sattel um und winkte abfällig. Offenbar waren sie am Gemächt der Männer nicht interessiert.

Die beiden jungen Frauen ritten alleine über die Grenze, wo sie als Damen der Schöpfung herzlich willkommen geheißen wurden. Sie lebten einige Wochen von dem Silbergeld. Viele alltägliche Dinge waren sehr günstig, denn männliche Sklaven taten für einen Hungerlohn Dienst. Fleisch, Brot und Trunk gab es ebenfalls für geringe Münze. Von den restlichen Talern kauften Phoibe und Ceres wohlgemut auf einem Markt zwei günstige Sklaven mit gesunden Muskeln und ein kleines Blockhaus mit Brunnen. Die Leibeigenen bauten Gemüse und Obst an, kochten, putzten, machten die Wäsche und flochten Korbwaren, die sie mit dem Gemüse und Obst auf dem Markt verkauften. So konnten Phoibe und Ceres sich ganz ihrem Vergnügen widmen und lebten in ihrer Kate ein geruhsames, wenn auch nicht ganz so luxuriöses Leben in Saus und Braus wie im untergegangenen Südreich.

Doch mit der Zeit wurde es ihnen langweilig mit den devoten Sklaven zu spielen. Egal, welche Demütigung oder Erniedrigung sie sich ausdachten – und dabei waren die beiden Ladys wahrlich erfinderisch – nahmen die Männer ihr Schicksal fatalistisch an, ohne zu murren oder auch nur gequält oder bettelnd aufzuschauen. Daher beschlossen die beiden Frauen, jenseits der Grenze, also im Nordland, nach „gedeihlichem Frischfleisch zu wildern“, wie Phoibe es kichernd ausdrückte. Ein wenig Aufsessigkeit mochten die Damen bei ihren Sklaven gar sehr, denn die konnten sie ihnen mit Genuss austreiben.
41. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von AlfvM am 21.10.18 20:12

Hallo Prallbeutel,
lass uns nicht wieder solange warten, die Geschichte ist nach wie vor klasse. ich bin gespannt ob Leda dem Fremden glaubt.
Vielen Dank.
VLG ALf
42. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von sheeeep am 21.10.18 22:18

Wunderbar,die Fortsetzung !Man hält es kaum aus bis du den nächsten Teil veröffentlichst....und die Szenen und Ideen der grausamen Frauen bei der Sklavenbehandlung sind ganz nach meinem Geschmack....
43. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 03.11.18 18:38

Wieder zurück in der Gegenwart:

„Lass uns absitzen“, sagte Ceres und nahm ihr Pferd an den Zügeln. Sie führte das Tier zu einer jungen Birke und band es fest. Phoibe machte es ihr nach. Schließlich stieg auch der Jüngling von seinem Rappen. Kichernd verschwanden die Damen allgemach im Gebüsch des Ufers. Nereus folgte ihnen neugierig durch dichtes Schilf. Zunächst verlor er sie aus den Augen, doch dann fand er sie an einem feinen Sandstrand. „Komm schon her“, lockte Ceres ihn und strich sich durch ihr langes, glänzendes Haar. Der Jüngling kam auf sie zu, aber Ceres verschwand in den Fluten des Flusses. „Komm rein! Es ist herrlich erfrischend!“ Nereus wirkte unsicher. Der Fluss bildete die Grenze zum gefährlichen Ostreich. Auf der anderen Seite des Wasserarms war er als Mann nur ein wertloser Sklave. Rechtlos und vogelfrei. Selbst hier war es schon riskant, denn es hieß, dass Reiterinnen aus dem Osten die Gegend nach einsamen Wanderern durchstreiften, die sie entführten und auf Sklavenmärkten in den Siedlungen verkauften.

Phoibe schlüpfte aus ihrem Kleid und sprang ebenfalls ins Wasser. Für kurze Zeit war ihr wunderbarer weiblicher Leib für den Jüngling zu erblicken. Nereus schaute den Damen begehrlich hinterher. Sollte er es wagen? Was war schon dabei? Weit und breit war niemand hier. Er überlegte nicht mehr lange und zog sich rasch seinen Wams und die Beinkleider aus und folgte den beiden Badenixen spritzend ins kühle Nass. Die drei vergnügten sich im Fluss und alberten herum.

Plötzlich war Hufgetrappel zu hören. Das Trio erschrak. „Schnell! Ins Schilf!“, rief Phoibe alarmiert, und die beiden anderen folgten ihr hastig durchs brusthohe Wasser, alle zogen sich hastig ihre Kleider an und wrangen ihr Haar aus. Keinen Augenblick zu früh gingen sie in Deckung hinter den grünen Blättern, denn direkt darauf erschien ein Reitertrupp aus bewaffneten Soldatinnen, die in den Fluss trabten. Die Reiterinnen trugen dicke Lederrüstungen, die zusätzlich mit Metallplättchen verstärkt waren. Jede hatte ein Schwert auf dem Rücken geholstert. Zu ihrer Armierung zählten noch ein Bogen, ein Dolch, eine Peitsche und ein langer Wurfspieß.

Nereus, Phoibe und Ceres stellten fest, dass sich nur etwa 30 Schritt von ihnen entfernt eine Furt befand, über die die Kolonne das westliche Ufer erreichte. „Abgefeimte Wilderer“, flüsterte Ceres. „Sie suchen Freie für die Sklavenmärkte…“ Nereus wagte kaum zu atmen. Seine Angst ließ ihn zittern. Sein Langmut war beinahe erschöpft. Das Dröhnen der Hufe wich lautem Platschen des Wassers, doch die Speere klirrten weiterhin an den Rüstungen und Steigbügeln. Plötzlich drehte sich eine Kavalleristin um und pfiff schrill und laut, so dass die anderen sechs Pferde stehen blieben. Offenbar hatte die Soldatin etwas bemerkt. SIE bemerkt…

Ceres und Phoibe duckten sich noch weiter in die Schilfblätter. Aber die fremde Soldatin ritt langsam genau auf sie zu und zog ihr Langschwert, das in der Sonne glänzte. Nereus spürte sein Herz gegen die Rippen schlagen. Sein Puls raste. Er haderte mit dem Schicksal. Sollte sein Leben als freier Mann heute zuende gehen? Ceres knickte einen dicken Halm einer Bambuspflanze ab und drückte den Jüngling unter Wasser. Sie reichte ihm das Ende des Rohrs, durch das er atmen konnte. Nereus begriff, was er tun sollte und klammerte sich am Boden des Flusslaufes an einer Schlingpflanze fest, um nicht an die Oberfläche zu treiben. Aber was war mit dem Wasser? Ihm wurde ganz blümerant. Es war so klar wie aus der feinsten Quelle, und die Sklavenjägerin musste den Untergetauchten trotzdem bemerken…

Doch Phoibe scharrte im letzten Augenblick mit den Füßen und schob sie durch den Schlick am Boden, der braun aufwirbelte. Jetzt war die Soldatin nur noch drei Schritte entfernt. Mit ihrem Schwert schob sie einige Schilfblätter zur Seite und betrachtete die beiden Damen, die im brusthohen Wasser standen. „Wer seit ihr?“, wollte die Gerüstete wissen, deren harte Gesichtszüge von einem ebenso harten Leben erzählten. Phoibe antwortete: „Auch Ihr seied uns gegrüßt, Holde und Edle auf dem stolzen Rosse. Wir sind nur zwei Maiden, die im Grenzdorf wohnen“, und zeigte auf das östliche Ufer, „und erfrischen uns im Fluss.“ Die Soldatin betrachtete auch Ceres und die Umgebung argwöhnisch, als dünkte sie, dass irgendwas hier faul war. „Seid ihr allein?“ Phoibe entgegnete lapidar: „Ja, Reitersfrau.“

Die Berittene steckte ihr Schwert schabend zurück in die Scheide und meinte streng: „Es ist gefährlich für junge Damen im Grenzgebiet. Recken aus dem Vereinten Reich könnten euch Böses antun. Mannsbilder jenseits des Flusses wissen die Unantastbarkeit des Weibes nicht alle zu schätzen. Hier seid ihr Freiwild für dreckige Halunken. Tunlich ist es, die Grenze zu meiden.“ Damit drehte sie ihr Ross so kraftvoll, dass es aufbäumte, und die beiden Damen vor dem wiehernden Tier und dem aufpeitschenden Wasser zurückschreckten.

Der Trupp ritt davon - ins Vereinte Reich. Sie hatten ihre Beute noch nicht aufgegeben. Nereus war nicht bemerkt worden, sonst hätten sie nicht viel Federlesens mit ihm gemacht. Ceres nahm eine Handvoll Wasser und blies sie in das obere Ende des Rohrs.
Prustend und hustend kam Nereus an die Oberfläche und sah sich panisch nach den Reiterinnen um; doch da war niemand außer seinen beiden Bekannten, die über seinen Gesichtsausdruck kicherten. Ceres winkte der längst verschwundenen Grenztruppe nach.
„Gehabt Euch wohl, ihr blöden Weibsstücke!“

„Komm“, lockte Phoibe ihn und ließ sich in den Arm nehmen. Der Jüngling genoss die Berührung der schlanken Taille, dann rutschten seine Hände zu den weiblichen Hüften. Und dann spürte er plötzlich die Hand der jungen Dame an seinem Gemächt. Erneut befreiten sie sich von ihrer Wäsche. Phoibe streichelte über das Lustfleisch des Burschen und brachte Nereus damit traumhafte Gefühle, die er bisher nicht gekannt hatte. Natürlich hatte er sich selbst schon oft dort angefasst. Er wusste auch, wie ein Mann sich selbst befriedigte, wie er seinen Samen von sich gab; aber dass eine weibliche Hand solche intensiven Empfindungen, süßer als jede Spezerei, auslösen konnte… Das hätte er niemals gedacht.

Bald konnte er sich kaum noch zurückhalten und hungerte danach, sein „Schwert“ in Phoibes Weiblichkeit einzutauchen, aber die junge Dame neckte ihn und spielte mit ihm Fangen. Ceres half dabei, den Jüngling fast um den Verstand zu bringen, berührte ihn in seinem Schoß, flüsterte ihm Liebesbekundungen in die gespitzten Lauscher und knabberte an seinem Ohrläppchen. Der frivole Reigen des nackten Trios hätte einen Betrachter sich verwundert die Augen reiben lassen.

Endlich kehrten die Damen an den Strand zurück und ließen sich in den feinen Sand fallen. Nereus folgte ihnen mit „erhobenem Schwert“, das wild in der Luft wackelte und endlich sein Verlangen stillen wollte. Mittlerweile war sie zur Drangsal geworden, die unbefriedigte Lust. Phoibe ließ sich aber immer noch nicht besteigen. Stattdessen setzte sie sich auf den verdutzten und schwer atmenden Nereus. Die junge Dame wiegte sich hin und her und nestelte an Nereus Lenden, bis sein Stab in sie eindrang. Nereus ächzte laut auf. Das musste das Paradies sein!

Phoibe kicherte leise und bewegte ihre Hüften in einem Takt, den Nereus immer näher an den Gipfel der Lust brachte. Doch kurz bevor er seinen Samen vergießen konnte, stand Phoibe auf und drehte sich herum, schob ihren Po immer höher auf die Brust des Jünglings und keuchte: „Zuerst wirst du zeigen, wie du mit deiner Zunge umgehen kannst…“

Nereus wusste nicht so recht, was sie meinte. Umglimpf überkam ihn heiß, ob des Unwissens. Aber er sah die süße nasse Weiblichkeit genau vor seinen Augen und ahnte instinktiv, was sie von ihm forderte. Ceres beobachtete schmunzelnd, wie Phoibe sich immer verkrampfter an Nereus Unterschenkeln festkrallte und ihre Augen genießerisch schloss. Die Luft schien vor Spannung zu knistern wie bei einem Frühlingsgewitter, und dann kam es der heißblütigen Lady: Phoibe stöhnte jammernd auf, und der Bursche fürchtete schon fast, er habe etwas falsch gemacht, doch ihr zufriedenes Seufzen ließ ihn seinen Irrtum schnell erkennen.

Nereus platzte fast vor Erregung. Während er Phoibe verwöhnt hatte, hatte Ceres mit ihren Händchen geschickt über sein Gemächt gestreichelt. So zart, so schön, so intensiv…
Ihre Fingerspitzen strichen über seine Männlichkeit, dass es ihm wohlig durch den gesamten Körper schauderte. Doch jetzt genoss Phoibe ganz alleine ihr Vergnügen und kostete es bis zum Letzten aus. Nereus lag noch hilflos und zur Untätigkeit bestimmt unter ihr und fühlte dabei eine süße Pein, als Ceres plötzlich rief: „Schnell ins Wasser! Der Trupp kommt zurück!“

Phoibe und Nereus eilten in die kühlen Fluten, zogen sich aber zuvor irritierenderweise ihre Kleider an. Der Schreck und der kalte Fluss ließen die Steifigkeit des Jünglings, der den Maiden folgte, in sich zusammenfallen. Ängstlich sah sich Nereus um, doch da war niemand zu sehen oder zu hören. Stattdessen kam Ceres von hinten und umfasste Nereus Lenden und spielte mit seiner Männlichkeit, die sofort wieder erwachen wollte. Doch was war das? Er fühlte da etwas Hartes. „Was ist das?“ wollte er wissen. Die Damen kicherten. „Das ist ein Keuschheitsgürtel für Männer.“

Nereus sah an sich hinunter und stieg aus dem Wasser, um besser untersuchen zu können, was er da trug. Sein Gemächt war eingesperrt! Ceres hatte es wohl schnell aus der Satteltasche ihres Zossen geholt. „Macht das wieder ab!“, verlangte er. Aber die Damen schwammen, bereits kleiner werdend, ans östliche Ufer. Dort stiegen sie aus dem Fluss und hielten etwas hoch. „Hol dir doch den Schlüssel!“, rief Ceres hinüber. Nereus rief zurück: „Hört auf mit euren Neckereien! Ich habe genug! Kommt zurück! Schnell! Bevor euch jemand sieht!“

Aber Ceres und Phoibe machten es sich am Ufer bequem und legten sich in die wohltuende Sonne. Nereus schnaufte. Das gab es doch nicht! Diese Weiber! Sollte er hier warten? Irgendwann mussten sie zurückkommen. Oder sollte er hinüberschwimmen und sie über das Knie legen? Er spürte neben seinem Ärger auch eine unglaubliche Erregung, wie er sie noch nie empfunden hatte. Und dieser Keuschheitsgürtel war sehr stabil, hatte er bereits festgestellt. Ohne Schlüssel war da nichts zu machen.

Nereus war unsicher, was er tun sollte. Doch ihm war schnell klar: Er musste aus diesem Keuschheitsgürtel wieder raus! Er zog sich schnell an, sah sich noch einmal um, und sprang dann in die Fluten, um zu den beiden Damen hinüberzueilen. Ceres und Phoibe trennten sich und liefen in entgegengesetzter Richtung das Ufer entlang. Als Nereus den östlichen Strand erreicht hatte und aus dem Wasser stieg waren die jungen Ladys schon über 150 Schritt von ihm entfernt.

Wem sollte er nun nachlaufen? Wer hatte seinen Schlüssel? Egal, dachte Nereus. Wenn er erst mal die Eine gefangen hatte, würde die Andere schon herbeieilen. Langsam war das alles kein Jux oder amouröses Abenteuer mehr für ihn. Schließlich setzte er sich der Gefahr aus, von Reiterinnen des Ostreiches erwischt zu werden. Nereus entschied sich für Phoibe und sprintete den sandigen Strand links entlang. Schnell kam er näher und näher, denn Phoibe musste mit gerafften Röcken laufen, um nicht zu stolpern.

Endlich hatte er sie erreicht und umfasste sie von hinten. „Gib mir sofort den Schlüssel“, forderte er. Wie vermutet, antwortete sie: „Ceres hat ihn. Lass mich los, du Rüpel!“ Nereus drehte sich zu Ceres um, die über 300 Schritt entfernt stand, und rief ihr zu: „Komm her! Ich habe deine Freundin gefangen.“ Aber was machte Ceres? Sie stieg ins Wasser und wollte wohl zurück ans Westufer. Nichts lieber als das, dachte Nereus und folgte ihr ins Wasser. Aber Phoibe rief ihn zurück: „Komm zu mir! ICH habe den Schlüssel.“

Nereus war verwirrt. Die Damen wollten ihn wohl zum Narren halten. Er stand unschlüssig im Wasser und kehrte zu Phoibe zurück. Inzwischen hatte Ceres die Pferde erreicht, band sie los und führte sie an der Furt ans Ostufer. Der Keuschling marschierte wütend zu Phoibe zurück und schüttelte sie, als sie nur kicherte: „Ceres hat ihn.“ Nereus war zornig: „Gebt mir endlich den Schlüssel!“ Die zweite Lady näherte sich mit den Pferden und rief: „Hey! Wage es nicht noch einmal Hand an Phoibe zu legen! Wir sind zwei feine Damen aus dem Ostreich, und wenn du uns nicht hörig sein willst, dann müssen wir Gewalt anwenden.“

Nereus glaubte seinen Ohren nicht trauen zu dürfen. „Was hast du gesagt? Ihr habt mich in eine Falle gelockt, ihr Megären!“ Er war sprachlos. Doch dann erwachte er aus seiner Starre und griff nach seinem Pferd und stieg eilig auf. „Her mit dem Schlüssel! Und dann werde ich wieder über die Grenze reiten.“ Die beiden Fräuleins stiegen ebenfalls auf und gaben ihren Rössern die Sporen. Im Galopp rasten sie nach Osten, lachend und jubelnd davon. Nereus folgte ihnen mit donnernden Hufen.

Der Kavallerietrupp, der vor einiger Zeit die Furt nach Westen genommen hatte, kam zurück. Im Schlepptau liefen im Trab vier nackte Männer hinter einer Reiterin her, die ihre Beute an vier Lassos gebunden hatte. Das Qartett lief stolpernd und erschöpft hinter dem Ross her, während die Reiterin stolz im Sattel saß und keinen Gedanken an die Mühen der Männer verschwendete. Es waren reisende Burschen gewesen, die von den Soldatinnen an ihrem Lagerfeuer überrascht und überwältigt worden waren. In Windeseile mussten die Überfallenen sich ihrer Kleidung entledigen. Es ging ganz schnell: die Hände auf den Rücken gefesselt, ein Seil um den Hals. Und schon waren sie auf der Abreise ins Ostreich wie schlachtreifes Vieh.

Das Handwerksburschenquartett hatte alle Warnungen vor der gefährlichen Grenzregion in den Wind geschossen und musste nun die bitteren Konsequenzen tragen. Die Abenteuerlust hatte sie zu der leichtsinnigen Reise verführt. Ihr Schicksal würde es werden, auf einem Sklavenmarkt verkauft zu werden und fortan entweder von Sonnenaufgang bis –untergang auf einem Feld zu schuften, oder sie würden sich als Liebesdiener in einem Harem einer reichen Lady für das Vergnügen der Dame auf oder vor einem Diwan räkeln und ihren Mann stehen, wenn es der Herrin danach gelüstete. Vielleicht würde sie auch eine Senatorin für den Kriegsdienst erwerben. Sie konnten als Träger von Ausrüstung, als Späher oder als erste Angriffsfront verwendet werden. Aber ihre Freiheit und das Vereinte Reich würden sie nie wieder sehen.

Nereus, Phoibe und Ceres bekamen von all dem nichts mit. Sie galoppierten immer noch wild ins Landesinnere, der kleinen Ansiedlung entgegen, in der die beiden Damen mit einigen Arbeitssklaven lebten. Nereus folgte ihnen naiv in einigen hundert Schritten Distanz. Er blendete alle Gefahr aus; nur der Schlüssel zu seiner Männlichkeit war ihm noch wichtig. An etwas anderes konnte er gar nicht denken.

Nach einem halbstündigen Ritt erreichten die Damen ihren kleinen Hof. Die Rösser hatten vor Anstrengung Schaum vor dem Maul und waren nass geschwitzt. Ceres und Phoibe sprangen aus ihren Sätteln und eilten ins Haus. „Ein wilder Mann aus dem Vereinten Reich verfolgt uns! Nehmt ihn gefangen“, rief Phoibe den beiden Sklaven zu, die im Haus den Boden fegten. Nur wenige Momente später war das Pferd von Nereus zu hören. Der Jüngling sprang ab und stürmte ins Haus. Nun würde er es den beiden frechen Gören zeigen! Doch kaum hatte er die Hütte betreten, warfen sich die beiden Sklaven auf den Eindringling und überwältigten ihn. Jetzt trauten sich auch die beiden Hausherrinnen hinter einem Paravent hervor. Nereus wehrte sich heftig, aber gegen die beiden muskulösen Leibeigenen hatte er keine Chance.

Sie verdrehten ihm die Arme hinter seinem Rücken und bugsierten ihn wieder auf die Beine, nachdem er bei dem Überfall äußerst unsanft auf dem Hosenboden gelandet war. Ceres stellte sich direkt vor Nereus: „Nun wirst du lernen, uns zu gehorchen. Der Keuschheitsgürtel bleibt vorerst verschlossen!“ Nereus machte große Augen. „Was? Ihr habt mich entführt!“ Phoibe lachte: „Entführt? Bist du uns nicht freiwillig gefolgt? Hier gelten andere Gesetze als im Vereinten Reich.“ Nereus konnte noch gar nicht fassen, in was für eine Misere er da geraten war.

Inzwischen ritt die Kavalleriekolonne am Gehöft der beiden Damen entlang in die Ansiedlung, die vier Männer im Schlepp, die sich kaum noch auf ihren Beinen halten konnten. Zwei Feldsklaven der beiden Damen hoben kurz ihren Blick vom Gemüse auf dem Acker, als sie die Soldatinnen vorbeireiten sahen. Die Frauen trugen alle braune Brigantinen, die mit Eisennieten bedeckt waren. Ihre schwarzen Reitstiefel reichten bis über die Oberschenkel. Die nackten Körper der Männer glänzten vor Schweiß. Sie stolperten mehr als sie liefen, denn nach den vielen Meilen waren sie der Erschöpfung so nah wie nie zuvor. Doch der Trupp würde erst in der Ansiedlung rasten.


44. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von AlfvM am 05.11.18 21:20

Lieber Prallbeutel,
mach bitte bald weiter, vll. kann Nerus noch entkommen. Vielen Dank für diesen Teil.
VLG Alf
45. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 30.11.18 18:00

Dann erreichte der Trupp den Ortskern. Während die Soldatinnen in der Schenke am kleinen Marktplatz ein kühles Honigbier tranken, bewachte eine Magd des Gasthauses die vier Männer, die nun in den Stock gespannt gekrümmt im Staub saßen. Einer von ihnen schüttelte seine Mähne, um einige neugierige Fliegen loszuwerden. Die junge Maid trug einen weiten Rock und Sandalen, ein weißes Leinenhemd und ein Häubchen. Für eine Frau hatte sie niedrige Dienste zu erledigen. Wenigstens war sie mit einem jungen Burschen vermählt, der die häuslichen Arbeiten in ihrem Heim erledigte und nebenher noch auf einem Feld als Erntehelfer arbeitete: Bohnen, Kohl, Kürbisse und Rispenhirse holte er vom Acker.

Brachte er mal nicht genug Münzen nach Hause, setzte es Hiebe mit dem Ledergurt seiner Eheherrin. Aber das kam eher selten vor. Die Magd war eine recht gutmütige Frau. Manchmal allerdings stach sie der Hafer, und dann hatte sie Vergnügen daran, die zwei Sklaven des Gasthauses zu schikanieren. Heute wäre sie in entsprechender Laune dazu gewesen, denn sie hatte gar keine Lust, draußen bei den vier Mannsbildern in der prallen Sonne zu wachen, sondern wollte lieber in der kühlen Taverne die Sklaven in der Küche kommandieren und mit Holzlöffel oder Kelle antreiben und vielleicht ein wenig von dem deftigen Eintopf naschen, den der Wirt hungrigen Gästen anbot.

Ihre gereizte Stimmung ließ sie nun an dem nackten Quartett aus. Dazu zupfte sie von einem Busch in der Nähe mehrere kugelartige kleine Früchte. Diese Gewächse warf sie mit lässiger Bewegung vor die in den Stock gespannten Gefangenen, die breitbeinig in ihren Fesseln auf dem Lehmboden saßen. Die Früchte platzten auf, als sie landeten, und die Samen der Pflanze breiteten sich wie eine Staubwolke wirbelnd in der Luft aus. Die Männer husteten, und nach wenigen Augenblicken begannen sie sich zu winden, zu zappeln, zu strampeln, zu zucken und zu stöhnten.

Die schelmische Magd sah grinsend zu, wie das Juckpulver die Sklaven fast um den Verstand brachte, da sie sich nicht kratzen konnten. Lediglich ein wenig über den Boden schieben konnten sie ihre Kehrseite wie ein sich schrubbendes Warzenschwein auf einem flachen Steinbrocken. Aber gegen das gemeine Jucken, Kitzeln und Beißen – insbesondere in ihrem Schritt, vor dem die Früchte aufgeplatzt waren – gab es keine Maßnahme, die sie davon erlösen würde.

Die Magd genoss kichernd das amüsante Bild, das sich ihr bot, und bald lockte das Stöhnen der Männer auch noch andere Frauen an: Zwei Reiterinnen in ledernen Korsettwesten und weiten Stoffhosen hielten an und lehnten sich in ihren Sätteln vor, um sich das Spektakel anzuschauen; zwei junge Maiden in langen Röcken, die auf einer Wiese Blumen gepflückt hatten, waren ebenfalls herbeigekommen und lachten über die Sklaven, die sich hilflos versuchten zu reiben und gegen das gemeine Jucken zu wehren.

Als das Kratzen langsam nachließ, pflückten die Magd und die beiden Maiden weitere Kugeln und warfen sie nach den Männern, die um Erbarmen flehten, aber nur Lacher ernteten. Die Pein begann erneut. So ging es noch eine ganze Weil, bis es den Frauen langweilig wurde. Die Qualen der Sklaven hielten jedoch lange an. Selbst, als der Reitertrupp wieder aufsaß, und die Männer in ihren Lassos hinter einem der Rösser im Trab wieder bereit zur Weiterreise in Reih und Glied standen, biss sie immer noch das fiese Pulver. Die Magd winkte ihnen schadenfroh und ironisch nach und gluckste vor Freude. Endlich waren die Kerle weg. Jetzt konnte sie geschwind wieder in die kühlen Räume der Schenke gehen.

Bald darauf durfte sie nach Hause kehren und erzählte ihrem Ehesklaven: „Weißt du noch, wie ich dich im vergangenen Sommer gefesselt und mit Juckpulver eingeschmiert habe? Du glaubst gar nicht, was mir heute passiert ist…“ Als sie ihrem Ehesklaven alles berichtet und ihm neckend gedroht hatte, dass ihm das auch bald wieder geschehen könne, gönnte sie sich erst einmal ein angenehmes Bad in einem großen Holzzuber, um ihren Leib zu erfrischen und zu entspannen.

Für das Badewasser hatte ihr Gatte Dutzende Male zu einem Brunnen laufen müssen, um das viele Wasser herbeizuschaffen. Die schwere Arbeit war er gewöhnt und tat dies für seine Eheherrin auch sehr gern. Obwohl er sich fragte, warum das Badefass so groß sein musste. Im Winter war es noch aufwendiger. Da musste Eimer für Eimer im großen Kessel über dem Feuer erwärmt werden. Das war ihm heute erspart geblieben.

Anschließend kämmte die Dame des Hauses ihr langes Haar mit einem Kamm aus Elfenbein, der kunstvoll verziert war und einen knienden Sklaven darstellte, der von einer Lady ausgepeitscht wurde. Danach durfte ihr Ehesklave baden und sich rasieren. Und dann würde sie ihn in der gemeinsamen Bettstatt erwarten, damit er seinen Pflichten nachkam. Er erkannte jedes Signal, jede Geste seiner Herrin, kannte ihren Leib von Kopf bis Fuss und wusste, welche Wonnen sie erwartete.

Am nächsten Vormittag eilten zahlreiche Ortsbewohner zum Marktplatz. Auch die Magd und die Gastwirtin der Taverne standen auf der Veranda. Ceres und Phoibe hatten sich ebenfalls unter die Ansammlung von Frauen gemischt. Auf dem Exekutionsplatz, der für öffentliche Auspeitschungen oder Prangerstrafen gedacht war, standen fünf Soldatinnen mit ihrem Delinquenten: einem nackten verängstigten Mann. Ihm sah man an, dass er nicht gut genährt war. Seine Haare hatte man ihm unfachmännisch geschoren. Ceres fragte sich, ob der Barbier eine Sense verwendet hatte.

Der Platz war ein etwa zehn Mal zehn Schritt großes Podest aus großen Steinquadern, etwa zwei Ellen hoch, so dass die werte Zuschauerschaft alles verfolgen konnten, was dort geschah. Der Sklave war beschuldigt worden, Unzucht mit einer Jungfrau getrieben zu haben. Nun sollte sich herausstellen, ob er seine Lustgier unter Kontrolle hatte oder nicht. Dazu war der Übeltäter rücklings auf ein nach hinten gebogenes Brett gespannt worden. Der verängstigte Sklave blickte mit panischen Blicken hin und her. Plötzlich trat eine verhüllte Frau unter einer dunklen Robe mit Kapuze zwischen den Soldatinnen hervor und stellte sich vor den Angeklagten.

Auf ein Zeichen der Anführerin hob die Verschleierte ihre Arme, so dass der Umhang hinab glitt. Sie stand splitternackt vor dem Sklaven. Es war die grazile Jungfrau, die ihn der Unzucht beschuldigt hatte. Die Männlichkeit des Gefangenen versteifte sich etwas bei dem Anblick der zarten und wunderhübschen Frau. „Der Beweis“, rief eine Soldatin voller Inbrunst und zeigte auf das harte Glied des Mannes. Einzelne Stimmen aus dem Publikum tönten laut über den Platz. „Damit hat der Unhold seine Tat gestanden!“ Und: „Bestraft ihn! Bestraft ihn!“ Dann: „Richtet den Frevler! Er soll sein Gemächt einbüßen!“ So manche Klinge blitzte in der Menge auf, aber die Anführerin hatte die Autorität und entschied alleine, was mit dem Schuldigen zu geschehen sei. Ganz und gar.

Flink glich der Markt einem Hexenkessel. Die Zuschauerinnen jubelten und schrieen laut durcheinander. Es glich einem Fest, als die Anführerin der Soldatinnen dem überführten Sklaven sein Urteil verkündete. Unter lautem Jubel, Gejohle und Heiterkeit bereiteten die Soldatinnen alles für die Vollstreckung vor. Die verzweifelten Rufe, die der Kehle des Delinquenten entwichen, wurden durch einen inzwischen angelegten Lederknebel gedämpft. Auf Großherzigkeit durfte er nicht hoffen.

Auf dem Nachhauseritt schwatzten Ceres und Phoibe noch eine Weile über das Schauspiel auf dem Exekutionsplatz. „Selbst schuld, der Sklave“, sagte Ceres. „Ja“, meinte Phoibe, „Nereus hätte es auch verdient. So frech, wie er war.“ Ceres lachte: „Nach einer tüchtigen Tracht Prügel mit dem Haselnussstock wird er auch ganz artig sein. Da bin ich mir sicher.“ Phoibe: „Gut. Aber wir wechseln uns ab. Ich will seinen süßen Po auch bestreichen.“ Ceres lachte noch lauter. „Einverstanden, meine Herzensgute.“ Phoibe feixte. „Später fragen wir ihn, wer den Stock talentierter geschwungen hat.“

Am Marktplatz verlief sich die Menge. Die Menschen gingen wieder ihren gewohnten Tätigkeiten nach. Eine Frau schärfte die Klinge ihres Schwertes an einem großen Wetzstein, der sich gleichmäßig drehte – angetrieben von einem eisernen Zahnrad, dass ein kräftiger Sklave, gekleidet in einen dreckigen Lendenschurz, an einer Kurbel bewegte. Der sehnige Leib des Mannes zeugte von fabelhafter Kraft, doch seine trüben Augen starrten stumpf auf den lehmigen Boden.

Ein Falke schrie grell in der Höhe und trieb mit ausgebreiteten Flügeln am blauen Himmel. Plötzlich fiel er wie ein Stein hinab und stürzte sich auf eine Feldmaus und brach ihr das Genick. Der Nager hatte keine Chance. Der Raubvogel packte seine Beute mit den scharfen Krallen und erhob sich wieder in die Luft. Ähnlich war es den vier Reisenden an der Grenze ergangen. Die kleine Kolonne aus Kavalleristinnen war wie aus dem Nichts aufgetaucht, hatte zugeschlagen und war mit den vier Gefangenen wieder im Ostreich verschwunden.

Inzwischen hatten sie die nächste größere Ortschaft erreicht. Hier würden sie die Sklaven an eine Händlerin verkaufen, um erneut auf Raubzug zu gehen. Die Kauffrau verdiente offenbar sehr gut, denn ihre edle Seidenrobe verriet nicht wenig Reichtum. An ihrem Gürtel hing ein Dolch, dessen Büffelhorn-Griff am Knauf mit Halbedelsteinen verziert war. Der Handel mit Leibeigenen war profitabel, und der Markt war hungrig nach Material. Jede Dame im Land verlangte heutzutage nach Haussklaven, Feldsklaven, Lustsklaven, Kampfsklaven, Minensklaven und so fort.

Die Soldatinnen übergaben die Männer an zwei Beinkleider und schwarzen Gambesons tragende Frauen, die den Sklaven eiserne Halsbänder umlegten und diese dann mit einer sehr kurzen Kette an Eisenringen befestigten, die in Kopfhöhe an einer Steinwand verankert waren. So standen die Männer nun in der Reihe an der Wand und konnten sich kaum rühren. Die Anführerin der Reiterinnen schritt mit der Händlerin die Linie der Sklaven ab und bewarb die gute Ware mit blumigen Ausdrücken. Die Käuferin begutachtete das Muskelfleisch der Männer, schaute in ihre Münder, um die Zähne zu kontrollieren, und ein flüchtiger Blick glitt über die Gemächte.

Die beiden Frauen feilschten lautstark einen Preis für die Männer aus. Mehrfach gingen die Angebote hin und her, bis sich die Beiden endlich einig wurden und das Geschäft mit einem Handschlag besiegelten. Die Händlerin kramte aus einem Ledersäckchen, der an ihrem Gürtel hing, acht Silberlinge hervor und ließ sie in die Hand der Soldatin fallen: „Wohl an! Hier sind die Münzen. Aber du bringst mich damit an den Bettelstab! Was für ein fürstlicher Preis für dies traurige Viehzeug von Dirnensprossen! Ich muss verrückt sein!“ Sie rollte theatralisch die Augen nach oben.

Die Soldatin antwortete scheinbar entrüstet: „Ich habe sie dir fast geschenkt! Erstklassige Burschen im vollen Saft. Jungfräulich und bei Kräften. Ohne Brandzeichen, ohne Ungemacht. Welche Pracht! Sie sind das Fünffache wert!“ Trotz der gegenseitigen Klagen waren die Geschäftspartnerinnen insgeheim zufrieden mit dem Handel. Als die Frau mit den Worten „Gehabt Euch wohl!“ fortgeritten war, gaben die zwei Helferinnen der Händlerin den Sklaven jeweils eine Kelle Wasser. Ein ausgedörrter Sklave besaß nicht die vollen Muskeln. Deshalb mussten sie stets genug zu saufen haben. Kurz darauf hängten sie der frischen Ware eine Schnur mit einem Holzschild um, auf dem ihr Verkaufspreis notiert war, auf das sie die Gunst einer Käuferin finden würden.

Im Südland ließ ein gerüsteter Wachmann am Fallgitter zur königlichen Burg seinen Weinschlauch sinken und rülpste. Leer. Die letzten Tropfen des roten Trunks benetzten die Holzplanken der Zugbrücke. Er wankte zurück auf seinen Posten. Unter seinem derben Stiefel knirschte es. Hatte eine Kakerlake seinen Weg gekreuzt? Er schniefte seinen Rotz hoch und spuckte einen Klumpen zu Boden. Hoffentlich ging bald der Kriegszug los. Diese Wachdienste waren schrecklich langweilig. Viel lieber würde er unter die warmen Laken einer Küchenmagd schlüpfen.

Majestät Leda saß mit ihren Beratern am großen runden Eichentisch im Kronensaal, zu dem nur die Majestät und die höchsten Regierungsangehörigen Einlass hatten. Das Gemach befand sich im größten Turm des Palastes und bildete einen gewaltigen Erker, der wie ein Balkon über dem Innenhof schwebte. An den Steinwänden flackerten Fackeln in dicken schweren Eisenständern. Die schmalen Fenster erinnerten an Schießscharten, so dass hier stets Feuer und Kerzen brannten, um für genug Licht zu sorgen. Außen waren Wasserspeier in Form von Drachenköpfen angebracht. An den Steinwänden hingen Schilde mit Wappen und die Flagge des Reiches. Ledas Stuhllehne war deutlich höher als die der Männer des Hofstaates. Ansonsten unterschied sie nichts von ihren treuen Beratern. Sie schaute in die Runde. Diesen Recken konnte sie ihr Leben anvertrauen. Das hatten die Kabinettsmitglieder mit einem Eid geschworen.

Seit sie von einem entflohenen Sklaven aus dem Ostreich vor der Tyrannin Pluta gewarnt worden waren, arbeiteten Ledas Ratgeber an einem Verteidigungskonzept für das Vereinte Reich. Die Grenzen mussten mit dem Heer deutlich verstärkt werden. Patrouillen sollten verhindern, dass raubende Kavallerietrupps ins neue Reich eindrangen und Männer entführten. Noch war dies trotz vieler Warnungen an die Bevölkerung leider an der Tagesordnung.

Das Heer rüstete enorm auf. Sowohl gewaltige stationäre Verteidigungsmaschinen als auch mächtige mobile Katapulte für einen Angriff ins Feindesland wurden von hunderten Männern gebaut. Solche Gerätschaften mussten von zehn oder mehr Ochsen gezogen werden. Tribock, Mangonel, Warwulf – die Soldaten verfügten über ein gewaltiges Repertoire. Auch Belagerungstürme und Widder mit Rammbock gehörten dazu. Leda wollte für jeden Kriegsfall gewappnet sein.

Innerhalb weniger Tage machten sich die ersten Einheiten schwer bewaffnet und mit wehenden Fahnen noch bevor der erste Hahn schrie auf den Weg an die Grenze. Marodierende Reitertrupps aus dem Osten sollten der Vergangenheit angehören. Einige schwarze Gewitterwolken begleiteten sie grollend mit ihren Schwertern aus wilden Blitzen. Die Armierten waren mit Bogen, Langschwert, Armbrust, Hakenspieß und Rabenschnabel ausgerüstet. Auf dem Rücken trugen die meisten Rittersleute einen Langspitzschild mit Stahlbuckel. Als Schutz diente über dem Lederwams ein Kettenhemd.

Gleichzeitig verstärkte Leda die Mauern und Gräben vor der Palastanlage. Die trutzigen Wehrwälle wurden erhöht und Bodensenken ausgehoben, die mit Krähenfüßen gespickt auf die ungebetenen Gäste warteten. Das Herscherhaus war bereits eine beeindruckende Festung, doch sollte sie ein absolut uneinnehmbares Bollwerk werden, an dem jede Armee dieser Welt scheitern würde. Von Weitem ähnelte die Burg einem Tafelberg. Die massive Außenmauer ragte hoch auf und schien unüberwindbar.

Königin Leda wäre nicht Königin Leda gewesen, wenn sie dabei nicht auch an ihr Volk dachte. Daher ließ sie die armselige und teilweise verrottete und mit Moos überzogene Stadtmauer ausbauen und mit massiven und hohen Wachtürmen versehen. Sämtliche Kosten finanzierte Leda aus ihrer eigenen Goldschatulle. Aber all dies waren nur Vorsichtsmaßnahmen für den unwahrscheinlichen Fall, dass es der Ostarmee gelingen würde bis in die Stadt vorzudringen. Die eigentliche Kampfkraft ihrer Soldaten schickte sie direkt an die Grenze, um dort bereits die Gefahr einer Invasion zu bannen.

Der königliche Gemahl Abas war nach nordischer Tradition bei Regierungsangelegenheiten nicht involviert und durfte Leda lediglich inoffiziell hinter geschlossenen Türen Ratschläge geben. Doch das süße Nichtstun hatte er längst satt. So zog es ihn immer wieder gern als Mönch in einer Kutte mit Kapuze verkleidet inkognito durch die Straßen der Stadt und die Landstriche der Region, um Bedürftigen eine Handvoll Münzen zu schenken. Glücklicherweise waren die Zeiten der Unterdrückung und Ausbeutung seit Megaras Sturz vorbei, so dass nur wenige Menschen Hunger litten.

Vor einem Monat war Abas einmal von einem Straßenhändler, dem er Gutes getan hatte, trotz seiner Tarnung erkannt worden. Doch im Gegensatz zu Adeligen aus Megaras Clan, die vermutlich gelyncht worden wären, hätten sie keinen bewaffneten Tross bei sich gehabt, wurde Abas lautstark gefeiert und auf Händen durch die Menge getragen wie ein Heiland, dass ihm all der Jubel schon beinahe peinlich war.

Wie anders war es damals gewesen, als Megara an der Macht war! Leda erzählte gern die Geschichte des adligen Fräuleins, das einmal mit ihrer prunkvollen Kutsche über den überfüllten Markt gefahren war: Vor den Rössern peitschten vier Soldaten die Menge auseinander, um Platz zu schaffen. Gossenpack war das für sie. Doch der Dame ging es nicht schnell genug, und sie keifte in der Kutsche so laut, dass sogar Leda und ihre elf Kameraden (eine begleitende Reitertruppe) rot wurden, als sie die Schimpfwörter hörten, die aus dem feinen Munde kamen.

Als das Fräulein schlecht gelaunt aus ihrem Gefährt schaute, meinte sie einen Burschen entdeckt zu haben, der nicht schnell genug sein Haupt geneigt hatte. Leda war sich zwar damals (und bis heute) sicher, dass die Lady nur einen Vorwand gesucht hatte, ihr Mütchen zu kühlen, aber sie befahl den Soldaten, den jungen Knecht zu packen und hinten an die Kutsche zu binden wie ein Stück Vieh.

Nachdem die Fahrt zum königlichen Schneider gegangen war, wo die Lady ihr neues Ballkleid anprobierte, sollte es zurück in den Palast gehen; doch das Fräulein grinste boshaft und meinte, sie wolle bei dem schönen Wetter lieber noch ein wenig über Land fahren und wählte eine viele Meilen lange Strecke über die Hügel und Felder vor der Stadt. Leda beobachtete damals, wie der Bursche immer erschöpfter wurde und schließlich japsend nur noch stolperte. Irgendwann geschah, was geschehen musste: Der Festgebundene fiel zu Boden und wurde hinter der Kutsche hergeschleift.

Leda gab ihrem Ross damals die Sporen und ritt neben die Kutsche, um das Fräulein auf den üblen Sturz des Gefangenen hinzuweisen. Doch statt dem Kutscher zu befehlen, das Gefährt zu stoppen, lehnte diese sich weit aus der Öffnung über der Tür und lachte freudig über den rutschenden Mann, der über Stock und Stein holperte, teilweise in die Luft hüpfte, um dann unangenehm hart wieder zu landen und im Staub hinter dem Wagen hergezerrt zu werden, wie ein dicker Schinken.

Die Edeldame applaudierte sogar zu dem sich wälzenden Mann, der versuchte wieder auf die Beine zu kommen. Doch sein verzeifeltes Unterfangen war hoffnungslos. Die Frau kicherte. „Der ungeschickte Bengel verschmutzt sein Gewand. Vielleicht sollten wir es ihm ausziehen.“ Doch wenigestens diese Schmach blieb dem Ärmsten erspart. Ohne, dass es die Adelsblütige merkte, drosselte der Kutscher ein wenig seine Pferde auf dem restlichen Weg.

Als die Lady endlich im Palast ankam, schleifte der Gefangene wie ein Sack und mit einer dicken Staub- und Schmutzschicht bedeckt sowie um Dutzende blaue Flecken reicher hinter der Kutsche her. Eine Benommenheit hatte ihn erobert. Die Dame stieg aus und stupste ihr Opfer mit dem Stiefel an wie eine tote Qualle am Strand. „Willst du dich nicht verbeugen vor deiner Herrin, du Bauernflegel? Weißt du nicht, was sich schickt?“ Der Mann zog mit letzter Kraft seine Beine zusammen und stemmte sich in kniende Haltung, beugte sich tief bis zum Boden hinab und zitterte.

Zufrieden grinste das Fräulein zu ihm hinunter. Sie stellte ihren Stiefel auf den Kopf des Mannes und fühlte sich wie ein Jäger, der einen Bären erlegt hatte. Dann schritt sie in ihre Gemächer. Ihre Zofe schleppte hinter ihr das Kleid her, das sie beim Schneider erworben hatte. Die schlechte Laune der Hochgeborenen war einem Triumphgefühl gewichen. Das war ein feiner Ausflug gewesen: eine kostbare Tracht und ein Gaudium bei der Rückfahrt.

Leda sah bestürzt, wie der Mann kraftlos in den Staub sank. Sie befahl zwei Burschen vom Gesinde, ihn aufzuheben und ihm Wasser einzuschenken. Auch seine zahlreichen Schürfwunden sollten sie versorgen. Und sie sollten ihn sofort wegschaffen, bevor die königlichen Wachen ihn verprügelten oder in den Kerker warfen. Denn wäre er erst einmal in den finsteren Verließen unter dem Palast, würde man ihn vergessen oder als Feld- oder Minensklave arbeiten lassen. Glücklicherweise hatte der Arme keine bedeutsamen Wunden erlitten – bis auf die Schmach, aber die war tiefer eingebrannt, als es glühende Kohlen hätten tun können.

„So war das damals in der dunklen Zeit der Megara“, endete ihre Geschichte. „Und jetzt scheint eine neue unheilvolle Macht im Osten aufzugehen. Wie sehr sich doch Megara und diese Pluta ähneln! Vielleicht ist Pluta sogar noch grausamer. Was man so hört. Denn bei ihr werden alle Männer grundsätzlich unterdrückt und regelrecht versklavt.“ Als Abas die Geschichte zum ersten Mal gehört hatte, dachte er, Leda wolle ihm einen Bären aufbinden; doch inzwischen war er von dem Wahrheitsgehalt überzeugt. Gut, dass diese Zeit vorbei ist, dachte Abas erleichtert und erinnerte sich an die schrecklichen Erlebnisse, die er selbst als Sklave unter Megara erlitten hatte.
46. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von sheeeep am 02.12.18 21:27

Einfach prima,Prallbeutel!!!!
47. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von AlfvM am 05.12.18 19:13

Hallo Prallbeutel,
der Umgang der Frauen mit den Männer ist ganz schön heftig, aber wer weis was noch passieren wird. Vielen Dank.
VLG Alf
48. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 20.12.18 19:07

Viele hundert Meilen weiter östlich herrschte die Tyrannin unter dem Alias Pluta weiter. Und in ihrem neuen Reich griffen ihre vor Gift triefenden Fuchteln noch schikanöser und skrupelloser um sich als früher im Südland. Züchtigungen von Sklaven waren von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang üblich, und nachts steckten sie im Pranger oder hingen im Kerker an schweren Ketten an der feuchtkalten Wand oder von der Decke. Auch heute zelebrierte die Diktatorin wieder eine Bestrafung von Männern, die sich (wenn überhaupt) nur Lappalien schuldig gemacht hatten, dafür aber mit drakonischen Strafen büßen mussten.

Pluta ließ es sich nicht nehmen, mit einer sadistischen Freude die Urteile über die armen Tröpfe zu verkünden. Weinend fielen die Sklaven ihr vor die Knie, wenn die Länge der Ketten es zuließ. „Habt Erbarmen, oh Hohe Majestät. Lasst mir wenigstens meine...“ Der Rest des Satzes ging in einem fürchterlichen Greinen unter. Im Hintergrund standen die jungen Ladys, die sich bereits diebisch freuten, bei der Vollstreckung zuzusehen. Es gab nichts, was bei den Edeldamen so beliebt war. So mancher Dame lief beim Anblick der Vollstreckung die Feuchte ihrer Erregung an den Innenseiten ihrer Schenkel hinab. Und auch Pluta zog sich regelmäßig nach ihrer Richtertätigkeit zurück in ihr Harem, wo junges Frischfleisch auf sie wartete. „Mir gelüstet nach einer Mahlzeit! Diener, bring mir einen Kelch Rotwein und einen Jüngling - den Rebsaft meine Kehle zu kühlen, den Burschen meinen Appetit zu befriedigen.“

In diesen Tagen rüstete Plutas Armee stark auf. Die Kriegssklaven trainierten zu vielen Hundert auf den Feldern vor der Stadt täglich bis ihnen der Schweiß vom Körper floss von morgens bis abends. Kurze breite Säbel, gezackte Speere, schwere Kriegshämmer, Rabenschnäbel, Äxte und Beile kamen zum Einsatz, und auch Dreizacke, gebogene Dolche, Hellebarden und Morgensterne gehörten zu dem umfangreichen Repertoire. Sie sollten auf jede Gegenwehr, jeden Feind, jede Waffe vorbereitet sein.

Angeführt und befehligt wurden die Kriegssklaven von Soldatinnen hoch zu Ross. Jeweils zehn Kämpfer folgten einer Reiterin. Zehn Frauen gehörten zu einer Kampfeinheit, die von einer Centuria geleitet wurde. Zehn Centurias formten sich zu einer Duxa. Die Duxas waren direkt den Kriegsenatorinnen des Reiches unterstellt. Zusätzlich gab es in jeder Centuria-Einheit zehn bis 20 Reiterinnen, die Befehle weitergaben und auf Disziplin achteten. Sie hielten jeden Regelverstoß auf kleinen Wachstafeln fest. Allerdings waren die Sklaven so gut ausgebildet, dass sie mit Freuden ihr Leben für Pluta gaben. Niemals hatte es eine Meuterei unter den Kampfsklaven gegeben und nur ganz selten die zweitgrößte Sünde: Feigheit.

Pluta hatte ein Exempel statuiert, dass mögliche Nachahmer von subversivem Verhalten abhielten. Umstürzler landeten entweder in einem der gefürchteten Läuterungslager oder fielen dem schwarzen Henker gleich zum Opfer. Nicht ohne Grund rahmten Myriaden von Galgen die Wege des Reiches – zur Freude der Raben, Krähen, Gänsegeier, Wölfe, Ratten und Würmer… Die hässliche Fratze dieser Autokratie zeigte sich überall. Am Wegesrand lagen Schädel und andere Knochen, blankgeputzt von Gewürm. Auf diese Weise erbat sich die Despotin Gehorsam beim Volk.

Es herrschte eine zweigeteilte Stimmung im Ostreich: Als Mann lebte man in ständiger Furcht und unterdrückt, als Frau lebte es sich dagegen recht leicht und unbeschwert. Die strenge Diktatur hatte den Vorteil, dass es auf den Wegen und sogar in den abgelegensten Gebieten kaum Überfälle auf Reisende gab. Männer wagten es nicht, Gesetze zu übertreten oder sich gar an einem Rock zu vergreifen. Selten kam es zu Übergriffen, wenn Sklaven ohne Herrin unterwegs waren, die von kleinen Frauengruppen bedrängt und einige sogar ausgeraubt wurden. Doch in diesen Fällen unternahm die Justiz nichts, denn Gewalt gegen Männer war vor dem Gesetz nicht strafbar. Lediglich einen Schadensersatz konnte die Herrin der Sklaven von den Täterinnen fordern. Aber welcher Sklave traute sich gegen eine Dame auszusagen? Wohl die wenigsten…

Die Zeit des scheinbaren Friedens war bald vorbei. Einige Monate später war Plutas Streitkraft für die große Invasion bereit. Die Senatorinnen berichteten stolz von den Kriegsvorbereitungen. Pluta gab den Einsatzbefehl zum Marsch nach Westen, nachdem ihr nachts eine funkensprühende Sternschnuppe mit ihrem goldenen Feuerkleid den Weg gezeigt hatte. Das Zeichen des Himmelsschweifes war unmissverständlich ein Fingerzeig der Götter. Der wahre Augenblick war gekommen, Ledas Reich niederzubrennen und die Bevölkerung zu unterjochen.

Eine Seherin, die Pluta vor einem verlustreichen Kriegszug warnte, ließ die Tyrannin kurzerhand in den Hungerturm werfen. Sie wollte nichts von Untergang und Aufgabe wissen. Die Zunge, die falsch wahrgesagt hatte, war zum Verstummen gebracht worden. Angekettet in Lumpen fristete die Meisterin der Mantik seitdem bei karger Kost ihr Dasein in dem dunklen Kerker hinter dicken, feuchten Mauern. Die Schergen der Herrin hatten sie am gesamten Leib kahlgeschoren, um den bösen Dämonen, die sie beherrschten, ihre Verstecke zu nehmen. Doch eines gab ihr bei all dem Kraft: In ihren Fieberträumen sah sie, wie Plutas Reich zerbrach und die Herrscherin ihr Leben aushauchte.

Ceres und Phoibe, die bei einer Grenzsiedlung lebten, sahen in den kommenden Tagen gewaltige Kriegszüge Richtung Westen marschieren. Zusätzlich zu den Kampftruppen gehörten auch Trägersklaven zu der Invasionsmacht, die schweres Kriegsgerät zogen, schoben oder trugen. Das war eine echte Knochenarbeit und schweißtreibende Schufterei, denn die tonnenschweren Konstruktionen aus massivem Holz und Eisen waren auf mächtigen Holzrädern angebracht, die knarrend und knackend tief in den Erdboden einsanken.

Zwar waren auch Ochsen als Zugtiere im Einsatz, aber da Sklaven billiger in Anschaffung und Haltung waren, nutzte die Kolonne in erster Linie Leibeigene. Bei Bedarf konnten diese an der Front noch als Späher, als Ersatzkämpfer oder Schutzschilde verwendet werden. Außerdem waren die Ochsen als lebender Proviant eingerechnet. Begleitende Kavalleristinnen knallten mit ihren langen Lederpeitschen auf die nackten Rücken der Männer, wenn es zu langsam vorwärts ging. Die gewaltigen Räder quietschten ohrenbetäubend laut und schrill und ächzten unter ihrer Last während die Sklaven stumpfsinnig einen Fuß vor den anderen setzten und vorwärts stampften.

Die meist langhaarigen Reiterinnen ließen ihre Mähne hinter sich herwehen wie einen Pferdeschweif. Sie steckten in langen Stiefeln und engen Hosen sowie einem taillierten Uniformrock. Doch so hübsch und zierlich die meisten von ihnen auf den ersten Blick wirkten, so durfte man sich nicht täuschen: Sie verstanden es perfekt mit ihrer Peitsche umzugehen und den Männern Beine zu machen. Treffsicher knallte das Leder auf jede gewünschte Stelle der Sklaven, von denen einige bereits mit Striemen übersät waren.

Nachts, wenn die Sklaven endlich teilweise von einigen Ketten befreit wurden, hatten sie neben der Erholung noch einen weiteren Grund zur Freude: So seltsam es sich anhörte, aber jede Nacht gab es Übergriffe von Soldatinnen, die sich die hübschesten Sklaven aussuchten und sie bestiegen, um sich von dem anstrengenden Kriegsdienst abzulenken und zu vergnügen. Und da dies die einzige Möglichkeit für die Männer war, ihren Samen zu vergießen, galten die „Opfer der Nacht“, wie sie hießen, auch als „Beglückte“.

Viele Soldatinnen ließen „Gnade vor Recht“ ergehen und erlaubten es, dass der Sklave sich erleichterte. Doch es gab auch immer wieder einige gemeine Frauen, die sich kichernd erhoben, als sie ihrer Lust gefrönt hatten. Da die Sklaven so gekettet waren, dass sie mit den Händen ihr Gemächt nicht erreichten, war eine eigene Erlösung nicht möglich. Außerdem waren sie ständig unter Bewachung. Für so manchen Unglücklichen folgte eine schlaflose Nacht.

Zum Glück gab es nur wenige dieser „Biester“, die unter den Sklaven besonders gefürchtet waren. Holte eine dieser Frauen einen Sklaven, erschien auf den Gesichtern seiner Kameraden entweder Mitleid oder Schadenfreude. Ihn würde das Schicksal noch härter treffen als die Männer, die nie von einer Soldatin in die Bettstatt geholt wurden, weil ihre Gemächte zu klein waren. Nur der schimmernde Mond am pechschwarzen Himmel lugte gelangweilt und gleichgültig als Zeuge der Unzucht hinab.

Weniger angenehm waren Spielchen, die einige Soldatinnen mit Leibeigenen während des Tages veranstalteten, um der Langeweile des eintönigen Marsches Herr zu werden. Beliebt war es, den Sklaven mit dem kleinsten und dem größten Gemächt nackt nebeneinander marschieren zu lassen. Zumindest einer von ihnen konnte gewiss sein, den gesamten Tag über die Aufmerksamkeit und den Spott sämtlicher Frauen und einiger Männer zu haben.

Vor Pluta lag eine stockfleckige Karte mit ausgefransten Kanten, auf die sie geflissentlich schaute. Sie verfolgte mit einem imaginären Finger die Route ihres Kriegszuges. Bald hatten sie den Rand ihres Reiches erreicht. Noch an jenem Tage überwand der Kriegstross den Grenzfluss. Ungestört überquerte die Armee die seichte Furt. Doch kaum war das Heer in Feindesland, sahen sie sich plötzlich von der vereinigten Miliz des Nord- und Südlandes eingekesselt. Für einen Rückzug war es für einige Reiterinnen und Kampfsklaven zu spät. Obwohl Plutas Heerschar gewaltig war, wirkte die Dominanz des Vereinten Reiches so übermächtig, dass sich viele Duxas mit ihren Einheiten ohne Gegenwehr ergaben.

Viele hundert Kriegsgefangene wurden in großen Lagern untergebracht, die um die Hauptstadt des Vereinten Reiches aufgebaut worden waren. Königin Leda hatte ein Gesetz ausgerufen, durch das penibel darauf zu achten war, dass sämtliche Gefangenen (also sogar die Sklaven) menschenwürdig behandelt wurden - gleich, welchem Malefiz sie angeklagt waren. Doch das passte den gefangenen Weibsbildern ganz und gar nicht. Bald schon beschwerten sich die uniformierten Damen des Ostreiches darüber, dass die Sklaven ihnen gleichgestellt wurden. Schließlich waren sie zum Teil Magnatinnen gewesen. Aber die Proteste liefen ins Leere. Jeder Gefangene hatte bei Leda den gleichen Status. Unverständnis und Kopfschütteln bei den Frauen brachte diesen nichts ein. Sie mussten sich der Rechtssprechung fügen.

Auf der anderen Seite der Grenze tobte Pluta über die blamable Niederlage. „Wie die Kinder sind sie in die Falle getappt“, schrie sie durch die Hallen ihres Palastes. „Ich werde alle enthaupten, wenn ich ihnen habhaft werde!“ Ihr Gekreische hörte sogar die Wache draußen vor den Buckelquadern der Außenmauern und zuckte angstvoll zusammen. Pluta hatte ein Fünftel ihrer gesamten Truppen beinahe kampflos eingebüßt. Wenigstens der größere Teil hatte flüchten können. „Jetzt erst recht“, schrie sie und schlug mit einer Art Fliegenklatsche um sich. Wer ihr zu nah kam, den erwischte sie ohne Rücksicht auf Verluste. So flüchtete auch ein Musikantensklave, der seine Leier eilig an die Brust drückte und in einen Nebenraum lief.

„Sapperlot! Bringe sie mir drei Prügelknaben“, forderte sie von einer Bediensteten und lief wutentbrannt durch Arkaden aus Marmor in den Bestrafungsraum. Dort würde sie persönlich die Sklaven peitschen, um die Schuld der Duxas zu sühnen und sich zu besänftigen. Außer sich vor Zorn warf sie auf dem langen Gang eine bemalte Tonvase gegen eine Wand, die sich in Scherben zersplittert auf dem Boden verteilte. Dann wartete sie ungeduldig auf das Zuchtfleisch.

Nur wenige Augenblicke später hatten zwei Wächterinnen den Befehl der Majestät ausgeführt: Die Männer waren splitternackt und mit gespreizten Beinen mit dem Gesicht zur Wand an Händen und Füßen durch Eisenringe an der Mauer fixiert. Ein Bogenfries zierte die Wand hinter ihnen. Pluta ließ die mehrschwänzige schwarze Peitsche durch ihre filigranen Finger gleiten, um sie zu entwirren; dann holte sie aus und ließ die Lederenden auf die nackte Haut der Männer knallen. Die Gewölbedecke ließ die Geißel laut klatschen und die Delinquenten ebenso laut austöhnen oder brüllen.

Leda verfügte, dass die Kriegsgefangenen, die dem Ostreich abschworen, auf freien Fuß gesetzt wurden. Auflage war, dass sie dem Vereinten Reich loyal waren. Fast alle Sklaven stimmten den Bestimmungen zu, und über die Hälfte der ehemaligen Sklaven verdingten sich sofort als treue Soldaten, um gegen ihre früheren Unterdrücker zu kämpfen. Die anderen Männer reisten lieber nach Westen, um dem Krieg zu entgehen und auf dem Land ein friedliches Leben als Bauern oder Jäger zu führen. Mancher erlernte auch den Beruf eines Baders oder Gerbers. Plattners oder sogar Waffenschmiedes, wenn er reichlich handwerkliches Geschick zeigte. Aber nimmer das Kriegshandwerk.

Doch fast alle uniformierten Damen aus dem Ostreich weigerten sich, der Diktatur der Pluta abzuschwören. Die wenigen Überläuferinnen wurden von den anderen Frauen als Hochverräterinnen beschimpft und bespuckt. Doch in den folgenden Tagen brachen mehr und mehr der stolzen Damen ein und ergaben sich ihrem Schicksal. Wer Monarchin Leda Loyalität schwor, konnte Amnesie erhalten und dem Kerker entkommen.

Im Nord-/Südreich grämte sich Nereus mittlerweile nicht mehr und hatte sich in seine neue Rolle als Sklave eingefunden. Zwei andere Haussklaven, das ursprüngliche Gesinde, hatten ihn die Arbeiten und Aufgaben gelehrt. Phoibe und Ceres waren zufrieden mit seinen Leistungen im Haus und Hof. Er war gelehrig, fleißig und gehorsam. Aber schließlich entbrannte ein Händel um ihn, denn beide Damen wollten Nereus als Bettsklaven besitzen. Früher hatten sie zwei Jünglinge in Keuschheitsgürteln gehabt, die sie sich geteilt hatten, aber Nereus wollte jede für sich haben. „Lass uns noch einen Jüngling auf dem Markt kaufen für dich ganz allein“, schlug Phoibe vor. Aber Ceres verschränkte die Arme vor der Brust: „Niemals! Kauf dir selbst einen. Nereus ist MEIN Sklave!“

Unter der schlechten Stimmung der beiden Herrinnen mussten forthin die Sklaven leiden, die für jede scheinbare oder kleine Verfehlung Stockschläge erhielten. Ceres war neben die Scheune gegangen und hatte zwei Sklaven angetrieben, die einen schweren Mühlstein drehten. Längst hätten sie ausgetauscht werden sollen. Schweißgebadet und mit zitternder Muskulatur drehten sie angekettet ihre Kreise auf der staubigen festgestampften Lehmerde, die von den Tritten staubte und in den Augen brannte.

Ceres stand in einem eleganten Kleid mit Reifrock einige Schritt neben ihnen und trank aus einem Kristallglas eine kühle Erfrischung. Mit boshaftem Grinsen beobachtete sie die Arbeitssklaven, die in ihrer Gegenwart alle restlichen Kraftreserven mobilisierten, um den gefürchteten beißenden Hieben mit der langen Bullenpeitsche zu entgehen, die in Reichweite und Sicht zur Abschreckung aufgehängt war. Als die Männer bald nur noch stolpernd vorwärts stapften, ließ Ceres sie anhalten und kettete sie ab. Auf eine knappe Geste hin durften sie zu einer nahen Tränke laufen, vor der sie wankend auf die Knie fielen und mit ihren Händen schnell von dem lauwarmen Wasser schöpften, das sie gierig verschlangen.

Als Ceres zwei andere Sklaven angekettet hatte, verließ sie den Mühlstein, um wieder in das schattige Haus zu gehen. Doch was musste sie sehen? Phoibe hatte sich hinter einem fadenscheinigen Wollvorhang auf einem Diwan mit Nereus zurückgezogen. Diese Nachgeburt! Ceres schnaubte wütend und verließ das Haus mit trotzig vorgerecktem Kinn wieder. Sie schwang sich auf ihr Ross und galoppierte in den Ort. Vielleicht gab es dort ja einen ebenso hübschen und gut gebauten Sklaven wie Nereus.

Schon von Weitem hörte sie die Marktschreier, die Fisch und Teigwaren, Wurst und Korbgeflecht feilboten, sowie einen Sackpfeifer dudeln. Sie kam gerade am Markt an, als die Sklavenhändlerin ihren Stand abbaute. Auf einem Podest stand nur noch „Ausschussware“. Ceres verzog missmutig ihren Mund und wollte schon enttäuscht abdrehen, als sie bemerkte, wie die Händlerin, die unter einem kleinen Baldachin hervorkam, sie zu sich winkte.

„Sucht ihr etwas Besonderes?“, fragte sie. Ceres hob skeptisch die Augenbrauen. „Ich glaube nicht, dass ihr das habt, was ich suche.“ Die Kauffrau trug eine enge Wildlederhose und hohe Stiefel sowie einen taillierten Gehrock, der dem der Kavalleristinnen nachempfunden war. Die langen Haare waren zu einem strengen Zopf kunstfertig zusammengebunden. In ihrer Hand hielt sie einen fleckigen Bocksbeutel, vermutlich mit rotem Wein. Sie zwinkerte die Dame an. „Ihr scheint mir eine Kennerin zu sein. In meinem Zelt habe ich die gute Ware. Was braucht ihr? Einen Arbeitssklaven? Ich habe ausdauernde Männer, die tagelang schuften können und mit wenig Nahrung auskommen. Einen Leibwächter? Ich habe Recken, die dickere Arme haben als die Beine eines Weibes. Und sie kämpfen mit Schwert und Fäusten meisterlich. Oder steht euer Sinn eher nach ein wenig Entspannung?“ Sie grinste.

Ceres wurde zum ersten Mal hellhörig. „Ich habe Liebessklaven, die jede Kunst beherrschen, die euch Freude bereitet. Und natürlich sind sie auch gebaut, dass sie keine Wünsche offen lassen…“ Ceres hob eine Augenbraue. „Liebessklaven? Wo sind sie? Kann ich sie sehen?“ Die Händlerin zeigte lächelnd ihre weißen Zähne. „Selbstverständlich. Kommt mit! Ich führe Euch zu ihnen. Ihr werdet begeistert sein.“ Die beiden Frauen liefen ein Stück den Markt entlang und dann durch eine kleine gepflasterte Gasse. Am Ende lag ein abgeerntetes Flachsfeld, auf dem mehrere Händlerinnen ihre Zelte innerhalb einer Wagenburg aufgebaut hatten. Die Frau ging zielstrebig zu dem größten Zelt, dass von zwei großen starken Männern bewacht wurde. Als sie ihre Herrin kommen sahen, knieten sie sofort nieder und neigten demütig ihr Haupt. Gleichzeitig senkten sie ihre Speere und schlugen die Planen des Eingangs zur Seite und befestigten sie dort mit kurzen Hanfstricken.

Im Inneren staunte Ceres: Käfige stapelten sich übereinander. Nur enge Gänge waren frei geblieben. Die Händlerin führte Ceres in den dritten Korridor und wies auf drei Gitterpferche mit jeweils einem Sklaven. Splitternackt waren die Männer nicht. Ein kleiner Lendenschurz aus Leinen bedeckte ihr Gemächt. Auf einen Befehl zeigten sie ihre Scham, was ihnen offensichtlich unbehaglich war, doch gehorchten sie sofort. Ceres lobte: „Eure Sklaven hören gut.“ Die Händlerin nickte. „Alle meine Sklaven werden dressiert geliefert. Ich bin nicht irgendeine Sklavenverkäuferin. Ich bin die königliche Sklavenhändlerin der hochherrschaftlichen Pluta.“

Ceres schritt näher an die engen Zwinger und starrte den Männern zwischen die Beine.
„Allmächtige Götter!“ rief sie aus. Solch ausgeprägte Liebesstäbe hatte sie noch nie gesehen. Und die Sklaven waren hüsch anzuschauen. Ihre Leibe waren wohlgeformt. Sie spielte mit dem Gedanken, einen zu kaufen. Phoibe würde schön neidisch werden! „Was wollt ihr für den da haben?“, fragte Ceres und deutete auf den mittleren Käfig. Der Mann hatte das zweitgrößte Gemächt. Der Größte unter ihnen war ihr nicht geheuer. Das war schon zuviel des Guten, schätzte sie. „Für fünf Silbertaler ist er Euer“, verkündete die Frau. Ceres öffnete ihren Mund und protestierte: „Fünf Silbertaler? Wollt Ihr mich arm machen? Für dieses armselige Geschöpf? Die erbärmliche Kreatur ist höchstens zwei wert!“

Die Händlerin lachte: „Allein seine Ausbildung hat mich drei gekostet. Glaubt mir: Er wird Euch so glücklich machen, dass ihr nicht mehr aus Eurem Schlafgemach hinaus wollt.“ Ceres unterdrückte ein Staunen und tat empört. „Allerhöchstens drei Silbertaler und drei Kupfermünzen. Sonst behaltet Euren Möchte-gern-Adonis.“ Die Händlerin kniff ihre Augen zusammen. „Vier! Mein letztes Wort!“ Ceres schimpfte: „Also gut! Aber ihr raubt mich aus!“ Sie schleuderte die Münzen in die ausgestreckte Hand der Händlerin, die zufrieden grinste. „Ich danke Euch. Ihr habt eine sehr gute Wahl getroffen. Auf dass er Euch viel Freude bereitet.“

Sie holte einen Schlüssel hervor und öffnete den Käfig. „Komm geschwind raus! Deine neue Herrin wartet.“ Der junge Mann überragte die beiden Damen um Kopfhöhe. Zwar stand er stolz mit herausgedrückter Brust da und sah auch wirklich ausgesprochen gut trainiert und genährt aus, aber sein Blick war demütig auf den Boden gerichtet. Er trug zu seinem Lendenschurz noch ein Halseisen mit einer Kette. Die Händlerin gab Ceres das Ende der Bande in die Hand und deutete eine Verbeugung an. Ceres verließ das Zelt mit ihrem Neuerwerb im Schlepptau und drehte sich in der Tür noch einmal zu der Frau um.

Unsicher sah sie zwischen dem Sklaven und der Händlerin hin und her. Die Frau sah Ceres fragend an. Ceres deutete auf ihren Kauf und fragte: „Ist er denn gehorsam? Oder läuft er mir bei der ersten Gelegenheit weg?“ Die Händlerin lachte. „Ich sagte doch, meine Ware ist gut erzogen. Ihr könnt Euch vollkommen auf den Sklaven verlassen. Er würde jederzeit sein Leben für Eures geben.“ Erleichtert schritt Ceres zu ihrem Pferd und stieg auf. Das Ende der Kette band sie an den Sattel, so dass der Mann neben dem Ross laufen konnte.
49. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von AlfvM am 22.12.18 17:32

Hallo Prallbeutel,
vielen Dank für die schöne Fortsetzung und deine Mühen. In diesem Zusammenhang wünsche ich dir schöne Feiertage und einen guten Rutsch.
LG Alf
50. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 18.01.19 18:20

Sie kamen an einem Gewandhaus aus Fachwerk, einer alten Stampfmühle und einer kleinen Weberei vorbei und ließen dann die Siedlung hinter sich. Nach einiger Zeit ließ sie das schreitende Pferd in einen leichten Trab fallen. Zufrieden stellte sie fest, dass der Sklave ein ausdauernder Läufer war, der so schnell nicht aus der Puste war. Die kecke Ceres wollte es nun wissen: Sie ließ das Pferd noch schneller traben und machte einen weiten Bogen um ihren Hof über die Felder und um einen alten Steinbruch herum. Endlich bemerkte sie, wie der Sklave keuchte und schwer atmete.

Sie löste die Kette vom Knauf und warf sie dem schweißüberströmten Mann zu. „Beeile dich! Bleib dicht bei mir! Das ist ein Befehl!“ Dann galoppierte sie los und war gespannt, ob der willfährige Mann mithalten konnte. Doch nach einem Spurt über eine Meile wurde der Abstand immer größer und größer, so dass Ceres eine kleine Kurve ritt und auf den Sklaven trabend zukam. Sie zückte ihre Reitgerte und hieb auf den Leibeigenen ein. „Du solltest bei mir bleiben!“ Ihr Besitz kniete nieder und legte seine Stirn in den Staub. „Verzeiht mir, Herrin. Ich habe es mit aller Kraft versucht. Bestraft mich für diesen Ungehorsam!“

Ceres lächelte und ergötzte sich an dem Bild. So gefiel er ihr – obgleich er versagt hatte. Doch zuvörderst stand der Gehorsam. Die Händlerin hatte mit der Erziehung nicht zuviel versprochen. - Jetzt wollte sie noch wissen, wie er liebte. Gewisslich vortrefflich... Die junge Dame stieg ab und befahl: „Erheb dich. Wie heißt du?“ Der Sklave kniete nun vor ihr mit aufrechtem Oberkörper. „Mein Name ist Aphron.“ „Die Sklavenhändlerin hat gesagt, du wüsstest eine Lady glücklich zu machen…“, sagte Ceres und wunderte sich, dass ihr bei den Worten das Blut heiß ins Gesicht rauschte. „Jawohl, Herrin. Das kann ich wohl. Ganz wie Ihr wünscht.“

Ceres schritt auf ihrem Reittier etwa 300 Fuß weiter zu einem kleinen Kastanienhain. „Folge mir.“ Ihr Neuerwerb trottete brav hinter ihr her. Am Ziel band sie den Vierbeiner mit dem Zügel an einen Stamm und holte eine Wolldecke aus der Satteltasche, breitete sie auf dem Waldboden aus und setzte sich darauf. Dann winkte sie Aphron herbei. „Beweis es deiner Herrin. Komm schon. Hab keine Angst.“ Der große Mann näherte sich der Decke. „Warte“, meinte Ceres und zeigte in die Richtung links von ihr. „Schau dort.“ Sie wies zu einem kleinen Wasserfall, der über eine große Granitplatte in einen Tümpel rauschte – eine Seltenheit im Ostreich. „Lass uns erst eine Abkühlung nehmen“, sagte sie und lief vor. Aphron folgte ihr wie ein treuer Hund.

Am Ufer ließ die junge Dame kurzerhand ihr Kleid fallen und stand da in ihrer bloßen Pracht. „Komm rein“, sagte Ceres, die nun im Wasser planschte. Aphron wagte es kaum, in das Nass zu steigen, doch auf den Befehl der Herrin tauchte er in das kühle Nass und wusch sich den glänzenden Schweiß vom muskelbepackten Körper. Ceres und Aphron genossen die Erfrischung in der heißen trockenen Luft des Ostreiches. Die Lady bewunderte den guten Körperbau des Sklaven und strich über seine starke Schulter, die kraftvolle Brust und den flachen Bauch. Sie betastete den mächtigen Oberarm und spürte, wie ihr Verlangen wuchs. Bald fand sie sich in den Armen des Mannes wieder und ließ sich verträumt im Wasser treiben.

Als ihre Leiber abgekühlt waren kehrten sie zu der Decke zurück und legten sich hin. Jetzt wagte Ceres einen forschen Griff unter den Lendenschurz und stellte erfreut fest, dass der Jadestab des Sklaven hart und groß geworden war. „Nennt mir Eure Wünsche. Ich werde sie erfüllen“, versprach Aphron im Brustton der Überzeugung und bar jeglicher Scheu. Ceres band den Lendenschurz auf und betrachtete die ausgeprägte Männlichkeit. Hastig raffte sie ihr Kleid und bestieg den Mann breitbeinig und ließ sich langsam sinken.

Ooooh, wie groß er war! Ob sie überhaupt genug Platz für ihn finden würde? Was war, wenn sie ihn nicht aufnehmen konnte? Doch geduldig ließ sie sich sinken und ritt schließlich aufstöhnend vor Lust das pralle Schwert. Und was für eine Wonne sie auf ihm emfand! Sein Feuer brannte in ihrem Schoß heiß und innig. Kein Mann hatte sie bisher so ausgefüllt, so befriedigt! Als Ceres in ihrer Ekstase laut aufschrie sah Aphron sie besorgt an, weil er fürchtete, ihr Schmerzen verursacht zu haben, aber schnell merkte er, wie glückselig seine Herrin ihn mit verträumten Augen ansah.

Sollte Phoibe doch Nereus behalten! Wenn sie nur Aphron für sich hatte! Noch voller Wonne zog sie ihren kleinen Dolch und ritzte ein Herz mit ihren Namen in einen Eichenstamm. Danach machten sich Ceres und Aphron auf den Heimweg. Der Sklave hatte seinen Samen nicht vergießen dürfen, aber dafür ließ die Herrin ihn auf dem Ross reiten. Er presste sich wärmend an den Rücken seiner Besitzerin, und die holde Lady ritt, als würde sie zu den Fahnen gerufen. Als sie am Hof ankamen, stürzte ein Leibeigener gestikulierend auf sie zu. „Herrin“, rief er aufgebracht, „Truppen aus dem Vereinten Reich waren hier und haben alle Sklaven mitgenommen. Nur ich konnte mich in der Scheune zwischen den Strohballen verstecken. Phoibe und Nereus sind nach Osten geflohen. Ihr sollt nachkommen. Lady Phoibe will in die Hauptstadt, um dort innerhalb der Stadtmauern Schutz zu suchen. Die Grenze ist nicht mehr sicher.“

Ceres war außer sich. Das Vereinte Reich hatte eine Gegeninvasion gestartet? Was wurde aus ihrem Hof? Aber ohne Sklaven konnte sie die Felder nicht bewirtschaften. Sie erschrak, als von Ferne der durchdringende Ruf eines Kriegshorns zu hören war – der Schlachtruf, wie er im alten Nordland üblich war. „Also gut“, meinte Ceres. „Pack die wichtigsten Sachen zusammen und nimm die restlichen Zossen mit. Dann reisen wir ab.“ „Jawohl, Herrin“, antwortete der servile Feldsklave und verschwand geschwind im Haus.

Eine kurze Weile später saßen Ceres und die beiden Leibeigenen auf drei Pferden und führten noch weitere drei Rösser mit, auf deren Rücken sich Gepäck türmte. Sie waren keine Stunde zu früh abgereist, denn plötzlich rief der Feldsklave seiner Herrin zu: „Seht! Der Hof!“ Ceres drehte sich im Sattel um und sah eine schwarze Rauchwolke, die sich in den Himmel schraubte. Ihr Haus brannte lichterloh. Die Truppen der verhassten Königin Leda waren da! Grimmig verfluchte sie diesen Abschaum aus dem Westen. Die Flüchtenden fielen in einen schnelleren Trab und ritten weiter bis der Mond am Himmelszelt aufstieg.

Phoibe und Nereus waren ihnen bereits viele Meilen voraus. Sie saßen um ein Lagerfeuer auf einer steinigen Ebene, die wegen ihrer karmesinroten Erde als „Blutland“ bekannt war. „Wird Ceres entkommen?“, fragte Nereus hoffend, der gerade einen Kienspan im Feuer anzündete. Seine Herrin zuckte fatalistisch mit den Schultern. „Wer weiß? Die Soldaten können jede Stunde ins Reich einfallen. Diese drei Mal verdammten Ungeheuer! Dieses elende Ungeziefer! Ich werde mich als Soldatin der Hohen Pluta verdingen, um dem Feind Einhalt zu gebieten. Wir müssen den Makel auf unserer Ehre wieder auswetzen!“

Sie sah sich in Gedanken bereits eine Anzahl Kampfsklaven anführen und mit einem Säbel bewaffnet hoch zu Ross gegen die Vereinte Armee treiben, mitten in das Schlachtgetümmel, das Feindesland verheeren. „Wenn der Krieg vorbei und Leda gestürzt ist, werde ich mit Hochgenuss ihrer Hinrichtung beiwohnen“, sagte Phoibe mit einem kalten Gesichtsausdruck, der Nereus trotz des wärmenden Feuers einen eisigen Schauder den Rücken hinunterlaufen ließ.

„Und jetzt komm zu mir und wärm mich“, verlangte sie mit einem neckischen Lächeln. Nereus ahnte, was seine Herrin wollte. Sollte er die Chance nutzen und weglaufen, sobald Phoibe den Keuschheitsgürtel geöffnet hatte, um sich an seiner Männlichkeit zu vergnügen? Aber hier mitten im Ostreich würde er keine Möglichkeit haben, um irgendwo unterzuschlüpfen. Überall war er als Mann Freiwild. Und als entflohener Sklave… Nicht auszudenken!

Und wenn er mit dem Gaul nach Westen galoppierte?, sinnierte er weiter. Direkt in die rettenden Arme der Vereinten Armee? Aber was war, wenn man ihn für einen Recken Plutas hielt? Oder für einen Spion der Tyrannin? Selbst unter der peinlichen Befragung konnte er ja nur die Wahrheit sagen. Aber würde man ihm glauben? Seine Lage war aussichtslos. Er würde in einem schwarzen Kerkerloch, verseucht von Pocken, krepieren. Körperlich war er der grazilen Phoibe fünf Mal überlegen. Und doch musste er ihr hörig sein. Es war zum Verzweifeln!

Er war noch in seinen unschicklichen Gedanken, als er Phoibes zarte Finger an seinen Lenden spürte; die Metallfessel sprang auf. Gegen seinen Willen verhärtete sich sein Luststab, ganz zur Freude seiner Herrin, die nach ihm griff und leise kicherte. Mit der anderen Hand fühlte sie nach ihrem feuchten Schoß. Bald ritt die Dame auf dem sitzenden Nereus, vereint mit seiner Männlichkeit, und wogte sich trunken zu einer Ekstase der Lust. Als Nereus stöhnend seinen Samen vergießen wollte, erhob sich Phoibe gackernd und sah ihn herausfordernd an. „Du musst dir deine Erlösung verdienen. Du bist nur ein Sklave. Streichle und massiere meinen erhabenen Leib. Er ist vom langen Ritt verspannt und schmerzt.“ Sie legte sich auf die Decke neben dem Feuer und erwartete seine kräftigen aber vorsichtigen Hände. Nereus ächzte frustriert auf. Mit prallem Jadestab kam er kniend auf Phoibe zu und war ihr zu Willen, während er Fäden der Lust durch die Luft zog.

Das Feuer war fast niedergebrannt, als Phoibe mit ihren Fingern schnippte. „Das reicht. Jetzt wollen wir schlafen. Morgen wird ein anstrengender Tag. Komm her, damit ich dich verschließen kann.“ Nereus sah sie entrüstet an. „Aber Herrin. Ihr habt gesagt….“ Phoibe unterbrach ihn brüsk: „Willst du etwa Aufbegehren? Sicherlich lässt sich schnell ein schöner Prügelstock finden, der dich deine Position lehren wird.“ Nereus senkte den Kopf. „Nein Herrin. Verzeiht bitte meine unverschämten Worte. Schließt mich nach Gutdünken ein.“ Phoibe grinste triumphierend und befestigte den Keuschheitsgürtel an ihrem Sklaven.

Am nächsten Morgen brachen sie bei Sonnenaufgang auf. Im Lauf des Vormittags kamen sie einer kleinen Niederlassung vorbei. Hier wimmelte es von Soldatinnen und Rüstsklaven. Die meisten Bewohner der Hütten waren nach Osten geflüchtet, denn hier sollte bald ein erbarmungsloser Krieg toben. Eine der letzten Hökerinnen, die noch nicht abgereist war, packte eilig ihre Heilkräuter und Tinkturen zusammen: Stechapfel, Alraune, Bilsenkraut, Eisenhut, Johanneskraut, Wolfswurz und viele weitere Ingredienzien hatte sie in kleinen Tiegeln und Filzbeuteln verstaut und machte sich auf den Weg nach Osten, um sich von der Frontlinie möglichst weit zu entfernen. Mutter Krieg war kein guter Freund von Handel und Markt.

Die Armee hatte sich in den Hütten eingerichtet. Phoibe bezahlte einer Frau in einer ledernen Uniform einige Münzen und erhielt dafür Wasser, gewürztes Trockenfleisch und ein gebuttertes Brezel. Die Reisenden rasteten im Schatten eines großen knorrigen Baumes, banden die Pferde fest und setzten sich auf zwei Felsbrocken, um eine Mahlzeit einzunehmen. Am Himmel schrie ein Falke, auf der Suche nach einer Feldmaus oder anderer Beute. Oder wollte er die Menschen vor dem Feind warnen? Es war zweifelsohne keine frohe Kunde, die er aus dem Westen brachte.

Da bemerkten die Speisenden lautes Gegröle und Geschrei, Jubel und Gelächter von Frauen. Phoibe befahl Nereus, auf die Tiere aufzupassen und ging um eine Häuserecke. Dort befand sich ein mittelgroßer Platz, auf dem etwa zwei Dutzend Soldatinnen einen Kreis bildeten und offenbar mit ihren Lanzen jemanden in der Mitte festhielten. Hatten sie einen Dieb gefangen? Erst als Phoibe näher kam, erkannte sie, worum es ging: Die Uniformierten hatten zwei nackte Männer umkreist. Die Lanzen sorgten dafür, dass die beiden Sklaven in der kleinen runden „Arena“ blieben. Die Metallspitzen glänzten in der Sonne wie getriebenes Silber. Phoibe sah, dass die Rechtlosen jeweils einen Arm auf den Rücken gebunden hatten. In der freien Hand hielten sie jeweils einen Knüppel. Auf ihrem Kopf trugen sie Helme und darunter war ihnen ein Sack über den Kopf gezogen worden.

Die „blinden“ Männer prügelten nun mit den Knüppeln aufeinander ein. Wer dabei den spitzen Lanzen zu nah kam, wich durch den Stich ruckartig zurück in den Kreis. Die Soldatinnen feuerten die ebenbürtigen Rivalen an. Vermutlich waren Wetten auf den Sieger abgeschlossen worden. Entweder waren die Leibeigenen schon vom Kampf sehr erschöpft, oder sie waren bereits vorher ausgelaugt gewesen, denn sie stolperten mehr, als dass sie sich geschmeidig bewegten, und auch ihre Schläge waren kraftlos und unkoordiniert. Blieben die Nackten den Damen zu lange auf der Stelle stehen, halfen sie mit den scharfen Lanzen nach.

„Seltsame Sitten. Aber Mannbilder bekommen so viel Respekt, wie sie verdienen: keinen“, sinnierte Phoibe und ging nach einer Weile zurück zu Nereus. Wo war er? Der Platz an dem Baum war verlassen. Die Pferde waren noch da, also war er nicht geflohen… Oder? Einen Augenblick lang wurde ihr heiß, aber da erschien er hinter dem Baumstamm. „Ich musste mich gerade erleichtern“, erklärte er. Phoibe brummte missmutig, saß auf und gab das Kommando zur Weiterreise.

„Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende“, sagte Königin Leda. Sie saß im prunkvollen Thronsaal und war umgeben von ihren Beratern, die ihr die Invasion empfohlen hatten. „Wie wahr, Hohe Majestät“, sagte der oberste Paladin des Reiches, der schon Brackus im Nordland viele Jahre treu gedient hatte. Auch ihr Kastellan saß in der Runde. Leda hatte sämtlichen hohen Regierungsmitglieder (einschließlich die in der Armee), die unter Megara wichtige Posten innehatten, ausgetauscht. Diesen Personen konnte sie nicht trauen.

„Ich habe dem Ostreich den Krieg erklärt und muss nun auch für mein Volk die Verantwortung tragen“, sagte Leda laut, dass ihre Worte in der Halle von den steinernen Wänden widerhallten. „Daher werde ich persönlich das Großheer ins Feindesland führen.“ Schon mehrfach hatten die Berater versucht, ihr den Wunsch auszureden, aber Königin Leda hatte sich entschlossen. Sie wollte ihre Soldaten nicht alleine an die Front schicken, während sie hier im sicheren Herrscherpalast weilte. Wieder raunten die Berater auf, aber jedes Argument gegen das wagemutige Vorhaben prallte an Leda ab wie ein Stoffball an einem Schild.

Noch an diesem Abend verkündete sie dies auch ihrem Gemahl Abas, der sie erschrocken ansah. „Aber was ist, wenn dir etwas geschieht?“ Leda schmunzelte: „Hast du Angst um mich? Oder davor, dass du für ewig im Keuschheitsgürtel schmoren würdest, wenn ich auf dem Schlachtfeld bliebe?“ Abas sah sie verstört an. „Keuschheitsgürtel?“ Leda lachte hell. „Du weißt doch noch, was das ist. Ich möchte, dass du während meiner Abwesenheit so einen Schutz trägst.“ Abas Mine wurde böse. „Schutz? Ich brauche keinen Schutz. Glaubst du, eine deiner Zofen nimmt sich meine Männlichkeit mit Gewalt?“ Leda schmunzelte. „Nein, aber es könnte sein, dass du der Versuchung erliegst…“ Abas ächzte. „Unfug! Bei allem Respekt, meine Königin, aber meine Liebe gehört nur Euch!“ Ledas Grinsen wurde immer breiter: „Dann dürfte es ja kein Problem sein.“

Sie verließ das Schlafgemach mit den Worten: „Ich lasse den Schmied holen. Lass uns heute Nacht die Verabschiedung feiern.“ Abas stotterte: „Aber…. Nein, ich….“ Dann kam Leda zurück und verführte Abas auf so wunderbare Weise, dass ihm aller Protest im Hals stecken blieb. Seine Königin war so weich, so zart, so wunderschön und… Für die Beiden blieb die Zeit stehen. Die Welt bestand nur noch aus ihnen beiden, ihrer Lust und ihrer Liebe. Ihrer innigen Gemeinsamkeit. Sie verschmolzen in Liebe zueinander und genossen die Nacht der Zärtlichkeiten.

Wie gewohnt liebten sie sich mehrmals, bis auch Abas seinen Samen verströmte. „Komm, wir gehen in die Schmiede. Es ist alles vorbereitet“, sagte Leda gut gelaunt. Abas hatte den Keuschheitsgürtel schon wieder vergessen. Wie ein heißes Eisen durchschoss ihn jetzt die Erinnerung. „Wir sollten das noch Mal überlegen…“ Aber Leda zog ihn an der Hand durch den Palast wie einen kleinen Buben. Kurz darauf standen sie in dem heißen Gewölbebau mit der großen Esse im Keller der Festung, in der Tartaros, der königliche Hofschmied mit seinem ruhigen Gemüt regierte. Der breite große Mann trug eine lederne Schürze und hielt einen gewaltigen Hammer in der kräftigen Pranke. Sein dichter Bart hing ihm tief auf die Brust hinab, das lange Haar hatte er mit einem Lederriemen zu einem Pferdeschwanz gebändigt.

War da Schadenfreude in seinen dunklen Augen? Das fragte sich Abas mit Leichenbittermiene. Die nächste halbe Stunde war für ihn ein Alptraum. Schließlich kehrte er mit seiner Königin zurück in das Schlafgemach, verschlossen in dieser gemeinsten aller Fesseln. Und nur Leda würde einen Schlüssel haben. Doch die Gemahlin würde morgen mit dem Hauptheer gen Osten aufbrechen…

Der Morgen graute. Abas hatte kein Auge zugetan. „Leda“, flehte er, „willst du wirklich in die Ferne ziehen?“ Die Regentin streichelte ihrem Angetrauten über die Wange wie einem Knaben. „Mach dir keine Sorgen. Mich beschützen tausende tapfere Männer.“ Abas schluckte schwer und eine Träne lief ihm über das Gesicht. Doch alle Traurigkeit nutzte nichts: Wenige Stunden später sah er von der hohen Balustrade des größten Turms der Festung auf ein Meer von Soldaten, in der Sonne blitzende Schwert- und Lanzenklingen sowie bunte Fahnen und Wimpel.

Ein dröhnender Akkord aus Dutzenden Hörnern erklang. Darauf setzte sich das gewaltige Heer in Bewegung. Abas konnte nur raten, wo sich Leda befand. Vielleicht im vorderen Drittel zwischen den großen Wagen mit den Offizieren und ihrem Tross? Vielleicht in der Mitte, in der die königliche große Fahne mit ihrem stolzen Wappen wehte? Oder ritt sie gar vorne weg bei den in Harnisch geschmückten Rttern? Ihr weißes Ross war feudal mit einer edlen purpurfarben bestickten Schabracke geschmückt, doch es war auf die Entfernung zu klein, um es mit bloßem Auge zu erkennen. Hätte er doch um Hilfe beim königlichen Alchemisten gebeten, ärgerte Abas sich. Der Mann hatte ihm einmal ein Zauberrohr gezeigt, das alle weit entfernten Gegenstände viel näher erscheinen ließ, wenn man durchschaute.

Mit einem schlechten Gewissen betastete er seinen eisernen Keuschheitsfluch: Er sollte lieber Angst um seine Königin haben, auf dass sie unversehrt zu ihm zurückkomme, aber sich nicht um den Schlüssel zu seiner Freiheit und seiner fleischlichen Sünden sorgen! Mit gemischten Gefühlen verließ er die Balustrade und fragte sich, wann Leda von ihrem Feldzug heimfand. Würde die Tyrannin Pluta jemals ihr Knie vor Leda beugen?

Lethargisch schlurfte Abas die Wendeltreppe des Turms hinab. Sie endete hinter den Zinnen des Torhauses. Dort traf er auf den Kastellan, einen stattlichen Mann in prunkvollem Gewand. „Euer Vornehmheit! Wenn ich ein Wort an Euch richten dürfte...“ Abas nickte. Der Kastellan räusperte sich. „Grämt Euch nicht. Unsere verehrte Majestät wird siegreich heimkehren. Die Alten Götter haben in der Nacht zu mir gesprochen.“ Er rieb sich den gewaltigen Wanst. „Hier in der Burg gibt es gar reichlich Köstlichkeiten, um Euch die Wartezeit zu versüßen.“ Abas fragte sich, ob der Kastellan das Zuckergebäck oder die Minne, die er in einem der vielen Jungfrauen am Hofe finden könnte, meinte? Der Königinnengemahl wusste, dass der Kastellan bei beidem kein Kostverächter war.

Der Feingewandete schnalzte mit der Zunge. „Kommt und gesellt Euch zu uns in den Wappensaal. Die Gänse wurden nicht wegen ihres Gesanges gemästet. Es gibt pralle Pasteten und feinsten Honigkuchen.“ Abas winkte dankend ab. Er wusste, dass sich diese gar zu geselligen Runden zu reinsten Orgien entwickelten, bei denen auch die eine oder andere Magd ihren unrühmlichen Auftritt hatte, so dass auch des Kastellans Gemächt seinen Hunger stillen durfte, während er sich die dicken Finger ableckte und Trinksprüche lallte. Sollte der Fettsack sich vollfressen. Als Ochse wäre er viel wert...

Nun denn, der Burgherr würde sich mit dem Naschwerk und einem guten Wein zufrieden geben müssen. Das Betten musste er den Recken überlassen, die keinen Keuschheitsgürtel trugen. Er wollte seiner Liebsten eigentlich nicht untreu sein, doch hatten die Götter dem Manne nun mal ein Verlangen gegeben, das erfüllt werden musste. Er seufzte tief. Leda hatte sich über den Willen der Götter hinweggesetzt. Hoffentlich ließen sie sie deshalb bei ihrer Fehde gegen Pluta nicht im Stich. Abas schritt die Zinnen des Wehrganges entlang und stieg hinab in den Hof. Er begab sich in den massiven Turm mit den königlichen Gemächern, betrat seine Schlafkammer und schloss die Augen. Vor sich sah er die Königin, entblößt, lächelnd und verführerisch mit ihren Hüften wiegend.

51. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von AlfvM am 17.02.19 21:14

Hallo prallbeutel,
mit etwas Verspätung vielen Dank für diesen Teil. Setze bitte die Geschichte baldmöglichst fort.
VLG Alf
Bis jetzt gefällt sie mir besser als die alte Fassung.
52. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 19.02.19 18:46

Fürwahr lange Tage im harten und immer härteren Sattel waren vergangen. Königin Leda saß mit geradem Rücken hoch zu Ross, eingerahmt von zwei Paladinen, und schaute grimmig auf das gegenüberliegende Ufer des Grenzflusses. Flugs gab sie den Befehl, in das Ostreich vorzudringen, und das gewaltige Heer setzte an einer breiten Furt über. Die Despotin Pluta sollte ernten, was sie gesät hatte. Myriaden von Hufen wühlten das flache Wasser auf. Wenige Meilen entfernt kamen den Spähern bereits Soldaten entgegen, die als Vortrupp einige Landstriche annektiert hatten. Bei der Landbevölkerung stießen sie auf nur wenig Gegenwehr. Die weibliche Bevölkerung war Richtung Osten geflüchtet und hatte viele Sklaven mitgenommen.

Restliche Männer waren geblieben und wurden nun von den Einheiten der Vereinten Armee offiziell von ihrer Leibeigenschaft befreit. Manche schlossen sich den Truppen an, andere wanderten auf den staubigen Wegen gen Westen. Einige der Mannsbilder jedoch waren so loyal ihren Herrinnen gegenüber, dass sie die verlassenen Gehöfte gegen die Invasoren verteidigten. Die schlecht bewaffneten Sklaven hatten keine Chance gegen das überwältigende Heer des Vereinigten Reiches. Sie hielten die Streitmacht kaum auf und mussten sich beugen. Manche Leibeigenen lernten erst durch tüchtige Züchtigungen, wer nun Herr und Meister war.

Außerhalb einer Hüttenansammlung stand ein zwei Mann hoher Schandpfahl am Wegesrand. Die dicke Ketten zeugten von seinem früheren Gebrauch, doch befand sich kein Unglücklicher in dem grausamen Eisen, das zusätzlich mit Dornen gespickt war. Allerdings lagen Fetzen eines schmutzigen Wollstoffes umher. Die Späher konnten nur vermuten, wie lange hier ein Delinquent verharrt hatte, und was dann mit ihm geschehen war. Einige der Rittersmänner führten ihre Faust vom Kopf zum Herzen: ein Schutzzeichen, um den Alten Göttern zu zollen. Andere spuckten lässig aus. Ledas Heer brauchte nichts und niemanden zu fürchten.

Ceres spürte die blanke Angst im Nacken. In der nächsten Siedlung, die sie mit ihren beiden Leibeigenen erreichte, machte sie kurz Halt, doch erstaunt stellte sie fest, dass sie verlassen war. Bis vor kurzem mussten noch Plutas Soldatinnen hier gewesen sein, überlegte sie, als sie Reste von erloschenen Lagerfeuern und Spuren von Militärzelten sah. Aber sie waren offenbar geflohen? Ceres ächzte leise, ihr Magen schien aus einem dicken schweren Klumpen zu bestehen. Die Kavalleristinnen mit ihren Kampfsklaven waren ihr immer unbesiegbar vorgekommen. Stolz. Selbstbewusst. Erhaben. Aber sie hatten sich zurückgezogen. Wie feige Hasen...

Nachdem die Sklaven einige Bratenreste, altes Brot und ein paar Krüge mit Dünnbier gefunden hatten, aßen sie schnell eine Kleinigkeit, tränkten die Pferde und saßen wieder auf. Bis zur Metropole waren es noch viele Meilen durch zum Teil unwegsames Gelände: Moor, salzige Ebenen und steiniges Hügelland wechselte sich ab. Nach vier strapaziösen Stunden unter praller Sonne erreichten sie eine enge Schlucht, die sich wie ein Canyon durch 300 Fuß hohe Steinwände schlängelte. „Wenn wir hier in einen Hinterhalt geraten, können wir unsere Knochen einzeln aufsammeln“, sagte Ceres mit zusammengekniffenen Augen. „Wer sollte uns denn da auflauern?“, fragte der Feldsklave. „Plutas Armee wird uns nichts tun. Und der Feind ist noch hinter uns.“ Ceres sah ihn nachdenklich an. „Ja, du sprichst wahr. Also lasst uns weiter reiten.“ Sie gab ihrem Reittier die Sporen.

Sie machten sich auf den Weg. Bald war die Sonne verschwunden, denn die hohen steilen Steinwände sperrten die Lichtstrahlen fast gänzlich aus. Im dunklen Schatten mussten die Reisenden sich sehr vorsichtig fortbewegen, denn Geröll und Felsbrocken konnten den Pferden schnell zum Verhängnis werden. Die Dunkelheit war bedrückend. Besonders die gigantischen Wände links und rechts, die dunkel drohend bis zum Himmel zu wachsen schienen, wirkten beängstigend, als würden sie die kleine Gruppe zerquetschen wollen.

Der einzige Vorteil in diesem engen Durchlass war die deutlich kühlere Temperatur, weil der Sonne der Einlass verwehrt wurde. Aber die Schatten verbargen womöglich so manches Untier, böse Geisterwesen oder andere Gefahren. Ceres war unwohl zumute. Trotzdem hob sie stolz ihr Kinn und setzte den Pfad zwischen den hohen Mauern hindurch tapfer fort. Hier war kein Feind, kein Wesen aus der Welt der Toten. Das waren alles Hirngespinste.

Oder doch? Sie hatte von alten Geschichten gehört, die man sich am Lagerfeuer der Westlande erzählte. Weibliche Felsdämonen schlichen sich bei Neumond auf schlafende Männer und frönten schamlos der Lüste. Dabei wurde der Samen des Mannes bis zum nächsten Frühjahr verzaubert sein, und jedes Weib, das mit ihm schlief, würde unfruchtbar werden und bleiben. Aber zum einen war kein Neumond, und zum anderen hatte sie noch nie von einem Mannsbild erfahren, das einen Sukkubus selbst gesehen hatte. Ceres würde ihre Sklaven nicht an Nachtgeister verlieren. Das war Aberglaube! Sie ritt guten Mutes in die Schlucht hinein.

Doch nach einer Stunde bereute Ceres ihre Entscheidung, die Route durch die Schlucht genommen zu haben. „Wären wir um das Bergmassiv herumgeritten, würden wir jetzt nicht feststecken“, schimpfte sie: Vor ihnen türmten sich tonnenschwere Gesteinsbrocken, die den Weiterritt verhinderten. Eine Felslawine hatte den Weg blockiert. „Da kommen wir niemals mit den Tieren rüber“, resignierte das Fräulein und seufzte. „Wir müssen umkehren. Hier geht´s nicht weiter“, meinte sie und drehte ihr Ross am Zügel. Zwei Stunden waren verloren. Hoffentlich kamen ihnen nicht schon Ledas Truppen entgegen! So schnell der steinige Untergrund es ermöglichte machten sich die Reisenden auf den Rückweg durch die enge tiefe Steinspalte.

Phoibe und Nereus waren bereits weit hinter dieser Schlucht, denn der Steinschlag, der den Weg nun versperrte, war erst vor wenigen Stunden herabgeregnet. Sie ritten über eine Ebene, auf der sie einen kleinen Trupp Soldatinnen einholten, die auf vier Pferde saßen und ein altes Fuhrwerk den staubigen Weg begleiteten. An den Holmen des offenen Kutschwagens standen sechs nackte Sklaven gekettet. Phoibe kam näher und fragte eine der Soldatinnen, warum die Sklaven nicht liefen? Die uniformierte Frau antwortete: „Weil sie frisch und kräftig bleiben müssen. Sie sollen für die Jagd der edlen Ladys in die Hauptstadt gebracht werden“.

Davon hatte Phoibe schon viel gehört und wollte selbst auch gerne mal mitmachen. Wenn sie erst mal in der Hauptstadt wohnte, würde sie am gesellschaftlichen Leben der feinen Damen teilnehmen. Sie sah sich bereits auf einem geschmückten Schimmel und bewaffnet in einer illustren Schar Ladys ausreiten, um gute Beute zu machen. Ja, so eine Hatz würde ihr großes Vergnügen bereiten. Die verängstigten Männer liefen und stolperten vor ihrem inneren Auge über die Ebene und würden trotz aller Mühen und brennender Schenkel letztlich doch als Fang der Ladys enden.

Staub, der ihr ins Gesicht blies, holte sie in die Wirklichkeit zurück. Vorerst musste sie der Vereinten Armee entfliehen. Sie schloss sich dem Trupp an. Nereus wurde von den reitenden Frauen kritisch beäugt. Ein Mann auf einem Ross – das gefiel ihnen gar nicht. So etwas stand einem niederen Geschöpf nicht gut an. „Warum läuft DEIN Sklave nicht?“, fragte die Kavalleristin, mit der Ceres gesprochen hatte. Ceres grinste. „Er muss kräftig bleiben. Ich mag frische Männer in meiner Bettstatt. Das ist mein Privileg.“ Dann gab sie ihrem Tier die Sporen und ritt weiter nach vorne.

Abas schlich sich in den königlichen Stall. Und das gegen Mitternacht. Der sommersprossige Stallbursche, der aus dem Halbschlaf gerissen wurde, als plötzlich der königliche Gemahl vor ihm stand, glaubte zu träumen und starrte ihn mit aufgerissenen grünen Augen an. Abas hatte Reisekleidung und ein Bündel bei sich sowie eine Sattelrolle. „Sattle mir mein Ross, Knabe“, befahl er. Der Junge sprang auf und gehorchte. Sich am Kopf kratzend sah er Ledas Gemahl hinterher, der im Schatten verschwand. Musste er am nächsten Morgen dem Stallmeister berichten, was er erlebt hatte? Er wollte nichts falsch machen und würde die halbe Nacht darüber grübeln, bis ihn der Schlaf auf seinem Strohbett einfing.

Die Palastwache – zwei groß gewachsene Gerüstete mit Hellebarden - am hohen Tor ließ den Mann in dem Predigergewand mit der weiten Kapuze vorbei und öffnete das massive Gitter. Der scheinbare Glaubensbote trabte in die Dunkelheit. Nach wenigen Augenblicken waren seine Hufgeräusche nicht mehr zu hören und seine Gestalt in der Finsternis verschwunden. Erst nach einer Meile entledigte sich Abas des Gewandes und galoppierte Richtung Osten. Er konnte Leda nicht alleine lassen. Er musste ihr folgen. Seiner Königin. Seiner Liebsten.

Es war ein weiter und gefährlicher Weg. Aber er hatte sich entschieden und nichts konnte ihn mehr davon abhalten. Erst morgen früh würde die Zofe etwas bemerken und seinen Brief finden, den er auf sein Bett gelegt hatte. Das Büttenpapier hatte er zwei Mal gefaltet und auf dem Kopfkissen hinterlegt, nachdem er das königliche Wappen mit rotem Siegelwachs aufgedrückt hatte. Bis die königlichen Eskorten aus der Festung ritten, um ihn zu suchen, war sein Vorsprung – so hoffte er – groß genug, um ihnen zu entkommen.

Außerdem hatte er noch eine weitere Verkleidung dabei. Würde die Kunde über seinen Ausflug von Briefraben an die Front überbracht, so verwandelte er sich mit falschem Bart und Buckel zu einem Fremden, den die Soldaten nicht erkennen würden. Ein unbedeutender Reisender. Ein fronloser Knecht. Ein versehrter Söldner. Oder ein befreiter Sklave aus dem Ostreich. Unbeobachtet ritt der Königsgemahl durch die Landschaft, nur verfolgt vom großen Vollmond, der tief am Firmament stand, und der Angst um seine Leda.

Ceres stoppte ihr Tier und hob die Hand. Auch der Feldsklave und Aphron hielten abrupt ihre Rösser an. Von weitem war wie ein Menetekel Pferdegetrappel zu hören. Es dröhnte und schallte in der engen Schlucht, und Ceres war sich sicher, dass hier eine ganze Division der Vereinten Armee heranstürmte. Unaufhaltbar, zerstörend, alles niederwalzend wie eine Naturgewalt, die zornige Götter auf den Weg geschickt hatten.

Sie kamen nicht mehr aus dem Canyon hinaus. „Wir müssen wieder zurück“, rief Ceres und gab ihrem Ross die Sporen, dass es aufwieherte. Alle folgten ihr eilig in der Hoffnung, dass sie dem Tode entrannen. Nach einigen Meilen erreichten sie wieder die Stelle, wo die großen Felsbrocken und Tonnen von Geröll den Weg versperrten. „Wir sind in der Falle“, sagte Aphron verzagt. Ceres sprang vom Sattel, entkleidete sich hastig. Die edlen Röcke fielen fliegend zu Boden, und die feine Dame stand bald nur noch in knapper Leibwäsche da. Die Männer drehten unaufgefordert ihren Blick zur Seite, obwohl sie nur zu gern die Aussicht genossen hätten.

Ceres zerrte aus einer Sattelrolle eine Lederhose und stieg hinein. Auch ein Hemd gehörte zu ihrem Gepäck, dass sie überstreifte. Ihre Stiefel ließ sie an. Dann zeigte sie auf einen etwa eine Elle schmalen Pfad, der an der Steilwand mit etwa 30 Prozent Steigung hinaufführte. Die anderen hatten ihn zuvor gar nicht bemerkt. „Da hinauf. Lasst alle Sachen da, und auch die Pferde. Wir müssen unser nacktes Leben retten. Mir nach!“
Sie sprang auf einen Fels, auf dem der schmale Pfad begann. Ihre Sklaven folgten ihr in einer kleinen Kolonne, einer hinter dem anderen. Bewundernd sahen sie der Anführerin nach, denn der Weg führte eng an der Steilwand entlang und schraubte sich in schwindelerregende Höhen.

Kein Geländer schützte das waghalsige Trio vor dem Sturz in die Tiefe. Bald schon hatten sie die Hälfte der Wand, etwa 150 Fuß, erreicht, da war das Hufgetrappel der Soldaten nicht mehr zu überhören und Staubwolken stiegen langsam empor. Kurz darauf zischten die gefiederten Pfeile der Reiter an den Flüchtenden vorbei und zerbrachen klickend an der Felswand oder blieben vibrierend in Ritzen stecken. Eine raue Stimme brüllte: „Kommt zurück oder ihr werdet sterben!“ Aber Ceres lief nur schneller und rutschte mit dem linken Fuß in die Tiefe, als ein überhängendes Stück des Untergrundes abbrach und krachend auf dem Geröll landete. Im letzten Augenblick konnte sie sich festhalten und ihr linkes Bein wieder anheben.

Weitere Pfeile folgten der Dreiergruppe, aber keiner traf die Flüchtigen. Bald waren sie in Sicherheit. Zumindest vorläufig. Nur noch wenige Schritte, und sie konnten auf dem Dach der Steilwand entlang laufen. Dort waren sie wenigstens vor den Geschossen sicher. Schwer atmend erreichten sie die schützende Fläche und keuchten und stöhnten vor Anstrengung.

Als Ceres schon innerlich jubelte, stöhnte ihr Feldsklave plötzlich auf und hielt sich die Seite. „Bist du getroffen?“, fragte sie sichtlich erschrocken. In diesem Moment jagte ein Bolzen haarscharf an ihrem eigenen Kopf vorbei. Von wegen sicher! Die Verfolger waren ihnen weiterhin auf den Fersen. Der Leibeigene stöhnte lauter, ein lang gezogenes Seufzen folgte, dann sackte er langsam vorne über und fiel stumm in den Abgrund wie ein nasser Sandsack.

Ceres und Aphron rasten kurzatmig den Pfad weiter und erreichten den Gipfel des Tafelbergs, von wo es auf der anderen Seite relativ sanft wieder hinab ging. Endlich hatten die Verfolger die Jagd aufgegeben und blieben zurück. Die Geretteten liefen noch einige Meilen durch die Ebene, Haine und durch Wiesen voller Buschwerk, bis sie völlig verausgabt pausierten. Erschöpft ließen sie sich auf den moosigen Boden fallen. Ceres schüttelte den Kopf. Sie waren so gerade dem Tode entronnen. Der Feldsklave hatte es nicht geschafft. Der Verlust war zwar verschmerzbar – er hatte schon ein gewisses Alter erreicht -, aber die größere Sorge war, wie sie nun ohne Pferde und Proviant jemals die Hauptstadt erreichen sollten.

Einige Tage später erreichte Phoibe die Landesmetropole. So viele Menschen, besonders Frauen, hatte sie noch nie auf einem Flecken gesehen. Die Straßen waren gepflastert und bis auf Staub sauber. Die Häuser waren mit Stuck verziert und wurden von kunstvoll verzierten Holztüren geschmückt. An vielen von ihnen waren Klopfer aus Messing oder Bronze angebracht. In den Fenstern waren Glasscheiben oder Sergetücher. Auf den Straßen fuhren edle offene Kutschen mit Damen, die die prächtigsten Kleider trugen, die Phoibe jemals gesehen hatte.

Vor einem Geschäft für feine Stoffe hielt ein Fuhrwerk. Bevor die Dame ihr Gefährt verließ, hatte sich der Kutschersklave vor den Ausstieg in den Staub geworfen. Interessiert sah Phoibe, wie seine Herrin aufstand und ihre teuren Röcke raffte. Dann trat diese dem Sklaven mit ihren goldenen Schühchen auf den Rücken und danach auf den marmornen Steig vor der Schneiderei. Obwohl die Dame leicht wie eine Feder zu sein schien, so klebte doch nun allerhand Dreck am fast nackten Leib des Mannes, als er von der Straße aufstand. Der Schmutz konnte die Hudel des Mannes jedoch nicht beleidigen, und die Herrin hatte kein Auge für ihren Fußabtreter.

Phoibe staunte, wie blitzblank der Steig war. Doch dann sah sie den Grund: Links von ihr waren vier Sklaven auf Knien dabei, den Boden zu schrubben. Sie trugen massive Keuschheitsgürtel, die mit einem Hüftgürtel aus Metal und hinten zwischen den Poritzen mit einer gebogenen Stange verbunden waren. Um den Hals war ein breites Stahlband fixiert, dass mit einem Umhängeschloss in Herzform gesichert war. Durch eine Öse am Nacken verlief eine Kette, die alle Leibeigenen miteinander verband.

Der Kutschen-Sklave richtete sich wieder auf, schloss die Tür des Gefährts und kniete sich nun auf die Straße. So schien er auf seine Herrin zu warten. Die Lady war in dem Ladenlokal verschwunden. Als Phoibe wieder zu den Putzsklaven sah, kamen ihnen zwei junge Ladys entgegen. Hektisch krabbelten die nackten Männer zur Seite, um den Damen Platz zu machen. Eine der Frauen trug eine Reitgerte bei sich und zielte mit Schwung auf den nackten Hintern des jüngsten der Kreaturen. Der scharfe Knall schien die Luft zu zerreißen. Phoibe sah den tiefen Striemen sogar von ihrem Platz aus. Die beiden Damen kicherten hinter vorgehaltener Hand, als seien sie verlegen, und spazierten weiter, als sei nichts gewesen.

Der gezüchtigte Sklave war zusammengezuckt und rieb sich nun seine brennende Pobacke. Da er der letzte Leibeigene in der Vierergruppe war, endete die Kette an seinem Halsband, so dass die Männer ihn zurück auf den Steig zerrten, um weiterzuarbeiten. Ängstlich sahen sie sich um, ob die Aufseherin ihre Zwangspause eventuell bemerkt hatte. In diesem Fall wären ihnen allen weitere Striemen sicher.

Wenn Damen an ihnen vorübergingen, waren Putzsklaven in einer Zwickmühle. Das Dilemma war nämlich, dass sie aus Respekt vor Ladys Platz machen mussten; aber eine Arbeitspause war trotzdem nicht erlaubt. Das alles wusste Phoibe nicht und schüttelte nur schmunzelnd den Kopf über die Aktion der jungen Dame. Sie musste wohl noch viel lernen in dieser Welt.

Es gab sogar sanftmütige Frauen, die aus Erbarmen und Rücksicht auf die Leibeigenen in so einem Fall die Straßenseite wechselten. Aber dass bedeutete nur für den eigenen Haussklaven mehr Arbeit, denn die staubigen Stiefel und Sandalen der Ladys wurden auf dem Pflaster schmutzig. Glück hatten diejenigen Männer, die die Schuhe ihrer Herrin täglich nur putzen und polieren mussten. Es gab durchaus auch bösartige Weibsbilder, die ihre Leibeigenen die Schuhe sauber lecken ließen – entweder als Disziplinarmaßnahme oder weil es sie erregte, wenn ein Mann vor ihnen kroch und die Sohlen ihrer Stiefel leckte. Oder einfach, weil sie dreckig waren...
53. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von AlfvM am 28.02.19 20:58

Hallo Prallbeutel,
mach bitte bald weiter. Ich finde die Geschichte entwickelt sich besser als die Alte, obwohl diese wahr schon außergewöhnlich gut.
VLG Alf
54. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 01.05.19 20:08


Phoibe kam an einer großen Richtstätte vorbei: ein großes Holzpodest, auf dem diverse Gerätschaften standen, die für Züchtigungen und andere Urteile von Nutzen waren. Durch die erhöhte Position war das Geschehen für zahlreiche Zuschauer sichtbar, die sich hier sicherlich häufig für Kurzweil, Pläsier und Gaudium verlustierten, wenn die Scharfrichterinnen Verderbte vorführten und mit erhobener und messerscharfer Stimme die Urteile kundtaten.

Jetzt stand das hohe Podest leer. Nur eine Krähe hatte es sich auf einem Gerüst bequem gemacht, an dem ein Haken hing. Schade, dachte Phoibe, die gern solchem Spektakel beigewohnt hätte. Gestern noch hätte sie erleben dürfen, wie ein Verurteilter auf dem Richtplatz seine Strafe engegennahm. Die Scharfrichterin hatte laut verlesen, dass der Sklave begnadigt würde... Die Menge hatte missmutig geraunt. Dann war der Rest gefolgt: „...nachdem er 300 Hiebe auf sein Gesäß erhalten hat, so dass seine Sünden gebüßt seien.“

Drei Vollstreckerinnen in enger Ledergewandung und mit dünnen Holzstäben bewaffnet betraten daraufhin die Szenerie. Die erste Ausführerin versetzte dem Schuldigen hundert Hiebe. Der malträtierte Hintern bewies, dass die Schreie des Delinquenten kein Theater waren. Als die zweite Frau erschien und den Stock zischend durch die Luft jagte, greinte der Mann vor Angst. Und trotz seiner mitleiderregenden Wimmer- und Winsellaute setzte auch die dritte Schergin im Bunde die Züchtigung mit voller Härte und rücksichtslos fort. Längst hing der Geschundene kraftlos und leise schluchzend in seiner Fixierung und sabberte aus seinem Mund. Einige wenige Zuschauerinnen wendeten sich ab, andere applaudierten beeindruckt.

Die nächste öffentliche Bestrafung war für den morgigen Tag vorgesehen: Zwei dem Mundraub Beschuldigte würden Spreizbirnen in ihren Rachen gesteckt bekommen und nackt in Pranger gesteckt werden, wo sie über ihre Untaten – die sie störrisch abstritten – nachdenken konnten. Eine Wächterin mit einer Münzschatulle würde vor Ort sein und die festgelegte Schuldsumme entgegennehmen. Jeder Anwesende durfte dazu beitragen. Sobald der Betrag zusammengekommen war, würden die Diebe befreit werden. Die beiden Strolche hatten weder Familie noch Freunde, so dass sie auf mitfühlende Zeitgenossen angewiesen waren. Erfahrungsgemäß waren die schwer zu finden. In spätestens drei Tagen würden die ersten Geier und Krähen die Nähe der Langfinger suchen.

Phoibe ritt bis zu einem Gasthaus und übergab die Pferde an einen Stallsklaven, der sie sofort versorgte. Eine Magd erschien in der rustikalen Holztür und hieß den Besuch willkommen. „Ihr möchtet ein Bett für die Nacht und eine gute Mahlzeit?“ Phoibe nickte. „Fürwahr, für mich und meinen Sklaven.“ Die Magd deutete einen Knicks an und hieß sie ihr folgen. Die alten Bodendielen, das kaputte Gemäuer und die spärliche Einrichtung im Inneren ließen nicht darauf hoffen, dass ihr Domizil für die Nacht besonders schön werden könnte.

Der Gast war dann aber erstaunt über die luxuriöse Kammer. „Was soll es denn unter diesem Dache kosten?“, fragte die Reisende, damit es kein böses Erwachen gab. Doch die Magd nannte einen überraschend erschwinglichen Preis. Ein Verstehen erstrahlte in ihrem Antlitz, und sie erklärte: „Da Ihr wohl nicht von hier seid, müsst ihr wissen, dass viele Dinge des täglichen Lebens und die meisten Dienstleistungen sehr günstig sind, da wir hier im Ostreich Sklaven für fast alles einsetzen. Das haben wir unserer großen Anführerin Pluta zu verdanken, die diese Staatsreform vor einigen Jahren ihrem Volke geschenkt hat.“

Die Magd machte einen stolzen und zufriedenen Eindruck. Phoibe musste ihr Recht geben, denn als Frau hatte man im Ostreich so manche Vorteile. Sie betrat ihre Kammer, entledigte sich ihrer Kleider und stieg in einen großen Holzzuber, in dem Dampf des heißen Wassers aufstieg. Blumig duftende Gewürzsäckchen verströmten ein frisches und geradezu betörendes Aroma. „Woher haben die so schnell das warme Bad gezaubert?“, frohlockte Phoibe und verwöhnte ihren Körper mit einem weichen Schwamm und einem Öl aus einer kleinen Kupferkaraffe.

Nereus sortierte derweil das Gepäck. Dabei warf er hin und wieder heimliche und sehnsüchtige Blicke auf den nackten Leib seiner Herrin. Die schönste und begehrenswerteste Dame, die er je gesehen hatte. Er wusste wahrlich nicht zu sagen, wo er im Augenblick lieber wäre: In einem solch erfrischenden Bad oder zwischen den zarten Schenkeln von Phoibe. Vielleicht auch beides zugleich...

Völlig verdreckt und halb verdurstet saß Ceres in sich zusammengesunken und mit geschlossenen Augen auf den breiten Schultern ihres Sklaven, der langsam aber stetig vorwärts schlurfte. Die Füße richtig anzuheben, dafür fehlte ihm mittlerweile die Kraft. Schon ein Dutzend Mal war er auf die Knie gefallen, hatte sich aber immer wieder hochgerappelt. Lange würde er seine Herrin allerdings nicht mehr tragen können. Was würde er nun für einen stärkenden Trunk geben? Nur wenige Schlucke... Würde das ihr Ende sein? Hier in der Ödnis? In der Weite des Ostreichs verdurstet im Staub liegen und von Aasgeiern zerfleddert werden? Ihre Gebeine würden anderen Warnung sein.

Aphron sah zum flimmernden Horizont: Jetzt kamen die Halluzinationen. Er bildete sich zwei Reiter ein, die auf sie zugaloppierten. War er verrückt geworden? Dem Wahnsinn verfallen? Oder waren es die Dämonenreiterinnen der Unterwelt, die ihre Ernte einfahren wollten? Aber die Gestalten erschienen klarer und klarer, je näher sie kamen. Es waren Menschen. Nun vernahm er auch die Hufe. Aphron stöhnte und fiel auf die Knie und legte Ceres vorsichtig auf dem Boden ab, dann brach er auf dem Rücken zusammen.

War wirklich die Rettung gekommen? Er vernahm noch weibliche Stimmen, abspringende Personen und den Ruf nach Wasser. Dann schwanden ihm endgültig die Sinne. Die zwei Reiterinnen trugen eng anliegende Hosen und staubige Stiefel sowie weit geschnittene Blusen. Ceres lag in den Armen der einen Frau, die ihr aus einem ledernen Wasserschlauch den Mund benetzte und die Geschwächte langsam trinken ließ. Die andere Frau packte ihr Gepäck auf das andere Ross, damit auf ihrem Tier eine zweite Person Platz fand.

Langsam kam Ceres wieder zur Besinnung. „Mehr! Gebt mir mehr Wasser!“ Sie griff eigenmächtig nach dem Schlauch mit dem erquickenden Inhalt, aber die Frau nahm Ceres Hand wieder weg. „Langsam. Sonst wird es Euch schlecht bekommen.“ Die andere Reiterin seufzte. „Ihr seid bald wieder auf den Beinen. Es sei denn, ihr habt das böse Fieber. Aber das scheint mir nicht so zu sein.“ Sie suchte die Haut der Gefundenen nach Flecken oder Krätze ab.

Nach einer Viertelstunde fühlte sich Ceres wieder etwas kräftiger. „Habt Dank für Eure Rettung. Wer seid ihr?“ Die Frau antwortete: „Wir sind ein Spähtrupp, um Plutas Armee zu verkünden, sobald der Feind vor den Toren steht.“ Ceres berichtete von ihren Verfolgern. „Bald werden sie hier sein. Wir flüchten vor ihnen.“ Da fiel ihr Aphron ein. „Wo ist mein Sklave?“ Sie erblickte ihn nicht. Doch dann sah sie ihn in einigen Schritten Entfernung im Staub liegen. Die andere Reiterin meinte mit einer Achsel zuckend: „Er ist sehr geschwächt. In der Stadt gibt es bessere Männer. Wir sollten ihn hier lassen…“ Ceres unterbrach sie indigniert: „Nein! Er hat mir das Leben gerettet. Und er ist mein… Lieblingssklave.“

Die Frau stand auf und ging mit dem fast leeren Wasserbeutel zu dem Mann und stieß ihn mit dem Fuß an. Aphron zuckte leicht und stöhnte, den Mund weit geöffnet. Die Frau hielt ihm den Wasserschlauch an den Mund und gab ihm zu trinken. Gierig schluckte Aphron das kühle Nass. Seine aufgesprungenen Lippen glänzten von dem perlenden Wasser. Aphron erholte sich ungewöhnlich schnell und war bald wieder in der Lage zu sitzen und später auch zu stehen oder zum Abtritt zu gehen. „Wir müssen los. Noch steht die Sonne nicht so hoch am Himmel. Aber ohne Wasser sind wir hier in der Mittagshitze verloren“, sagte die eine Reiterin, die auf ihrem Tier nun das gesamte Gepäck transportierte. Die andere Reiterin sah zu dem Leibeigenen und bezweifelte, dass das gute Wasser es wert gewesen war, dieses wertlose Wesen aufzupäppeln.

Ceres schwang sich hinter die andere Späherin in den Sattel. Die Frau fragte den Sklaven barsch: „Kannst du laufen?“ Aphron keuchte. „Ich werde es versuchen, edle Dame.“ Die Reiterinnen schritten mit ihren Rössern durch die staubige Ebene, ohne sich zu dem Sklaven umzuschauen. Entweder er hielt mit, oder er… Nur Ceres drehte ihren Kopf hin und wieder zu Aphron um, der stolpernd hinter den Pferden herwankte. Seine Arme schlackerten leblos neben seinem Körper. Ceres dachte: „Was für eine armselige Gestalt aus dem einst starken Mann geworden ist. Hoffentlich wird er wieder.“ Die Reiterin auf dem anderen Pferd bemerkte Ceres Blick und sagte: „So einer ist widerstandsfähig. Wird es schon schaffen.“

Zwei Stunden später erreichten sie die ersten Hütten, die weit vor der Metropole in der grellen Sonne lagen. Dort machten sie eine kleine Pause und nahmen eine Mahlzeit aus Pastinak ein. Dazu setzten sie sich auf ein paar Strohballen, die neben einer Scheune lagen. Aphron erhielt die Reste aus der Schüssel und mampfte alles gierig hinein. Auch Wasser gab es reichlich aus einem Brunnen. Die nächsten Meilen bis in die Stadt bewegte er sich bereits wieder sicherer auf den Beinen, obwohl der lange Weg seinen Tribut forderte. Seine Schenkel und seine Lunge brannten.

In der Metropole verabschiedeten sich die Frauen von Ceres, der sie ein gutes Gästehaus empfohlen hatten. Auf der gepflasterten Straße machten sie sich auf den Weg dorthin. Wenigstens waren Ceres noch einige Goldstücke in ihrem Stiefel geblieben, so dass sie sich eine Kammer leisten konnte. Als die dicke Wirtin fragte, ob der Sklave im Stall oder in der Kammer schlafen sollte, meinte Ceres: „Er bleibt bei mir.“ Die Wirtin grinste anzüglich und sagte: „Verstehe. Dann wünsche ich noch einen schönen Tag – und eine angenehme Nacht.“

Nach einem Bad in einem großen ovalen Zuber und einem ausgezeichneten Essen aus Wildbret, Gemüse und Erdäpfeln sowie einem Becher Wein fühlte sich Ceres wie neugeboren. Auch Aphron hatte baden dürfen. Nach dem schweren Essen wurde Ceres müde und zog sich mit ihrer Begleitung in ihrer Kammer zurück. Das Bett stellte sich als recht bequem heraus. Das Stroh in der Matratze war frisch. Sogar saubere Decken lagen darauf. Draußen war ein Trötenspieler zu hören, der eine lustige flotte Melodie blies.

Ceres neckte Aphron: „Du kennst deine Pflichten! Also wage es nicht, mich zu enttäuschen!“ Der Sklave stöhnte leise und antwortete gehorsam: „Jawohl, meine Herrin.“ Innerlich zitterte er vor Angst, nach all der Anstrengung über nicht genügend Manneskraft zu verfügen und seine Besitzerin zu verärgern. Vielleicht stand ihr ja der Sinn nach seiner Zunge?

Aber Ceres hatte ihren Leibeigenen lediglich aufziehen wollen. Sie spielte noch ein wenig mit Aphrons Liebesstab, bis sich dieser aufbäumte, dann meinte sie schläfrig: „Lass uns ruhen. Es war ein langer Tag.“ Aphron seufzte leise auf. Sollte er froh sein, dass Ceres nicht mehr verlangte, oder sollte er frustriert sein, weil er wieder unbefriedigt blieb? In einem Gefühlswirrwarr nickte er bald ein und träumte von sündigen Taten mit seiner Herrin.

Ceres dachte ebenfalls an Aphrons Gemächt: Was waren diese Ostsklaven gut erzogen! Aphron benötigte nicht einmal einen Keuschheitsgürtel. Niemals würde er es wagen, an sich Hand anzulegen, wenn er nicht die ausdrückliche Erlaubnis bekam. Wie anderes waren die Männer aus dem Vereinten Reich! Wenn sie da an Nereus dachte, den sie zu ihrem Glück hatten zwingen müssen… Diese eigensüchtigen, animalischen Gestalten! Ceres seufzte im Halbschlaf und nahm sich vor, ihre Freundin Phoibe zu suchen. Hoffentlich hatte sie es bis in die Hauptstadt geschafft!

Abas galoppierte durch verschiedene Landschaften. Je weiter er nach Osten ritt, desto rauer wurde die Natur. Spitze Felsen ragten zwischen grünen Hügeln empor, mehr Nadelbäume mischten sich zwischen die großen Eichen, Buchen und Ahornriesen. Dem Volksglauben nach hausten in den finsteren Wäldern gigantische Trolle, wilde Kreaturen, die sogar von Hexen und Waldgeistern gefürchtet wurden. Abas meinte bei seinem Gaul eine Spur Angst zu spüren.

Irgendetwas Geheimnisvolles lag in der Luft. Und dann vernahm er noch in der Ferne ein schallendes Kriegshorn. Oder war es der Schrei eines Ungetüms gewesen? Er verdrehte sich beinahe den Nacken, als er im Himmel nach einem Lindwurm suchte, wie er in den alten Sagen beschrieben wurde: gewaltige Flugdrachen mit schillernden Schuppen, die an Permutt erinnerten, und scharfen Klauen, die alles zerfetzen konnten. Am gefährlichsten waren aber ihre Feuerstöße, die alles vernichteten, was sich ihnen in den Weg stellte.

Er war inzwischen im Ostreich. Die Frontlinie war zwar noch weiter östlich, aber trotzdem gab es überall die Gefahr von marodierenden Banden angegriffen zu werden. Es gab genügend Frauen, die der Kriegsgefangenschaft entgangen waren und fortan in diesem Gebiet die Herrschaft in kleinen Clans an sich gerissen hatten. Ihnen in die Hände zu fallen, hieße im günstigsten Falle Hab und Gut samt Wams zu verlieren. Manche der gesetzlosen Räuberbräute nahmen sich auch bizarre Andenken, um damit zu prahlen. Er wollte sich nicht ausmalen, was das wohl sein könnte und spürte ein unangenehmes Ziehen zwischen seinen Schenkeln.

Abas kannte die politischen Verhältnisse nicht, aber er wusste, dass ein Mann im Ostreich nicht viel wert war. Also war er auf der Hut und ritt tunlichst nicht unbesorgt über freie Ebenen, sondern blieb verborgen zwischen Felsen und Bäumen, deren dichtes Grün ihn tarnte. Manchmal gab es jedoch keine Aussicht darauf, und er musste über offene Niederungen und Wiesengrund reisen. Bisher war ihm glücklicherweise niemand begegnet. Mit seiner Verkleidung hätte er sich am liebsten einer Division der Vereinigten Armee angeschlossen, aber die Soldaten waren viele Meilen weiter im Landesinneren.

Er versuchte sie so schnell einzuholen, wie ihn sein königliches Ross trug. Nach zwei weiteren Tagen stoppte er sein Tier. Waren da am Horizont Reiter? Womöglich Frauen?
Abas zückte das magische Rohr, das er dem königlichen Alchimisten „entliehen“ hatte: Schaute er hinein, sah er weit entfernte Personen viel größer. Und tatsächlich: Da näherte sich ihm ein kleiner Trupp Reiterinnen. Sie trugen keine Uniformen. Aber das machte es auch nicht besser. Vermutlich waren es zwielichtige Räuberinnen.

Abas führte sein Pferd zur Seite in dichtes Gebüsch und wartete. Die armierten Weiber näherten sich im lockeren Trab. Als sie das Buschwerk erreicht hatten, hielten die Gäule an. Abas presste seine Lippen aufeinander. Hatten sie etwa seine Spuren entdeckt? Sie stiegen ab und kamen näher und näher. Und noch näher.

Zwei gerüstete Frauen zogen ihre Schwerter und kamen genau auf Abas Versteck zu. Der königliche Gemahl duckte sich immer tiefer, aber es nutzte ihm doch nichts: Eine Frau schob die Zweige des Busches zur Seite und beseitigte damit die Tarnung. Im nächsten Moment spürte Abas zwei Klingenspitzen an seinem blanken Hals. „Wen haben wir denn da? Bist du etwa ein entflohener Sklave?“, wollte die Soldatin wissen. „Ich bin ein freier Reisender“, entgegnete Abas mit leichtem Zittern in seiner Stimme. Zu seinem Entsetzen lachten die Frauen herzhaft. Dann meinte die Wortführerin: „Du bist hier gar nichts, Bürschchen! Im Ostreich sind Männer weder frei noch sonst wie vom Gesetz geschützt“.

Sie grinste obszön und drehte sich Beifall heischend um, als sie ergänzte: „Wer einen findet, der darf ihn behalten.“ Die Reitergruppe lachte lauthals. So dreckig hatte er noch nie ein Weib lachen hören. Abas wurde es richtig mulmig. Es war tatsächlich wahr: Im Ostreich galt ein Mann nicht viel. „Schade, dass wir keine Zeit für ausschweifende Vergnügungen haben“, meinte die Reiterin und betrachtete ihn von oben bis unten. „Aber dein Ross scheint mir ein edles Tier zu sein und bringt sicherlich einige Goldmünzen ein.“
Sie nahm es beim Zügel und schaute es sich eingehend an, um nach einem Makel zu suchen. Dann trieb sie es zu einer der anderen Frauen, die es wie selbstverständlich an ihren Sattel band.

„Und was du noch so alles dabei hast, werden wir später untersuchen“, erklärte sie. Dann zeigte sie mit der Schwertspitze auf seine Brust. „Was trägst du denn so am Leib?“ Abas Herz klopfte hart und schnell. „Nichts. Wollt ihr mich etwa auch noch ausrauben?“ Wieder lachten die Frauen. Die Anführerin fragte: „Ausrauben? Aber nein!“ Abas atmete auf. Sie formulierte es ein wenig anders. „Umverteilen würde ich es nennen.“ Erneut lachte die Schar.

Abas ächzte auf. Und schon schlitzte die Frau mit einer präzisen Bewegung ihres scharfen Schwertes Abas Wams von oben bis unten auf, ohne ihn jedoch zu verletzen. Mit einer kleinen Aufwärtsbewegung durchtrennte sie Abas Gürtel, und im gleichen Moment fiel ihm sein Beinkleid zu Füßen. Reflexartig schützte er seine Scham mit beiden Händen vor den neugierigen Blicken der Frauen, die aus dem Lachen gar nicht mehr rauskamen. Die Räubermaid zwang Abas Hände zur Seite und sagte amüsiert: „Sieh an! Ein Freier, was? Von wegen! Warum trägst du dann einen Keuschheitsgürtel?“

Abas Kopf glich einer reifen Tomate. Hechelnd und kurzatmig war er einer Ohnmacht nah. „Bitte! Bitte lasst mich laufen…“, stammelte er. Eine der Marodeurinnen meinte: „Irgendwie glaube ich ihm sogar, dass er aus dem Vereinten Reich kommt. Vielleicht gibt es dort auch Männer in Keuschheitsgürteln?“ Die Rädelsführerin drehte sich zu ihren Kameradinnen um und brummte: „Ach was! Das ist ein entflohener Sklave, der…“ Sie hielt inne, weil die andere Frau mit dem Finger hinter sie zeigte: „Apropos entflohener Sklave: Da läuft er wie ein Hase.“

Und in der Tat: Abas hatte die Beine unter die Hand genommen und war nackt, wie bei seiner Geburt, losgerast. Glücklicherweise hatte er vorher daran gedacht, unauffällig aus der Hose zu steigen. Sonst wäre seine Flucht wohl schon stolpernd nach einer Mannslänge schmerzhaft zu Ende gewesen. Zwei Weiber trabten hinter dem davonflitzenden Abas her. Trotz einiger Bäume, Büsche und Felsen war es kein Problem dem Flüchtigen zu folgen. Nach einer knappen Minute hatten sie ihn eingeholt. Eine der Schurkinnen ritt an die Seite des Läufers und versetzte ihm mit der Breitseite ihres Schwertes einen kräftigen Hieb auf den Hintern.

Beinahe hätte der knallende Treffer Abas zu Fall gebracht, aber stolpernd änderte er abrupt die Richtung und jagte weiter. Sein Gesäß brannte, und auch seine Lungen schienen sich mit Feuer zu füllen. Lange würde er das Tempo nicht mehr durchhalten. Aber er musste diesen Banditinnen entkommen, sonst würde er seine Angebetete nie wiedersehen.

Plötzlich fiel er der Länge nach hin und rumste auf den Lehmboden. Der Staub spritzte ihm ins Gesicht. Seine Nase schmerzte vom Aufprall wie nach einem Fausthieb. Eine Reiterin hatte seine Füße in einem Lasso gefangen und zog das Seil nun fest. Jetzt ritt sie im Trab zurück zu der Gruppe und schleifte Abas rücksichtslos hinterher. Seine Arme wirbelten nutzlos in der Luft umher, und sein Hintern rutschte schabend über den Boden und brannte heiß und heißer. Seinen Oberkörper versuchte er aufzurichten, was ihm halbwegs gelang. „Aaah!“, schrie er im nächsten Moment, als sein Gesäß über einen flachen Felsbrocken rieb und anschließend einige handbreit tief auf den Lehmboden knallte.

Schließlich war die grobe Rückreise beendet. Die Anführerin sah ihren Fang grinsend an. „Wir werden dich als Jagdsklaven verkaufen. Dafür scheinst du zu taugen.“ Schnell gewetzt war er ja. Das konnte sie mit Fug und Recht behaupten. Abas runzelte die Stirn und versuchte aufzustehen, was ihm aber mit den eingeschnürten Füßen misslang. „Jagdsklave? Müssen die Männer hier für die Frauen jagen gehen?“ Wieder lachten die Frauen. „Lasst ihn uns als Narren verkaufen. Der ist ein tolles Naturtalent!“, rief eine der Reiterinnen. Eine Erklärung für diesen Kommentar und das Amüsement erhielt er diesmal nicht.

Zwei der Halunkinnen zogen ihn vom Boden hoch und hievten ihn bäuchlings über sein Pferd wie einen großen Sack voll Getreide. Dann banden sie seine Hände zusammen und knoteten das Seil unter dem Bauch des Tieres fest. „So, die Ware ist verpackt“, sagte die Schurkin und hieb Abas mit der Breitseite ihres Schwertes auf den malträtierten Hintern. „Aaah!“, brüllte Abas und zappelte auf dem Pferderücken, was erneut Gelächter verursachte. Dann machte sich die Truppe auf den Weg in die Metropole des Ostreiches.
55. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 11.05.19 18:58



Es war noch eine weite und beschwerliche Reise bis in die ferne Hauptstadt, und der Reitertrupp musste gut achtgeben, dass er nicht einem Regiment der Vereinten Armee in die Hände fiel. Aber die Frauen kannten Schleichwege, auf denen sie sicher und unbemerkt blieben. Auf ihnen umritten sie die Front, an der Königin Ledas Armee stationiert war und sich nach und nach nach Osten vorkämpfte.

Abas strömte das Blut in den Kopf, aber das schien die Reiterinnen nicht zu interessieren. Hin und wieder erhielt er einen Schlag auf seinen nackten und unfreiwillig in die Höhe gereckten Po, um zu prüfen, ob er ohnmächtig geworden war. Als er während des eintönigen Ritts beinahe einschlummerte, wurde er durch ein seltsames Gefühl wach und erschrak, als er merkte, dass eine Frau ihm den Griff einer kurzen mehrschwänzigen Peitsche in den Allerwertesten bohrte und putzmunter über sein erschrockenes und entrüstetes Antlitz lachte. „So siehst du aus wie ein Tierchen, dass die Damen jagen können. Einen buschigen Schwanz hast du ja nun schon. Würde mich interessieren, wie du damit fliehen willst.“ Eine Frau, die neben der anderen ritt, meinte: „Wahrscheinlich ziemlich breitbeinig wie eine watschelnde Wachtel.“ Das Duo lachte laut, und die erste Reiterin drehte und wackelte an dem Griff, dass Abas aufstöhnte.

„Gefällt das unserem Tierchen etwa?“, grinste die andere Frau. „Was wagt ihr euch?“, rief Abas, rot vor Scham. „Ich bin der königl…“ Er brach abrupt ab und verstummte. Beinahe hätte er seine Herkunft verraten. Die Reiterinnen hatten seinen Fauxpas nicht bemerkt und ritten ein Stück weiter nach vorne. Abas zappelte in seinen Fesseln. Diese Biester! So eine Demütigung! Wie konnten sie nur!? Wie hieß das Sprichwort noch? Das Glück unserer Welt liegt auf dem Rücken der Pferde? Ironisch lachte Abas leise und hart auf und presste seine Zähne zusammen.

Endlich machte der Trupp eine Pause, und Abas wurde abgeschnallt und landete unsanft auf dem harten Boden. Er trug immer noch seinen künstlichen Schwanz im Hintern. Eine Räuberin löste seine Fesseln und befahl ihm: „Auf alle Viere mit dir! Du brauchst auch mal ein bisschen Bewegung, mein Pferdchen!“ Abas bekam vor Schreck kaum Luft. Was würde das werden? Sollte er etwa… Und schon nahm eine der Räuberinnen auf seinem Rücken Platz und sagte: „Hüah!“ Dann kickte sie ihre Fersen in seine Seiten und verlangte, dass er vorwärts krabbelte.

Die Erniedrigung ließ seinen Kopf heiß werden, als sei ein Schmiedefeuer darin ausgebrochen. Die Frau führte ihn in einem weiten Kreis um das Lager und trieb ihn fast zu einer Art Trab an, ob der Abas schnell erschöpfte. Am schlimmsten war das Gefühl in seinem Hintern durch den dicken Griff der Peitsche. Welche schändliche Schmach! Niemals wieder würde er diese entehrende Schande vergessen können.

Als die Frau endlich aufstand, wollte Abas zur Seite kippen und sich schwer atmend erholen, aber daraus wurde nichts, denn schon stand die nächste Gesetzlose auf und wollte aufsteigen. Da Abas noch auf der Seite lag, trat sie ihm mit ihrem Reiterstiefel auf den noch geschundenen Hintern. Glücklicherweise traf sie dabei nicht den Peitschengriff, den sie ansonsten mit brutaler Kraft noch tiefer versenkt hätte. Abas war sofort in Position und ließ die Frau aufsteigen. „So ist artig, mein Gaul“, lachte sie ihn scheinbar honorierend aus und trieb ihn in ähnlicher Weise an, wie ihre Vorgängerin es getan hatte.

Diese zweite Runde ums Lager sollte für Abas noch viel furchtbarer und anstrengender werden, denn die Reiterin zückte einen kleinen Dolch und piekte ihn gegen Abas Hinterbacken, um ihn zu größerer Geschwindigkeit zu motivieren. Ab und zu konnte das „Reittier“ einen quiekenden Laut nicht unterdrücken, was lautes Gelächter bei allen Anwesenden hervorbrachte und Abas noch tiefer beschämte. Eine der holden Damen fragte ihre Nachbarin, ob sie eine Ingwerwurzel hätte. Diese sei in Form geschnitzt besonders schön geeignet, um dem Hintern eines Kleppers mehr Feuer zu verleihen. Leider war in keiner Satteltasche etwas dergleichen zu finden.

Leda betrachtete mit ihrem Paladin den Horizont. Neben ihr flatterte die große Flagge, deren Stock der Bannerträger in einer dicken ledernen Halterung an seinem Oberschenkel trug. Sie waren fast kampflos durch das feindliche Terrain gelangt. Nur vereinzelte Scharmützel hatten sie kurz aufgehalten. Die Vereinte Armee war nicht zu stoppen, so dass sie nun in der Ferne die Metropole des Ostreichs erkennen konnten. Sie standen kurz vor ihrem Ziel.

„Das war bisher ein Kinderspiel“, ließ sich ihr Kriegsfürst vernehmen, „aber die Hauptstadt ist durch gewaltige Mauern gesichert. Dort verschanzt sich der Großteil von Plutas Heer. Und ihr Palast ist noch zusätzlich wie eine uneinnehmbare Festung gesichert und durch ihre besten Kampfsklaven geschützt. Ein wahres Bollwerk, wie es dies sonst nirgends gibt.“ Eine Spur von Bewunderung war in seinen Worten zu vernehmen.

„Wir sind bis hierher gekommen, weil es die Götter so wollten“, antwortete die Potentatin, „und wir werden auch das Zentrum des Feindes besiegen. Ein Wagnis, wohl wahr! Aber wir werden diese Pluta niederstrecken. Ihr Haupt wird über den Zinnen hängen, um die Krähen zu beköstigen, auf dass es eine Lehre für alle Veräter sein werde. So wahr ich hier stehe!“ Darauf wagte der Paladin keine Widerworte und neigte gehorsam und ehrerbietig sein Haupt.

Königin Leda schätzte die Lage durchaus einleuchtend und anschaulich ein, sann der Kriegsfürst nach, aber das größte Ungemach stand ihnen noch bevor. Die Kampfsklaven der Despotin würden bis auf den letzten Blutstropfen kämpfen. Sie kannten nur Sieg oder Tod. Unbedingter Gehorsam ihrer Herrin gegenüber. Schon Morgen würden sie trotzdem den ersten Sturmangriff auf die Stadtmauern wagen. Trotz ihrer Übermacht und gewaltigen Türme, Maschinen, Rammen und speziellen Brandgeschosse würde der Schutzwall eine große Herausforderung werden.

Auf der anderen Seite der dicken Mauern ging das Stadtleben scheinbar seinen ganz normalen Gang: Werte Ladys spazierten durch die Gassen, begleitet von ihren hörigen Sklaven, genossen den prachtvollen Luxus der Geschäfte und Händler, nahmen Stiefelputzsklaven in Anspruch, wohnten öffentlichen Auspeitschungen von Dienstsklaven bei oder züchtigten ihre Leibeigenen oder Sündenböcke selbst mit einer Rute – als Strafe oder zum Zeitvertreib, bis sie dessen müde wurden.

Auch Phoibe lustwandelte mit ihrem Leibeigenen von einem Ladengeschäft zum nächsten. Doch als sie in eine Seitengasse abbiegen wollte, wurde sie freundlich aber bestimmt von einer Soldatin aufgehalten. „Tut mir Leid, aber dieser Bezirk ist für Zivilisten gesperrt.“ Phoibe fragte nach, was es damit auf sich habe, und die Uniformierte erklärte ihr, nun in weniger offiziellem Tonfall, dass ein großer Teil der Armee innerhalb der Stadtmauern lagere, um die Metropole vor dem Feind zu schützen. „Um der Wahrheit die Ehre zu geben: Wir benötigen enormen Platz und Ressourcen für die Kampfsklaven.“
Phoibe nickte nachdenklich. „So weit ist es also schon gekommen. Der Feind steht vor der Tür!“

Auf der anderen Seite des gigantisch anmutenden Schutzwalles stand Königin Leda mit ihrem Heer innerhalb einer großen Zeltstadt. „Wir werden angreifen! Im Morgengrauen, wenn der Mond versunken ist.“ Ihr Paladin schluckte. „Majestät, es ist ein gewagtes Unternehmen…“ Leda unterbrach ihn unwirsch. „Ich weiß, dass Pluta ihre Kräfte in der Stadt bündelt. Wo sonst war ihre Armee? Die Unmengen Kampfsklaven? Bis hierher hat sie uns in Sicherheit gewiegt. Aber bei einer Attacke auf die Stadt würden wir eine böse Niederlage erleben…“ Der Paladin nickte heftig. „…wenn wir einfach wild drauf los stürmen würden.“

Ihr Berater fragte sich, was die Regentin vorhatte. Warum weihte sie ihn nicht in ihre Pläne ein? Dann erklärte Leda ihr Vorhaben: „Wir werden im Morgengrauen zum Angriff blasen. Aber es wird nur eine Scheinattacke sein. Habt Ihr Euch nicht gefragt, wozu die großen Tonkrüge sind?“ Der Paladin sah sie interessiert an. „Hoheit! Caduceus, der königliche Alchimist, hat erneut Schlafnebel gebraut?“ Leda nickte. „Es hat damals bei Megara funktioniert. Es wird auch bei dieser Pluta erfolgreich sein. Die Stadt muss fast platzen vor Kampfsklaven. Also vermag schon eine geringe Menge von Caduceus´ magischem Pulver den Sieg zu sichern.“

So bereiteten die Helfer des königlichen Alchimisten, als die Schatten länger wurden, alles für ihre Kriegslist vor. Auch die Belagerungstürme wurden in Stellung gebracht, um die hohen Mauern erklimmen zu können, wenn dahinter alles in einen tiefen Schlaf gefallen war. Im Morgengrauen ritten vier Truppeneinheiten gegen den Feind, um die Scheinattacke auszuführen. Die Männer wussten, dass es ein Himmelfahrtskommando war, aber für ihre Regentin ritten sie todesmutig in den Kampf gegen den übermächtigen Gegner. Sie hatten ihr Leben voller Stolz ihrer Hoheit geweiht.

Gleichzeitig bereitete sich die Vereinte Armee vor, die Ballons aus Tierhaut mit ihren kleinen Feuern darunter zu starten. Helfer des Alchimisten trugen die Tonamphoren vorsichtig an ihre Haken. Und dann war der Moment gekommen: Ledas Geheimwaffe schwebte in die Lüfte. Der Wind wehte genau richtig. „Die Götter sind mit uns“, gab Leda kund. Mit einem stillen Gebet hatte sie um der Götter Gunst gebuhlt. Sie blickte den schwebenden Tongefäßen mit einer gewissen inneren Anspannung nach.

Als sich die Ballons in Richtung Stadt entfernten, verfolgten ausgewählte Bogenschützen das fliegende Ziel, um sie genau im passenden Augenblick vom Himmel zu schießen. Leider bewahrheitete sich die Befürchtung, dass die Trupps, die gegen den Feind geritten waren, schwere Verluste erlitten hatten. Nur wenige der tapferen Soldaten kamen zurück, viele von ihnen versehrt. „Die abgerichteten Kampfsklaven wüten wie Berserker. Da gibt es kein Durchkommen“, stöhnte ein Hauptmann mit einer schweren Wunde an seiner Schulter.

Leda rief schnell nach einem Heiler, der den Soldaten verband, nachdem er die Verletzung mit einem warmen Sud versorgt und sie mit einem heißen Messer verschlossen hatte. Durch den Mohnsaft, den ihm der Heiler zuvor eingeflößt hatte, blieben seine Schmerzensschreie großteils ins seiner Kehle stecken. Kurz darauf fiel der Mann in einen gnädigen Schlaf. Mehr konnte der Medikus nicht tun. Nun entschieden die Götter, ob der Recke gesundete oder dem grausamen Wundbrand erliegen würde.

„Das wird diese niederträchtige Pluta büßen. Früher, als ihr lieb ist!“, schwor sich Leda und ballte ihre Fäuste so fest, dass sich ihre Fingernägel in die Handrücken gruben. Sie konnte die Ballons schon nicht mehr sehen. Bald würde es so weit sein: Die Tonkessel würden auf den Häusern und Straßen in tausende Splitter zerspringen und ihre Fracht verteilen, zerstäuben – bis in den hintersten Winkel.

Eine halbe Stunde später ertönten die verabredeten Hornsignale der Bogenschützen.
Leda ließ zum Großangriff blasen; ihr gesamtes Heer rückte rasch vor. Laut hallten die Pferdehufen und die forsch marschierenden Fußtruppen in ihren Waffenröcken. Sie waren fest entschlossen, den Feind zu besiegen. Nichts würde sie aufhalten. Die entscheidende Schlacht hatte begonnen…

Sie zogen mit Dutzenden Ochsen die schweren Türme vor die Mauern, wo ihnen nun keine Gegenwehr mehr drohen sollte. Unter dem monströsen Gewicht der Bauten quietschen und kreischten die massiven Holzräder, die mit Schmiedeeisen verstärkt waren. Dann stiegen Ledas Männer die langen Leitern hoch, um sich über die Zinnen zu schwingen. Als die ersten Kämpen hinter dem Mauerwerk verschwanden, folgten ihnen weitere Männer. Es wurden hunderte Recken benötigt, die bewusstlosen Kampfsklaven zu fesseln. Überall würde der Boden von ohnmächtigen Leibern bedeckt sein.

Immer mehr Soldaten verschwanden hinter der Stadtmauer. „Warum öffnet niemand das Tor?“, fragte der Paladin ratlos und schickte hurtig einen Trupp vor den Eingang. Als weitere Gerüstete vorgerückt waren, erschienen auf den Zinnen urplötzlich endlose Reihen von feindlichen Bogenschützen und nahmen die Vereinte Armee unter scharfen Beschuss. Leda konnte im letzten Augenblick einem sirrenden Pfeil ausweichen, der ihr Herz durchbohren wollte. „Verrat!“, brüllte der Paladin. „Rückzug!“ Die Soldaten rannten panisch und ungeordnet um ihr nacktes Leben.

Später in der Zeltstadt herrschte das reinste Chaos. Alle waren noch in Aufruhr. „Wie konnte das geschehen? Hat der Feind ein Gegenmittel? Hat der Schlafnebel nicht gewirkt?“ Leda hatte Fragen über Fragen und lief zornig und aufgebracht im Kreis umher, die Arme hinter dem Rücken verschränkt. Ihre Berater und der königliche Alchimist Caduceus hatten keine Erklärung. Konnte ein anderer Magier den Schlafnebel weggezaubert haben? Gab es womöglich ein Gegenmittel?

Das Betäubungspulver wurde an einem Freiwilligen erprobt, der sofort die Besinnung verlor und zusammenbrach. Er fiel wie ein nasser Sack in den Staub. Es hätte in der Stadt also wirken müssen. Leda war ratlos. Wieder hatte sie Verluste hinnehmen müssen und war keinen Schritt weiter. „Wir können die Metropole nicht einmal belagern. Nach Osten bleibt ihnen immer ein Fluchtweg offen“, ärgerte sich Leda, die von Spähern erfahren hatte, dass die Stadt an einem unüberwindbaren Felsriss, einer tiefen Schlucht, lag, deren einziger Übergang die Metropole selbst darstellte.

Pluta grinste derweil selbstzufrieden. Ihre Beraterinnen sahen respektvoll zu ihr auf. Die Herrscherin hatte den magischen Angriff vorausgeahnt. Hatte sie seherische Fähigkeiten? Auf jeden Fall war ihnen nun auch klar, warum ihre Regentin schon vor Wochen hunderte Masken aus Leder und Stoffen hatte anfertigen lassen: Es war ein Atemschutz vor dem „bösen Regen“.

Alle Soldatinnen und Kampfsklaven hatten eine Maske erhalten. Die Zivilisten mussten damit leben, für einige Stunden das Bewusstsein zu verlieren. So war auch Phoibe mit ihrem Sklaven mitten auf dem Steig umgesackt. Auch Ceres war es nicht anders ergangen und musste diese Bürde tragen. Sie war gerade mit Aphron einem gewissen Vergnügen nachgegangen und wurde durch den Schlafnebel, der bis in ihre Kammer vorgedrungen war wie feinster Staub, ohnmächtig und lag nun auf Aphrons Brust, dessen Luststab langsam in sich zusammensackte.

Für ihr Volk hatte Pluta offenbar nicht viel übrig. Es ging ihr ausschließlich um die Verteidigung der Stadt und vor allem ihres Palastes, der sich, einer Festung in einer Festung gleich, mitten in der Metropole auf einem Felsen erhob. Pluta freute sich diebisch über ihren Erfolg. Die ominöse Geheimwaffe des Feindes hatte versagt. Und zusätzlich hatte sie etwa drei Dutzend Kriegsgefangene gemacht, die in den Kellergewölben ihres Herrscherhauses nackt an ihren Handgelenken aufgehängt waren und nun auf die reinigende Befragung warteten.

Die Tyrannin warf gedankenverloren einen Bissen Brot vor ihren Thron, wo sich ein kleiner Käfig mit drei ausgemergelten Sklaven befand. Sechs Hände streckten sich wild danach und kämpften um den Brocken. Zwei der drei Männer konnten einen Teil ergattern und hinunterschlingen. Doch bis es so weit war, rangen, boxten und kniffen sich die Leibeigenen um die Gabe, die ihnen so wertvoll war.

Etwas gesitteter ging es im hinteren Bereich des Saals vor sich, wo eine kleine Gruppe Hofdamen ihre „Hündchen“ mit Brocken fütterte. Jede der jungen Damen war in edelste Stoffe aus Seide und Brokat gekleidet und hielt einen bis auf einen Lendenschurz aus einem Baumwolllappen nackten Sklaven an einer Leine, die an seinem Stachelhalsband befestigt war, und gab ihm Befehle wie „Sitz!“ und „Platz!“, „Gib Pfötchen!“ oder „Mach Männchen!“.

Eine Dame mit einem auffälligen Rubinring kommandierte: „“Dreh dich auf den Rücken!“ Der Sklave gehorchte sofort und öffnete den Mund, um seine Belohnung zu erhalten. Kurz darauf hustete er keuchend, und die Damen lachten ausgelassen. Kleine Streiche gehörten zum Zeitvertreib der jungen Ladys. Der letzte Happen war kräftig mit Pfeffer gewürzt gewesen. Die Dame schalt den Sklaven: „Ist dir meine Belohnung nicht gut genug?“ Der Tadel ging dem Leibeigenen durch Mark und Bein. Er befürchtete zur Strafe die kommenden Tage gar keine Mahlzeit mehr zu erhalten, vielleicht im Hungerloch zu landen, und versicherte aufgeregt, wie gut ihm der Happen gemundet habe.

Ein anderer Leibeigener war in ein Narrenkostüm gekleidet und an eine Säule gefesselt. Eine Scherzboldin hatte ihm Rizinusöl eingeflößt. Der Sklave zappelte nervös und bettelte darum, zum Abort laufen zu dürfen. Sollte er seine Beinkleider besudeln, so würde ihn eine drakonische Strafe seiner Besitzerin erwarten. Doch die jungen Damen, die sich um ihn scharten, alberten herum und gossen ihren Spott über den Jammernden aus. Eine der Ladys drehte eine Sanduhr auf einem nahen Tisch um und schmunzelte. „Wenn die Zeit abgelaufen ist, entscheide ich, ob du erlöst wirst...“ Der Narr glotzte entsetzt auf die zwei bauchigen Glaskolben. Es würde ewig dauern, bis alles hinabgerieselt wäre.

Die „Hündchen“ trugen Keuschheitsgürtel, damit sie sich nicht besprangen. Die Hände waren in dicken Fausthandschuhen aus derbem Leder fixiert. In letzter Zeit war es Mode, den Hündchen einen künstlichen Schwanz in den Hintern zu stecken. Einige Besitzerinnen verwendeten dafür besonders geformte Enden, die wie eine Birne im Hintereingang des Sklaven verschwanden, „damit der Schwanz nicht so leicht rausrutscht“, war das offizielle Argument; aber in Wahrheit hatten die Damen besonderen Spaß daran, das dicke Teil zu versenken.

Für das Hündchen war dies eine Tortur. Und nicht nur das Anbringen sorgte für Pein. Die gesamte Zeit über erinnerte der fette Knüppel die Sklaven daran, wer das Sagen hatte.
Unter einigen Hofdamen war der reinste Wettbewerb im Gange, wessen Hündchen das dickste Ende im Hintern hatte. Das führte zwar zu dem Schönheitsfehler, dass sich einige „Vierbeiner“ kaum noch vorwärts bewegen konnten, aber da halfen die Besitzerinnen gern mit der Gerte motivierend nach. Eine kecke Dame, schmiegte sich an ihre Nachbarin. „Ich liebe es, Männer zu peitschen und Ladys zu küssen.“ Und schon ließ sie ihren Worten Taten folgen. Die Ladys hatten beide dem schweren Weine schon fröhlich zugesprochen, und ihre geröteten Wangen sprachen Zeugnis davon.
56. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von sheeeep am 12.05.19 00:00

Hallo Prallbeutel, "der Mai macht alles neu"!!Sehr schöne Fortsetzungen...ein Genuss!Herzlichen Dank! Bitte mehr vom Ostreich ,den grausamen Damen und ihren unglückseligen Sklaven ! .......
57. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 24.05.19 18:13


Einem geheimen Bergpfad folgend, stiegen die weiblichen Banditen den Felsenabriss hinunter in die tiefe Schlucht, ohne von der Invasionsarmee bemerkt zu werden. Nach dem anstrengenden und gefährlichen Abstieg folgte der noch mehr Kräfte raubendere Aufstieg. Nach einer Übernachtung in der kahlen Felslandschaft in der gewaltigen öden Erdspalte, tauchte die Gruppe endlich auf der anderen Seite auf und konnte von hier durch einen kleinen Seiteneingang gefahrlos in die Metropole reiten.

Die Stadtbewohner waren wieder aus ihrer Ohnmacht erwacht und konnten nicht so recht begreifen, was geschehen war. Ob die Götter ihnen zürnten? Hatten sie ihnen zu wenige Sklaven geopfert? Hatte es zu wenige „Schmerzgeschenke“ gegeben? Nicht wenige Fräuleins züchtigten ihre Leibeigenen, um die Götter wohlgesonnen zu stimmen. Die große Schlafwolke war überall Stadtgespräch und jeder hatte eine andere Erklärung parat: Ein Fluch der Götter, eine mysteriöse Krankheit, schwarze Magie des Feindes…

Auch Ceres war wieder erwacht und weckte Aphron mit ein paar kräftigen Backpfeifen auf. „Wie kannst du es wagen, vor mir einzuschlafen?“, war Ceres außer Rand und Band. „Umdrehen!“, befahl sie und hieb wütend auf das nackte Gesäß des Liebessklaven ein.

Nach jedem Schlag wurde ihre Laune besser. Die Prügel sowie Aphrons Schreie und Stöhnen erregten sie schließlich so sehr, dass sie darauf erneut mit ihm schlief. „Ich verzeihe dir“, sagte sie gütig und lachte innerlich in sich hinein, als sie auf Aphron ritt, der sein Gesicht jammervoll verzog, weil seine geschundenen Hinterbacken auf dem harten Boden schabten. Aber Ceres wollte ihn jetzt und hier. Sofort. Auf dem marmornen Boden. Männer waren zum Spielen da. Dafür hatten die Götter sie geschaffen.

Eine andere Hofdame wunderte sich, wo der Schlüssel zum Keuschheitsgürtel ihres Bettsklaven geblieben war. Sie ahnte nicht, dass eine Soldatin ihr den Schabernack gespielt hatte, ihn zu stibitzen. Ein Pfeilwurf entfernt warf die Uniformierte ihre Beute in einen Heuhaufen. Auf Nimmerwiedersehen... Ihre Kameradin lachte: „Der Ärmste wird sein Gemächt ab dem heutigen Tage wohl vergessen müssen.“ „Ja“, antwortete die Diebin, „und vermutlich bekommt er auch noch eine saftige Tracht Prügel von seiner Herrin, weil sie denkt, dass er ihn genommen hat.“ „Der junge Mann ist aber zu bedauern“, meinte die andere, und beide fielen in einen gespielten Weinkrampf ein, um kurz darauf ausgelassen zu lachen und sich feixend gegenseitig durch die Straße zu stoßen.

Die Reiterschar war froh, als sie wieder auf ihre Vierbeiner steigen konnte, denn auf dem Pfad in der Schlucht hatten die Frauen die Pferde zu Fuß führen müssen. Abas war sogar erleichtert gewesen, denn zu marschieren war angenehmer als kopfüber auf einem Vieh zu hängen. Doch nun wurde er wieder zu einem Bündel über den Rücken eines Gauls gelegt. Noch schlimmer als der Kopfdruck war die Scham, mit blankem Gesäß durch die Straßen reiten zu müssen: auf dem Bauch liegend, über dem Pferderücken verschnürt wie eine Schweinehälfte, die zum Markt gebracht wurde.

Abas kam in der Hauptstadt des Ostreiches aus dem Staunen nicht heraus: Überall waren Sklaven emsig mit Arbeiten beschäftigt, während die feinen Damen in edlen Gewändern über die blitzblanken Steige schlenderten. Andere Menschen gab es offenbar nicht – entweder war man elender Sklave oder reiche Lady. Weibliche Sklaven hatte er noch nicht erblickt. Der Weg führte die Banditinnen direkt zu einem Sklavenmarkt, wo gerade eine Gruppe Damen eine Anzahl Männer ersteigerte.

„Ich brauche noch ein paar Küchensklaven“, erzählte eine der Damen. Eine andere suchte ein zweibeiniges Pony für ihre Droschke. Die Anführerin der Räuberinnen sprang vom Ross und ging in ein weißes Zelt, aus dem sie bald mit einer Händlerin kam, damit sie Abas begutachten konnte. Es war eine erniedrigende Untersuchung. Die Frau prüfte ihn wie man im Vereinten Reich ein Stück Vieh kaufen würde: Muskeln, Zähne, Augen, Beweglichkeit. Schließlich einigten sich die Damen auf einen Preis, bei dem Abas fast die Augen aus dem Kopf fallen wollten, so niedrig, wie er war. Dafür hätte man nicht eine einzige Wachsstange eines Kerzenmachers bekommen. War er so wenig wert?

Zwei andere Frauen in ledernen Beinkleidern schlossen Abas massive Hand- und Fußschellen um, die mit Ketten verbunden waren. Das Laufen fiel ihm damit nicht leicht, aber die kurzen Peitschen seiner Bewacherinnen sorgten dafür, dass er flotten Schrittes in ein weiteres Zelt stolperte. Dort wurde er in ein langes, schweres Eisen gespannt, so dass er vorgebeugt und breitbeinig auf dem Boden sitzend fixiert war. Eine der Weiber wollte ihm gerade den Kopf scheren, da rief eine andere Dame: „Wartet! Ich kenne den Mann!“ Sie betrachtete den Leibeigenen und sein Gesicht, seine Haare und seine Gestalt.

Die Frau drehte sich zu der Fremden um und hob eine Augenbraue. „Wollt Ihr behaupten, er gehört Euch? Wir haben ihn ganz regelgerecht von einer Reisenden gekauft.“ „Nein“, meinte die Fremde. „Der Mann ist mir nur vom Sehen bekannt. Wenn ich mich nicht täusche, dann ist es der königliche Gemahl der Regentin Leda aus dem Vereinten Reich!“ Die Sklavenhändlerin lachte laut, dreckig, fast schon obszön. „Königlicher Gemahl? Der? Wollt Ihr mir einen Bären aufbinden?“ Sie patschte dem Gefangenen mit der flachen Hand respektlos gegen den Kopf. Aber ihr Gegenüber blickte weiterhin mit ernster Miene auf den vermeintlichen Sklaven.

Leda beriet mit ihrem Alchemisten, was schief gegangen sein könnte. Caduceus war mit wehendem Umhang herbeigeeilt. „Majestät, vielleicht hat Pluta durch Spione von dem Pulver erfahren und Schutzmasken ausgegeben. Anders kann ich mir das nicht erklären.“ Leda schniefte. „Wie sind diese verfluchten Mauern nur zu überwinden?“ Aber ihrem Paladin fiel auch keine Lösung ein. Die Metropole des Ostreiches war offenbar uneinnehmbar. Der ganze Feldzug war infrage gestellt. Sollte sie all ihre Ehre, Würde und Beliebtheit beim Volke verlieren und als Versagerin nach Westen zurückkehren?

Es vergingen drei lange Wochen, in denen die Vereinte Armee den Felsabriss nach einem Übergang penibel absuchte, aber der kleine Bergpfad, auf dem Abas entführt worden war, war so versteckt, dass die Späher ihn nicht fanden. Leda blieb müden Geistes nichts anderes übrig, als sich zurückzuziehen. „Wir werden ebenfalls eine Mauer bauen, damit der Feind nicht mehr in die Nähe des alten Grenzflusses eindringen kann. So haben wir zumindest neues Land gewonnen, wenn wir Pluta auch nicht besiegt haben. Und die Tyrannin wird weit in die Ebenen nach Osten ausweichen müssen. Ab heute wird die Metropole eine Grenzstadt sein“, verkündete die Königin vor ihrem Heer und befahl einem Großteil der Armee in die Heimat abzumarschieren.

Auch Leda folgte mit einem Regiment und ihrer Leibgarde. Ihre Sehnsucht nach ihrem Gemahl war groß. Wenigstens war das ein Lichtblick in der Heimat. Ihre besten Soldaten blieben an der Front, um den großen Mauerbau zu planen. Das männerfeindliche Reich war zurückgedrängt worden, und die streitsüchtigen Soldatinnen der Pluta sollten niemals mehr in die Nähe des Vereinten Reiches kommen können, um zu plündern, zu marodieren und zu brandschatzen.

Es war ein beschwerlicher Rückritt für Leda und ihre Männer. Das Wetter sorgte erst für sintflutartige Regenfälle mit starken Gewittern, dann überfiel ein Wirbelwind die Armee und schließlich erbebte die Erde, so dass die Pferde in Panik gerieten und nur unter Anwendung aller Kräfte unter Kontrolle gehalten werden konnten. Die zornigen Götter waren unzufrieden, wie es schien. Forderten sie den bedingungslosen Kampf? Aber Leda konnte und wollte das nicht verantworten.

Kurz vor dem ehemaligen Grenzfluss kam die königliche Reitereinheit mit Leda an einer kleinen Ansiedlung vorbei. Ein recht großes Gebäude stand abseits der anderen Gehöfte. „Was hat es damit auf sich?“, wollte die Regentin wissen und zeigte mit ihrer behandschuhten Hand darauf. Der Zenturio, der neben ihr ritt, räusperte sich und informierte seine Hoheit: „Das war ein Bordell, Majestät.“ Leda wurde neugierig. „Ein Bordell im Ostreich? Ich dachte, dass alle Männer… Oder meint ihr etwa, dass in diesem Freudenhaus Damen bedient wurden?“ Dem Zenturio war die Situation ein wenig unangenehm. Mit der Königin über so ein anrüchiges Thema zu reden, ließ seine Wangen glühen. „Ja, Hoheit.“ Leda wollte sich persönlich überzeugen.

Kurz darauf betrat sie, flankiert von gerüsteten Soldaten, das Etablissement. Leda sah sich interessiert um. „Hier haben also die Ostladys ihre Lust gestillt, wenn ihnen danach dürstete…“ Die Königin betrachtete kleine Käfige, Holzkreuze mit Hand- und Fußschellen, zahlreiche Peitschen und Ruten, die verstreut auf dem Boden lagen, als seien sie in völliger Hast weggeworfen worden. Dann näherte sie sich einer Konstruktion, aus der sie nicht schlau wurde. „Wozu soll diese wunderliche Truhe sein?“, wollte sie wissen. Die Männer um sie herum schluckten und schauten nervös in alle möglichen Richtungen, nur nicht auf den flachen Käfig mit der ungewöhnlichen Holzdecke. Aber Leda ließ nicht locker, bis ein Mann ihr die Funktion erklärte: Der Käfig war wie ein Sarg geformt, in den sich der Lustsklave legen musste; dann wurde sein Gemächt durch einen Ring nach oben durch den Holzdeckel gezogen. Nun konnte sich die Lady auf den prallen Luststab setzen und mit dem Gemächt anstellen, was sie wollte, ohne dass sich der Sklave dem entziehen konnte…

Leda bemerkte, dass die Holzplatte mit vielen Wachsflecken beschmutzt war und wollte die nächste Frage stellen, die sie sich aber im letzten Moment verkniff, weil ihr die Antwort selbst einfiel. „Wir müssen weiter!“, befahl sie und eilte zu ihrem Ross, neben dem ihr Bannerträger auf seinem Falben bereits wartete. Der Trupp entfernte sich zügig. Unbemerkt von den Reisenden, öffnete sich knarrend die Tür einer Geheimkammer in dem Etablissement. Ein zierlicher Mann, nur in einen Lendenschurz gekleidet, lugte in den Innenraum. Die Hufe der Tiere waren kaum noch zu vernehmen. Zwischen seinen Füßen klirrte eine Kette. Die hagere Gestalt hielt eine Eisenreibe in der Hand und begann erneut, an den Gliedern zu feilen.

Am ehemaligen Grenzfluss hielt Leda eine flammende Rede an ihr Gefolge. Die Majestät stand auf einem mannshohen Felsbrocken und schaute auf ihre Kämpfer herab. Sie lobte die treuen Soldaten und betonte, was sie schon alles erreicht hatten. So war dieses Gebiet nun Teil des Nord- und Südreiches. Ihre Recken jubelten ihr zu; nur der plätschernde Fluss schien höhnisch zu lachen. Aber die Ritterschaft hatte vom berauschenden Göttertrunk des Sieges gekostet, so dass sie mit aller Kraft und Überzeugung ihrer Monarchin überall hin folgen würde. Überall waren begeisterte Stimmen zu vernehmen. „Für Leda!“ Der Männerchor wollte kein Ende nehmen.

Nach vielen Strapazen und Gefahren erreichte die gewaltige Streitmacht die Hauptstadt des Vereinten Landes. Inzwischen war auch die kleiner Abteilung um die Königin dazugestoßen. Ein Jubel und Geschrei ertönte in den Straßen, die Menschen feierten ihre Helden. Sie winkten und schrien, hüpften und tanzten. Ein Böttcher hatte sogar einige seiner Eimer und Fässer aufgestellt, um darauf eine bessere Sicht auf die Regentin zu haben. Eine kleine Gruppe junger Frauen spielte Maultrommel, ein paar Burschen sangen ein Loblied auf die Wiederkehrerin. Leda freute sich über ihren Halbsieg und ritt in ihr Schloss ein. Ein königlicher Diener eilte ihr mit bitterer Miene entgegen, um ihr aus dem Sattel zu helfen. „Majestät“, flötete er demütig, und seine Stimme zitterte vor Aufregung. „Es gibt eine schlechte Nachricht.“

Als Leda von Abas´ Abreise erfahren hatte, war ihre Hochstimmung dahin. Sie trank einen ganzen Krug Rotwein leer und schüttelte den Kopf. „Wie konnte er nur so eine Dummheit begehen?“ Vielleicht hatte er geglaubt, tollkühn zu sein, aber er war ein Narr. Wo befand er sich jetzt? Warum war er auf seinem Weg nicht auf das Heer gestoßen? Auch mehrere kleinere Einheiten ihrer Armee hatte das Ostreich durchstreift. Auf irgendeine Truppe musste er doch getroffen sein! Hatte man ihn vielleicht aufgelesen? Aber dann hätte sie inzwischen davon erfahren müssen. Und wenn er von einer der marodierenden Banden verschleppt worden war? Das Lumpenpack würde Dutzende Schatullen mit Gold als Lösegeld fordern. Oder ihn aus Rachsucht foltern und töten…

Als Mann alleine ins Ostreich reiten! Leda schüttelte immer noch den Kopf. Wie konnte Abas nur so leichtsinnig sein!? So eine Torheit! Die Königin suchte Caduceus auf. Vielleicht konnte er in seinem Kristall sehen, wo Abas war. Der Alchemist bereitete sich vor und konzentrierte sich auf den königlichen Gemahl. Rauch von brennenden Kräutern verbreitete einen dichten Nebel und ein intensives Aroma in seiner Kammer, die oben in einem der Türme der Burg lag.

Leda sah aus einiger Entfernung zu, wie Caduceus, die Augen geschlossen, uralte Formeln murmelte. Dann schien ein Krampf durch seinen gesamten Körper zu gleiten. Er zitterte und stöhnte. Schweiß bildete sich auf seiner Stirn und verklebte seine Haare, als sei er vom bösen Fieber heimgesucht worden, oder böse Dämonen hätten Besitz von ihm genommen. Dieser Zustand dauerte eine ganze Weile an, die der Regentin zur Ewigkeit wurde. Schließlich endete die Anspannung schlagartig, und Caduceus löschte das Feuer.

Er legte ein dunkelrotes Samttuch über den Kristall und kam auf die Königin zu. Leda sah ihn aufmerksam an. Der Alchemist atmete tief durch und verkündete: „Ich habe Euren Gemahl gefunden. Er befindet sich in der Metropole des Ostreiches. Er trug nur eine Art Lendenschurz. Ich habe auch Metall gespürt an seinem Körper. An seiner Hüfte. Kein Gürtel. Auch war es keine Waffe…“ Leda unterbrach ihn: „Äh, das ist nicht so wichtig. Geht es ihm gut? Ist er in Freiheit oder gefangen?“ Caduceus bedauerte: „Leider nein, Hoheit. Er trägt die Ketten der Sklaven. Mehr konnte ich nicht sehen.“ Für Leda brach eine Welt zusammen. Abas in der Gewalt des Feindes! Tränen füllten ihre Augen.

Ihre größten Sorgen wurden wahr: Abas wurde vor Pluta geführt, die hoch auf ihrem prunkvollen Thron saß und ein selbstzufriedenes Antlitz zur Schau stellte. Vor ihr standen zwei stolze Wächterinnen in schwarzrotem Waffenrock, die Abas in den Saal begleitet hatten. Der Gefangene trug eine hinterhältige Fesselung: Die Hände waren an ein Halseisen geschlossen, aber noch viel gemeiner waren die Fußfesseln, die ihm nur Trippelschritte erlaubten. Den Höhepunkt bildete der eiserne massive Ring um seine Hoden, der mit einer kurzen Kette mit den Füßen verbunden war, so dass er nur mit gebeugten Beinen laufen konnte.

Seine Oberschenkel brannten bereits von der Anstrengung, aber auch sein Gemächt schmerzte, denn er konnte kaum verhindern, ab und zu an der Kette zu ziehen, die an seiner Männlichkeit zerrte. Vor dem Thron angekommen, stießen die Wächterinnen ihn grob auf die Knie. „Der Lustsklave der Leda!“, begrüßte Pluta ihn erfreut. „Siehe an!“ Abas stöhnte: „Ich bin kein Sklave!“ Die Tyrannin lachte aus vollem Hals, dass es durch den marmornen Saal hallte. „Ich weiß, wer du bist, Abas. Und du wirst mir auf meiner Ruhestatt gute Dienste tun.“ Pluta nippte an einem goldenen Kelch, der mit Edelsteinen besetzt war. „Hast du Durst?“, fragte sie sardonisch. Abas Gaumen war staubtrocken, die Zunge war aufgedunsen und klebte im Mund, aber er antwortete nicht. Er wollte diesem Teufel in Weibergestalt diese Genugtuung nicht geben.

Pluta wedelte gelangweilt mit der Hand. „Schafft ihn in den Kerker und gebt ihm die übliche Ration für Gefangene.“ Die Wächterinnen nickten zackig und packten Abas unter den Armen, um ihn in stehende Position zu bringen. Um ihn nicht heben zu müssen, trieben sie ihn mit ihren Dolchen an, die sie in seine Gesäßhälften piekten. Stöhnend kam Abas gebeugt auf die nackten Füße und wurde abgeführt. „Einen hübschen Gürtel trägst du da, wie ich an dir erblicke“, lachte Pluta. „Hat Leda ihn dir geschenkt?“ Abas hörte Plutas höhnisches Lachen hinter seinem Rücken hallen. Es wollte gar nicht mehr enden.

Der Gefangene schlurfte in seiner unbequemen Haltung den langen Weg zurück in den Kerker, getrieben von den spitzen Schneiden der Frauen, die sich hinter seinem Rücken hämisch angrinsten, während sie den zuckenden Hintern vor sich her zwangen.

Die Senatorin Alekto erschien zwischen zwei riesigen Marmorsäulen aus deren Schatten. „Edle Pluta, darf ich Euch zu Eurem grandiosen Fang gratulieren? Wollt Ihr Abas als Geisel einsetzen, um Eure Ländereien zurückzubekommen und Leda zu demütigen?“ Pluta rückte sich ihre große goldene Krone zurecht und grinste selbstgefällig. Dann hob sie ihre Augenbrauen. „Nein. Das Vereinte Reich ist stark genug, mir das Land wieder und wieder zu besetzen. Eine Rückeroberung wäre eine reine Sisyphosarbeit.“ Alekto sah ihre Herrscherin fragend an. „Verstehe. Es geht um ein königliches Lösegeld…“ Pluta meinte arrogant: „Glaubt Ihr, ich besitze zu wenig Edelsteine? Zu wenig Gold? Schaut Euch um!“ Alekto deutete eine Verbeugung an: „Verzeiht mir, Hoheit. Aber was soll Euch der Mann dann nutzen?“ Pluta beugte sich auf ihrem Thron vor. „Ist das denn so schwer zu verstehen? Zwischen Leda und Abas lodert wahre Liebe. Abas ist unbezahlbar. Ich werde nicht Ledas Schatzkammer plündern. Ich werde“, sagte sie nun laut, als verkünde sie es vor 30 Soldatinnen, „ihr Herz brechen!“ Durch Alektos Miene ging ein Verstehen. „Er soll sterben. Unter dem Beil des Henkers? Oder wollt Ihr ihn am Galgen ausstellen?“ Pluta grinste. „Nein. Er soll einen langsamen Tod leiden. Ich werde ihn auf eine Galeere schicken.“ Alekto sah die Despotin bewundernd an. „Ihr seit so weise, Hoheit.“
58. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 02.06.19 17:28

Im Anschluss an das Gespräch mit der Senatorin war Pluta nach ein wenig Ablenkung. Sie betrat ihr Harem, wo sie sofort von mehreren hübschen jungen Lustsklaven umgarnt wurde, die um sie buhlten, als hänge ihr Leben davon ab. Jeder wollte auf sich aufmerksam machen, sich im besten und schönsten Licht darstellen. Wer würde heute der Auserwählte sein, dessen Keuschheitsgürtel aufgeschlossen würde? Manche der Männer konnten schon an nichts anderes mehr denken. Auch, wenn Pluta ihre Sklaven beim Liebesspiel demütigte oder sogar schlug, war das alles besser als der unsägliche Druck in ihrer hungrigen Männlichkeit. Einige Liebesdiener waren seit fast sechs Monaten verschlossen, ein paar warteten seit einigen Wochen, andere erst seit wenigen Tagen.

Aber das interessierte die Herrin nicht. Pluta nahm sechs Sklaven in die engere Auswahl, die alles dafür gaben, sich von ihrer attraktivsten Seite zu zeigen. Als die Monarchin vier von ihnen wegschickte, sah sie die tiefe Enttäuschung in deren Gesichtern. Sie spürte, wie es sie feucht werden ließ: Der Gedanke daran, dass die Sklaven weiterhin auf einen Aufschluss warten mussten… Hmmmmm! Das fachte ihren Appetit an. Sollten sie ruhig schmachten. Vielleicht ewig...

Es blieben noch zwei Mannsbilder übrig. Das eine war seit zwei Wochen nicht mehr geöffnet worden, der andere Vergnügungssklave trug seinen Gürtel sogar seit 25 Wochen. Pluta winkte eine der Haremswächterinnen herbei und ließ die Sklaven an zwei Kreuze fesseln. Dann öffnete sie beide Keuschheitsgürtel. „Du bist aber ein hübscher junger Mann“, tat sie einem Sklaven kund, der seit einer halben Ewigkeit keusch gehalten wurde. Pluta strich über sein Gemächt, das sich wild pochend erhob und deutlich wuchs. Dann berührte sie die Männlichkeit des anderen Gefesselten. Auch dessen Luststab schwoll an. „Vor zwei Wochen hatte ich dich in meinem Bett. Ich erinnere mich.“

Dann wendete sie sich wieder dem jüngeren anmutigen Burschen zu. „An dich kann ich mich nicht erinnern. So was! Bei so einem feinen Antlitz. Und so zarter Haut.“ Sie streichelte über seine Wange, seine rasierte Brust, deren Warzen hart und groß wurden, seinen flachen Bauch und seine haarlose Scham. Der Sklave stöhnte vor Lust auf. „Da fällt die Entscheidung nicht schwer“, mokierte sie schmunzelnd. „Wache! Schließt den Knaben hier wieder weg! Sein Gemächt ist winzig. Was soll ich damit?“ Sofort kamen zwei Haremswächterinnen herbei und schlossen den Sklaven in seinen Keuschheitsgürtel. In ihren Augen war Schadenfreude zu erkennen, in den Blicken des Knaben war tiefe Verzweiflung, Angst und auch Scham zu sehen.

Beide Frauen waren nötig, denn der steife Prügel wollte nicht zurück in seinen Käfig. Doch irgendwie zwangen sie ihn hinein. Entsetzt stöhnte der junge Sklave auf und sah Pluta bettelnd und bestürzt an. Eine der Wachen fragte: „Hoheit, wünscht Ihr, dass ich den Sklaven aus dem Harem entferne?“ Pluta sah sie überrascht an. „Aber warum denn?“
Die Frau antwortete: „Ihr sagtet doch, sein Gemächt sei zu klein…“ Pluta lachte. „Er bleibt verschlossen. Und damit hat er seinen Zweck doch erfüllt!“ „Sehr wohl, Majestät“, antwortete die Wächterin, verbeugte sich und befreite die Sklaven von den Kreuzen. Den jungen Mann schubste sie zurück in den Pulk der anderen Männer. Der andere Leibeigene folgte Pluta zu einem großen weichen Bett, auf dem sie vor den Augen aller ihrem Vergnügen nachgehen würden…

Zeitgleich feierte in der Metropole eine junge Dame ihren 18. Geburtstag. Im Ostreich war es unter wohlhabenden Familien üblich, dass Fräuleins zu ihrer Volljährigkeit einen eigenen Sklaven erhielten. Die Lady war überglücklich und ließ den Leibeigenen auf alle Viere gehen und ritt auf ihm einige Runden vergnügt unter dem Applaus der Geburtstagsgäste umher.

Höhepunkt dieser Festlichkeit war üblicherweise die rituelle Brandmarkung. Der Sklave wurde bäuchlings über ein liegendes Fass gefesselt und erhielt der Tradition nach ein Brandeisen mit den Initialen seiner jungen Besitzerin. Wie lange das Geburtstagskind den glühenden Stempel auf das Gesäß presste, war ihr selbst überlassen. Manche Damen hatten fast Mitleid mit ihrem Leibeigenen, anderen war dies völlig gleichgültig, so manchen aber war eine Spur Sadismus anzusehen, wenn sie in Vorfreude auf die Schreie des Sklaven das Eisen aus der Funken sprühenden Glut nahmen und von den Freundinnen lautstark angespornt wurden…

Die Feier war eine große Gaudi, aber noch mehr freute sich die junge Lady auf den morgigen Tag. Wie der Zufall es wollte, war morgen der monatliche „Sündentag“. Für junge Damen im Alter von 18 bis 21 gehörte es zum guten Ton, monatlich ihre Verfehlungen und Sünden der Hohepriesterin im Tempel zu beichten. Zur Buße brachten die Damen ihren persönlichen Sklaven als Sündenbock mit.

Eine Beichte lief so ab, dass die Lady zunächst der Hohepriesterin von ihren Fehltritten erzählte. Die Tempelfrau notierte Namen und Strafhöhe. Später, bei der eigentlichen Buße, setzten sich die Ladys in die Bänke des Tempels der Stadtgöttin. Für ihre Sklaven waren enge Stehkäfige vorgesehen. Dann verlas die Hohepriesterin den Namen der Dame und die Strafe. Die Sünden wurden diskret nicht verkündet. Ihr Sklave wurde von den Tempelhelferinnen zum Altar gebracht und dort bäuchlings festgekettet. Falls er einen Lendenschurz oder andere Kleidung trug, wurde sein Gesäß freigemacht.

Die Hohepriesterin läutete mit der „Sündenglocke“ und sprach: „Sklave. Deine Herrin (Name der Besitzerin) hat gesündigt. Du erhältst (Anzahl der Hiebe) Schläge, auf dass die Sünden bezahlt seien.“ Ein Leibeigener mit einer Knollennase in einer bizarren Livree begann einen Trommelwirbel auf seiner Pauke. Darauf erschienen zwei Frauen in schwarzen Hosen, einer Augenmaske und einem ebenso dunklen Umhang. Die „Hände der Göttin“ wurden sie genannt und teilten mit langen Peitschen die Hiebe abwechselnd aus. Es war bewundernswert, wie exakt die Frauen das Gesäß des Sklaven mit den über zwei Schritt langen Schlaginstrumenten trafen und einen Striemen neben den anderen „brannten“.

Für die jungen Fräuleins war der Sündentag der gesellschaftliche Höhepunkt des Monats. Sie genossen es, der Buße beizuwohnen und wetteten, welcher Sklave nach wie vielen Hieben anfing zu schreien. Die feinen Damen schämten sich ihrer Laster und Verirrungen in keiner Weise. Im Gegenteil: Es war Mode, sich mit der Anzahl der Hiebe zu brüsten, die der eigene Sklave erhalten hatte. Eine besonders hohe Anzahl galt als schick. Dabei halfen die Maiden auch gerne mal mit gespaltener Zunge und erfundenen Delikten nach, um die Strafe in die Höhe zu treiben, aber das würde keine von ihnen jemals zugeben.

Die zweiflügelige Tür des Thronsaals im Vereinten Reich öffnete sich, nachdem ein Diener den Gast angekündigt hatte. Der Mann wurde vor Königin Leda geführt: Der Hauptmann ihrer Armee trug eine Tunika mit kunstvoll gestickten Ornamenten und darüber einen Gürtel in dem ein Signalhorn steckte. Er kniete sich auf ein Bein nieder und verbeugte sich: „Majestät, ich möchte mein Gewissen reinigen…“ Die Regentin wies ihn an, sein Antlitz zu erheben und erkannte… „Lykos!“ Der Hauptmann bat um die Erlaubnis, frei zu sprechen, die ihm gewährt wurde.

Er berichtete Leda die ganze Wahrheit und schloss fatalistisch voller Inbrunst mit den Worten: „So schenkt meinem Herzen Eure Klinge, denn ich habe sie verdient.“ Er riss theatralisch seinen Uniformrock auf und zeigte seine nackte Brust. „Doch wenn Ihr mir noch die Möglichkeit zur Buße geben wollt, dann schickt mich mit einer Gruppe ins Ostreich, um Euch Euren Gemahl aus den Klauen der Pluta zu retten.“

Leda atmete tief durch. Sie war bereit, dem Mann zu vergeben, der nun in ihren Diensten stand und früher der bösen Megara willig gewesen war. Doch konnte sie von einem Untertan verlangen, sich in solch große Gefahr zu begeben, das Ostreich zu bereisen und Abas zu finden? Leda antwortete schließlich: „Ich akzeptiere Eure Beichte. Ich will Euch nicht zürnen. Ihr seid ein braver Hauptmann, der bereits gute Verdienste erworben hat. - Aber wie wollt Ihr als Mann unbeschadet durch das Frauenland reisen?“ Lykos zeigte ein feines Lächeln. „Wenn Ihr erlaubt, Hoheit, habe ich mir darüber bereits Gedanken gemacht und bin zu einer Lösung des Problems gekommen…“ Die Königin lauschte den Worten des Hauptmannes und nickte andächtig. „Das könnte von Erfolg gekrönt sein…“

Drei Tage später trabte ein Trio aus verschleierten Frauen in langen Gewändern auf stolzen Rössern aus der Festung der Leda, auf dem Weg nach Osten. Lange Zeit blieben sie unbehelligt, denn viele Meilen im ehemals feindlichen Gebiet waren von der Vereinten Armee befriedet worden. Die Frontlinie war weit nach Osten verlagert worden. Der Landstrich war verheert und wies nur allzu deutliche Spuren von Mordbrand und Kampf auf.

Nach einer mehrtägigen Reise erreichten sie die neue Grenze, die von einem Erdwall, der von einem spitzen Palisadenzaun gekrönt wurde, eingefasst war. Mit den königlichen Passierscheinen des Trios kamen sie an den Wachtruppen vorbei und wurden sogar noch einige Meilen begleitet. Doch dann verließ ihre Eskorte die drei Damen und kehrte zurück zur Grenzbefestigung. Es war nicht mehr weit bis zur Metropole des Ostreiches. Es dauerte nicht mehr lange, da trabte dem Trio eine Reiterschar entgegen. Die Frauen, die alle Lederhosen trugen, fielen durch ihre hohen Stiefel auf, die bis über die Knie reichten. Auch ihre dicken aus Leder bestehenden Westen und die langen Haare, die zu einem dicken Zopf geflochten waren, fielen den Reisenden auf.

Die Anführerin der Reiterinnen fragte: „Ho! Wer seid ihr? Und was ist Euer Begehr?“ „Mein Name ist Lyka, und wir sind reisende Händlerinnen“, sagte der Hauptmann inkognito mit hoher Stimme. Die Anführerin fragte misstrauisch: „Und womit handelt ihr? Ich sehe keine Waren.“ „Was geht Euch das an? Seid Ihr von der herrschaftlichen Miliz, dass Ihr uns ausfragt?“ Die Anführerin räusperte sich und spukte aus. „Wir sind Freie, die tun und lassen, was sie wollen.“ Lyka antwortete: „Und genau das werden wir auch.“ Damit trabte sie mit ihren Begleiterinnen an der Reitergruppe vorbei Richtung Stadtmauer, die in der Ferne schon zu sehen war und in der Hitze zu flimmern schien. Lykos wischte sich den Schweiß ab. „Das war knapp. Lasst uns schnell in die Metropole einreiten.“ Die Soldatinnen, denen ein Stein vom Herzen gefallen war, folgten ihrer Lyka.

Im Vereinten Reich gab es nicht viele Weiber in Uniform. Vor einigen Jahren, als Leda noch Soldatin war, galt sie als seltene Ausnahmeerscheinung. Inzwischen war immerhin jeder zwanzigste Soldat in ihrem Heer weiblich. Lykos hatte zwei ausgezeichnet ausgebildete Söldnerinnen bei sich, die ihm im Nahkampf in nichts nachstanden. Der Begriff „Söldner“ war hier nicht ganz passend, denn die Frauen hatten ihrer Königin Treue bis zum Tod geschworen – und würden diesen Eid auch halten. Sie waren nicht mit Freischärlern und abenteuersuchenden Trunkenbolden zu vergleichen.

Je näher sie der kolossalen Stadtmauer kamen, desto gewaltiger und geradezu überwältigender wirkte sie. Wie hoch mochte sie sein? Kein Wunder, dass Ledas Armee sie nicht bezwungen hatte. Und auch das Haupttor war so groß und dick und großteils aus Eisen, dass Lykos sich wunderte, dass es überhaupt zu bewegen war. Eiserne, spitze Dornen, lang wie Unterarme, stachen am Eingang hervor. Als das Trio hindurchritt, sah es die mächtigen Ketten und Winden, die den Eingang öffneten und verschlossen. Trotz der ausgetüftelten Mechanik über massive Zahnräder benötigte die Konstruktion für jeden Flügel der Tür vier starke Ochsen. Eine mürrische Stadtwache erklärte ihnen auf Nachfrage, dass der Zugang zur Metropole nicht immer so gesichert gewesen sei. „Früher hatte ein Fallgitter gereicht, aber seit der Feind vor den Toren steht…“

Den Amtssitz der Pluta verließen heutzutage nur Menschen, die es aus wichtigen Gründen mussten – zumindest Richtung Westen. Daher blieb das gigantische Tor fast immer geschlossen. „Lyka“ konnte ihr Erstaunen kaum verhehlen: Als tauchte sie in eine völlig neue Welt, flanierten dort Edeldamen in bauschigen Kleidern aus Brokat und Seide auf Marmor an den Straßenseiten entlang, und Männer, oft nur mit einem spartanischen Lendenschurz bekleidet, dienten als Putzsklaven, als Sänftenträger, sogar als Kutschpferde…

Lyka starrte auf die menschlichen Gäule: Sie waren in ein spezielles Geschirr eingespannt und wurden mit einer langen Peitsche angetrieben. An den Füßen trugen sie Stiefel, aber ansonsten waren sie völlig nackt. Die Kutscherin knallte das lange Leder auf die bereits gestriemten Rückseiten der Sklaven, die sich stöhnend in Bewegung setzten. Lykos schüttelte den Kopf. Warum tat die Besitzerin den Sklaven so etwas an? Wenigstens einen Lendenschurz hätte er erwartet. Die Peitsche knallte erneut, und das Gefährt beschleunigte die Straße entlang.

„Sollten wir nicht zunächst eine Unterkunft finden?“, fragte eine der Söldnerinnen und riss Lykos aus seiner Starre. „Ja“, stimmte er nickend zu. Das Trio ritt im Schritttempo weiter bis zu einem Gasthaus und ließ die Pferde von einem Knecht versorgen – offenbar auch ein Sklave, dachte Lykos. So unterwürfig, wie er sich gab. Erst jetzt bemerkte er bei dem Stallburschen die Fußreifen aus Eisen. Zwischen ihnen verlief zwar keine Kette, aber sie konnte dort an zwei Ösen angebracht werden. Ob er die Nächte angebunden an eine Mauer verbringen musste?

Die Inhaberin der Unterkunft bot den Damen drei Einzelstuben an, die überraschend luxuriös ausgestattet waren. Lyka verriegelte die Tür von innen und war froh, sich endlich den Schleier abnehmen und sich erfrischen zu können. Dringend musste auch der Bartschatten nachrasiert werden. Als er gerade aus dem Badezuber gestiegen und sich mit einem großen Tuch abgetrocknet hatte, klopfte es vorsichtig aber bestimmt an der Tür. Hastig legte Lykos seinen Schleier wieder an. „Herein“, rief er.

Ein Jüngling erschien schüchtern und mit gesenktem Kopf. „Edle Dame“, begann er verlegen, „die Wirtin schickt mich als Willkommensgeschenk des Hauses.“ Lykos verstand im ersten Moment gar nicht, was das zu bedeuten hatte, doch dann ahnte er, dass er einen Lustsklaven vor sich hatte. „Bringt mir ein Fässchen Rum“, antwortete Lyka, „damit wir unsere Zweisamkeit auch richtig feiern können.“ Der junge Mann gehorchte sofort und flitzte los, um das Gewünschte zu besorgen.

Wenige Minuten später war er wieder da. Lykos überlegte, wie er unauffällig den Lustjungen loswerden konnte. „Besuche meine Begleiterinnen. Anschließend kommst du zu mir. Ich muss mich erst in Stimmung bringen.“ Der Sklave verließ unter tiefen Verbeugungen die Kammer und suchte gehorsam die Soldatinnen auf. Etwas irritiert kehrte er jedoch frühzeitig zurück. „Oh, edle Dame. Eure Begleiterinnen möchten nicht gestört werden. Ich stehe nun Ihnen zu Ihrer alleinigen Verfügung.“

Das Lächeln der angeblichen Lyka gefror. „Gut. Äh…., trink doch erst mal einen Krug mit mir.“ Der Jüngling setzte sich nach einer Aufforderung neben die Schleierfrau. Er nippte an dem scharfen Gebräu. Nur selten durfte er Brandwein trinken. Die wohlige Wärme, die sich in seinem Magen ausbreitete, war angenehm. Er trank mehr und fragte sich gleichzeitig, warum die Dame selbst hier in ihrer Kammer den Schleier trug. War sie so hässlich oder würde ihn ihre Schönheit blenden? Hoffentlich das zweite! Doch statt den Stoffbehang zu lüften, goss sie ihm wieder und wieder den Krug mit Rum voll und stieß mit ihm an. Insgeheim schüttete Lykos jede zweite seiner Portionen in den Nachttopf.

Bald schon war der junge Mann, der keinen Alkohol gewohnt war, so betrunken, dass er nur noch lallte und seine Augen kaum noch offen halten konnte. Plötzlich kippte er nach einem Rülpser zur Seite und blieb ohnmächtig liegen. Zufrieden grinste Lykos und legte den Schleier ab. Vor dem Morgen würde der Jüngling nicht erwachen. Nun stand seiner Bettruhe nichts mehr im Wege.

Am nächsten Tag machten sich „Lyka“ und ihre beiden Gefährtinnen an die Arbeit: die Suche nach dem entführten königlichen Gemahl Abas…

An diesem Tag trafen sich endlich Ceres und Phoibe wieder. Obwohl sie schon längere Zeit in der Metropole verbracht hatten, waren sie sich bisher nicht über den Weg gelaufen. Doch heute hatte Ceres zufällig ein Gespräch einer Lady mitbekommen, die von einer Dame aus dem Westen erzählte, die einen Sklaven besaß, der ebenfalls ursprünglich aus dem Westen stammte – eine Seltenheit und daher besonders kostbar. „Natürlich müssen solche Männer anfangs deutlich strenger erzogen werden“, wusste die mit ihrem Fächer wedelnde Frau, „denn sie kennen ihre Position in der Gesellschaft noch nicht. Aber mit einer harten und konsequenten Hand macht man aus ihnen wunderbare Spielzeuge oder auch Arbeiter.“

Ceres fragte, wie denn die gewisse Dame hieße, und da erwähnte die Frau Phoibes Namen. Sie wusste sogar deren Unterkunft. Also führte Ceres Weg zu ihrer Bekannten.
Die beiden Ladys begrüßten sich beim Wiedersehen mit leidenschaftlicher Umarmung und beschlossen, eine gemeinsame Wohnung zu beziehen. Ceres stellte ihren Liebessklaven Aphron vor, den Phoibe ein wenig neidisch betrachtete. „Er scheint mir ausgesprochen gut bestückt zu sein“, dachte sie und sah vorwurfsvoll zu Nereus.

Nereus dagegen stellte missgünstig fest, dass Aphron keinen Keuschheitsgürtel trug. Als Phoibe dies ebenfalls feststellte, lachte Ceres: „Aphron ist ein Sklave aus dem Reich der Pluta.“ Sollte das eine Erklärung sein? Phoibe sah fragend zu ihrer Freundin. Ceres begründete ihre Aussage. „Aphron ist gut abgerichtet. Er würde es niemals wagen, ohne meine Erlaubnis sein Vergnügen zu suchen. Sein einziger Daseinszweck ist, mir zu dienen und mich zu erfreuen.“ Sie lächelte allerliebst und sah zu ihrem Liebessklaven, der demütig zu Boden blickte. Das süße Leben als Dame im Ostreich war wirklich nicht zu verachten. Wenn genug Taler vorhanden waren…

So langsam ging dem Damenduo jedoch das Zahlungsmittel aus, so dass Nereus und Aphron für Nachschub sorgen mussten. Das stellte sich allerdings als schwieriger heraus, als geplant, denn in einem Frauenreich, in dem Männerarbeit fast nichts kostete, konnte man mit zwei Sklaven kaum Geld verdienen. Selbst wenn Aphron und Nereus täglich von früh bis spät geackert hätten, wäre ihnen nur genug geblieben, um ein armseliges Dasein zu fristen, ganz zu schweigen von dem exklusiven Lebensstil der Damen, der finanziert werden wollte.

Selbst in den zahllosen Bordellen wurde den Leibeigenen nur ein Hungerlohn ausgezahlt. Um also ein gutes Auskommen zu haben, benötigte Frau eine kleine Kompanie an Sklaven, die beispielsweise mehrere Felder bearbeiteten oder in einer Fabrik schufteten. Ceres und Phoibe hatten nicht mehr genug Gold für eine Batterie Sklaven, obwohl Männer im Ostreich keinen großen Wert darstellten. Was also tun? Notfalls mussten sie sogar selbst in einen Dienst gehen, um Münzen zu verdienen. Doch galt das in der Metropole für eine Dame für nicht schicklich. Es sei denn, es waren hoch bezahlte Führungspositionen, zum Beispiel in der Miliz oder im Palast. Aber im Kriegshandwerk hatten weder Ceres noch Phoibe Erfahrung.
59. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 08.06.19 12:33

Am nächsten Tag fragten sie daher bei der bekanntesten Sklavenhändlerin nach einer Beschäftigung. Die hart wirkende Frau nannte sich Flagella und war berühmt und berüchtigt dafür, eine noch härtere Hand gegenüber ihrer wohlfeilen Ware zu üben. Allerdings sorgte das auch dafür, dass sie in der Metropole eine formidable Reputation als Verkäuferin von perfekt abgerichteten Sklaven hatte. Dadurch verkaufte sie mehr Männer als jede andere Sklavenhändlerin weit und breit.

„Ich habe derzeit mannigfaltige Ware, dass ich in der Tat einige neue Erzieherinnen benötige. Sprecht! Habt ihr denn schon solch Kreaturen ausgebildet?“ Da mussten die beiden Damen verlegen ihre Gesichter verziehen. Selbst erzogen hatten sie Frischware noch nicht. Flagella versuchte es trotzdem: „Ihr könnt morgen anfangen. Aber eure privaten Diener bleiben zu Hause. Für Anfängerinnen zahle ich pro Woche nur den halben Lohn. Ich stelle euch eine meiner Mitarbeiterinnen zur Seite, die euch anlernt.“

Phoibe und Ceres waren sehr zufrieden. Sie unterschrieben mit dem in Tinte getränkten Gänsekiel, den Flagella ihnen reichte, das Pergament, auf dem der Arbeitskontrakt formuliert war. Morgen sollte es also beginnen – ihre Ausbildung zur Sklavenerzieherin. Das wollten sie in der Schenke bei Lautenmusik und Wein feucht-fröhlich feiern.

Im Vereinten Reich war von der düsteren Atmosphäre des Ostreiches nichts zu spüren. Sklavenhaltung war generell verboten. Stattdessen waren die Menschen frohen Mutes, und niemand musste Hunger oder Durst leiden. Für die Ärmsten der Armen standen Ledas großherzige Spenden zur Verfügung. Bedürftige erhielten kostenlose Zehrung.

Neben Bettlern und mittellose Jungfern waren darunter auch Aussätzige, die in braunen einfachen Roben durch die Lande zogen und sich außerhalb der Siedlungen aufhielten, um ihr karges Dasein zu fristen, bis der Dämon des Todes sie in sein Reich holte. Diese armen Menschen litten unter unheilbaren Krankheiten oder Flüchen und mussten mit einer Glocke andere Reisende warnen, ihnen zu nahe zu kommen.

Manche der armen Kreaturen überdeckten ihre aasigen Gerüche mit Räucherwerk, andere lagerten bei den verdammten Quellen mit ihren fauligen Dämpfen. Trotzdem ließ Leda ihnen vom Gesinde Körbe mit Mahlzeiten bringen, die sie an bekannten Orten ablegten. Einen direkten Kontakt wagten sie nicht, denn die Aussätzigen umhauchte eine Wolke aus den Tiefen der Unterwelt. Wer sie berührte, ging den gleichen Weg ins Verderben.

Ganz anders war die Situation weiterhin im Ostreich: Während die Ladys um Pluta rauschende Feste im Ballsaal gaben, darbten und schufteten Sklaven, litten unter der Folter in den Kerkern und Hungerlöchern der Tyrannin oder arbeiteten sich für ihre Herrinnen krumm. Auch heute feierten die hohen Damen ein luxuriöses Bankett voller Dekadenz. Vor den Palasttoren bettelten Sklaven derweil um einen Brocken alten Brots und wurden mit Peitschenhieben von den Wächterinnen unter lautem Gelächter vertrieben. Im Festsaal dagegen warfen die Ladys mit teuersten und exquisiten Speisen nur so um sich. Die Reste gingen an Bedienstete und die Wach- und Jagdhunde.

Ein Sklavenchor in bizarrer Gewandung – eine Korsage mit Schrittband - trat auf und sang Lobeslieder auf die ehrwürdige Pluta sowie die verdiente Herrschaft der Frauen über die niederen und unwürdigen Männer dieser Welt. „Haben sie nicht hübsche hohe Stimmchen?“, kicherte eine Edeldame entzückt. Doch nach einer Weile verstummten die femininen Sänger, und auch die Musik unterbrach ihr Spiel aus Harfe, Flöten und Trommel, Laute und Drehleier auf einen Wink der Herrscherin.

Nun folgte ein lustiges Spektakel aus zwei Narren. Die Tollpatsche wurden hereingeführt. In alberne Kostüme gekleidet, die jedoch ihre Gemächte frei ließen, gaben sie sich auf ein Schellenkommando abwechselnd Ohrfeigen. Dabei klingelten die Glöckchen an ihren Narrenkappen. Die Damen, die vergnügt dem Treiben beiwohnten, steckten an den Tischen kichernd und teilweise auch jubelnd ihre Köpfe zusammen. Hatten die kleinen Männer etwa harte Luststäbe? Offenbar waren sie erregt… Es ging die Runde, eine der Edelfräuleins hätte schon einen Narren unter ihrem Laken begrüßt, doch was dort geschehen war, darüber gab es nur weitere Gerüchte, die ins Kraut schossen.

Bald schon wussten die Faxenmacher nicht mehr, wo oben und unten ist. Aber die Schläge setzten sich fort, bis einer der Sklaven mit knallroten Wangen schwindelnd umkippte. Eine Wächterin versuchte ihn mit der Spitze ihrer Hellebarde wieder zu beleben. Bald sprang der Mann auf und drehte sich taumelnd im Kreis. Er knickte wieder ein und erhielt unter dem Gejohle des weiblichen Publikums einen kräftigen Tritt von seinem Kumpan in den Allerwertesten, der um ihn herumtanzte wie ein verrückter Derwisch.

Als der zu Boden gegangene Narr sich umdrehte, klatschte ihm der Konkurrent eine Schüssel mit Feigenmus ins Gesicht. Lautes Lachen brandete auf. Jetzt stürzte sich der getroffene Spaßmacher auf seinen Widersacher, umklammerte ihn und hob ihn hoch. Dann löste er seinen Griff und wollte ihm einen Kinnhaken verpassen, doch der Gegner wich aus und versenkte seinen Fuß im Gemächt des anderen.

Jaulend sank er auf den Boden zurück, während sich der Erste als Sieger feiern ließ und wie ein dressiertes Äffchen durch die Gegend sprang und die Arme hob. Er warf sich auf den Liegenden und versetzte ihm weitere Ohrfeigen, so dass die Schellen nur so klingelten und schepperten. Die beiden kleinen Sklaven rangen und boxten nun aufeinander ein. Ganz zur Belustigung der Zuschauerinnen. Einer der Beiden jaulte auf, als er einen Schlag auf die Nase bekam.

Angeheitert begannen nun die ersten Damen mit Lammkeulen, Bratäpfeln, Salbeifladen und Lachs in Biersud zu werfen. Bald waren die Kämpfenden in einem Matsch voll Speisen eingesaut und prügelten weiter auf sich ein, obwohl sie ihre gute Laune nicht zu verlieren schienen. Kniffe und Puffe austeilend rangen die Narren auf dem klebrigen Boden im Essensbrei und jammerten abwechselnd hell und laut über die Treffer, die sie sich schenkten.

Pluta strahlte über das ganze Antlitz. Die Blödlinge waren gut abgerichtet. Sie würden so lange aufeinander einhauen, bis sie den Kampf abbrach. Inzwischen waren alle Hemmungen bei den edlen Ladys gefallen, und sie warfen mit allem, was sie auf den Tischen fanden: Ochsenfleischbrühe, Hagebuttensuppe, Dinkelbrei, diverse Bratenscheiben, schließlich auch mit Met, Wein und Gewürzen. Der Saal ähnelte bald einem einzigen Trog voller Brei und Brocken. Die Damen spielten verrückt. Alle Beherrschung war gefallen, sich vornehm oder nach irgendwelchen gesellschaftlichen Regeln zu benehmen. Animalischer Instinkt war durchgebrochen.

Während einige Ladys noch die kämpfenden Narren anfeuerten und sie kreischend mit Gemüse und Obst bewarfen, waren sich einige Damen in die Arme gefallen und küssten sich leidenschaftlich. Manche lagen mit gerafften Kleidern auf den Bänken, andere hatten es sich gleich auf dem langen Tisch gemütlich gemacht und alles weggefegt, was im Weg gestanden hatte. Der Wein und die aufgeheizte Stimmung ließ sie alle Zügel fallen. Auf Plutas Befehl brachten einige Wächterinnen etwa 20 Liebessklaven in Lederharnischen herein. Die Damen rissen sich um die schönsten Männer und begrabschten sie gierig. Die Tyrannin sah dem Treiben selbstgefällig zu.

Ach, die süße Jugend, schwärmte sie. So verspielt und fröhlich!

Pluta selbst zog sich zurück. Irgendwann würden die Jecken entkräftet liegen bleiben, und irgendwann würden die jungen Damen genug von ihrer Orgie haben. Sollten sie sich ruhig austoben. Sie lebten nur ein Mal! Die Herrscherin gab der obersten Wache die Anweisung, die Liebessklaven nach Gebrauch sofort wieder in ihre Keuschheitsgürtel zu verschließen und sie zurück in das Palastharem zu bringen – nicht zu verwechseln mit dem privaten königlichen Harem der Regentin. Diese prachtvollen Männer gehörten nur ihr allein. Und dorthin wollte sie sich nun begeben, um den Tag ausklingen zu lassen.

Sie ließ sich von den Haremswächterinnen zu den Liebessklaven führen. Schon drängten sich die Männer um ihre Herrin – natürlich mit respektvollem Abstand. Eine unerlaubte Berührung wäre eine Todsünde gewesen. Jeder wollte aufgeschlossen werden. Pluta suchte fünf Sklaven aus. „Einer von euch wird heute seinen Stab in die Königin senken dürfen“, versprach die Tyrannin. Die Sklaven waren Feuer und Flamme und buhlten mit Blicken und Bewegungen um die Gunst der Herrin. Wen würde sie wählen? „Die Wahl fällt auf denjenigen, der am schnellsten die Pflockbank bewältigt“, bestimmte sie mit einem diabolischen Gesichtsausdruck.

Die Gesichter der Fünf waren schlagartig nicht mehr so erfreut. Die Pflockbank kannten sie bereits aus der Erzählung anderer Liebessklaven. Die Wächterinnen brachten fünf lange schmale Eichenbänke ohne Rückenlehne herein und stellten sie alle parallel zueinander auf. Pluta positionierte sich an das eine Ende, während die Sklaven sich jeder vor das andere Ende einer der Bänke stellen musste. Das Besondere an der Pflockbank war, dass auf der Sitzfläche in bestimmten Abständen ein Holzphallus nach dem anderen folgte. Insgesamt waren es sieben Stück, die der Reihe nach größer und größer wurden.

Aufgabe der Sklaven war nun, sich breitbeinig auf den ersten, gebutterten Stab zu setzen, dann auf dem zweiten Platz zu nehmen und so fort. Erst wenn die Gesäßbacken die eigentliche Sitzfläche berührten, durften sie sich wieder erheben und den nächst größeren Pflock in sich hineinrammen. Beim letzten Mal war einer der Jünglinge steckengeblieben und musste später hochgezogen werden. Ein Heidenspaß, wie er gequiekt und gegrunzt hatte.

Hinter Pluta befand sich ein kleiner aber bequemer Thronsitz. Dort nahm sie Platz und lächelte die Sklaven an. „Der Erste wird geöffnet und wird Einlass in mein Bettgemach finden. Der Letzte wird sechs Monate ohne Unterbrechung in den Keuschheitsgürtel weggesperrt. Und alle, die länger als einen Durchlauf meiner Sanduhr benötigen, werden meine neueste Peitsche kosten. Glaubt mir: Meine Peitsche ist sehr hungrig!“ Lachend drehte Pluta die große Sanduhr, die neben ihr stand, um und befahl mit ihrer scharfen Zunge: „Fürbass! Beginnt!“

„Lyka“ hatte inzwischen mit ihren beiden Gefährtinnen Hinweise erhalten, dass Abas in den Kerkerturm am Hafen der Ostküste gebracht worden war. „Was Pluta damit wohl bezweckt? Will sie ihn etwa als Galeerensklaven auf ein Schiff bringen?“, fragte sich Lykos. Dort wäre er kaum zu erreichen. Eine Befreiung von einer Kettenbank schien unmöglich. Abas würde nicht lange genug die Peitschen der Antreiberinnen ertragen, um ihn zu retten.

Die Dämmerung brach ein, und die Drei konnten sich unauffällig dem alten Turm nähern, der zwischen der Hafenmole und einem Anger lag. Es gab nur ein einziges kleines vergittertes Fenster. Und das war in etwa 15 Fuß Höhe. Mit einem Zeichen schickte Lyka die verkleidete Soldatin Helena in die eine Richtung um den Turm, um etwaige Wachen auszukundschaften; die andere Frau hieß Abraya und sollte in der anderen Richtung um die kleine Feste schleichen, bis sie auf ihre Kameradin stieß.

Lyka hingegen lüftete ihren Umhang und holte ein Seil mit einem Haken hervor, den sie geschickt schwang und mit einer genau berechneten Bewegung in die Höhe warf, so dass sich das Metall klickend mit einem Ruck an dem Fenstergitter verhakte. Aufmerksam horchte Lyka, ob Geräusche zu hören waren. Aber alles blieb still. Kraftvoll umfasste Lyka den Hanfstrick und zog sich langsam an dem gespannten Tau am Mauerwerk hoch. Schnaufend erreichte Lyka das Gitter und lugte in das dunkle Innere. Plötzlich erschien direkt vor seinem Gesicht eine Frau.

Lykos schrie erschrocken auf und vergaß, wie eine Frau zu klingen. Beinahe hätte er das Seil losgelassen und wäre in die Tiefe gestürzt. Hatte ihn eine Wächterin erwischt? Mit einem quietschenden Geräusch, das ihm in den Ohren geschmerzt hätte, wäre er nicht so erschrocken gewesen, öffnete sich das Gitter nach innen. Dann griffen zwei Hände zu und zogen ihn mit Mühe durch den engen Durchlass. Lykos´ Umhang rutschte ihm über den Kopf und eröffnete der Fremden den Blick auf seine Hose, die er unter dem langen Kleid trug sowie der Ausbeulung in seiner Hose. Seine Tarnung war aufgeflogen! Jetzt war alles aus!

Da erkannte er die Stimme von Helena: „Leise! Hier ist zwar niemand, aber der andere Turm ist nicht weit.“ Lykos befreite sich mit paddelnden Armen von dem Umhang über seinem Gesicht und kam sich wie ein Narr vor. Offenbar waren die Soldatinnen durch den Eingang in den Turm gestiegen. Sie waren auf keine Wachen und nicht mal ein Schloss an der Tür gestoßen, weil der Turm verlassen war. Als Kerker verwendete die Miliz einen anderen etwas größeren Bau, den die Drei in der Dunkelheit zunächst nicht gesehen hatten.

Abraya war bis auf das Dach des Turms geklettert und hatte den Bau erspäht. Gerade kam sie zu Lykos und Helena zurück und meldete: „Acht Wachen am Eingang. Fenster konnte ich gar keine sehen. Vielleicht ist auf dem Dach ein Gitter. Aber wie sollen wir acht Soldatinnen überwältigen – so leise, dass es niemand hört. 150 Fuß weiter sitzen – so müsst Ihr wissen - noch mindestens zwei Dutzend weitere gerüstete Frauen in einer Taverne.“

Lykos grübelte. „Ein Angriff wäre zu riskant. Wir müssen zunächst herausbekommen, auf welches Schiff Abas gebracht wird. Dann melden wir uns dort als Wachen. Ich habe gehört, dass sie weibliche Besatzungsmitglieder suchen.“ Der Plan war unausgegoren, aber auf die Schnelle fiel ihnen nichts besseres ein. Die restliche Nacht blieb das Trio auf dem Turm, denn ein Rückzug war nun nicht mehr möglich, da ein Pulk Soldatinnen sich in der Nähe des Eingangs niederließen, tranken, Kriegslieder sangen und männerfeindliche Witze rissen.

Die Zoten wurden mit zunehmender Stimmung immer vulgärer. Trotzdem blieben noch genügend Frauen aufmerksam genug, so dass das Trio sich nicht aus seinem Versteck traute. Um den Turm hatten die Gruppen Fackeln entzündet, und zwei Lagerfeuer brannten laut knackend in der Nähe, über denen sich Bratenspieße drehten. Dem Dreiergespann zog der verführerische Geruch des Wildfleisches in die Nase.

Nach einer weiteren Stunde waren Lykos, Helena und Abraya unter einem blutroten Vollmond eingenickt, doch dann wurden sie von lautem Gejohle, Gelächter und Gebrüll geweckt. Lykos lugte über die Zinne des Turmdaches hinunter, was da vor sich gehen mochte. Die Soldatinnen hatten zwei breite Bahnen mit glühenden Kohlen verstreut. Zwischen dem heißen Untergrund verlief eine schmale Spur von etwa zwei Handbreit. Auf dem engen Weg balancierten vier nackte Sklaven, die mit einem langen Stab, der an ihren Halseisen befestigt war, miteinander verbunden waren.

Mehrere Soldatinnen hatten sich außerhalb der leuchtenden Kohlen entlang der Bahnen aufgestellt und versuchten nun mit langen Spießen, Stäben und Hellebarden die Männer aus dem Gleichgewicht zu bringen. Dabei pieksten, schlugen und stießen sie schräg von hinten, damit sich das Quartett vorwärts bewegen musste. Taumelnd versuchten die Sklaven verzweifelt, auf der Bahn zu bleiben. Als die Männer das Ende erreicht hatten, zwangen die Frauen sie, den gleichen Weg zurück. Dieses Spiel wiederholte sich mehrmals. Immer, wenn die Sklaven schrieen, weil einer der acht Füße auf die Glut trat, krümmten sich die Zuschauerinnen vor Lachen und spornten die Frauen mit den Lanzen an, die Sklaven weiter zu treiben.

Lykos war sprachlos angesichts dieser Grausamkeit. Und das alles nur zur Belustigung der gelangweilten Soldatinnen! Trotzdem beobachteten die Drei aus dem Vereinten Reich das Geschehen weiter, das nun noch bizarrere Formen annahm: Jetzt wurden die Leibeigenen so gefesselt, dass die Handgelenke an den Fußgelenken des Vordermannes befestigt waren. So bewegte sich der kleine Tross im ungelenken Gleichschritt die gefährliche Bahn zwischen der Glut hindurch und wurde mit Stöcken der Frauen angetrieben.

Plötzlich kam eine Uniformierte, die offenbar einen hohen Rang innehatte, herbei geeilt. Lykos vermutete, dass die Frauen für ihren gemeinen Zeitvertreib nun getadelt würden. Und tatsächlich wies die Autoritätsperson die Soldatinnen an, die Sklaven von der perfiden Fesselung zu lösen. Doch dann hörte Lykos, warum sich die Vorgesetzte beschwerte: Sie hatte festgestellt, dass einer der Sklaven noch kein einziges Mal die Kohlen berührt hatte, weil sein Gleichgewicht besonders ausgeprägt war. Nun sollte auch dieser Mann zu seinem Lohn kommen.

Er wurde von zwei Soldatinnen wild im Kreis gedreht. Immer weiter, bis er sich kaum noch auf den Beinen halten konnte und nun den schmalen Durchgang zwischen den Kohlen entlang geschickt. Natürlich waren nun zahlreiche Schmerzensrufe garantiert, als er taumelnd immer wieder vom rechten Weg abkam. Und dann nahm die Vorgesetzte einer Frau die Hellebarde weg und stieß dem fast orientierungslosen Sklaven mit dem Stiel so kräftig mehrmals gegen den nackten Leib, dass der Mann sich in die Kohlen setzte.

Das Gejohle, das aufbrandete, war so laut, dass die hohen Schreie des Mannes kaum zu hören waren. Was für eine Gaudi für die Kriegsfrauen an diesem Abend! Die Offizierin ließ sich von ihren Untergebenen feiern, als sei sie von einer siegreichen Schlacht heimgekehrt. Im Anschluss wurde der Sklave von Frau zu Frau herumgereicht wie eine Trophäe, damit jede die Male bewundern konnte, die der Sturz verursacht hatte.

Endlich wurde der Mann von einem weiblichen Medikus bäuchlings über mehrere Getreibegarben gelegt und unter viel Spott und Häme mit einer Salbe versorgt, während die anderen Gewandeten an einem der Lagerfeuer dem beinenden Würfelspiel frönten, bei dem sie um ihren Sold spielten und sich an Weinschläuchen labten. Münzenhaufen wechselten ihre Besitzerinnen, und alte Legenden von rachedurstigen Göttinnen wurden zum besten gegeben.

Abas war derweil im anderen Turm an die raue Wand gekettet. Er befand sich in sitzender Stellung, die Handgelenke waren in Kopfhöhe an der Wand in rostige Eisenmanschetten gezwungen, genauso wie sein Hals. Die Beine hatte er an den Leib gezogen, um seine Scham zu verdecken, denn alle paar Minuten sah eine Wächterin durch das kleine Gitter seiner Zellentür und ließ den starrenden Blick neugierig zwischen seine Beine sinken. Der Keuschheitsgürtel, den Leda ihm angebracht hatte, verdeckte eben längst nicht seine ganze Männlichkeit.

Was hatte Pluta nur mit ihm vor? Abas fürchtete den Tod. Oder sollte er doch eher als Geisel ausgetauscht werden? In diese düsteren Gedanken versunken, öffnete sich knarrend seine Tür, und zwei Wächterinnen erschienen. „Nein, bitte nicht wieder“, bat er, als er den Trichter sah. Warum banden sie ihm nicht einfach die Hände frei? Vermutlich behandelten sie ihn bewusst so, um ihn zu demütigen. Er kannte die Prozedur bereits. Während eine der Frauen ihm den Kupfer-Trichter in den Rachen stopfte, schüttete die andere einen fürchterlichen warmen Brei aus Dickwurz in seinen Schlund, bis er fast glaubte, sein Magen würde platzen. Würgend musste er die Fütterung über sich ergehen lassen.

Wenigstens musste er keinen Hunger leiden, seufzte er. Dann verschwanden die Wächterinnen wieder und löschten die einzige Fackel an der Wand, die den Kerker in ein flackerndes Dämmerlicht getaucht hatte. Nun herrschte schwarze Finsternis. Abas hörte das spärliche Stroh rascheln. Ratten? Unwillkürlich spannte er seine müden Glieder an und horchte in die Dunkelheit. Doch irgendwann übermannte ihn trotz seiner Schmerzen und Ängste die Müdigkeit, Entkräftung und völlige Erschöpfung…
60. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von sheeeep am 10.06.19 23:51

Tolle Fortsetzungen mit tollen Ideen.Wie von dir gewohnt!Beim Wort "Galeere" bekomme ich leuchtende Augen.... Herzlichen Dank mal wieder!
61. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 15.06.19 19:43

Im Morgengrauen wurde der Königsgemahl von quietschenden Geräuschen geweckt. Im Halbschlaf versuchte er um sich zu schlagen, denn er erwartete einen Angriff von riesigen fetten Ratten. Aber seine Hände waren in Eisen gelegt, und es waren auch keine Nager, die ihn aus dem Schlaf geholt hatten, sondern die Wächterinnen, die das Gitter aufgeschlossen hatten, um ihn zu holen.

Wohin? Wohin wollten sie ihn verschleppen? Die Frage ersparte er sich, denn er kannte die Antwort schon: eine kräftige Ohrfeige oder ein Hieb mit der Reitpeitsche wäre die Belohnung für unerlaubtes Sprechen. Also zügelte er seine Zunge und ließ sich stumm abführen. Hoffentlich rettete Leda ihn bald aus seiner Gefangenschaft!

Die Frauen übergaben ihn an die Miliz. Abas schlurfte in Fußketten und mit Handeisen mitten zwischen den Frauen her aus dem Turmgebäude über den Hafenkai. Der Trupp marschierte auf ein Schiff zu. Eine Galeere, stöhnte Abas innerlich. Über eine Gangway, die aus einem breiten Brett bestand, wurde er an Bord grob gestoßen und dort von anderen Frauen übernommen. Zwei Damen führten ihn unter Deck in einen langen niedrigen Raum, der fast vom Heck bis zum Bug reichte.

Mindestens 30 Rudersklaven hockten dort auf jeder Seite hintereinander. Die also insgesamt 60 armen Kreaturen, nur mit einem schmutzigen Lendenschurz bekleidet, hatten jeder einen Riemen zu bedienen. In der Mitte zwischen der Steuerbord- und der Backbordreihe verlief ein schmaler Gang, auf dem zwei Frauen Abas nun zu einem der Plätze brachten. Er setzte sich auf die harte Holzbank. Die Fußkette schlug eine der Frauen an einem dicken liegenden Balken fest, gegen den Abas seine Füße abstützen konnte, um zu rudern. Die Handeisen nahm ihm die Uniformierte ab.

Als die Schergin gegangen war, sah sich Abas um. Die Männer hatten alle einen leeren Blick. Niemand nahm Kenntnis von dem neuen Kameraden. Abas drehte sich wieder um und besah sich das Ruder. Hier sollte er also seine Zukunft fristen? Als Galeerensklave? Er hatte gräuliche Geschichten gehört, in denen solche Männer nur wenige Jahre überlebten. Wer zu schwach zum Rudern war, wurde „ausgemustert“. Abas konnte sich lebhaft vorstellen, was das bedeutete.

Phoibe und Ceres freuten sich riesig auf ihren ersten Ausbildungstag. Flagella führte sie zu einer kleinen Käfigzelle, in der sieben Sklaven wie Sardinen gequetscht nebeneinander standen. Die Sklavenhändlerin holte einen hoch gewachsenen schlaksigen Mann heraus und verschloss die Tür wieder. Sie führte den Sklaven zu einem Pfahl und kettete ihn dort an. Dann entnahm sie einer Truhe ein Seil und einen Block aus Blei. Flagella band das eine Seilende geschickt um die Männlichkeit des Sklaven und brachte das Bleigewicht an. Als sie den Block sinken ließ, so dass sich das Seil spannte, stöhnte der Sklave auf.

Ceres und Phoibe staunten. Ceres erkundigte sich: „Warum wird das gemacht?“ Flagella erklärte: „Das ist die neueste Mode. Einige Edeldamen möchten hoch gewachsene Sklaven, spindeldürr und mit lang hinab reichenden Klöten. Dieses Exemplar ist bald verkaufsreif. Er muss noch ein wenig mehr abspecken, aber seht nur, wie tief seine Bälle schon hängen! Dafür war ein langes und hartes Training nötig.“

Plötzlich spurtete Flagella einige Schritte zur Seite und rief erbost: „Sofort aufhören damit! Ruiniert mir nicht die Ware!“ Ceres und Phoibe folgten der Händlerin und sahen, wie zwei junge Damen sich einen Spaß daraus gemacht hatten, einen Sklaven mit seinem Gemächt zwischen seine Beine an einem Mauerring zu befestigen und in mit einer Halsschlinge von der Wand wegzuziehen, so dass der Mann sich vorgebeugt zwischen den gespannten Seilen befand, und da seine Hände auf dem Rücken gefesselt waren, nichts gegen die zerrenden und kichernden Damen unternehmen konnte, die ihm seine Männlichkeit in die Länge zogen.

Als Flagella wütend zum Ort des Geschehens eilte, ließen die zwei Damen das Seil schnell fallen und eilten johlend davon. „So eine Unverschämtheit!“, rief Flagella hinterher. „Das grenzt an Frevel! Wenn ich die erwische, werde ich deren Prügelsklaven in Streifen schneiden!“ Aus ihren Worten klang heiße Wut. Sie untersuchte das Gemächt des Sklaven und brummte zufrieden. Es war alles heil geblieben, wenn der Leibeigene auch die nächsten Stunden Schmerzen haben würde.

Während die Sonne langsam über den Himmel zog, bildete Flagella die beiden ehemaligen Hofdamen aus dem Reich der Megara in der Handhabung der Peitsche aus. Zunächst blickten Ceres und Phoibe ihre Ausbilderin hochnäsig an. IHNEN wollte jemand zeigen, wie man einen Sklaven züchtigt? Aber dann wurden sie schnell kleinlaut, als sie Flagella mit einer vier Mann langen Bullenpeitsche ein kunstvolles Muster auf das Gesäß eines Sklaven zaubern sahen. Ungläubig starrten sie auf die akkuraten Striemen, die exakte Muster auf dem Sitzfleisch bildeten. Eine Gehilfin der Händlerin strich über den geschundenen Bereich einen heißen Kräutersud, der die Heilung beschleunigte.

Den restlichen Tag sollten die beiden Freundinnen mit dem Schlaginstrument üben. Dafür stellte ihnen Flagella mehrere Sklaven zur Verfügung. Bei Dämmerung hatten sie ein Dutzend Männer bearbeitet. Die Übungsobjekte trugen zwar keine so genaue Linien und Verzierungen wie Flagella sie demonstriert hatte, aber die beiden Damen waren mit ihrem Tageswerk zufrieden. Striemen reihte sich an Striemen. Mit jeder Stunde waren sie besser geworden.

Am Abend fragten sie Flagella, ob sie ihnen stumme Übungsobjekte gegeben hatte, denn sie hatten keine Knebel getragen, und trotzdem war niemals ein Schrei zu hören gewesen, obwohl Phoibe und Ceres sich in dieser Beziehung Mühe gegeben hatten, ihnen welche zu entlocken. Die Sklavenhändlerin lächelte hintergründig: „Nein, sie können sprechen und schreien. Aber ich habe es ihnen verboten.“ Ceres und Phoibe sahen sich verwundert an. Was konnte den Sklaven so viel Angst eingeflößt haben, dass sie die Schmerzen still ertrugen? Es musste unglaubliche Willenskraft erfordert haben.

Ceres wollte nachhaken, aber Flagella schritt eilig davon, denn eine Frau hatte sie zu einer Käuferin gerufen, die eine Handvoll Arbeitssklaven benötigte und einen Rabatt aushandeln wollte. Der erste Tag bei der Sklavenhändlerin war sehr interessant, aber auch anstrengend gewesen. Daher ließen sie sich von einer Sklavenkutsche zu ihrer Unterkunft fahren. Für ein paar kleine Münzen fuhr die Frau die beiden Passagiere die gewünschte Strecke und ließ Ceres und Phoibe aussteigen.

Die beiden Damen sahen der Kutsche hinterher: Sechs menschliche „Pferde“ zogen das Gefährt über die Straße. Die Kutscherin musste ihre „Tierchen“ nur hin und wieder mit der langen Peitsche antreiben. Die Sklaven wussten, dass sie kein Futter bekamen, wenn ihre Herrin unzufrieden war. Bei der sowieso schon kargen Kost vermieden sie möglichst jede Unbill und arbeiteten lieber bis zur völligen Erschöpfung.

Ceres stieß Phoibe neckend an: „Gib es zu! Du hast die ganze Zeit auf die knackigen Ärsche der Sklaven gestarrt wie ein geiler Stier auf das Hinterteil einer Färse!“ Phoibe schubste spielerisch zurück: „Und du? Du etwa nicht? Es waren schon leckere Jungs. Ich glaube, ich nehme gleich ein schönes Bad, lasse mich von Nereus massieren und dann… werde ich eine neue Aufgabe für ihn haben…“ Ceres kicherte: „Und ich werde mich um Aphron kümmern.“

Als die Sonne aufging meldeten sich drei Frauen am Hafen, um als Besatzung einer Galeere anzumustern. „Lyka“ und ihre Begleiterinnen stellten sich als erfahrene Seefahrerinnen vor, die bereits auf verschiedenen Sklavenjägerschiffen über das Ostmeer gefahren seien. Die Behauptung wurde nicht hinterfragt, und alles war einfacher, als sie gedacht hatten. Sie mussten lediglich ein Pergament unterzeichnen, erhielten einige Münzen als Heuer und sollten sich am Kai melden, wo drei Galeeren angelegt hatten.

Das Trio begab sich zu den besagten Schiffen und fragte sich, auf welches der Fahrzeuge Abas gebracht worden war. Leider hatten sie nur in Erfahrung bringen können, dass ein „wichtiger Gefangener“ zum Frondienst auf eine Galeere gebracht worden war. Wie diese jedoch hieß, war ihnen nicht bekannt. „Vielleicht sollten wir uns aufteilen“, schlug Lyka vor. „Dann ist einer von uns auf jeden Fall bei Abas an Bord.“ Helena und Abraya waren einverstanden, so dass sie sich trennten und zu den verschiedenen Gangspills gingen, um sich als neues Besatzungsmitglied zu melden.

Eine Offizierin begrüßte sie und wies sie in ihre Aufgaben ein. Es verlief auf allen drei Schiffen etwa gleich: Die Anwärterinnen erhielten eine Uniform, eine Peitsche und einen Schlafplatz im Heck zugewiesen. Auf der Überfahrt zum Ostkontinent würden sie im Wechsel mit anderen Frauen die Sklaven beaufsichtigen. Dazu gehörte es, dass sie darauf achteten, dass diese im richtigen Tempo ruderten. Der Rhythmus würde von einer Trommel vorgegeben. Außerdem wurden regelmäßig frische Sklaven aus dem untersten Deck geholt, und erschöpfte Ruderer nach unten getrieben – oder geschleift.

Die Galeere verfügte über etwa doppelt so viele Leibeigene wie Ruderplätze. Dann zeigte die Offizierin der Anwärterin Helena noch das Schiff: das untere Sklavendeck, die Frachträume, die Messe, in der die Besatzung aß, die Kombüse und sogar die Kapitänin durfte sie besuchen. Die Kabine der Frau war mit edelsten Hölzern verkleidet, die kunstvolle Schnitzarbeiten aufwiesen. Auf dem Tisch stand eine Schale mit frischem Obst neben einer Weinkaraffe aus Kristallglas. Helenas Quartier war dagegen eng und spartanisch eingerichtet.

Lykos musste lustvolle Gedanken niederkämpfen, als er die langhaarige Herrin auf „seiner“ Galeere sah. Was für eine Schönheit! Zwar hatte sie harte Gesichtszüge, die fast grausam zu nennen waren, aber ihre Figur und Ausstrahlung würden so manchen Mann verzaubern, dachte Lykos, der eine sich bildende Verhärtung in seinem Beinkleid verspürte und froh war, dass die Uniform neben einer engen Hose auch eine lange Jacke beinhaltete, die sein Gemächt verdeckte.

Das Antlitz hatte er mit einem Seidenschal bis in Augenhöhe verdeckt, um sein maskulines Kinn und die Bartstoppeln zu verbergen, die schneller wuchsen als ihm lieb war. Diese Gesichtslarve war zwar ungewöhnlich, aber Lyka hatte der Offizierin von einem angeblichen Brandmal vorgeschwindelt, dessen sie sich schämen würde. Die Frau war selbst eitel genug, um ihm ihren Glauben zu schenken.

Helena und Abraya hatten da weniger Probleme. Als echte Frauen benötigten sie dieses Versteckspiel nicht. Bei einem flüchtigen Blick auf die Ruderer hatte keine der Drei den Gesuchten gesehen. Aber er konnte sich ja auch gerade im unteren Deck befinden, wo eine weitere Schicht von angeketteten Leibeigenen auf ihren Einsatz auf den Bänken wartete.

Plötzlich ertönten Posaunen, die schweren Seile, mit denen die Schiffe an der Kaimauer befestigt waren, wurden gelöst, und die Galeeren entfalteten lautstark ihre großen weißen Segel. Diese Arbeit erledigten männliche Matrosen. Bei ihnen handelte es sich zwar auch um Sklaven, doch wurden diese bevorzugt behandelt. Sie trugen kaum Ketten und waren vollständig bekleidet. Ihr Wissen um die Seefahrt machte sie wertvoll. Die Ruderer dagegen waren einfach austauschbar. Viele von ihnen würden das Ostreich nie wieder sehen. Für sie war diese Fahrt über das Meer die letzte Reise…

Schon nach wenigen Tagen hatten sich Lyka, Helena und Abraya gut eingelebt. Einige Stunden des Tages verbrachten sie zwischen den armen Kreaturen im Ruderdeck und peitschten auf diejenigen Nackten ein, die es wagten, aus dem Takt zu kommen. An Deck knatterte derweil das große Segel unter dem rauschenden Wind, die Taue sangen ihr Lied, und der Mast knarrte vor sich hin.

Helena sah am fünften Tag der Überfahrt einen Sklaven, dessen Gemächt an einem Eisenring und einer kurzen Kette am Boden des Schiffes befestigt war. Auf Nachfrage bei der Offizierin, erklärte diese: „Das ist eine Disziplinarmaßnahme. Der Sklave war während der Nachtschicht faul gewesen und wollte sich in eine Ohnmacht flüchten. Aber ich habe ihn wieder aufgeweckt“, grinste sie bei der Erinnerung an das kalte Bad für den Sklaven und die knappe Rettung vor dem gierigen Hai. „Er wird diesen schweren Ring zukünftig tragen müssen. Ein hübscher Schmuck für den Unwilligen, der ihm ein wenig mehr Disziplin lehrt.“

Helena peitsche nur soviel, wie nötig, um nicht aufzufallen. Oft knallte sie mit den Lederriemen auch absichtlich neben die Sklaven. Doch trotzem taten ihr die armen Menschen leid, die um ihre Leben ruderten. Wenigstens war Abas nicht unter ihnen. So viel war inzwischen klar. Ein Problem weniger. Abraya oder Lykos hatten das „große Los“ gezogen. Vielleicht, so hoffte sie, ging es ja auf anderen Schiffen weniger rüde zu.

An Bord von Abraya ähnelte sich der Tagesablauf. Allerdings führte hier eine trinksüchtige Kapitänin das Regime. Sie blieb fast den gesamten Tag über in ihrer exklusiven Kabine, um sich von ihrem Liebesdiener verwöhnen zu lassen; doch wenn sie auftauchte, dann tobte sie meist in einem Wutausbruch über die Decks, beschimpfte die männliche Besatzung, dass sie die Sklaven nicht im Griff hätten und zu lax mit ihnen umgehen würden. Die Matrosen wurden mit überflüssigen Segelmanövern schikaniert. Wer zu langsam war, wurde für Stunden in den Ausguck geschickt, wo er, sich festklammernd, gegen Wind und Übelkeit ankämpfte und des Nachts elendig fror.

Abraya waren die extremen Temperaturschwankungen in dieser Gegend bereits aufgefallen: des Tags Hitze wie im Südreich, aber des Nachts herrschte winterliche Kälte. Wer im Ausguck „Strafsitzen“ musste, wurde von der Kapitänin meist splitternackt hinauf geschickt. Tagsüber litt der Delinquent furchtbaren Durst und musste die brennende Sonne ertragen; nachts dagegen waren die eisige Kälte und der scharfe Wind schneidend wie dutzende Messerklingen, die den ungeschützten Leib quälten. Abraya hatte Abas in all den Tagen nirgends entdeckt. Er war, so vermutete sie, wohl bei Helena oder Lykos an Bord. Wenigstens war dem Gemahl der Königin diese trinksüchtige Furie erspart worden.

Lyka, alias Lykos, konnte seine Überraschung kaum bezwingen, als er den königlichen Gemahl am vierten Tage der Reise auf einer Ruderbank entdeckte. Sein Zustand war erbarmungswürdig. Abgemagert und mit dicken Schwielen an den Händen sowie zahlreichen hässlichen Striemen am Körper bedeckt, machte er einen armseligen Eindruck.

Fast hätte Ledas Agent den Gesuchten nicht erkannt. Das lag allerdings an einer anderen Tatsache: Alle Rudersklaven waren, so ungepflegt sie sonst waren, frisch rasiert – am gesamten Körper. Ohne Haare und in seine Verfassung hatte Abas alle Ähnlichkeit mit Ledas Gatten verloren. Nur sein Keuschheitsgürtel war ungewöhnlich, da die anderen Ruderer keinen trugen. Lykos war beschämt, seinen König nicht früher bemerkt zu haben. Wie oft musste er bereits an ihm vorbeimarschiert sein?!

Nun hieß es, ihn möglichst unauffällig zu schonen. Wenn Lykos zukünftig seine Peitsche in seine Richtung schwingen musste, so würde er versuchen den Vorder- oder Hintermann zu treffen – oder noch besser: die Luft über ihnen. Bei der heutigen Ablösung würde er versuchen, mit Abas Kontakt aufzunehmen. Er würde behaupten, dass Abas trotz harter Schläge nicht mehr den Takt halten könne und abgelöst werden müsse. Dann würde er ihn ins Sklavendeck schaffen und ihm zuraunen, wer ihn schickte.

Als die Sonne sich schlafen legte, setzte Lykos seinen Plan in die Tat um und war für einen kurzen Moment Abas so nahe, dass er ihm zuflüstern konnte: „Tut ganz unauffällig. Ich bin Hauptmann Lykos. Ich erbiete Euch meinen Gruß. Königin Leda schickt mich, Euch zu retten. Wenn wir den nächsten Hafen erreichen, befreie ich Euch.“ Abas hob vor Überraschung den Kopf, doch beherrschte er sein aufwallende Verwunderung und nickte nur kaum vernehmbar. In der Enge des Schiffes war es nicht möglich, alleine zu bleiben. Doch trotzdem schaffte es Lykos dem königlichen Gemahl unbemerkt ein Stück Brot in die Faust zu drücken, das Abas, einen Hustenanfall vortäuschend, schnell in den Mund steckte. Welch Gaumenschmaus nach dem faden Sklavenbrei der Vergangenheit!













62. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 07.07.19 10:18

Pluta ließ ihren schweren Zepter auf die Armlehne des Thrones knallen, als sie mit verzerrten Gesichtszügen durch die Halle schrie: „Was? Warum kann der Tanzsklave sein Stück nicht aufführen? Ein verstauchter Fuß? Bringt ihn her! Sofort!“ Die Tyrannin war stinksauer. Heute Abend sollte ein Tänzer zu ihrer Lieblingsmusik eine Darbietung präsentieren, um sie und eine ausgesuchte Gruppe edler Hofdamen beim Abendbankett an der Tafel zu unterhalten. Doch der Sklave hatte sich beim Training den Fuß umgeknickt.

Pluta ließ ihn vorführen, stand von ihrem weinroten Samtkissen auf und zeigte mit dem Zepter wie mit einem Dolch auf den zitternden Leibeigenen: „Wenn er nicht tanzen kann, so soll er den Abend in aller Ruhe verbringen dürfen, damit sein Fuß genesen kann.“ Der Tänzer kniete vor seiner Herrscherin und starrte unbehaglich auf den Marmorboden. Was hatte das zu bedeuten? Die Herrscherin war wütend. Warum nun die unerwartete Gnade?

Später am Abend sollte er es erfahren: Die Wachen führten Plutas Befehl aus, den Mann auf einen stehenden Holzpfosten zu setzen. Die Kantenlänge der quadratischen Sitzfläche betrug weniger als eine Handlänge. So musste der Kerl, nur in einen Lendenschurz gehüllt, verharren, während um ihn herum das Bankett aufgebaut wurde. In Mannshöhe baumelten seine Beine von seinem Ehrenplatz herunter.

Bald schon wurde der harte kleine Sitz peinvoll. Selbst seine Hände, die hinter seinem Rücken gefesselt waren, konnten ihn nicht abstützen und ihm so Erleichterung verschaffen. Das Gleichgewicht zu halten kostete ebenso viel Kraft. Doch damit nicht genug: Während der feuchtfröhlichen Feier hängten Wächterinnen dem Mann auf Plutas Geheiß noch Ketten mit eisernen Kugeln an die Beine, die ihn nun mit größerem Gewicht auf den harten Pflock pressten.

Das Bankett ging dekadent und mit Liedgut, Tanz und Völlerei stundenlang weiter, bis die Feiergesellschaft satt und betrunken auf den Bänken saß – oder großteils eher unschicklich hing. Selbstverständlich waren an den Tischen nur Damen zugelassen. Doch jedes Hoffräulein, das etwas auf sich hielt, hatte einen Lustsklaven mitgebracht, der artig hinter ihr auf dem Boden kniete und wie ein dressiertes Hündchen mit dem Mund nach Essenshappen schnappte, wenn seine Herrin ihm kichernd etwas zuwarf.

Eine junge Lady in einem samtroten Rüschenkleid langweilte sich fürchterlich und trat immer wieder nach dem Sklavenjüngling, der unter dem Tisch hockte. Was sollte sie sonst tun? Sie stocherte in den Delikatessen und rutschte auf dem Sessel herum. Es gab Verpflichtungen bei Hofe, die sie hasste. Sie drehte eine Locke ihrer feuerroten Haarpracht um einen Finger. Dann trat sie wieder zu, und ein dumpfes Stöhnen antwortete ihr unter dem Tisch. Sie suchte mit dem Fuß nach dem Gemächt der Kreatur. Mit einem sardonischen Grinsen stieß sie wieder zu. Dieses Mal war der Schmerzensruf lauter. Die kleine Lady gluckste. Und trat erneut zu.

Manche Damen wurden auch von zwei oder mehr Sklaven begleitet. Je mehr Liebesdiener eine Frau um sich scharte, desto größer ihr Ansehen und die Bewunderung, die ihr sicher war. Dabei zählte jedoch nicht nur die Quantität der Sklaven, sondern insbesondere die Größe ihres Gemächtes. Denn solche Männer waren selten und entsprechend teuer. Um sie zu präsentieren, trugen die Sklaven Hosen, die jedoch in den Lenden ausgeschnitten waren. Vielen der Leibeigenen hatten ihre Besitzerinnen die Männlichkeit mit Schmuck aus Edelmetall oder bunten Bändern verziert, um sie hervorzuheben. Einige trugen kleine Glöckchen um ihren Liebesstab.

Der verhinderte Tänzer war fast vergessen, und litt leise stöhnend auf dem Pflock weiter. Doch er sollte aus seiner lamentierenden Litanei von Pluta geweckt werden: Die Herrscherin ließ die Tische abräumen und klatschte in die beringten Hände. Daraufhin brachten sechs Wächterinnen einige Sklaven herein, die jeweils zwei große Kübel trugen. Diese schütteten eine stinkende Brühe um den stehenden Holzbalken. Erst jetzt sahen die meisten Anwesenden die runde Umgrenzung am Boden, die eine Art niedrigen Zuber bildete. Dieser wurde von den Sklaven nach und nach mit hunderten Litern der Flüssigkeit gefüllt.

Als das flache Becken etwa ellenhoch gefüllt war, schleppten vier weitere Sklaven einen langen großen Korb mit Kohlköpfen herein. Die Damen sahen dem Geschehen interessiert zu. Was hatte sich ihre Majestät für heute zur Belustigung ausgedacht? Vier andere Sklaven schoben ein großes Gerät herein. Es war eine Art Schleuder, die einer Armbrust ähnelte. Sie wurde in 30 Fuß Entfernung zu dem Sitzbalken positioniert. Pluta stand auf und zeigte auf den sitzenden Tänzer, der in luftiger Höhe immer noch seinen marternden Platz besetzte. „Als Höhepunkt des Abends habe ich mir ein unterhaltsames Wurfspiel ausgedacht.“

Die Spielregeln waren schnell erklärt: Jeder Tisch bestimmte eine Schützin. Jede Teilnehmerin hatte einen Schuss, dann war die Nächste an der Reihe. Gewonnen hatte das Turnier natürlich diejenige, die den Tänzer „tanzen“ ließ, nämlich ihn in den Mist schickte. Aufgeregt kreischte und feuerte die Menge die ausgewählten „Athletinnen“ an, während der Mann auf dem Pflock ängstlich um sein Gleichgewicht kämpfte. Ein Kohl nach dem anderen knallte auf seinen Körper, auf Brust, an Kopf und gegen seinen Bauch, und immer öfter strauchelte er, konnte sich aber gerade noch auf seinem unfreiwilligen Sitz halten.

Sollte er der Qual ein Ende bereiten? Er könnte sich fallen lassen. Die Schmach, in die Brühe zu spritzen, war zwar groß, doch sein Hintern brannte inzwischen wie Feuer. Aber was war, wenn jemand bemerkte, dass er sich absichtlich hatte hinabstürzen lassen? Dem Mann wurde die Entscheidung abgenommen, denn im nächsten Moment traf ihn ein Kohl hart an den Kopf, der ihn nach hinten schwingen ließ, und kurz darauf folgte wieder ein Geschoss, das ihn endgültig aus dem Gleichgewicht brachte. Er versuchte noch sich irgendwie zu halten, aber der Körper zog ihn mitsamt den Eisenkugeln hinab in die schwarze Brühe.

Mit einem lauten spritzenden Aufplatschen landete er in dem Dreck. Er bekam kaum den wilden Jubel mit, der aufbrandete. „Schaut ihn euch an!“, rief Pluta. „Das Schwein suhlt sich im Mist! Lasst es uns zu Seinesgleichen treiben!“ Einige der Damen griffen nach ihren kurzen Gerten und kamen auf den Tänzer zu, dessen Körper von oben bis unten mit der matschigen Pampe bedeckt war. „Auf alle Viere, wie es sich für dich gehört!“, befahl Pluta, und sah zufrieden, wie eine Handvoll Fräuleins mit Gerten den Tänzer aus dem Saal trieben, der sich nur auf Händen und Knien vorwärts bewegen durfte. „Grunz wie die Sau, die du bist!“, forderte ein Edelfräulein und knallte ihm ihre Gerte heftig auf das Hinterteil. An dem „Schweinerennen“ hatten in erster Linie die jüngeren Damen teilgenommen. Sie würden dem Mann einen unvergesslichen Tag bereiten.

Am nächsten Morgen schlenderte eine kleine Gruppe Hofdamen durch den kunstvoll angelegten Park des Palastes. Die ausschweifende Feier war verklungen, und der junge Tag verbreitete friedliche Wärme. Die Ladys lauschten dem grüßenden Vogelgesang in der Früh und genossen die ersten angenehmen Sonnenstrahlen und die herrlichen Düfte der Blumen und farbigen Blüten. Auch eine Senatorin schritt durch die Grünanlage und ließ sich von der Sonne streicheln. Doch irgendetwas störte die Harmonie. War das Gestöhne, Gewimmer?

Alekto schritt schneller in Richtung der misstönenden Geräusche. Sie traf auf die Gruppe junger Damen. „Guten Morgen. Was sind das für grausige Laute?“ Eine der Fräuleins zeigte den Weg entlang: „Dort hinten liegt der Tänzer im Trog. Wir… Äh…. Einige Damen haben ihn gestern dort gefesselt.“ Die junge Frau befürchtete einen Tadel von der ehrwürdigen Senatorin. Vielleicht hätten sie den Sklaven gestern noch befreien sollen? Alekto meinte: „Sein Gejammer und Gekrächze stört den morgendlichen Frieden. Ich möchte, dass ihr dem Schwein sein dreckiges Maul stopft.“

Die Dame machte einen schnellen Knicks und sagte erleichtert: „Jawohl. Euer Wille geschehe. Das werden wir sofort erledigen, werte Senatorin.“ Alekto sah sie ernst an und rügte: „Und das mir das nicht noch mal passiert!“ Der Sklave war zwar liebreizender Zierrat in dem sonst so langweiligen Garten, doch ihren Ohren würde guttun, wenn die Kreatur stumm wäre. Dann ging sie erhabenen Schrittes weiter, um sich der Politik zu widmen.

Heute sollte ein Gesetz erlassen werden, dass darüber entschied, was mit Sklaven einer Besitzerin geschah, wenn diese starb und kein Testament hinterließ. Würde ihr Eigentum versteigert, gehörte es der Herrscherin oder würden die Sklaven mit ihrer Herrin in das Reich des Todes hinabsteigen? Alekto musste lächeln, als sie sich daran erinnerte, dass eine Senatorin in einer Vorbesprechung aus Spaß vorgeschlagen hatte, den Sklaven in diesem Fall die Freiheit zu schenken. Natürlich hatte der nicht ernst gemeinte Vorschlag großes Gelächter im Senat hervorgebracht. Alekto lächelte. Ihre schlechte Laune, hervorgerufen durch den krakeelenden Tänzer, war vergangen.

Ceres und Phoibe hatten inzwischen ihr eigenes kleines Heim. Zunächst war es nur gemietet, doch bald wollten sie es erwerben. Heute hatten sie frei und genossen den sonnigen Tag. Aphron und Nereus putzen, wuschen und kochten für ihre Herrinnen. Am Nachmittag diskutierten die Damen darüber, welcher Sklave die bessere Libido habe. Ceres war überzeugt: „Aphron natürlich, denn er ist ein ausgebildeter Liebessklaven und kann mein Lendenfeuer entfachen wie niemand sonst. Nereus dagegen kommt aus dem Westen und gehorcht manchmal nur widerwillig.“

Das wollte Phoibe nicht auf sich sitzen lassen. So stritten die beiden Damen eine längere Zeit und kamen schließlich auf eine Idee: Die beiden Sklaven sollten den Beweis für ihre Potenz vor ihren Augen selbst erbringen. Dazu sollten sie auf Kommando gleichzeitig ihren Samen so schnell wie möglich verströmen. Sie standen nebeneinander und wurden von ihren Herrinnen durch Rohrstockhiebe auf den Allerwertesten angetrieben. Halb ernsthaft und ehrgeizig, halb kichernd und amüsiert, heizten die Damen ihre Sklaven an, während die Leibeigenen ihre Luststäbe wie toll bearbeiteten.

Aphron vergoss als erster den gewünschten Beweis. Ceres jubelte und hob die Arme. „Ich wusste es!“ Phoibe grummelte unzufrieden, schlug Nereus auf die Finger und verschloss ihn wieder in seinen Keuschheitsgürtel. „Dafür wirst du büßen“, sagte sie ihm. Sie nahm sich fest vor, ihren Sklaven so schnell nicht wieder von seiner Lust zu befreien. „Zur Strafe wirst du jetzt…“ Sie drückte seinen Kopf auf den Boden, wo Aphron sich ergossen hatte.

Am nächsten Tag lernten sie bei der Sklavenhändlerin unterschiedliche Halseisen anzuwenden: Würgebänder (mit und ohne Spitzen), Streckbänder und besonders schwere Varianten, die eher einer Maske ähnelten und zugleich wie ein Knebel funktionierten. Interessiert sahen sie zu einem Sklaven, dessen kompletter Kopf in einer hohlen Metallkugel steckte. Flagella erklärte: „Sie ist am Hals sogar wasserdicht. Und ganz oben befindet sich ein kleines Atemloch. Dort können auch Flüssigkeiten eingefüllt werden. Ceres stellte sich fasziniert vor, was das alles sein könnte. Der Träger musste den Inhalt schlucken, um atmen zu können. Fasziniert erfreute sie sich an dem hilflosen Anblick des Mannes. Wie lange er wohl schon in dieser Kugel steckte?

Dann zeigte Flagella noch andere „Sklavenkleidung“, die hauptsächlich der Bestrafung diente und von den Betroffenen eine gewisse Zeit getragen werden musste: eine Halsgeige, diverse Spreizstangen, Dornenbänder, eiserne Masken und Helme sowie Maulsperren unterschiedlicher Art und Weise. Als Phoibe eine „Mundbirne“ begutachtete, warnte Flagella: „Probiere sie ruhig an einem Sklaven aus. Aber sei vorsichtig dabei: Damit kannst du ihm schnell die Kiefer ausrenken!“

Phoibe winkte eine Kreatur herbei, die zum festen „Inventar“ der Sklavenhändlerin gehörte und nicht angekettet war. Der Mann trug nur einen Keuschheitsgürtel und ein Halsband aus Bronze mit den Initialien der Besitzerin. Sofort eilte er herbei und fiel vor Phoibe auf die Knie, den Blick gesenkt, die Hände auf seine Oberschenkel platziert. Die Demut in Person. Phoibe steckte ihm die Maulsperre zwischen die Zähne und drehte langsam die Schraube auf, so dass sich die zwei Teile des Instruments auseinander bewegten.

Bald schon begann der Sklave zu stöhnen und zu jammern, obwohl er auf eine hohe Schmerzschwelle dressiert war. Phoibe erkundigte sich: „Kann man noch weiter spreizen?“ Flagella erklärte: „Das ist nicht sinnvoll. Es wäre dumm, gute Ware zu beschädigen. Wenn du ihn mit der Mundbirne bestrafen möchtest, ist es besser, es mit dem Spreizen nicht zu übertreiben. Stattdessen kannst du die Knebelung lieber eine längere Zeit beibehalten. Das wird ihn hübsch disziplinieren.“

Phoibe fragte: „Kann ich so ein Ding erwerben? Ich würde es gerne bei meinem Sklaven ausprobieren.“ Flagella sagte großzügig: „Sicherlich. Es kostet nicht viel. Ich ziehe es von deinem ersten Lohn ab. Nimm es ruhig mit nach Hause. Ich habe eine ganze Kiste davon.“ Phoibe wirkte richtig stolz und steckte die Mundbirne ein, nachdem sie den Sklaven davon befreit hatte. Gerade noch rechtzeitig war sie dem Schwall Speichel ausgewichen, der aus dem Rachen floss. Ängstlich sah er zu seiner Eigentümerin, ob sie ihn für diese Unart bestrafen würde, aber die Händlerin hatte davon gar nichts mitbekommen.

Ceres sah ein wenig neidisch zu ihrer Freundin hinüber. Sie würde sich auch ein schönes Teil aussuchen, das sie für Aphron nutzen konnte. Auswahl gab es hier reichlich. Viele Funktionen der Gerätschaften erschlossen sich ihr gar nicht. Aber sie wollte nicht als dumm dastehen und wagte nicht zu fragen. Am Abend hatte sie etwas gefunden: Einen breiten Eisenring, dessen Bestimmung Flagella erläuterte: „Der wird um die Männlichkeit geschlossen. Durch das Gewicht und die Dehnung werden die Bälle hinabgezogen. Einige Ladys bevorzugen Liebessklaven mit tief hängenden Dingern. Es ist auch ein schöner Schmuck. Und im Zusammenspiel mit einer Keuschheitsschelle sicherlich auch sehr interessant.“

Ceres drehte den breiten Ring in ihren kleinen Händen. Er war fast fingerlang. Und sehr schwer. Sie konnte ihn fast über ihr zartes Handgelenk stecken, aber der kräftige große Aphron würde ihn in verschlossenem Zustand nicht mehr aus seinem Schoß entfernen können. Ceres nahm sich vor, Aphron zu Hause nur noch nackt herumlaufen zu lassen, um das neue Schmuckstück bewundern zu können. – Und natürlich auch die baumelnden Kugeln… Ceres grinste breit. Phoibe sah sie verwundert an. Was ihre Freundin wohl umtrieb?

Die drei Galeeren waren weit von jedem Gestade entfernt. Keine Wolke trübte den blauen Himmel. Der Wind war eingeschlafen, so dass sich die Rudersklaven kräftig in die Riemen stemmen mussten. Im erbarmungslosen Takt der Trommeln schufteten die nackten Männer schweißgebadet und mit Peitschenstriemen übersäht gegen den Wasserwiderstand an. Unter Deck war es noch heißer als an der frischen Luft.

Zwei Anheizerinnen waren nötig, um die Sklaven im Rhythmus zu halten. Die zwei Frauen trugen hohe schwarze Stiefel, die bis über ihre Oberschenkel reichten. Der oberste Teil der Beine war zu sehen, bevor die Haut unter einem sehr kurzen Rock verschwand, der mit einem breiten Ledergürtel um die Taille befestigt war. Die Schnalle zeigte eine große bronzene Darstellung eines Schlangenwesens. Als Oberteil trug die weibliche Besatzung ein korsettartiges Jäckchen, das ein schönes Dekollete machte.

Abraya peitschte gemeinsam mit einer Aufseherin auf die Ruderer ein, wenn diese – meist aus Erschöpfung - aus dem vorgegebenen Takt gerieten. Zum Glück war auf ihrem Schiff nicht Ledas Gemahl, so dass sie Abas nicht schlagen musste. Anfangs hatten ihr die armen Sklaven ein wenig leid getan, doch inzwischen hatte sie sich an ihre Position gewöhnt und sogar Gefallen daran gefunden. Diese Macht! Diese Autorität! Sie fühlten sich gut! Sie rief den Kreaturen lächelnd zu: „Schreit nur! Jeder, der jammert wie ein Sklave, wird auch gezüchtigt wie ein Sklave.“

Auch Helena hatte sich schnell in ihre Rolle gefunden und dachte darüber nach, ob ihr nicht ein Leben im Ostreich besser gefallen würde als im Vereinten Land unter Königin Leda. Dort ging es ihr zwar ganz gut, sie hatte ihren Sold, der ein ordentliches Auskommen sicherte, aber unter Pluta wurde sie von jedem männlichen Wesen wie eine Göttin behandelt, verfügte über günstige Arbeiter und… ja, auch Liebesdiener würden ihr hier zur Verfügung stehen.

Die Soldatin spürte, wie ihre Gedanken sie feucht gemacht hatten. Sie holte herzhaft aus und peitschte den nackten Rücken eines Sklaven, der nach dem Knall dumpf aufstöhnte.
Helena war beeindruckt, ja geradezu entzückt, welche Gefühle da in ihr wach wurden. Hatten sie all die Jahre tief in ihr geschlummert? Sie stand im wahrsten Sinne des Wortes über den Männern und wurde sich der Erregung bewusst. Hier gehörte sie her! Sollten Lykos und Abraya nach Abas suchen und ihn heimbringen. Sie würde hier bleiben. Oder war das nur eine schwärmerische Träumerei? Sie war sich nicht sicher…

Die Galeeren schnitten weitere 16 Tage durch die See und erreichten endlich ihr Ziel: den großteils unbekannten und wilden Ostkontinent. Hier würden sie frische Sklaven fangen und sie im Bug der Galeeren zusammenpferchen. Das Ostreich benötigte ständig Nachschub. Eine Offizierin hatte ihrer Schwester versprochen, ihr ein nettes „Spielzeug“ mitzubringen. Gerade erst zur Erwachsenen geworden, wollte diese ihren Freundinnen in nichts nachstehen. Und aus Erzählungen wusste die Jungfrau, was eine Dame so alles mit ihrem Sklaven anstellen konnte, um sich die Zeit zu vertreiben…

Lykos hatte es mehrfach versucht, aber bis auf kurze Wortfetzen konnte er sich Abas nicht unauffällig nähern. Er hoffte darauf, in einer Nacht vom Ankerplatz aus mit Abas auf das Land fliehen zu können. Seine Nerven lagen blank, denn sollte der Coup nicht gelingen, so waren er und Abas sicherlich des Todes!

Als die drei großen Anker der Schiffe endlich in einer Bucht in die Tiefe rauschten, schlug Lykos Herz schneller. Bald würden fast alle Besatzungsmitglieder mit Beibooten an Land fahren und die „Ware“ jagen.
63. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von sheeeep am 17.07.19 00:46

Ganz tolle Fortsetzung!! Und immer wieder wundere ich mich wo du die tollen Ideen hernimmst!Spitze!!
Und dann noch Galeeren,eines meiner Lieblingsszenarien......herzlichen Dank wieder einmal.....
64. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 20.07.19 18:04

In der ersten Nacht teilte die Kapitänin, eine Frau mit langer blonder Mähne und lapislazuli-blauen Augen, die Jagdtrupps ein. Lyka meldete sich freiwillig für den Borddienst, der nicht sehr beliebt war, denn erstens wollten die Frauen endlich wieder an Land, und zweitens konnten sie sich mit der Jagd ein Zubrot verdienen. Für jedes Dutzend erhielten sie eine Silbermünze zusätzlich zu ihrer Heuer.

Im Laufe des nächsten Tages setzten die meisten Frauen mit einigen Besatzungssklaven über, um ein Lager zu errichten. Auch eine große Grube, die mit Palisaden umzäunt war, wurde gebaut – als Zwischenlager für das „Frischfleisch“. Der erste Trupp machte sich bereits am Nachmittag auf die Jagd ins dichte Unterholz, mit dem die Küstenregion bewachsen war. Netze, Schleudern, Lassos, Betäubungspfeile und weitere Jagdausrüstung schleppten die Sklaven mit.

Lyka an Bord der Galeere ahnte nicht, wie schnell die Jägerinnen Unmengen von Männern zusammen getrieben hatten. Weil das Zwischenlager noch nicht fertig war, wurden die Gefangenen in lange Eisen gesetzt: lange Stangen, an denen die Arm- und Fußgelenke von acht Männern eingespannt werden konnten. So mussten diese in der stechenden Sonne am Strand verharren, bis sie an Bord gebracht wurden.

Die Hatz war denkbar einfach: Die Einwohner waren offenbar zu dumm zu kämpfen oder kannten keine kriegerischen Handlungen, denn sie ließen sich fast wehrlos festnehmen. Manche Exemplare liefen auch weg, doch die Frauen waren ihnen strategisch ebenfalls überlegen, denn die Flüchtenden fanden sich bald eingekreist in der Falle. Blitzschnell fingen die Frauen die Männer mit Lassos ein, die sich entweder um den Körper zogen und somit die Arme des Sklaven gleich mitfixierten, oder die die Gejagten mit der Schlinge um die Beine stolpern und stürzen ließ. Weibliche Kreaturen flüchteten tief in die Wälder. Sie waren für die Frauen uninteressant. Nur kräftige Männer sollten geladen werden.

Die Gefangenen wussten kaum, wie ihnen geschah, da trugen sie schon einen Beutel über den Kopf, der am Hals mit geübten Handgriffen schnell zugeschnürt wurde. Die erste Bekanntschaft mit eisernen Fesseln stand ihnen nun direkt bevor. Als praktisch hatte sich der „Lendenring“ erwiesen. Beim Abtransport der Männer waren ihre Hände auf dem Rücken gefesselt, der Kopf mit dem Beutel verdeckt, und gezogen wurden sie in Reihe durch Ketten: Die Jägerinnen zogen den ersten Sklaven an der Kette, die mit einem Ring um seine Männlichkeit verbunden war. An den gefesselten Händen des Mannes war die nächste Kette mit seinem Hintermann verbunden, die wiederum an seinen „Lendenring“ endete.

So marschierte die „Ware“ artig hintereinander in Reihen von etwa 20 Personen. Jede Jägerin leitete eine solche Sklavenschlange zum Strand, wo sie schon von den Verbliebenen ungeduldig erwartet wurden. Die Baströcke, die die Männer trugen, wurden (wenn sie nicht längst abgerissen waren) entfernt. Das war das „Befreiungsritual“, dass einige Seefahrerinnen besonders gern ausführten. Sie verglichen die Größe der Gemächte und kicherten über besonders winzige oder riesige Größen oder ungewöhnliche Formen.

Auch Abraya gehörte zu den Frauen des „Befreiungsrituals“ und wunderte sich über die ausgeprägte Scham, die die Eingeborenen offenbar hatten. Sie versuchten ihr Gemächt zu verdecken und verrenkten sich dabei sehr, doch wegen der Fesseln erfolglos. Aber auch an ihren Gesichtern konnte Abraya deutlich erkennen, dass sie am liebsten wohl im Boden versunken wären. Manche Exemplare stöhnten oder schrien vor Verzweiflung; andere weinten oder zitterten. Wieder andere ließen sogar die Peitsche stoisch über sich ergehen.

So verliefen drei Tage in Folge, in denen auch die Sklavengrube fertig wurde. Es war eine natürliche Vertiefung, die von Felsen umgrenzt war, verwendet worden, so dass die Arbeitssklaven nur wenig hatten graben müssen. Die meiste Schufterei war der Palisadenzaun gewesen, der oben spitze Enden aufwies, um ein Überklettern unmöglich zu gestalten. Im Innern des Sammelortes stapelte sich förmlich die Beute, so voll wurde es bald schon.

Nach und nach brachten die uniformierten Frauen ihre Ladung an Bord der großen Galeeren. Zum Vorteil der Gefangenen mussten sie nicht rudern, denn die Offizierinnen wollten sich nicht mit ungeübten Kräften herumärgern; aber der Nachteil war ihre Unterkunft: Wie die Sardinen in einem Fass wurden sie in enge Zwischenräume gequetscht, gestapelt und gepresst. Hier war es unter Deck noch enger als in der Grube an Land. Manche Offizierin machte sich einen Spaß daraus, die Leibeigenen auf eine Seite zu legen und eng hintereinander zu lagern, dass das Ganze sehr an Männerliebe erinnerte, und die armen Kreaturen dann zu verhöhnen und zu animieren, ihre Hüften zu bewegen.

Abraya konnte und wollte ihre Gefühle nicht unterdrücken: Sie hatte Freude an der Sklavenjagd und konnte es kaum erwarten, morgen erneut in die Wälder zu ziehen. Noch passten einige Dutzend Subjekte an Bord. Bisher war niemandem aufgefallen, dass sie das zum ersten Mal machte, und Lassowerfen hatte sie als Soldatin gelernt; der Rest war schnell abgeguckt. Die Rückkehr zum Schiff war für sie eine besonders schöne Aufgabe, denn dann konnte sie die Gefangenen mit der Spitze des Degens vorantreiben. Wie die nackten Männer dann hüpften und aufjaulten – einfach herrlich!

Helena war genauso erfolgreich. Besonders das Ziehen der Kette auf dem Rückweg zum Lager machte ihr Spaß. Ab und zu zerrte sie die Sklaven näher, ließ dann wieder locker, und schon im nächsten Moment riss sie wieder an ihrem Ende. Das Aufstöhnen der Sklaven war Musik in ihren Ohren. Sie wollte, nein: sie MUSSTE dieses Leben weiter leben. Sie würde Wildbeuterin bleiben, aus Ledas Armee desertieren und sich einen Liebesdiener kaufen, der ihr nach dem Tagewerk die Glieder massierte, sie wusch, sie küsste und seine Zunge…

Aber ihre Gedanken wurden von der Pflicht unterbrochen: Helena war gerufen worden, um die nächste Fuhre Sklaven zu beaufsichtigen, die zur Galeere gebracht werden sollte. Da die Boote sehr klein waren, sparten die Frauen dadurch Zeit, dass die Sklaven zum Schiff schwammen. So konnten mehr Exemplare auf einmal zu den Fahrzeugen gebracht werden. Dazu lösten sie die Handfesseln und verbanden die Ladung nur von Hals zu Hals mit einem Seil. Alle Sklaven konnten schwimmen, wie man Helena erzählt hatte, doch trotzdem schienen sie sich mit Händen und Füßen gegen den nassen Weg durch die Bucht zu wehren, als wären sie wasserscheu.

Eine Offizierin klärte Helena auf: „Das ist ganz normal. Um sie ins Meer zu bekommen, werden wir fleißig mit den Peitschen und langen Bambusstöcken nachhelfen müssen. In dieser Bucht schwimmen ganze Schwärme von Feuerquallen. Das sind kleine Tiere, die ein scharfes Brennen verursachen, wenn man sie berührt.“ Helena staunte, was es für exotische Wesen gab und war gleichzeitig gespannt auf die ersten Reaktionen der Schwimmer. Es sollte nicht lange auf sich warten lassen, da brach Angst und Hektik unter den nackten Männern aus. Doch da sie alle an ihren Hälsen miteinander verbunden waren, unterdrückten sie möglichst ihre aufkommende Panik, um nicht alle miteinander zu ertrinken. Schreie und Rufe, hastige Bewegungen und wirres Wasserschlagen, aufgeregte Laute, furchtsames Absuchen der Wasseroberfläche und der Tiefe unter sich, versuchten die Sklaven, so schnell wie es ihnen gelang, das rettende Deck zu erreichen. Für die Frauen war das eine große Gaudi, die Sklaven in solche Angst zu versetzen. Umso schneller waren sie an Bord.

Helena zeigte ein begeistertes Gesicht. „Da vorne! Mir dünkt, ich sehe welche von diesen possierlichen Feuertierchen. Sie kommen genau auf die letzten Sklaven zu. Ob es alle rechtzeitig an die Strickleiter schaffen?“ Die andere Frau, die im Boot saß, meinte neckisch: „Wenn ich am Seil ziehe, dann wohl nicht…“ Sie ließ ihren Worten schalkhafte Taten folgen und sorgte damit dafür, dass die letzten drei Sklaven, die sich noch im Wasser befanden, die Strickleiter nicht hinaufklettern konnten. Die Quallen erreichten die nackten Leiber und betasteten sie mit ihren langen Fühlern. Sofort schrien die Sklaven auf. Helena und die Offizierin lachten, und ihr Gelächter wurde noch lauter, als sie die rote Haut der Männer sah, wo die Quallen sie erwischt hatten: an den Innenseiten der Oberschenkel, dem Hintern und teilweise sogar am Gemächt.

Einige der Sklaven hatten eine Erektion, als sie aus den Fluten stiegen. Puterrot vor Scham hielten sie schützend ihre Hände vor ihr Gemächt. Eine Offizierin schlug mit ihrer Peitsche auf das Gesäß eines Sklaven ein, so dass eine kräftig leuchtende Strieme erblühte: „Wirst du wohl die Hände hinter dem Nacken verschränken!?“ Der verunsicherte Mann, der ihre Sprache nicht verstand, sah hilflos hin und her, hielt sich abwechselnd die Hände schützend vor seine gewachsene Männlichkeit und seine Hinterbacken. Plötzlich warf eine Sklavenjägerin ein Netz über ihn und zog es zu. Der Gefangene versuchte daraus zu entkommen, wurde von gleich vier Damen aber auf das Deck gedrückt. Wer nicht hören wollte, musste eben fühlen.

Helena stieg nun selbst an Bord und hörte den Sklaven aufbrüllen. Als sie mit ihrem Kopf über die Reling lugte, sah sie, wie die vier Frauen weiterhin auf dem Mann saßen. Sie würden ihm sicherlich Manieren beibringen. Doch Helena konnte das Geschehen nicht weiter verfolgen, denn ihre nächste Aufgabe wartete unter Deck. Sie musste die Essensausgabe an die Rudersklaven beaufsichtigen. Als sie den Geruch des Haferschleims in der Nase hatte, rümpfte sie sie. Daran könnte sie sich nie gewöhnen. Zum Glück gab es für die Besatzung besseres Essen. Die Kreaturen erhielten jeweils eine verbeulte Schale mit einem Schöpflöffel voll. Helena betrachtete fasziniert, wie die Männer den Schleim gierig mit ihren schmutzigen Fingern in sich hineinschaufelten.

So ging es in den nächsten Tagen weiter. Nach und nach siebten einige Offizierinnen die kräftigsten Männer aus, um sie auf die Schiffe transportieren zu lassen. Der Rest verblieb zunächst in der gewaltigen Grube. Erst am letzten Tag der Jagd ließen die Frauen diejenigen wieder frei, die es nicht wert waren, mitgenommen zu werden. Am nächsten Morgen würde die Rückreise beginnen. Die Galeeren waren stark überladen von dem vielen Frischfleisch, aber das Ostmeer war in der Regel ein ruhiges Gewässer, daher hatten die Kapitäninnen keine Sorge vor einer Havarie. Die Rudersklaven mussten sich allerdings auf eine noch anstrengendere Rückfahrt gefasst machen, denn die Rümpfe der Frachtschiffe waren tief ins Wasser gedrückt.

Heute Nacht war der beste und einzig mögliche Zeitpunkt, um mit Abas zu fliehen, war sich Lykos sicher. Er hatte bereits einige Vorbereitungen getroffen. Als es dunkel wurde, und an Bord der Galeeren große Öllampen entzündet wurden, blieb das Wasser um die Schiffe trotzdem schwarz. Die Küste war nicht mehr zu sehen. Auch die Feuer, die während der vergangenen Tage am Strand gebrannt hatten, waren erloschen. Die Grube war leer. Die freigelassenen Männer waren ins Landesinnere geflüchtet, zurück zu ihren Weibern. Doch bald würden sie zurückkehren, denn hier waren ihre Jagdgründe und angepflanzten Felder.

Ceres und Phoibe hatten sich mittlerweile in ihrem Eigenheim eingelebt und einige Zusatzsklaven für die täglichen Arbeiten gekauft, so dass sich Nereus und Aphron ausschließlich auf die Liebesdienste konzentrieren konnten. Die Herrinnen waren mittlerweile auch erfahren im Umgang und der Dressur von frischen Sklaven. Bei der Händlerin arbeiteten sie daher bereits fleißig an dem „Rohmaterial“, das es zu dressieren galt. Und bald schon würde Flagella eine neue Fuhre erhalten, denn drei große Galeeren wurden vom Ostkontinent zurückerwartet. Das gab eine Menge harte Arbeit, die sich aber nach zahllosen Peitschenhieben und Tritten letztendlich auszahlen würde. Außerdem waren sie gern bei Flagella beschäftigt, denn die Tätigkeit machte ihnen ungeheures Vergnügen. Es einfach wunderbar, zu sehen, wie aus einem dummen und widerspenstigen Mann ein willenloser und höriger Leibeigener wurde.

Auch Pluta freute sich auf die Ankunft. Gleich aus zweierlei Gründen: Zum einen war es ihr Vorrecht als Herrscherin sich die zehn besten Sklaven zu nehmen, mit denen sie vorhatte, ihren Harem aufzustocken. Unter so einer Menge an Material würden die Götter sicherlich einige besonders exquisit bestückte Exemplare geschaffen haben. Vielleicht würde sie aber auch statt der Neuen zehn alte Bettsklaven austauschen. Das hatte Pluta schon oft so entschieden. Alte wurden langweilig. Frischfleisch war immer gut. Die Ausgestoßenen verschwanden von der Bildfläche. Kaum jemand wusste, wo die Sklaven verblieben. Bis auf wenige Vertraute…
Der andere Grund, warum die Despotin sich auf das Eintreffen der Schiffe freute, war, weil sie brennend neugierig war, wie sich „ihr“ Abas als Galeerensklave so machte. Sie wollte von einer Kommandantin bestätigt haben, dass der königliche Gemahl des Feindes sicher verwahrt war, auf dass er niemals wieder einen Fuß an Land setzten würde. Hoffentlich war er der Reise gewachsen gewesen. Es wäre doch zu schade, wenn ihn schon die Erlösung durch die Götter ereilt hätte.

Die Nacht war ruhig. Leise plätscherten kleine Wellen an den Rumpf. Lyka ging Wache und wartete, bis nur noch eine zweite Person zu sehen war, die am Heck positioniert war. In einem günstigen Moment machte Lyka einige schnelle Schritte auf die uniformierte Frau zu und versetzte ihr einen Hieb mit einem Knüppel über den Kopf, der sie augenblicklich ins Reich der Träume schickte. Dabei fing Lyka sie auf, damit sie nicht laut auf die Planken polterte. Beinahe wankte Lykas Mut, aber für einen Rückzieher war es nun zu spät. „Sie“ hastete unter Deck und ließ unter einem Vorwand die Luke zu den Rudersklaven öffnen. Als sich die Wärterin umdrehte und die Luke schließen wollte, versetzte Lyka auch ihr einen Hieb, der sie zusammensacken ließ. Sie legte die Frau auf dem Boden ab, eilte aufgeregt durch die Reihen der Sklaven und befreite etwa zwei Dutzend von ihnen. Ein wenig Durcheinander würde die Flucht erleichtern und etwaige Verfolger ablenken.

Abas folgte Lyka, die sich nun die Verkleidung vom Leib riss. Jetzt sah Lykos wieder aus wie ein Mann. Endlich! Was hatte er die Maskerade gehasst! Wie konnten Weiber nur darin leben? Abas folgte Lykos auf das Deck und zu einem Boot. Es war bereits zu Wasser gelassen und dümpelte in den Wellen. Die Beiden brauchten nur noch einzusteigen. Abas übernahm das Rudern. Er war zwar geschwächt, aber dank der unfreiwilligen Übung hatte er die nötige Kraft und drahtige Ausdauer, um sich möglichst schnell vom Schiff zu entfernen und in der Dunkelheit zu entkommen.

Bald schon hörten die Flüchtigen das Chaos ausbrechen: Wilde Stimmen riefen durcheinander, die freien Sklaven brüllten und bewaffneten sich mit Seilen, Knüppeln, Peitschen und Messern, die sie unter Deck erbeuteten. Die Besatzung war mit ihren Degen und Lanzen zwar besser bewaffnet, aber deutlich in der Unterzahl, denn die revoltierenden Sklaven hatten weitere Leidensgenossen von ihren Ketten befreit. Die männlichen Matrosen hielten sich aus der Meuterei weitgehend heraus. Sie waren unsicher, auf welche Seite sie sich schlagen sollten und warteten opportunistisch ab, wer siegen würde, um zu entscheiden, welche Fahne sie schwingen wollten.

Niemand schien bemerkt zu haben, dass sich ein Dingi mit zwei Personen abgesetzt hatte. Viel zu sehr waren alle damit beschäftigt die Oberhand an Bord der Galeere zu gewinnen. Einige Minuten später war die Meuterei auch auf den anderen beiden Schiffen bemerkt worden. Von dort kamen acht Boote mit Frauen herbei, die sich mit Armbrüsten bewaffnet hatten. Jeder widerspenstige Mann an Deck sollte von einem Pfeil niedergestreckt werden, so der Befehl der Ersten Kapitänin, der Kommodorin des kleinen Geschwaders.

Beinahe wären Abas und Lykos entdeckt worden, aber die Boote der beiden Schiffe waren so auf die Kampfgeräusche auf der dritten Galeere fixiert, dass sie das kleine Beiboot im Dunkeln nicht sahen. Nach weiteren bangen Minuten knirschte es unter dem Rumpf auf dem Strand. Abas und Lykos sprangen aus ihrem Gefährt und liefen an Land. „Schnell! Beeilt Euch! Noch sind wir nicht in Sicherheit.“ Abas folgte seinem Retter schnaufend durch das Dickicht der Vegetation.

„So dankt mir dieses Sklavenpack also meine Fürsorge!“, wütete die Kommodorin. „Wir werden alle Meuterer aufknüpfen. Aber zuvor werde ich sie mit meinem Dolch kitzeln!“ Sie warf wütend einen Kelch mit Rotwein quer durch ihre Kabine. Der Inhalt tropfte wie Blut von den Wänden eines Schlachters. „Und die Wächterin, die sich die Schlüssel hat klauen lassen, werde ich auspeitschen lassen!“

Die Erste Offizierin sagte: „Hohe Kommodorin, ich möchte mein außerordentliches Bedauern über diesen unsäglichen Umstand zum Ausdruck bringen und…“ Die Vorgesetzte unterbrach sie unwirsch: „Ruhe mit dem dummen Geschwätz! Worum geht es?“ Die Erste Offizierin räusperte sich. „Es könnte einen Verrat gegeben haben. Ich habe gerade Fahnensignale gelesen. Es fehlen ein Boot und eine Frau aus der Besatzung. Wie viele Sklaven geflüchtet sind, steht nicht fest…“ Die Kommodorin zürnte: „Verrat? Oder haben Sklaven die Frau vielleicht als Geisel genommen?“ Die Offizierin verneinte: „Das halte ich eher für unwahrscheinlich. Einen Augenblick, bitte.“ Sie ging zur Tür und gab einer Wächterin ein Zeichen. Kurz darauf erschien diese mit zwei Frauen. „Das sind Helena und Abraya. Sie haben etwas zu berichten.“




65. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 27.07.19 18:53

Die Kommodorin blickte in ihrem edlen Wappenrock erwartungsvoll zu den beiden Frauen, dann zu ihrer Offizierin, dann wieder zu den Frauen. Helena erzählte, dass sie ursprünglich als Spionin mit Abraya und Lykos an Bord gegangen waren. Doch sie hatte sich entschlossen, die Wahrheit zu sagen, um die Flucht des königlichen Gemahls zu verhindern. Die Erste Offizierin sagte: „Leider kam ihr Geständnis zu spät. Aber nun wissen wir, was wir unternehmen müssen.“ Die Kommodorin und Abraya starrten Helena an. Abraya öffnete fassungslos den Mund. Hatte Helena sie gerade ins Messer laufen lassen? Sie hatte ihre Tarnung auffliegen lassen und war zu einer Überläuferin geworden! Zu einer Verräterin!

Die Kommodorin befahl: „Sofort einen Suchtrupp aussenden. Der Verräter wird mit dem Sklaven an Land geflüchtet sein. Und die da“, sie zeigte mit ihrem Finger auf Abraya, als wolle sie sie damit erstechen, „schaff in eine Kerkerzelle unter Deck. Oder nein…“, ließ sie ein grausames Lächeln über ihr Antlitz zucken, „bring sie zu den Rudersklaven. Mögen die sich mit ihr anfreunden…“ Unter lautem Protest wehrte sich Abraya gegen die Behandlung und spuckte Helena ins Gesicht. „Das wirst du büßen, du treulose, dreckige Denunziantin!“

Doch all ihre Gegenwehr nutzte ihr nichts. Sie wurde von gleich vier Frauen grob weggeschleift und tiefer unter Deck gebracht… in die angedrohte Zelle, in der zwei Dutzend Rudersklaven an Ketten gefesselt und lüstern auf die neue Gefangene starrten. Abraya blieben die Ketten vorerst erspart. Ihre Bewegungsfreiheit machte es ihr auch möglich, den gierigen Händen der Männer auszuweichen. Doch sie musste wachsam bleiben. Einmal in die Klauen der Leibeigenen geraten… Sie musste auf der Hut sein. An Schlaf war nicht zu denken.

Plötzlich waren von Deck einzelne Schreie zu hören. Wurden Sklaven ausgepeitscht? Sie konnte sich keinen Reim darauf machen. Helena hatte vom Achterdeck, unter einem gespannten Sonnensegel, beste Sicht auf das Geschehen: Die neuen Gefangenen erhielten Brandmale, damit sie später besser den Galeeren zuzuordnen waren, denn je umfangreicher die Ladung desto mehr Lohn erhielt die Kapitänin von der Hafendirektorin. Eine der Offizierinnen hielt das Brandeisen in den Glutkorb, bis es orange leuchtete. Derweil brachten zwei bewaffnete Frauen einen der nackten Sklaven herbei und beugten ihn über eine Seiltrommel und zogen ihn an Armen und Beinen fest darum. Als der zappelnde Mann an Deck gebracht worden war, hatte Helena ihren Hals fast verrenkt, um dem Sklaven zwischen dessen Beine zu starren. Unglaublich, wie riesig einige der Luststäbe dieses Ostvolkes waren. So einen Liebesdiener würde sie sich im Ostreich auch kaufen, schwärmte sie.

Der Mann wirkte sehr maskulin und kräftig. Würde er den Schmerz des heißen Eisens ertragen, ohne einen Klagelaut von sich zu geben? Er erhielt eine Beißrolle aus hartem Leder zwischen die Zähne geschoben. Doch als sich das glühende Metall in sein Sitzfleisch bohrte, brüllte der Sklave auf. Er wurde wieder abgeführt, um dem nächsten Unglücklichen Platz zu machen. Eine der Frauen peitschte mit einem Tauende auf das geschundene Fleisch, so dass der Mann erneut aufschrie und nach vorne hüpfte, was wiederum einen kräftigen Zug an seinem „Lendenring“ verursachte, den die andere Frau zwischen den Beinen des Mannes hindurchgeführt hatte und ihn gleichzeitig mit einem spitzen Dolch nach vorne antrieb.

Helena musste auflachen. „Der Arme“, sagte sie. Aber irgendwie gefiel ihr die Situation so sehr, dass sie wieder an das große Geschlecht dachte, dass sie ausfüllen würde, wenn sie den Sklaven kaufen würde. Warum eigentlich nicht? Warum sollte es ein Traum bleiben? Solche Kreaturen waren nicht besonders teuer. Vielleicht holte sie sich gleich zwei Exemplare. Sie fragte eine Offizierin danach und bekam eine überraschende und erfreuliche Antwort: „Den da könnt Ihr euch vormerken lassen. Das ist kein Problem. Ich werde eine Wächterin anweisen, ihm ein weiteres Brandmal zu verpassen, damit wir ihn wieder finden. Als Besatzungsmitglied bekommt ihr 50 Prozent Rabatt.“ Helena wollte wissen: „Und wie viel ist das? Kann ich mir das von meiner Heuer leisten?“ Die Frau lachte heiter. „Mit Verlaub! So ein einzelner Sklave hat doch keinen Wert...“

Später machte sie Helena darauf aufmerksam, dass sie den Sklaven kurz vor dem Hafen verstecken musste, denn eigentlich entschied die Hafendirektorin zunächst über die „erste Wahl“, die der Herrscherin Pluta zustand. Und da der Sklave gut gebaut war… Helena nickte. Sie würde den Mann in ihrer Kabine verstecken. In einer Kiste. Sie erkundigte sich: „Und wie erziehe ich einen frischen Sklaven?“ Die Frau empfahl ihr, den Neuerwerb zunächst bei einer Sklavenschule ausbilden zu lassen. Sie nannte ihr ein sehr gutes Haus in der Hauptstadt mit passendem Nimbus.

Schon war der nächste helle Schrei eines Sklaven zu hören, der gebrandmarkt worden war. Helena hörte neben sich eine junge Offizierin sagen: „Ohne diese Kennzeichnungen wäre es sterbenslangweilig auf der Überfahrt. Vielleicht erleben wir ja noch ein paar Auspeitschungen an der Gräting.“ Helena vergewisserte sich bei der Frau: „Als Disziplinarstrafe?“ „Ja“, erklärte sie, „wir müssen Härte zeigen, sonst tanzen uns die Sklaven auf dem Kopf herum. Außerdem: ohne Härte gibt es keine Milde. Aber zuviel des Guten vertragen diese Kreaturen nicht. Undankbar werden sie, faul oder laufen sogar weg. Wir sind gezwungen, Strenge zu zeigen. Die wahre Bestimmung der Sklaven, ihre Natur, ist das Dienen und Gehorchen. Wir führen sie lediglich auf den richtigen Pfad.“
Helena nickte. Das hörte sich einleuchtend an. So hatte sie das noch nie gesehen.

Während sich die Frauen an Deck unterhielten und der Kennzeichnung weiterhin beiwohnten, wütete die Kommodorin in ihrer Kabine: „Der königliche Gemahl entkommen! Wie erkläre ich das der Hafendirektorin? Holt mir die Wächterin, die für den Aufschluss verantwortlich ist! Sofort!“ Es dauerte nur wenige Minuten, dann stand die Angeklagte vor der Vorgesetzten. Sie ließ ihren Kopf hängen und schwieg resignierend. Sie konnte erahnen, was ihr nun blühte. „50 Peitschenhiebe für dieses subversive Objekt!“, bestimmte die Kommodorin und ließ die Verurteilte wegbringen. Die Delinquentin ächzte laut und verzweifelt auf. Ihr wurde beinahe schwarz vor Augen, als hätte sie jemand mit der Seite eines Breitschwerts am Kopf getroffen.

Eine Offizierin kam herein und meldete zackig: „Die Meuterei ist unter Kontrolle. Leider haben wir einen Teil der Ladung verloren. Aber es gibt acht Überlebende. Was soll mit ihnen geschehen?“ Die Kommodorin rieb sich überlegend dem Finger über den Nasenrücken. „Ich habe mich noch nicht entschieden. Am liebsten würde ich sie alle an der Rah baumeln lassen, aber ich will nicht noch mehr Ware verlieren. Schließt sie krumm in Eisen. Jeden Tag werden wir einen an Deck holen und ihm 20 Peitschenhiebe verpassen – bis wir im Heimathafen einlaufen.“ Die Offizierin salutierte und freute sich schon. Da würde es täglich etwas gegen die Eintönigkeit auf See geben.

Am nächsten Morgen war das Geschwader auf dem Nachhauseweg. Kurz vor Mittag fesselten zwei Frauen ihre ehemalige Kameradin an die Gräting und rissen ihr Oberteil hinab. Das Opfer erntete mitleidvolle Blicke. Die Sonne schien angenehm herab und ein klarer blauer Himmel erstreckte sich bis zum flirrenden Horizont. „Weiter!“ forderte die Kommodorin und verlangte, man möge der Verurteilten das gesamte Kleid zerreißen. Nun stand die Frau nackt bis auf ihre Stiefel an Bord und erhielt auf den Befehl der Kommodorin den ersten Peitschenhieb. Schrill stieß die Gefesselte einen gellenden Schrei aus. So qualvoll hatte sie sich das beißende Leder nie vorgestellt. Helena ging es durch Mark und Bein. Seltsam, dachte sie bei sich, als die Sklaven gezüchtigt worden waren, hatte sie es sogar erregt. Aber nun musste sie hart schlucken und hatte Erbarmen mit der Frau, die doch nur „Lykas“ Befehl gehorcht hatte.

Hieb auf Hieb folgte. Zwischen den Schlägen vergingen jeweils mehrere Augenblicke. Die Frau wand sich in ihren Fesseln und schrie in ihren Knebel, den man ihr gegeben hatte, damit sie sich nicht verletzte. Jedes Klatschen schmerzte auch innerlich die umstehenden Frauen. Nach achtzehn Treffern sank die Gegeißelte in eine gnädige Ohnmacht. Die Kommandantin beendete die Bestrafung daher nach 25 Hieben. Die Geschundene hing in ihren Fesseln und sah schrecklich aus. Sie wurde auf einen knappen Befehl hin abgebunden und musste von zwei Wachsoldatinnen gestützt und unter Deck gebracht werden. Eine Medica würde sich um ihren Rücken und ihr Gesäß kümmern müssen. Anschließend schafften zwei andere Frauen die gefangene Abraya nach oben und befestigten sie an der Gräting. Auch sie erhielt eine harte Züchtigung. Auch ihr riss man zuvor die Kleidung hinab und stopfte ihr ein Lederstück zwischen die Zähne. Ein Blick traf Helena aus ihren Augen, der so eiskalt war, dass es sie fröstelte. Erst nach dem fünften Hieb schrie Abraya unterdrückt auf. Aber sie hielt sich wacker und konnte nach der Bestrafung noch eigenständig gehen – zwar wankend, aber selbstständig. Helena wurde mulmig. Sie hatte sich eine Todfeindin geschaffen.

Als dritte Person brachten die Soldatinnen einen der Meuterer. Er erhielt sogar doppelt so viele Schläge. Dazu wurde eine zweite Offizierin benötigt. Den Sklaven peitschten die Damen abwechselnd mit aller Kraft. Die regelmäßigen Auspeitschungen waren für einige der Frauen sehr erregend. Im Gegensatz zu den Geißelungen der verurteilten Damen hatten die Frauen bei den Männern keinerlei Mitleid und erfreuten sich sogar an den gequälten Lauten und dem Knallen der Peitschen. Da dauerte es nicht mehr lange, bis auf dem Schiff der Kommodorin Kreaturen aus der Ladung aus einem ganz anderen Grund an Deck gebracht, in ein großes Netz gesteckt und an einem hölzernen Kran mit einer Winde über Bord geschwungen wurden: um die Leiber im frischen Salzwasser einzutauchen. Sinn des Schauspiels war eine Reinigung der Männer, denn es handelte sich um Sklaven, die sich einige Frauen ausgewählt hatten, um sich mit ihnen zu vergnügen.

Helena staunte, dass bei diesen „Liebesdiensten“ niemand Sorge hatte, dass die Männer flüchten oder eine Waffe ergreifen würden. Aber Aussicht auf Erfolg war minimal. Und die Sklaven waren selbst so erregt bei der Vorstellung bei einer der Offizierinnen unter der Decke zu liegen, dass alle Gedanken an Gegenwehr aufgelöst waren. Für sie war es ein viel angenehmeres Dasein, als zusammengepresst unter Deck als Ware zu liegen. Helena beobachtete, wie die Männer zuvor in dem schwingenden Netz mehrfach im Meer untergetaucht wurden. Die „Wäscherinnen“, wie sich die beteiligten Frauen nannten, übertrieben es ein wenig, und Helena glaubte schon, dass einige ihrer „Fische“ absaufen würden, aber alle Sklaven kamen wohlbehalten – wenn auch einige prustend und hustend – aus dem Netz wieder an Bord.

Und bald war das Deck das reinste Tollhaus. „Ein verkommenes Bordell“, schimpfte eine Offizierin, die sich als Einzige nicht für die Liebesdiener begeistern konnte. Insgeheim hatte sie mehr Interesse an ihren Kameradinnen, doch hatte sie dies noch niemandem gesagt. Daher spielte sie die Züchtige, die dem obszönen Tun nichts abgewinnen konnte. Aber die Kommodorin duldete den Spaß, denn der Dienst an Bord war sonst hart und streng genug. Sollte sich die Besatzung ruhig vergnügen! Die Kommodorin hatte andere Sorgen, als sich über die fleischlichen Gelüste ihrer Untergebenen zu kümmern. Wie sollte sie der Hafendirektorin den Verlust des königlichen Gemahls erklären? Er wurde zwar nicht als Geisel benötigt, aber Pluta wollte stets wissen, wo sich der Mann befand. Und nun war er ausgeflogen wie ein Vöglein, der aus seinem Käfig geflattert war. Auf einen fernen Kontinent geflüchtet. Hinfort aus ihrem Machtbereich. Womöglich für immer verloren. Ihre Sorge vor ernsthaften Konsequenzen stieg mit jeder Seemeile, die die Flotte Richtung Ostreich nahm.

Lykos und Abas schlugen sich durch den dichten Urwald, was ohne Macheten gar nicht so einfach war. Lykos schimpfte sich einen Narren, weil er keine Waffen mitgenommen hatte. Sie waren zwei Tage unterwegs ins Landesinnere des fremden Kontinents und hofften, dass sie mittlerweile alle Verfolger abgeschüttelt hatten. Inzwischen hatte Abas einen Rock aus großen Blättern um die Hüfte geschwungen, um seine Lenden zu bedecken. Das Flechtwerk hatte viel Geduld gekostet und war nicht besonders reißfest, aber für das Erste musste es reichen. Die vielen Schlingpflanzen und Dorngewächse hatten auf seinem gesamten Leib Spuren hinterlassen. Nun war wenigstens sein Schoß geschützt.

Sie folgten seit einigen Stunden einem kleinen Fluss, der sie mit Süßwasser versorgte. Beeren und Früchte wuchsen überall, so dass sie auch keinen Hunger litten. Doch langsam wurde ihnen klar, was das Schicksal für sie bereithielt: Sie waren in einer fremden Welt gestrandet, ohne Kontakt zu zivilisierten Menschen. Wie sollten sie jemals wieder das Vereinte Reich betreten? Wie wollte Lykos jemals seinen Auftrag erfüllen und den königlichen Gemahl zurück in die Hände seiner Königin Leda geben?

Plötzlich hörten die Beiden ein Knacken im Unterholz und blieben wie vom Blitz getroffen stehen. Innerhalb weniger Atemzüge waren sie umringt von einer Gruppe Krieger, die ihre Speere auf sie richteten. Eine Flucht war nicht möglich, denn sie waren eingekreist. Ein Krieger trat vor und sagte überraschenderweise in ihrer Sprache: „Gebt alle eure Waffen her. Ihr seit unsere Gefangenen.“ Der Mann hatte eine sehr hohe Stimme. Und dann fiel es Lykos auf: Es war eine Frau. Der weite Umhang über dem bauschigen Seidengewand hatte ihre Figur verhüllt, das Antlitz war mit schwarzer Farbe mit ungewöhnlichen Mustern verziert. Als Lykos und Abas genauer hinsahen, stellten sie fest, dass alle „Krieger“ Frauen waren. „Wir besitzen kein Schwert und keinen Dolch. Wir sind Flüchtlinge, die…“, fing er an. Eine Kriegerin trat vor und schlug Lykos mit einer Peitsche, die aussah, wie eine von den Galeerenfrauen. Vielleicht hatten sie sie erbeutet. Unter dem brennenden Schmerz verstummte Lykos. Die Anführerin befahl: „Ruhe! Ihr redet nur, wenn ihr gefragt werdet. Flüchtlinge seid ihr nun nicht mehr. Ihr gehört uns und werdet unserer Gottheit geopfert. Unser Volk hat schon zu viele Männer verloren an euch Fremde. Ihr kommt und stehlt unsere Väter und Brüder. Aber nun werden eure Frauen ebenfalls zwei Männer verlieren.“

Abas und Lykos sahen sich an. Jetzt sollten sie ausbaden, was die Ostfrauen angerichtet hatten mit ihren Sklavenjagden! Da waren sie vom Regen in die Traufe gekommen. Was nun? Sie mussten aneinandergefesselt einem Pfad folgen. Vor und hinter ihnen liefen die Eingeborenen. Die Beiden wurden in ein Lager gebracht, in dem fast nur Frauen zu sehen waren. Hatten die Ostfrauen tatsächlich fast alle Männer versklavt und verschifft? „Bevor ihr sterbt“, verkündete die Anführerin, „werdet ihr uns noch behilflich sein, unser Volk zu stärken.“ Sie brachten Lykos und Abas in ein Zelt, wo sie an zwei Pflöcke gebunden wurden. Wie sollten sie die Frauen „stärken“? Was hatte die Kriegerin damit bloß gemeint?

Gegen Abend kam ein Mann zu ihnen – der erste, den sie hier gesehen hatten. Es war ein Greis mit langen weißen Haaren in einem weißen langen Gewand aus Baumwolle. Er trug eine Schale mit rauchenden Ingredienzien vor sich her, stellte sie vor die Gefangenen und fächerte mit einem zusammengebundenen Strauch Zweigen den Rauch durch die Luft, so dass Abas und Lykos husten mussten. Dieses seltsame Aroma hatten sie noch nie gerochen. Irgendwie spürten sie, wie ihre Köpfe und Glieder schwer wurden und zusammengesunken wären, wenn sie nicht gefesselt gewesen wären.

„Ich bin schon sehr alt“, sprach der Greis das Offensichtliche aus, „aber unsere fruchtbaren Weiber brauchen junge Männer, um unser Volk wieder erstarken zu lassen.“ Abas und Lykos sahen sich an. Lykos meinte: „Wir sollen eure Weiber…“ Er war sich nicht sicher, ob er den Alten richtig verstanden hatte. Der Greis nickte langsam wie in Trance. Wenige Momente später wurden Abas und Lykos die Augen schwer. Der Rauch machte sie schläfrig, und dann verloren die Zwei ihr Bewusstsein.

Als Lykos erwachte, wusste er nicht, wie lange er so gelegen hatte. Er befand sich in einem anderen Zelt und lag auf mehreren Fellen. Arme und Beine waren an vier Pflöcken mit Lederriemen festgebunden. Er sah sich um. Wo war Abas? Eine Frau erschien. War es die Anführerin? Er war sich nicht sicher, denn das Weib trug nun keine Kriegsbemalung mehr. Auch ihre bauschige Kleidung hatte sie abgelegt und war nun nur sehr spartanisch bedeckt, dafür aber mit zahlreichen kunstvollen Ketten und Amuletten geschmückt. Im Gegensatz zu ihrem martialischen Auftreten im Wald, wirkte sie nun sehr feminin. Langsam bewegte sich die Fremde auf ihn zu und stellte sich über seinen Körper... Lykos blieb vor Schreck und Scham fast das Herz stehen, bevor es danach dafür umso schneller schlug: Er war splitternackt!

Röte strömte in sein Gesicht. Die Kriegerin senkte sich langsam auf ihn nieder. Ihre Beine waren gespreizt und… Lykos spürte, dass sie unter dem kurzen Rock nackt war – und feucht. Nun wurde er erst recht knallrot. Und er bemerkte erst jetzt, wie steif seine Männlichkeit war. Und dann tauchte sie sein scharfes Schwert in ihre weiche Weiblichkeit, das der Gefangene aufstöhnte vor Lust. Ja, es war die Anführerin! Es war... wundervoll! Oh, wie liebte er diesen Augenblick! Seine Erregung wuchs ins Unermessliche. Die Gedanken an Abas hatten sich verflüchtigt.


66. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 18.08.19 15:22

In dieser Nacht sollte Lykos nicht nur diese eine Frau erleben. Nacheinander kamen sechs Weiber zu ihm, um ihn zu nehmen wie weibliche Geistwesen aus den alten Sagen, die die Männer nachts verführten. Nach jeder Frau erhielt er einen Kräutersud zu trinken, der seine Begierde neu anfachte. Diese Weiber mussten die Zauberkunst beherrschen. Er spürte, wie sein Körper immer erschöpfter wurde, aber seine Lust nahm nicht ab und vergoss sich immer wieder aufs Neue in seine Besucherinnen.

Irgendwann mitten in der Nacht sackte er in einen tiefen Schlaf. Waren es fünf, sechs oder sogar sieben Besuche gewesen? Er wusste es nicht. Am nächsten Tag fühlte sich so frisch und erholt, als sei nichts geschehen. Doch er konnte sich an alles erinnern. Wie konnte das sein nach dieser „Nacht der Liebenden“? Eine Frau kam zu ihm ins Zelt und brachte ihm ein Morgenmahl. „Du hast uns fruchtbar und gedeihlich gedient. Die Auserwählten werden unser Volk stärken.“

Lykos erkundigte sich hoffnungsvoll: „Werde ich nun meine Freiheit zurückerhalten? Und was ist mit meinem Gefährten?“ Das Weib sah zu Boden. „Es tut mir Leid, aber wir können Euch Euer Leben nicht schenken. Euch werden wir der Gottheit der Fruchtbarkeit opfern. Erst dann ist das Ritual vollendet. So war es immer. So soll es sein.“ Lykos sah sie erschrocken an und zerrte an seinen Fesseln. „Was habt ihr vor? Wollt ihr mich meucheln für eure Götzen?“ Die Angesprochene schaute ihn an: „Ihr werdet Euer Leben für das eines ganzen Volkes geben. Das ist eine große Ehre.“ Lykos dachte: „Ich spucke auf die Ehre…“ Laut wollte er wissen: „Wo ist mein Kamerad? Muss auch er sterben?“ Die Frau antwortete: „Nein. Er ist bereits wieder frei. Dein Freund kann von keinem Weib beglückt werden. Er ist…. anders.“

Lykos erinnerte sich an den Keuschheitsgürtel. „Was heißt frei? Ist er noch hier?“ Die Frau verneinte: „Er ist aus dem Lager geführt worden. Er ist hier nicht mehr länger geduldet.“ Lykos wurde wütend: „Geduldet? Ihr habt uns doch entführt und hergebracht. Außerdem wisst ihr wohl nicht, dass mein Gefährte in seiner Heimat ein König ist!?“ Sein Gegenüber schien unbeeindruckt. Lykos wollte wissen: „Wann muss ich sterben?“ Das Weib verkündete: „Bei Morgengrauen.“ Dann entschwand es hastig, als habe es Angst vor weiteren Fragen oder nur Lykos Gesicht. Der Soldat zog ächzend an den Fesseln. Sie waren fachmännisch angebracht. Da gab es kein Entkommen. Wie sollte er fliehen? Er hatte nur noch wenige Stunden Zeit, um dem Sensenmann zu entkommen. Danach würde er in die Unterwelt fahren und für die Ewigkeit im Feuer der Toten brennen…

Abas irrte im dichten Grün des Waldes umher. Was sollte er nun unternehmen? Überall waren Feinde. An der Küste lauerten vielleicht noch die Galeeren aus dem Ostreich, und zurück zu den Amazonen konnte er auch nicht. Bald würde es dunkel werden. Alleine in diesem Dickicht horchte er auf jedes Geräusch, jedes Knacken, jedes Pfeifen, jedes Rauschen. Waren es die Feinde? Oder schlich sich ein wildes Tier an? Oder kletterte da nur ein harmloses Eichhörnchen in einen Baum und raschelte an den Blättern?

Abas erinnerte sich an die letzten Worte der Anführerin: „Geh! Und komm nie wieder her! Du bist für mein Volk nicht zu gebrauchen. Dein Gürtel macht dich unnütz.“ Abas sah in seinen Schoß hinab: Ledas Vorsichtsmaßnahme hatte ihm zwar frustrierende Stunden, aber auch das Leben geschenkt. Er war ratlos. Konnte er den Soldaten, der ihn retten wollte, einfach seinem Schicksal überlassen? Nein. Er musste zurück in das Lager der Frauen schleichen und Lykos befreien! Auch, wenn es sein Leben gefährdete.

Viele Meilen entfernt herrschte Königin Leda in ihrer Festung. Sie sah in den Spiegel und entdeckte erste graue Haare. Die Sorge um Abas hatte sie altern lassen. Die Metropole des Ostreiches war uneinnehmbar gewesen. Zwar hatte sie das Vereinte Reich um etliche Meilen nach Osten ausweiten können, aber diese ominöse Diktatorin Pluta herrschte immer noch und trieb ihr Unwesen auch an entfernten Gestaden eines fremden Kontinentes, wie ihr Spioninnen Kunde getan hatten. An den Erfolg ihres Hauptmannes und seine beiden Begleiterinnen glaubte sie nicht mehr. Sie hatte ein ungutes Gefühl.

Sie holte sich daher Rat bei ihrem Alchemisten Caduceus, der seherische Fähigkeiten besaß. Und Ledas Befürchtungen musste Caduceus bestärken: „Ja, Majestät. Die Rettungsaktion ist missraten. Ich sehe Abas aber trotzdem in Freiheit. Er ist in weiter Ferne. Doch noch schwebt eine große Gefahr über ihm. Die Truppe, die Ihr geschickt habt, Majestät, ist zerschlagen worden. Ich sehe eine Person in Ketten… Oh!“ Er brach ab. Seine Nervosität übertrug sich auf den Raben, den er stets auf seiner Schulter mit sich führte. Der Vogel schrie und flatterte mit den schwarzen Flügeln.

Leda sah ihn forschend an: „Was ist? Was seht Ihr? Sprecht!“ Caduceus antwortete: „Mit Verlaub, das Zerrbild ist weg. Ich sehe nur noch dunkle Nebel. Aber ich erkannte die Umrisse einer der Soldatinnen, die Lykos begleiteten. Sie stand bei einer hohen Soldatin des Feindes. Seite an Seite auf dem Deck eines Schiffes.“ Leda forschte: „Verrat? Oder ist sie eine Geisel?“ Caduceus bebte, runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf. „Es ist dunkel, Majestät. Ich kann nichts mehr sehen. Es tut mir Leid, Hoheit. Aber sie sah nicht aus wie eine Gefangene.“

Leda war schockiert. Eine Soldatin war zum Feind übergelaufen! Ein Pakt des Bösen! „Diesen Treuebruch wird sie noch bitter bereuen. Geht jetzt, Seher. Geht! Ich will allein sein.“ Caduceus verneigte sich höflich: „Sehr wohl, Majestät. Wie Euch beliebt.“. Er schwang seinen langen Umhang um sich und zog sich zurück in seine Kammer im Nordturm der Burg. Er musste meditieren. Die Visionen nahmen ihm viel Energie. Er griff nach einem Amulett, in das ein Wolfszahn eingearbeitet war, und rieb es in seinen Händen, schloss die Augen und setzte sich damit im Schneidersitz auf den Boden. Leise murmelte er eine Beschwörungsformel. Wieder und wieder.

Abas folgte seinen Spuren zurück Richtung Lager der Frauen. Vorsichtig näherte er sich bei mittlerweile völliger Finsternis dem kleinen Lagerfeuer, das gerade dabei war, auszugehen, einige Scheite glimmten nur noch. Bald würde nur noch ein wenig rote Glut an die lodernden Flammen erinnern. Aber wo steckte Lykos? Es gab so viele Zelte… War eines besonders bewacht? Abas sah sich um und erkannte eine besonders große Bleibe mit zwei Wächterinnen davor. Das konnte allerdings auch das Heim der Anführerin sein.
Dann entdeckte er noch ein weiteres kleines Zelt, vor dem ebenfalls zwei Wächterinnen aufpassten. Das musste es sein!

Abas wartete noch einige Zeit, bis im Lager vollständige Stille eingekehrt war und die Weiber schliefen. Erst jetzt schlich er sich langsam immer näher an die Rückseite des Zeltes. Kein Feuerschein drang durch die groben Stoffbahnen. Abas kroch auf allen Vieren bis an den Rand des Zeltes und bewegte das dicke Leinen um eine Fingerlänge nach oben und lugte vorsichtig durch den Spalt. Im Innern war es zwar noch dunkler als draußen unter dem fast sternenlosen Nachthimmel, doch er konnte einige Umrisse erkennen: eine Truhe, eine Amphore, vermutlich aus Ton, und eine Bettstatt mit mehreren Fellen, die übereinander lagen. Eine Person lag darauf. Lykos?

Der Königsgemahl quetschte sich unter dem Zeltstoff durch und robbte sachte vorwärts. Die Person schlief. Die leisen Atemzüge waren gleichmäßig und ruhig. Auf dem Boden war ein Brokatteppich ausgelegt. Die edle Ausstattung ließ erahnen, dass hier nicht nur ein Gefangener lebte. Doch Abas Vermutung war falsch. Die Frauen hatten den zum Tode Verurteilten seine letzte Nacht in luxuriöser Umgebung gestaltet, da er immerhin einige Frauen seinen Samen eingepflanzt hatte. So wollte es die Tradition.

Abas war nun mit dem gesamten Leib im Zelt und erhob sich geräuschlos, um sich über den Schlafenden beugen zu können. Lykos wachte just in diesem Augenblick auf, als sich eine Hand über seinen Mund legte. Er wollte schreien. Wer war das? Seine Henkerin? Graute schon der Morgen? Wieso war er überhaupt eingeschlafen? Jemand musste ihm einen Schlaftrunk aus Mohnsaft eingeflößt haben. Doch dann erkannte er plötzlich das Antlitz seiner Majestät! Abas nahm zögernd seine Hand weg und flüsterte: „Schnell, Soldat! Beeilt Euch! Wir müssen fliehen! Aber seit leise!“ Er löste die Fesseln, mit denen Lykos an zwei Pflöcken festgebunden war. Sie verließen das Zelt eilig durch die Rückseite.

Die ersten Schritte in der Nachtluft bewegten sie sich langsam und leise auf den Zehen, aber je weiter sie vom Lager entfernt waren, desto schneller hasteten sie durch den Wald. Trockene Zweige und Laub knackten und knisterten unter ihren Sohlen. Mancher kleine Dorn bohrte sich in ihre Fußballen und Hacken. Wohin sie entflohen, dass wussten sie selbst nicht. Nur erst einmal weg von diesen tödlichen Amazonen! In die schwarze Dunkelheit hinaus. Ins Ungewisse. Zweige peitschten ihnen den Körper, und Wurzeln ließen sie straucheln, aber sie rannten hechelnd und keuchend um ihr Leben. Weiter und weiter.

Ihre Herrlichkeit Pluta erschien des Morgens an einem Hofeingang ihres Palastes, um durch den Lustgarten zu schlendern. Ein Sklave begleitete sie, um einen großen zinnoberfarbenden Sonnenschirm zu halten, der aus einem festen Segelstoff gefertigt war, und die zarte Haut der Herrin beschattete. Die Tyrannin schritt die Stufen unter einem weißen Portikus hinab. An einer Seite der großen Marmorplatten schufteten drei Sklaven auf wunden Knien, um den Boden blankzuwienern. Einen Steinwurf entfernt kam sie an mehreren kleinen Würfeln aus Gittern vorbei. In jede dieser zwergenhaften Kisten war ein nackter Sklave gezwängt. Mit angezogenen Beinen klemmte sein Kopf tief zwischen seinen Schenkeln, um zusammengepresst in den Käfig zu passen. Einer lag auf seiner linken Seite, ein anderer auf seinem Rücken, die anderen hockten mit ihrem Gesäß auf dem Gitterboden.

Pluta selbst hatte sie gestern – oder war es vor zwei Tagen gewesen? - einsperren lassen. Ihr waren die Männer zu langsam bei der Gartenpflege gewesen. Daraufhin hatte sie vorgeschlagen: „Wenn sie müde sind von ihrem Gewerk, sollen sie doch faulenzen dürfen. Packt sie in diese Ruhekäfige, wo sie verschnaufen können und sich der Müßigkeit widmen dürfen.“ Ob sie danach besser in einem Narrenkostüm als bucklige Missgeburten auftreten sollten? Die Zeit würde es zeigen. Pluta schritt an ihnen vorbei, einen grausamen Zug von Schadenfreude um den Mund. Hinter ihr war leises Stöhnen, Jammern und Ächzen zu hören. Die Eingesperrten wussten nicht, was ihnen größere Qualen bereitete: der Durst, der gepeinigte Rücken, die Gelenke? Oder die Angst vor der Zukunft.

Die Kommodorin an Deck murmelte, als wollte sie sich Mut machen: „Wir mussten einfach aufbrechen. So viele Sklaven an Bord benötigen Wasser und Nahrung. Und außerdem wird die Ware dringend erwartet. Dieser Abas wird mit seiner Begleitung in der Fremde umkommen. Pluta wird damit einverstanden sein…“ Wichtiger war jetzt die Fracht, die nicht schöner wurde, wenn man noch länger hier verharrte. Sie blickte zum Himmel und schätzte den Wind ein. Sie würden den Kurs beibehalten können und bald ihren Zielhafen erreichen, wenn das Wetter nicht umschlug. Doch wussten erfahrene Seefahrerinnen, dass dies bei den launigen Meeresgöttern immer ungewiss war. Vielleicht würde ein Sklavenopfer die Herrinnen der Ozeane milde stimmen? Aber dann verdrängte sie den Gedanken wieder.

Während der Überfahrt sah Helena ihre ehemalige Kameradin Abraya nur noch ein einziges Mal: als sie in Ketten und barbusig an Deck geführt wurde, um ausgepeitscht zu werden. Aber ihr einst so makelloser Leib trug bereits Spuren… eines Kampfes? Hatte sie sich gegen ihre Mitgefangenen wehren können? Schnell wendete sich Helena ab. Grausige Bilder entstanden in ihrem Kopf. Männer, die schon seit Monaten keinen Hintern eines Weibes mehr gepackt hatten, waren hungrig und gierig...

Als der Tag der Ankunft bevorstand, schlug Ihr Herz wie wild. Wie würde sie von der Hafendirektorin aufgenommen werden? Diese Frage stellte sie sich schon zum mindestens hundertsten Male. Diese hochrangige Kommandantin würde über ihr Schicksal entscheiden. Eines stand fest: Nach ihrem Hochverrat konnte sie nicht ins Vereinte Reich zurück. Und nun sollte bald die Gewissheit im Hafen kommen. Sie erlebte mit, wie die Ladung gelöscht wurde. Die Sklaven wurden in Ketten an Land gebracht und in verschiedene Verschläge geführt. Die Besatzungsfrauen erhielten von der Zahlmeisterin Heuer sowie Prämien für erfolgreiche Sklavenjagd. Die Rudersklaven blieben an Bord, denn bald sollte es zu einer weiteren Reise nach Süden gehen, wo zwei Frachtschiffe Tabak und Baumwolle stauen würden – wichtiger Nachschub für die Metropole, in der so viele Menschen lebten. Eine Galeere sollte dem Begleitschutz dienen.

Die Kommodorin war bereits seit über einer Stunde im Haus der Hafendirektorin, und kratzte sich nervös an ihrem taillierten Wams. Dann erschienen einige Soldatinnen und ließen die männlichen Besatzungsmitglieder einer der Galeeren an Land in einen Gebäudekomplex bringen, wo ihnen einige uniformierte Frauen Ketten um Hals und Arm- sowie Fußgelenke schmiedeten. Die Hafendirektorin hatte die Männer zu fünf Jahren Steine klopfen verurteilt, weil sie gegen die Meuterei nichts unternommen hatten. Fünf Jahre in brütender Hitze mit schweren Hämmern bewaffnet, unter der Knute der Aufseherinnen und bei karger Kost.

Die rebellischen Sklaven dagegen wurden in eine Baracke gesperrt. Dort mussten sie auf das Urteil warten, welches sie erfahren würden. Jeder wusste schon jetzt, was diese armen Kreaturen erwartete. Da man sie nun nicht mehr bei Kräften halten musste, erhielten sie nur wenig Wasser und kaum Verpflegung. Die Wächterinnen warfen einige wenige Brocken alter Mahlzeiten zwischen die mit Ketten verbundenen Aufsässigen. Schnell entwickelte sich eine hektische Rangelei und dann eine verzweifelte Rauferei um die verdorbenen Portionen. Eine Zeitlang sahen die Wärterinnen dem Tumult schmunzelnd zu, dann begannen sie, mit ihren Geißeln auf das Männerknäuel einzupeitschen, um wieder trefflich Ordnung herzustellen.

Helena wurde blass wie Alabaster, als sie den Blick der Kommodorin sah, als diese aus dem Salon der Hafendirektorin herauskam. Man hatte ihr die Abzeichen so grob von der Uniform gerissen, dass ihr edler Zwirn stark gelitten hatte, und führte sie ab wie einen gemeinen Beutelschneider. Was sollte das nur bedeuten? Helenas Herz raste. Und was wird aus mir, rätselte sie. Kaum hatte sie sich diese Frage gestellt, kommandierte sie eine Soldatin zu der Hafendirektorin. Helena ächzte leise und folgte der Frau gehorsam, die im Stechschritt voranmarschierte. In ihrem Magen schien sich ein Dutzend Wackersteine zu befinden. Jetzt würde sich ihr Schicksal entscheiden…

Sie stand zitternd vor der mächtigen Lady, die auf einer Art Thron hinter ihrem gewaltigen Marmortisch saß. An den Fenstern wehten teure Seidenvorhänge. An der verzierten Decke hingen kostbare Kerzenständer aus Silber. „Ich fühle mich geehrt Euch danken zu dürfen. Ihr habt das Ostreich vor größerem Schaden bewahrt und eine Verräterin entlarvt. Dafür sollt Ihr eine opulente Belohnung erhalten sowie einen angemessenen Rang in der Ostarmee“, sagte die Direktorin. Helena stand sprachlos da, bis ihr auffiel, wie unhöflich das wirken musste. Sie antwortete geschwind: „Ich fühle mich sehr geschmeichelt, Euer Ehren.“ „Leider“, setzte die Direktorin an und hob eine Augenbraue, „ist der Königsgemahl geflüchtet. Aber das ist nicht Eure Schuld. Dafür muss sich diese inkompetente und schändliche Kommodorin verantworten.“ Die Rangbezeichnung spuckte sie förmlich aus wie ein Stück faule Frucht.

Die Direktorin, zunächst die Ruhe in Person, war nun in Rage geraten und aufgestanden. Sie wirkte, als würde sie die Schuldige am liebsten hier vor Ort und höchstpersönlich garrottieren. Doch dann ließ sie sich kraftlos wieder auf ihren Sitz fallen und griff sich an die Stirn, als habe sie Fieber. „Und ich muss Pluta von dem Verlust berichten…“, sagte sie in einem vor Selbstmitleid triefenden Tonfall. „Geht nun dahin“, meinte sie. „Wendet Euch an meine Kadettin. Sie wird Euch das versprochene Gold geben und alles weitere mit Euch besprechen.“ Helena atmete erleichtert aus, als sie die Hafendirektorin verließ. Eine Stunde später hielt sie ein volles Säckchen mit Golddublonen in der Hand und erhielt ihre neue Uniform. Sie würde im Rang einer Kapitänin ein Schiff befehligen! Dabei hatte sie doch gar keine Ahnung von der Seefahrt. Aber die Kadettin hatte sie beruhigt: „Das Schiff wird von der Besatzung gefahren. Die Kapitänin hat nur das oberste Kommando. Das Wissen um die Nautik wird nach und nach schon kommen…“

Als Helena mit der Kadettin unterwegs zu einer Unterkunft war, wo sie wohnen konnte, bis ihr ein eigenes Schiff zugeteilt worden war, kam sie an dem Komplex vorbei, in dem die männlichen Matrosensklaven eingekerkert waren. Helena hörte laute Peitschenhiebe und ging schnell weiter. „Was wird denn aus der Kommodorin?“, wagte Helena die Frage und hoffte nicht zu weit gegangen zu sein. Die Frau machte ein grimmiges Gesicht. „Dieses Weib ist keine Kommodorin mehr und wird zur Ehrwürdigen Herrscherin gebracht. Sie hat die Verantwortung für die Flucht des Gemahls der feindlichen Königin. Pluta wird nicht erfreut sein!“

Helena musste schlucken. „Und…. Was wird aus Abraya? Die Spionin?“ Die Offiziersanwärterin zuckte mit den Schultern, dass ihre Lederklappen daran klackten. „Sie ist unbedeutend. Vermutlich wird sie die übliche Strafe für feindliche Späher erhalten.“ Helena wagte: „Und die wäre?“ Die Uniformierte sah sie erstaunt an, bis sie sich daran erinnerte, dass auch Helena aus dem Vereinten Reich stammte und es nicht wissen konnte. „Sie wird in einen Käfig gesperrt und an einem Mast im Hafen aufgehängt.“ Helena sah die Frau fragend an. Sie wollte erfahren, für wie lange… Aber dann erinnerte sie sich an die Käfige, die sie bei der Einfahrt der Galeere an der Kaimauer gesehen hatte – und die Skelette darin.

Die Offiziersanwärterin war in Gedanken schon dabei, ein kleines Presskommando zusammenzustellen. Es mussten neue Ruderer gefunden werden. Dabei bedienten sich die Seefahrerinnen gern Feldsklaven, die kräftig genug waren, um ihre neue Tätigkeit ausführen zu können. Es war nicht direkt Sklavenraub, weil die Trupps sich den Eigentümerinnen gegenüber zu Ausgleichszahlungen verpflichteten – die allerdings in der Regel geringer ausfielen, als der Wert der Arbeitskraft wirklich war. Die Neuerwerbe erhielten dann ein Halseisen, dass an lange Stangen gebunden wurde, so dass die Männer hintereinander an Bord marschieren konnten. Auf den Ruderbänken erhielten sie Fußeisen, die sie mit dem Schiffsrumpf verbanden, und Handgelenkseisen, die mit den Rudern verbunden waren. Kleidung war für die Männer verboten.

An Land verkündete Kauffrau Flagella ihren beiden Angestellten Ceres und Phoibe: „In wenigen Tagen wird eine große Ladung frische Sklaven erwartet. Das bedeutet viel Arbeit. Wir müssen sie nach Wert und Fähigkeiten sortieren und sie für den Verkauf vorbereiten. Aber ich kann euch versprechen: Es wird sich lohnen. Einige Sklaven wird sich zwar Pluta herauspicken, aber es bleiben noch genügend Sahnestücke für uns übrig, die wir für viele Münzen versteigern werden. Alles starke Kreaturen, kein faulendes oder schwärendes Fleisch. Nur mageres Muskelpack, gesunde Zähne. Selbstverständlich werde ich euch gesondert entlohnen, wenn ihr mir dabei helft, die Flut von Exemplaren zu bearbeiten. Sie müssen ihre Zeichen bekommen, neue Halseisen und vieles mehr.“

Die beiden Damen nickten einvernehmlich und freuten sich schon auf die neuen Sklaven.
„Ich übernehme das Brandmarken“, sagte Phoibe mit einem Leuchten in den Augen. Ceres freute sich: „Und ich untersuche sie nach Krankheiten oder Verkrüppelungen und prüfe ihre Muskeln und Männlichkeit.“ Flagella meinte: „Die Gemächte schaut sich sonst…“ Ceres unterbrach die Händlerin: „Ich weiß. Ich will ihr ihre Lieblingsarbeit ja nicht wegnehmen. Ich übernehme sie nur, falls sie krank ist.“ Flagella grinste. Sie ahnte, dass ihre alte Mitarbeiterin auf ominöse Weise krank werden würde… Aber da würde sie sich nicht einmischen. Sollten das ihre Angestellten untereinander regeln. Sie hatte genug zu tun, eine große Sklavenauktion zu organisieren. Da blieb ihr keine Zeit, in einen Zickenkrieg zu intervenieren.





67. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 15.09.19 16:41

Die Zeit, bis die Ware in langen Schlangen ankam, verging wie im Fluge. Und Flagella hatte nicht zu viel versprochen: Es gab eine Menge Arbeit, aber auch viel Vergnügen für alle Angestellten, die nicht angespornt werden mussten, sondern von ganz alleine emsig arbeiteten. Ceres tat überrascht, als Flagella sie für die anatomische Prüfung der Sklaven einteilte, „weil Berana krank geworden ist“. Ceres hatte der Mitarbeiterin am Vortag eine Rizinus-Essenz in den Tee geschüttet, die sie wohl vorerst beschäftigen würde…

Dafür dufte Ceres nun ausführlich die nackten Sklaven „kontrollieren“. Natürlich ließ sie es sich nicht nehmen so manches Gemächt sehr genau, um nicht zu sagen unnötig genau, zu prüfen: Größe, Gewicht und Funktion waren schließlich sehr wichtig, wenn der Leibeigene später beispielsweise als Liebesdiener arbeiten sollte. Ob auch sinnvoll war, dass sie mit einem konisch verlaufenden Stäbchen prüfte, wie tief sie ihn in dem Luststab versenken konnte, war fraglich.

Nach mehreren Stunden der gleichen Kontrollen wurde ihr aber selbst diese erregende Aufgabe langweilig. Derohalben erfand sie neue Methoden der Begutachtung. Dazu gehörten auch diverse Tests zur Schmerzschwelle des Sklaven. Für die „Quetschtechnik“ hatte sie sich zwei Holzbretter mit Schrauben gebaut, die wie eine Schraubzwinge funktionierte. Noch nie war Ceres gen Abend so feucht und wollüstig nach Hause gekommen und hatte Aphron gefordert wie eine ganze Horde „ausgehungerter“ Damen. Wenigstens blieb ihrem Privatsklaven die Zwinge erspart.

Phoibe hatte dagegen den ganzen Tag Brandeisen in der Hand und drückte es der Reihe nach auf hundert nackte Männerhintern pro Stunde. Und doch war es nicht eintönig, denn immer wieder war Phoibe überrascht, wie die Sklaven reagierten. Mal schrieen sie hoch wie ein Weib, mal grunzten sie, einige jammerten schon vorher, andere spielten den harten Kerl, brüllten dann aber, als würde Phoibe sie abschlachten wollen. Ein Schmunzeln ging über die Münder der Sklavenhändlerinnen. „Angsthasen“ drohten sie noch mit allerlei anderen Dingen und amüsierten sich köstlich über die Männer, die zuvor noch groß und stark wie ein Fels dastanden, jetzt dagegen nur noch ein Häufchen Elend waren, flennten und um Gnade flehten.

Flagella bekam derweil Besuch von einem Trupp Steuereintreiberinnen. Die Sklavenhändlerin rümpfte abfällig die Nase. Kaum blitzten ein paar Münzen auf, schon waren die gierigen Schatullenfüllerinnen der Herrscherin nicht weit. Die Uniformierten schienen jedes Geschäft zu riechen, wie eine Jagdhündin eine Leberwurst. Widerwillig gab Flagella ihrem verhassten Besuch den üblichen Zehnten. „Hoch lebe Majestät Pluta!“, stimmten die Eintreiberinnen im Chor ein. Flagella lächelte gekünstelt und dachte: „Und ersticken soll sie an meinem Gold. Dazu stecke ich ihr gern höchstpersönlich noch weitere Münzen in ihren nimmersatten hoheitlichen Rachen.“

Während Phoibe und Ceres fleißig dabei waren, die vielen neuen Sklaven zu markieren, zu sortieren und ihnen bedingungslosen Gehorsam beizubringen, diskutierten die Senatorinnen Alekto und Kerbera im Palast der Potentatin Pluta über die Flucht des Gemahls der Königin Leda. Die Hafendirektorin hatte ihrer Herrin gebeichtet, dass Abas verloren war. Sie hatte es zwar so dargestellt, dass der Gemahl der Königin auf dem fremden Ostkontinent nicht lange überleben würde, aber Pluta war trotzdem außer sich gewesen. Alekto forderte eine drakonische Strafe für die Hafendirektorin. Kerbera stimmte dem zu: „Majestät, schickt die Direktorin in die Steinbrüche. Sie soll dafür büßen.“ Pluta nickte langsam und meinte zynisch. „Ja, diese Tat ist nicht mehr gutzumachen. Aber in der Zwangsarbeit würde sie nur einige Jahre verkraften – wenn sie mit männlichen Sklaven Kontakt hat, würde sie wohl nur wenige Tage ihr wertloses Leben behalten, denn ihr Leib würde den Kreaturen zu süß erscheinen, um nicht davon zu naschen. Sie soll lieber eine Buße erhalten, die sie an ihre Tat noch in vielen Jahren erinnert.“

Die Senatorinnen sahen Pluta fragend an. Was führte die Tyrannin im Schilde? Als Pluta nach einer Schmiedin schickte, ahnten die Frauen, was die Despotin vorhatte.

Seit diesem Tage war die Hafendirektorin in einen Keuschheitsgürtel gesperrt. „Höret! Sie wird für mindestens zehn Jahre darin hausen“, verkündete Pluta im Beisein der Verurteilten später. „Des Weiteren entziehe ich ihr den Rang der Hafendirektorin. Sie soll als einfache Aufseherin im Hafen an der Ostküste arbeiten, so dass alle ihre früheren Untergebenen nun über sie befehlen. Nach Ablauf eine Dekade darf sie um Begnadigung betteln. Vielleicht schließen Wir sie dann auf. Und nun: Schafft sie mir aus den Augen!“
Die Frau wurde von zwei Wächterinnen aus dem Thronsaal geführt.

Zehn Jahre in einen Keuschheitsgürtel gesperrt zu sein! Und die Erniedrigung als Untergebene zu erleben… Die Frau war fassungslos und noch wie benebelt. Als sie hinausgebracht worden war, warf Pluta den Schlüssel der Schmiedin zu. „Einschmelzen!“ Die Schmiedin verneigte sich mit einem Lächeln und zog sich samt Schlüssel zurück.

Inzwischen waren die Vorbereitungen der großen Sklavenauktion beendet worden. Am nächsten Vormittag würde ein Sklave nach dem anderen, manche auch im „Pack“, also eine kleinere Gruppe, versteigert werden. Sklavenhändlerin Flagella rieb sich jetzt schon die Hände. Das Gold würde nur so klimpern, ihre Taschen bauschen und ihre Schatullen füllen. Zur Feier des Tages würde sie den besten Wein entkorken und zechen bis der Krug leer war.

Und dann war es so weit: Von Nah und Fern kamen Landbesitzerinnen, die große Gehöfte, Weinberge, Felder oder sogar eigene Minen besaßen und teilweise hunderte Sklaven beschäftigten. Manche Damen waren auch gekommen, um sich einen Liebesdiener zu erwerben. Manche Ladys suchten weitere Hausangestellte. Flagella bot für jeden Bedarf Leibeigene an. „Jede Dame wird bei uns fündig“, hieß ihr Credo. „1-A-Ware gibt es bei mir“, verkündete Flagella stolz und präsentierte ein Dutzend muskulöse Sklaven, die vor ihren potentiellen Besitzerinnen stramm standen. Besondere Exemplare hatten die Händlerinnen mit Fett eingeschmiert, damit die Muskeln glänzten.

Leider hatte eine Gesandte der ehrenwerten Pluta bereits die „Sahnestückchen“ abgeschöpft, doch blieb noch genug Qualitätsware übrig. Und der restliche „Ramsch“ würde am Ende für Billigpreise weggehen. Flagella war bisher immer alles losgeworden. Einige Ladys warteten sogar auf die Reste, um sie günstig abzunehmen. Es war hierzulande das Gerücht von einem Werwolf die Runde gegangen, der seit einigen Tagen des Nachts einige Schafherden dezimierte. Und so hatten sich zwei Wollfarmbesitzerinnen entschlossen, Sklaven draußen anzubinden, um den Werwolf damit gütlich zu stimmen, damit er sich mit seinen Klauen und Reißzähnen nicht an den geliebten Tieren vergriff.

Die Sklavenhändlerin hörte bereits die Menschenmassen, die sich auf dem großen Platz vor den fünf Bühnen versammelten und drängten, auf denen die ersten Leibeigenen präsentiert wurden. Flagellas Trick war, nicht sofort die gesamte Ware auf die Tribünen zu bringen. Nur nach und nach zeigte sie, was sie im Lager hatte. Fast jede Woche gab es zwar kleinere Auktionen, doch dieses große Ereignis fand nur zwei Mal im Jahr statt, so dass die Bevölkerung der Metropole wie gebannt die Veranstaltung verfolgte. Es sahen sogar Damen zu, die gar keinen Bedarf an neuen Sklaven hatten. Sie ergötzten sich an den nackten Männern in ihren schweren Ketten und den hilflosen Blicken.

Im Hintergrund stand ein Sklave abseits des Geschehens in einem Pranger. Dieses „Korrekturmittel“ wendeten traditionell viele Damen gerne an. Auf einem Schild stand, seit wann und wie lange der Mann noch dort zu verharren hatte. Doch was sonst Anlass war, Zielübungen mit faulem Obst zu absolvieren, blieb fast unbemerkt von der Masse – ein Glück für den Zögling. Die Frauen konzentrierten sich auf die Bühnen mit den präsentierten Sklaven. Flagella eröffnete auf dem Hauptpodest die Versteigerung. Bald schon riefen die Ladys ihre Angebote nach oben, während die Sklavenhändlerin einen großen, muskulösen Sklaven drehte und wendete, um ihn von allen Seiten anzupreisen.

Neben einer kurzen Fußkette trug der Mann auch ein „Gemächt-Band“, also eine Metallschelle in seinem Schoß, an der eine kurze Kette zwischen seine Beine durchführte und sich über seinem Gesäß mit Handfesseln vereinigte. Mit diesem „Sklavenzügel“ war auch ein kräftiger Mann gut zu beherrschen – selbst für eine schmächtige Dame. Eine Teilnehmerin der Versteigerung forderte lautstark, der Sklave solle seine Muskeln anspannen. Flagella ruckte forsch an dem „Gemächt-Band“ und befahl dem Mann zu gehorchen. Die Aktion lohnte sich, denn die Frau aus dem Publikum erhöhte ihr Gebot deutlich.

Noch drei Mal überboten sich zwei Damen gegenseitig, bis die eine Partei zerknirscht aufgab, und der Sklave damit unter die Fittiche der frohlockenden Ersteren ging. Und schon brachten zwei Angestellte von Flagella den nächsten Leibeigenen. So folgte ein Zweibeiner nach dem anderen. Die Preise, die die Exemplare erzielten, waren sehr unterschiedlich, schließlich schwankte auch die Qualität. Phoibe, die bisher auf einer anderen Bühne als Helferin mitgearbeitet hatte, wurde endlich abgelöst. Sie hatte nun ihr Tagessoll erreicht und verfolgte die Versteigerung als Zuschauerin.

Auf der Hauptplattform, wo Flagella unermüdlich ihre Ware anpries, standen nun zwei Helferinnen der Händlerin, die eine seltsame Konstruktion auf Rädern herbeirollten. Phoibe staunte: So etwas hatte sie bisher noch nie gesehen. Flagella betonte, dass dieser Sklave noch vollkommen widerspenstig und wild sei. „Dieses Einzelstück, werte Gesellschaft, ist perfekt für eine Dame geeignet, die noch aus der unverfälschten Natur selbst die Zähmung in die Hand nehmen möchte. Ich empfehle diesen Sklaven allerdings nur an geübte Ladys abzugeben“, erklärte Flagella und präsentierte das Exemplar stolz.

Phoibe drängte sich näher heran. Der Sklave stand gefesselt mit gespreizten Beinen und ausgebreiteten Armen an einem senkrechten Gitter aus Eisen. Zusätzliche Stabilität erreichte die Konstruktion durch einen Pflock, der dem Leibeigenen zwischen seinen Beinen in dessen Torso reichte. Wie tief, darüber konnte Phoibe nur spekulieren, doch sie hatte bei der Erziehung von anderen Sklaven bereits so manches erlebt… Flagellas Sklavenschmiede konnte ein Hort des Schreckens sein. Anfangs hatte sie gar nicht gewusst, was ihre Kameradinnen bei der Arbeit meinten, als sie lachend riefen: „Lasst uns den da hinten ein wenig pfählen.“ Doch inzwischen kannte sie diese Erziehungshilfen, sie sich gut bewährt hatten.

Außerdem trug der Sklave einen Nasenring, der mit zwei Ketten hinter seinem Kopf mit dem Gitter verbunden war, um die Bewegungsfreiheit noch weiter einzuschränken. Den Grimassen nach zu urteilen, die der Mann schnitt, wehrte er sich nach besten Kräften gegen seine Fixierung und Vorführung, aber die perfide Konstruktion ließ ihn hilflos vor den potentiellen Kundinnen stehen. Mehrere Ladys in der ersten Reihe waren entzückt vom Anblick der wilden Kreatur und überboten sich gegenseitig mit hohen Summen.

Einige Damen wollten nur einen Blick auf die Gestalt werfen, um sich an seinen Verrenkungen zu weiden. Sie hatten schon reichlich dem Trunke gefrönt und sangen Spottlieder oder hänselten die Sklaven auf andere Weise. Schließlich bekam eine reiche Großgrundbesitzerin in einem karmesinroten Umhang mit auffälliger goldfarbener Stickerei den Zuschlag. Sofort kam ein Mann, ihr Hausverwalter, zu Flagella gelaufen und brachte zwei volle Säckchen mit Bronze-Münzen. Eigentlich war der Sklave den Preis nicht wert, doch hatte sich die Frau gegen ihre Konkurrentinnen durchsetzen wollen. Hier ging es auch um Ehre und Prestige.

Vier kräftige Sklaven, die ebenfalls ihr gehörten und wie Soldatensklaven der Pluta gekleidet waren, packten die Konstruktion mit dem eingekauften „Wilden“ und schoben sie kraftvoll hinter ihrer Herrin her, die eine kurze Wegstrecke entfernt in eine prunkvolle Kutsche stieg. Für sie war die Auktion ein Erfolg gewesen. Sie freute sich schon auf die Zähmung dieses widerspenstigen Exemplars. Eigentlich hatte sie nicht so viele Münzen ausgeben wollen, aber ihre Felder waren seit letztem Jahr ergiebiger geworden, seit sie einige Soldatensklaven gekauft hatten, die die Feldarbeiter beaufsichtigten. Da wurde jede Pause, jedes Zögern sofort und unerbittlich mit der Peitsche beantwortet. Der Einsatz der Kampfmänner hatte sich schon jetzt mehr als rentiert.

Den neuen Kauf würde sie zu einem artigen Schoßhündchen erziehen, der zu ihren Füßen lag, auf Kommando „Männchen machte“, „Pfötchen gab“, sich auf dem Boden wälzte oder bellte. Und insgeheim überlegte sie, dass es doch erregend wäre, wenn er auf einen bestimmten Befehl oder ein Pfeifen seine Beine breit machte, damit sie ihm sein Gemächt tätscheln konnte. Natürlich würde er über seinen Liebesstab einen Keuschheitsgürtel tragen. Sie liebte solchen Mummenschanz.

Den Willen eines so aufsässigen Sklaven zu brechen war ihr ein Genuss. Auf ihrer prachtvollen Hazienda gab es in einem Kellergewölbe die so genannte Strafkammer. Hier hatte sie schon so manchen Leibeigenen erzogen. Besonders gefürchtet unter ihren Sklaven waren die „Strafbirnen“. Bei einem Vergehen wurde dem Übeltäter eine hölzerne Birne in den Hintern geschoben, die mit einem Stil verbunden war, so dass ihre Strafdamen sie sicherer bewegen konnten. Bei seinem zweiten Fehltritt wurde der Schuldige mit einer größeren Birne bestraft. Die Großgrundbesitzerin hatte vier Größen anfertigen lassen. Obwohl die Rechtsprechung auf ihrem Anwesen sehr streng war, kam die vierte Variante bisher noch nicht zum Einsatz – bisher…

Sollte sie die „Dicke“, wie sie genannt wurde, bei dem Neuling anwenden lassen, wollte sie auf jeden Fall dabei sein und das Spektakel genießen. Selbstverständlich würde sie dann eine fünfte Größe in Auftrag geben. Die Großgrundbesitzerin merkte, wie sie die Vorfreude feucht machte. Sie klopfte an den Rahmen des Wagens, um dem Kutscher zu signalisieren, die Pferde anzuspornen.

Helena stolzierte im Hafen der östlichsten Ansiedlung des Reiches der Pluta umher und bestaunte die großen Schiffe, die Tonnen von Fracht über die Meere transportierten. Bald würde sie auch zu den Seefahrerinnen gehören – und das gleich als Kapitänin! Die Göttin an Bord! Über jeden Zweifel erhaben! Was sie befahl, das war ehernes Gesetz!

Ob sie wohl den Auftrag erhielt im Ostkontinent Sklavenware aufzunehmen? Oder würde sie Gewürze und andere Kostbarkeiten in den dicken Bauch ihres Segelschiffes laden? Die neue Hafendirektorin würde es entscheiden. Vielleicht würde Helenas erste Reise ja auch nicht nach Osten gehen, sondern im Norden oder Süden um den Kontinent führen? Womöglich in Feindesland, wo Ruhm und Ehre warteten? Der Krieg mit dem Vereinten Reich war nur unterbrochen. Es gab keinen Friedensvertrag. Vielleicht würde sie Hundertschaften von Kampfsklaven samt Kriegsgerät irgendwo an der Süd- oder Nordküste des Feindes abladen…

Noch ganz in Gedanken an die Zukunft blieb sie vor einem Stiefelputzsklaven stehen, der so angekettet war, dass er den Tag auf den Knien verbringen musste, und ließ sich ihre Schaftstiefel auf Hochglanz polieren. Anschließend warf sie als Obolus eine Kupfermünze in den rechten Sack, der an einem Holzstab hing. Die Besitzerin des Sklaven nickte als Dank. Helena war noch neu im Ostreich und kannte viele Gewohnheiten noch nicht. So hatte der Putzsklave heute Glück, denn es hatte eine besondere Bedeutung, wenn die Gabe im rechten (und nicht im linken!) Beutel landete. Links hieß nämlich, dass man mit der Leistung des Sklaven nicht vollständig zufrieden war. Und das hätte Schläge für den Mann bedeutet.

Während Helena in rosiger Zukunft schwelgte, saß Abraya in einem düsteren Kerker, angekettet am Boden auf kaltem, feuchtem Stein, und wartete auf ihre Hinrichtung. Vor der schweren rostigen Gittertür saß auf einem schartigen Schemel ein Kampfsklave und wachte über sie und einige weitere Gefangene. Gegen Abend versuchte Abraya es mit einem Trick. Sie simulierte starke Schmerzen im Hals und rief hustend um Hilfe. Der Wächter sah erst nach einiger Zeit auf. Er war eingenickt gewesen. Jetzt schlug er mit dem harten Griff seiner kurzen Peitsche dumpf gegen die Tür: „Ruhe da drin! Oder es setzt Hiebe!“

„Bitte gebt mir einen Schluck Wasser. Ich ersticke.“ Der Kampfsklave war unsicher, wie er reagieren sollte. Die Gefangene durfte nicht sterben. Sie sollte in einem Hängekäfig zu Tode kommen. Er raffte sich ächzend auf und nahm eine verbeulte Kelle, um sie in das Wasserfass zu tunken. Dann öffnete er mit seinem Schlüsselbund die Gittertür. Er bückte sich zu der Gefangenen und hielt ihr die Kelle vor den Mund. Abraya trank gierig. Sie hatte zwar Durst gehabt, aber das war nicht der Hauptgrund, den Wächter in die Zelle zu locken. Abraya starrte auf den kurzen Waffenrock des Mannes: „Habt Dank, Meister! - Oh, Ihr müsst ein gar gewaltiges Gemächt besitzen!“ Der Kampfsklave sah sie verwirrt an. Dann sah er an sich hinab und meinte: „Da zeichnet sich der Keuschheitsgürtel ab, du dumme Dirne.“

Abraya stellte sich dumm: „Ihr müsst einen Keuschheitsgürtel tragen? Wie furchtbar!“ Der Mann grunzte unzufrieden. Musste diese dämliche Kuh ihn an sein Schicksal erinnern? Er wollte sich schon abwenden, da sagte Abraya leichthin: „Ich könnte Euch leicht daraus befreien.“ Der Wächter stutzte. Wie sollte das Weib dies schaffen? Er sah sie skeptisch an. „Und wie?“ Abraya meinte: „Gebt mir zwei dicke Nadeln, und ich erlöse Euch von diesem Fluch.“ Der Kampfsklave lachte humorlos auf. „So ein Unsinn! Willst du mit einer Nadel das Eisen durchbohren, du dummes Ding?“ Abraya lächelte und sagte: „Nein, aber das Schloss öffnen. Vertraut mir. Sollte ich es nicht schaffen, so dürft Ihr mich gerne züchtigen.“
68. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von AlfvM am 21.09.19 10:53

Hallo Prallbeutel,
vielen Dank für das Fortschreiben deiner Geschichte. Mir hat ja die Originalgeschicht schon sehr gut gefallen und bin gespannt welche Änderung und Wendungen du dir noch einfallen lässt.
VLG Alf
69. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 05.10.19 18:03

Der Mann kniff die Augen zusammen. Konnte das ein Trick sein? Aber was würde sie schon mit zwei Nadeln anfangen können? Die Vorstellung, endlich, und wenn es nur für diese Nacht war, als richtiger Mann zu leben, war überwältigend. Er verließ die Zelle und ging, um das Gewünschte zu besorgen.

Es dauerte auch nicht lange, da kam der tumbe Wächter zurück. „Wehe, du hast mich genarrt, Weib!“, drohte er. Ich kann die süße Frucht auch mit meinem Knüppel lieben, dachte der Wächter. Aber Abraya, als ausgebildete Soldatin einer speziellen königlichen Einheit, hatte tatsächlich das Geschick den Keuschheitsgürtel zu öffnen. Zwar würde ihr dieses nicht gelingen, wenn die eiserne Fessel von Tartaros, dem königlichen Schmied der Leda, geschaffen worden wäre; doch die Ost-Keuschheitsschellen waren für sie leicht zu knacken.

Der Wächter behielt die Gefangene genau im Blick, während sie sich auf den Knien vor ihm an die Arbeit machte. Ihm war gar nicht so wohl dabei, dass die Fremde an seiner Männlichkeit fummelte, denn wie schnell konnte sie dort Schaden anrichten… „Stich mich ein einziges Mal, Weib, und du wirst beten, niemals geboren worden zu sein!“ Die Versuchung der Freiheit war viel zu groß, so dass der Mann das Risiko ausblendete wollte. Angstschweiß bildete sich trotzdem auf seiner breiten Stirn. Zur Sicherheit hielt er einen scharfen Dolch gezückt – scharf, wie sein eigener „Dolch“, dachte er amüsiert.

Was würde er diese Nacht noch erleben! Zwar war die Frau das einzige Weib im Kerker, aber sie würde gleich mehrfach herhalten müssen! Oh, er hatte so viel nachzuholen! So viel! Mitleid hatte er mit der Verurteilten nicht. Schließlich grub sie sich gerade selbst ihr Grab. Und wenn die dumme Gans morgen erst in ihrem Käfig dahinvegetierte, wünschte sie sich vielleicht sogar noch in seinen Kerker zurück. Wer weiß? Ob er ein guter Liebhaber war, wusste er nicht. Auf jeden Fall, und das war die Hauptsache für ihn, war er ein sehr Hungriger! Ein Ausgehungerter! Und er würde dafür sorgen, heute Nacht satt zu werden!

Es dauerte eine Weile, und Abraya benötigte höchste Konzentration. Sie hatte bereits bemerkt, wie aufgeregt der Mann war. Er trat von einem Fuß auf den anderen und leckte sich ständig über seine dicken Lippen. Sogar ein leichtes Zittern bemerkte sie. Seine feiste Visage machte einen tumben Eindruck. Er war wohl nicht der Hellste. Und das kam Abraya zu Gute. Endlich sprang das Schloss wie durch Zauberhand auf. Der Mann starrte ungläubig auf die geöffnete Schelle und nahm sie von seiner Männlichkeit ab. Dieses Weib war wahrlich der Hexerei mächtig! Langsam zeigte sich ein breites Grinsen in seinem schmutzigen Antlitz. Dann wurde das Grinsen zu einem Lachen, das schließlich laut und dröhnend durch den Kerker lärmte.

Obwohl Abraya ähnliches erwartet hatte, schreckte sie zusammen, als der kräftige Mann plötzlich ihre Haare grob am Hinterkopf packte und ihr mit der anderen Hand seine schartige Klinge an den zarten Hals hielt: „Brav gemacht, Maid! Aber jetzt wirst du die Früchte deiner Arbeit ernten.“ Wieder lachte er schallend. „Na, los! Du weißt doch sicherlich, wie du einen Recken glücklich machst! Oder bist du noch Jungfrau? Das wäre noch erfreulicher!“ Abraya griff vorsichtig nach der großen Männlichkeit, die sich ihr entgegenstreckte. Dann begann sie das Liebesspiel, brachte den Wächter schon bald in den Garten Eden. Sie spürte, wie der Druck der Klinge immer mehr nachließ.

Der Mann hielt seinen Dolch nur noch locker fest und war ganz gefesselt von dem so sehnlich herbei gewünschten Gefühl, dass er nun durchlebte. In wenigen Augenblicken würde er nach Jahren zum ersten Mal wieder seinen Samen vergießen! Als der Kerkermeister gerade begann lustvoll zu grunzen, hieb Abraya ihm kräftig in sein Gemächt und entwand ihm den Dolch. Blitzschnell sprang sie auf und stieß den völlig überrumpelten Kerl zu Boden. „Tölpel! Meinst du, ich bin deine Hure? An die Ketten!“

Der Mann gehorchte stöhnend. Geilheit, Schmerz und Überraschung, Demütigung und Erstaunen – alle Gefühle mischten sich wild in seinem Kopf. Er gehorchte fast wie in Trance. Abraya verschloss die Schellen an Armen und Beinen und verließ ohne ein weiteres Wort die Zelle. Glücklicherweise fand sie schnell Gewandung, die ihr fast passte, zog sie an, steckte noch ein kleines Kriegsbeil ein und besuchte den Wächter wieder. „Und? Wie hat es dir gefallen?“, fragte sie sarkastisch. Sie stocherte dem Gefangenen dabei mit dem Stil des Beils zwischen seinen Beinen umher: „Sag schon! Hat es dir gefallen?“

Der Wächter wusste nur zu stöhnen: „Bitte nicht! Ich… Also gut. Flüchtet. Aber…“ „Aber was?“, fragte Abraya spöttisch. Der Mann sah verzweifelt auf seinen allzu lebendigen Liebesstab. „Bringt es bitte zu Ende.“ Abraya grinste: „In wenigen Stunden werdet ihr gefunden. Dann werdet ihr sowieso wieder verschlossen. Es lohnt sich also gar nicht. Außerdem habe ich keine Zeit. Ich brauche einen Vorsprung, um unterzutauchen.“ Der Mann begann zu flehen: „Bitte! Ich war so kurz vor…“ Abraya sah ihn neckisch an: „Wovor?“ Der Wächter seufzte. Seine Männlichkeit ragte noch immer in die Luft, freigelegt von seinem Waffenrock.

Abraya kam auf ihn zu und kniete sich zu ihm. „Ihr habt mich gut versorgt, mir frisches Wasser und nahrhaftes Essen gegeben und eine gute Zelle. Ihr sollt Euren Lohn haben.“
Der Kerkersklave sah zu seiner ehemaligen Gefangenen und stöhnte wohlig auf, als sie seinen Stab zu streicheln begann. Erst langsam, dann schneller… Als der Mann in höchster Erregung den Mund öffnete, ließ Abraya ihn los wie ein heißes Eisen. „Essen? Diese Pampe nennst du Essen? Und in dieses Rattenloch hast du mich gesperrt!“ Sie lief vor die Tür und kam mit einem kleinen Kübel voll mit dem Brei zurück, den die Eingeschlossenen erhielten. Sie tauchte die Kelle voll und hielt sie ihm hin: „Friss den Dreck selbst! Los! Zähne auseinander, oder ich helfe nach!“

Der Wächter ließ sich von der schönen Frau füttern. Immer wieder tauchte Abraya die Kelle in den Kübel, bis er zu zwei Dritteln leer war. Der Mann würgte und spuckte. Er hatte fast drei Liter von dem Brei schlucken müssen. Sein Bauch war nun noch gewölbter als sonst und zum Platzen gespannt. Abraya stand auf und kippte den Rest über dem Kopf des Gefangenen aus. So hatte sich der Mann das Sattwerden nicht vorgestellt…

Abraya verließ den Kerkerkomplex so schnell wie möglich. Auf dem Kopf trug sie eine Gugel. Später wechselte sie die Kleider erneut in einem kleinen Haus, in das sie einbrach. Dort fand sie eine femininere Gewandung mit Kopftuch, das als Verzierung eine breite Brokatborte aufwies. Hohe Stiefel und eine Lederhose wirkten eher reckenhaft, doch waren einige Damen im Ostreich durchaus ritterlich gewandet. Über die Hose zog sie sich einen Waffenrock mit vielen Rüschen an. Im Gürtel steckten noch der Dolch des Kerkermeisters sowie ein schlankes Schwert, dass sie in dem Haus gefunden hatte. Das Kriegsbeil hatte sie dort liegen gelassen, denn es behinderte sie zu sehr.

Schon jetzt graute ihr davor, Leda erzählen zu müssen, dass Helena Hochverrat begangen hatte. Und Lykos und Abas? Sie waren irgendwo in der Ferne in einem unerforschten Land unter einem feindlichen Volk. Aber würde sie es überhaupt schaffen durch das gesamte Ostreich unerkannt zu flüchten? Und wie sollte sie die Front überqueren? Doch von diesem Problem war sie noch viele Meilen entfernt. Sie konnte sich in der nächsten Ansiedlung ein Ross stehlen und jagte aus Angst, man könne sie verfolgen, in rasendem Galopp die hügelige Landschaft entlang. Der Untergrund grub deutliche Spuren ihres Rosses in den Boden. Das war leider nicht zu verhindern.
Nach einer Stunde ließ sie es gemächlicher angehen und machte eine kleine Rast an einem Flüsschen, um sich an dem frischen kühlen Wasser zu erquicken. Sie war ganz allein. Nur Vögel zwitscherten in den Bäumen, und das klare Wasser plätscherte vor sich hin. Dann schwang sie sich erneut in den Sattel. Als sie aus einem dichten Wäldchen geritten kam, erschrak sie, als urplötzlich unweit vor ihr eine Sklavenkolonne auftauchte, die wohl an einer neuen Straße schuftete.

Zwei Wächterinnen begutachteten die Reisende und grüßten lässig, während eine dritte Frau in Lederrüstung auf einige Arbeiter mit einem langen Lederriemen einschlug. Abraya trabte näher und grüßte ebenfalls. In diesem Moment zerschlug ein Sklave mit einem gewaltigen Hammer einen Felsbrocken, der laut knackend auseinanderbrach. Dabei spritzten einige kleinere Splitter in ihre Richtung. Sofort kam eine der Frauen herbei und zog eine Peitsche aus dem Gürtel. Der Sklave erhielt einen saftigen Hieb, der ihn aufheulen ließ. „Hat dich dieser ungeschickte Wurm etwa getroffen?“ Abraya sah das entsetzte Gesicht des Mannes. „Aber nein“, beruhigte sie die Frau. „Kein Problem.“

Die Wächterin machte den Eindruck, als hätte sie das „Problem“, wenn es eines gegeben hätte, samt Sklaven sehr schnell und sehr gründlich beseitigt. Böse sah sie den Arbeiter an, der sofort seinen Blick gen Boden senkte. Erneut grüßte die Frau die Reisende, bevor Abraya ihre Hacken in die Flanken des Rosses ruckte und davon galoppierte.

Die Wächterin der Sklavenkolonne sah grimmig zu dem Sklaven hinüber und befahl ihm: „Weiter arbeiten, du faules Stück!“ Während er den schweren Hammer erneut auf die Felsbrocken krachen ließ und ihm der Schweiß in Strömen vom fast nackten Leib lief, sah er im Augenwinkel sehnsüchtig den halb gegessenen saftigen Apfel, den die Wächterin nach drei Bissen weggeworfen hatte. Doch der würde unerreichbar für ihn bleiben.

Leda wartete dieser Tage unruhig auf Kunde aus dem fernen Osten. Würde ihr Abas bald wieder bei ihr sein? Oder würde Lykos bei seiner Rückkehr böse Nachrichten melden? War ihrem Gemahl etwas zugestoßen? Wie konnte er ihr nur nacheilen?! Dieser Dummkopf! Fast täglich rief sie den königlichen Alchemisten und Seher Caduceus zu sich. Der alte Mann litt bereits unter starken Erschöpfungszuständen, und sein Körper schien fiebrig zu sein. Aber Leda forderte seine Seherkräfte wieder und wieder heraus. Caduceus konzentrierte sich stundenlang über seiner Kristallkugel und nebelte sich mit dem Rauch geheimer Kräutermischungen ein. Doch stets kam er zum gleichen frustrierenden Resultat: Abas war in weiter Ferne… Und Lykos und eine Begleitung ebenfalls. Nur undeutliche Schemen konnte er erkennen.

Aber dann sah er eines Tages ein klareres Bild. Leda sprang auf, als Caduceus die überraschende Neuigkeit verkündete. „Wer ist es? Abas?“, wollte die Königin aufgeregt wissen. Der Seher verneinte. „Es ist eine Eurer Soldatinnen, Majestät. Es ist… Abraya.“ Leda stutzte. „Und was ist mit Lykos und der anderen?“ Caduceus schüttelte sein schlohweißes Haupt. „Ich kann es trotz aller Anstrengung nicht erkennen. Sie sind zu weit entfernt. Aber Abraya scheint mir auf dem Weg zu Euch. Ihre Gestalt wird immer schärfer in meinen Visionen.“

Leda starrte auf die Kristallkugel, obwohl sie keine derartigen Künste beherrschte. Wenigstens ein Lichtblick am Horizont, atmete die Majestät auf. Vermutlich wusste Abraya mehr zu berichten. Aber konnte sie wissen, ob ihre Untertanin nicht als Spionin kam? Caduceus hatte erwähnt, dass eine der Soldatinnen zum Feind übergelaufen sei…Megara hätte die Zurückgekehrte einer peinlichen Befragung unterzogen, um die Wahrheit aus ihr herauszubekommen. Die Foltermeister der ehemaligen Diktatorin hatten ihr Werk vorzüglich verstanden. Aber würde auch Leda zu so einem Befehl fähig sein? Nein, sie würde die Antwort auf andere Weise erhalten. Nur wie?

Helena, die frischgebackene Kapitänin, die jedoch noch kein Schiff hatte, meldete sich derweil im Hafenamt. Sie wollte sich erkundigen, wann ihr ein Frachtschiff oder eine Galeere zugeteilt würde. Dort wurden ihre Zukunftsträume zunächst zerschlagen: Vorläufig, so sagte ihr eine Frau in edlem Zwirn, die die kommissarische Hafendirektorin war, gebe es keine freien Schiffe. Alle Kräfte würden derzeit in der Metropole gebündelt, um die Grenze zu sichern. Sie solle sich lieber einen anderen Beruf suchen. „Werdet Klingen- und Messerschmiedin – die werden gesucht. Oder wechselt zur Armee. Wenn Ihr jedoch mit dem Kriegshandwerk nichts anfangen könnt, so werdet Fischerin oder Sattlerin oder Gerberin oder Glaserin oder Schneiderin oder Steinmetzin oder…“ Helena verließ den Raum und hörte nicht mehr, wie die Frau ihren Satz als Selbstgespräch beendete: „…oder Seilerin oder Weberin oder Töpferin oder Gürtlerin oder Bürstenbinderin oder Drechslerin oder… Hey! Wo seit ihr hin?“ Die Frau stampfte erbost mit dem Stiefel auf die Holzdiele unter ihrem Sitz. „Werdet doch Hure oder Totengräberin – die werden immer gebraucht!“

Helena war aller Illusionen genommen. Kapitänin auf dem eigenen Schiff. Später Kommodorin und schließlich Admiralin. Aus der Traum! Sie überlegte, ob sie aus dieser Hafensiedlung abreisen und in der Metropole ihr Glück suchen solle. Ja, vielleicht sollte sie das tun. Dort würde sie weitersehen. Als ausgebildete Soldatin könnte sie in Plutas Armee dienen. Sie könnte ihr Glück in den Truppen suchen, sich hochdienen bis zu Feldherrin.

Derweil ließ Pluta in ihrem Palast die neuen Sklaven vorführen, die aus dem Osten gekommen waren. Selbstverständlich hatte sie sich die Besten aus der Ladung herausgesucht. Die Männer standen in einer Reihe, splitternackt – nur einen dicken Halsring aus schwerem Eisen trugen sie am durchtrainierten Leib. Eigentlich hatte die Tyrannin genügend Sklaven. Diese Neuen sollten ihr lediglich die Langeweile vertreiben. Und so spielte sie mit ihnen das Spiel „Die Unheilssteine“. Dazu brachte ihr eine Dienerin ein Seidensäckchen mit 20 Steinen. Auf diesen glatt polierten Halbedelsteinen waren Zahlen angebracht. Sie hatte 50 fertigen lassen, benötigte aber nun nur 20 Stück.

Die Despotin nippte an ihrem prunkvollen Kelch, der mit kostbarem Rotwein gefüllt war, und dann griff sie wahllos in das Säckchen und holte einen Stein hervor. Eine Palastwächterin stieß den ersten Sklaven in der Reihe brutal auf die Knie. Ihm galt Stein Nummer 7. Pluta wusste auswendig, was dies bedeutete: Der Mann wurde abgeführt, um gegen sieben Gladiatorinnen abzutreten. Sollte er sie alle übertrumpfen, so würde ihm die Freiheit gehören.

In den zweiten Stein war eine 19 graviert. Der zweite Sklave war bereits auf die Knie gebracht worden. Er würde 19 Minuten in einem großen Kessel stehen, den Plutas Soldatinnen beheizten. Wie eifrig sie dabei zur Tat schritten, war den Kriegsfrauen selbst überlassen. Aber Pluta erinnerte sich noch an ihr letztes Spiel und musste unwillkürlich grinsen, als sie den Sklaven vor Augen hatte, der zappelnd und wimmernd in dem Wasser stand. Was war aus ihm geworden? War er mit roter Haut davon gekommen? Oder… Egal, aus dem Blick, aus dem Sinn.

Der nächste Stein hatte die Nummer 12. Der Sklave würde zwölf Stunden an vier Stricken auf dem Boden gefesselt sein und mit Honig eingerieben. Den Wächterinnen war überlassen, ob sie ihn vor Insekten schützten. Aber wahrscheinlicher war, dass die Frauen sich die Langeweile vertrieben, indem sie allerlei Getier herbeibrachten. Was hatten sie für eine Gaudi beim vergangenen Mal gehabt!

So ging das Spiel der „Unheilsteine“ immer weiter. Ein Mann war dazu verurteilt, 16 Stunden bewegungslos auf dem Hof zu stehen. Dabei durften die Wächterinnen ihren Schabernack mit dem Nackten treiben. Selbstverständlich wurde eine Stunde, in der er sich bewegte, nicht berechnet. So endete es stets gleich: Das Opfer fiel erschöpft um und landete im Matsch. Drei oder vier Mal konnten die Wachfrauen ihn mit ihren Peitschen und Stöcken dazu bringen, wieder aufzustehen, aber alles hatte seine Grenzen.

Ein anderer Sklave würde acht Mal hintereinander seine Männlichkeit unter Beweis stellen müssen. Sollte seine Standhaftigkeit versagen, so galt sein Gemächt als zu schwach. Und Schwäche musste ausgemerzt werden… Manchmal stellte sich eine geile Wachfrau sogar selbst zur Verfügung, wenn der Mann besonders hübsch und gut bestückt war; oft holten sie dafür aber andere männliche Sklaven herbei.

Pluta freute sich schon auf Stein Nummer 1. Der vorletzte Sklave hatte dieses Los gezogen. Der Mann wurde in einen winzig kleinen Käfig gesperrt. Dort musste er verharren, ohne sich bewegen zu können. Mahlzeit und Trunk wurden ihm zur Stärkung gereicht. Einmal am Tage hatte er eine Aufgabe: In einer Kiste lagen 50 Steinplättchen. Nur auf einem von ihnen war ein Kreuz markiert. Jeden Tag durfte der Sklave mit verbundenen Augen in diese Kiste greifen und eine Platte hervorholen. Wählte er das Kreuz, so war er frei. Wählte er falsch, so durften die Wärterinnen für eine Stunde mit ihrem Gefangenen „spielen“. Pluta liebte es, dabei zuzusehen und sich an dem Sklavenschicksal zu weiden. Natürlich war sie auch gespannt, wie lange der Mann in dem kleinen Käfig hocken musste. Vergangenes Mal war es zu lang gewesen. Der Sklave war nicht mehr in der Lage gewesen, aus dem Käfig zu steigen. Nun, allzu oft hatte sie dieses langwierige Spiel noch nicht durchgeführt, aber sie vermutete, dass kaum einer der Männer ein glückliches Ende nehmen würde.

In den Kellergewölben des Palastes waren bereits sieben Männer diesem Unheil ausgesetzt gewesen. Erst ein einziger Sklave hatte es bereits nach 23 Tagen geschafft, die Freiheit zu erlangen. Seitdem hatte Pluta die Wächterinnen angewiesen, erst nach 30 Tagen überhaupt das entscheidende Plättchen in die Kiste zu legen. Aber auch so hatten die Männer alle über 40 Tage benötigt. Drei von ihnen waren nach 41, 55 und 74 Tagen immer noch in ihren Käfigen. Ihr Anblick brachte Pluta jedes Mal fast zu einem Orgasmus. Heute reichte alleine die Vorstellung.






70. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 21.10.19 19:17

Schnell eilte sie mit wehendem Umhang in ihr Schlafgemach und klatschte einer Wächterin in ihrer so eigen unverbrämten Überheblichkeit zu, damit sie ihr zwei gut gebaute Liebesdiener aus ihrem Harem schickte. In ihrem erregten Zustand konnte sie dem Sklaven ruhig erlauben, sich nicht zurückzuhalten. Denn sie würde sowieso zuerst ihre Lust erfüllen.
Danach hatte dann der zweite Sklave seine Chance, sich zu erleichtern. Aber Pluta war so hungrig, ihr Verlangen war so verschlingend, dass auch der zweite Sklave kaum zum Zuge kommen würde und unerlöst zurück in seinen Keuschheitsgürtel müsste. „Ach, ich bin so voll Liebe heute“, sang Pluta fröhlich und eilte in ihr flauschiges Bett und tauchte in die dicken Felle und seidigen Stoffbahnen ein. Sie liebte es außerdem, den festen Hintern ihrer Sklaven zu liebkosen, um sie anschließend zu züchtigen, um danach die geschwollenen Striemen zu streicheln und die verängstigten Opfer zu trösten.

Abas und Lykos irrten noch immer durch das fremde Land auf dem Ostkontinent. Nachdem der Soldat den Königsgemahl von der Sklavengaleere gerettet hatte, hatte sich Abas bei ihm mit der Befreiung aus den Händen der Amazonen revanchiert. Nun wussten sie jedoch noch nicht, wie sie zurück ins Vereinte Reich kommen konnten. Es war ein weiter Weg. Viele Tagesstrecken für einen einen berittenen Boten, und unendliche Weite für zwei Gestalten, die vogelfrei durch die Wildnis und Ödnis liefen.

Nachdem sie erschöpft zu Boden fielen, schwer und röchelnd atmeten und dringend eine Rast benötigten, beschlossen sie, noch eine letzte Meile zu gehen, um dort zu lagern. Denn in der Ferne war ein dichter Wald zu sehen, in dem sie sich verbergen konnten. Jeder Schritt marterte ihre kraftlosen Körper. Abas stolperte mehr, als er marschierte. Lykos war schon zwei Mal kurz schwarz vor Augen geworden. Er brauchte dringend einen Schluck Wasser.

Als sie schließlich ihr Ziel erreichten, wurde ihnen erst bewusst, dass ihre Beine sich wie Pudding anfühlten. Völlig ausgezehrt legten sie sich auf die vielen Laubblätter, die ihnen als weicher Untergrund dienten, schnappten nach Atem und massierten sich die Schenkel. Lykos lauschte. „In der Nähe muss ein Fluss sein. Ich höre es rauschen.“
Die zwei Männer rafften sich mit letzter Kraft auf und gingen dem Geräusch nach. Und der Hauptmann hatte sich nicht getäuscht. Bald schon watete das Duo in den erfrischenden Fluten, trank sich satt und wusch danach den Staub vom Leib.

Als Abas längst wieder ans Ufer gegangen war und sich die Tropfen vom Körper schüttelte, bemerkte er, dass der Hauptmann noch immer im Wasser war. „Was ist denn? Kommst du wieder raus? Lass uns ein paar Stunden schlafen. Morgen früh müssen wir zügig weiter.“ Lykos antwortete: „Legt Euch schon zurecht. Ich bin bald da.“ Abas sah verwundert in Lykos Richtung. Aber in der Dunkelheit war nur ein undeutlicher Umriss zu erkennen. Was machte der Mann so lange im Wasser?

Abas stand leise auf und näherte sich dem Ufer des Flusses an einer Stelle, die in Lykos Rücken lag. Der Soldat stand an einer niedrigen Stelle nur bis zu den Knien im Wasser. Und seine Hände waren vor seinem Leib. Sie bewegten sich, wedelten und… War der Hauptmann etwa dabei, seinen Samen zu verströmen? „Lykos!“, rief Abas laut und vorwurfsvoll ob der obszönen Tat. „Was machst du da?“ Der Mann erschrak und tauchte fast komplett unter. „Nichts. Hoheit, Ihr habt mich fast zu Tode erschreckt. Ich dachte, Ihr wolltet schon nächtigen.“ Abas antwortete: „Ja, aber was hast du da gemacht?“ Lykos suchte nach einer Ausrede, fand aber keine und stammelte nur unsinniges Zeug. Abas kam zu ihm ins Wasser und zeigte auf Lykos Gemächt. Der Liebesdolch war hart und groß. Das Corpus Delicti!

Lykos merkte, dass es keinen Sinn mehr hatte, das Eindeutige zu leugnen und senkte beschämt den Blick. „Hoheit, ich… Also, ich weiß, dass Ihr einen Keuschheitsgürtel tragt, aber muss ich deshalb auch abstinent leben? Mir war auf der Galeere schon lange keine Möglichkeit…“ Er verstummte. Die Stille war fühlbar und zerrte an den Nerven. Abas starrte noch immer auf die prächtige Männlichkeit des Soldaten, deren Spitze noch aus dem flachen Wasser schaute, und sehnte sich nach eigener Erfüllung, die ihm schon so lange Zeit versagt war. Er spürte, wie er vor Neid brannte. Er sagte in befehlendem Ton: „Ich erlaube es dir nicht, dich zu erleichtern, bevor wir zurück im Vereinten Reich sind. Verstanden?“ Lykos seufzte: „Jawohl, Hoheit.“

Nun gingen die beiden Männer zu ihrer Schlafstatt unter einem dicken, knorrigen Baum und schlossen die Augen. Beide träumten sie davon, bei einer hübschen Maid ihren Samen zu vergießen… Leider blieb es für beide ein Traum.

Ceres und Phoibe hatten schnell alle wichtigen Handgriffe gelernt, die eine Sklavenhändlerin kennen musste. Heute sollte Ceres ein Dutzend zukünftige Kampfsklaven bei ihrem Training beaufsichtigen. Jeder, der sein Holzschwert verlor oder zu Boden in den Staub gerungen wurde, sollte von ihr einige kräftige Peitschenhiebe erhalten. Dazu führte sie ein hübsches Exemplar in ihrem breiten Gürtel mit sich. Das würde die Verlierer wieder auf den rechten Weg führen. Das schön geflochtene Leder glitt durch ihre schmalen Finger. Fast liebevoll strich sie darüber.

Phoibe dagegen fuhr mit sechs Liebessklaven zu einer reichen Großgrundbesitzerin, die eine der besten Kundinnen von Flagella war. Die Händlerin hatte ihrer Angestellten Phoibe eingeschärft, gegenüber der hohen Lady sehr höflich aufzutreten und ihr alle sechs Sklaven anzupreisen. „Vermutlich wird sie nur drei nehmen“, ahnte Flagella, „das gehört zu ihrer Gewohnheit: alle zwei Monate kauft sie drei Stück und testet sie ausgiebig. Wenn sie genug von ihnen hat, kommen sie auf eines der großen Zuckerrohrfelder ihrer Plantagen. Das macht sie schon seit Jahren so.“

Phoibe staunte: „Dann lag wohl schon jeder ihrer Sklaven mal bei ihr…“ Flagella lachte: „Nein, das schafft selbst Cassandra nicht. Sie besitzt ja über tausend Sklaven.“ Jetzt staunte Phoibe noch mehr. Diese Dame musste sie kennen lernen. Eines Tages wollte sie auch tausend Stück haben. Aber so ein hohes Ziel war in weiter Ferne.

Eine Stunde später war sie mit ihrer Ware unterwegs nach Nordosten, wo das weite Land von Cassandra lag. Ein großes Tor unterbrach den hohen Zaun, der mit Dornen gespickt war. Über dem Eingang trafen sich zwei in den Boden gerammte gewaltige Stoßzähne eines Urtieres, die gemeinsam einen Bogen bildeten, durch den Phoibe nun ritt. Hinter ihr eilten die sechs Liebessklaven in einer Reihe her. Alle waren mit einer Kette verbunden, die durch Ösen an ihren Halseisen lief. Sie hatte sich bei Flagella für die normalen Halsbänder entschieden. Für besonders renitente Exemplare gab es auch eine Stachelvariante, aber die schien ihr hier nicht nötig zu sein.

Am liebsten wäre Phoibe hin und wieder in einen flotten Trab gewechselt, um die nackten Männer ein wenig mehr schwitzen zu lassen. Ab und zu liebte Phoibe es, frische Sklaven zu necken und sie ihre Macht spüren zu lassen. Doch sollten die Sklaven frisch und sauber präsentiert werden. Phoibe hoffte auf eine Tränke auf dem großen Grund und Boden, um den Sklaven befehlen zu können, sich dort zu säubern, bevor die Kundin sie sah. Sie sollten sich von ihrer besten Seite zeigen, um möglichst viel an Verkaufspreis zu erzielen. Flagella hatte Phoibe noch gewarnt: „Lass dich nicht herunterhandeln von dieser dieser arglistigen Vettel!“

Der Weg zog sich mindestens drei Meilen hin, nachdem sie das Tor durchritten hatte. Eine sich schlängelnde Straße ließ nach einem kleinen Bambushain den Palast der Cassandra erstrahlen. Fast so pompös und mächtig wie Plutas Regierungssitz stand der kolossartige Wohnsitz der Großgrundbesitzerin weiß strahlend auf einem flachen Hügel inmitten einer großen Graslandschaft, deren Rasen penibel auf ein halbes Zoll Länge gekürzt war.

Marmorsäulen, die hoch in den Himmel reichten und eine breite leicht geschwungene Treppe, ebenfalls aus Marmor, führten zu dem Eingang. Die Tür war eher als riesiges zweiflügeliges Tor zu bezeichnen. Es reichte schätzungsweise drei Mann hoch. Und darum war ein Bogen aus Blattgold verziert, der den doppelten Platz einnahm. Wer hindurch ging, musste sich kleine und unbedeutend vorkommen.

Doch so weit kam Phoibe gar nicht, denn plötzlich erschienen links und rechts von ihr jeweils sechs Reiterinnen, die aussahen wie ein privates Regiment der Cassandra. Neben den schwarzen, glänzenden Stiefeln, die bis zur Hüfte reichten, den Reithosen, die zur Seite ausgebeult waren sowie der dünnen feinen Lederhemden trugen die Soldatinnen darüber eine Pelerine, auf der ein großes silbernes „C“ eingestickt war. Stirnbänder aus Leder bändigten die langen Haare der Frauen.

„Wer seid Ihr und wer schickt Euch?“, wollte die Anführerin nicht unfreundlich, aber bestimmt wissen. Phoibe informierte die Frau, dass sie von Flagella beste Sklaven brachte. Die Miliz geleitete Phoibe bis zum Palast und wies die Sklavenverkäuferin die Treppe hoch. Phoibes Mähre wurde neben den Palast zu einem Stall gebracht – die Ware marschierte brav hinterher. Zwei bedienstete Frauen öffneten das „Tor“ und luden Phoibe ein, in einem prachtvollen Salon zu warten.

Wie angenehm kühl es hier war! Phoibe wunderte sich, dass Cassandra weibliche Dienstboten hatte. Als habe sie laut gedacht, räusperte sich eine der Frauen und flüsterte ihr ins Ohr: „Die Herrin duldet keine Böcke im Haus.“ Phoibe sah sie verständnislos an. Die Dienerin flüsterte: „Böcke. Es sind nur Damen willkommen. Keine Böcke. Versteht Ihr nicht? Affen. Bullen. Kastraten oder Liebesdiener – auf jeden Fall keine Sklaven.“ Phoibe hob begreifend das Kinn. Der Begriff „Bock“ war ihr für Mannsbilder auch noch nicht untergekommen. „Affen“, musste sie grinsen, als die Dienerin verschwunden war. „Äffchen“, sagte sie leise vor sich hin, „ich verkaufe Äffchen“, und versuchte die Bewegungen eines Affen nachzuahmen.

„Herzlich willkommen in meinem Reich“, ertönte die Stimme einer Frau von irgendwo her. Erschrocken drehte sich Phoibe zu allen Seiten, konnte aber niemanden sehen. Dann bewegte sich ihr Blick nach oben: An der höchsten Stufe einer großen breiten Treppe – nicht ganz so gewaltig wie vor der Tür, aber immer noch so groß, dass vermutlich zehn Personen nebeneinander gehen konnten – stand Cassandra. Phoibe lächelte sie verlegen an und wurde puterrot. Hatte die Hausherrin ihre kleine Pantomimeneinlage etwa gesehen? Phoibe wurde ganz heiß. Sie öffnete den obersten Knopf ihrer Rüschenbluse.

Langsam schritt Cassandra in mondäner Art die Treppe herab. Sie trug nur feinste Stoffe und einen seidigen Umhang, der hinter ihr wie Wasser über die Stufen floss. Als Phoibes Blick zu den Stiefeln der Dame sank, hob sie unwillkürlich ihre Augenbrauen vor Erstaunen. Nie hatte sie eine Lady mit höheren Absätzen gesehen. Phoibe würde damit unweigerlich zu Fall kommen, besonders auf einer Stiege. Phoibe machte einen tiefen Knicks vor der Lady, die eine geheimnisvolle Autorität ausstrahlte. „Die Böcke werden von meinem Personal gefüttert. Die drei besten Exemplare werde ich kaufen. Gilt der gewohnte Preis?“, fragte Cassandra. Phoibe nickte. Sie hatte gar keine Ahnung, wie viel das war. Aber Flagella hatte ihr da freie Hand gelassen. Allerdings hatte sie hohe Erwartungen an das Verhandlungsgeschick ihrer Angestellten.

Dann wagte Phoibe eine Frage: „Edle Cassandra, mir Unwissenden stellt sich da ein Rätsel. Wenn Ihr die… Böcke… nicht ins Haus lasst… Euer Hauptanliegen ist es doch, für Euer Schlafgemach… Ich meine…“ Cassandra lachte. Es klang in der Halle laut, und ein Echo verstärkte die Stimme noch. „Liebesböcke verwahre ich nicht in den Ställen. Die halte ich in meinem Harem, dass hinter dem Haus direkt anschließt.“ Phoibe nickte verstehend. Selbst hatte sie auch einen Liebesdiener, doch ein ganzes Harem… Das wäre ein prachtvoller, gar zauberhafter Gedanke! Vielleicht könnte sie sich eines Tages diesen magnifiken Traum auch erfüllen.

Cassandra ging zur linken Wand des Salons und schaute durch ein kunstvoll gefertigtes Fenster aus Butzenscheiben, als wollte sie nachsehen, ob der Haremanbau noch da war. Dann griff sie mit ihren langen zarten Fingern nach einem Folianten, der in einem Regal stand, legte ihn auf ein schräges Schreibpult und schlug eine bestimmte Seite zwischen den Lederumschlägen auf, nahm einen Federkiel zur Hand und tauchte ihn in ein kleines Tintenfässchen aus Bronze, kratzte einige Zahlen auf das Pergament und streute Sand darüber.

Dann wand sie sich wieder zu Phoibe: „Ich vermerke jede Ausgabe in meinem Buch. Das solltet Ihr auch tun. Meine Majordoma gibt Euch die Münzen, sobald ich mich für drei Böcke entschieden habe. Wollen wir gehen und schauen, was Ihr mir mitgebracht habt?“ Eilfertig nickte Phoibe. Jetzt musste sie die Sklaven präsentieren und sich als gute Händlerin beweisen. „Ich kann euch schon jetzt versprechen, werte Cassandra, dass Ihr begeistert sein werdet von meiner edlen Auswahl an Jünglingen der höchsten Qualität.“

Abas und Lykos marschierten derweil weiter durch das unwegsame Gelände des heißen Ostkontinents. Abas sprach seinen Gefährten an: „Wisst Ihr überhaupt, wohin der Weg führt?“ Lykos sah den Königsgemahl an: „Nein, aber ich weiß, dass es in der anderen Richtung zurück zu den Amazonenweibern geht. Wollt Ihr dahin?“ Abas schnaubte. „Diese verfluchten Stechmücken bringen mich noch um. Es juckt am ganzen Körper!“ Er schlug wild um sich. Lykos musste schmunzeln. Vermutlich juckte es dem Königsgemahl vor allem an einer bestimmten Stelle, amüsierte sich der Hauptmann. Da konnte er nicht für eine Linderung sorgen.

Was den Rest des edlen Leibes anging, gab es einen kühlenden Pflanzensaft, wie er herausgefunden hatte. Lykos riss ein großes Blatt ab und reichte es dem Gepeinigten: „Drückt es fest auf die Stiche. Das wird Euch eine Linderung der Pein verschaffen.“ Schon nach kurzer Zeit klang der Juckreiz wie prophezeit ab. Nun litt Abas „nur“ noch unter dem „Jucken“ seines Gehänges. Das spürte er dafür umso intensiver.

Seit geraumer Zeit kämpften die Zwei sich durch Dornengesträuch, der ihnen fast alle „Kleidung“ vom Leib riss. Als sie endlich die ungeliebten Gewächse hinter sich hatten, waren ihre Körper splitternackt und zerschunden. Lykos bastelte sich aus Zweigen und großen Blättern einen Lendenschurz. Abas, der nicht so geschickt war, gab seine Versuche auf, Lykos nachzueifern und warf verzweifelt seine missratende Anfertigung auf den Boden. „Ich bekomme es einfach nicht hin!“

Lykos sprach ihm Mut zu, und Abas versuchte es unter der Anleitung des Hauptmannes erneut. Fast war er erfolgreich, doch im letzten Moment fiel ihm sein Röckchen von der Hüfte und löste sich zu seinen Füßen in seine Einzelteile auf. Abas bekam einen Wutanfall und sprang nackt in seinem Keuschheitsgürtel umher, als habe er an Rauschpilzen genascht. Lykos musste sich sehr zusammenreißen, um nicht laut zu lachen.

Später, als sich Abas beruhigt hatte – Lykos war inzwischen Feuerholz und Reisig sammeln gegangen – fragte Ledas Gemahl kleinlaut, ob Lykos ihm einen Rock fertigen könne. Lykos half gerne, so dass auch Abas nicht mehr schutzlos umherlaufen musste. Bald prasselte ein kleines Lagerfeuer, und die Männer ließen sich nieder und bereiteten sich ihr Nachtquartier. Erst am nächsten Morgen, als das Feuer in einem Steinkreis niedergebrannt war, bemerkten die beiden Wanderer, dass es nach Seeluft roch. Und tatsächlich: Sie fanden in einer halben Meile Entfernung eine Bucht, die aufs Ostmeer hinauszuführen schien.

„Wir könnten uns ein Boot oder Floß bauen“, schlug Abas vor. „Fein! Dann landen wir genau in der Höhle des Löwen“, warnte Lykos. Abas argumentierte: „Wir müssen es versuchen. Wir werden außerhalb der Küstensicht segeln und erst im ehemaligen Nordland anlanden. So umfahren wir feindliche Landstriche.“ Lykos war skeptisch aber nickte. Es blieb ihnen nur diese eine Chance, den Amazonen wie auch Plutas Häscherinnen zu entkommen.

Cassandra führte Phoibe in eine Art Stallung. Doch statt Pferden fand die junge Sklavenhändlerin ihre sechs – wie nannte Cassandra sie noch? Böcke! – an der Wand stehen. Als sie ihren Blick zu den Gehängen der Sklaven senkte, stellte sie fest, dass dort um ihre Säcke jeweils ein Seil hinter sie an die Wand führte. Auf ein kurzes scharfes Zeichen einer schlanken und großen Frau, die zu ihrer Uniform auch ein Tschako trug, fielen die Sklaven auf die Knie.

Phoibe bemerkte, dass die Länge der Seile um das Gemächt der Männer so bemessen war, dass es nun gespannt war. Sichtbar wurde ihre Männlichkeit zwischen ihre Beine gezogen. Cassandra überließ die Auswahl offenbar ihrer Angestellten, die nun im Stechschritt an den knienden Böcken entlang schritt und dabei auf deren Hinterköpfe tippte. Sofort beugten sich die Sklaven so weit nach vorne, dass ihre Stirn den Boden berührte. Nun waren nicht nur die Hinterbacken der Böcke nach oben gestreckt, auch die Männlichkeit, gefangen in der Seilschlinge, war nun gut zu bewundern.

Phoibe lächelte stolz, denn die Auswahl, die Flagella für sie getroffen hatte, war wahrlich ausgezeichnet. Als Liebesdiener würde das halbe Dutzend hervorragende Dienste leisten – bei dem ausgeprägten Gehänge. Phoibe spürte einen gewissen Neid, diese feine Ware an die reiche Frau abzugeben. Doch Cassandra war verwöhnt. Sie wollte nur das Beste. Die Frau mit dem Tschako zog blitzschnell ihr langes und schmales Schwert. So eine feine Klinge hatte Phoibe noch nie gesehen. Und schon bewies die Frau die Schärfe ihrer Waffe, indem sie mit ihr durch die Luft fuhr und zu Phoibes Verwunderung mit Leichtigkeit ein Hanfseil durchschnitt.

Die Sklavenhändlerin begriff kaum, was jetzt geschah, so schnell ging alles von statten: Durch das zerteilte Seil raste ein Holzbrett hinab, das sich wie eine Guillotine genau über den Nacken der Sklaven befand und die Böcke scheinbar richten würde… Doch das fast neun Fuß breite „Fallbeil“ aus Holz war an den Stellen, an denen sich die Nacken der Sklaven befanden, halbkreisförmig ausgeschnitten. So wurden die Köpfe der Böcke lediglich durch das Brett fixiert wie in einem Pranger. Phoibe machte große Augen: Hätten die Sklaven nicht genau die vorgeschriebene Position eingehalten, wären sie tatsächlich geköpft worden!

Der Schreck war den Böcken deutlich anzumerken, denn ihre Körper zuckten. Auf ein dezentes Kopfnicken von Cassandra holte die Uniformierte mit ihrer scharfen Klinge aus und durchtrennte nur einen Zoll über der Männlichkeit eines Sklaven das Seil, so dass seine Hinterbacken ruckartig zu Boden fielen. Dann wiederholte sie dies beim zweiten Bock. Es folgte der Bock an fünfter Stelle. Die restlichen Exemplare blieben in ihrer ungemütlichen Stellung.

Bei jedem Hieb hatte Phoibe gestaunt, wie exakt das Weib mit seiner Waffe umgehen konnte. Ein winziger Fehler… Dann wären aus den sechs Männern sechs Eunuchen geworden. Cassandras Wahl war getroffen: Die „abgeschnittenen“ Sklaven sollte Phoibe Flagella zurückbringen, die anderen drei waren es würdig, Cassandra zu dienen, bis sie auch diesen Neulingen überdrüssig war und sie auf ihre Plantage schicken würde, wo sie unter der brennenden Sonne Tag für Tag bis zum Umfallen schuften würden.






71. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von sheeeep am 06.11.19 21:33

Ganz prima !! Herzlichen Dank für die Fortsetzung !!
72. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 13.11.19 20:06

Cassandra bot Phoibe noch eine Erfrischung an, bevor sie sich mit den drei „Verschmähten“ auf den Nachhauseweg in die Metropole machte. Die Großgrundbesitzerin sah der jungen Reiterin und den drei Sklaven schließlich nach, dann ging sie einen schattigen Säulengang entlang, an dessen Ende in einem mit Ornamenten verzierten Brunnen Wasser beruhigend plätscherte. Cassandra beugte sich einen Moment über einen bronzenen Kübel mit Jasminblüten und sog den Duft der Pflanze ein, dann betrat sie den Flügel des Hauses, in dem ihr Harem untergebracht war.

Neben der mächtigen Eingangstür wachten zwei Soldatinnen ihrer privaten Miliz. Sofort standen sie stramm, als sie ihre Herrin sahen und öffneten die zweiflügelige Tür im exakten Gleichtakt. Cassandra begab sich in ihre Liebeshalle und stellte zu ihrer Zufriedenheit fest, dass ihre drei Bettsklaven zu ihr stürmten und damit begannen, um ihre Gunst zu buhlen. Obwohl die reiche Gutsfrau dieses Verhalten liebte, stieß sie sie grob zurück. Sie würde die drei Neuanschaffungen mit ihren Alten vergleichen und dann drei Versager entfernen.

Ob Flagellas neueste Ware mit ihren Bewährten mithalten konnte? Das würde sie des Nachts sehen, wenn die Dunkelheit längst das Land um ihre Prachtresidenz verschluckt haben würde. Langsam entkleidete sich Cassandra und ließ ihre kostbaren Seidentücher auf den Marmorboden gleiten. Dann schritt sie elegant in ein großes Wasserbecken. Sie entspannte ihre Glieder und ließ ihren Körper auf dem Rücken vom Wasser treiben.
An der Decke zeigte ein großes gemaltes Kunstwerk eine Harpyie, die auf einem gerüsteten Kentauren in eine Schlacht gegen einen Drachen ritt. Leise glitten nun auch die Sklaven in das Becken und hielten sich bereit, alle Wünsche Cassandras zu erfüllen.

Ceres empfing Phoibe mit einer Neuigkeit: „Stell dir vor! Eine hohe Soldatin, die zum Ostreich übergelaufen ist, wird ab morgen bei Flagella arbeiten. Sie wird Kampfsklaven ausbilden.“ Phoibe stutzte: „Aber es gibt doch schon mehr als genug dieser Berserker! Die Metropole platzt ja förmlich vor lauter Schlachtsklaven.“ Ceres flüsterte ihr zu: „Du weißt das Neueste noch nicht! Aber leise! Ich habe es erlauscht, als Flagella von einer Abgesandten Plutas davon berichtete.“ Sie beugte ihren Kopf verschwörerisch vor. Phoibe sah ungeduldig zu ihrer Freundin: „Also was nun?“ Sie sperrte die Ohren auf und fixierte die Freundin mit einem fordernden Blick. Ceres hielt die Hand vor den Mund: „Pluta will eine neue Invasion starten!“ Phoibes Mund öffnete sich. Aber sie war sprachlos. Sie starrte Ceres nur an. Wie aufregend! Ein Kriegszug. Mehr Macht, mehr Reichtum, mehr Sklaven, mehr Land, mehr Ehre.

Sie hatte die drei Sklaven an einem Seil hinter sich hergezogen. Jetzt band sie sie an einen Eisenring fest und verschwand mit Ceres im schattigen Inneren. Sie brauchte nach dem schweißtreibenden Ritt ein kühles Ale und mehr Informationen von dieser angeblichen Invasion. Aber Ceres wusste auch nicht mehr viel mehr. Nur, dass Pluta dieses Mal aus dem Norden kommen wollte. Ihre Armee sollte verschifft werden. Alle verfügbaren Galeeren und Frachtschiffe waren bereits auf dem Weg zum größten Hafen, der in der Nähe der Metropole lag. Ceres verbildlichte die Strategie mit dem Holzlöffel, dem Messer und den Bechern als Symbole für die Schiffe, die Armeen und das Vorgehen der Streitkräfte.

Helena, die als hohe Armeeangehörige – immerhin war sie Kapitänin – von den Kriegsplänen wusste, hatte man ein Kommando auf einem Schlachtschiff versprochen. So schnell konnte sich die politische Lage ändern! Vor kurzem sollte die Flotte noch mehr oder weniger eingestampft werden. Und jetzt war Helena kurz davor, ein gewaltiges Kommando zu übernehmen und ins Gefecht zu ziehen. Doch zunächst sollte sie die Oberaufsicht für die Ausbildung der neuen Kriegssklaven haben. Sie wusste am besten, welche Kampftechniken Ledas Soldaten beherrschten – und welche nicht! So war Helena angesichts ihres Wissens Gold wert für die Tyrannin Pluta.

„Wo ist denn diese Überläuferin?“, erkundigte sich Phoibe. Ceres antwortete: „Sie heißt Helena und ist gerade im Herrscherpalast. Pluta überreicht ihr einen Orden.“ Phoibe blies die Wangen auf: „Da muss sie ja von diesem Weibe sehr viel halten.“ Ceres zuckte mit den Achseln. „Hauptsache ist doch, dass wir vorläufig ausgesorgt haben. Bei der Nachfrage an Frischfleisch werden wir kaum nachkommen mit den Lieferungen.“ Phoibe hob ihre Augenbrauen. „Und Böcke.“ Ceres sah sie verständnislos an. „Was?“ Phoibe winkte schmunzelnd ab. „Einerlei.“

Als sich Phoibe von der Reise erholt hatte und noch eine Weile mit Ceres und zwei anderen Angestellten von Flagella geplaudert hatte, fielen ihr die drei Sklaven ein, die immer noch in der Hitze festgebunden waren und vermutlich schon geschwollene Zungen vor lauter Durst hatten. Phoibe lief nachsehen und brachte die Ware in den Schatten zu einem Trog mit Wasser. Sofort knieten die Sklaven davor nieder und steckten ihre Köpfe unbeherrscht ins Nass.

Phoibe schüttelte den Kopf und schnalzte mit der Zunge. „Sauft nicht den ganzen Trog leer!“ Da hörte sie einen scharfen Ruf von Flagella. Phoibe schritt zu ihr und fragte nach ihrem Begehr. Die Sklavenhändlerin gab ihr einen neuen Auftrag: „Die drei Sklaven, die von Cassandra verschmäht worden sind, bringst du zu Hydra. Vielleicht sind sie dafür gut. Ansonsten können wir sie nur noch billig verramschen.“ Phoibe nickte höflich, hatte aber überhaupt keine Lust, nun schon wieder auf den harten Sattel zu steigen. Zu Hydras Haus war es wieder eine lange und mühevolle Strecke. Ob die Kreaturen es in Hydras Liebeshölle besser hatten als bei der reichen Cassandra? Das würde abzuwarten sein.

Phoibe trieb die Sklaven, die immer noch über dem Trog hingen, weg und ordnete sie hintereinander an. „Los!“, schlug sie mit ihrer braunen Peitsche zu, „Auf geht´s! Ich bringe euch in eurer neues Zuhause!“ Die Männer wankten hinter der im Schritt reitenden Phoibe her und lechzten nach dem Wasserschlauch, den sich die junge Dame unterwegs ab und zu an den Mund hielt. Trocken schluckten die Sklaven statt des erfrischenden Wasser nur eingebildeten Speichel, der längst nicht mehr in ihrem Schlund war – und den Staub des Weges. Ihre Kehlen hatten nach wenigen Meilen bereits wieder furchtbaren brennenden Durst, aber darum kümmerte sich Phoibe nicht. Ihre Gedanken waren bei dem Feldzug, der hoffentlich das Vereinte Reich einnehmen würde.

Die Temperatur hatte weiter zugenommen, und Phoibe glaubte, durch einen Lehmofen zu reiten. Die Sklaven waren nass geschwitzt und hechelten wie Hunde. Endlich erreichte sie Hydras Haus. Schon von weitem rief eine kräftige Frau: „Endlich wieder Frischfleisch!“ Als Phoibe bei ihr aus dem Sattel rutschte, wurde sie herzlich mit Umarmungen und Wangenküsschen begrüßt. „Seid mir willkommen! Was hat Flagella denn da für mich?“ Hydra begutachtete die Ware ausführlich, besonders die Gemächte der Sklaven. Sie klatschte einem der Leibeigenen auf den knackigen Hintern. „Den nehme ich auf jeden Fall.“ Dann ging sie weiter und zeigte auf einen zweiten: „Der ist auch gut. Noch gestern ist mir so einer leider abhanden gekommen.“

Phoibe sah sie fragend an. Hydra lachte laut: „Na ja, eine Dame hatte einen sehr ausgefallenen Wunsch, und anschließend… war er eben nicht mehr zu gebrauchen.“ Phoibe verstand und lächelte. „Und der hier?“, zeigte sie auf den Dritten. Hydra kräuselte ablehnend ihre Nase und meinte: „Ich weiß nicht. Der ist ein bisschen… zwergenhaft.“ Phoibe konnte ein Schmunzeln nicht unterdrücken. Der Sklave hatte in der Tat das kleinste Gemächt des Trios. Trotzdem war es nicht zu verachten, wie sie fand.

Hydra wehrte mit ihren Händen vehement ab. „Nein, den will ich nicht. So was Winziges kann ich meinen Gästen nicht zumuten.“ Phoibe redete mit Engelszunge auf die Freudenhausherrin ein, und schließlich willigte Hydra ein, „den da zu testen. Aber unverbindlich.“ Phoibe nickte erleichtert. Vielleicht wurde sie ihn ja doch noch los. Der Sklave hatte ja noch eine Zunge, die er hoffentlich geschickt einzusetzen wusste. Und das musste er, denn wenn er nicht um ihre Gunst buhlen würde, wäre es um ihn geschehen.

Hydra lud sie ein, es sich in ihrem Domizil bequem zu machen. Gleich zwei Sklaven huschten herbei und sorgten für den Gast, brachten kühle Getränke, massierten Phoibes verspannte Schultern und badeten ihre Füße. Der Raum, in dem sie von den Hausangestellten empfangen worden war, präsentierte Hydras Reichtum: Marmor, kostbare Kristallamphoren, Rabatte mit edlen Blumen, die in allen erdenklichen Farben strahlten, mit Blattgold verzierte Paneele an den Wänden, Holzschnitzereien an der Vertäfelung und den exklusiven Möbeln, die kunstfertigen Mosaiken an der Decke und dann noch der königliche Diwan, auf dem sie Platz genommen hatte. Das alles war äußerst beeindruckend.

Phoibe faszinierte die Dienstgewandung der Männer: derbe Lederstiefel und ein Lätzchen über ihrem Gehänge sowie ein Lederhalsband mit Öse – mehr nicht. So etwas hatte sie noch nirgends sonst erblickt. Phoibe spürte, wie langsam ein Verlangen in ihr wuchs. Die Sklaven waren ausnahmslos sehr hübsch und verfügten über wohlgeformte Leiber. Ob sie auch noch Zeit hatte, einen der Männer…

Bevor sie die Frage beantwortet hatte, waren die Pferde schon mit ihr durchgegangen. Die Liebesdiener schienen genau zu wissen, was Phoibe mochte und wonach sie gierte…
Als sei sie in eine fremde Welt getaucht, waren alle ihre Grübeleien wie weggeblasen, und sie spürte nur noch wohliges Kribbeln und die Feuchtigkeit, die der Liebesdiener ihr aussaugte, während der andere mit seiner Zunge und seinen Lippen ihren restlichen Körper erforschte…

Dann bahnte sich ein Beben an, doch die Männer verwöhnten sie weiter und weiter… Küsse, wie sie nie zuvor welche erlebt hatte… Schließlich glitt einer der Zwei sanft mit seinem prallen Stab zwischen ihre Schenkel; Phoibe ließ sich unverhohlen treiben, spürte das Beben stärker werden und schließlich brach das Feuer hervor, wie bei einem aufgewachten Vulkan…

Als sie befriedigt war, ließ sie sich wieder massieren und mit einer duftenden Essenz einreiben. Hier ließ es sich aushalten, schwärmte sie vor sich hin. Warum hatte ihr Nereus nicht so viel Fingerspitzengefühl? Und sein Gemächt war auch nicht so ausdauernd… Sie runzelte die Stirn. Ceres hatte ihren ausgebildeten Liebessklaven Aphron. Und sie? Ein Mannsbild aus dem Westen! Der konnte ja nicht so gut sein! Ein Mängelexemplar. Wenn sie heute Abend nach Hause kam, würde sie Nereus beibringen, was er können musste. Dabei würde sie sicherlich nicht allzu feinsinnig vorgehen. Und wenn sie dafür ein Dutzend Stöcke zerschlagen musste!

Schließlich kleidete sie sich wieder an. Phoibe fühlte die Entspannung und wäre am liebsten eingeschlafen, da kam Hydra zurück. „Den kannst du wieder haben!“, spie sie abfällig aus und schubste den Sklaven zu Phoibe. In ihrem Gesicht tobte eine Wut mit einer Gewalt eines tosenden Orkans. Die Sklavenhändlerin sah das verschmierte Gesicht des Leibeigenen. Was hatte Hydra bloß alles mit ihm angestellt? Seine Männlichkeit war rot. Der Sklave atmete schwer. Er sackte vor Phoibe zusammen und starrte zu Boden.

Hydra spuckte auf den nackten Mann. „Der ist zu nichts zu gebrauchen. Nimm ihm seine Männlichkeit weg, damit er keine Lady mehr beleidigen kann!“ Der Sklave, der sonst nie gewagt hätte, Phoibe zu berühren, rutschte nun auf dem Boden zu ihr und umklammerte Phoibes Stiefel. Er sah mit flehendem und ängstlichem Blick zu ihr auf. Sie trieb ihn mit Tritten wieder ein Stück weg und sagte seufzend: „Also gut. Dann zahlt mir die Zwei.“ Hydra reichte ihr einige Münzen. Phoibe zählte nach. Ob Flagella enttäuscht sein würde? Viel war es nicht. Dann meinte Hydra unerwartet: „Von mir aus lasst mir den da auch hier. Mal sehen, vielleicht habe ich Verwendung. Ich gebe Euch eine Münze für diese Missgeburt.“ Phoibe war einverstanden. Sie wollte den Sklaven kein zweites Mal zu Flagella zurückbringen.

Mit einem breiten Grinsen im Antlitz sah Hydra der reitenden Sklavenhändlerin nach. Dann drehte sie sich um zu dem dritten Sklaven und schlug mit einer Gerte auf ihn ein: „Hoch mit dir zu den anderen. Ich weiß schon, was ich mit dir mache!“ Eine Gehilfin der Freudenhausmutter sah sie verwirrt an. Hydra lächelte: „Einige Ladys möchten Sklaven zusehen, wie sie es untereinander treiben. Morgen lasse ich eine Schmiedin kommen und unseren Zwerg hier in einen Keuschheitsgürtel einschmieden. Und dann wird er seinen Arsch hinhalten wie eine Dirne, die die Schenkel spreizt…“ Der Sklave ächzte und schüttelte den Kopf. In seinem verängstigten Antlitz stand ein Flehen. Die Bedienstete lachte glockenhell. „Darf ich ihn erziehen? Bitte!“ Hydra nickte. „Meinetwegen. Ich werde ein paar Liebesstäbe schnitzen lassen. Damit kannst du ihn lehren, wie es geht…“ Nun gackerte die Frau. Bald würde die Kehrseite der Kreatur so brennen, wie das Maul eines Drachen...

Die Tage vergingen, und Abas und Lykos arbeiteten fleißig an ihrem Floß. Sie hatten eine Kajüte auf der Plattform gebaut und einen Mast angebracht. Und sogar ein Segel aus einem groben Leinenstoff, der ein Teil eines Zeltes gewesen war, stand ihnen zur Verfügung. Morgen in aller Frühe wollten sie in See stechen, wenn die Wettergötter ihnen beistanden. Süßwasser und Obst sowie Nüsse hatten sie als Proviant dabei. Als Waffen standen ihnen eine Axt, ein Beil und zwei schlichte Dolche mit Griffen aus Bein zur Verfügung.

All die nötigen Werkzeuge, Waffen und Materialien hatten sie vor einer Woche aus einem verlassenen Amazonenlager entwendet, das Abas auf der Suche nach Nahrung entdeckt hatte. Sie hatten sich sogar Kleidung aus einigen Stoffen fertigen können. Hose und Wams! Endlich wieder gekleidet, wie ein Mensch! Die beiden Männer hatten den Göttern auf Knien für diese Gaben gedankt. Zu guter Letzt hatten sie auch mal Glück! Nun musste nur noch die große Überfahrt über die See gelingen.

In der Nacht vor der großen Abreise und ungewissen Fahrt über das Meer, hörte Abas merkwürdige Geräusche neben sich. Er öffnete ein Auge zu einem Schlitz und konnte erkennen, dass der Hauptmann seine Hose geöffnet hatte und an seiner Männlichkeit spielte. Sein Stöhnen ließ keinen Zweifel! Lykos verstieß gegen Abas Befehl, keusch zu bleiben. So ein dünkelhafter Frevel! Hatte der Kerl nur Flausen im Kopf?

Abas sprang auf, und Lykos erschrak so sehr, dass er ebenfalls eilfertig aufsprang und schrie. „Was ist los?“ Seine Hose rutschte ihm auf die Füße. Sein Lustschwert zeigte spitz und gerade ohne einen Funken Respekt auf den Königsgemahl. „Wie kannst du es wagen!“, rief Abas und kniff wütend die Augen zusammen. Lykos stand da, wie ein Häufchen Elend und wusste nicht, was er sagen sollte. Er stammelte nur herum. Er machte einen Bückling und versuchte, den ungezogenen kleinen Soldaten in seinen Lenden nach unten zu biegen und zu bezähmen. Aber wie ein gespannter Ast federte er wieder nach oben. Abas stieß seinen Untertanen mit beiden Fäusten gegen die Brust - so kräftig, dass Lykos nach hinten fiel. Noch immer stand dieser Lümmel in der Luft! Abas fühlte, wie er seinen Hauptmann am liebsten entmannt hätte. Aber war es nicht nur Neid? Wie gerne hätte er selbst seinen „Dolch“ in die Hand genommen…

Abas biss die Zähne zusammen, knurrte und stampfte mit den Füßen wie ein trotziges kleines Kind auf dem Boden umher. „Von mir aus mach doch, was du willst.“ Lykos lag noch auf der Erde. „Ich…“, begann er und verstummte. Jetzt war ihm die Lust ein wenig vergangen, obwohl… seine Männlichkeit was anderes sagte. Sie stand noch wie eine Standarte der Königin senkrecht.

Als Abas sich wieder hinlegte und Lykos demonstrativ den Rücken hinwendete, lag der Soldat noch eine Weile wach, voller Schuldgefühle, doch dann steigerte sich die Begierde wieder, und schließlich erwischte er seine Hände dabei, wie sie seine Lust hervorkitzelten… Er rang das unbändige Verlangen eine Weile nieder, aber dann verlor er diese Schlacht und kapitulierte vor der unbesiegbaren Übermacht.

73. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 23.11.19 17:13

Senatorin Kerbera war mit den Kriegsvorbereitungen in vollem Gange. Mit flatterndem Umhang aus dunkelrotem Samt eilte sie durch die Gänge des Regierungspalastes. Eine Besprechung im Senat, eine Unterredung mit der Herrscherin Pluta, die Truppenverbände koordinieren… Vorerst musste sie ihren Platz im Obersten Gericht des Ostreiches räumen. In Gedanken war sie schon bei einer heimeligen Ölmassage in ihren privaten Gemächern. Anschließend würde sie in einen wohltuenden Schlaf fallen oder noch nach Gutdünken einen Liebesdiener rufen lassen… Bei dem Gedanken musste sie schmunzeln. Vor einer Woche hatte sie ihren bisherigen Liebessklaven wegen seiner fehlenden Standhaftigkeit so sehr zusammen gestaucht und ausgelacht, dass er seither nie wieder mit einer Frau hatte schlafen können. Aber sie hatte schnell Ersatz gefunden: jünger, hübscher, standhafter, geschickter - einfach musterhaft. Das Beste war gerade gut genug für sie.

Bald würde der große Krieg beginnen, der obsiegend das Vereinte Reich in die Knie zwingen sollte. Sie sah sich bereits unter den höchsten Kriegsfürstinnen die Geschicke des Reiches lenken, und sie sah sich in einem weißen Streitwagen den Feind niederschlagen. Die gewaltigen Truppeneinheiten unter den einzelnen Centurias, die jede hundert Kampfsklaven anführte, würden im Vereinten Reich nur Asche und Trümmer hinterlassen.

Kerbera musste sich nun auf eine wichtige Beratung mit einigen gedungenen Duxas konzentrieren. Es waren noch so viele taktische und strategische Fragen zu klären. Doch wenn die Senatorin heute Abend endlich ihre Tür geschlossen hatte, dann würde sie von dem glorreichen Sieg träumen, der den gesamten Kontinent einen würde. Pluta wäre uneingeschränkte Herrscherin über den ganzen Erdteil, und ihre, Kerberas, Macht würde mit der Despotin ins Unermessliche steigen. Trunken von ihrer Freudenpracht leckte sie sich über die Lippen und betrachtete sich in einem runden Spiegel, um ihr edles Antlitz zu bewundern. Selbstverliebt war sie mit dem Bild zufrieden.

Die Tage vergingen, und die Oststreitkräfte waren bereit für ihren Überfall. Die Kampfsklaven, in derbem Leder und Eisen gekleidet, wurden auf die zahlreichen Schiffe der Flotte verteilt. Für zehn der Kämpfer war eine Soldatin zu Ross zuständig, für zehn Berittene hatte eine Centuria das Kommando. Dazu mussten pro Schiff noch eine möglichst kleine Besatzung und einige Seeoffizierinnen sowie eine Kapitänin Platz finden. Auf den besonders großen Schiffen befand sich eine Duxa, die in einem Verband von etwa zehn Schiffen fuhr.

Und dann legte ein Schiff ab, das die fast doppelte Anzahl von Personen an Bord hatte, fast drei Mal so gewaltig, gegen die die anderen Kriegsgaleeren aussahen wie kleine Kähne. Darauf befanden sich auch einige Senatorinnen, darunter Kerbera und Alekto. Gerade Alekto brannte noch auf Rache an Leda, die die Senatorin aus dem Vereinten Land verbannt und sie für fünf Jahre in einen Keuschheitsgürtel gesperrt hatte. Das sollte diese Hexe bitter büßen.

Abas und Lykos hatten zwei Wochen kein Land mehr gesehen und hofften, bald die Küstenlinie des Ostreiches am Horizont erblicken zu können. Doch wollten sie dann wieder außer Sicht Richtung Norden weitersegeln. Die Strömung des Ozeans half ihnen auf diesem Kurs. Aber auch, wenn der Meeresgott Ihnen wohlgesonnen war, befanden sie sich in Gefahr: Sie wussten nicht, dass sie auf der gleichen Route waren, die die Marine der Pluta nahm, um im Norden des Vereinten Reiches anzulanden, um es niederzuwalzen, wie bei einer Stampede von hunderten Büffeln jeder Grashalm und jeder Busch zertrampelt wurde.

Die mächtige Flotte schnitt mit den gewaltigen Rammspornen, die am Bug jeden Schiffes glänzten, durch die Wellen wie riesige Schwertfische auf Raubzug und näherte sich gefährlich der feindlichen Küste. Am Horizont ließ sich das Ufer als dünne Linie bereits erahnen, wenn man im Ausguck des Mastes saß. In Rekordzeit hatte Pluta für Massen von Kampfsklaven mit Morgensternen, Hacken, Lanzen und Schwertern gesorgt. Ein Heer, so groß, wie es bisher nie jemand auf diesem Kontinent gesehen hatte, war an Bord. Sie waren so gut genährt wie trainiert: muskulöse Kreaturen, die nur auf die scharfen Befehle ihrer Herrinnen hörten und sich ohne Todesangst wie Berserker ins Getümmel stürzen würden.

Fast jedes Mannsbild im Ostreich wurde zwangsrekrutiert. Viele Damen mussten auf Leibeigene verzichten, die bisher niedere Dienste übernommen hatten. Ceres war selbst mehrfach mit einem Kommando „Soldatenfängerinnen“ ausgezogen und hatte so mancher Dame ihre Sklaven abgenommen – gegen ein lächerlich geringes Entschädigungsgeld. Dagegen begehrte tunlichst niemand auf, denn das Dekret war von Pluta selbst erlassen worden.

Kopfgeldjägerinnen waren in den vergangenen Wochen wie die Pilze allenthalben aus dem Boden geschossen. Überall im Lande ritten bewaffnete Frauen umher, die entflohene Sklaven einfingen und in den Erziehungslagern abgaben, die aus den Feiglingen tapfere Soldaten machten und dann die abgerichteten Kämpfer unmittelbar auf eines der zahlreichen Schiffe brachte, die immer noch die Häfen verließen. Für jeden konfiszierten Sklaven, der sich als Krieger eignete, erhielten die rekrutierenden Frauen bare Münze, so dass ihre Beutel bald prall gefüllt waren.

Im Vereinten Reich ahnte man nichts von der großen Invasion. Abraya, die ihrer Königin ihre Erlebnisse wahrheitsgetreu berichtet hatte, war auf Argwohn gestoßen. Leda war von ihren Beratern gewarnt worden, der Soldatin zu vertrauen. Der königliche Seher Caduceus hatte von einer Verräterin weisgesagt. Woher sollte Leda also wissen, dass Abraya nicht eine Spionin war? Eine Doppelspionin, die zunächst für Leda und nun für Pluta Informationen sammelte, sabotierte, eine Verschwörung spann und schließlich eine Revolution anführte?

Auf Rat ihres Majordomus Honos war Abraya eingekerkert worden. Tief unter der Burg hauste sie nun hinter einem schweren rostigen Fallgitter in einem dunklen Gewölbe. An ihren Handgelenken trug sie eine Eisenschelle mit einer Kette, die an der Wand befestigt war, gerade lang genug, um sich sich hinlegen und aufstehen zu können. Ihre einzige Abwechslung des Tages war der Wächter, der ihr stumm zwei Mal am Tag eine Holzschale mit Brei und eine Kanne mit Wasser brachte. „Ihr solltet sie der peinlichen Befragung zuführen, Majestät“, hatte Honos nachdrücklich empfohlen; aber Leda schüttelte ihr müdes Haupt. „Es gibt schon genug Leid. Sie wird von alleine reden. Irgendwann.“

Oder sah Leda schon Gespenster? Die bösen Dämonen hatten ihren Geist vergiftet. Die Sorge um ihren Gemahl hatte sie geschwächt. Schlaff hing sie auf ihrem Thron. Sie fühlte sich matt und kraftlos. Hatte sie versagt? Konnte sie ihr Reich fürderhin beschützen? Zumindest hatte sie die hinterhältige Attacke des Ostreiches erfolgreich abgeschmettert. Zwar war ihr Gegenangriff kläglich gescheitert, aber ihre starke und stolze Armee hatte im Osten einige Landstriche erobert und nun einen massiven Sicherungswall gebaut, der die Ostgrenze unüberwindbar für zukünftige feindliche Einfälle machte.

Fama, eine Senatorin, schritt in den Thronsaal der Pluta. „Exzellenz, die Raben haben Botschaft gebracht. Die ersten Schiffe haben die Küstenlinie des Feindes erreicht. Das war vor etwa sechs Stunden. Inzwischen dürfte dort gewisslich die Sonne untergegangen sein. In der Dämmerung wollten sie anlanden.“ Plutas grausames Antlitz strahlte plötzlich vor Freude und Genugtuung. „Mich deucht, dieses Mal werden wir diese verhexte Ziege endlich von ihrem Thrönchen stoßen. Sie wird vor meinen Füßen im Dreck liegen und sich winden wie ein Wurm. Ich werde sie geißeln und… Nein, das soll noch niemand erfahren! Komm her, Fama. Ich werde dir ein Geheimnis erzählen.“ Dann fügte sie streng hinzu: „Doch sollst du mit dem Tode bestraft werden, wenn du es nicht für dich behältst!“

Pluta winkte mit einem beringten Finger. Der eingefasste Edelstein glitzerte im Licht. Fama näherte sich mit gesenktem Kopf demütig, jedoch behielt die edel gewandete Senatorin ihre Vornehmheit und Würde. Pluta hob ihre Hand, um ihre Worte in Famas Ohr zu wispern. Dabei funkelten die sieben Rubine an ihren schweren Goldringen, die das Licht der blakenden Fackeln und Kerzen widerspiegelten. „Ich habe früher einmal im Südland gelebt.“ Fama zuckte leicht, als sie dies hörte. Der verstorbene Herrscher Brackus hatte eine Südländerin geehelicht? Trieb die Hoheit Schabernack, oder hatte sie wahr gesprochen? Das wäre höchster Frevel! Als Pluta nicht weiter sprach und sich abwandte, verneigte sich Fama vornehm und verließ rückwärts und leicht gebückt den Thronsaal. Sie hörte die Despotin hinter sich gackernd lachen. Die Senatorin fühlte einen eiskalten Schauder auf dem Rücken, als säße ihr ein unheimlicher Spuk im Nacken. War das nun wahr gesprochen oder ein Scherz gewesen? Sie runzelte die Stirn und bekam Kopfschmerzen vor lauter Grübelei.

Pluta grinste ihr Spiegelbild in dem goldenen Kelch mit Wein an, den sie in der linken Hand hielt. Ja, sie würde zurückkehren! Und als Megara über den gesamten Kontinent herrschen! Ihre Stunde würde kommen! Bald! Sie verließ geschwind den Saal, um den Göttern zu danken. Sie war sich nur noch nicht sicher wie… Eine Anbetung war so langwierig. Vielleicht suchte sie sich lieber ein paar schöne Jünglinge aus und brachte sie in den Tempel… Das würde die Götter besänftigen und sie auf ihre Seite bringen.

Erst als die ersten Plünderungen und Zerstörungen der Kampfsklaven schwarze Rauchsäulen des Nordlandes in den Himmel schickten, ritten aufgeschreckte Herolde hastig Richtung Süden, um Leda von dem Ansturm des Feindes zu berichten. Leda war eiskalt erwischt worden. Ihre gesamte Verteidigung war gen Osten gerichtet. Im Norden gab es kaum Truppenverbände, die Plutas Armee aus Unholden aufhalten könnten. Sie rief nach ihrem Majordomus. „Schickt Briefraben so schnell es geht zum Ostwall. Meine Paladine sollen so eilig wie möglich nach Norden ziehen. Pluta ist mit einem monströsen Schwarm von Kriegssklaven gelandet und will das Nordland überrennen. Überall nur Vernichtung und Tod! Eilt! Es geht um das Überleben des freien Vereinten Reiches!“

Honos lief rasch aus Ledas Gemächern, um den Befehl dem Falkner zu bringen, der seine Raben mit der Botschaft gen Osten schicken sollte. Als er die Anweisung dem ganz in braunes Leder gekleideten Vogelmann überbracht hatte, sah der Majordomus geängstigt durch ein schmales Nordfenster aus dem königlichen Palast. Noch zeigten sich am blauen Himmel nur vereinzelte kleine weiße Wolken, die friedlich wie Watte über das Land zogen; doch sollte die Meldung aus dem Norden wahr sein, so würde die Idylle bald schon einem Inferno abtreten müssen.

Das unschuldige Treiben eines Marionettenspielers auf dem Markt vor dem Palast würde bald dem Feuer, der Zerstörung, dem Bösen und dem Grauen, der Unterdrückung und dem Tod weichen. Sollte die Tyrannin aus dem Osten das Vereinte Reich erobern, so wäre dies das Ende der freien Bürger. Eine unerbittliche Schreckensherrschaft würde regieren. Honos merkte, dass er bei seiner Vision zitterte. An den warmen Sonnenstrahlen lag das zweifelsohne nicht.

Lykos und Abas hatten angstvolle Tage hinter sich. Vor einer Woche hatten sie am Horizont mehrere Schiffe vorbeisegeln sehen. „Das ist die Marine der Pluta. Was machen die so weit nördlich?“, hatte Lykos gerätselt. Schnell hatten sie ihr Segel eingeholt, um nicht entdeckt zu werden. Nach bangen Stunden durften sie erleichtert aufatmen. Die feindliche Armada blieb auf ihrem Kurs und entschwand den sorgenvollen Blicken. Sie setzten erneut ihr Segel und hofften auf guten Wind.

Mehrere Tage später waren sie in eine günstige Strömung geraten und befanden sich schon bald in nördlichen Gewässern. „Es ist nicht mehr fern“, hatte der Hauptmann gesagt. Abas war erleichtert gewesen, denn ihr Proviant ging so langsam zu neige. Doch es gab noch etwas anderes, was ihn wieder an Land sehnte: Fast jede Nacht wachte er auf, wenn er Lykos stöhnen hörte. Stöhnen vor sündiger Lust. Der Königsgemahl tat stets so, als schliefe er, aber in Wahrheit brannte in ihm der Neid auf den Freien. Warum hatte Leda ihm diesen vermaledeiten Keuschheitsgürtel umgelegt? Jetzt brannte ihm sein Gemächt wie glühende Kohle in einem Eisenbecken. Wenn er nicht bald den königlichen Palast erreichte, würde er sich die quälende Männlichkeit… Nein! Niemals! Er würde sich nicht verstümmeln. Aber wie konnte er die brennende Marter ertragen, wenn selbst der disziplinierte Hauptmann sich nicht im Griff hatte!?

Der Tag, an dem die zwei Flüchtenden die felsige Küste des Nordlandes erreichten, sollte für sie jedoch noch eine böse Überraschung beinhalten. Lykos und Abas navigierten ihr Floß so nahe an die rauen Felsen wie möglich, aber dann verhakte sich ihr Fahrzeug auf den spitzen Riffen unglücklich. Dem Meeresgott sie Dank war der Seegang heute ungewöhnlich schwach. Der Königsgemahl und sein Hauptmann ließen sich also ins salzige Wasser hinab und schwammen von Fels zu Fels bis zum steinigen Strand. Entkräftet ließen sie sich auf die Erde fallen und gönnten sich eine Weile der Ruhe.

Die Sonne verbarg sich hinter dichten grauen Wolken, das Meer war bitterkalt. Als die Gefährten an Land frierend nach einer Besiedlung oder einzelnen Hütte Ausschau hielten, sahen sie sich enttäuscht: Weit und breit war nur eine einsame Grasebene zu sehen. Schlotternd von der Kälte marschierten sie landeinwärts. Als auch noch der Wind auffrischte, verfluchten sie die Göttinnen, die das Schicksal sponnen. Lykos klackerten die Zähne gegeneinander. Er hatte seine Arme um seinen Oberkörper geschlungen. Nach mehreren Meilen erschien hinter einem Hügel ein Häuschen, das sie ansteuerten, um um eine warme Mahlzeit, Kleidung und zwei Pferde zu ersuchen. Doch dann fiel Abas ein, dass sie nichts hatten, womit sie dies bezahlen könnten. Er war zwar Königsgemahl, aber wer sollte dies glauben?

Sie näherten sich dem kleinen Haus aus geschlagenen Granitblöcken und einem Reetdach. An dem Gemäuer wuchsen Flechten und Moose. Hinter dem Gebäude sahen sie nun auch einen kleinen Stall aus krummen Holzlatten. Vielleicht lebte hier ein Schafhirte, der auch ein Ross besaß. Ackerbau betrieb er wohl nicht, doch gab es hier genug Weide für Viehherden. Als sie an die dicke Holztür des Hauses klopfen wollten, stellten sie fest, dass diese nur angelehnt war. Genau genommen hing sie nur noch in der unteren Angel. Lykos ging mit seinem Dolch vorwärts – der einzigen Waffe, die sie bei der Anlandung hatten retten können. Durch ein schmales hohes Fenster fiel Licht auf einen rustikalen Tisch und drei Schemel. An einer Wand war ein schwarzer Ofen mit einem verbeulten Kessel zu sehen, auf der anderen Seite hatte der Bewohner seine Schlafstätte aus Stroh errichtet. Die Feuerstelle war kalt. Sie war seit mindestens Tagen nicht benutzt worden.

Lykos Blick führte weiter in den hinteren Bereich der Hütte. Er schritt auf die dunklen Umrisse zu. Dann erkannte er eine hölzerne Truhe mit eisernen Beschlägen, die bereits rosteten. Von einem Bewohner war weit und breit nichts zu sehen. Auch Tiere hatten sie nicht gehört. Kein Schaf, keine Ziege, kein Schwein oder Rind – nicht mal ein Huhn. „Geh du im Stall nachschauen“, schlug Lykos vor. Abas nickte und verließ die Hütte. Neugierig marschierte er zum Stall. Vermutlich war er leer. Doch alles war ganz anders.

In dem Holzverschlag fand er das Grauen: die Reste einer ganzen Herde Schafe und Ziegen waren auf einem Berg aufgetürmt. „Pluta“, murmelte er erschrocken. Hier hatte sich die feindliche Streitmacht gütlich getan, da war er sicher. Aufgeregt lief er zurück zu Lykos, der nun wie erstarrt vor der geöffneten Truhe stand. Langsam kam Abas näher, um ebenfalls einen Blick hinein zu tun. „Weg!“, sagte Lykos. „Schaut nicht hin.“ Doch es war zu spät. Er drehte sich herum und würgte. Vorgebeugt verließ er das Haus des Schreckens. Niemals würde er diese Gesichter vergessen.

Nach einer Weile trafen sich die Männer mit flauem Magen vor der Hütte. Lykos meinte: „Unsere Vermutung war richtig. Pluta ist im Norden ins Vereinte Reich eingefallen! Königin Leda hat ihre ganzen Kräfte Richtung Osten gebündelt…“ Abas starrte den Hauptmann an. Das war ja ein Desaster! Außerdem waren die verheerenden Horden der Pluta nun zwischen ihnen und der Hauptstadt. Was für ein Unheil!

74. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 31.12.19 14:50


Als sie sich am Ofen ausgiebig gewärmt hatten sowie neue Kleidung angezogen hatten, die sie in einem Holzschränkchen gefunden hatten, fühlten sie sich gleich besser. Auch, wenn es Wams und Beinkleid eines Toten war. Nachdem sie die Überreste einer Mahlzeit gekocht und mit wenig Genuss verspeist hatten, machten sie sich frank und frei auf den Weg weiter nach Süden. Doch sie mussten auf der Hut sein! Sie liefen genau in die Arme des Feindes. Aber wie sollten sie sonst jemals zurück zu ihrer Königin gelangen?

Viele Meilen entfernt ließ sich Kerbera von einer großen prunkvollen Sänfte tragen. Es waren acht kräftige Kampfsklaven nötig, um die schwere Konstruktion vorwärts zu bewegen. Auch Alekto gönnte sich einen solchen Luxus. Die uniformierten Duxas verfügten dagegen lediglich über geschmückte Streitrösser, ebenso wie die Centurias. Stolz saßen sie in ihren ledernden Beinkleidern und dem Lederharnisch auf ihren Pferden und riefen Kommandos.

Die Invasionsarmee war in mehrere Arme aufgeteilt und nahm unterschiedliche Wege in den Süden, um einen Mittelteil und zwei Flügel zu bilden. So wollten die Häscherinnen der Pluta das Volk des Vereinten Reiches nach Süden drängen. Längst spielte es keine Rolle mehr, ob Leda gewarnt wurde oder nicht, denn der Feind stand unverblümt kurz vor den Toren. In wenigen Tagen würde die dreigeteilte Streitmacht der Potentatin die Hauptstadt im Süden einnehmen.

Unterwegs hinterließen sie nur Rauch, Asche und Trümmer. Wer überlebte, der war geschändet worden. Weniger von Fortuna geküsste Gestalten glotzten mit ihren Totenschädeln von Spießen hinab und kündeten in der melancholische Landschaft von Tod und Verderben. Die Weiber hatten noch Glück, denn die wenigsten Soldatinnen hatten ein Verlangen nach Maiden. So blieb ihnen diese Schmach erspart. Oft sah man in diesen Tagen daher eher eine Uniformierte auf einem männlichen Nord- und später Südländer sitzen, den Dolch an dessen Kehle haltend.

Phoibe war in den Rang einer Centuria befördert worden und lugte in eine Hütte hinein, in die eine andere Centuria gegangen war: Die Frau ritt sich auf einem Mann, dessen Beinkleider zerschnitten waren, faunisch zu einem frohlockenden Höhepunkt und stieg dann triumphierend ab. Unter größter Angst starrte der Unglückliche auf seinen noch steifen Liebesstab. Wollte die Soldatin ihm seine Männlichkeit nun stehlen? Doch die meisten Soldatinnen begnügten sich mit der Befriedigung ihrer Lust und versetzten dem Mann lediglich einen Tritt in die Rippen als ungemaches Abschiedsgeschenk.

Auch diese Uniformierte lachte ihr anheimgefallenes Opfer nur höhnisch an und verließ flugs das Haus. Sie rief eine Soldatin herbei und befahl das Gehöft niederzubrennen. Später sah Phoibe den Mann mit seinem Weibe über die Ebene flüchten. Sie waren mit dem Leben davon gekommen, doch ihr Zuhause, dessen sich die Brandstifter befleißigt hatten, brannte lichterloh. Schließlich zog der Moloch weiter, alles niedertrampelnd, durch die Lande streifend. Bald schon erinnerte die Landschaft an die triste Unterwelt der Todesgöttin. Nur der Frost und das Eis fehlten.

Inzwischen hatte Leda einige Truppenverbände im Norden der Stadt stationieren können, doch die größte Unterstützung fehlte noch immer. Ein heftiger Sandsturm behinderte im Osten das Vorwärtskommen der eigenen Armee. Dort sah man kaum die Hand vor Augen, wenn die sandigen Wirbelwinde wie von bösen Geistern beseelt tosend durch die Luft jagten. Oft konnten sich die Soldaten nur in ihre Gewänder einwickeln und Schutz in Erdhöhlen, Felsspalten oder Senken suchen. Ein Vorankommen war dann schier unmöglich, solange die Sandsäulen über das Land rasten und alles verheerten, teils schlimmer als Plutas Verbände.
Viele Bürger hatten sich freiwillig als Soldat verpflichtet und trugen den Treueeid stolz auf ihren Lippen. Der königliche Seher Caduceus war in Ungnade gefallen, weil er den Angriff der Einmarschierenden nicht vorhergesagt hatte. Leda hatte ihn in den Kerker werfen lassen. Die Regentin saß auf ihrem mit samt beschlagenem Thron und starrte auf eine Holzwand, auf der aufwändige Schnitzerei eine berühmte Schlacht darstellte, die der alte König Thalos gegen die damals wilden Nordmänner gewonnen hatte. Leda war damals nicht einmal Soldatin gewesen. Doch hatte sie sich schon zu jener Zeit gewünscht, dabei zu sein. Doch als Maid mit den Kriegern kämpfen? Das war seinerzeit undenkbar.

Dann hatte sie sich viele Jahre später durch viel Fleiß, Plackerei und Tapferkeit doch eine Uniform verdient. Müßiggang war ihr fremd. Sie schwang das Schwert wie ein Recke, und fehlende Kraft machte sie mit Geschicklichkeit wett, bis ihr auch die Kämpen gewogen waren. Die Götter webten das Schicksal der Welt, und schließlich war sie sogar Königin geworden… Was wohl die Chronisten über sie, Leda, später schreiben würden? Die Siegreiche oder die Versagerin? Gedankenverloren stand sie auf und kaute auf einer Weintraube. Was da für Hiobsbotschaften aus dem Norden kamen, zermürbte ihren Mut. Plötzlich schmeckte die Traube bitter, und sie spuckte sie angewidert aus.

Weit entfernt im Osten auf dem großen Grundbesitz der reichen Cassandra stolperte eine Dienerin über den Rand eines bunten Teppichs. Ihr fiel ein Silbertablett aus der Hand, und eine Mokkatasse stürzte zu Boden und barst in zig Scherben. Cassandra drehte sich die Stirn runzelnd herum und verzog streng den Mund. Der Dienstmaid war die Angst ins Gesicht geschrieben. Sie zitterte am ganzen Leib. Cassandra hasste solche Ungeschicktheiten. „Dummes Ding!“, entfuhr es der Lady auch gleich schnaubend.

Das veränstigte junge Weib beeilte sich, die Scherben aufzuklauben und sich unter tiefen Verbeugungen zu entschuldigen. „Das wird dir vom Lohn abgezogen“, bestimmte Cassandra. „Hol mir deinen Prügelsklaven. Zehn Hiebe mit der Rute sind angemessen.“ Die Famula versank fast vor Schreck im Boden. „Ehrwürdige Cassandra, mein Prügelsklave wurde konfisziert und auf eine Galeere befohlen. Er kämpft an der Front für unser Reich.“ Cassandra lächelte: „Dann hast du jetzt die gnädige Wahl. Entweder übernimmst du die Strafe persönlich…“ Sie ließ die Worte wirken. Die Dienerin erschauderte. Zehn Hiebe mit der Rute auf ihren jungfräulichen Po… Welch Schmach und auch welche Schmerzen! „…oder wir warten damit, bis dein Prügelsklave aus dem Kriegszug zurückkehrt. Allerdings schuldet er für jede Woche, die vergeht, weitere fünf Hiebe.“

Die Dienerin ächzte. Konnte sie das ihrem Sklaven antun? Aber die Alternative war undenkbar und schürte ihre Furcht. Das zarte, rosafarbene Fleisch ihres weiblichen Pos sollte geschändet werden? Cassandra ergänzte: „Das Tölpelmal wird er selbstredend auch erhalten. Darauf würde ich bei dir verzichten. Es geziemt sich nicht für eine junge Dame.“ Die Dienerin schluckte trocken und spürte, wie sich ihr Hals zuzog, als sei eine Garotte darum gebunden. Das Tölpelmal war ein Brandeisen in T-Form, dass dem Delinquenten auf eine Gesäßhälfte gedrückt wurde. Ein heißer Kuss für die Ewigkeit.

Später saß die Dienerin in ihrem Gemach auf zwei Lammfellen und grübelte. Hatte sie sich richtig entschieden? Wann würde ihr Leibeigener nach Hause kommen? Es würde sicherlich einige Wochen dauern. Und was war, wenn er bei der Invasion fallen würde? Sie schauderte erneut. Schweiß brach ihr aus. Ihr Herz raste. Ob sie sich bei einer Freundin einen Prügelsklaven ausleihen durfte? Ja, vielleicht war das die beste Möglichkeit, überlegte sie. Ein paar Kupfermünzen würden da nachhelfen. Seit die Regentin die große Invasion befohlen hatte, waren Sklaven selten zu bekommen und kostspielig geworden. Eine einfache Dienerin konnte sich kein neues Exemplar leisten.

Pluta war von den neuesten Meldungen ihrer Senatorinnen mehr als zufrieden. Ihre Streitmacht walzte das Feindesland nieder und bewegte sich zügig nach Süden. Ein ausgezeichnetes Omen! Sie dankte den Göttern und ihrer eigenen Genialität. Bald würde sie die Hauptstadt erobern. Die Despotin murmelte: „Eine einfache Soldatin war sie unter meinem Befehl. Und jetzt ist diese Möchtegern-Majestät meine Erzfeindin. Bei meiner Ehr! Ich werde an ihr ein Exempel statuieren!“

Die Monarchin läutete ungeduldig mit einer goldenen Handglocke. Sofort erschien ihre persönliche Wache. „Bringt mir die Goldschmiedin! Meine Krone ist nicht mehr angemessen für mein göttliches Haupt. Wenn ich erst das ganze Land besitze, will ich auch kostbarere Juwelen auf meinen Insignien der Macht haben. Die Schmiedin soll nur die erlesensten Steine mitbringen. Und wage Sie es nicht, mir mit Plunder zu erscheinen! Wer mein Auge beleidigt, der wird mit seinem Auge büßen!“ Die Despotin grinste wölfisch und winkte lässig einem Sklaven, ihr frischen Wein einzuschenken. Doch Pluta nahm nur einen Schluck und spuckte ihn dem Sklaven spritzend ins Gesicht. „Bringt anderen! Besseren Tropfen als diese Gülle! 20 Peitschenhiebe werden dir deine Unfähigkeit vergällen!“

Der Leibeigene, der nur einen Lendenschurz trug, rannte davon. Pluta überlegte, woher ihr der Mann bekannt vorkam. Dann fiel ihr der Festschmaus vor einigen Tagen wieder ein: Sie hatte einen kellnernden Sklaven an eine Wand stellen lassen, um ihren Hofdamen ihre neue Peitsche zu demonstrieren, mit der sie selbst nach einigen Kelchen Wein noch präzise umgehen konnte. Sie hatte dem Mannsbild ein Muster auf den Hintern gezaubert. Pluta grinste befriedigt. „Da bekommt er heute eben noch eine Zugabe.“ Ihre Stimme schnitt schärfer als die Klinge eines Medikus.
Sie hatte laut und vernehmlich gesprochen und einen verwunderten Blick einer hereinkommenden Senatorin geschenkt bekommen, die ihre Herrscherin fragend ansah. Pluta erzählte ihr von dem Sklaven. Fama lachte schallend, während die Flamme einer großen Kerze, neben der sie stand, ihr Gesicht in flackernden Schein warf. „Der Sklave ist auch nicht zum Rumsitzen geboren, sondern zum Arbeiten! Da stört ihn ein wunder Arsch nicht.“ Pluta fiel in das Gelächter mit ein und bot Fama an, mit ihr zu trinken. Weitere Augenblicke vergingen. Wo blieb nur dieser Sklave? Weitere 20 Hiebe für Lahmarschigkeit waren ihm sicher.

Lykos und Abas waren marschiert, bis die Sonne untergegangen war. Ihre Fußsohlen taten ihn bereits eine Weile lang weh. Trotz der langen Zeit hatten sie nur wenige Meilen hinter sich gebracht. Sie brauchten dringend Reittiere. Doch die wenigen Gehöfte in dieser Gegend waren niedergebrannt oder zumindest ausgeraubt worden, meist verlassen, und Pferde waren natürlich von den feindlichen Kriegssklaven mitgenommen worden – als Last-, Reittiere oder Verpflegung. Das gewaltige Heer aus Fußsoldaten hinterließ eine unübersehbare breite Spur der Verwüstung.

„Lass uns nach Westen gehen. Dort treffen wir vielleicht noch auf Landbewohner, die uns weiterhelfen können“, schlug Lykos vor. Gesagt, getan. Sie durchquerten einen Buchenhain, dessen Blätterdach wie ein Parasol vor der stechenden Hitze schützte. Anschließend kamen sie durch eine offene Graslandschaft, wo einige Hasen über die Wiese hoppelten. Lykos lief das Wasser im Mund zusammen. Ein Wildbraten zur rechten Zeit... Aber dafür war eben keine Zeit.
Nach weiteren Kräfte zehrenden Meilen erreichten sie ein kleines Cottage mit einem krummen Giebeldach. Der Bauer und seine Frau waren sehr freundliche Leute. Sie hatten sich zunächst versteckt – mit Mistgabel und Sense bewaffnet, doch als sie merkten, dass sie keine feindlichen Schildmannen der Tyrannin vor sich hatten, kamen sie aus dem Heuschober und teilten ihr warmes Essen mit den Männern, die erfreut über ihre Ränzlein strichen. Eigentlich wollten die Reisenden aus Sicherheitsgründen inkognito reisen, doch Lykos verplapperte sich zwischen zwei Löffeln würziger Gemüsesuppe. Abas stöhnte auf. Sein Gefährte konnte einfach seine Zunge nicht im Zaum halten!
Als der Bauer erfuhr, wen er da vor sich hatte, ließ er sich nicht mehr davon abbringen, ihnen seinen Rappen mitzugeben. Abas könnte ihm ja nach dem Krieg ein anderes Tier zukommen lassen. Der Adelige nahm sich vor, den gastfreundlichen Mann und seine Frau reich zu beschenken. Er sollte gleich drei hervorragende Gäule erhalten sowie einen Korb voller Feinkost, eine Rolle edles Zwirn, einige Silbermünzen sowie ein königliches Dankesschreiben.

Abas und Lykos verabschiedeten sich zwei Stunden später auf dem Rücken des Rosses und mit ein wenig Wegzehrung. Nun kamen sie viel schneller vorwärts. Allerdings war Lykos der bessere Reiter, so dass sie hinter einem Wäldchen, wo die Bauersleute sie nicht mehr sehen konnten, den Platz wechselten. Abas krallte sich unköniglich am Vordermann fest, während Lykos nun die Zügel übernahm und in einen vorsichtigen Galopp wechselte.

An einem idyllischen Weiher machten sie viele Meilen später Rast. Sie aßen eine Kleinigkeit und tranken aus dem ledernen Wasserschlauch. Als sie sich ausgeruht hatten, wollten die Zwei weiter reiten, doch da hörten sie einen hohen Schrei. Eine Maid in Gefahr! Sie liefen dem Geräusch nach, das sich nun panisch wiederholte. Und als sie durch ein Gebüsch gedrungen waren, sahen sie eine junge Frau in einem samtenen Umhang, der am Kragen mit einem Pelz verbrämt war. Es musste sich um eine reiche junge Dame handeln. Unter dem kostbaren Umhang trug sie eine edle Tunika, die reich mit Verzierungen bestickt war. Aber warum hatte sie geschrien?
Da bemerkten sie die große Schlange, die sich mehr als mannshoch aufgerichtet hatte. Ihr Maul war weit geöffnet. Die spitzen langen Zähne schauten hervor wie tödliche Dolche. Die Maid hielt abwehrend ihre Hände vor sich und saß, offenbar gestürzt, auf dem Boden. Abas zog heroisch Lykos den Dolch aus dem Gürtel und stürzte sich todesmutig auf das Ungeheuer.
Mit einem kraftvollen Schnitt enthauptete er das Untier und nahm die Gerettete behände in die Arme. Das Fräulein seufzte erleichtert. „Ich danke Euch, edler Recke“, hauchte die junge Frau und war kurz vor einer Ohnmacht. Abas fühlte behagliche Wärme durch seinen Körper strömen. Oh, dieses weiche zarte Fleisch in Händen zu halten… Was für ein Wohlgefühl! Wie seine Leda… Der Königsgemahl spürte sogar eine Regung an eingekerkerter Stelle. Sanft strich er der erschöpften Dame einige lange Haarsträhnen aus dem Antlitz und bemerkte eine gelbe Blüte hinter ihrem Ohr.

Lykos nahm seine Waffe zurück. Er hätte die Bedrängte ebenso gern gerettet, aber der Wunsch Abas war für den Hauptmann selbstverständlich Befehl. Da durfte er sich nicht vordrängen. Um ihre Gunst zu buhlen war nicht angemessen. Sollte doch sein Herr ihr die Aufwartung machen. Obwohl, kam ihm ein giftiger Gedanke, der Gemahl der Königin kein Weib besteigen konnte, solange er den Keuschheitsgürtel trug. Ein zufriedener Ausdruck breitete sich in seinem Gesicht aus.

Die Reisegefährten beschlossen, am Weiher bis zum nächsten Tag zu lagern. Sie bereiteten sich ihre Schlafplätze um ein kleines Feuer und legten sich zur Ruhe. Jeder versank in seinen Gedanken, solange der Schlaf ihn mied, aber dann kam die Stille und der Schlummer, so dass nur noch die gelben Flammen knisternd an den Scheiten leckten. Irgendwann zerfielen sie zu Asche, und das Feuer wurde zu Glut und erstarb. Als einziger Wächter leuchtete der Mond vom schwarzen Himmelszelt.
Als die Maid aus ihrem Schlaf erwachte, hatten die Männer ein neues Feuer entzündet und ein erlegtes Tier über dem Feuer am Drehspieß, das herrlich duftete. Beim gemeinsamen Mahl berichtete Venus von ihrer „großen Dummheit“: Sie war ihrem Vater, einem reichen Kaufmann aus dem Süden, weggelaufen, weil er sie gegen ihren Willen verheiraten wollte. Und nun hatte sie sich zu weit in den Norden gewagt, ihre Verpflegung war längst aufgebraucht, genauso wie ihr Geldbeutel. Und am Morgen war ihr auch noch ihr Wallach weggelaufen. Sie wollte nur noch nach Hause zurück.

Abas und Lykos entschieden, Venus mitzunehmen. Sie hatte das Schicksal schon mehr als genug herausgefordert. Wie leicht hätte sie den verderbten Scheusalen der Pluta in die Hände fallen können!? Oder Räubervolk aus dem Wald? Am nächsten Morgen würde einer von ihnen wohl marschieren müssen. Die Dame kam dafür nicht in Betracht.
Venus aß beachtlich viel von dem gerösteten Fleisch. Die Männer wunderten sich, wie viel dieses zarte Figürchen verschlingen konnte. Verschlingen – das war das passende Wort, denn auf Manieren achtete die junge Dame dabei nicht, sich ihr Gewand bekleckernd. Zu hungrig war ihr Magen. Lykos leckte sich genüsslich das Fett von den Fingern, und Abas strich sich gedankenverloren durch den Stoppelbart.
75. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von sheeeep am 02.01.20 23:15

Ein schöner Jahresausklang!Herzlichen Dank dafür!
76. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 21.01.20 19:10



Im Laufe des späteren Abends, als das Feuer langsam zur roten Glut wurde und die Dunkelheit die Reisenden umschloss, schreckte Venus mit trommelndem Herzen einige Male auf, weil sie ein Geräusch im Geäst gehört hatte. Aber Lykos konnte sie jedes Mal beruhigen. Mal war es eine rufende Schleiereule, mal ein krabbelnder Dachs oder verirrter Otter, mal die Stimme des Windes, die sich in den Kronen der Stämme fing.

Venus hatte Blumen gepflückt und eine Kette daraus geflochten, die sie ihrem galanten Retter Abas um den Hals legte. Lykos sah eifersüchtig zu, wie die hübsche Maid sich im Dämmerlicht an den Königsgemahl schmiegte und ihm sogar mit ihrem Erdbeermund ein Küsschen auf die Wange schmatzte. In Anwesenheit der Schönheit meldete sich sein männliches Verlangen. Und dann erwischte er sich wieder dabei, wie er froh lächelte, als ihm Abas Keuschheitsgürtel einfiel. „Ich werde etwas abseits vom Feuer schlafen. Dort hinten unter den tiefen Zweigen der Tanne“, meldete sich der Hauptmann ab.

Ob er heute Nacht Besuch bekommen würde, wenn Venus bemerkt hatte, dass Abas…? Schmunzelnd nahm er die Pferdedecke und breitete sie unter der Tanne so aus, dass noch eine zweite Person bei ihm ruhen konnte. Als vorausschauender Soldat musste man auf jede Eventualität vorbereitet sein…

In einem anderem Landstrich bewegte sich der Moloch der Pluta weiter nach Süden, obwohl der Neumond und eine fast sternenlose Nacht kaum Licht brachten, doch waren auf Befehl der Duxas hunderte Fackeln angefacht worden, die eine unheimliches Stimmung verbreiteten. Die Kampfsklaven stampften durch die Nacht. Jede Stunde kamen sie der Hauptstadt der Königin näher. Bisher waren sie kaum auf Gegenwehr getroffen. „Wie schön“, freute sich Senatorin Kerbera. „Wir werden bald den größten Triumph feiern, den der Kontinent jemals gesehen hat.“

Doch ein Mückenschwarm, der den Weg in ihre Sänfte gefunden hatte, störte sie in ihrem Glücksgefühl. Sie schlug mit den Händen nach den kleinen Stechern, doch brachte das kaum den gewünschten Erfolg. Für jede getötete Mücke erschienen zehn weitere Exemplare. Schließlich ließ sie die Sänftenträger anhalten und rief erbost nach einer Duxa. „Sorgt gefälligst dafür, dass diese lästigen Mistviecher aus meiner Sänfte verschwinden!“ Die Duxa ritt zu einer Centuria und erteilte ihr den Befehl oberster Priorität. Die Centuria gab einer Soldatin die entsprechenden Anweisungen. Die Soldatin bewaffnete sich mit zwei Fliegenklatschen und sperrte sich in den Innenraum der Sänfte ein, um die fliegenden Nervensägen zu töten.

Nach erfülltem Gemetzel tropfte sie Lorbeeröl an verschiedene Stellen. So würden die Plagegeister vertrieben. Sie verließ zügig die Sänfte. Obwohl sie sich beeilt hatte, erhielt sie von der Centuria einen strengen Tadel: „Wie lange brauchst du für ein paar Mücken? Ich hoffe, du erweist dich auf dem Schlachtfeld nicht als genauso langsam!“ Die Centuria beeilte sich, um ihrer Duxa zu melden, dass die Senatorin ihren Platz wieder einnehmen könne.

Die Soldatin, die wegen des Tadels schlecht gelaunt war, ließ ihre Missstimmung an den Kampfsklaven aus. Sobald einer nur minimal aus dem Gleichschritt geriet, erhielt er ihre Peitsche. Immer wieder fuhr der aufgerollte Lederriemen aus, um die Hinterbacken und Beine eines vermeintlich faulen Sklaven zu „streicheln“. Auf Dauer machte sie das allerdings nur noch wütender. Zornig versetzte sie sich selbst eine Backpfeife, um einen der kleinen Plagegeister zu erschlagen.
Als der große Verband endlich für einige Stunden pausierte, griff sie sich wahllos einen der Sklaven heraus und verschwand mit ihm hinter einigen Felsbrocken. Vielleicht würde es dem Kämpen ja auch gefallen. Und wenn nicht, dann eben nicht. Das focht sie so wenig an wie ein Käfer, den sie zertrat. Und wehe, er würde nicht seinen Mann stehen!

Ganz freiwillig hatte sich dagegen Venus in die Arme von Lykos „geflüchtet“, als sie erfahren hatte, dass Abas einen Keuschheitsgürtel trug. Hätte sie gewusst, dass sie den Königsgemahl vor sich hatte, wäre ihre Entscheidung sicherlich anders ausgefallen, aber so widmete sie sich lieber dem Hauptmann. Der war wenigstens ein Mann. Lykos breitete eine Decke über sie aus und nahm das Weib in den Arm, rieb sanft ihren Rücken und drückte ihre Seite. Venus neigte ihren Kopf an seine starke Schulter.

Nachdem sich die beiden unter der Tanne gegenseitig gewärmt hatten, kam das eine zum anderen… Schließlich ging das Paar seinem Verlangen nach, bis sich Lykos Lust entlud und Venus genussvoll aufstöhnte. Abas fühlte sich verletzt und alleine. Sein „Schwert“ bäumte sich erfolglos in seinem Kerker auf. Giftige Eifersucht durchfuhr den Gatten der Königin. Auch morgen würde er Lykos wieder marschieren lassen. Und einen Teil des Gepäcks würde er auch tragen, während die süße, aber so untreue Venus hinter seinem Rücken saß.

Königin Leda machte sich von Tag zu Tag mehr Sorgen. Die Hiobsbotschaften aus dem unterjochten Norden waren beängstigend. Und als sei das nicht genug, erhielt sie eine weitere dräuende Schreckensmeldung von einem Paladin der Ostwache: Pluta hatte einen Angriff aus der Metropole nach Westen gewagt. Ein böser Vorstoß, der sie an empfindlicher Stelle treffen sollte. Offenbar hatte die Despotin noch genügend Kampfsklaven in ihrem Regierungssitz, um die inzwischen großteils abgezogene Vereinte Armee überrennen zu können.

„Diese Hexe!“, kreischte und tobte Leda durch den Thronsaal und riss vor Wut ein Banner von der Wand. Honos, ihr Majordomus, wusste nicht, ob er mehr von der schlechten Nachricht von der Front oder Ledas unüblichem Verhalten schockiert sein sollte. Nach einigen langen schweigenden Augenblicken, als sich Leda wieder gefasst hatte, sagte sie: „Wir müssen etwas unternehmen Sonst müssen wir in wenigen Wochen vollständig kapitulieren.“ Sie seufzte tief vor Gram. „Das Vereinte Reich fiele dann in die Klauen dieser Tyrannin! Die vielen Menschen! Alle würden sie unterdrückt werden. Die Männer würden versklavt oder ausgemerzt werden. – Honos! Veranlasse sofort eine Eilkonferenz mit meinen Beratern.“

Es gab nur eine Chance der Rettung, um die Gunst des Schicksals er erlangen: ein Friedensangebot. Faktisch ein unbegrenzter Waffenstillstand. Leda musste auf die jüngst eroberten östlichen Ländereien verzichten und vielleicht noch einen Teil des Nordlandes abgeben. Diese gallebittere Kröte musste sie wohl schlucken. Aber ob der dünkelhaften Pluta das genügte? Sie schickte einen Friedensverhandler mit einer Delegation an die Ostfront, wo er möglichst schnell mit Pluta Kontakt aufnehmen könnte. Die Abordnung war wenige Stunde darauf auf ihren Falben losgeritten. Königliche Urkunden, Federkiel, Pergament und Siegellack im Gepäck, waren sie legitimiert, mit Pluta eine Lösung auszuhandeln, die auch die Eiferer der Tyrannin überzeugte.

Währenddessen tobte der Krieg vor allem im Norden weidlich. Abas, Lykos und Venus waren mittlerweile fast mitten im Geschehen und mussten sich tagsüber gut versteckt halten, während die Angriffswellen der Kampfsklaven alles überrollten. Selbst hunderte Bogenschützen, die Myriaden von Pfeilen in den Himmel schickten, um die Kolonnen der Kampfsklaven aufzuhalten, konnten nicht viel ausrichten. Zwar spickten die Soldaten mit ihren Geschossen die hölzernen Schilde und zahlreiche Krieger, doch war die Masse einfach zu gewaltig. Die hohen Verluste der Ostarmee schien ihnen nichts auszumachen. Im Gegenteil: Ledas Heer hatte das Gefühl, dass für jeden gefallenen Kampfsklaven zwei Neue dazukamen. Sie steckten klaftertief im Dreck. Hoffentlich war bald ihr Parlamentär aus dem Osten zurück.

Bange Tage vergingen, in denen sich der Himmel vom vielen Rauch und Feuer über dem Vereinten Reich verdunkelte. Und dann erschien die Delegation hektisch und aufgeregt vor der Königin mit einer kleinen eisenbeschlagenen Kiste. „Erhabene Majestät, wir bringen Euch Nachricht von Pluta. Unsere Verhandlungen sind leider fehlgeschlagen.“ Leda runzelte die Stirn. „Wo ist denn mein Parlamentär?“ Keiner schien antworten zu wollen. Die Majestät rief ungeduldig: „Wo? Erleuchtet mich! Hat niemand eine Zunge?“ Einer der Männer, dessen Gesicht von schweren Pockennarben verziert war, öffnete mit fahrigen Bewegungen die Kiste. Leda starrte auf den Inhalt. Der Mann verkündete mit heiserer Stimme, wobei er schaute, als habe er faule Grütze gegessen: „Pluta lässt ausrichten, dass sie kein Interesse an einem Friedensangebot habe.“

Als die Abordnung wie Hasen bei einer Hetzjagd den Thronsaal verlassen hatte, stieß Leda die Kiste mit dem Fuß zwar wütend, aber doch vorsichtig, als würde eine bissige Giftschlange darin kauern, zu. Sie presste ihre Lippen zusammen, um nicht schreien zu müssen. Den Anblick des Parlamentärs würde sie wohl niemals mehr vergessen: die aufgerissenen Augen, den gefüllten Mund, die Manneszier…

„Bereitet Abraya zur Befragung vor“, verlangte Leda entschlossen. Die ehemalige Soldatin musste etwas über den hinterhältigen Überfall des Feindes wissen. Als die Regentin die Folterkammer betrat, sah sie ihre Gefangene gestreckt auf einer Bank liegen. Nackt. Ein Kerkerwächter mit einer schmutzigen Lederschürze stieß eine Eisenstange in eine Feuerschale und heizte das Ende in der roten Glut auf. Dabei knisterte der Funkenflug. Abraya sah panisch zu dem Mann, dann zu ihrer Königin. „Ich habe die Wahrheit gesagt. Ich schwöre es bei allen Göttern! So glaubt mir doch, Majestät. Ich bin noch immer ein loyales Mitglied Eurer Armee.“

Leda tat der Anblick in ihrer Seele weh, und niemals hätte sie erlaubt, einen Menschen zu martern, doch sie musste den Schein wahren und drohte: „Sprich! Solange du noch kannst. Was weißt du über die Invasionspläne?“ Abraya zitterte vor Angst, aber sie wiederholte nur immer, dass sie nichts wisse und aus dem Osten geflohen sei. Auf ein Zeichen der Regentin packte der Kerkermeister das heiße Eisen und näherte sich bedrohlich der Gefesselten. Sein von einer langen Narbe verunstaltetes Gesicht glänzte durch den glühenden Stab. Der Isegrimm schien sich schon zu freuen, seiner Leidenschaft frönen zu dürfen.

Die Königin nahm dem überraschten Mann die Metallstange ab und schob ihn zur Seite. Dann hob sie das Marterwerkzeug an. Abraya verspannte ihren verschwitzten Körper noch mehr und schrie: „Ich schwöre! Ich weiß davon nichts! Ich bin keine Spionin! Ich würde Euch nie belügen, Majestät!“ Leda stand mit erhobenem Stab wie die grausige Totengöttin der Heimsuchung vor der Gefangenen und…
…dann ließ sie das Eisen gnadenlos hinabsausen.

Abraya schrie auf und wandte sich in ihren Fesseln wie in einem Fieberkrampf. Ein lauter scharfer Zischlaut durchfuhr den Kerker wie Gift. Abraya dachte: So hört es sich an, wenn… Ja, wenn was? Kein Schmerz… Ihr Leib war unberührt. Sie hob den Kopf an und sah die Königin vor ihr stehen. Die Hände hatte Leda wie vor Schreck vor den Mund gehalten. Und wo war der Eisenstab? Abraya konnte ein wenig am Rand der Bank erkennen, wie Wasserdampf empor nebelte. Die Königin hatte den Stab in einen Kübel mit Wasser fallen lassen.

Nun sah die Majestät die Soldatin mitleidig an, legte ihr eine Hand auf die Brust und sagte leise: „Verzeiht mir!“ Dann schritt sie aus dem Kerker und befahl dem Wächter: „Bindet sie ab und bringt sie in ein Gemach des Palastes. Alle ihre Wünsche sollen gewährt werden. Ich möchte sie heute Abend zu Tisch bitten.“ Der Kerkermeister sah der Majestät mit offenem Mund nach und stellte erschrocken fest, dass er weder geantwortet noch sich verbeugt hatte, aber die Regentin war schon hinausgeeilt. Dann sah er ungläubig zu der Gefangenen zurück, doch die beachtete ihn nicht. Sie starrte sinnierend auf die Gitterstäbe. Der Wächter suchte den Abort auf und verrichtete seine Notdurft. Anschließend setzte er sich in Sichtweite der Zelle auf einen Schemel und pulte in seinen faulen Zähnen.

Lykos plagten Blasen an den Füßen. Jetzt ein Stiefelknecht, eine kühlende Tinktur und ein heißes Bad! Aber leider sah die Wirklichkeit anders aus. Es war eine elende Schinderei. Trotzdem warfen sich der Soldat und Venus regelmäßig heimliche Blicke zu: lächelnd, verschwörerisch… Abas kochte vor Eifersucht. Während der Reise spürte er die Wärme der zarten Frau in seinem Rücken, doch war es ihm wegen des Keuschheitsgürtels verwehrt, sich ihr weiter zu nähern. Der Königsgemahl wünschte seinem Hauptmann aus schneidendem Neid eine garottierende Halskrause und die Fäule ans Gemächt. Und auch Leda verfluchte er, weil sie ihn eingesperrt hatte.

Fast blieb ihm das Herz stehen, als er darüber nachdachte, dass Leda vielleicht ebenfalls in Gefangenschaft geraten sein könnte… oder gefallen… Und sofort meldete sich wieder das schlechte Gewissen: „Wie kann ich mich nur mehr um den Schlüssel sorgen als um meine Braut!?“ Er drückte dem Ross die Fersen in die Seite, um den Ritt ein wenig zu beschleunigen. Lykos lief ächzend hintendrein.

Plutas Horden walzten Stunde um Stunde das eroberte Land nieder. Sie kamen aus dem Norden und jetzt auch von Osten. Ledas Armee war hoffnungslos überfordert. Schließlich musste Leda in das Auge der Wahrheit sehen: Das Vereinte Reich war gefallen. In wenigen Tagen würden die Kampfsklaven in die Hauptstadt einfallen. „Wir müssen fliehen, Majestät! Es ist der einzige Weg, um Heil zu finden! Wir können das Land nicht mehr retten. Rettet Euch ins Exil!“, beschwor Honos seine Königin. Leda überlegte: „Und wenn ich mich ergebe? Pluta alle Forderungen erfülle?“ „Glaubt das nicht, Hochwürden“, antwortete Honos mit den Händen gestikulierend. „Sie wird wie eine Furie fürbass über alle Mächtigen des Reiches herfallen und danach das Volk aufs Grausamste versklaven.“

Leda seufzte tief. War das das Ende? Würde nun eine rabenschwarze Zukunft folgen? Die Herrscherin ließ sich schwerfällig auf ihren Thron fallen. Erst verlor sie ihren Gemahl, und nun auch noch ihr Reich. „Also gut“, sagte sie, und es waren die schwersten Worte ihres Lebens, „dann packt zusammen. Informiert meine Berater und die Palastwache. Stellt einen kleinen Tross zusammen. Wir reisen morgen bei Sonnenaufgang.“ Honos verneigte sich tief und erleichtert über die Entscheidung seiner Königin. „Sehr wohl, Majestät. Wollt Ihr gen Westen reiten?“ Leda seufzte erneut. „Uns bleibt keine Wahl. Im Süden ist die endlose glühende Wüste, im Norden und Osten kommen Plutas Horden und bringen Tod und Verderben.“

Als der Majordomus gegangen war, nahm Leda ihre Krone vom Haupt und legte sie auf ein rotes Samtkissen neben den Thron. Eine symbolische Geste mit tiefer Bedeutung. Ihre Zeit als Königin war vorüber. Sie blies die bronzenen Kandelaber aus, blieb aber in dem nun dunklen Saal noch lange Zeit resignierend hocken. Der Raum war so düster wie ihre Gedanken. Auf was für ungewisse Wege brachten sie die Götter der Schickung? Sie hätte lieber gegen Drachentiere und Unterweltkreaturen gekämpft, als gegen diese verfluchte Hexe!

Bei Morgengrauen verließen eine Reiterschar und eine Kutsche den Palast. Die Zurückbleibenden wurden jeglicher Verantwortung enthoben. Manche mischten sich unters Volk, andere schworen verbissen Widerstand bis in den Tod und bereiteten sich in ihren Uniformen und Rüstungen auf eine Belagerung oder gar Erstürmung des Palastes vor. Einige wenige suchten einen einsamen Weg in die Freiheit durch den Schierlingsbecher, um den Kalamitäten zu entkommen. Es waren die ehrlosen Feiglinge, die schwarzen Schafe der Armee.

Die fremden Kampfsklaven standen vor der Stadt. Doch die Bewohner weigerten sich, die Tore zu öffnen. Senatorin Kerbera lachte hämisch: „Diese dummen Stadtleute! Sie glauben, uns zurückhalten zu können? Wir werden ihnen behände den Garaus machen!“
Sie befahl einem Teil des Verbandes sich zu einem Angriff auf die Mauer vorzubereiten.
Von drei Seiten wollten sie die Stadt erstürmen. Gewaltige Rammen sollten in allen drei Flügeln zum Einsatz kommen, um die Tore bersten zu lassen. Sturmleitern würden einigen Recken den Weg über die Zinnen auf die Wehrgänge ebnen. Die schiere Masse an Sklaven würde irgendwann auch die dickste Mauer brechen lassen.

Im Osten war das Heer der Tyrannin kaum auf Widerstand gestoßen. Auch dieser Teil der Armee hatte fast die Hauptstadt erreicht. Die männlichen Landbewohner waren bereits verfemt und versklavt worden. Bewaffnete Kolonnen brachten die Kriegsgefangenen in die heimische Metropole. Dort würden Sklavenhändlerinnen wie Flagella gehorsame und nutzbare Leibeigene aus ihnen machen.

Ceres und Phoibe gehörten zu dem Verband, der aus Norden kam. Im Karree schickten die Centurias ihre Einheiten vor die hohe Stadtmauer. Auf den obersten Befehl von Alekto und Kerbera würden sie die brüllenden Männer stürmen lassen. Und schließlich sollte auch der Palast eingenommen werden. Der feindlichen Königin gegenüber stehen – darauf freuten sich die Soldatinnen schon am meisten. Leider sollte die Regentin lebendig gefangen genommen werden. Gerne hätten sie sie persönlich ins Totenreich geführt.

Während die Menschen im Zentrum des Vereinten Reiches in heller Aufregung waren und sich für einen letzten verzweifelten Kampf wappneten, genossen die Damen des Ostreiches in der Metropole das süße Leben. Die Senatorin Fama fuhr gerade mit ihrer vergoldeten Kutsche, in die kunstvolle Intarsien eingearbeitet waren, auf den Hof ihres Anwesens. Sofort sprangen Sklaven herbei, die die Tür öffneten und niederknieten. Zwei andere Leibeigene fächelten der hohen Politikerin mit Palmwedeln frische Luft zu.

Die Sitzung im Rat war anstrengend gewesen. Jetzt wollte Fama ein entspannendes Bad und einen Lustsklaven nehmen. Im Flur hallten die hellen Stimmen ihrer beiden Töchter, die gerade ihr Erwachsenenalter erreicht hatten. Doch sie benahmen sich noch oft wie Kinder, seufzte Fama. „Was ist hier wieder los?“, wollte sie wissen, als plötzlich ein junger nackter Sklave, der ein Würgehalsband trug, an ihr vorbeihuschte. Sein Hintern war frisch gestriemt. Er überbrachte der einen Tochter offenbar eine Nachricht und erhielt erneut Schläge mit einer Gerte. Dann flitzte er zurück in den Raum, aus dem er gekommen war.

Fama runzelte die Stirn. Sie folgte ihm und wäre beinahe mit dem Jüngling zusammengestoßen. „Was soll das?“, verhörte sie ihre Tochter streng, die in einem neuen Kleid und mit einer Gerte bewaffnet am Fenster stand und von einer Silberschale Weintrauben naschte. „Vesta behauptet, ich sei zu fett für das Kleid!“ Fama sah ihre Tochter von oben bis unten an: „So ein Unsinn.“ Sie war eine weibliche Gestalt mit schmaler Taille und ausladender Hüfte, einem hübschen Gesicht und einer kunstvollen Hochsteckfrisur. Ein holdseliges Wesen.

Plötzlich kam der Sklave wieder und gab zitternd weiter: „Die werte Vesta lässt ausrichten, dass Eure Nase hässlicher sei, als meine.“ Die junge Edeldame öffnete empört den Mund und hieb auf das Gesäß des Überbringers dieses „Kompliments“ mehrfach beherzt ein. Der junge Sklave heulte auf und röchelte nach Luft. Das Fräulein wies ihn an: „Sagt ihr, dass Sie eine verlogene dumme Ziege ist!“

77. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von AlfvM am 21.01.20 19:58

Klasse Geschichte weiter so !!!!!!
78. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 11.02.20 18:53

Panik trat in die Augen des Laufburschen, aber er gehorchte sofort und raste von dannen. Fama ging kopfschüttelnd in ihre Gemächer. „Wie Kinder…“ Sie hörte noch ein Klatschen und Quieken, dann schloss sie die schwere Eichentür hinter sich. Sie lag längst in angenehm warmem und parfümierten Badewasser, auf dem duftende Rosenblätter schwammen, als Vesta und ihre Schwester Aurora keifend stritten. Vesta schrie: „Ich will aber, dass er den besudelten Boden mit dem Tuch wischt.“ Aurora kreischte: „NEIN! Er soll endlich die Bürste nehmen. Los jetzt! Oder es setzt eine Tracht Prügel!“
Der Sklave hielt in der einen Hand eine kleine Bürste, in der anderen einen alten Hudel aus grobem Baumwollstoff. Er kniete sich wankelmütig auf alle Viere und war dabei, den Boden zu schrubben. Aber die jungen Ladys waren sich mal wieder nicht einig. „Lass die doofe Bürste los, oder ich steck sie dir irgendwo hin!“, drohte Vesta giftig und ging so ruckartig einen Schritt auf den nackten Sklaven zu, dass ihr mehrere Haarsträhnen wild ins Antlitz fielen. Aurora schubste ihre Schwester zu Seite und hieb auf den schon roten Po des Knienden. „Wird es bald? Spute dich! Nimm die Bürste, wie ich es befohlen habe! Oder ich schrubb damit was anderes zu meinem Plaisir!“

Völlig verunsichert wusste der Sklave nicht, wie er reagieren sollte. Abwechselnd machte er mal mit links, mal mit rechts einen Versuch, den Boden zu säubern. Dabei wechselte sein Blick ständig zwischen den wie ihm Spalier stehenden Damen. Seine Augen bettelten um Gnade. Der Streit ging noch eine Weile weiter, bis Aurora verdrießlich nachgab: „Also schön. Aber dann reite ich dabei auf ihm.“ Sie streckte trotzig ihr Kinn vor. Vesta zuckte mit den Achseln, hob ihr Kleid etwas an und lief auf den Flur: „Dann hole ich die Peitsche für unser Putzpferdchen.“ Aurora lachte und schlug dem Sklaven mit ihrer kurzen Gerte aufs Gesäß: „Hüa! Hüa!“

An diesem Nachmittag war das Ächzen und Stöhnen des „Reittieres“ noch lange zu hören. Die beiden jungen Edelfräuleins wurden jedoch noch längst nicht müde. Im Gegenteil: Vesta band dem Erschöpften ihr langes rotes Haarband als Zierrat um sein Gemächt und nutzte es geflissentlich als „Bremszügel“, während Aurora noch immer mit ihrem weiblichen Po fest im „Sattel“ saß und ihr „Ross“ mit der Gerte antrieb, während ihr Kleid wie eine Schabracke über dem Sklaven hing. „Wohlan! Lass uns ein Wettrennen machen“, schlug Vesta vor. Natürlich meinte sie ein „Pferderennen“. Sie rief nach einem anderen Sklaven, der zur Dienerschaft gehörte. Zunächst hatte er sich zu entkleiden. Und dann führten die Damen die zwei Reittiere vor das Haus. Der Weg vom Eingangstor bis zu einem großen Brunnen vor der Tür sollte die Route für den Wettbewerb bilden. Beide Edelfräuleins flüsterten ihren Pferdchen etwas ins Ohr. Es war ein Versprechen, den Verlierer hart zu bestrafen.

Als die wackeren Gefährten Abas, Lykos und Venus fast die Hauptstadt des Vereinten Landes erreicht hatten, war es ihnen nicht mehr möglich unbemerkt zu bleiben, wenn sie noch näher Richtung Stadtmauer vorrückten. Also blieben sie in einem dichten Hasel-Hain verborgen und hofften, dass die Regierungstruppen den wilden Horden der Pluta Einhalt gebieten konnten. Abas konnte es noch immer nicht glauben. Trotz des gewaltigen Heers der Königin hatte die Armee der Pluta fast das komplette Vereinte Land überrollt. Ein unfairer Blitzangriff, aber unbestritten erfolgreich.

In der ersten Nacht hörte Abas im Halbschlaf ein ungewöhnliches Geräusch. Er horchte auf und erhob sich in sitzende Haltung. Zuerst fiel sein Blick auf Lykos und Venus, die Arm in Arm beieinander schliefen wie in einem königlichen Plumeau. Wenigstens hatte sich heute ihre fleischliche Lust zurückgehalten, seufzte Abas, aber schon wurde er wieder von dem seltsamen Geräusch abgelenkt. Da war jemand oder etwas im Wald…

Abas schlich behände vom Lager eine halbe Meile weit in den Wald und versuchte zu eruieren, woher die fremden Laute kamen. Waren es nur Tiere? Oder tummelten sich Waldgnome im Dickicht? In alten Geschichten wurde von geheimnisvollen Völkern erzählt, die seit Jahrtausenden in Bäumen und Höhlen hausten und sich vor den Menschen verbargen. In einem Bogen näherte er sich dem lauter werdenden Geraschel. Als er vorsichtig einige Blätter zur Seite schob, sah er das blakende Licht einer Fackel, die in den Boden gespießt war. Und dahinter war… Sein Mund blieb vor Überraschung offen stehen: Eine Soldatin des Feindes verlustierte sich mit einem Mann. War das einer dieser Kampfsklaven? Bei ihrem schamlosen Liebesspiel rutschten sie auf dem Laub umher und gaben leises Stöhnen von sich.

Der Voyeur war wie hypnotisiert von der Szenerie. Dann wurde ihm die Gefahr klar: Wäre das Pärchen nur hundert Fuß weiter in den Wald gedrungen, so wären sie entdeckt worden. So leise wie möglich kehrte Abas zurück zum Lager und wollte seine Gefährten warnen. Als er am niedergebrannten Feuer ankam, bemerkte er, dass die Beiden wach geworden waren. Sie küssten sich…

„Hey!“, rief Abas. „Da vorne ist ein Krieger mit einer Soldatin im Wald. Was machen wir jetzt?“ Lykos meinte: „Wenn wir sie erledigen können, wäre es Venus vielleicht möglich in der Uniform der Frau bis in die Stadt zu gelangen.“ Abas fragte die junge Dame: „Ja, das wäre eventuell… Traust du dir das zu?“ Venus nickte. „Ja. Ich muss in die Stadt. Meine Sippe lebt dort. Und ihr? Warum wollt ihr eigentlich so dringend hinein?“ Abas stotterte: „Das…. Auch unsere Familien leben dort.“

Lykos drängte zum Aufbruch. Die Männer mussten die Liebenden überrumpeln, während sie noch miteinander beschäftigt waren. Die Zwei schlichen also zu der Stelle, wo Abas die Frau und den Mann beobachtet hatte. Lykos war mit dem Dolch bewaffnet, Abas hielt einen dicken Knüppel. Auf Lykos Zeichen sprangen sie aus dem Unterholz und schlugen auf die Soldatin ein, die zwar den Dolchstoß des Hauptmannes abwehren, doch dann den Knüppel von Abas nicht mehr parieren konnte. Das harte Holz traf ihren Schädel und schickte sie in einen tiefen „Schlaf“.

Der Kampfsklave machte mehr Probleme. Als er aufstand, stellten die Angreifer fest, dass der Mann ein Hüne von bestimmt sieben Fuß war und Muskeln hatte wie ein Bär. Wäre die Situation nicht lebensgefährlich gewesen, hätten die Männer vermutlich gelacht: Wie der Krieger mit seinen Rüstungsteilen und dem verrutschten Lendenschurz dastand, mit einem steifen Liebesstab, und in Verteidigungsposition… Aber der Riese war nicht zu unterschätzen. Der Sklave stürzte sich auf Lykos, obwohl der die Dolchklinge vor sich hielt. Mit einem geschickten Fußtritt schleuderte der Goliath dem Hauptmann die Waffe aus der Hand und versetzte ihm gleichzeitig einen so starken Hieb an den Kopf, dass auch Lykos nun in das „Reich des Morpheus“ eintrat.

Nun stand Abas ganz alleine vor dem Koloss, der sich zu ihm umdrehte und brüllte wie ein wildes Raubtier. Abas nahm seinen ganzen Mut zusammen und holte mit seiner Keule aus, doch ächzte er vor Schreck, als der Knüppel auf dem gestählten Leib des Kriegers zerbrach wie Reisig. Und es sollte noch verheerender werden: Der hünenhafte Sklave zog ein schartiges Breitschwert. Mit einer einzigen wilden Schwungbewegung fällte er mit der schweren Klinge einen jungen Baum und fletschte die Zähne wie eine Raubkatze. Der Königsgemahl schluckte, drehte sich blitzschnell um und raste davon.

Er jagte durch den dichten Hain und hörte hinter sich das laute Stampfen des Berserkers, Äste brechen und eine grunzende wütende Stimme, die einem monströsen Keiler ähnlich war. Abas rannte Richtung Lager, ohne dabei zu erwägen, dass er damit Venus in Gefahr brachte. Doch er war in Panik und konnte nicht mehr klar denken. Jeden Herzschlag glaubte er, dass er von dem Ungetüm eingeholt würde. Seine Lungen brannten, und die Beine schmerzten vor Anstrengung. Obzwar seiner Erschöpfung lief er weiter und weiter über Stock und Stein.

Als er die Ruhestatt erreichte blieben die Geräusche plötzlich hinter ihm zurück. Wo war Venus? Fürwahr! Das Lager war verlassen! Abas sah sich hektisch um. Hatte er das Scheusal abgehängt? Plötzlich hörte er Venus rufen. Das kam ja aus der Richtung, aus der er gekommen war… und in der der Muskelberg irgendwo steckte… Abas riss sich zusammen und ging langsam wieder zurück… Da sah er den Kampfsklaven auf dem Boden liegen. Und Venus stand bei ihm! Abas war sprachlos. Was war geschehen? Sie klärte ihn auf: „Ich habe euch kommen gehört und mich hier hinter dem großen Farn versteckt. Als du vorbeigehastet bist, habe ich einen großen Stein genommen und…“ Sie zeigte auf den Hinterkopf des Mannes, auf dem sich bereits eine dicke Beule bildete. Abas atmete auf. Er nahm dem Koloss sein schweres Breitschwert weg und sagte: „Komm, wir müssen zu Lykos.“

Die Beiden ritten zu ihrem Gefährten, der immer noch bewusstlos neben der Soldatin lag. Venus nahm den spitzen Dolch an sich, Abas versuchte den Hauptmann zu wecken. Als der wieder bei Sinnen war, heckten sie einen Plan aus: Venus zog die Uniform der Soldatin an und stieg auf ihr Ross, das nur einen Steinwurf entfernt angebunden gewesen war. Doch zuvor stiegen Abas und Lykos auf den anderen Gaul und wurden von Venus zum Schein gefesselt. So führte sie ihre zwei lebenden Bündel aus dem Hain eine Händlerstraße entlang.
Der Morgen graute schon, und sie sahen die Stadt vor sich liegen. Die Drei starrten stumm auf das schreckliche Bild: Die Stadtmauer war gestürmt worden. Überall drehten sich schwarze Rauchsäulen in die Luft. Einzelne Truppeneinheiten transportierten gefangene Soldaten ab. Venus ritt mit ihren „Gefangenen“ zum aufgebrochenen Tor. „Auf wessen Befehl bringt Ihr die Sklaven in die Stadt?“, wollte eine Soldatin wissen. Venus wurde heiß. Jetzt musste schnell eine Ausrede her. „Die Senatorin hat es höchstpersönlich angeordnet.“ Das war eine mutige Behauptung. Um nicht zu sagen: leichtsinnig. Denn woher sollte Venus wissen, dass eine Senatorin innerhalb der Mauern zu finden war? „Kerbera?“, fragte die Wache und runzelte die Stirn unter dem Blechhelm. Venus nickte und antwortete barsch: „Natürlich. Wer denn sonst? Wo finde ich sie?“ Abas flehte in Gedanken: „Bitte nicht im Palast. Der Palast darf nicht gestürmt worden sein! Leda lebt und wird nur belagert!“ Aber die Wächterin machte alle Hoffnung zugrunde: „In der königlichen Zitadelle. Reitet einfach die Straße entlang. Am Ende kommt Ihr gewisslich zum Palast.“

Venus grüßte militärisch und ritt trabend in die Stadt. Lykos staunte, wie Venus ihre Rolle mit Bravour mimte. Abas sah erschüttert auf die vielen Ruinen und abgebrannten Häuser. Glücklicherweise sah er kaum Tote. Die Stadtbewohner mussten sich ohne Gegenwehr ergeben haben. Oder fraternisierten sie mit dem Feinde? Konnte Leda überhaupt noch auf Getreue hoffen? So mancher Untertan würde lieber gefallsüchtig der Usurpatorin schmeicheln, statt die Loyalität zur alten Königin unverbrüchlich hochzuhalten.

„Wo sind all die Männer?“, wisperte Abas, denn auf den Straßen waren nur vereinzelte Frauen zu sehen. Lykos flüsterte zurück: „Die Männer werden Richtung Osten abtransportiert sein. Die weiblichen Soldaten hingegen mussten wohl einen Treueid auf Pluta schwören, ihr fürderhin zu Diensten zu sein.“ Abas raunte ihm zu: „Das haben vielleicht nicht alle gemacht.“ Lykos sah ihn spöttisch an. „Und du glaubst, die Senatorinnen haben sie dann laufen gelassen? Putzwunderlich! Wahrscheinlich ist hinter dem Palast auf der großen Wiese eine Fülle von liebevoll geschnitzten Galgen. Oder vielleicht haben sie auch eifrig den Richtklotz gebraucht. Oder…“ Abas raunzte ihn an: „Sei ruhig! Ich will das nicht hören.“ Und einige Zeit später näherten sie sich dem Regierungssitz. Der königlichen Burg. Doch die war nun das Hauptquartier der Senatorinnen. Hatten sie Leda eingekerkert oder gleich exekutiert?

Venus war nun fast vor der gestürmten Residenz angekommen. Sie konnte schon die Pechnase über dem Fallgitter des Tores erkennen. Abrupt bog sie mit den Pferden in eine kleine Seitengasse ein. Sie stieg ab und löste die Fesseln der Männer. „Was wird das?“, fragte Abas verwirrt. Venus antwortete: „Ab hier muss ich alleine weiter. Ich muss sehen, was aus meiner Familie geworden ist. Lebt wohl!“ Kaum hatte sie die Worte gesprochen, war sie schon hinter der nächsten Häuserecke verschwunden.

Lykos fragte den Königsgemahl: „Und jetzt? Jetzt sind wir in der Höhle des Löwen. Und was wollen wir hier?“ Abas sagte inbrünstig: „Ich muss wissen, was mit Leda ist.“ Lykos wollte wissen: „Und wie willst du das herausfinden?“ Abas schlug vor: „Lass uns nachdenken. Wir sind in einer Stadt, die von männerfeindlichen Furien beherrscht wird. Aber es gibt auch Stadtbewohner, die uns Unterschlupf gewähren werden.“ Lykos meinte überheblich: „Sehr optimistisch gedacht, Euer Gnaden.“ Abas schlug vor: „Wir verkleiden uns als Frauen! Das hat im Ostreich auch geklappt.“ Lykos stöhnte: „Im Ostreich! Hier sind wir aber nicht im Ostreich! Wenn wir hier mit Kapuzen und Kleidern rumlaufen, fallen wir auf wie bunte Hunde.“ Abas rief trotzig: „Aber ich muss in den Palast!“ Lykos sprach abfällig: „Viel Glück. Aber ohne mich. Ich werde bei Venus´ Familie unterkommen, solange Plutas Armee noch nicht abgezogen ist. Und dann sehen wir weiter. Wenn wirklich jeder Mann versklavt wird, werde ich eben nach Westen flüchten.“

Abas sah in die dunkle Gasse, in die Venus verschwunden war. „Wie willst du sie finden?“ Lykos grinste: „Sie hat mir verraten, wo das Haus zu finden ist. Am Weberplatz. Das Haus mit dem schönen Fachwerk und den geschnitzten Neidköpfen am Giebel.“ Abas und Lykos umarmten sich. Dann meinte der Königsgemahl: „Jetzt geht also jeder seinen eigenen Weg. Mach es gut. Du bist mir ein guter Freund geworden.“ Lykos klopfte seinem Gefährten auf den Rücken: „Du mir auch. Ich wünsche, dass Leda noch lebt. Gehabt Euch wohl.“ Der Hauptmann marschierte los und war bald hinter einer windschiefen Mauer aus Sandstein verschwunden. Abas starrte ihm nach: Ob er ihn jemals wieder sehen würde? Die Göttinnen des Schicksals würden es entscheiden.

Dann wurde er von Geräuschen überrascht. Es näherten sich zwei offensichtlich betrunkene Soldatinnen. Sie lachten schallend, sprachen lallend und stolperten die Gasse entlang – auf Abas zu. Noch war er von ihnen nicht gesehen worden, denn seine Gestalt war im Schatten verborgen. Doch er täuschte sich. Obwohl die Soldatinnen dem Wein gut zugesprochen hatten, was er nicht nur am wankenden Gang, sondern auch am Odeur der Damen feststellte, bemerkten sie Abas. „Hey, schau mal!“, rief die eine Frau. „Da läuft noch ein Männlein frei rum!“ „Den kassieren wir ein und holen uns das Kopfgeld“, meinte die andere Frau. Die Uniformierten zogen gleichzeitig ihre Degen und kamen auf Abas zu.

Die Senatorinnen Kerbera und Alekto hatten ein respektables Kopfgeld auf jedes Mannsbild ausgesetzt, das noch nicht registriert war. Männer, die sich freiwillig gemeldet hatten, wurden für Frondienste aller Art eingesetzt. Sie durften für die neuen Herrinnen den Acker bestellen und Vieh züchten sowie diverse Handwerksdienste oder Hilfsarbeiten ausüben, mussten aber hohe Steuern zahlen, die ihnen gerade genug zum Überleben ließen. Bei Bedarf waren die Männer verpflichtet jegliche andere Tätigkeit zu erfüllen: beispielsweise Kriegsdienst oder Bauarbeiten am Palast oder einem Schutzwall. Männer, die sich nicht freiwillig gemeldet hatten, kamen grundsätzlich als Sklaven zunächst nach Osten, wo sie ausgebildet wurden – entweder als Kriegskämpfer oder Leibeigener in einem Haushalt.

Ehefrauen, die sich bereiterklärten, auf ihren Gatten zu verzichten oder ihn sogar meldeten, erhielten kostenlos einen eigenen Sklaven, der für den Unterhalt sorgte. Lykos, der Unterschlupf bei Venus gefunden hatte, war schockiert, dass außer ihm kein Mann mehr im Haus war: Die Mutter von Venus hatte ihren Gatten bei der Miliz verpfiffen und ein Säckchen mit Silbermünzen dafür erhalten. Nun ja, er hatte nur gehurt und gesoffen. Lykos machte bange Minuten durch, als die Mutter auch ihn im Haus nicht dulden wollte, doch Venus überredete sie, dass ein Mann als Arbeitskraft gut wäre, solange noch keine Sklaven zur Verfügung ständen.

In der ehemaligen Zitadelle der gestürzten Königin Leda hörten die Senatorinnen Alekto und Kerbera die Überläuferin Helena an, um mit ihr die weitere Vorgehensweise zu diskutieren. Dass Leda mit einem Tross die Flucht geglückt war, fuchste sie ungemein. Für ihre treffliche Zusammenarbeit beförderte Alekto die Verräterin zu einer ehrenwerten Duxa, dem höchsten militärischen Rang. Helena labte sich an der Würdigung und lächelte zufrieden.

Ein Tag später wurden Abraya und Caduceus aus dem Kerker geholt und verhört. Abraya versuchte ihren Kopf zu retten, und wollte den Treueid auf Pluta schwören, doch Helena riet den Senatorinnen davon ab, ihr zu glauben. Also wurde Abraya in einen kleinen Käfig gesperrt und auf dem Marktplatz ausgestellt. „Wir werden mit dir ein Exempel statuieren“, hatte Alekto mit einem grausamen Grinsen gemeint. Und so sollte es geschehen: Abraya hauchte ihr Leben in ihrem Käfig aus, angespuckt und beschimpft von Frauen, die sie nicht kannte. „Früher hätten diese Weiber vor mir gekatzbuckelt“, dachte Abraya finster. Das Letzte, was sie einige Tage später vernahm, war der Schrei einer Krähe, die sich auf ihre Brust setzte…

Caduceus war zu den vielen anderen Männern gebracht und in ein schweres Halseisen gesteckt worden. Dicke Ketten an Füßen und Händen schmiedeten ihm Soldatinnen der Pluta an den Leib. Dann setzte sich die große Sklavenkarawane Richtung Osten in Bewegung. Er war nun nicht mehr der königliche Seher und angesehene Alchemist am Hofe, sondern ein unbedeutender Sklave unter tausenden und ohne Belang. Er marschierte in eine ungewisse Zukunft.

Leda und ihr Tross reisten eilig weiter gen Westen. Sie mussten sich beeilen, denn am Horizont hielten sich feindliche Späher, die sie beobachteten. Neben der Exilkönigin waren einige ihrer Berater sowie ihr Majordomus Honos und der königliche Schmied Tartaros bei ihr. Insgesamt flüchteten 65 Getreue mit ihr. Es war der verzweifelte Versuch, den Krallen der Pluta zu entkommen. Doch wie sollte es ihnen gelingen? Der Westen endete an der Westküste. Eine Armee, die die Truppen des Vereinten Reiches so leicht besiegen konnten, war auch in der Lage, 66 Fliehende zu fangen und zu massakrieren. Dabei war Leda klar, dass ihr selbst kein so leichter Tod bevorstand. Sicherlich würde Pluta ihren Tod regelrecht zelebrieren.

In wenigen Tagen waren sie an der Steilküste. Sollten sie mit einem Boot in den unerforschten Großen Ozean aufbrechen? Gen Westen, wo die Welt zu ende war? Aber welche Wahl blieb ihnen? Doch noch frustrierender war für sie, dass fast alle weiblichen Soldaten sich gegen die Flucht entschieden hatten und lieber unter neuer Herrschaft dienten. In ihrem Tross waren nur drei Frauen von der zwölfköpfigen königlichen Garde, zwei Zofen sowie zwei Mägde und eine Köchin. Unter den 29 Soldaten, die mit ihr geflohen waren, fand sich keine einzige Frau. Irgendwie beschämend, grübelte Leda nach, wie leicht die Damen ihrer Armee ihr Fähnchen nach dem neuen Wind richteten. „Miese Opportunisten!“, grummelte sie, während ihre Zähne knirschten.
79. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von sheeeep am 12.02.20 19:01

Herrlich,der Streit zwischen den grausamen verwöhnten Gören!Toll geschrieben!
80. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von Grinser am 13.02.20 22:47

Zitat
Hallo Prallbeutel,
vielen Dank für die Fortsetzung. Ich habe mir die 1. Ausgabe zu Gemüte geführt und fand sie gigantisch. Was mir vielleicht noch besser gefallen hätte, wenn sich Leda mit dem Volk mit dem Schießpulver verbündet hätte. Auch hätte ich mir vielleicht auch ein glücklicheres Ende von Leda und Abas gefallen, aber vielleicht fällt dir ja bei der überarbeitung noch was ein. Falls nicht machts auch nichts es ist deine Geschichte und mir hat sie trotz allem was die Helden aushalten mussten super gut gefallen. Bitte mach bald eiter.
Lg Alf


Vielen Dank für die Spoiler.
81. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 23.02.20 19:25


Abas lief kopflos die Gasse entlang – die zwei Soldatinnen verfolgten ihn überraschend schnell, ohne ins Trudeln zu geraten. Dann kam es, wie es kommen musste: Abas geriet in eine Sackgasse. Eine neun Fuß hohe Mauer versperrte den Weg und an den Seiten war Haus an Haus gebaut. Einige alte Dachschindeln lagen vertreut an einer Wand. Sonst entdeckte er nichts und niemanden dort. Er war auf sich alleine gestellt und saß in der Falle. Endlich fiel Abas sein Breitschwert ein, dass er dem Kampfsklaven abgenommen hatte. Venus hatte es zwar an sich genommen, als sie mit ihren zwei „Gefangenen“ in die Stadt geritten war, doch dann hatte sie es ihm wieder gegeben.

Abas zog es aus dem Gürtel, um den Frauen zu trotzen. Er sollte sich nun sicherer fühlen, doch die schwere lange Waffe war so unhandlich, dass er gegen zwei flinke Degen keine Chance hatte. Mit dem Schwert hätte er eher Holz hacken können, als gegen zwei Soldatinnen kämpfen. Doch es war besser als nichts. Die Frauen blieben auch in respektvoller Entfernung mit gezückten Degen stehen. Abas posierte mit der gewaltigen Klinge. Sollte es zu einem Schlagabtausch kommen, war er hoffnungslos verloren. Aber vielleicht klappte ja sein Bluff...

Doch die beiden Damen trennten sich, eine kam von links, die andere schritt weiter nach rechts. Ihre Bewegungen waren geschmeidig und wirkten an sich schon gefährlich wie die von Raubkatzen. Zwei Gegner aus unterschiedlichen Richtungen! Das ist unfair, protestierte Abas innerlich. Aber was war im Krieg schon fair? Als die eine Soldatin einen blitzartigen Ausfall machte, schreckte Abas zurück, drehte sich dann wild um sich selbst und schwang das Breitschwert in einer Kreisbewegung um sich herum, als wollte er eine junge Birke fällen. Diesen Moment nutzten die Frauen, um sich zu ducken und hinter Abas zu sprinten. Dabei versetzte die eine dem Königsgemahl einen harten Schlag mit der Seite der Degenklinge auf sein Gesäß. Abas schrie erschrocken auf und ließ das Schwert fallen. Es schepperte auf dem Kopfsteinpflaster.

Als die andere Soldatin ihre Chance sah, streckte sie ihren Arm gekonnt mit dem Degen nach ihrem Gegner aus und rutschte in einen Ausfallschritt. Abas hüpfte im gleichen Moment nach vorne, so dass ihn nur die Spitze des Degens leicht am Hintern pikste. So folgte sofort nach seinem ersten Schrei ein weiterer noch lauterer und hellerer Laut. Abas sah sein Schwert hinter sich und zwischen den Gegnerinnen im Staub liegen und raste davon, so schnell ihn seine Beine tragen konnten.

Doch noch gaben sich seine Gegenspieler nicht geschlagen. Ein Weib griff an seinen Gürtel und löste dort blitzschnell eine Art Schleuderwaffe: drei Kugeln an miteinander verbundenen Seilen. Sie holte weit aus und ließ ihre Wunderwaffe über dem Kopf kreisen, bevor sie sie mit Schwung losließ. Abas war bereits viele Schritt entfernt, doch verfingen sich die Kugeln geschickt in seinen Beinen und brachten ihn zu Fall. Die Flucht war hier abrupt zu ende. Bevor sich Abas von dem verhedderten Seil befreien konnte, stieß eine der Frauen ihm ihr Knie harsch auf die Brust und hielt ihm ihre Degenspitze an die Kehle.

Gut verschnürt marschierte er kurz darauf resignierend hinter den Beiden her, die nun gut gelaunt dem Palast zusteuerten. Für den Sklaven würde es ein paar Münzen geben, die sie in weiteren Wein investieren wollten. Als Abas hörte, dass er zur Residenz gebracht werden sollte, war ihm sein Schicksal gar nicht mehr so unangenehm. Vielleicht war das sogar der einfachste Weg, um in die königliche Festung zu kommen und mehr über Leda zu erfahren. Und außerdem trennten ihn dann bald nur noch wenige Mauern von dem Schlüssel zu seinem Keuschheitsgürtel.

In der Tat erhielten die Frauen für ihren Fang eine Hand voll klimpernder Münzen und liefen scherzend davon. Abas wurde von zwei nicht weniger gefährlich aussehenden Soldatinnen in den Kerker gebracht. Er kam in eine Gewölbekammer, in der ein wenig altes Stroh lag. Es war düster, kalt, feucht und roch unangenehm muffig. Eine Ratte fiepte irgendwo. Abas hob die Augenbrauen. Es erinnerte ihn an die alte Zeit, in der er als naiver Jüngling in die Stadt gezogen war, um Megara zu ehelichen. Er schüttelte den Kopf über so viel Dummheit. Dann blies er die Wangen auf und drehte sich langsam im Kreis: Es war kein Platz, der einem Königsgemahl würdig war, aber vielleicht würde er hier mehr über Ledas Verbleib erfahren. Er wollte einfach nicht glauben, dass sie tot war.

Plötzlich erschrak er so sehr, dass ihm fast das Herz stehen blieb. In einer dunklen Ecke hörte er ein keuchendes Husten. Abas näherte sich und sah den Mitgefangenen: einen nackten Mann in seinem Alter. Er sah ausgemergelt und schmutzig aus. Um Hand- und Fußgelenke trug er alte rostige Eisenschellen. Abas kannte ihn nicht, dafür stotterte der andere aber: „Da… da… das ist… Seid Ihr… etwa… der Gemahl der Königin?“ Abas hielt schnell seinen Zeigefinger an den Mund. „Leise! Es darf niemand erfahren. Woher weißt du von mir?“ Im nächsten Moment hätte er sich für die eselige Frage ohrfeigen können. Natürlich kannten ihn viele Personen im Vereinten Reich. Und das war leider auch sein großer Nachteil. Wenn erst Pluta und ihre Häscherinnen davon erfuhren…

Aber dann fiel ihm ein schwerer Stein vom Herzen, als ihm sein Mithäftling Vidar erzählte, dass Leda flüchten konnte: „Ein kleiner Tross Loyalisten ist mit ihr nach Westen gezogen. Mehr weiß ich nicht. Es ist alles streng geheim abgelaufen. Nur wenige haben der hochwürdigen Majestät die Treue gehalten. Es tut mir leid.“ Abas aber atmete tief durch. Leda war am Leben! Und frei! Er fühlte sich wie neu geboren. Doch was war nun mit seinem Schlüssel? In diesem Augenblick fiel ihm auf, dass er fast nackt vor seinem Untertan stand. Aber dann wurde ihm klar, dass Vidar ebenfalls kein Gewand besaß. Trotzdem war Abas die Sache mit dem Keuschheitsgürtel peinlich, und so überlegte er eine Ausrede, zeigte lässig auf seine stählerne Hüfte und meinte: „Das ist ein symbolisches Zeichen für meine Treue, aber ich habe meinen Schlüssel verloren. Weißt du vielleicht, ob Leda… ob die Königin ihren Schlüssel irgendwo hinterlegt hat?“ Aber natürlich hatte Vidar davon keine Kenntnis.

Eine ganze Woche lang blieb Abas in Ungewissheit. In den Nächten hörte er raschelnde Ratten – so dachte er zumindest anfangs, doch dann bemerkte er Vidar, wie er auf seinem Strohbett mit seiner Männlichkeit spielte – dem einzigen Vergnügen, dass dieser in der Kerkerhaft hatte. Und selbst das bleibt mir genommen, sinnierte der Königsgemahl verdrossen. Aber nicht mehr lange, so hoffte er. Und doch ließ ihn der Gedanke, wie tief er gefallen war, nicht mehr los: Jetzt verlustierten sich schon die Untertanen schamlos vor seinen Augen! Erst Lykos, jetzt dieser Vidar.

Das karge Essen – wenn man den ekelhaften Brei und das brackige Wasser so nennen konnte – steigerte das Wohlbefinden auch nicht gerade. Das Wachpersonal wechselte täglich und bestand ausschließlich aus Frauen. Abas spürte, wie sein eingeschlossenes Gemächt zog und drückte, ziepte und pulsierte, wenn eine der Wächterinnen das Essen brachte. Der Fraß war ihm egal, aber diese Schönheiten… Dann schnaubte er, ärgerlich über sich selbst, denn nur dieser verflixte Keuschheitsgürtel machte aus ihm einen so „liebestrunkenen“ Esel. Eigentlich sollte er diese Scherginnen der Tyrannin hassen, doch seine Männlichkeit gierte geradezu danach, die Frauen anzustarren, sie anzufassen und zu lieben… Die Wächterinnen schienen sein unerfülltes Verlangen zu spüren und grinsten ihn schelmisch zu, wenn sie den Brei in die Zelle schoben.

Abas musste sich eingestehen, dass Leda nicht so unrecht hatte: Ein Mann, der lange genug von seiner Liebsten getrennt war, musste sich irgendwie einen Ersatz suchen. Da war der Keuschheitsgürtel ein wirksames Gegenmittel. Doch zu welchem Preis!? Abas litt Qualen! Und je mehr er darüber nachdachte, desto schöner und begehrenswerter kamen ihm die Wächterinnen vor – egal, wie grausam, spöttisch oder arrogant sie ihn behandelten. Was war nur los mit ihm? Und dann kam ihm noch die Geschichte in den Sinn, die Vidar vor ein paar Tagen erzählt hatte: Ein anderer Gefangener war mit Vidar für mehrere Monde in der Zelle gewesen. Dann wurde der eines Tages von zwei Wächterinnen zur Befragung herausgeholt. Als er abends zurückkehrte, war er stumm und sprach kein Wort. Außerdem hielt er sich seine Männlichkeit mit beiden Händen zu. Er starrte nur ins Leere der dunklen Kammer und quetschte sich in eine Ecke der Zelle. Einen Tag später schrie er wie ein Gepfählter, als sie ihn erneut holten. Er sollte nie zurückkehren...

Lykos erledigte inzwischen routiniert alle anfallenden Arbeiten im Haushalt von Venus und ihrer Mutter. Als er mit ihnen am Mittagstisch saß und einen würzigen Gemüseeintopf löffelte, kam die Sprache auf Keuschheitsgürtel für Sklaven. Lykos wurde hellhörig. Wollte die alte Vettel ihn jetzt etwa auch noch seiner Männlichkeit berauben? Der ehemalige Hauptmann befürchtete das Schlimmste, denn die Mutter von Venus hatte das Familienoberhaupt, einen reichen Kaufmann, skrupellos in die Sklaverei verkauft und somit sein gesamtes Vermögen „geerbt“. Zu Lykos Schreck kam ausgerechnet Venus auf den Punkt: „Wie wäre es, wenn Lykos auch ein Zeichen seiner Unterwerfung tragen würde?“ Dione lächelte ihre Tochter an. „Das ist eine ausgezeichnete Idee, Venus. Lauf schnell zur Schmiedin. Und ein Brandmal wäre bei der Gelegenheit auch nicht schlecht.“

Lykos wurde jetzt schon heiß. Heiß vor Angst. Er sagte: „Das muss doch nicht sein…“ Dione versetzte dem Haussklaven eine schallende Ohrfeige. „Du redest nur, wenn du gefragt wirst! Und in dieser Sache wirst du garantiert nicht gefragt.“ Sie kicherte. Lykos sah entrüstet zu Venus hinüber, doch die dachte gar nicht daran, ihn zu verteidigen. Im Gegenteil: Sie zog eine Augenbraue hoch, grinste verschmitzt und rieb sich die Hände in Vorfreude auf den vorgebeugten Lykos mit entblößtem Gesäß…

Pluta war auf dem Weg nach Westen, um in ihren neuen Palast einzuziehen. Sie hatte zwar in der Ostmetropole dafür gesorgt, dass ihre Bastion dort Ledas Residenz in nichts nachstand, aber Pluta wollte wieder in der alten Stadt regieren. Ein symbolischer Akt des Sieges. Und danach würde sie sich triumphierend eine neue Krone aufs Haupt setzen und als Megara zu erkennen geben. Das würde sozusagen die Krönung ihres Lebens werden.

Mit einer gewaltigen Kutsche, die von 300 Sklaven gezogen wurde - und eher einem Mausoleum ähnelte - war sie auf dem Weg nach Westen, um sich eitel als „Befreierin“ feiern und verehren zu lassen. In der Hauptstadt waren mittlerweile auch alle Denkmäler, die an Ledas Herrschaft erinnert hatten, entfernt worden. Dafür bauten Sklaven eilig an gigantischen Statuen, die mit Blattgold überzogen wurden: Pluta als riesige überdimensionale Göttin und Herrin des gesamten Kontinents. Eines nicht mehr allzu fernen Tages würde das große Reich als „Megaria“ in die Annalen eingehen, schwärmte Pluta bescheiden schon jetzt von der Zukunft – einer gewaltigen Gesellschaft von Frauen, die Männer nur als Sklaven billigten.

Somit war Megara quasi Herrscherin über die gesamte bekannte Welt; denn im Osten lebten nur Wilde, und im Westen war nur Wasser und dahinter der endlose Abgrund, wie die Priester stets betonten. Manche Sage erzählte von einem geheimnisvollen Westkontinent voller Steinriesen und Wolfsmenschen, doch die Usurpatorin glaubte nicht daran. Und sollte es doch wahr sein, so würden auch diese fernen Gestade eines Tages Teil ihres Reiches sein. Pluta war hochzufrieden. Bald war sie nicht nur Megara, die Weltherrscherin; sie würde auch alle Götter neben ihr abschaffen. Es sollten Tempel erbaut werden, um SIE voll Inbrunst anzubeten und IHR Opfer zu bringen. Ja, so stellte sich Pluta die glänzende Zukunft vor.

Leda und ihr Tross hatten die Steilküste am Westozean erreicht. Die gestürzte Königin schaute auf das weite Meer hinaus. Einzelne Möwen flogen in der windigen Luft und schrien. Wo sollen wir hier ein Boot hernehmen oder gar bauen und zu Wasser lassen? Leda seufzte. Ihre Berater waren alle weltfremd! Was für eine Bürde hatten die Schicksalswesen doch für sie gesponnen! Doch bevor die ehemalige Regentin eine Schimpfkanonade ablassen konnte, zeigte ihr Honos, ihr Majordomus, auf einer alten gerollten Karte aus Pergament eine eingezeichnete Stelle: „Seht, Majestät! Hier ist eine kleine geschützte Bucht, die kaum jemand kennt. Und dort haben sich einige Fischer angesiedelt. Sie werden ein Schiff für uns haben.“

Leda sah ihn skeptisch an: „Mit einem Fischerboot wollt Ihr über das große Meer? Hat Euch der Wind den Verstand weggeweht?“ Honos verneigte sich untertänig: „Hochwürdige Majestät, es gibt ein großes Schiff der Pluta, dass dort in dieser Bucht liegt.“ Der Majordomus sah seine Königin an, wie er da in seinem langen Mantel stand, vermochte ein Grinsen kaum zu verkneifen und verbeugte sich so tief, dass Leda seine Mimik nicht sehen konnte. Leda schreckte auf: „Was? Jetzt bin ich sicher: Ihr habt Euren Verstand verloren! Ich habe einen Verrückten als Majordomus! Entweder hat der Morgentau euer Gehirn aufgeweicht oder die Sonne hat es verschmort. Ein Schiff der Pluta! Was sollte es uns nützen, wenn der Feind uns eingeschlossen hat? Und außerdem: Warum sollte ein Schiff bis ans Westland gekommen sein?“

Honos berichtete stolz von den Neuigkeiten, die er durch Briefraben erfahren hatte: „Während der Invasion ist Pluta ein Kriegsschiff auf sehr peinliche Art abhanden gekommen.“ Wieder grinste er. Nun schamlos und offen. „Als die feindliche Flotte am Nordufer ankerte, waren auch Fischer aus dem Westen in der Nähe. Eine mutige Gruppe hat ein fast leeres Schiff überfallen und gekapert. Die Seeleute sind dann mit ihrer Beute bis in ihre Heimat gesegelt.“ Leda staunte nicht schlecht. „Und hier gibt es wirklich dieses Schiff? Oder ist alles nur eine… Legende, die Ihr irgendwo aufgeschnappt habt? Oder gar Seemannsgarn, das irgendwer gesponnen hat?“ Honos tat beleidigt: „Ich bitte Euch, Majestät! Würde ich etwa falsche Hoffnung sähen?“ Leda atmete tief durch und entschied, ihrem Majordomus zu glauben.

Die Sonne war ein ganzes Stück den Himmel weitergewandert, als ein Reitertrupp, bestehend aus Leda, Honos, sechs Gardisten und weiteren Soldaten das Fischerdorf erreichte. Der typische Geruch der Meerestiere hing in der Luft. Leda glaubte kaum, ihren Augen trauen zu dürfen, aber da lag zweifellos ein beeindruckendes Schiff vor Anker. Riesige Armbrüste waren links und rechts vom Bug angebracht wie unbesiegbare Geschosse, die Bolzen in der Größe von Rammen laden konnten. Zusätzlich gab es ein gigantisches Katapult auf dem Heck, das in der Lage war, tonnenschwere Felsen zu schleudern und jedes Ziel zu zermalmen. Für ihre 65 Begleiter war mehr als genug Platz. Und wenn ein Dutzend Fischer dieses Ungetüm bis hierher gesegelt hatte, dann würde sie damit auch fahren können – zur Not bis ans Ende der Welt.

Die Sonne stand schon tief, als alle 66 Flüchtenden an Bord der „Victory Quest“ waren. Leda hatte Tränen des Glücks in den Augen, als sie hörte, dass es für die Fischer eine große Ehre sei, der Königin auf ihrem Weg ins Exil zu helfen. Die Regentin hatte ihnen Gold und Geschmeide angeboten, doch die Männer des Dorfes lehnten strikt jedwede Bezahlung ab. Im Gegenteil: Die Anwohner lieferten noch mehrere Ladungen Fässer mit Pökelfleisch, frischem Brunnenwasser, Zwieback und anderen Wegzehrung. Mit Ersatzteilen und Werkzeugen hatten sie das Schiff bereits ausgerüstet. Die meisten Waffen, die sie gefunden hatten, waren ebenfalls an Bord geblieben.

Nach einer Einweisung in die Segeleigenschaften ihres neuen Zuhauses lief der Trupp mit dem Schiff aus der Bucht. Bald schon fielen die großen Segel und blähten sich majestätisch und knatternd im Wind. Glücklicherweise hatten sowohl Leda und zwei ihrer Berater sowie einige der Soldaten ein wenig Segelerfahrung. „Warum haben wir diese freundlichen Menschen nicht mitgenommen?“, wollte Honos wissen. Seine Hoheit antwortete: „Nein, sie sind zu stolz und verlassen ihre Heimat nur auf eine Weise.“ Honos sah sie forschend an. Leda sah aufs Meer hinaus, dem Horizont entgegen, und hauchte: „Tot auf dem Schlachtfeld.“

Es dauerte nur wenige Tage, da war die Nachricht über Ledas Flucht aufs Westmeer bei den Senatorinnen in der Hauptstadt angekommen. Kerbera und Alekto rasten vor Wut und mussten sich einige Zeitlang geifernd vor Zorn an ihren Prügelsklaven vergehen, bevor sie eines klaren Gedankens fähig wurden. „Und dann auch noch mit der guten Victory Quest!“, betonte Alekto und ließ ihr Kristallglas an einer Wand klirrend zerschellen. Der Rotwein floss hinab wie Blut einer geschlachteten Ziege. Die Beute war eines der fünf besten Schiffe der Flotte. Von den Fischern hätten sie es leicht zurückerobern können, aber wenn die Flüchtige damit auf den großen Ozean fuhr... Sollte sie ruhig am Weltenrand in die Tiefen der ewigen Dunkelheit fallen.

Kerberas Augen schossen förmlich Blitze ab, so dass sie ein Dienstsklave, der der Dame mit einem Palmwedel Luft zufächerte, zusammenzuckte. „Wir werden sie nicht verfolgen können. Es dauert Wochen, bis wir ein Schiff um das Nordkap gesegelt haben. In dieser Jahreszeit vielleicht noch länger.“ Alekto sank auf ihren Sitz und meinte nachdenklich: „Wenn die Nachricht Pluta erreicht, werden Köpfe rollen.“ Kerbera sagte nichts. Sie dachte insgeheim: „Ja, aber nicht meiner. Eher mache ich dich dafür verantwortlich.“

Alekto wechselte das Thema: „Ist die große Statue auf dem Markt fertig, wenn Pluta eintrifft?“ Kerbera antwortete: „Zweifelsfrei. Der letzte Schliff ist getan. Ich habe mit der Architektin ein Abkommen geschlossen. Ich habe ihr zwei Versprechen gegeben.“ Alekto sah die Senatorin abwartend an. Kerbera erklärte: „Wenn sie rechtzeitig fertig wird, erhält sie den doppelten Lohn. Dass wiegt fürwahr die vielen Sklaven auf, die wir bei der Akkordarbeit verschleißen.“ Alekto bohrte weiter: „Und das zweite Versprechen?“ Kerbera hob ihr Kinn. „Wenn sie nicht fertig ist, dann wird sie vor die Wahl gestellt.“ Alekto sah fragend hinüber. Kerberas Lächeln war kalt wie das Eis des fernen Nordlandes. „Vor die Wahl zwischen ihren Armen oder Beinen…“ Alekto lachte: „Das spielt dann auch keine Rolle mehr.“ Sie beugte sich verschwörerisch zu Kerbera vor. „Wenn Pluta sieht, dass ihr Monument nicht fertig ist, wird sie sich um die Frau persönlich kümmern. Und glaubt mir, dann wird sie noch ganz andere Sorgen haben…“

Kerbera rief nach einer Soldatin: „Tausch Unseren Prügelsklaven gegen einen Frischen aus. Der Jämmerling ist verbockt und… ach, Wir sehen ja vor lauter Striemen kaum die neuen Streifen. Schaff das sinnlose Gewürm weg und bringe Uns was Ordentliches.“ Die Uniformierte marschierte strammen Schrittes davon, den malträtierten Mann im Schlepptau mit einer Lederschlaufe um dessen Hals. Sie brachte ihn zum Medikus, der sich seines Arsches mit brennender Heilpaste annehmen sollte. Dann lief sie mit klirrendem Waffenrock zum Harem der Senatorin und zeigte auf einen der Jünglinge. „Du da! Mit den haselnussbraunen Kulleraugen und den Locken! Komm her! Deine Herrin hat einen Nutzen für dich.“ Die Soldatin riss ihn an seinem Halsband grob zu sich und blickte geschwind über seine Schulter zu einem Blondkopf mit blauen Augen. Sollte Kerbera den Lockenschopf haben; der süße Jüngling mit dem goldenen Haar war ihr irgendwie ans Herz gewachsen. Sie konnte sich seines Dankes gewiss sein.
82. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 01.03.20 17:58

Tief unter den Senatorinnen vegetierten Abas und Vidar in ihrer Zelle dahin. Täglich erhielten sie ihr karges Mahl und ein wenig brackiges Wasser. Endlich öffnete eine Wärterin die Gittertür und zeigte auf Vidar. Der Mann erhob sich und kam zögernd auf die Frau zu. „Los! Beeile dich! Oder ich mache dir Beine, du elendes Dreckstück!“ Mit einem saftigen Tritt in den Hintern jagte sie ihn an sich vorbei in den steinernen Zellenflur. Abas kam hinzu, doch die Wärterin schloss direkt vor ihm die Tür quietschend und krachend wieder zu. Er umklammerte die rostigen Gitter: „Was habt ihr vor mit ihm? Wo bringt ihr ihn hin? Wann kommen wir hier raus?“ Die Frau lachte nur und sah ihn abfällig an. Mit einer kurzen dicken Leder-Gerte schlug sie Abas auf die Finger, die dieser vor Schmerz zischend blitzartig zurückriss und schüttelte. Die Wärterin frotzelte und trieb Vidar vor sich her. „Na los, du Nacktarsch! Du wirst schon sehnlichst erwartet. Und vorher bekommst du sogar ein Bad.“ Abas sah ihnen hilflos hinterher. Was hatte diese Furie mit Vidar vor?

Vier Stunden voller Ungewissheit später kam Vidar zurück. Abas erwartete bei ihm zahlreiche Striemen oder Brandmale zu entdecken, doch da hatte er sich getäuscht. Der Mann war zwar erschöpft, doch offenbar unbekümmert und unversehrt. Er erzählte, wie er nach einem herrlichen Bad in die oberen mit Licht durchfluteten Räume des Palastes gebracht worden war. Dort hatten Dienerinnen ihn angekleidet und zu einem Festbankett mit hohen Militärs gebracht. Er durfte essen und trinken, soviel er wollte. „Die feiern da oben rauschende Feste“, sagte er begeistert und leckte sich unwillkürlich über die Lippen. „Und dann kam eine Duxa zu mir und hat mit mir angebändelt…“ Abas staunte mit offenem Mund.

Vidar berichtete weiter: „Tja, sie sah verdammt gut aus, und sie wollte mich wohl mit Haut und Haaren fressen. Auf jeden Fall konnte sie es gar nicht abwarten, mir in den Schritt zu fassen. Und dann hat sie mich in eine dunkle Ecke gezogen. Und dann haben wir…. Nun, den Rest könnt Ihr Euch sicherlich vorstellen, Majestät.“ Abas wurde erst jetzt klar, dass Vidar nun einen Lendenschurz aus Seide trug. Sein Gefährte meinte stolz: „Ich bin jetzt so eine Art Lieblingsgespiele dieser Duxa. Morgen will sie mich erneut aus dem Kerker holen lassen, damit sie mich wieder bei sich hat.“ Abas rutschte an der rauen Wand in die Hocke. „Warum hat man mich nicht auch geholt?“, murmelte er. Vidar zeigte mit seinem Kinn auf Abas Hüfte: „Eure Lenden sind versperrt, Majestät. So wird sie kein Vergnügen an Euch finden.“

Abas biss die Zähne aufeinander. „Der Schlüssel muss hier irgendwo in der Festung sein. Leda wird ihn nicht bei sich haben. Warum sollte sie ihn mit sich ins Exil nehmen?“ Vidar zuckte mit den Schultern. „Vielleicht als Andenken?“ Abas brummte missmutig. „Ich weiß, wo sie den Schlüssel aufbewahrt hat. Wenn jemand nachschauen könnte…“ Vidar schlug vor: „Wenn ich das nächste Mal geholt werde… Ich darf mich frei im Palast bewegen. Ich könnte nachsehen.“ Abas: „Das würdet Ihr tun? Oh, das wäre… Also gut. Hört genau zu. Ich erkläre Euch den Weg zu Ledas Gemächern.“

Am nächsten Tag war es bereits wieder so weit: Vidar wurde aus dem Kerker geholt, um zu baden. Dieses Mal rieben sie ihn mit duftenden Essenzen ein. Anschließend sollte er zur Duxa geführt werden, die in einem Nebenflügel der Burg residierte. Als Vidar eine Stunde später bei der Duxa lag, bat er sie, in dieser Nacht nicht wieder in den Kerker zu müssen. Die Soldatin hatte nichts einzuwenden, ließ sich dafür jedoch von Vidar mit einer „Währung“ bezahlen, die er glücklicherweise zur Genüge besaß. Sein bittendes „Gemach, gemach!“ überhörte die abenteuerlustige Dame und verlangte Standhaftigkeit, wieder und wieder. Seine Manneskraft rang in einem stillen Tanz der Verzweiflung mit seiner Erschöpfung.

Am Abend schlief die Duxa endlich zufrieden ein, eine Hand auf Vidars wundes Gemächt. Vidar schnaufte durch. Sein Soldat war gefordert worden wie nie. Er war selbst müde und entkräftet, doch er hatte dem Königsgemahl ein Versprechen gegeben. Und das wollte er auch halten; selbst wenn es ihn in Lebensgefahr brachte. Vorsichtig schob er die Hand zur Seite, stand auf, schlich sich aus dem Gemach der Duxa und lief über die Flure des Palastes. Sein Herz pochte wild. Niemand durfte ihn sehen.

Kaum war er im Hauptflügel des Prachtbaus, so stieß er auf Wächterinnen mit Fackeln, die ihm den Weg versperrten. So würde er nicht einmal in die Nähe der königlichen Räume kommen. Da kam ihm eine Idee. Er nahm von einer Fensterbank eine kleine Kiste, in der sich einige Kerzen befanden und lief schnurstracks und ohne Scheu auf die Wachen zu. „Halt!“, rief die Soldatin und richtete die Spitze ihrer Lanze auf Vidar. „Wer bist du denn? Was ist dein Begehr, Kerl?“ „Aus dem Weg! Geschwind!“, verlangte Vidar selbstbewusst. „Ich soll den Stadthalterinnen diese Kiste überbringen.“ Die Soldatin sah ihn misstrauisch an. „Dann gib sie her. Ich bringe sie den Senatorinnen.“

Die Frau wollte schon danach greifen, doch Vidar umklammerte sie. „Nein! Ich habe ausdrücklichen Befehl sie persönlich abzugeben.“ Die Soldatin glaubte ihm nicht. Aber sie vermutete, dass der Mann nur eine Belohnung einheimsen wollte. Sie zeigte mit dem Daumen hinter sich. „Dann geh den Gang entlang. In der Halle musst du dich links halten und…“ Vidar ließ die Frau nicht aussprechen, sondern stürmte grüßend an ihr vorbei. Es kam dieser Tage öfter vor, dass Boten mit irgendwelchen Nachrichten zu den Senatorinnen kamen. Aber eine Kiste? Was da wohl drin war, fragte sich die Soldatin. Hätte sie das kontrollieren sollen? „Hey!“, rief sie dem Mann hinterher. Aber der war schon verschwunden.

Vidar eilte zu der hohen Halle und sah eine Tür, die von zwei Wächterinnen eingerahmt war. Der Eingang bestand aus mit Eisen verstärktem Holz. Dicke Spitznieten verzierten das Türblatt. Da hinter befanden sich wohl die Senatorinnen. Aber er musste sich rechts halten. Abas hatte ihm genau erklärt, wie er über die Dienstbotengänge ungesehen bis in Ledas Gemächer gelangte. Hoffentlich waren dort keine unerwünschten Personen, die ihn aufhielten. Und er kam tatsächlich ungesehen durch die Flure. Vidar schaffte es mit etwas Glück und Geschick bis in die Räume der Königin: Sie waren leer, aber sahen aus, als habe man sie geplündert. Regale und Schränke waren leer. An den Wänden fehlten Teppiche. Einige Folianten lagen auf dem Boden. Vidar ging durch eine weitere Tür und stand im Schlafgemach der Regentin. Hier musste der Schlüssel sein, wenn sie ihn nicht mit sich genommen hatte.

Der Mann suchte alle Möbel ab: Schränke, Truhen, Kisten, schaute unter das Bett, in den Kissen und der Matratze. Nichts! Pech für den Königsgemahl! Vidar wollte gerade gehen, als ihm ein unscheinbarer Tonkrug auffiel, der so gar nicht zu dem anderen feinen Geschirr passen wollte. Er schien dort in Eile abgestellt worden zu sein. Vidar hob ihn an und schüttelte: nichts. Er setzte ihn schnell wieder ab. Er musste sich beeilen, bevor er noch entdeckt würde. Dabei stellte er den Tonkrug so ungeschickt auf das Regalbrett, dass er in Schräglage kam und scheppernd zu Boden krachte.

Vidars ächzte, als das Behältnis laut auf dem Marmor aufschlug und in zig Scherben zerbarst. Mit klopfendem Herzen lauschte er, ob vielleicht nahende Schritte das Unglück verkündeten, man ihn gehört hatte und morgen vielleicht martern würde, weil er im Palast umher geschlichen war. Aber es blieb still. Nur sein Herz hörte er klopfen. Vidar atmete auf und sah sich die Bescherung an. Überall lagen die Splitter. Ein Teil des Krugbodens war heil geblieben und…

Vidars starrte ungläubig auf das Stück Ton und den metallenen Bart eines Schlüssels, der darin eingebrannt worden war. Er nahm die Scherbe und brach den Schlüssel heraus und steckte ihn ein. Sollte er die Spuren entfernen? Nein, dazu war keine Zeit mehr. Er verließ kurzerhand Ledas Gemach, huschte über die engen Dienstbotengänge zurück in den Nebenflügel des Palastes und legte sich still und heimlich neben die Duxa ins Bett, den Schlüssel fest hinter seinen Gürtel geklemmt. Erst als er sich versichert hatte, dass die Soldatin schlief, schloss auch er seine Augen. Er hatte es geschafft!

Am nächsten Tag konnte er es kaum erwarten, zurück in den Kerker gebracht zu werden. Er musste Abas von seinem Fund berichten. Als dann der große Moment gekommen war, und er dem Kameraden den Schlüssel präsentierte, war er stolz wie ein Ritter in goldener Rüstung. Abas konnte sein Glück kaum fassen und nahm zitternd das Geschenk mit einer Freudenträne im Augenwinkel entgegen. „Ich stehe tief in deiner Schuld“, sagte Abas feierlich und steckte den Schlüssel in seinen Keuschheitsgürtel. Er schloss die Augen. Lass es der richtige sein! Und…

…er drehte sich! Das Schloss sprang auf. Nach so langer Zeit. Abas stöhnte wohlig auf. Er spürte die Freiheit seiner so lange grausam unterdrückten Manneskraft. Was für ein Gefühl! Diese erzwungene Keuschheit, die sich über sein Gemüt wie ein schweres Tuch gelegt hatte, war einer fast heiteren Befreiung gewichen. Ihm war es nicht einmal peinlich, dass sein Liebesstab sofort hervorsprang, als wolle er damit einen Strauß ausfechten. „Oh, lala! Bei allen Kobolden und Waldgeistern! Was haben wir denn da?“, hörte er plötzlich eine laute Stimme. Die Wächterin!

Schnell hielt Abas die Hände vor den Schritt. Die Frau öffnete das Gitter und ging auf den Gefangenen zu. „Nimm deine Flossen da weg!“, befahl sie. Aber Abas schüttelte den Kopf wie ein trotziger Bube. Die Wächterin zog ihre Peitsche hervor und holte aus, so dass sich der Riemen mit einem Knall um Abas Hinterbacken wickelten. „AU!“, rief er, den sengenden Schmerz spürend. „Hände da weg!“, befahl sie erneut, dieses Mal mit schneidender Stimme, die keine Widerworte erlaubte. Abas gehorchte gezwungenermaßen und zeigte seinen „scharfen Dolch“. Die Soldatin lachte lauthals. „Der kleine Mann hat wohl Sehnsucht nach einem Weibe, was? Aber wo hast du deine Eisenhose?“ Sie sah den Keuschheitsgürtel hinter Abas im Stroh liegen. „Sieh an! Du hast uns alle zum Narren gehalten und die ganze Zeit den Schlüssel gehabt! Du hast wohl gedacht, dass erspart dir die Liebesdienste? Das wirst du jetzt fein nachholen, du Schwindler!“ Abas schluckte schwer und trocken.

Die Uniformierte kam noch näher und befahl: „Los! Sperr ihn wieder ein!“ Abas sah sie ungläubig an. Was sollte er tun? Aber alles Zögern half nicht. Er musste gehorchen. Es war gar nicht so einfach, den strammen Burschen wieder in seinen Kerker zu zwingen, aber mit etwas Mühe gelang es ihm. Jetzt nahm die Frau ihm den Schlüssel aus der Hand: „DEN behalte ich!“ Schallend lachend verließ sie die Zelle. Abas spürte, wie sich sein Gemächt zusammenzog vor Angst. Jetzt war er in der Hand dieser Furie. Und er hatte kein einziges Mal die Möglichkeit gehabt, seiner aufgestauten Lust nachzugehen! Oh, was schreckliches Schicksal hatten ihm die Götter auserwählt! Wie konnten sie so grausam sein!

Während Abas mit seinem Unglück haderte, wurde Leda auf der „Victory Quest“ Zeuge, wie ein Soldat und eine Gardistin miteinander ihren Trieben nachgingen… Empört und entsetzt riss sie die Beiden auseinander und drohte ihnen eine Züchtigung an, sollte sie so etwas noch Mal an Bord erleben! Die vertriebene Regentin hatte in einsamen Nächten bereits an Liebe, Abas und die Lust gedacht. Auch sie hatte Verlangen, dem sie auch nachgab – still und heimlich in der Kapitänskajüte. Aber wenn die Besatzung schon anfing übereinander herzufallen wie Tiere… Das musste sie unterbinden. Disziplin war im Kriege wichtiger als in Friedenszeiten.

Gestern hatte ihr eine Beraterin von einem ähnlichen Vorfall zwischen einer Magd und einem Soldaten berichtet. Bei den Beiden war sie zu spät gekommen, um das Äußerste zu verhindern. Sie lagen bereits befriedigt und mit Sünde befleckt beieinander, als die Exilkönigin zu ihnen stieß. Leda grübelte darüber nach, wie sie Zucht und Ordnung während der langen Fahrt über den Westozean sicherstellen konnte. Ihr fiel keine Möglichkeit ein, bis sie am nächsten Morgen im Lagerraum tief im Bug des Schiffes eine interessante Entdeckung machte: Hinter der ersten Schicht Waffen waren Fußfesseln und Halsgeigen gestaut worden. Und dazwischen sah sie etwas, das einem Keuschheitsgürtel sehr ähnlich sah. Ja, natürlich, dachte Leda. Die Kampfsklaven der Pluta! Waren die nicht großteils keusch gehalten? Benötigte die Despotin dazu nicht endlos viele Keuschheitsgürtel? Und bei dieser Menge waren wohl auch Ersatzexemplare an Bord.

Leda zog und zerrte an den Ketten und gab bald entmutigt auf, denn die eisernen Gegenstände waren einfach zu schwer und miteinander verheddert. Sie holte sich zwei starke Männer zur Hilfe. Und nach einer knappen Stunde lagen vor Leda auf den dicken Planken 53 Keuschheitsgürtel mit den dazugehörigen Schlüsseln fein säuberlich aufgereiht. Leda grinste. Das war der Ausweg aus der Misere. Eine Stunde später verkündete die Königin ihr Vorhaben laut an Deck: Alle Recken würden Keuschheitsgürtel tragen. So wurde Unzucht unterbunden. Zum Allgemeinwohl, wie Leda betonte. „Aber warum nur die Männer?“, wollte Thrym gekränkt wissen, ein Berater der Regentin. „Wir gehören doch nicht zu dieser Diktatur, die alle Kämpen unterdrückt!“

Einige Stimmen unterstützen lautstark seine Meinung, und Leda musste sich Verhör verschaffen, bevor sie argumentierte: „Es sind nun mal nur Keuschheitsgürtel für Kerle da. Dafür kann ich auch nichts. Meine Entscheidung ist gefallen!“ Murren war zu hören, aber niemand wagte offen, der Königin zu widersprechen. Honos meldete sich mit erhobener Hand. „Majestät, ich hörte, es seien 53 Gürtel da. Wir sind aber 56 Männer.“ Die Besatzung wurde hellhörig. Schon riefen die Stimmen wieder durcheinander. Jeder hatte gute Gründe vorzubringen, dass er keinen KG tragen konnte.

Endlich wurde Leda der Wirrwarr zu bunt, und sie verschwand in ihrer Kajüte, um sich mit ihren Beratern zurückzuziehen. Aber selbst unter den Ratgebern wurde man sich nicht einig, denn bei fünf Männern wollte natürlich jeder zu den drei auserwählten „Freien“ gehören. Doch Leda hatte genug von der Streiterei. „Mein Majordomus Honos bleibt frei.“ Ein Raunen ging durch die Runde. Jetzt waren nur noch zwei „Freie“ übrig. „Und mein Schmied Tartaros ebenfalls.“ Noch ein Raunen. Die Anspannung wuchs ins Unermessliche.

Also würde nur ein einziges Mitglied dieses Kreises keinen KG erhalten? Oder? Leda meinte: „Der Dritte wird einer von euch sein.“ Jetzt begann wieder wildes eifriges Durcheinander. Wen würde Leda erwählen? Die Gesichter der Gewandeten hingen an den Lippen ihrer Regentin. Und dann kamen die Worte aus ihrem Mund: „Ich entscheide mich für Sigurd.“ Eifersüchtige Blicke trafen den hübschen Mann, der Ledas Hand mit einer Verbeugung küsste und sich für ihr Vertrauen bedankte. „Und jetzt organisiert die Ausgabe und kontrolliert die Schlösser. Tartaros soll die Schlüssel persönlich in Empfang nehmen und mir übergeben.“ Die vier Ratgeber waren darüber pikiert, dass die Regentin sie in Keuschheitsgürtel stecken lassen wollte. Sigurd dagegen strahlte über das ganze Gesicht und schmeichelte ihr: „Ihr habt weise entschieden, meine Königin.“ Dieser ekelhafte Schleimer, dachte Thrym und wünschte Sigurd die Pest an den Hals.

Dione und Venus entwickelten sich immer mehr zu Tyranninnen. Lykos wurde wie ein gewöhnlicher Sklave behandelt. Der ehemalige Hauptmann fragte sich, ob es nicht besser wäre, wegzulaufen. Aber wohin? Das Matriarchat der Pluta war überall. Er musste sich damit abfinden. Er war Teil des Ganzen und hatte leider das falsche Geschlecht. Und bisher hatte Venus ihn regelmäßig aufgeschlossen, um mit ihm das Bett zu teilen. Doch würde sie es zukünftig auch noch tun, wenn erst mehrere Sklaven im Haus wären? Vielleicht kaufte Venus sich einen Liebesdiener. Dann wäre Lykos überflüssig…

Doch über ungelegte Eier sollte er sich keine Gedanken machen, machte er sich Mut. „Das nennst du sauber machen?“, hörte er Diones Stimme die Stille zerreißen. Lykos sah um die Ecke und erkannte Dione, wie sie über ein Regalbrett strich und Staub von ihren Fingern pustete. „Das setzt eine Tracht Prügel!“, drohte sie. Lykos hob abwehrend die Hände. „Verzeiht mir, Herrin. Das muss ich übersehen haben…“ Dione schnaubte ungehalten und stolzierte aus dem Raum. Sie würde sein Fehlverhalten ihrer Tochter erzählen, die dann das Strafmaß zu bestimmen hatte. Vielleicht würde sich Venus ja umstimmen lassen. Wahrscheinlicher war allerdings, dass Venus ihrer Mutter gefallen wollte.

Am Spätnachmittag, als Venus von einem Ritt nach Hause kam, berichtete Dione ihr von Lykos Schlamperei. „Ich werde jetzt zum Markt fahren und nach einem zusätzlichen Sklaven fragen. Lykos alleine scheint ja überfordert zu sein.“ Lykos sah Venus bittend an. „Es tut mir leid, doch das Haus ist einfach zu groß für eine Person. Wie soll ich alles putzen?“ Venus streichelte ihm über das Haupt. „Ich verstehe das. Mutter bringt eine Hilfe mit. Aber du musst auch begreifen, dass ich deine Faulheit nicht durchgehen lassen kann.“ Lykos ächzte. „Faulheit? Ich schufte bei euch zwölf und mehr Stunden am Tag.“

Venus hob eine Augenbraue. „Du beugst dich jetzt vor und erhältst zehn Hiebe auf dein nacktes Gesäß.“ Lykos sah sie entrüstet an. „Aber…. Könnt Ihr nicht Eurer Mutter einfach sagen, dass ich die Schläge erhalten habe?“ Venus lächelte milde über seine Naivität. „Sie wird die Striemen sehen wollen.“ Lykos seufzte. „Also gibt es keine andere Möglichkeit?“ Venus bedauerte: „Leider nicht. Es tut mit im Herzen weh, dich leiden zu sehen, aber leider, leider…“ Lykos drehte sich weg, beugte sich vor und hob seinen Lendenschurz. Er biss auf die Zähne.

Jammern würde sie ihn nicht hören! Nein, auf keinen Fall würde er ihr diese Genugtuung geben! Venus schmunzelte vergnügt, als sie mit einem dünnen Holzstock zuschlug, dass es nur so klatschte. „Eins“, zählte sie. Lykos hüpfte ein wenig in die Luft, als der kräftige Treffer seine Backen zum Glühen brachte. „Zwei“, rief Venus und holte schon erneut aus. „Drei“, sagte sie. Lykos schnaubte und presste seine Lippen fest zusammen. Hoffentlich hielt er alle zehn stumm aus! „Vier“, rief Venus und schien mit aller Kraft geschlagen zu haben. Dieses gemeine Früchtchen, ärgerte sich Lykos. So kräftig muss sie doch nicht schlagen! „Fünf“, sagte Venus an und machte eine kleine Pause, in der sie über die gestriemten Backen strich. „Hui! Dieser Stock hat es in sich. Er beißt sich in dein Sitzfleisch, als hätte er Reißzähne!“ Lykos sagte mit zittriger Stimme: „Dann schlag doch einfach nicht so feste!“ Venus lachte zu seiner Empörung. „Na hör mal. Es soll eine Strafe sein! Keine Belohnung!“ „Sechs“, lachte Venus und hieb zu.

Lykos biss die Zähne zusammen und grunzte. Seine Kehrseite brannte wie Feuer. „Sieben“, sagte Venus vergnügt. Dem Hauptmann verschwamm der Blick. Hatte er Tränen in den Augen? Nein, sagte er sich, ein Mann weint nicht! „Acht“, hörte er dumpf wie durch Watte. „Neun“, vernahm er, als stehe Venus weit weg und rief es zu ihm herüber. „Zehn“, sagte sie und legte den Züchtigungsstock zur Seite. Lykos blieb in seiner Position, als sei er zur Salzsäule erstarrt. „Komm schon, leg dich hin, ich massiere dir Heilsalbe auf deinen Hintern“, sagte sie zu ihm und führte ihn auf ihr Bett. Venus versorgte die Wunden liebevoll und öffnete auch Lykos Keuschheitsgürtel.

Der Hauptmann wunderte sich über sich selbst, dass er nun Lust verspürte. Aber neben dem Brennen auf seiner Rückseite, bemerkte er zugleich ein feuriges Verlangen auf seiner Vorderseite. „Leg dich auf den Rücken“, forderte Venus und stieg auf ihren „Hengst“. Lykos verzog sein Gesicht. Die frischen Striemen brannten, als sitze er mit seinem Arsch in einem Becken mit glühenden Kohlen. Aber seine Männlichkeit forderte auch ihr intensives Bedürfnis ein. Die junge Dame hob ihr Kleid und mehrere Unterschichten Stoff, um den Liebesstab eintauchen zu lassen.

Venus ritt vorsichtig und langsam, um seine Backen zu schonen. Ihre weibliche Hüfte bewegte sich in einer harmonischen Drehung nach vorn und hinten. Diese heißen Lenden ließen sie und Lykos gleichzeitig stöhnen. Je feuchter die junge Frau wurde, desto wilder wurde ihr Ritt allerdings. Lykos schwebte zwischen Schmerz und Lust. Seine Hände griffen unter das bauschige Spitzenkleid, öffnete Knöpfe und streichelten die zarten Oberschenkel der Lady. Bald keuchte Venus wohlig auf und griff Lykos an die Brust wie eine Raubkatze, hinterließ dort vier dünne rote Striche. Und auch Lykos erreichte den Gipfel des Verlangens und ergoss sich in die hübsche Herrin. Das junge Paar lag sich in den Armen und küsste sich. Im Augenblick bestand die ganze Welt nur aus ihnen und ihrer Liebe.

Dann hörten sie die Tür des Hauses knarren. „Mutter ist zurück!“, flüsterte Venus aufgeregt und sprang von Lykos hinab. „Schnell, schließ dir den Keuschheitsgürtel um!“ Die junge Frau beeilte sich, ihr Kleid zuzuknöpfen und ihr Haar in Ordnung zu bringen. Kein Weilchen zu spät war Lykos in die Küche gelaufen, um das Abendessen vorzubereiten, während Venus sich ihrer Mutter unschuldig an den Hals warf: „Da bist du ja wieder.“ Dann bemerkte sie die zweite Person. Sie sah irritiert zu dem jungen Mann neben Dione, der ein eisernes Halsband und einen Lendenschurz trug. „Und wer ist das?“ Dione präsentierte ihn stolz: „Darf ich dir unseren Sklaven vorstellen? Er war ein Sonderangebot. Er ist nämlich stumm. Vermutlich ist er mal bestraft worden… Da machen die hier ja nicht viel Federlesens. Außerdem trägt der Sklave ein Brandzeichen. Aber das lässt sich überbrennen, hat die Verkäuferin gesagt.“

Venus betrachtete den Neuerwerb: jung, knackig, sogar hübsch. Schlank und doch trainierte Muskeln – wie schön, freute sich Venus. Er kann Lykos ein wenig entlasten. Dann kann ich ihn öfter mal zu einem romantischen Ausritt entführen, wo wir den strengen Augen von Mutter entkommen können. Lykos sah die Ankunft des Sklaven jedoch mit gemischten Gefühlen. Würde Venus wirklich mit ihm die Decke teilen, während der Neue im Haus arbeitete? Oder würde ihr sein schöner Körper besser gefallen?
83. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 26.03.20 18:46


Abas wurde langsam wahnsinnig. So kurz davor war er gewesen, endlich seine Freiheit zu haben, und dann nahm ihm diese blöde Wächterin den Schlüssel zu seinem Keuschheitsgürtel weg! Während sein Mitgefangener jeden Abend im Stroh seinem Vergnügen nachging, musste Abas darben. Längst hatte Vidar alle Scheu verloren, vor dem Königsgemahl seiner Lust zu frönen.

Schier endlose Tage vergingen, da erschien des Nachts die Wächterin und holte Abas aus der Zelle. Würde sie ihn aufschließen? Ihm war es mittlerweile egal, unter welchen Umständen er mit einem Weib das Bett teilte. Auch, wenn es bedeutete, Leda zu betrügen, doch der Druck seines Gemächts war einfach zu groß geworden. Die Soldatin brachte ihn in eine leere Kammer und legte den Riegel vor. Abas erinnerte sich daran, wie er Leda vor so vielen Jahren kennen gelernt hatte – unter ganz ähnlichen Umständen. Auch damals war er von ihr in eine Kammer geführt worden. Würde es auch heute Nacht so ablaufen? Würde er sich vielleicht sogar neu verlieben? Allerdings sah die Wachfrau sehr streng aus. Sie wollte wohl nur ihr Vergnügen. Abas spann seine Gedanken weiter: Ich werde meinen Samen in sie ergießen, auch wenn sie mich lieblos nimmt, denn es ist so dringlich, dass mir jedes Weibstück recht ist.

Ganz andere Sorgen hatte Leda, weit entfernt auf hoher See. Ein Sturm kam auf. Der Westozean war für seine unberechenbaren Wetterumschwünge bekannt und berüchtigt. Einige der Segel wurden gerefft. Alle Ladung auf dem Deck musste gesichert werden. Und wenige Augenblicke später schüttete der Himmel nur so, die Wellen wurden höher und Windböen ließen die Victory Quest erzittern und ächzen.

Leda flüchtete unter Deck. Dabei stieß sie mit Honos zusammen. „Entschuldigt, Eure Majestät“, sagte er und fing die Regentin auf. „Ihr seit ja ganz nass!“ Dem Majordomus durchzuckte ein wohliges Gefühl: Wie lange hatte er keine Dame mehr im Arm gehalten? Und dann gleich die Königin! Er merkte, wie seine Hose im Schritt spannte. Hatte ihn die Berührung bereits so erregt? Leda antwortete: „Ja, ich werde mich umziehen müssen. Sagt einer meiner Zofen Bescheid, sie möge den Zuber mit heißem Wasser füllen und neue Kleider herauslegen.“ „Sehr wohl, Eure Majestät“, verbeugte sich Honos. Leda verschwand in ihrer Kajüte und zog ihren nassen Umhang aus, den sie auswrang. Dann stellte sie ihre Stiefel in die Ecke. Mittlerweile huschte ihre Zofe umher, um den großen Badezuber zu füllen.

Als es endlich so weit war, stieg die Königin in ihr Bad und versenkte ihren nackten Leib in dem heißen Nass. Was für eine Wohltat! Nur hin und wieder sorgte die Schräglage des Schiffes dafür, dass das Badewasser überschwappte und die Bodenplanken wässerte. Leda verwöhnte ihren Körper mit Seife und einem weichen Schwamm. Wie schön es nun wäre, wenn auch Abas hier wäre, sinnierte sie. Plötzlich klopfte es an der Tür und die Zofe schaute hinein: „Wünscht Euer Majestät noch etwas?“ Leda verneinte und rief dann doch: „Ruft mit Sigurd. Ich möchte den neusten Stand über das Unwetter wissen.“ Irgendwie hatte sie ein schlechtes Gewissen. Sie lag hier im Zuber, während draußen der Sturm peitschte und die Männer durchnässte und frösteln ließ.

Sigurd klopfte kurze Zeit später zaghaft und suchte sich einen imaginären Punkt an der Wand, um ihn anzustarren. Seine Königin nackt im Bad – in was für eine Situation hatte die Regentin ihn da nur gebracht!? „Sprecht, können wir unseren Westkurs halten?“, fragte Leda. „Noch fahren wir den bestimmten Kurs, aber lange schaffen wir es nicht mehr. Die Segel sind fast alle eingeholt. Der Sturm und der Seegang werden immer kräftiger.“ Leda grübelte. „So fallt für die Zeit des Unwetters vom Kurs ab, damit das Schiff nicht so bockt.“ Sigurd verbeugte sich. „Sehr wohl, Eure Majestät.“
Er verließ die Kajüte, um dem Steuermann die Anweisung zu überbringen. Leda starrte auf die Oberfläche ihres Bades. Sigurd… Was für ein hübscher Mann. Sie schüttelte den Kopf. Was denke ich da!? Verbotene Früchte schmecken am besten, wusste Leda, aber hatte sie wirklich Appetit bekommen? Aber Abas… War Abas überhaupt noch am Leben? Sie bezweifelte es. Das Leben musste weitergehen. Sie ließ den Berater erneut rufen und näher an den Badekübel treten. „Wisst Ihr, dass Ihr einer Frau den Kopf verdrehen könnt?“, fragte sie ihn mit einem kecken Blick von unten. Der Berater schluckte. „Majestät. Ich… Es ist nicht meine Absicht…“ Leda unterbrach ihn: „So würdet ihr das Angebot einer Lady abschlagen?“ Sigurd antwortete: „Nun, sollte eine wahre Lady mir eine Freundschaft offerieren…“ „Eine wahre Lady“, betonte Leda. Sigurd wagte einen kurzen Blick auf seine Königin. „Dann würde ich mich sehr geehrt fühlen.“ Leda lächelte und streckte ihre Hand aus dem Badewasser. „Wollt ihr mir nicht Eure Folgsamkeit beweisen?“ Sigurd küsste Ledas Hand. „Ich würde dafür sterben.“ Leda sagte: „Haltet Ihr mich für eine wahre Lady?“ Sigurd und Leda trafen sich mit den Augen. „Legt den Riegel vor und steigt zu mir. Ich sehne mich so sehr nach ein wenig Liebe…“

Sigurd verschloss hastig die Kajüte und knöpfte Wams und Hose auf. „Ihr…“ Er zögerte. „Ihr seit sicher, dass…“ Leda beschwichtigte ihn. „Keine Sorge, Sigurd. Es wird unter uns bleiben. Und ich werde es nicht bereuen. Und Ihr, so hoffe ich, auch nicht.“ „Niemals, Majestät“, sagte Sigurd voller Inbrunst und stieg in das königliche Bad. Er tauchte unter, dann fand er sich mit rotem Kopf seiner Königin gegenüber. Ihre Leiber trafen sich, liebkosten sich. Seine Fingerspitzen erkundeten die hochwürdige samtige Haut, die nach den Kräutern des Badewassers duftete. Sigurd spürte die hoheitlichen Haare auf seinem Antlitz, wie Leda den kratzigen Bart des Beraters fühlte. Der Mann genoss den Duft der Königin und wagte es, sie auf ihre Lippen zu küssen. Sein Liebesstab war hart und pochte wild.

Nun erlebte er die feuchten Lippen auf seinem Gesicht, überall, spürte den Druck ihrer weichen und doch festen Brüste an seinem Leib. Ein Schenkel hob sich über seinen. Und dann vereinten sich die beiden Liebenden und versanken in einem Strudel der Leidenschaft. Ledas obsessive Weiblichkeit hatte ihn wie in Ketten geschlagen mit ihr vereint. Wellen der Lust schwappten hoch und überspülten die Badenden.

Plutas Einzug in die Stadt war ein pompöses Fest. Sie saß in ihrer überdimensionierten Sänfte, die mit Blattgold und Edelsteinen übersät war, und schaute hinab auf ihre Untertanen wie eine Göttin. Mehrere große Statuen spiegelten ihr Antlitz. Auf dem Markt stand eine gewaltige Skulptur, die ihrem Körper schmeichelte. Zufrieden nickte die Tyrannin ihrem Ebenbild zu. Mehrere Behausungen hatten den Statuen weichen müssen. Die Menge jubelte ihr zu, ob aus Überzeugung oder um den Schergen der Despotin zu entgehen, konnte niemand gewiss sagen. Geschickt hatten die Senatorinnen treue Soldatinnen in Zivil unter die Menge gestreut, so dass überall die gewünschte Freudenstimmung aufkam.

Die Senatorinnen Kerbera und Alekto empfingen ihre Herrscherin und führten sie in den vorbereiteten Thronsaal, von dem aus sie zukünftig den gesamten Kontinent regieren wollte. Nichts erinnerte mehr an Leda. Dafür hatte die Armee gesorgt. Die auserwählten Untertanen, die als Zeugen die Majestät in den Thronsaal begleiten durften, waren eher sprachlos vor so viel Pomp. Diese gewaltige Sänfte, die von mehreren hundert Sklaven gezogen wurde – so etwas hatten sie nicht einmal zu Megaras Zeiten gesehen. Und der Thron war bombastisch gestaltet und aus den wertvollsten Metallen gefertigt.

Die Centurias Phoibe und Ceres hatten die Ehre, die Ankunft ihrer Monarchin von einer Balustrade des Palastes aus zu beobachten. Ihr Einsatz würde noch kommen, wenn die ehrwürdige Pluta auf ihrem Thron Platz genommen hatte, denn dann sollte die Ehrenwache eine kunstvolle militärische Übung abhalten.

Streng geheim war dagegen das Schicksal der Sklaven, die die Sänfte gezogen und völlig entkräftet endlich die Hauptstadt erreicht hatten. Sie sollten einem Ritual zum Opfer fallen, das sich Pluta ausgedacht hatte. Davon sollten ihre Untertanen eingeschüchtert werden. Denn am Ende des Tages würde Pluta die ausgezehrten Männer in die große Arena jagen lassen. Alekto und Kerbera, einige der wenigen Eingeweihten, hatten die Vorbereitungen für das Spektakel in die Wege geleitet. So war dort eine Plattform aufgestellt worden, die über mehrere Strickleitern in neun Fuß Höhe erreichbar war und eine Kantenlänge von zwei Doppelschritt aufwies.

Die Aufgabe der Männer war nun, diese rettende Ebene zu erklimmen, bevor Pluta ihre Soldatinnen in die Arena schickte. Bei 300 Sklaven würde die rettende Fläche recht eng werden… Wer unten von den Soldatinnen erwischt wurde, sollte sein Leben in den Minen des Reiches aushauchen; wer jedoch die Bühne erreichte – und oben blieb – sollte die Freiheit geschenkt bekommen.

Doch zunächst genoss Pluta ihren Einzug in ihr neues/altes Reich. Nur schade, dass Leda ihnen durch die Lappen gegangen war. Vermutlich würde sie ihren verdienten Tod in den tosenden Wellen des Westozeans finden… Pluta hatte ihren großen Auftritt: Unter Jubel und Geschrei der Menge schritt sie die Stufen zum Thron hinauf. Ihr goldener Umhang wurde von sechs ausgewählten Sklaven getragen.

Die Senatorinnen und kommissarischen Stadthalterinnen Alekto und Kerbera begrüßten die Herrscherin mit einem tiefen Knicks und übergaben ihr offiziell die Führung der Amtsgeschäfte. Ein Priester in weißer Kutte hielt die neue Krone bereit und sprach einige salbungsvolle Worte an die Götter. Pluta demonstrierte Desinteresse. Bald würde nur sie persönlich angebetet werden. Und sollten einige Priester ihren Göttern nicht abschwören… nun, so gab es genügend potentielle Nachfolger, die sich ihre Finger danach lecken würden, diese Aufgaben zu übernehmen.

Nach dem königlichen Treueid auf das Land kniete Pluta vor dem Priester nieder. Grimmig duldete sie dieses traditionelle Protokoll, das es seit Jahrhunderten gab. Aber mit gekröntem Haupt stand sie auf und schwor sich, nie wieder vor irgendeinem Menschen oder Gott zu knien. Die Krone war schwerer als ihre alte. Aber dafür war sie mit Edelsteinen gespickt. Pluta würde bald die Steuern drastisch erhöhen müssen. Und wer nicht zahlte, den erwarteten drakonische Strafen. Sicherlich würden einige Damen von nicht adeligem Blute so manche Abstriche von ihrem Luxusleben machen müssen. Aber dafür sollten es die Edelfräuleins aus dem Kreise des Königshauses umso besser haben.

Pluta sah sich im großen Thronsaal um. Alles war nach ihren Anweisungen hergerichtet worden: Der Thron war erhöht worden, Gobelins hingen an den Wänden, eine große kunstfertig verzierte Feuerschale mit heißer Glut bildete den Mittelpunkt eines runden Marmormosaiks. Ein langer roter Teppich führte von ihrem Sitz bis zur Tür. Zwischen den Gobelins hingen gusseiserne Halterungen, in denen die blakende Flammen der Fackeln leuchteten. Eine Schüssel mit Trauben stand links von ihr, doch die süßen Früchte fanden bei der Tyrannin keine Beachtung. Vielmehr hingen ihre Gedanken in der Zukunft.

Schon bald wollte sie verkünden, dass Megara zurückgekehrt war! Jahre, nachdem man sie gestürzt hatte! Sollte sie noch Verantwortliche von damals in die Finger bekommen… Sie malte sich die „schönsten“ und fantasievollsten Folterarten aus. So hatte sie einmal einem ungehorsamen Sklaven sein Gemächt abgeschnürt und ihm dann Wasser eingeflößt. Ein Lächeln huschte über ihr Antlitz, als sie sich an die Schreie und das Wimmern erinnerte. Die Kerkergewölbe würden opulent ausgestattet werden: Kreuze, Käfige, Stangen, Haken, Ringe, Kohlebecken, Liegen, Wasserbecken, Zangen, Flaschenzüge, Würgeschrauben, Hölzernes Pony und so vieles mehr. Es würde das Paradies werden, schwärmte sie, zumindest für sadistische Wärterinnen.

Da störte sie eine Duxa, die mit ihrer prachtvollen Uniform klappernd in den Thronsaal stürmte. Mit einer eleganten Verbeugung sagte sie: „Majestät! Es gibt Neuigkeiten aus dem Westen.“ „Sprich, Helena“, forderte Pluta. Die Soldatin berichtete, dass ihre Truppen ein Fischerdorf niedergebrannt haben, „dass die Flucht der Leda und ihrer Loyalisten erst möglich gemacht hat. Außerdem hatten diese Männer die Victory Quest gestohlen.“ Plutas Finger krampften sich um die mit Samt beschlagene Armlehne des Throns. „Kerkert die Frauen ein, bis sie mir den Treueid schwören.“ Helena nickte und fragte mit lauerndem Blick: „Und die Männer, Majestät?“ In Plutas Antlitz erblühte ein grausames Lächeln. „Schafft sie zu den 300 Sänftensklaven in die Arena. Ich will doch mal sehen, ob diese Fischer heute Abend auch noch so tapfer und mutig sind.“ Sie würde gerne zukünftig auf das Pfahlgeld der Seeleute verzichten, wenn sie dafür ihre verdiente Strafe erhielten.

In einem Nebenflügel der Residenz zogen sich Ceres und Phoibe um. Für heute Abend durften sie ohne Uniform in zivil zu dem angekündigten Spektakel gehen. Sie genossen die hübschen Kleider und berieten sich gegenseitig vor dem Spiegel. „Hast du diesen netten Diener mit den braunen Locken und den blauen Augen beobachtet, der uns zu unseren Gemächern geführt hat? Er hatte nur Augen für dich“, sagte Ceres. Phoibe hob zweifelnd die Augenbrauen. „Und woher willst du das wissen?“ Ceres lachte. „Wetten, du brauchst ihm nur eine dezente Andeutung zu machen, und schon läuft er dir hinterher wie ein Hündchen? Du sehnst dich doch gewiss mittlerweile nach einem Recken in deinem Bette?“ Phoibe raunte ihr zu: „Ceres! So etwas darf eine wohlerzogene Dame nicht einmal denken! Allerdings… jetzt, wo du es sagst…“

Ceres seufzte: „Ich könnte heute Nacht gut meinen Liebessklaven Aphron gebrauchen. Warum haben wir unsere Sklaven nur zu Hause gelassen?“ Phoibe: „Tja, als Soldatin geziemt sich so etwas eben nicht. Und jemand muss ja auf unsere Besitzungen aufpassen.“ Ceres sinnierte laut: „Ob Aphron sich auch so nach mir sehnt, wie ich mich nach ihm?“ Phoibe lächelte scheinheilig. „Gewisslich. Aber nicht so, wie sich Nereus nach mir sehnt!“ Ceres gab einen abschätzigen Laut von sich. „Pfff, das glaubst auch nur du!“ Phoibe sagte mit selbstbewusst vorgeschobener Brust: „Nein, ich weiß es.“ Ceres betrachtete sie fragend. „Ach ja? Und Woher kommt deine Weisheit?“ Phoibe grinste. „Weil mein Nereus einen Keuschheitsgürtel trägt.“ Sie kicherte. Ceres schmunzelte und boxte ihrer Freundin an die Schulter. „Ach, deshalb. Vielleicht hätte ich Aphron auch einsperren sollen…“ Phoibe neckte ihre Freundin. „Zu spät! Vielleicht vergnügt er sich gerade in diesem Moment mit der Magd.“ Ceres meinte verschnupft: „Hör auf! Nein, das glaube ich nicht. Ein Sklave hat sich den Anweisungen einer Frau unterzuordnen. Auch, wenn es nur eine Magd ist. Und die wird genügend Anstand haben, um...“ Phoibe unterbrach: „Ich wollte dich ja auch nur aufziehen. Hey, wie wäre es, wenn du dir diesen schnuckeligen Diener schnappst, und ich werde mich auch nach Frischfleisch umsehen. In der Hauptstadt von Plutas Reich sollte es keinen Mangel an Jünglingen geben, oder?“ Die Damen kicherten wie kleine Mädchen und waren sich sicher: Nach dem Spektakel in der Arena würden sie sich ein süßes Betthupferl gönnen.

Hunderte Meilen weiter ostwärts litt Nereus an seiner erzwungenen Keuschheit. Seit seine Herrin in den Krieg gezogen war, blieb sein Keuschheitsgürtel geschlossen. Und wer wusste schon, ob Phoibe jemals wiederkehrte? Aphron war als ausgebildeter Liebessklave zwar seiner Ceres treu ergeben, aber seine Finger sorgten des Nachts doch in regelmäßigen Abständen dafür, dass seine Männlichkeit ihn nicht zu sehr drückte und zwickte. Vor zwei Wochen war es zu einer Ausnahme gekommen: Eine Sklavenausbilderin von Flagella war gekommen, um sich nach Ceres und Phoibe zu erkundigen. Die Magd hatte leider keine Nachrichten von der Front, doch lud sie die Frau zu einer Tasse Mokka ein. Als die Damen so da saßen, war dem Gast der Liebessklave Aphron aufgefallen. „Sieh mal an! Aphron! Du stammst doch aus unserer Zucht!“

Sie fragte die Magd, ob die Besitzerin wohl etwas dagegen hätte, wenn sie seine Fertigkeiten überprüfe, und die Magd zuckte gleichgültig mit den Schultern. So geschah es, dass sich die Ausbilderin mit Aphron in eine stille Kammer zurückzog und ausgiebig seine Künste genoss…

Die Magd war zuvor ein wenig unsicher geworden, als Aphron sie mit flehenden Augen angesehen hatte, aber hatte sich nichts weiter dabei gedacht. Aphron hatte gleich aus zwei Gründen Angst gehabt vor dem Beischlaf. Zum einen war er erzogen worden, Ceres die Treue zu halten, und ein Bruch dieses Eides führte bei ihm zu schwersten Vorwürfen und intensiven Gewissensbissen. Zum anderen wusste er, dass Ausbilderinnen aus dem Stall der Flagella nicht zimperlich waren, wenn sie einen Liebessklaven benutzten – und ausbildeten.

Am folgenden Tag hatte Nereus noch Salz in Aphrons Wunden gestreut: „Jetzt bist du Ceres wahrlich untreu geworden! Wie willst du ihr diese Schande jemals erklären? Deine Scham muss unbändig groß sein! Willst du deinem Leben nun ein Ende setzen? Ich möchte nicht in deiner Haut stecken.“ Nereus, dessen unbefriedigte Männlichkeit sich irgendein Ventil suchen musste, wurde so zu einem piesackenden und gemeinen Bösling, der seinen Gefährten hänselte und Vergnügen daran fand.

Doch bald drehte sich das Blatt, als Aphron klar wurde, dass er keine Wahl gehabt hatte. Und außerdem konnte er seine Lust jede Nacht ins Stroh ergießen, während Nereus schmachtete und auf die Rückkehr von Phoibe warten musste. Seit diesem Tag revanchierte sich Aphron bei Nereus und hatte eine spitzbübische Freude daran, dem Eingeschlossenen seine Zwangslage zu verdeutlichen. Manchmal grunzte und stöhnte er besonders laut, wenn er seinen Luststab leerte, um den Kameraden zu ärgern und zu quälen.
84. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von AlfvM am 28.03.20 20:27

Tolle Geschichte mach bitte weiter und gesund bleiben
85. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von sheeeep am 29.03.20 21:25

Ich schliesse mich dem Lob und den Gesundheitswünschen an !!!!!
86. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 30.03.20 18:03

@ AlfvM und sheeeep:

Vielen Dank. Ich wünsche auch allen Leserinnen und Lesern alles Gute.
87. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 04.04.20 18:18

Das große Spektakel in der Arena war ein voller Erfolg. Die eingeladenen Gäste vergnügten sich köstlich und naschten während der Aufführung von einem opulenten Büfett aus Braten, Gemüse, Datteln, Küchlein und vielem mehr. Auch Wetten schlossen die Edelfräuleins untereinander ab. Immer wieder hörte man eine verzweifelte piepsige Stimme: „Jetzt ist er runtergeschubst worden! Was mache ich denn jetzt? Wenn er gefangen wird, muss ich Roidus einen Kuss geben! Stellt euch das vor! Worauf habe ich mich nur eingelassen?“ Und schon leerte sie in einem Zug einen Kristallbecher voll Wein, um sich Mut anzutrinken. Kichernd warf sie den Becher in die Arena. „Du dummer Sklave! Deinetwegen habe ich meine Wette verloren!“

Eine andere Lady kreischte auf vor Begeisterung, als der von ihr favorisierte Sklave auf die Plattform krabbelte und gleich zwei Männer mit Hieben und Tritten in die Tiefe beförderte, wo er in die Menge von Dutzenden anderer Sklaven fiel und irgendwo unter ihnen versank. Jeder versuchte hinaufzugelangen und schlug und biss um sich, um sich der Konkurrenz zu erwehren.

Pluta saß eingerahmt von Alekto und Kerbera in der königlichen Loge und verfolgte das Spiel mit kühler Grazie. Auf ihren lässigen Wink hin traten mehr und mehr Soldatinnen in die Arena und fingen Sklaven mit Netzen und Schlingen aus der Menge der verzweifelt kämpfenden und splitternackten Männer heraus. „Woaah“, rief eine junge Lady und sprang enthusiastisch auf. Sie zeigte in die Menge der Sklaven: „Hast du das gesehen? Der hat den an den Eiern wieder runter gezogen!“ Während fünf ihrer Freundinnen kicherten, saß eine ältere Dame indigniert über die Wortwahl kerzengerade in ihrem Sitz. Natürlich hatte sie die Szene auch gesehen und sich darüber amüsiert, doch sagte man so etwas öffentlich? Eier? Sie kämpfte darum, ihre Contenance nicht zu wahren.

Drei andere Frauen riefen im Chor: „Komm schon! Komm schon! Komm schon!“ Sie feuerten ihren Günstling an, der verbissen darum kämpfte, die letzte Elle bis zur Plattform zu klettern, während an seinen Beinen zwei Konkurrenten hingen. Von oben wollte ihm ein anderer Mann den Aufstieg ebenfalls blockieren und drückte ihm gegen Kopf und rechter Schulter, aber in diesem Moment erhielt dieser von hinten einen kräftigen Tritt in den Allerwertesten, so dass er kopfüber von der Bühne flog und einen jaulenden Laut von sich gab. Die Frauen jubelten. „Hat der den zwischen den Beinen erwischt?“, fragte die eine amüsiert. Die Lady neben ihr kicherte: „Meinst du? Das wäre ja prima!“

Eine Dritte stand auf und beschattete ihre Augen mit der flachen Hand: „Ich glaube, der liegt da unten. Also, der ist weich auf die anderen Kerle gefallen, aber windet sich immer noch auf dem Boden. Den hatte der Recke wohl voll mitten in die Glocken erwischt!“ „Am liebsten würde ich meinen Schützling selbst behalten“, schwärmte ein Edelfräulein. „Der ist so süß!“ Die blonde Freundin stieß ihr in die Rippen. „Du meinst wohl seinen Knackarsch. Den würde ich gern mal rot striemen.“ „Und gut bestückt ist er auch“, rief eine frivole brünette Dame hinter ihnen, die dem Wein bereits reichlich zugesagt hatte.

Immer wieder wechselten die Sklaven auf der Bühne. Nur wenige von ihnen konnten sich verbissen die gesamte Zeit über oben halten. Nach und nach kassierten die Soldatinnen mehr und mehr Teilnehmer aus der Arena. Die Reaktionen der Männer waren dabei ganz unterschiedlich. Manche wüteten noch in den Händen der Soldatinnen, manche heulten und weinten über ihr Schicksal, manche flehten und bettelten. Doch letztlich blieben nur vier der anfangs großen Schar übrig. Keiner von ihnen wagte mehr einen Angriff auf einen Konkurrenten, um nicht selbst noch herabgestoßen zu werden.

Schließlich kürte Pluta diese vier Übriggebliebenen zu Siegern. Sie fielen vor Dankbarkeit und Erschöpfung auf die Knie. Einer der Sklaven weinte hemmungslos, ein anderer dankte immer wieder den Göttern und blickte hoch in den Himmel, der dritte konnte sein Glück kaum fassen und schüttelte nur ungläubig den Kopf und hielt sich die Hände vors Gesicht. Der Vierte sonnte sich im Jubel der Sitzreihen und grüßte selbstbewusst die Menge wie ein Volksheld. Es war der knackige Jüngling, den die jungen Ladys favorisiert hatten.

Nach dem großen Wettkampf traten diverse Gaukler auf: ein Fakir, eine kleine Akrobatengruppe, ein Taschenspieler und ein Feuer- und Schwertschlucker. Pluta hatte die Arena bereits verlassen und sich in ihre Gemächer zurückgezogen. Das bunte Spektakel interessierte sie nicht. Lieber ergötzte sie sich an einem nackten Jüngling, der nach Lavendel duftete und ihr zwischen ihren Laken süße Wonne schenkte.

Zu einem dunklen Flur öffnete sich mit einem Knall eine zweiflügelige Tür: Eingerahmt von der Palastwache marschierten die vier Sieger des Abends in Ketten zum Ende des Korridors. Dort standen zwei weitere Soldatinnen an einer hohen Tür, neben der auf jeder Seite eine große Fackel brannte. Eine der beiden Frauen meldete den kleinen Trupp an, dann marschierte die Wache mit dem Quartett hinein. Senatorin Kerbera stand in ihrem geschmückten Gewand vor ihnen und ließ ihre Blicke über die Männer gleiten.

Sie zeigte auf einen von ihnen, worauf die Wache mit den drei anderen Sklaven den Raum wieder verließ. Dem Sklaven waren mit Ketten die Handgelenke auf den Rücken gefesselt und durch eine kurze weitere Kette an seinem eisernen Halsband befestigt, so dass seine Hände zwischen die Schulterblätter gezogen wurden. Seine Kurzatmigkeit zeugte von der drückenden Haltung. Zusätzlich trug er Fußschellen mit einer so kurzen Kette, dass er nur zu Trippelschritten fähig war. Kerbera sah ihn grinsend an. „Herzlichen Glückwunsch zu deiner Auswahl! Du wirst mein Liebesdiener werden. Dir wird an nichts mangeln.“

Der Mann öffnete den Mund. Sollte er ungefragt sprechen? Er wagte es nicht. Wieso sollte er Liebesdiener dieser hohen Frau werden? Ihm war die Freiheit versprochen worden! „Wie heißt du, Bursche?“ wollte sie mit strenger Stimme wissen. „Mein Name ist Cain. Aber…“ Kerbera kam näher und griff schamlos nach seinem Geschlecht. „Du bist… saftig und schön.“ Cain stotterte: „Was wird mit den anderen…“ Kerbera schmunzelte, leckte über ihre Finger und rieb sie über Cains Männlichkeit, die langsam wuchs. „Meinst du die Verlierer oder die Gewinner?“ Cain stotterte: „B…beide.“ Kerbera hob eine Augenbraue. „Die Versager werden ihre Schuld in den Minen der Herrscherin abarbeiten. Und deine drei Kameraden erhalten die Freiheit.“ Cain wagte alles: „Und warum ich nicht? Was unterscheidet mich von ihnen?“ Kerbera kam noch näher und strich dem nackten Sklaven über die kräftige Brust und den flachen Bauch. Er spürte ihren warmen Atem, der nach Minze roch. „Du gefällst mir eben. Und was ich haben will, das nehme ich mir.“

Sie ließ ihn stehen. „Man wird dich baden. Dann bringt man dich zurück zu mir.“ Mit einem Wink erschien aus der Dunkelheit eine uniformierte Soldatin und griff Cain grob an der Kette am Rücken und führte ihn hinaus. Die Frau in dem Lederwams flüsterte ihm zu: „Ich gebe dir einen guten Rat. Sei ein wenig fröhlicher, wenn du zurückkommst. Oder Kerbera wird dir Manieren beibringen.“ Der Sklave wurde durch verschiedene Gänge und eine Treppe hinab geführt. Dann fand er sich plötzlich in einem Raum wieder, in dem ein großes steinernes Becken mit Wasser eingelassen war. Boden und Wände waren mit Mosaiken bedeckt. Drei Frauen in einfachen Gewändern schienen schon auf ihn zu warten. Sie waren mit Bürsten, Schwämmen und Lappen „bewaffnet“. Die Soldatin befahl Cain, in das Becken zu steigen. Dort verband sie seine Rückenkette mit einer anderen Fessel, die am Boden des Beckens verbunden war. Nun fixierte die Frau den Sklaven so, dass er gerade noch Luft bekam. Dazu musste er seinen Kopf etwas anheben, um kein Wasser zu schlucken. Sein Körper war waagerecht untergetaucht und an den Fußfesseln ebenfalls am Beckenrand befestigt.

Die Frauen kamen auf ihn zu und begannen, ihn zu waschen und zu schrubben. Als sie sich auch an seine Männlichkeit wagten, wollte Cain protestieren, aber sofort schluckte er Wasser und musste husten. Das Frauentrio kicherte und setzte ihre wilde Säuberungsaktion fort. Besonders sein Gemächt hatte es ihnen angetan. Als alles sauber war, spielten sie daran herum, bis Cain fast das Gefühl hatte, sein Samen würde verströmen.

Aber im letzten Moment hörten sie auf und riefen nach der Wache, die ihn aus dem Becken erlöste. Mit mehreren Handtüchern trockneten die Frauen den Sklaven ab und sorgten mit geschickten Händen dafür, dass er ja nichts an Größe vor seinen Lenden einbüßte. Die Soldatin, die ihn nun den Weg zurück zu Kerbera brachte, grinste vor sich hin. Cain starrte auf seinen großen steifen Luststab. Würde das die Senatorin eher erfreuen oder erzürnen? Es war so demütigend, in dieser Situation durch die Flure gezerrt zu werden, und zugleich spürte er die Hitze in seinen Lenden wie selten zuvor.

Leda hielt sich unter Deck an einem Balken fest, denn die „Victory Quest“ rollte und stampfte wie verrückt. Die Schräglage nach Backbord war manchmal so heftig, dass alles, was nicht festgezurrt war, durch die Decks raste, polterte und schepperte. Draußen wüteten Orkanböen. Turmhohe Gischt jagte über Bord. Schäumende Wirbel entstanden, als Seewasser durch die Speigatten floss und das Deck überflutete. Eine rauchende Öllampe, die an einem Hanfseil an der Decke aufgehängt war, baumelte hin und her. Hoffentlich war der Sturm bald vorüber, betete Leda zu den Göttern der Meere. Doch bisher hatte sie niemand erhört.

Am liebsten wäre sie jetzt in den starken Armen von Sigurd. Und gleichzeitig machte sich ein schlechtes Gewissen bemerkbar. Wie konnte sie an Bord ihres Schiffes so frevelhaftes tun? Erstens hatte sie keinen Beweis für Abas Tod. Und zweitens sollte doch gerade tändelnde Unzucht vermieden werden. Aber es war so schön gewesen, und der Wille war zwar da, aber das Fleisch war schwach. Hoffentlich hatte niemand etwas bemerkt. Und hoffentlich hatte Sigurd mit seiner Eroberung nicht an Deck geprahlt.

Nein, das würde er nicht tun, war sich die Königin sicher, obwohl ihr ein wenig blümerant bei dem Gedanken war. Sie legte sich in ihre Koje und versuchte zu schlafen, aber der Sturm ließ sie von einer Seite auf die andere rollen. Und ihre Gedanken kreisten um die schönen süßen Momente mit Sigurd. In ihren Träumen schließlich wurde es noch leidenschaftlicher und ließ sie alle Bedenken wegen Abas über Bord werfen.

Am nächsten Morgen wachte Leda gemach aus einem tiefen Schlaf auf. Irgendwann war sie wohl trotz des Knarrens und Rauschens, Rollens und Erzitterns des Rumpfs eingeschlafen. Das Schiff lag nun völlig ruhig. Sie wusch sich und zog sich frische Kleidung an, dann stieg sie an Deck. Das Unwetter hatte zahlreiche Segel, Spieren und einen Teil der Takelage zerstört, aber einige Männer waren bereits unter Anleitung des Zimmermanns dabei, alles zu reparieren.

Leda sah auf die spiegelglatte See. Hoffentlich folgte nun nach dem Gewitter keine Flaute. Ewig würde das Trinkwasser nicht reichen. Honos kam mit einer Sorgenmiene zu ihr aufs Achterdeck und berichtete: „Majestät, ich habe leider zwei Vermisste zu vermelden.“ Leda erschrak. Sie wusste, was „vermisst“ hieße. Honos setzte seine Ausführungen fort: „Fünf Soldaten haben leichte Verletzungen abbekommen, aber der Medikus kümmert sich bereits um sie. Doch zwei Männer werden vermisst.“ Leda sah ihn fragend an. „Wer?“ Honos: „Nun, einer der Knechte und einer Eurer Berater.“ Leda starrte ihren Majordomus an. „Sagt schon, wer es ist!“ Honos schluckte schwer. „Es ist Sigurd, Majestät. Es tut mir leid.“

Leda spürte, wie diese Nachricht glühend heiß wie ein frisch geschmiedetes Schwert durch ihren Körper fuhr. Sigurd… tot… Dann wurde es schwarz um sie. Dumpf hörte sie noch Honos Stimme: „Schnell, holt den Medikus!“ Er hatte die Königin aufgefangen, bevor sie auf die Planken geknallt wäre. Später in ihrer Kajüte liefen Leda Tränen über ihr hübsches Gesicht. Der Strom wollte kein Ende nehmen. Warum Sigurd? Warum ausgerechnet er? Wie konnte er nur in den Fluten versinken? Wie konnten die Schicksalsweber so grausam sein?

Als der erste Schock überwunden war, runzelte sie ihre Stirn: „Sigurd? Aber die Berater waren doch während des Sturms nicht an Deck. Wieso ist er über Bord gefallen? Was hat er da oben gemacht?“ Sie murmelte noch eine Weile weiter und grübelte darüber nach, aber ihr fiel keine Erklärung ein.

An Deck sprachen der Schmied Tartaros und Honos miteinander. „Wenn Leda nun auf die Idee kommt, uns auch noch in Keuschheitsgürtel zu sperren, werde ich meutern“, meinte der Schmied grinsend und in scherzendem Tonfall. Doch Honos war sich nicht sicher, ob nicht ein Funke Ernsthaftigkeit darin lag. Aber vorläufig waren alle Keuschheitsgürtel in Gebrauch. Der vermisste Knecht hatte seinen „Lendenkerker“ ja mitgenommen zu den Fischen.

Weit entfernt auf dem Land in einem dunklen Kerker schepperte die Gittertür: Vidar wurde des Nachts aus der Zelle geholt und sah mit einem seltsamen Blick zurück zu seinem Gefährten. Die Wächterin gab ihm ein Bündel mit neuer Kleidung. Dann verschwanden sie. Einige Minuten später kam die Frau zurück und stellte sich breitbeinig vor das Gitter. Sie grinste Abas schmierig an: „Dein Freund hat seine Freiheit zurück. Du wirst ihn nicht wieder sehen.“ Abas sah die Wachfrau an. Was hatte das zu bedeuten? Wieso war Vidar frei? Der Königsgemahl erinnerte sich noch an die Nacht, die er in der kleinen Kammer mit dieser Wächterin erlebt hatte. Diese Hexe hatte es geschafft, ihm seine letzte Würde zu nehmen.

Sein Keuschheitsgürtel war geschlossen geblieben. Stattdessen hatte die Frau ihn aufgefordert… Nein! Er konnte nicht daran denken! Er musste vor ihr knien und ihre verschwitzte Weiblichkeit mit der Zunge verwöhnen. Welche Schmach für den Gatten einer Königin! Lachend hatte sie ihn zurück in den Kerker gebracht. Sollte er irgendwie an ihren Dolch kommen, so würde er ihr nächstes Mal die Kehle durchschneiden, egal, was er dafür bezahlen musste! Doch die Frau schien ihr Interesse an ihm verloren zu haben. Sie grinste nur im Schein der flackernden Fackel, in dem ihre Blatternarben auf der Wange zu sehen waren. „Gute Nacht, mein Kleiner. Du wirst mir viele Goldmünzen einbringen.“ Dann ging sie. Wäre sie nicht so männerverachtend, sie wäre trotz ihrer Narben eine hübsche Frau. Abas rätselte noch eine Weile über ihre orakelhaften Worte, doch dann nickte er auf seinem stinkenden Strohbett in der Dunkelheit des nassen Gewölbes wieder ein. In seinen Träumen hielt er seine Leda in den Armen. Sie liebten sich in einem goldbeschlagenen Bett, während draußen die Sonne durch den weißen Seiden-Vorhang schien und ein frischer Luftzug wehte.

Die Wachfrau eilte derweil die Treppen der Festung hinauf und verlangte zu einer Senatorin vorgelassen zu werden. Eine Centuria verschränkte die Arme vor der Brust und antwortete barsch: „Was glaubst du, wer du bist!?“ Die Frau grinste sie frech an. „Ich bin eine einfache Wächterin des herrschaftlichen Kerkers. Aber ich habe eine wichtige Neuigkeit für Pluta. Wenn du mich nicht vorlässt, wird dich das deinen Kopf kosten.“

Die Centuria wurde unsicher. „Ach ja? Und was ist das gar so Wichtiges? Sprich!“ Die Wächterin schüttelte den Kopf. „Diese Nachricht ist nur für die Ohren der Senatorinnen oder der Herrscherin bestimmt.“ Die Centuria schnaubte wütend. „Sollte deine treffliche Nachricht nicht unabdingbar genug sein… glaube mir, dann rollt DEIN Kopf!“

Sie marschierte in einen Raum und meldete die Wächterin einer Duxa namens Helena. Hier wiederholte sich der Vorgang. Auch die Duxa wollte wissen, was für ein Begehr es sei, das die Wächterin so sicher machte, doch selbst vor der hohen Militärangehörigen blieb die Wächterin verschwiegen und selbstsicher. Sie wusste, was für ein Risiko sie einging. Sollten die Senatorinnen die Nachricht für nicht kostbar genug halten, würde sie die Störung sie auf direktem Wege an den Galgen oder Richtblock bringen. Ihr unverschämtes Auftreten brachte sie wahrlich in Lebensgefahr.

Als sie endlich in eine Halle gebracht wurde, die ansonsten nur exklusiven Gästen des Palastes und ausgewählten Adelsangehörigen vorenthalten war, hatte sie das Gefühl, gewonnen zu haben. Und in der Tat: Bald schon standen sogar beide Senatorinnen vor ihr und sahen sie erwartungsvoll an. Die Wächterin verbeugte sich lächelnd und sagte: „Euer Hochwürden, ich habe die große Ehre, den Königsgemahl der Leda zu präsentieren. Er befindet sich im herrschaftlichen Palast. Und zwar... in meiner Zelle.“

Kerbera und Alekto sahen sich zweifelnd an. Hatte diese Frau in den dunklen Gemäuern des Kerkers ihren Verstand verloren? Kerbera fragte, fast belustigt: „Wie kommst du darauf?“ Die Wächterin zog einen Gegenstand aus ihrem Gambeson und reichte ihr mit einer weiteren höflichen Verneigung den kleinen Schlüssel. „Was ist das?“, wollte Alekto wissen, obwohl sie es ahnte. „Ist es etwa ein…“ Sie hatte noch böse Erinnerungen an ihre Zeit, in der sie selbst in einen Keuschheitsgürtel gesperrt worden war. „Ja, Euer Hochwürden! Es ist der Schlüssel zu einem Keuschheitsgürtel. Aber nicht zu irgendeinem. Es ist der Schlüssel zum Gemächt des Abas, dem Königsgemahl der Leda!“
88. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 15.04.20 19:29

Kerbera besah sich den kleinen metallenen Gegenstand von allen Seiten und schnaubte abfällig. „Na, und? Ein Schlüssel für einen Keuschheitsgürtel! Was ist daran besonderes? Wie kommst du darauf, dass ausgerechnet Ledas Gatte ihn trägt?“ Die Wächterin deutete auf ein kleines eingraviertes Symbol: das königliche Wappen der Leda. Die Senatorinnen sahen sich an. Alekto fragte lauernd: „Und der Träger dieses Gürtels ist hier im Kerker?“ Die Wächterin verneigte sich erneut servil: „Sehr wohl, Euer Hochwürden. Ich führe Euch hin.“

Die Senatorinnen bekamen vor Aufregung Gänsehaut. Ihr Puls beschleunigte sich. Sollte das wahr sein… Pluta würde sie reich belohnen. Auch die Wachfrau konnte ihre Freude kaum verbergen. Ich bin reich, dachte sie und sah in Gedanken bereits die vielen Golddublonen, die ihr gehören würden. Dann würde sie sich eine Hazienda im Osten kaufen und einige Arbeitssklaven dazu. Sie hatte ausgedient. Sie war eine gemachte Dame. Aus einfachen Verhältnissen hatte sie sich hochgearbeitet, würde als Edelfräulein ihr zukünftiges Leben bestreiten und den Luxus genießen.

Für Lykos wurde ein Albtraum wahr: Der neue Sklave namens Bran trug zwar einen Keuschheitsgürtel, doch Venus hielt sich auffällig oft in seiner Nähe auf und schickte dafür Lykos aus dem Haus, um Wasser vom Brunnen zu holen oder den Kräutergarten zu pflegen, Holz für den Ofen zu hacken und vieles mehr. Lykos und sein Nebenbuhler schliefen getrennt, so dass der Ex-Soldat nicht bemerkte, wenn der Jüngling zu Venus ins Schlafgemach gewunken wurde. In den vergangenen Nächten hatte Lykos gehorcht und Liebesgeräusche gehört, die aus Venus Kammer kamen. Feurige Eifersucht hatte in seinem Herzen gebrannt.

Und am nächsten Morgen wurde alles noch schlimmer: Dione verkündete die Verlobung zwischen Bran und ihrer Tochter. Feierlich nahm sie dem Auserwählten den Keuschheitsgürtel ab. Lykos konnte es nicht fassen. Er stand wie zur Salzsäure erstarrt da und schüttelte langsam den Kopf. Nach so kurzer Zeit verlobte sich Venus einfach mit einem Fremden! Und Sklaven dazu! „Und wenn man glaubt, es geht nicht mehr…
…kommt von irgendwo ein Tritt daher“: Dione verkündete, dass ab sofort Lykos den Keuschheitsgürtel tragen müsse. Außerdem „ist er immer noch nicht gekennzeichnet. Worauf willst du noch warten, Venus? Auf das Jüngste Gericht?“, fragte sie vorwurfsvoll.
Venus entschuldigte sich bei ihrer Mutter und versprach das Brandmal noch heute Abend anzubringen.

Lykos hockte zusammengesunken auf seiner kargen Schlafstelle und harrte der Dinge. Nun trug er einen Keuschheitsgürtel und würde als Sklave gebrandmarkt werden! In was für eine Hölle hatte er sich da von Abas nur bringen lassen. Alles, um den Schlüssel zu seinem Schloss zu finden. Und jetzt war er selbst dafür in so einer eisernen Hose. Ängstlich horchte Lykos auf jedes Geräusch. Bald würden sie mit dem glühenden Stab kommen… Noch hörte er lustige Stimmen: Dione, Venus und Bran begossen offenbar ihre Verlobung. Auch fremde Stimmen nahm Lykos wahr. Vielleicht würden sie ihn ja vergessen…

Doch zwei Stunden später wurde die bange Sorge zur Wirklichkeit. Die Tür sprang lautstark auf, und Venus und ihr Verlobter polterten in den Raum. Sie konnten kaum noch gerade gehen, alberten herum und… Venus trug einen Stempelstab vor sich. Es bildete am glühenden Ende ein verschlungenes „V“. „Komm her, Lykos! Deine Zeit ist gekommen!“, lallte sie mit vom Wein schwerer Zunge und kicherte. Dabei schwang das Brandeisen durch die Luft. „Vorsicht, du verletzt dich noch, Liebes“, warnte Bran und stützte sie. „Auf alle Viere, Sklave“, forderte Venus und grinste ihn frech an.

Der Exsoldat gehorchte. Was blieb ihm übrig? Weglaufen kam hier mitten in einem Reich von Männer unterdrückenden Frauen nicht in Frage. Er ließ sich also mit entblößtem Gesäß auf alle Viere hinab und wartete mit zusammengebissenen Zähnen auf das beißende Eisen. Vor Angst zitterten seine nackten Hinterbacken.

Lange musste er nicht warten, doch kam ihm jeder Wimperschlag vor wie eine Ewigkeit. Und dann zischte es laut und roch nach Verbranntem. Lykos hatte sich fest vorgenommen, keinen Laut über seine Lippen zu lassen, aber er schrie los. Und auch noch sehr hell und hoch wie ein Weib. Er bockte wie ein Stier nach vorne. Venus lachte lauthals. „Du Held!“, verspottete sie ihn. „War das richtig, oder soll ich noch mal?“, fragte sie ihren Verlobten schmunzelnd und kicherte. Bran meinte: „Ich glaube, für heute hat dein Sklave genug.“

Lykos lag auf dem Bauch und robbte sich zu einem kleinen Zuber mit Wasser. Schnell setzte er sich hinein, so dass ein Teil des Wassers überschwappte. Wieder zischte es, jedoch nicht so stark wie beim ersten Mal. Und wieder lachten sie ihn aus. „Komm, Bran“, meinte Venus und sah über ihre Schulter zurück auf Lykos. „Jetzt bist du dran. Ich möchte dich in mir spüren…“

Lykos saß noch lange da in seinem Kübel. Venus hatte ihn benutzt und dann weggeworfen. Als die Schmerzen auf seinem Hintern langsam nachließen, merkte er, wie stark sein Luststab nach der verlorenen Freiheit gierte. War er etwa immer noch voller Verlangen nach dieser Hexe? Er grübelte und grübelte. Oh, ihr Götter! Welche Sünden habe ich begangen, dass ihr mich so straft: auf dem Arsch ein brennendes Mal, im Schritt eine eingeschlossene Männlichkeit!

Abas war an ein Kreuz gebunden worden und stand dort splitternackt bis auf seinen Keuschheitsgürtel schon seit über einer Stunde. Dann erschienen die Senatorinnen und Pluta, die Herrscherin aus dem Osten. Die Tyrannin trug eine edle Robe aus rubinroter Seide mit einem Rosenmuster aus dunklem Samt und einer umständlichen Stickerei aus Goldfaden. Ihr Haupt schmückte ein Diadem aus Rubinen, Saphiren und Diamanten. Alle Finger ihrer Hände trugen dicke Ringe mit Edelsteinen. Um ihren Hals hatte sie ein weiteres kostbares Geschmeide gelegt. „Abas, der Königsgemahl“, sagte Pluta. „So schnell sieht man sich wieder.“

Abas starrte die Tyrannin an. Sie kam ihm bekannt vor. Wo hatte er diese Megäre schon gesehen? Und dann fiel es ihm schlagartig ein: Megara! Das war Megara! Er spürte, wie sich ein dicker Kloß in seinem Hals bildete. Mit heiserer Stimme sprach er es aus: „Megara!“ Die Tyrannin lachte lauthals, dass es in dem Gewölbe widerhallte. Kerbera und Alekto sahen erstaunt zu ihrer Herrin. Pluta grinste und rief: „Ja, ihr habt richtig vernommen. ICH bin MEGARA! Ich bin verjagt worden und komme nun, um mir mein Reich zurückzuholen.“ Megara schaute triumphierend in die Runde. „So war es immer für mich vorbestimmt. - Kerbera, geh und verkünde die Neuigkeit. Megara ist zurück!“

Die Senatorin verneigte sich untertänig und verließ das Gewölbe. Megara schnippte mit den Fingern. Dabei rasselten ihre zahlreichen goldenen Armreifen an ihrem Handgelenk. Eine Palastwache erschien aus der Dunkelheit und schnallte Abas eine Schlinge eines Ledergurtes um sein Gemächt und zog das andere Ende senkrecht nach unten, dass der entmachtete Königsgemahl aufstöhnte. Am Boden zog die Wache den Gurt durch einen Eisenring und zurrte ihn noch ein wenig fester. Abas grunzte vor Schmerz auf. Megaras grausamen Gesichtszüge verzerrten sich zu einem fratzenhaften Grinsen. „Da ich Leda nicht habhaft werden kann, wirst du für sie leiden und büßen müssen.“ Abas sah schockiert an dem Gurt hinab. Dann hob er den Kopf wieder, um die Tyrannin anzublicken. Der Triumph war ihr ins Antlitz geschrieben.

Auch Alekto schien Genugtuung zu empfinden. Mehrere Jahre hatte sie dank Leda in einem Keuschheitsgürtel verbracht. Das wollte sie an Abas zurückzahlen. Megara kam nun ganz nah an Abas heran und wisperte: „Solange Leda dich nicht auslöst, wirst du ihre Schandtaten tilgen – Stück für Stück für Stück!“ Schallend lachte sie und stolzierte aus dem Gewölbe. Alekto griff nahm einem Kandelaber und hielt die Kerzenflamme dicht vor Abas Gesicht. „Wie ich sehe, ist dein kleiner König eingesperrt. Soll ich ihm ein wenig einheizen, damit ihm warm ums Herz wird?“ Abas sah die Senatorin irritiert an. Dann senkte Alekto langsam den Kandelaber und drehte ihr Handgelenk. Das heiße flüssige Wachs ergoss sich über den Keuschheitsgürtel und fand in das Innere seinen Weg. Abas grunzte auf, als sein „kleiner König“ mit dem heißen Mantel bedeckt wurde. Alekto lachte hämisch. „Das ist erst der Anfang!“ Dann stellte sie den Kerzenständer weg und verließ den Raum.

Leda machte sich langsam Sorgen. Die spiegelglatte See ließ die Segel schlapp an ihren Rahen hängen wie nasse Säcke. Kein Windhauch war zu verspüren. Nach dem Sturm bot ihnen das Wetter auf dem Westozean nun das genaue Gegenteil. Das Trinkwasser musste rationiert werden. Leda spazierte auf dem Achterdeck hin und her. Plötzlich hörte sie Honos Stimme direkt neben sich: „Majestät, die Männer werden unruhig. Kaum jemand glaubt noch an den sagenhaften Westkontinent jenseits des Ozeans. Vielleicht stürzen wir einfach in den Höllenschlund…“ Leda unterbrach ihren Majordomus barsch: „Still! Ich will das nicht hören. Wir werden Land finden. Da bin ich mir ganz sicher.“

Im Laufe der nächsten Tage hatte der Wind wieder etwas aufgefrischt. Allerdings ging das Trinkwasser langsam zu neige. Leda bestand darauf, dass alle Personen die gleiche Ration erhielten – sie eingeschlossen. Ihre Berater Thrym, Regin, Hagbard und Gunnar hatten protestiert, jedoch ohne Erfolg. - Als Regin dann des nachts von drei wachhabenden Soldaten dabei erwischt wurde, wie er aus dem Wasserfass trank, ließ Leda ihn unter Deck in ein Eisen schließen. Regins Handgelenke waren in der Nähe seiner Fußgelenke mit Schellen an eine schwere Eisenstange fixiert. So gekrümmt musste er im dunklen Bug des Schiffes für sein Vergehen büßen.

War das der erste Versuch einer Meuterei, fragte sich Leda grübelnd. Mit der Zeit wurde die Stimmung unter der Besatzung immer trüber und angespannter. Vor allem die erzwungene Keuschheit machte den Männern zu schaffen. Schon zigmal hatten Thrym und Hagbard entsprechende Andeutungen gemacht, aber Leda war hart geblieben.
Allerdings hatte sie auch Grund dazu, die Frauen an Bord zu maßregeln, denn diese schienen den Ernst der Lage nicht zu verstehen und spielten mit ihren weiblichen Reizen, um die Männer zu necken.

Als die Sonne erneut über dem Wasser aufging ließ sich Leda von dem Medikus überreden, ihn aus dem Keuschheitsgürtel zu befreien. „Aus rein medizinischen Gründen“, garantierte der Knochenflicker. Nun war ein Keuschheitsgürtel übrig, und Leda überlegte, ob sie Tartaros oder Honos das Exemplar anlegen sollte. Die Beiden hatten sich noch keiner Unzucht schuldig gemacht… Oder hatte sie es nur nicht bemerkt?
Honos war dem weiblichen Geschlecht durchaus zugetan, wie sie bei vielen Gelegenheiten beobachten konnte. Und vor allem schien er den Reizen der Königin – ihr selbst – verfallen zu sein. Aber vielleicht bildete sie es sich auch nur ein. Auch ihre Berater Gunnar, Hagbard und Thrym hatten ihr an Bord bereits Avancen gemacht – selbstverständlich äußerst diskret und der gehörigen Distanz, denn schließlich war sie immer noch ihre Königin! Oder? Leda seufzte. Pluta hatte ihr Leben zerstört. Sie hatte ihr Abas genommen und schließlich auch ihr Reich.

Sie grübelte an Deck vor sich hin. Worauf würde sie im Westen stoßen? Gab es überhaupt ein Land dort? Gab es dort Wilde? Oder lebten dort Menschen in einem Königreich? Waren sie den Besuchern wohl gesonnen oder eher feindlich eingestellt? Was sie dort auch erwarten würde, sie musste die Reise fortsetzen und dem Schicksal vertrauen.
Am Abend bestellte Leda ihren Majordomus in die Kabine und zeigte ihm den überzähligen Keuschheitsgürtel. „Den wirst du nun anlegen. Bitte habe Verständnis, aber die anderen reden schon. Wir können uns an Bord der Victory Quest keine hitzigen Neidereien leisten.“ Grimmig ließ sich Honos einschließen und übergab Leda den Schlüssel. Mit blasierter Miene zog er von dannen. Leda zuckte mit den Achseln. Jetzt waren alle Männer bis auf den Medikus und Tartaros verschlossen. Und der Schmied hatte noch nie einem Weibe auch nur nachgeschaut. Er schien immun zu sein gegen feminine Reize.

Aber Leda selbst spürte immer öfter, wie sie der Lust verfiel. Insgeheim in ihrer Kapitänskajüte zog sie sich mittlerweile fast jeden Nachmittag zurück und schwebte in Liebesfantasien, befriedigte sich und zuckte begehrend auf. Mehrmals schon hatte sie sich dabei erwischt, wie sie an Deck den Männern mit freien glänzenden Oberkörpern bei der Arbeit zusah, sei es beim Deckschrubben, Segel setzen oder sonstigen Aufgaben. Ja, und sie wünschte sich sogar, des Nachts einen der strammen Soldaten mit in ihre Kabine zu nehmen. Besonders die neun Gardisten waren durchtrainierte Augenweiden. Sie entkleidete ihn in ihrer Fantasie und warf ihn aufs Bett, und schließlich erkundete der forsche Recke ihren königlichen Leib...

Aber einen einfachen Mann aus dem Volk… Nein, sie war immer noch Königin! Vielleicht einen der Berater? Thrym? Sie musste kichern, denn ihn konnte sie sich beim besten Willen nicht unter ihrer Decke vorstellen. Eventuell Hagbard oder Gunnar… Doch sie hatte schon einen Fehler begangen: Sigurd. Ach, der arme Sigurd. Wie war nur dieses Unglück geschehen? Eine mächtige Welle musste ihn von Bord gespült haben. Und bei dem peitschenden Wind und den knallenden Brechern waren seine Hilfeschreie nicht gehört worden…

Leda schüttelte kräftig ihren Kopf, um die düsteren Gedanken zu verscheuchen. Und nun ergab sie sich ihrem unbändigen Verlangen. Der Geist war willig, doch das Fleisch war schwach... Heute Nacht würde sie sich einen Liebhaber in ihre Koje holen! Schließlich war sie der Kapitän! Ja, sogar die Königin! Sie hatte auf jeden Mann ein Recht! Und sie würde wohl Gunnar wählen. Er ist noch jung und schlank und hat ein hübsches aber männliches Antlitz, überlegte Leda. Und für einen Berater ist er recht kräftig und geschickt im Umgang mit seinem Schwert. Leda musste erneut kichern. „Schwert“, gackerte sie albern. „Und ob er mit diesem Schwert geschickt und sinnlich fechten kann, wird sich zeigen…“

In der Hauptstadt erließ Megara mehrere folgenschwere Verdikte: So hieß der gesamte Kontinent unter ihrer Herrschaft ab heute Megaria. Sie selbst bestand auf den Namen Megara. Pluta war Vergangenheit. Des Weiteren bestimmte sie mehrere Hofdamen und hohe Soldatinnen zu Ministerinnen, Stadthalterinnen und berief weitere hohe Posten wie zum Beispiel Richterinnen.

Ein wichtiges Verdikt für Männer war: Ab sofort war es ihnen verboten, eine Dame ungefragt anzuschauen. Dies galt nicht nur für Sklaven. Auch die wenigen „freien“ Männer hatten ihren Blick zu senken. Megara erweiterte das Gesetzbuch mit zahlreichen Vergehen und Verbrechen - die meisten davon konnten nur Männer begehen. Auf viele Gesetzesübertretungen standen Prügelstrafen, auf einige Kerkerhaft, auf andere der Tod. Es gab auch viele Varianten der „Kennzeichnung“, die Sklaven über sich ergehen lassen mussten. Besitzerinnen nutzten meist ein Brandzeichen mit ihren Initialen oder dem Familienwappen. Sklaven, die sich strafbar gemacht hatten (Befehlsverweigerung, Faulheit, Diebstahl, Respektlosigkeit, Sturheit, Flucht und vieles mehr) wurden auch deutlich sichtbar gezeichnet.

So gab es die „Narrenkappe“, die der Delinquent über längere Zeit tragen musste: ein stählerner Käfig, in dem der Kopf steckte. Zur Seite waren ein Dutzend Glöckchen angebracht. Diese Strafhelme gab es in vielen Varianten. Einige waren fast komplett verschlossen, so dass der Sklave darin schmorte und schwitzte. Nahrung und Wasser konnte dann nur über eine Öffnung über dem Kopf eingeführt werden. Andere Helme hatten spitze Stacheln oder eine permanente Beißstange.

Verheirateten Damen war es offiziell untersagt, mit einem fremden Sklaven intim zu werden, doch wurde dieses Gesetz oft übertreten. Kam so eine Verfehlung ausnahmsweise ans Licht, so erhielt der Prügelsklave der Frau bei Sonnenaufgang zwei Dutzend Hiebe mit dem Rohrstock im Pranger und musste anschließend bis Sonnenuntergang in dem Block stehen – den Schmähungen und körperlichen Übergriffen der Bevölkerung ausgesetzt.

Der Sklave, der angeklagt war, mit einer fremden Dame das Bett geteilt zu haben, wurde bloßgestellt, indem er verpflichtet war, für drei Monate sein Geschlecht unbedeckt zu lassen. Doch meist bestrafte auch die Besitzerin des Sklaven ihren ungehörigen Leibeigenen mit der Peitsche oder legte ihm einen permanenten Keuschheitsgürtel an.

Hatte die eigene Herrin mit ihrem Eigentum angebändelt, so blieb dem Sklaven eine zusätzliche Prügelstrafe zwar erspart. Doch es kam für ihn dann noch viel schlimmer, denn als offizielles Zeichen, zukünftig nur ihrem Ehemann zugetan zu sein, entschieden sich viele Frauen für eine „Behandlung“ des Sklaven, die weitere Intimitäten unmöglich machten. Wenige Damen waren hier so gütig und wählten stattdessen den lebenslangen Keuschheitsgürtel für ihren Sklaven. Der Leidtragende wurde eingesperrt, und der Schlüssel wurde unter Aufsicht einer Stadtwächterin eingeschmolzen. Die Mehrheit dagegen bevorzugte die Zange. Welche Methode die humanere war – darüber stritten sich die Ladys in den feinen Cafés bei Kaffee und süßem Kuchen.
89. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 25.04.20 16:54

Megara genoss die Rückkehr in „ihren“ Palast. Leider hatte Leda vieles geändert. Nicht nur die prunkvolle Einrichtung, auch Folterzellen und den Haremstrakt vermisste sie. Aber das ließe sich ja alles wieder erneuern. Nach einem opulenten Mahl schlenderte die Despotin die Treppen hinab in den Kerker. An jeder Tür, durch die sie schritt, hatten zwei Wächterinnen in Uniform die Holzflügel zackig geöffnet und salutierten militärisch korrekt vor ihrer Herrscherin. Schließlich kam die Königin in den Zellenblock, in dem Abas untergebracht war. Für ihn hatte sie sich etwas ganz besonderes einfallen lassen. Er war breitbeinig auf einer Liege mit schrägem Rückenteil fixiert. Splitternackt. Sogar der Keuschheitsgürtel war von einer Schmiedin entfernt worden. Außerdem hatte die Frau den königlichen Gefangenen rasiert – komplett von oben bis unten.

Die Zwangsrasur war für Abas größere Pein, als wäre die Foltermeisterin gekommen und hätte ihn mit glühenden Zangen gezwickt. Die Qual bestand in erster Linie aus der tiefen Scham. Der Haarverlust war für Abas eine grausame Erniedrigung – und das sollte es wohl auch sein. Und nun stand er der Tyrannin gegenüber.

„Megara, so sehen wir uns wieder. Das wird dir gefallen…“, sprach Abas mit angewidertem Tonfall. Die Despotin stellte sich neben die Liege und lachte höhnisch. „Ja, das gefällt mir. Und weißt du, was mir auch gefallen wird?“ Sie griff Abas in den Schritt und nahm sein Geschlecht in die Hände. Sie sorgte dafür, dass der Königsgemahl gegen seinen Willen groß und hart wurde. „Hört auf! Sofort!“, forderte Abas entsetzt und schnappte empört nach Luft. Aber Megara verstärkte nur ihre Mühe, den Gefangenen zu erregen und lachte ihn für seine Geilheit und Hilflosigkeit aus.

Abas presste die Lippen zusammen und verkrampfte den ganzen Leib, zerrte mit aller Kraft an den Fesseln, aber sie hielten ihn sicher an Ort und Stelle auf der harten Unterlage. Es machte ihn rasend vor Wut, dass Megara über ihn die absolute Kontrolle hatte. Abas spürte, wie seine Männlichkeit kurz davor war, ihren Samen von sich zu geben. „NEIN!“, schrie er, aber sein Widerwille nützte ihm nichts. Der Geist war willig, doch sein Fleisch war schwach: In hohem Bogen schoss es aus ihm heraus.

Megara lachte triumphierend und wischte ihre Hand in seinem Gesicht ab. „Heute hast du noch verbieten wollen, dass ich dich anfasse. Aber warte nur, bis ich in ein paar Tagen erneut zu dir komme und dir die Gnade erweise, dich zu erleichtern…“ Abas spuckte aus. „Niemals!“ Schallend lachend verließ die Tyrannin den Königsgemahl und ließ ihn beschmutzt mit seinem Samen zurück.

Lykos polierte gerade das Silberbesteck der reichen Kaufmannsfamilie, bei der er als Sklave arbeitete, da sah er Venus und ihren Verlobten Bran mit der Kutsche vorfahren. Neidvoll blickte er dem jungen Paar entgegen. Er steckte mittlerweile seit über einer Woche in seinem Keuschheitsgürtel, und Venus oder Dione machten keinerlei Anstalten, ihn zu erlösen. Warum waren diese Weibsbilder nur so grausam? Warum quälten sie ihn? Er war doch ein gehorsamer Sklave geworden. Lykos musste sich allerdings zugestehen, dass er jede Chance zu einer Flucht aus dieser Unterjochung nutzen würde. Aber mitten in Megaria? Da gab es keine Gelegenheit, die Erfolg versprach. Wohin sollte er auch flüchten? Der gesamte Kontinent war besetzt von dieser furchtbaren Gewaltherrscherin Megara.

„Lykos! Putz Brans Stiefel! Und anschließend bringst du uns heißen Kakao. Beeile dich. Wir sind in der Schlafkammer“, wies ihn Venus an. Er sah die Beiden vergnügt in der Kammer verschwinden. Oh, wie er diesen Nebenbuhler hasste! „Lykos! Hast du endlich genug Wasser für meinen Badezuber gebracht?“, rief Dione von irgendwo. Der Haussklave seufzte. Diese Furien brachten ihn noch um den Verstand! Er rief zurück: „Aber Herrin, ich sollte doch das Silber polieren…“ Dione erschien plötzlich im Wohnraum: „Was sagst du da, du Frechdachs? Du kümmerst dich jetzt als Erstes um mein Bad. Wage es nicht, mich noch länger warten zu lassen, du faules Etwas. Wenn du weiterhin so träge tust, werde ich dir wohl einen salzigen Einlauf verpassen müssen. Vielleicht sorgt die innere Reinigung für mehr Beweglichkeit.“

Lykos eilte zum Brunnen. Schnell genug Wasser in den großen Kessel schütten, das Feuer anzünden und für ein heißes Bad sorgen! Anschließend konnte er den Kakao servieren. Die Stiefel hatten noch Zeit. Zu gern hätte er auch einmal diesen exotischen Trunk zu sich genommen, der aus dem Ostkontinent stammte, doch das war ihm als niederer Sklave natürlich streng verboten.

Er erinnerte sich sehr gut an den Vorfall vor drei Tagen, als er ein altes Eckchen Brot stibitzt hatte. Bran hatte es beobachtet und ihn prompt verpfiffen. Vermutlich aus reiner Boshaftigkeit. Dione hatte ihn daraufhin gefragt, ob er Hunger habe. Lykos hatte es naiv bejaht. So „durfte“ er anschließend mehrere scharfe Schoten essen, die ein Höllenfeuer in seinem Schlund erweckten, das noch Stunden lang anhielt. Dione hatte streng aber unerbittlich zugesehen, wie Lykos die Tränen in die Augen schossen, wie er schwitzte und hechelte… Venus und Bran hatten sich köstlich amüsiert. Oder gestern, als Bran ihn in den Brennnesselbusch gestoßen hatte, weil er angeblich im Weg stand. Auch das hatte Venus sehr lustig gefunden, und dieser Parvenü von Exsklave hatte sich in Venus Anerkennung gesonnt.

Was wohl aus Abas geworden war? Hatte er einen Weg in die Festung gefunden? Und hatte er den Schlüssel zu seinem Keuschheitsgürtel ebenfalls entdeckt? Lykos bezweifelte so viel Glück. Hatte das Schicksalsbuch für ihn gar ein besseres Kapitel als für den Königsgemahl geschrieben? Lykos stöhnte sehnend auf, als er seine eingesperrte Männlichkeit spürte, wie sie aufbegehrte, wie sie sich gegen die eiserne Hose stemmte. Dann lief er schnell mit einem Kübel zum Brunnen. Er musste sich sputen. Die Ladyschaft wartete ungern.

Ein Soldat – mittlerweile zum Steuermann ernannt – kam zu Leda und verbeugte sich respektvoll vor seiner Königin. „Hoheit! Wir müssen abdrehen. Im Westen scheint mir ein Mahlstrom zu sein, der alles in seinen Höllenschlund zieht. Die Strömung nimmt immer mehr zu und wirbelt seltsam in einer großen Kreisbewegung. Wir dürfen nicht noch näher kommen, sonst sind wir verloren.“ Leda ließ sich von seinen Berechnungen überzeugen. Sie zog sich mit ihren Beratern Thrym, Gunnar und Hagbard in der Kapitänskajüte zurück. Angestrengt versuchte sie sich auf das Problem zu konzentrieren und Augenkontakt mit Gunnar zu vermeiden. Oh, wäre ich gestern nur bloß nicht schwach geworden, dachte sie bei sich. Gunnar war ein wunderbarer Liebhaber gewesen, gewiss, aber es war Sünde…

Thrym brachte den Entschluss der Runde dem Steuermann. Er sollte sofort nach Süden ausweichen. Die Segel wurden entsprechend gesetzt. Leider mussten sie für den neuen Kurs kreuzen. Aber der Norden hatte ihnen Angst gemacht. Lieber in den heißen Süden, als zu den legendären gigantischen schwimmenden Eisbergen, die schon so manches Schiff auf den Grund des Ozeans gezwungen hatten. Und ganz zu schweigen von den geheimnisvollen weißen Pelzmonstern, die dort ihr Unwesen treiben sollten. So erzählte man sich zumindest.

Der Soldat am großen Steuerrad machte sich Sorgen. Vielleicht war es schon zu spät – besonders bei der ungünstigen Windrichtung. Die Victory Quest kam immer weiter in die tödlichen Fänge des gewaltigen Strudels! Einige Stunden später war klar: Die Ruder mussten zusätzlich bemannt werden, um dem Untergang zu entkommen.

Die Männer schufteten bis tief in die Nacht. Als Leda sich mit ihren Beratern für das Vorgehen am nächsten Tage besprechen wollte, wurde Gunnar vermisst. Leda ließ das gesamte Schiff absuchen, aber niemand hatte ihn gesehen. Sogar im Ausguckskorb und im tiefsten Schiffsinneren und hinter der Ladung sahen die Sucher nach – ohne Erfolg. Später, in ihrer Kabine, grübelte Leda darüber nach. Die zweite Person, die einfach so verschwand! Das konnte nicht mit rechten Dingen zugehen. Waren sie verflucht? Sie fiel in einen unruhigen Schlaf, in dem das Schiff sank und die gesamte Mannschaft in der Unterwelt von Dämonen gequält wurde.

Abas glaubte schon verdursten zu müssen, als endlich eine Wächterin kam und ihm aus einem Trinkbeutel Wasser gab. Es war einfach wundervoll! Das kühle Nass floss seine aufgedunsene trockene Kehle hinab. Doch was danach geschah, war wie aus einem Albtraum: Die Frau nestelte an Abas Geschlecht und machte seinen Liebesstab groß. „Lasst Eure Finger gefälligst bei Euch!“, sagte der Königsgemahl empört. „Was fällt Euch ein?“ Die Frau grinste ihn nur hochnäsig an und spielte weiter mit dem königlichen „Schwert“.

Bald schon vergaß Abas seine Gegenwehr und fühlte, wie seine Männlichkeit nach mehr gierte. Er verdrängte seine demütigende Situation und wollte nur noch eine Erlösung seines Triebes erleben. Als er gerade dachte, dass die Lust aus ihm hinausströmte, hörte das Weib auf und sah mit schräg gestelltem Kopf zu ihm hinab, wie eine Katze, die mit einer Maus spielte. „Was…“ Abas war verwirrt. Warum hatte sie aufgehört?

Nach einigen Augenblicken, in denen Abas der Kopf schwirrte, begann die Wächterin erneut mit ihrem Liebesspiel. Abas stöhnte leise auf. Und wieder war es bald soweit, dass er den Höhepunkt seiner Begierde erreichte…
…doch wieder stoppte die Frau in ihrer Bewegung. Sie tätschelte seinen Oberschenkel. „Das reicht wohl für heute.“ Ihre Stimme triefte vor Häme. Abas starrte die Frau entsetzt an. Was sollte das? Wollte sie ihn zum Narren halten? „Weib“, sagte er, „warum beendet ihr es nicht richtig?“ Die Wächterin grinste ihn frech an und näherte sich mit ihrem Gesicht dem seinen. „Weil Megara mich töten würde, sollte ich Euch…“ Weiter sprach sie nicht, aber Abas wusste, was sie meinte. Frustriert sah er auf sein hartes und großes Liebesschwert, das voller Hunger auf mehr zappelte und pochte. Er zerrte verzweifelt an seinen Fesseln. Die Wächterin ging wortlos aus der Zelle und ließ ihn und seine unerfüllte Lust zurück.

Abas rief ihr hinterher: „Aber Ihr könnt mich doch nicht einfach so liegen lassen…“ Doch er erhielt keine Antwort. Seine Stimme hatte sich inbrünstig und dringlich angehört. Langsam dämmerte ihm der Sinn von Megaras Worten. Er würde bald die verhasste Herrscherin anflehen, von ihr angefasst zu werden. Oh, welche Schmach! Nein! Das würde er nicht zulassen! Und wenn er innerlich ertrank in seinem Verlangen! Niemals würde Megara ihn berühren, weil er es so wollte! Niemals!

Während sich Megara in einem heißen Bad räkelte, das nach Limonengras und Vanille duftete, war auf dem weiten Westozean die Victory Quest immer noch in Gefahr, von dem monströsen Mahlstrom eingesaugt zu werden. Ein Teil der Mannschaft ruderte kräftig gegen die hinterhältige Strömung an. Im Schichtdienst mussten fast alle Männer täglich an die Riemen. Dicke Schwielen an den Händen und brennende Muskeln gehörten zur ständigen Begleitung der Seeleute.

Leda stand derweil auf dem Achterdeck und wurde von ihrem Majordomus Honos aufgesucht. „Majestät“, sagte er, „Ihr seht so verspannt aus. Darf ich Euch das Angebot machen, Eure Schultern ein wenig zu lockern?“ Leda sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Wie reizend von Euch, aber gestern Abend hat Gunnar mich bereits massiert.“ In Honos Augen blitzte es kurz auf. „Gunnar ist…. war… ein Lustmolch, Majestät. Wusstet Ihr das nicht?“ Leda sah Honos in die Augen. „So? Woher nehmt Ihr diese Kenntnis?“ Honos antwortete: „Ich habe selbst erlebt, wie er den Weibern an Bord nachgestellt hat. Gut, dass er verschlossen war! Sonst hätte es fürwahr Übergriffe gegeben.“ Leda brummte nur nichts sagend. Honos legte vorsichtig seine Hand an Ledas Arm. „Majestät, Ihr sollt wissen, dass ich immer für Euch da war und sein werde!“ Leda schob die Hand langsam von ihrem Arm. „Loyal bis in den Tod. Ich danke Euch, Honos. Aber nun geht und überprüft den Schichtwechsel der Männer.“

Am Abend fasste Leda einen Entschluss. Sie würde keinen Mann mehr heimlich öffnen und mit ihm die Nacht verbringen. Das war nicht nur sündig, es war auch hochgradig ungerecht den anderen Recken gegenüber. Doch mitten in der Nacht wachte Leda schweißgebadet auf. Sie hatte wieder – wenn auch nur im Traum – mit einem Mann geschlafen. Dieses Mal war es einer der Knechte gewesen, doch als sie kurz vor dem Höhepunkt gestanden hatte, hatte sie ihre Augen aufgeschlagen und in Honos Gesicht geschaut, das vor Geilheit zu einer Fratze verzerrt war. Schreiend und nass war sie aufgewacht. Ihr Herz klopfte wild in ihrer Brust. Nach einer Weile war die Königin erschöpft wieder in ihre Kissen gesunken.

In der Hauptstadt schwärte Megaras Matriarchat wie ein Pestgeschwür. Mehr und mehr Gesetze erließ die Tyrannin, die alle Männer noch stärker unterjochten. Auch die „Freien“ waren immer weniger sicher vor ihren Klauen. Fast war es besser, ein Sklave zu sein, denn der war wenigstens als Eigentum einer Dame geschützt vor Übergriffen; Freie dagegen waren mehr oder weniger vogelfrei. Aber wohin sollten die Männer flüchten? Auf dem Lande wurden sie genauso gejagt. In den Wäldern hielten sich einige wenige Burschen versteckt. Doch sie mussten ständig auf der Hut sein, keine Beute von Jägerinnen zu werden.

Die Mode aus dem Osten, Männer auszusetzen, um sie zu jagen, war nun auch hier in der südlichen Region bei der Hauptstadt wohlgelitten. Dabei fanden einige Glückliche ihre Freiheit bei den Vogelfreien und lebten in den Wäldern, doch andere wurden aufgespürt und konnten ihrem Schicksal nicht entkommen.

Für Ceres und Phoibe war der Tag ihrer Entlassung aus der Armee gekommen. Der Kriegszug war offiziell zu ende, und so wechselten zahlreiche Soldatinnen ihre Uniform gegen zivile Kleidung. Sie würden als Reservistinnen weiterhin zur Verfügung stehen, doch in naher Zukunft ihrem Privatleben frönen. Die beiden Damen wollten nach Osten zurückkehren, denn dort wartete ein großes Anwesen mit vielen Sklaven auf sie. Besonders freute sich Ceres auf Aphron, ihren ausgebildeten Liebesdiener. Auch Phoibe war auf ihren Sklaven Nereus gespannt. Schließlich war der Leibeigene seit Monaten in einem Keuschheitsgürtel verschlossen.

Bei dem Gedanken an seine ungezügelte Begierde bekam sie selbst so viel Lust, dass sie schnurstracks in eines der neuen Freudenhäuser eilte, die männliche Liebessklaven beherbergten. Dort wählte sie ein muskulöses, dunkelhäutiges Exemplar und wurde in eine kleine Kammer mit einem großen runden Bett geführt. Phoibe lebte ihre Lust ausgiebig mit dem jungen Mann aus und ließ sich anschließend von seinen Händen sanft massieren, bis sie genug hatte.

Der Sklave hatte auf ihren Wunsch keinen Samen vergossen, was ihm offensichtlich Schmerzen bereitete; aber Phoibe hatte der Gedanke an seine unerfüllte Lust angefeuert. Noch bevor der Schwarze sich selbst erleichtern konnte, kam eine Frau mit strengem Gesichtsausdruck in die Kammer und schloss dem Mann einen massiven Keuschheitsgürtel um die Lenden. Stöhnend sah er frustriert zu Phoibe, als wolle er sie anklagen. Doch seine Jammermiene amüsierte Phoibe nur. Sie zahlte ihre Münzen und bedankte sich bei der Betreiberin des Etablissements. Dann ging sie vergnügt ihrer Wege.

Leda erlebte sorgenvolle Tage auf See, denn noch immer konnte das Schiff nicht nach Westen abdrehen. Der gefährliche Mahlstrom schien unendlich groß zu sein. Also führte sie der erzwungene Kurs weiter nach Süden. Nach drei Tagen war der Strudel dann nur noch sehr schwach, und der Wind frischte aus nördlicher Richtung auf, so dass die Victory Quest nun auch ohne Ruder nach Süden segeln konnte.

Leider war der Westen immer noch versperrt, denn sobald sie einige Seemeilen in die ursprünglich erwünschte Richtung segelten, wurde die Saugströmung wieder stärker. „Also lasst uns weiter nach Süden vordringen. Vielleicht finden wir jenseits der großen Wüste ein sicheres und fruchtbares Land“, beschloss sie gemeinsam mit ihren Beratern Thrym und Hagbard. Die „Große Wüste“ war ein natürliches Bollwerk, das noch niemand durchdrungen hatte. Selbst die großen Expeditionen, die unter König Talos III. durchgeführt worden waren, mussten stets unter großen Verlusten zurückkehren und aufgeben oder blieben in den endlosen Sanddünen sogar verschollen.

Auch später, unter Megara, wurden „Freiwillige“ in die Wüste geschickt, doch auch diese hatten nicht mehr Erfolg gehabt. Doch die Victory Quest versuchte als erstes Schiff, die Südküste einfach entlang zu reisen, und so die Wüste zu umschiffen. Würde es ihnen gelingen? Leda bangte und hoffte. Die Tage vergingen einer nach dem anderen und wurden immer heißer und unerträglicher. Wenn nicht bald eine Süßwasserquelle gefunden wurde, würde es auch mit der Victory Quest ein schlimmes Ende nehmen. Doch dann kam ein Tag später die überraschende Auskunft vom Ausguck: „Wasser an Land in Sicht!“ Leda und ihre Berater glaubten zunächst an eine Halluzination, doch alle sahen die Flussmündung. Die Götter hatten ihre Gebete erhört!
90. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 23.05.20 20:08

Die Victory Quest wurde näher an die Küste gesteuert, und dann fiel der Anker rauschend durch die Wasseroberfläche. In etwa 100 Fuß Tiefe verhakte er sich im Sand und Fels. Einige Boote wurden abgefiert. Große leere Fässer brachten die Männer an Land. Leda persönlich war an Bord, um sich dieses Naturwunder näher anzusehen: Mitten zwischen trockenen Sanddünen strömte ein kleiner Fluss mit klarem sauberem Wasser und mündete im Westozean.

Mehrmals mussten die Boote zwischen Schiff und Küste hin und her pendeln, um genügend Süßwasser an Bord nehmen zu können. Leda war eine große Sorge genommen. Sie würden vorläufig über genügend Trinkwasser verfügen. Gepökeltes Fleisch und Trockenbrot war auch noch genug da. Außerdem ernährten sie sich seit einigen Tagen hauptsächlich von frischem Fisch, der sich hier zu riesigen Schwärmen tummelte und leicht zu fangen war. Der war um ein Vielfaches leckerer und bekömmlicher als das eingelegte Tonnenfleisch und das steinharte Brot.

Die Sonne versank bereits im Meer, da verspürte Leda ein Gefühl, von dem sie wusste, dass sie es nicht wahrhaben wollte. Aber je mehr sie versuchte, es zu verdrängen, desto stärker wurde es. Sie sehnte sich nach Sigurd. Oder sehnte sie sich mehr nach Gunnar? Sie wusste es nicht. Aber sie wollte einen Mann in ihrem Bett. Oh, ja, das Verlangen wurde von Minute zu Minute stärker und unbezwingbarer. Ein starker Recke, der ihr die Bettstatt wärmte und... Oh, ihre Fantasie ging mit ihr durch, als sie sich vorstellte, was der Mann zwischen den Laken so alles tat.

Doch wollte sie nicht einen Schlussstrich ziehen? Hatte sie es sich nicht geschworen? Der Gerechtigkeit wegen. Leda grübelte: „Und wenn ich jeden Mann mal befreie… Dann ist es ja nicht mehr ungerecht…“ Leda argwöhnte, dass sie sich da etwas vormachte… Ach, es ist doch nur ein wenig Liebe zwischen Mann und Frau, sagte sie sich. Sie ertappte sich in Gedanken dabei, wie sie schon dabei war, einen Liebhaber für heute Nacht auszuwählen.
Da gab es so viele knackige Burschen unter den Soldaten. Die Gardisten waren natürlich auch nicht zu verachten. Und die beiden Knechte waren mit ihren Locken so hübsch anzuschauen!
Sie würde sich einen Knecht ins Bett holen! Leda war plötzlich gewiss. Sie ging in die Kombüse, wo sich die Köchin, eine Magd und ein Knecht aufhielten. Der Knecht nahm gerade einige Fische aus. Leda rief ihn zu sich. Die Köchin sollte nicht mithören, was sie zu sagen hatte. „Komme heute gegen Mitternacht in meine Kabine. Du sollst es nicht bereuen. Aber das ist streng geheim!“ Der junge Bursche sah sie überrascht an. Was die Königin wohl von ihm wollte? Er verbeugte sich tief und antwortete: „Selbstverständlich, hohe Majestät. Es ist mir eine Ehre.“ Leda lächelte ihn großzügig an, klopfte ihm leutselig gegen die Schulter und drehte sich auf dem Absatz um.

Als der Mond hell am schwarzen Himmel leuchtete, schwankte das Schiff ruhig auf dem Wasser. Es klopfte leise und vorsichtig an der Kapitänskajüte. Leda öffnete in freudiger Erwartung und… sah einen Gardisten, der den Knecht am Schlafittchen hielt. „Majestät, dieser Lügenbold von Knecht schleicht hier herum und behauptet frech, Ihr habet ihn zu Euch befohlen!“ Leda hob ihr Kinn. „Er spricht die Wahrheit. Lasst ihn zu mir. Aber schwört mir strengste Geheimhaltung über diesen Besuch!“ Der Gardist ließ sich seine Überraschung nicht anmerken, ruckte in eine Habachtstellung und antwortete klar und deutlich: „Sehr wohl, zu Befehl, Majestät.“

Leda zog den Knecht in die Kabine und schloss die Tür vor der Nase des Gardisten. Sie bot dem jungen Manne einen Stuhl an. Der Bursche setzte sich und saß stocksteif am vorderen Rand des Stuhls. „Wie heißt du?“, fragte Leda jovial. Der Knecht antwortete: „Anselm, Majestät. Ich bin…. Nur ein Knecht.“ Es hörte sich an, als erwarte er eine Verwechslung und würde wieder vor die Tür gesetzt. Aber Leda meinte freundlich: „Nehmt nur einen guten Schluck von dem Rotwein!“ Sie zeigte auf die Karaffe und einen Kelch. Die Hände des Burschen zitterten. Das musste er träumen! Er saß in der Kammer der Königin und trank mit ihr feinen Rebsaft!

In der nächsten Stunde wurde er gelöster und entspannter. Mittlerweile hatte er drei Kelche Wein getrunken. Mehr wollte Leda ihm nicht zugestehen; schließlich sollte er noch seinen Mann stehen. Als die Königin dann die Hose des Burschen öffnete und den Keuschheitsgürtel entfernte, starrte der Knecht ungläubig auf die vor ihm kniende Majestät. Und auf seine prächtige Erregung! Sein Kopf wurde vor Scham rot wie eine reife Tomate. Doch bald schon schmiegte sich Leda an den Burschen und zog ihn mit sich aufs Bett. „Auch eine Königin hat Gefühle und Bedürfnisse…“, begann sie, als wolle sie ihr Verhalten entschuldigen, und versuchte dazu die richtigen Worte zu finden. Das war gar nicht so einfach, und auch nicht mehr nötig. Anselm berührte und streichelte seine Hoheit. Und bald vereinten sich die Beiden, als sei es das Normalste von der Welt.

Während Leda ihren Gefühlen freien Lauf ließ, wurde ihr gefangener Gemahl von seinem Trieb aufs Grausamste gequält. Tag für Tag waren zwei Frauen im Wechsel gekommen, um seine Männlichkeit zu reiben, zu streicheln und zu massieren. Wenn Abas zu sehr quengelte, steckten sie ihm einen Lappen in den Rachen und verschlossen diesen mit einem Ledergurt. Und das Abschiedsritual war immer die Frage: „Na? Soll dich die ehrenwerte Megara von deiner Pein befreien? Willst du das? Bettle darum!“ Dann schnaubte Abas stets in seinen Knebel und schüttelte verbissen den Kopf, obwohl alles in seinem Hirn danach schrie, seine Männlichkeit von dem unsäglichen Druck zu erlösen.

Doch heute war es anders. Sie hatten ihn geknackt, gebrochen, besiegt. Seinen Stolz und seine Würde zerborsten. Als die Frau ihm den Knebel entfernte, flehte er augenblicklich: „Bitte, Weib! Bring mir Megara her. Schnell! Ich halte es nicht mehr aus!“ Die Wächterin fragte schmunzelnd: „Und du willst wahrlich das Bett mit der göttlichen Megara teilen?“ Abas antwortete drängelnd: „Jaaa! Ja, doch! Bringt sie her!“ Die Frau lachte gehässig und ging ohne ein anderes Wort.

Abas wartete Stunde um Stunde auf das Erscheinen der Despotin, aber niemand kam. Verzweifelt wandte sich Abas auf seiner Liege. Vom langen Liegen hatte er schon Druckstellen, obwohl die Wächterinnen ihn jeden Morgen für wenige Minuten aus dieser Lage befreiten. Leider waren seine Hände und Füße dann immer gefesselt, und die Spitze einer Lanze war auf ihn gerichtet. Eine falsche Bewegung, und es kostete ihn das Leben.

So langsam hatte er darüber nachgedacht, ob es nicht sogar besser wäre, wenn er sich in die Klinge stürzen würde… Ehrenvoller, als um eine Erlösung seiner Männlichkeit zu betteln, wäre es auf jeden Fall! Doch er wagte es nicht. Und heute sollte sein Leid zu Ende sein - wenn auch für einen hohen Preis! Megara würde über ihn triumphieren! Fast schmerzte diese Demütigung gemeiner als sein Gemächt. Aber auch nur fast.

Wo blieb sie nur, diese Megäre? Dieser Drachen! Komm schon, und holte dir deine Genugtuung! Du Furie, du alte Schabracke! Komm schon! Du Hexe! Aus den Gedanken wurden gemurmelte Worte, dann Gebrüll: „Komm schon! Komm her! Worauf wartest du noch? Du hast dein Ziel erreicht! Deine Rache! Komm zu mir! Ich warte hier auf dich!“ Heiser verstummte Abas. Eine Träne floss seine Wange hinab. Doch dann lenkte ihn sein Liebesstab ab, der ungeduldig auf weitere Berührungen wartete und wild pulsierend seine Aufmerksamkeit einforderte. Abas schluchzte. „Megara! Wo bleibst du denn? Bitte komm! Komm und erlöse mich! Bitte! Was willst du denn noch?“ Aber in dieser Nacht blieb es still. Nicht mal das Fiepen einer Ratte war zu hören.

Auch Lykos litt Höllenqualen in seinem Keuschheitsgürtel. Er wurde zwar nicht angefasst, aber alleine die Anwesenheit der schönen Venus ließ ihn ständig an seine eingesperrte Männlichkeit denken. Bran, dieser Emporkömmling, trug nur noch ein spöttelndes Lächeln vor sich her, wenn er Lykos ansah. Und trotz seines Fleißes schikanierte die alte Vettel den Ex-Hauptmann auf diverse Art und Weise. Mal musste er wieder und wieder einen Boden schrubben, weil er angeblich nicht sauber genug war, mal ließ sie ihn mit einem kleinen Spaten einen Teil eines Feldes umgraben, mal zeigte sie ihm einen Tonkrug, den er angeblich zerbrochen hatte (was eine glatte Lüge war) und prügelte seinen nackten Hintern mit einem Weidenstock für seine Ungeschicklichkeit. Ach, es gab noch viele Beispiele, an die er sich lieber nicht erinnerte. Er schwor sich: Sobald er wusste, wo der Schlüssel zu seinem Keuschheitsgürtel aufbewahrt wurde, würde er ihn ergreifen und flüchten. Egal wohin! Er würde sich in die Wälder durchschlagen und sich den „Vogelfreien“ anschließen.

Und dann kam der für ihn bedeutsame Tag, an dem er durch einen Türschlitz beobachtete, wie Dione, die Mutter von Venus, einige Münzen in einen Lederbeutel gleiten ließ, den sie hinter einem Brett in der Wand versteckte. Mit den Talern könnte er eventuell die eine oder andere Person bestechen und einen Zossen für seine Flucht kaufen. Oder eine Klinge. Und vielleicht würde in dem Beutel auch sein Schlüssel verwahrt…

Des Nachts schlich er sich von seiner Schlafstatt in die Kammer, in der er Dione am Nachmittag beobachtet hatte. Leider stand dort Diones Bett. Aber Lykos hatte gelernt, leise zu sein. Als Soldat war er auch als Späher ausgebildet worden. Auf Zehen stahl er sich also in die Kammer und behielt die Schlafende scharf im Auge. Langsam trat er an die Wand und betastete das lose Brett. Ob es ohne Geräusch zu lösen war? Lykos griff nach dem Rand und zog ein wenig. Nichts tat sich. Er atmete leise einmal durch und versuchte es mit etwas mehr Kraft. Der Ex-Soldat verzog sein Gesicht und presste die Zähne aufeinander. Jetzt keinen Lärm machen!

Mit einem vernehmbaren Knack löste sich das Brett an einer Seite und schwang nach unten. Angstvoll sah Lykos zu der Schlafenden, die sich herumwälzte und genüsslich schmatzte. Im Schlaf murmelte sie: „Dir werde ich morgen deine Hammelbeine lang ziehen, Lykos. Und was anderes auch, Hi, hi…“ Der Mann erstarrte einen Moment. Dann wagte er zu flüstern: „Davon träumst du also, du alte Hexe!“ Er griff in den kleinen Hohlraum und holte den Lederbeutel hervor. So leise wie möglich ließ er das Brett wieder korrekt einrasten und verließ schleichend die Kammer, ohne auch nur eine Bodendiele zum Knarren zu bringen. Erst in der Küche wagte er einen Blick in den Beutel: 18 Münzen kamen zum Vorschein. Lykos betete zu den Göttern. Bitte, lasst mich auch den Schlüssel darin finden!

Aber der Beutel war leer. Lykos stöhnte auf. Seine Gedanken machten Purzelbäume. Er war nicht zum Sklaven geboren! Niemals! Er würde fliehen, und zwar heute Nacht! Er schlich in die Stube von Venus und Bran. Lykos entzündete dort einen Kandelaber. Die Beiden ruhten friedlich nebeneinander. Als Lykos das Wams von Bran über einem Stuhl hängen sah, packte er den Gürtel und zog aus der Lederscheide den scharfen Dolch. Endlich wurden die Zwei wach und sahen erstaunt und überrumpelt ihren Sklaven vor sich stehen, die blanke Waffe vor sich. „Lykos! Was wagst du…“

Weiter kam Venus nicht, denn Lykos hatte sie gegriffen und hielt sie vor sich als Geisel. „Wo ist der Schlüssel zu meinem Keuschheitsgürtel?“, fragte er streng. Venus deutete zu einer kleinen Zinnschale. „Da drunter“, sagte sie mit zittriger Stimme. Lykos stolperte mit Venus vor sich zu dem Regal, auf das sie gezeigt hatte und fand in der Tat das so sehnlich Erwünschte. Doch jetzt wurde es schwierig. Er musste Venus im Auge behalten, aber auch Bran, der so aussah, als wolle er sich am liebsten sofort auf ihn stürzen. Gleichzeitig versuchte er mit einer Hand seinen Keuschheitsgürtel zu öffnen.

Nach langer Fummelei gelang es ihm. Lykos atmete erleichtert auf und spürte, wie sein „Lendendolch“ gegen Venus Po drückte. Bran stand dabei und sah der Szenerie fassungslos zu. Der Mann bebte vor Wut. Lykos schob die eiserne Hose über den Boden und befahl ihm: „Los! Zieh sie an! Du bist gewisslich neugierig, wie sich so etwas anfühlt.“ Bran war wie vor den Kopf gestoßen. Aber er gehorchte; fast in eine Art Trance verfallen, wie sie ein Fluch eines Schwarzmagiers über ihn bringen mochte. „Abschließen, das gute Teil“, forderte Lykos. Bran gehorchte stumm. „Und jetzt den Schlüssel zu mir!“, forderte Lykos.

Bran warf ihn ihm zu. Lykos stolperte nun langsam mit Venus im Arm aus der Kammer. „Bleib schön hier. Wenn du uns folgst, wird Venus sterben!“ Bran war wie erstarrt. Lykos und seine Geisel verschwanden in der Dunkelheit. Der Exsoldat flüchtete mit ihr zum Stall und holte das beste Ross hervor. Dann warf er Venus von sich und galoppierte mit dem Schimmel rasend davon.

Kurz darauf kamen Bran und Dione, die inzwischen erwacht war, zu Venus und riefen wild durcheinander. Dione zeterte, Bran schüttelte zornig die Faust. Diesen Lykos sollten die Götter verdammen! Als sie sich beruhigt hatten, sagte Dione knirschend: „Wir warten bis Sonnenaufgang. Dann werde ich den Raub bei den Behörden melden. Ich wette, Lykos ist bald wieder bei uns! Und dann gnaden ihm die Götter! Oder auch nicht!“ Auch Venus war wütend und ballte ihre kleinen Fäuste. „Dieser Dreckswurm! Das wird er büßen! Ich werde ihn peitschen bis die Gerte zerbricht!“ Bran wetterte über Lykos: „Da hat dieser Abschaum das Weite gesucht, bevor ich ihn zu Hackbraten verarbeiten konnte!“

Aber viel mehr überfiel ihn die Sorge, nun in einem Keuschheitsgürtel gesperrt zu sein. Hatte Lykos den Schlüssel nicht zufällig irgendwo in der Nähe des Hauses verloren, so würde er sein Leben lang in Keuschheit verbringen müssen! Er zitterte am gesamten Leib wie Espenlaub und mühte sich, es vor Mutter und Tochter zu verbergen. Diese Horrorvorstellung war unglaublich und unerträglich. So grausam konnte das Schicksal nicht sein! Bei Sonnenaufgang würde er die Umgebung gründlich absuchen. Und wenn es sein musste, würde er jeden Kiesel und jedes Blatt umdrehen…

Lykos ritt bis zum nächsten Morgen und erreichte endlich die tiefen Wälder. Eine Zeitlang bewegte er sich mit seinem Pferd in einem Bach fort, um seine Spuren zu verwischen und trat erst wieder nach einer Meile auf festen Boden. Er änderte seine Richtung und trieb sein Ross durch ein dichtes Feld voll großer Farne, die bis zu neun Fuß in den Himmel wuchsen, dann durchquerte er einen lichtdurchfluteten Birkenhain und ritt weiter durch einen dichten Waldabschnitt aus Nadelhölzern, unter deren Wuchs die Sonne kaum durchschien.

Als er eine Stunde später eine Eichen- und Buchenansammlung erreichte, bemerkte er eine Bewegung im Unterholz. Vorsichtig setzte er seinen Weg fort, doch urplötzlich erschienen fünf Männer mit Bögen vor ihm. Dann enttarnten sich auch links und rechts jeweils drei bewaffnete Recken, die auf ihn zielten. Lykos hob langsam die Hände. „Absteigen!“, befahl eine dunkle Stimme. Lykos gehorchte. „Wer seit ihr?“, fragte er den bärtigen Mann. „Ich stelle hier die Fragen. Wer bist du und was willst du hier?“, wollte der hünenhafte Kämpe wissen. „Ich heiße Lykos und bin auf der Flucht aus der Hauptstadt. Seid ihr die Vogelfreien?“

Leda war verunsichert. Hatte sie das Richtige gemacht? Sie hatte mit dem Knecht Anselm geschlafen, und sie war nun voller Wonne. Aber wenn die anderen Männer an Bord davon erfuhren, so würde es vielleicht zu einer Meuterei kommen. Leda strich über die Metallkiste, in der alle Schlüssel der Keuschheitsgürtel gesichert waren. Im Notfall würde sie damit drohen, die Kiste im tiefen Ozean zu versenken. Doch schon am Abend des folgenden Tages war sie wieder kurz davor, einen Mann für die Nacht zu erwählen. Wollte sie den zweiten Knecht oder lieber einen Gardisten? Oder Hagbard, ihren Berater?

In ihre Überlegungen platzte ihr Majordomus Honos: „Majestät, ich hätte da eine Frage.“ Leda sah ihn abwartend an. Honos räusperte sich umständlich und kam der Königin sehr nah. Eigentlich unschicklich nah. Er sagte: „Le…, Majestät. Ihr wisst, dass ich nun schon lange Zeit einen Keuschheitsgürtel trage. Aber Tartaros und Medikus sind frei. Ich habe beobachtet, wie der Schmied eine der Gardistinnen unsittlich berührt hat. Und das nicht nur ein Mal! Ich würde dazu raten, ihn in einen Gürtel zu sperren. Ich würde meinen hergeben. Ihr wisst, Ihr könnt Euch auf mich verlassen, Majestät.“

Leda sah ihn fragend an. „Honos. Vielleicht wisst Ihr es nicht, aber Tartaros hat nur Interesse an seinen Schmiedeeisen.“ Honos verneigte sich. „Sehr wohl, Majestät. Aber ich werde weiterhin aufpassen. Und wenn ich ihn mit einem Weib erwische…“ Leda unterbrach ihn gelangweilt: „Dann werdet Ihr mir sofort davon berichten. Habt Dank.“ Honos lächelte gequält. „Hoheit, verzeiht, aber ich mache mir Sorgen um Euch. Ihr seit so alleine. Euer Gemahl ist verloren und… Wenn Ihr Sehnsucht verspüren solltet, Euch bei einem Vertrauten auszusprechen, so bin ich jederzeit für Euch da.“ Leda wirkte genervt. „Was wollt Ihr wirklich von mir? Sprecht ohne Umschweife!“ Honos druckste herum. „Ich leide sehr unter dem Verschluss. Der Medikus hat auch gesagt, dass manche Männer hin und wieder geöffnet werden müssen…“ Leda winkte ab: „Hin und wieder. Richtig! Und Eure Zeit ist noch nicht um. Geht nun an Deck und kümmert Euch darum, dass die Soldaten ihren Arbeiten nachgehen.“ Honos gehorchte und verließ mit hängendem Kopf die Kapitänskajüte.

Leda folgte einige Minuten später und suchte die Kojen der Gardisten auf: Drei Frauen und neun Männer gehörten zu den Elitesoldaten. Leda befahl einem der jungen Männer mit ihr zu kommen. „Wie heißt du, Bursche?“, fragte sie unterwegs zu ihrer Kabine. Der Gardist sagte: „Mein Name ist Vickar, Majestät.“ Leda brachte ihn in ihr „Reich“ und sah den Uniformierten von oben bis unten an. Eine makellose Bekleidung, staunte Leda. Dann fügte sie in verschwörerischen Tonfall hinzu: „Was in diesem Raum gesprochen wird und geschieht, darf niemals bekannt werden! Es ist unter strengster Geheimhaltung!“ Der Gardist behielt seine angespannte Stellung bei und antwortete: „Jawohl, Majestät!“ Leda lächelte ihn freundlich an. „Steh bequem“, sagte sie. „Nein, nicht so. Noch bequemer…“

Sie zog ihren Umhang aus und war darunter nur leicht bekleidet. Der Gardist mühte sich, seine Augen auf einen Punkt hinter seiner Königin an der Wand zu fixieren. Es kostete ihn alle Willenskraft. Aber Leda bewegte sich stets so, dass er sie ansehen musste. „Majestät, verzeiht mir, ich… Es soll keine Respektlosigkeit sein, aber…“ Leda meinte liebenswürdig: „Schon gut. Ich wünsche mir nur einen Gesprächspartner für heute Nacht.“ Vickar war irritiert: „Ich verstehe nicht, Majestät.“ Er trippelte nervös von einem Fuß auf den anderen. Leda griff lasziv an die Uniformjacke und knöpfte sie auf. „Immer noch nicht…?“
91. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 31.05.20 16:27

Es dauerte in der Tat noch eine ganze Weile, bis der disziplinierte Gardist aufgetaut war und es wagte, Hand an seine Königin zu legen. Ohne seinen Keuschheitsgürtel war es ihm nicht mehr möglich, seine Gefühle zu verbergen. Heiße Flammen der Leidenschaft zuckten durch seine Männlichkeit, die er der Regentin feilbot. Oh, diese verbotenen Früchte sind die süßesten!

Leda gab sich ganz dem durchtrainierten Leib des Mannes hin und genoss die Freuden der Lust und gleichwohl auch die Ekstase des Gardisten. Nach einer Pause, in der Vickar seine Königin streichelte und liebkoste und mit Küssen von Kopf bis Fuß bedeckte, entlud er seine Leidenschaft ein zweites Mal, und auch in Leda regte sich erneut eine unaufhaltbare Begierde.

„Du musst wissen, dass diese… diese… Liaison nicht von Dauer sein kann… sein darf!“, betonte Leda, als sie sich wieder bedeckt hatte. Vickar kniete vor seiner Königin nieder: „Selbstverständlich, Majestät. Ich werde diese Nacht für immer in meinem Herzen tragen, doch soll niemand jemals davon erfahren. Das schwöre ich Euch bei meinem Leben.“ Seine Stimme war voller Inbrunst.

Als Vickar die Kabine eine halbe Stunde später verließ, war er adrett und korrekt gekleidet wie immer. Steifbeinig und mit vorgestreckter Brust stiefelte er wieder in das Mannschaftsdeck, wo seine Kameraden lagen und schnarchten. Doch eine Person hatte ihn beobachtet, wie er aus Ledas Domizil gekommen war. „Vickar“, brummte der Späher. „Du also auch!“

Am nächsten Morgen kam ein guter Wind auf, so dass alle an Deck mit anpacken mussten. - Alle, bis auf Thrym, Hagbard und der Medikus, die sich für etwas Besseres hielten und die Nase in die Sonne hielten. Sogar Tartaros half dabei, die Leinen festzuzurren. Einmal rutschte er ab und fiel einem jungen Soldaten in die Arme. „Tut mir Leid“, sagte der Schmied und tätschelte den flachsblonden Burschen an der Schulter und putzte den Dreck von dessen Hose. „Alles in Ordnung?“ Der Soldat nickte schüchtern.

Als Leda gerade mit dem Steuermann sprach, kam der Medikus zu ihr. Er sah sehr bedrückt aus. „Was ist denn los?“, fragte sie den Mediziner. Der Mann räusperte sich umständlich. „Majestät, es tut mir Leid, aber ich muss einen Toten vermelden.“ Leda starrte ihn mit großen Augen an. „Wer… und was ist überhaupt geschehen?“ Der Medikus runzelte die Stirn. „Ein Knecht hat sich zweifellos eine Vergiftung zugezogen. Ich konnte leider trotz Aderlass nichts mehr für ihn tun.“ Leda erstarrte. „Ein Knecht… Wie ist… Wie war sein Name?“ Medikus nickte. „Ich glaube, er hieß Anselm. Wisst ihr, wer das ist?“ Leda seufzte. „Ja“, sagte sie traurig. „Nur zu gut.“ Eigentlich hatte der Arzt noch hinzufügen wollen, dass Anselm offenbar Nahrung gestohlen hatte, und es um den Langfinger nicht schade sei, aber er schluckte den Gedanken lieber herunter.

Der Wind nahm noch weiter zu, und die Wellen türmten sich haushoch vor und hinter der Victory Quest, als wollten sie eine Ode über die Gewalten des Meeres dichten. Der Rumpf rollte und stampfte wie ein wildgewordener Stier. Die Gardisten übernahmen die gefährlichen Aufgaben hoch oben auf den Rahen. Als Leda die Männer beobachtete seufzte sie: „Ach, da oben klettert nun auch Vickar herum. Wäre es doch nur schon wieder Abend.“ Dann glaubte sie ihren Augen nicht zu trauen. Sie stieß den Steuermann an und zeigte zur Backbord-Takelage: „Was macht denn Honos da? Will der oben helfen?“ Der Steuermann kratzte sich den Bart und zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung, Majestät. Bekanntlich scheut er solche anstrengenden Arbeiten.“

Leda verfolgte mit ihren Augen den langen Aufstieg des Majordomus. Bald war er oben an der Rah des Großsegels angelangt und reihte sich in luftiger Höhe in die Gruppe arbeitender Gardisten ein, obwohl er durch seine fahrigen Bewegungen deutlich zu erkennen unter Höhenangst litt. Mit der Zeit fand er sich neben Vickar wieder, der breitbeinig auf der dicken Rah saß und an diversen Seilen zog. Über ihnen flatterte nur noch Ledas Banner. Honos sah sich immer wieder zu den anderen Gardisten um. In einem unbeobachteten Moment sprang er vor und schoss sein rechtes Bein kräftig nach vorne und rammte sein Knie in Vickars Seite. „Hey!“, rief der Getroffene und ruderte mit den Armen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.

„Oh, tut mir Leid“, rief Honos. „Warte, ich halte dich!“ Doch das genaue Gegenteil geschah: Er drückte Vickar weiter in die Schräge, so dass der Gardist von der Rah geschoben wurde. Im letzten Augenblick fasste er Honos Hand, die dieser dem Gefährdeten reichte. Inzwischen waren die anderen Gardisten auf die Gefahrensituation aufmerksam geworden. Honos rief laut: „Halte dich fest!“ Vickar glotzte Honos verwirrt an und strampelte mit den Beinen in der Luft, hoch über dem Deck. In Honos Augen erschien ein seltsamer Glanz. Und dann ließ er Vickars Handgelenk langsam los. „NEEEIIIIIIIN!“, brüllte der Gardist und stürzte in die Tiefe und den sicheren Tod.

Als die anderen Gardisten bei ihm waren, machte Honos ein entsetztes Gesicht. „Ich habe ihn fallen lassen! Oh, welches Unglück!“ Die Anderen beruhigten ihn: „Es war nicht deine Schuld.“ Leda hatte nur den dumpfen Aufprall gehört und noch gar nicht begriffen, was geschehen war. Später saß sie mit dem sich grämenden Honos in ihrer Kabine. Beide schauten trübsinnig. „Unfälle geschehen…“, meinte Honos niedergeschlagen, „aber ich hätte ihn festhalten müssen!“ Leda griff ohne Groll nach Honos Arm. „Ihr habt Euer Bestes getan.“ Der Majordomus nickte betroffen. „Vielleicht habt Ihr Recht, Majestät. Ich muss diese Bürde tragen. Wir müssen nach vorne schauen. Die Götter wollten es nicht anders.“

Leda befahl einem Soldaten, den Leichnam in die Kabine zu bringen. Als das geschehen war, entfernte sie den Keuschheitsgürtel. „Vielleicht sollte ich der Gerechtigkeit wegen Tartaros einschließen…“, sinnierte sie. Honos nickte. „Jawohl, Majestät.“ Als der Majordomus gegangen war, gab Leda ihrem Vickar einen letzten Kuss und befahl die Vorbereitung der Seebestattung. Sie musste nun stark sein vor ihren Untertanen. Doch in ihrer Kabine weinte sie um den Verlorenen.

Am Ende des Tages war der Schmied eingeschlossen. Warum hatte seine Königin ihre Meinung so abrupt geändert, fragte er sich. Hatte sie etwa etwas davon mitbekommen, wie er die jungen Burschen… Aber woher sollte sie das wissen? Von den Soldaten hat es mit Sicherheit niemand erwähnt! Da war sich Tartaros sicher. Die Schmach! Die Scham! Nein, die Jungs würden es niemals erzählen! Aber wie stand er nun da, wenn sich herumsprach, dass auch er einen Keuschheitsgürtel tragen musste? Die Burschen würden tiefe Genugtuung empfinden und ein Freudenfest feiern.

Tartaros fühlte sich erniedrigt. Vielleicht sogar so stark gedemütigt, wie sich die Jünglinge hatten vorkommen müssen, als er sie unter Deck zur Seite genommen hatte…? Wie sollte er die nächsten Tage und Wochen nur aushalten? Mit eingesperrter Männlichkeit, die tags und nachts um Erlösung wütete wie ein tosender Sturm… Das würde die Hölle werden! Er fasste sich mit gespreizten Fingern an den Kopf und haderte mit seinem Schicksal, während seine Geilheit bereits brannte wie die Glut in einer Esse.

Leda stand in dieser sternenklaren Nacht nicht der Sinn nach einem Recken. Sie war traurig. Sie trauerte um Vickar geflissentlich wie ein Klageweib. Aber auch um Anselm und Sigurd. Warum waren all ihre Liebhaber gestorben? Da musste es eine Verbindung geben! Sie lauschte in die Stille der Dunkelheit, doch die Stimmen der allwissenden Götter blieben stumm.

Megara lümmelte sich auf einem mit feinster Seide bezogenen Ottomanen herum und hielt lässig einen Weinkelch in der Hand. Gelangweilt hörte sie einem Musikquartett zu, das mit Harfe, Flöte, Gitarre und einem ihr unbekannten Zupfinstrument eine Volksweise spielte. Mit einer genervten Handbewegung und einem Pfiff unterbrach sie die Musiker: „Spielt etwas Fröhlicheres, ihr Bauerntölpel!“ Sofort erklang eine lebhafte, heitere Melodie. Die Herrscherin stand auf und ging zu einem großen Fenster. Durch die Bleiverglasung sah sie über die Dächer der Häuser hinweg bis zum Marktplatz der Hauptstadt. Irgendwo ertönten Fanfaren. Megara hatte das Mittagsgebet eingeführt: Männer mussten bei dem Signal der Trompetenstöße niederknien und der Göttin Megara Demut erweisen.

Die Prachtstraße, die vom Palast in die Innenstadt führte, blitzte trotz der starken Frequentierung durch Händlerinnen und Sklaven vor Sauberkeit. Auf Reinlichkeit legte die neue Regierung großen Wert. Zahlreiche Putzsklaven waren ständig damit beschäftigt auch die kleinsten Verunreinigungen zu entfernen. Nur nach dem Fanfarensignal verharrte die Menschenmenge, weil alle Leibeigenen niederknieten. Auch ein Sklave, der unter einer schweren Kiste fast einknickte, musste schleunigst auf die Knie und verlor dabei seine Ladung, die schräg von seiner Schulter rutschte und auf dem Bürgersteig landete. Ängstlich sah er sich zu der jungen Lady um, die ihn begleitete. Dafür gab es sicherlich eine Tracht Prügel. Ein anderer Sklave kniete breitbeinig und betete laut Megara an:

„Hohe und einzige Göttin der Welt!
Erlauchte Megara, sei deinen niedrigen Untertanen gnädig.
Verschone ihr Leben und habe Erbarmen mit den Wertlosen.
Oh, edle Megara, wir danken Euch, dass wir Euch dienen dürfen.
Unser Leben gehört nur Euch. Wir verneigen uns vor Eurer Größe.
In Eurer unendlichen Güte straft Ihr uns, wenn wir Falsches tun,
um uns wieder auf den Pfad der Tugend zu bringen.
Oh, höchste Megara!
Wir danken Euch und küssen den Staub, den Euer Stiefel berührt hat.
So soll es zu unserem Glücke ewiglich sein.“

Als der Sklave wieder aufstand, behielt er zu jeder Zeit seinen breiten Stand bei. Der Grund waren die Stachelbänder um seine Oberschenkel. Diese „Haltungshilfe“ war in der Hauptstadt recht verbreitet. Durch den erzwungenen breiten Gang war das Gemächt des Sklaven besser zugänglich und auch hübscher anzusehen. Wenn man eine Dame mit einer Klatsche im Gürtel sah, hatte diese mit großer Wahrscheinlichkeit einen Leibeigenen mit Haltungshilfen. Diese mittlerweile bewährte Methode war von Senatorin Alekto entwickelt worden und sehr effektiv und daher beliebt.

Eine Hofdame schlenderte die Prachtstraße entlang und besuchte verschiedene Läden mit edlen Stoffen, Kleidern und Hüten, um ihre Garderobe zu erweitern. Sie lugte gerade in ihren Münzbeutel, als ihr der Sklave mit der Haltungshilfe entgegenkam. Sofort führte die abgefeimte Besitzerin den Mann mit schnellen leichten Schlägen durch die Klatsche auf das Gemächt zu Seite. Die Hofdame sah mit einem Schmunzeln zu und bedankte sich beim Vorbeigehen bei der höflichen Frau.

Auch der Sklave mit der schweren Kiste war wieder unterwegs. Er trug zwar keine Dornenbänder, dafür hatte sich seine Eigentümerin für eine Schlinge an einer Stange entschieden, die ihr Besitz um den Hals trug. Durch einen Mechanismus konnte die Lady am Ende der Stange die Größe der Schlinge verstellen. Als Strafmaßnahme wurde dem Sklaven der Brodem teilweise abgeschnürt. Dafür, dass er vorhin das Gleichgewicht mit der Kiste verloren hatte, würgte ihn die Dame und piekste sein Gesäß antreibend mit einem Degen. „Los jetzt! Wir haben schon genug Zeit verloren. Das ist erst die vierte Kiste. Sechs warten noch!“

Dünkelhaft und mahnend meinte eine andere Dame, die die Worte gehört hatte: „Also bei mir gäbe es so ein Fehlverhalten nur einmal, junge Frau.“ Geziert schritt sie von dannen. Die Angesprochene ärgerte sich über die kritischen Worte, die ihren Verdruss geschürt hatten, und ließ ihren Groll nun an dem Träger aus und hörte gar nicht mehr damit auf, ihn mit dem Degen anzutreiben. „Du glaubst wohl, du kannst mich hier öffentlich blamieren!? Das werden wir ja sehen!“ Sollte der Sklave doch froh sein, Auslauf zu haben. Es gab Leibeigene, die tagelang in kleinen Käfigen ausharren mussten, wenn sie nutzlos waren. Und auf seinen nächsten Kanten Brot konnte er lange warten!

Megara ließ inzwischen ihre Schatzmeisterin rufen. „Wie steht es mit unseren Steuereinnahmen?“ In Vorfreude auf einen Berg aus Münzen stahl sich ein Grinsen in ihr Antlitz. Die Frau schluckte. Die Summe, die sich die Herrscherin vorgestellt hatte, war nicht einmal zur Hälfte erreicht worden, obwohl die Bevölkerung mit Eintreibern drangsaliert worden war. Viele Damen hatten die Arbeitsleistung ihrer Sklaven auf ein unerträgliches Maß steigern müssen, um die erhöhten Abgaben leisten zu können, ohne ihren Lebensstandard zu verringern. Aber auch das hatte nicht ausgereicht.

„Was?“, schrie die Tyrannin und warf ihren Weinkelch nach der Schatzmeisterin, die sich schnell bückte, um nicht getroffen zu werden. Stattdessen knallte das Gefäß gegen eine Marmorsäule, wo der Wein herunterlief, als blute die Stütze. „Wollt Ihr mich ruinieren? Wollt ihr Schabernack mit mir treiben? Schatzmeisterin nennt Ihr Euch? Ta! Eine Schwatzmeisterin seid ihr! Sagt sofort, wie das sein kann? Wieso bekommt Ihr meinen Zoll nicht zusammen?“ Die Schatzmeisterin stammelte vor sich hin und druckte herum. Was sollte sie auch sagen? Sie hatte das Volk ausquetschen lassen. „Ich…. äh…. Also…. Nun ja…. Das….äh… es…hm, nun…“ Megara schnaubte laut. „Erzählt nicht alles auf einmal. Ich kann Euch ja gar nicht schnell genug folgen!“ rief sie ironisch; dann machte sie eine wegwerfende Handbewegung. „Ach! Schweigt still! Geht mir aus den Augen, unnützes Weib!“ Sie wedelte sie weg wie eine lästige Schmeißfliege.

Mit blasiertem Blick verließ die Frau das Gemach. Sie hob ihre Schleppe hoch, um sich schneller entfernen zu können. Megara rief nach einer Wächterin. „Sorgt dafür, dass die Schatzmeisterin ihr Amt niederlegt und schafft sie in die entferntest gelegene Siedlung des Ostlandes. Soll sie dort einer Beschäftigung nachgehen, die sie nicht überfordert. - Und bringt mir Anwärterinnen, die sich zutrauen, diese Versagerin zu ersetzen!“

Schon am nächsten Tag musste sich das entlassene Weib bei Sonnenaufgang auf den langen beschwerlichen Weg nach Osten machen. Zwei königliche Soldatinnen begleiteten sie auf der Reise, in Schadenfreude badend, denn die ehemalige Schatzmeisterin war als arrogant und eingebildet bekannt und gefürchtet gewesen. Nur langsam konnten die Gäule vorwärts gelangen, denn zum Tross gehörte noch ein schwerer Karren, der von zwölf Sklaven gezogen wurde. In ihm stapelten sich mehrere verschlossene Truhen. Niemand wusste, was Megara darin transportieren ließ, aber die Soldatinnen hatten Befehl, die Kisten der Vorsteherin der Siedlung zu überbringen.

Die ehemalige Schatzmeisterin vermutete, dass die Tyrannin damit aus reiner Bosheit nur die Reise beschwerlicher und langsamer machen wollte. Es wollte sie nicht wundern, wenn nur Felsbrocken oder Kieselsteine enthalten waren. Das ziehende Dutzend nackter Leibeigener ächzte schon nach wenigen Meilen. Die Peitsche der Kutscherin geißelte eifrig die Rücken und Gesäße der Männer, aber über Schrittgeschwindigkeit kam der Tross nicht hinaus. Nach einiger Zeit ließ sie die Zügel fallen und stöhnte genervt. Der Bach linker Hand würde die Kreaturen ein wenig erfrischen. Die Soldatinnen drängten. Es gab nicht viel Zeit, um alle reichlich saufen zu lassen. Nur ein kurzer Augenblick wurde gewährt, dann mussten die Sklaven wieder in ihre Geschirre zurück.

Viele Meilen weiter ostwärts in der alten Metropole kam die Senatorin und mittlerweile Stadthalterin Fama nach einem anstrengenden Tag des Regierens nach Hause und hörte ihre Töchter Vesta und Aurora kichernd durch den Palast laufen. Was hatten die Rotznasen jetzt schon wieder für einen Streich angestellt? Die Gören mussten doch langsam ihrem Alter entsprechend erwachsen sein!

Einige Minuten später sah sie die Bescherung: Der Sklave, auf den es die beiden Töchter schon oftmals abgesehen hatten, war auch heute nicht schadlos davongekommen. Grün und blau geprügelt schien er zu sein und verbeugte sich tief vor der Hausherrin. „Was war hier los? Warum siehst du so…. so bunt aus?“ Der Sklave schüttelte den Kopf: „Ich darf nichts sagen“, meinte er jammernd. „Sonst machen sie es morgen noch mal!“ Fama schnaubte wütend. „Was du darfst oder nicht, das entscheide ICH! Ist das klar?“ Der Sklave machte eine Jammermiene. Fama befahl streng: „Sprich! Oder ich lasse dich peitschen bis du sprichst!“
Der Sklave antwortete in weinerlichem Tonfall: „Die Ladyschaft hat mit mir Schwertkampf geübt.“ Fama sah ihn irritiert an. Sie rief ihre Töchter zu sich und verlangte eine ausführliche Erklärung. Bald gaben Aurora und Vesta zu, dass sie mit Holzschwertern und Holzstreitkolben mit dem Sklaven Kämpfe geübt hatten. Natürlich durfte der Sklave, der mit Schild und Schwert bewaffnet gewesen war, sich nur verteidigen, aber auf keinen Fall zuschlagen. Eine Zeitlang hatte er sich ganz gut gehalten, doch dann waren Vesta und Aurora gleichzeitig von verschiedenen Seiten auf ihn eingedrungen und hatten lachend zig Treffer gelandet.

Fama runzelte streng ihre Stirn. „Ihr solltet lieber bei euren Stickereien bleiben. Und jetzt: ab ins Bett! Und du, Sklave, wirst morgen den gesamten Tag auf dem Feld arbeiten, damit du meinen beiden jungen Damen nicht wieder unter die Finger kommst und sie zu solch einem Unfug reizt!“ Aurora und Vesta zogen sich in ihr Gemach zurück und schlüpften aus ihren mit Spitzenborte verzierten Kleidern. „Weißt du was?“, fragte Vesta ihre Schwester. Aurora sah sie an. Vesta schlug vor: „Stickerei ist doch stinklangweilig! Morgen fragen wir die Majordoma, ob wir ein Portrait malen dürfen.“ Aurora knabberte an einem Finger und überlegte: „Dann gibt sie uns einen Sklaven dafür. Keine schlechte Idee. Wir haben unsere Ruhe und malen…“ Vesta grinste begeistert: „Ein Aktbild!“ Aurora kicherte: „Oh ja! Mit ausgefahrener Rute…“
Vesta lachte und hielt sich den Bauch. „Vielleicht müssen wir dann ab und zu dafür sorgen, dass die Rute auch ausgefahren bleibt…“ Aurora: „Das wird ein Spaß!“ Vesta: „Ich hörte, dass manche Burschen geil werden, wenn man ihnen einen Stock in den Hintern schiebt.“ Aurora: „Das sollten wir ausprobieren. Ich kenne nur den abgerundeten Pfahl für unartige Sklaven! Wenn sie mit eingeöltem Anus auf ihm Platz nehmen. Aber diese Kreaturen werden nicht geil sondern brüllen herum wie Tiere bis man sie streng knebelt. Es scheint ihnen nicht zu gefallen. Seltsam. Ich mag den Anblick sehr.“ Vor ihrem inneren Auge erschienen die zitternden Geschöpfe, wie sie sich auf dem Pfahl wanden und mit ihren Blicken bettelten. Die junge Dame gab einen Lustseufzer von sich. So eine Darbietung war wie eine erquickende und anregende Labsal.

In der Ferne hörten sie das Trompetensignal für die Megara-Anbetung. In der Metropole ertönte es nicht mittags sondern abends. Vesta meinte: „Hach, so ein Klamauk! So was kann sich auch nur Megara einfallen lassen!“ Aurora stellte sich vor: „Wenn ich älter bin, werde ich auch Herrscherin. Und dann gilt das Signal mir!“ Vesta: „Träum weiter!“ Aurora hob eine Augenbraue. „Das ist mein Ernst! Ich werde in die Politik gehen, wie Mutter. Erst in den Senat und dann werde ich Stadthalterin der Metropole. Und schließlich werde ich…“ Vesta unterbrach ihre Schwester: „gestürzt und lande im Kerker.“ Aurora kniff böse die Augen zusammen. „Von wegen! Du wirst noch an meine Worte denken! Ich werde die nächste Herrscherin von Megaria!“ Vesta sagte belustigt: „Ach ja? Nennst du das Reich dann nicht Auroria?“ Aurora strahlte. „Stimmt! Willst du dann meine Stellvertreterin werden?“ Vesta antwortete nicht. Als Aurora zu ihr sah, stellte sie fest, dass ihre Schwester bereits selig schlief.



92. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von sheeeep am 01.06.20 13:14

Tolle Fortsetzung mit allem was mir gefällt!!! Herzlichen Dank!Man wird richtig süchtig nach dieser Geschichte,die du in unvergleichlicher Manier schreibst!
Grüße Christian
93. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von AlfvM am 02.06.20 19:05

Nach wie vor begeistert mich die Geschichte. Ich finde sie sogar noch besser wie die Unsprüngliche. Ich freue mich auf die weiteren Teile .Vielen Dank.
94. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 07.06.20 17:14

Danke an sheeeep und AlfvM für die netten Kommentare. Der nächste Teil folgt.
95. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 07.06.20 17:15

Ein Gardist mit auffallendem Backenbart kam zu Leda aufs Achterdeck geeilt. „Majestät! Es gibt eine gute Nachricht. Wir können wieder westwärts segeln. Die gefährliche Strömung hat sich aufgelöst.“ Leda nickte: „Also gut. Sagt dem Steuermann Bescheid.“ Die „Victory Quest“ drehte auf Kurs und näherte sich dem gelobten Land – wenn es denn existierte!

Die Tage vergingen, aber keine Küste kam in Sicht. Der Westozean schien wirklich unbegrenzt. Eine schier unendliche Weite aus Wasser. Und vielleicht kam tatsächlich nur noch das Ende der Welt… Ledas Stimmung sank auf ihren Tiefpunkt. Sie hatte seit zwei Wochen allein unter der Decke geschlafen. Es schien ein Fluch auf ihr zu liegen: Alle Männer, die zu ihr kamen, starben kurz danach. Doch der Drang nach einer starken Schulter und den anderen maskulinen Merkmalen ihrer Kämpen war sehr stark und brodelte in der Königin.

So entschied sie sich auf ein Neues, einen Recken zu sich zu holen. Dieses Mal wählte sie einen einfachen Soldaten. Gladius, ein stolzer Krieger mit langem Haar war zunächst stocksteif und wagte keine Bewegung. Selbst, als Leda ihm ihre Vorstellung des Abends durch die Blume und schließlich mit eindeutigen Gesten begreiflich gemacht hatte, reagierte er wie eine Puppe aus Porzellan. Da wurde es Leda zu bunt, und der Mann erhielt eine Backpfeife. Endlich loderte auch in ihm das Feuer. Und als Leda ihren Umhang zu Boden gleiten ließ, da war die letzte Zurückhaltung dahin. Die beiden liebten sich mit einer Begierde, die den Raum schier zum Kochen zu bringen schien.

Der Soldat war durch die lange Keuschhaltung natürlich ausgehungert, aber auch Leda war ihm zugetan, als ginge es um den letzten Beischlaf ihres Lebens. In ihrem Kopf schien ein Feuerball aufzublitzen. Sie musste wohl auch zugeben, dass Gladius prächtig bestückt war, was sie bei Sigurd und Vickar ein wenig vermisst hatte – nicht, dass sie ungeschickt gewesen seien, oh, nein! Aber ein richtiges „Schwert“ war schon vorteilhaft, schmunzelte die Königin in sich hinein. „Woher Gladius wohl seinen Namen hat?“, dachte sie und knabberte genüsslich an seinem Ohrläppchen.

Erst am frühen Morgen, kurz vor Sonnenaufgang, kehrte Gladius ins Mannschaftsdeck zurück. Er hatte die Nacht seines Lebens erlebt und war noch wie in Trance. Doch gemischte Gefühle drängten sich in den Vordergrund: Leda wollte anordnen, dass er heute nicht zu arbeiten hatte, was er sehr edel von ihr fand. Aber sie hatte noch etwas gesagt, bevor er gegangen war: „Du bist in großer Gefahr! Pass auf dich auf!“ Was hatten diese Worte zu sagen? Wollte die Königin ihn loswerden? Weil er der geheime Bettgefährte war? Aber warum warnte sie ihn dann? Er griff sich in den Schritt und bedauerte, wieder verschlossen zu sein. Und dann fielen ihm Ledas Worte ein, als sie sich später an seine breite Brust gekuschelt hatte: „Vielleicht wiederholen wir das mal…“ Gefahr, dachte Gladius und schnaubte verächtlich. Mir? Warum? Außerdem habe ich eine Waffe und bin ein kraftvoller Ringer. Was soll mir schon geschehen?

Abas sabberte trotz Knebel und zitterte am ganzen Leib. Sein Keuschheitsgürtel war wieder entfernt worden, unter seine Hüfte hatten zwei Wächterinnen eine Rolle aus Bambusmatten gelegt, damit seine Männlichkeit emporragte. Als die grausam grinsende Frau in seine Zelle kam, wusste er, dass die nächsten ein bis zwei Stunden die Hölle werden würden. Tag für Tag hatten sie ihn gefoltert. Die Frauen hatten ihn kunstvoll kurz vor den Höhepunkt seiner Lust gebracht, um ihn dann hilflos und quengelnd einige Augenblicke zu ignorieren. Im Anschluss marterten sie ihn erneut, wieder und wieder und wieder. Schon lange hatte der Königsgemahl seine restliche Würde fahren lassen.

Sein dumpfes Gebrüll in den Knebel nutzte ihm gar nichts. Seine sabbernden Proteste, sein hilfloses Gewinsel, all das brachte die Frauen nur dazu, ihn zu verspotten oder auszulachen. Mittlerweile hatte er sechs Frauen kennen gelernt, die sich in ihrer Grausamkeit in nichts unterschieden. Abas konnte es nicht glauben, wie gemein, erbarmungslos und kreativ solch hübsche Wesen sein konnten. Längst nahm er an, dass sie ihn sowieso niemals von seinem männlichen Druck erlösen würden; doch wimmerte er darum, diese grausige Folter wenigstens zu beenden.

Er hatte das Gefühl, den Verstand zu verlieren. Lieber wollte er von glühenden Zangen gezwickt, der Wasserfolter ausgesetzt, oder in die Eiserne Jungfrau gesperrt werden. Sollten sie ihm doch Daumenschrauben anlegen, ihn aufs Rad spannen, ihm einen Jauchetrunk verpassen oder was auch immer! Ja, mittlerweile wünschte er sich sogar, sein Gemächt einzubüßen, damit diese schreckliche Pein endlich aufhörte! Aber alles war nur Wunschdenken! Er hatte ja keine Wahl. Täglich kamen ein, zwei oder sogar drei Mal die Wärterinnen, ihn zu quälen. Auf sein Betteln, Megara sprechen zu dürfen, reagierten sie nicht. Warum nicht? Sie hatten es ihm doch angeboten? Was wollten sie denn von ihm? Er würde alles tun! ALLES!

Megara feilte sich gerade einige Stockwerke über dem leidenden Königsgemahl im Erker des Nordturmes ihre Fingernägel und ließ sich von zwei Zofen in einer gigantischen Wanne ihren göttlichen Körper einseifen, der alabasterfarben glänzte. Die Tyrannin rief nach ihrer Majordoma und fragte: „Unser kleiner König ist nun schon so lange im Kerker. Macht er Fortschritte?“ Die Majordoma antwortete: „Oh, mich deucht, er ist kurz davor, seinen Verstand zu verlieren. Sobald ein Weib nur in seine Sicht kommt, sabbert er mehr als ein Hofhund vor einem Streifen Speck.“ Megara lachte meckernd. „Das ist gut! Meint ihr, er ist soweit?“ Die Majordoma nickte: „Ihr solltet ihn langsam zu Euch nehmen und ihm ein wenig Entspannung gönnen.“ Die Despotin grinste: „Noch ein paar Tage! Er soll ruhig ein wenig leiden.“ Sie verspürte ein wohliges Kribbeln in ihren Lenden. Die Majordoma nickte und machte einen höflichen Knicks, bevor sie das Bad rückwärts in devoter Haltung verließ.

Am nächsten Tag fand Megara sich beim Hohen Rat ein, dem Senatorin Fama vorsaß. Inzwischen waren die genauen Verlustzahlen an Kampfsklaven bekannt. Der Senat hatte beschlossen, neun von zehn Kämpfern in zivile Dienste zu entlassen. Der Rest würde eine Schutzarmee bilden. Eigentlich gab es keine Feinde mehr, jetzt, da der gesamte Kontinent zu Megaras Reich gehörte, aber Fama betonte: „Wir wissen nicht, was im fernen Osten außer den primitiven Einwohnern in der Nähe der Küste noch für Völker leben. Auch südlich der Großen Wüste ist unbekanntes Land. Ganz zu schweigen vom sagenhaften Westkontinent.“ Ein Raunen ging durch die Reihen. An den Westkontinent glaubte kaum jemand. Auch Megara winkte ab. „Unsinn! Aber ich gebe Euch recht, wenn Ihr sagt, dass wir eine Armee behalten sollten.“

Als nächstes fragte sie nach den gefallenen Kriegssklaven. Fama räusperte sich und informierte die Runde: „Wir haben hohe Verluste bei den Kampfmännern erlitten. Die Eroberung der Hauptstadt hat große Kosten verursacht. Aber es sind noch so viele vorhanden, dass wir einen Großteil der Sklaven zu Arbeitern machen können. Mich dünkt, die Schwemme auf dem Sklavenmarkt wird den Preis für einen Mann deutlich reduzieren.“ Megara überlegte, ob das gut oder schlecht für sie war. Sie räusperte sich. „Nun, ein anderes Thema: Ich werde von Herolden ausrufen lassen, dass ich auf der Suche nach einem Gatten bin.“

Wieder Raunen. Die Senatorinnen schauten sich verdutzt an. Viele der Damen hatten das Prozedere bereits vor vielen Jahren mitgemacht, als Megara noch das Südland beherrschte und Jünglinge herbeilockte, um sie insgeheim zum Manne zu machen – doch nicht zum König. Sie verschwanden allesamt in Kerkern, Minen und als Feldarbeiter. Einige blieben ihre keuschen Sexsklaven. Mehr als ein überraschtes Stöhnen war von den Damen allerdings nicht zu vernehmen. Niemand wollte es sich mit der Tyrannin verscherzen. Und außerdem hatten die Ladys sich bereits an ihre Vormachtstellung in der Gesellschaft gewöhnt. Alle hatten sie zu Hause Sklaven für allerlei Aufgaben – einschließlich der, das Bett warm zu halten…

Was Megara noch geheim hielt, war die Sehnsucht nach einem Thronerben. Nachdem sie vor Jahren dafür gesorgt hatte, dass Talos, ihr Bastardsohn, das Zeitige segnete, hatte sie doch Schuldgefühle und wollte es an einem anderen jungen Mann wieder gutmachen.
Doch war das überhaupt machbar in einer Frauenwelt? Oder lieber eine Prinzessin? Ja, das wäre die Lösung! „Nein“, grübelte sie vor sich hin, eine zweite Frau an meiner Seite? Eine junge schöne Lady? NEIN!

Als Fama von den neuesten Steuereinnahmen berichtete, war Megara schon nicht mehr bei der Sache. Ihre Gedanken schweiften ab. Sei trank ihren Weinkelch in einem Zuge aus und stand auf. „Genug. Ich danke Euch, Senatorin Fama. Ich ziehe mich nun zurück. Der Schreiber soll mir einen Bericht zu dieser Sitzung bringen.“ Damit stand sie auf und verließ die Halle, während die Schleppe ihres Kleides über den Marmorboden wischte.

Leda schaute weit aufs Meer hinaus. Die immer gleich bleibenden Geräusche der Wellen am Rumpf waren einschläfernd. Plötzlich rief der Ausguck: „Land in Sicht!“ Die Mannschaft lief zum Bug und sah angestrengt in die Richtung, in die der Mann gezeigt hatte. Wahrhaftig: Die Victory Quest steuerte genau auf eine Küste zu, die sich am Horizont abzeichnete. Die Männer und Frauen fielen sich jubelnd in die Arme. Land! Den Westkontinent gab es also wirklich! Leda grinste bis über beide Ohren: „Von wegen Ende der Welt! Wir haben es geschafft!“

Sie befahl dem Steuermann den Kurs anzupassen, um schnellstens die Küste zu erreichen. „Aye, Aye, Frau Kapitän!“, bestätigte er die Order und salutierte. Leda sah ihn im ersten Moment streng an. Wie hatte er seine Königin genannt? Aber im nächsten Augenblick lächelte sie wieder und schlug dem Steuermann freundschaftlich auf die Schulter. „Weitermachen!“ Das Schiff näherte sich schnell dem Landstrich. Schon waren Felsen und ein feiner Sandstrand zu erkennen. Dann sah die Besatzung auch eine Art Festung aus Stein auf einem Hügel. „Da wohnen Menschen!“, sagte Leda. „Die werden aber Augen machen! Wahrscheinlich haben sie noch nie ein anderes Volk gesehen. Ob sie überhaupt zivilisiert sind?“ Honos kniff die Augen zusammen, um klarer sehen zu können und meinte: „Ich denke schon. Die Festung sieht sehr akkurat gebaut aus.“

Die Victory Quest kam immer näher. Das Meer war glücklicherweise tief genug. Leda, Thrym, Hagbard und Honos standen auf dem Achterdeck und sahen ihrem Ziel entgegen. Das Gebäude war schon gut zu erkennen. Auch Details konnten sie sehen: kleine Fenster, aus denen dicke schwarze Stangen blickten. Plötzlich knallte es lautstark, als würden mehrere Blitze einschlagen. Es rauchte aus den Stangen. „Was ist das denn?“, fragte Thrym. „Kleine Ahnung“, meinte Leda, „vielleicht sollten wir…“ Weiter kam sie nicht. Eine kräftige Wasserfontäne schoss direkt vor ihrem Bug in die Höhe. Und noch eine zweite. „Was ist das denn?“, fragte Honos.

Und wieder schoss eine Fontäne hoch in die Luft. Das Wasser spritzte teils bis aufs Deck.
Nun vibrierte das Schiff. Mit einem mächtigen Donnerschlag splitterte ein Teil des Rumpfes auf und schoss messerscharfe Holzteile über das Deck. Ein Soldat wurde tödlich von einem großen Splitter getroffen. „Was war das? Die greifen mit Katapulten an!“ schrie Thrym. Leda befahl: „Sofort Segel setzen und Kurs auf See! Hurtig!“ Jetzt gab es ein völliges Durcheinander an Bord: Die Mannschaft lief panisch umher, schrie, und erst, als einige Gardistinnen und Offiziere die Organisation übernahmen und klare Befehle gaben, kam das Schiff langsam in Fahrt.

Erneut schlugen Geschosse an einer Seite des Rumpfes ein. Hagbard befehligte eine Truppe, die versuchten die Lecks zu stopfen. Andere Soldaten bildeten eine Reihe und gaben Eimer mit Seewasser nach oben weiter. Alle kämpften um das nackte Überleben gegen einen übermächtigen Feind. Der Schrecken saß allen in den Knochen. Mit so einem starken und plötzlichen Angriff hatten sie nicht gerechnet.

Als die Victory Quest wieder weit auf See war, setzten sich Leda und ihre Berater zu einer Runde zusammen. „Das waren keine Katapulte“, meinte Thrym. „Ich habe es gesehen: Die Geschosse kamen direkt aus den Fenstern der Zitadelle. Aus den Stangen.“ Honos machte ein skeptisches Gesicht. Hatte Thrym da ein wenig zu viel Fantasie? Leda starrte auf die nun weit entfernte Küste. Die Sonne versank bereits. „Nicht besonders friedliebend, die Westmänner.“ Sie hatte zu sich selbst gesprochen. Erschrocken hörte sie hinter sich eine Stimme antworten: „Nein. Freundlich sind die wahrlich nicht. Wir sollten es weiter südlich oder nördlich versuchen.“ Leda drehte sich schwungvoll um. „Gladius!“, sagte sie in einer Mischung aus Überraschung, Tadel und Freude. Der Soldat kam näher und nahm seine Königin ungeniert in den Arm. „Nicht hier, Gladius. Komm in meine Kammer. Aber folge mir erst in einigen Minuten.“ Der Kämpe lächelte und sah Leda hinterher.

Abas schrie: „Nein! Bitte nicht mehr! Gnade!“ Aber das Weib lächelte ihn nur höhnisch an. Seit heute Morgen hatten sie ihm den Keuschheitsgürtel nicht mehr anlegen können, denn sein Luststab war selbst mit kaltem Wasser nicht mehr klein zu bekommen. Die Frau bearbeitete ihn wieder und wieder. Abas war nass geschwitzt und winselte, als der Wächterin sein Gebettel auf die Nerven ging und sie ihn knebelte. Sein Greinen sickerte nun nur noch dumpf zwischen dem dicken Stoff durch.

Nach einer Stunde strich die Folterin nur noch sanft mit ihrem Zeigefinger über die Spitze von Abas Männlichkeit. Er durfte seinen Samen nicht verströmen, hatte die oberste Wachoffizierin streng befohlen. Die Anweisung war von „ganz oben“ gekommen. In wenigen Tagen würde er aus der Haft entlassen. Zumindest kam er aus seiner Zelle. Doch seine Zukunft sah nicht besser aus. Im Gegenteil: Er sollte Megaras Schoßhündchen werden.

Die Tyrannin erinnerte sich noch an den Hünen Kreios, den sie wie ein Spielzeug abgerichtet hatte. Nun wollte sie niemand geringeren als den Gatten der Königin Leda an ihrer Seite haben – als Lustobjekt, als sabbernden Idioten mit Halsband, der auf Befehl „Männchen“ machte oder auf ein Fingerschnippen auf allen Vieren herbei gekrochen kam. Dazu hatte Megara bereits einen speziellen Riemen anfertigen lassen, der verhinderte, dass der Träger jemals aufrecht stehen konnte. Ein doppeltes Holz zwang seine Hoden nach hinten zwischen die Beine, und je mehr er versuchte, aufzustehen, desto größer und unerträglicher würde der Schmerz in seinen Glocken sein. Kurz darauf empfing die Autokratin in großer Vorfreude die Mitteilung, dass Abas offenbar seinen Verstand verloren hatte, und er bereit war, seinen zukünftigen Platz einzunehmen.

Auf der Victory Quest dauerten die Reparaturen am Schiffsrumpf bis tief in die Nacht an. Die ominösen Geschosse hatten ganze Arbeit geleistet. „Das muss das Werk von einem Schwarzmagier sein“, war sich Hagbard sicher. Thrym räusperte sich. „Nein, das glaube ich nicht. Die haben nur irgendeine uns unbekannte Technik, Geschosse extrem zu beschleunigen. Vielleicht so eine Art gigantische Schleudern oder Armbrüste. Wir haben ja ähnliche Waffen an Bord.“ Hagbard schüttelte den Kopf: „Die Geschosse machten einen Heidenlärm. Außerdem kamen sie ganz gewiss aus den kleinen Fenstern. Das muss was mit diesen seltsamen Stangen zu tun haben.“ Aber sie konnten nur spekulieren, denn kein Geschoss wurde an Bord gefunden. Alle Steine waren durch das Schiff hindurch ins Meer gerauscht. Waren es überhaupt Steine gewesen?

Während die Berater noch eine Weile darüber diskutierten, was eigentlich geschehen war, schlich Honos unter Deck herum. Er lauschte an der Kapitänskajüte. Grimmig dachte er: „Leda hat schon wieder Besuch! Wer ist es diesmal?“ Er horchte und vernahm die ungenierten Liebesgeräusche zwischen Mann und Frau. Er spürte, wie sein eigener Luststab Gestalt annahm, gegen den Keuschheitsgürtel drückte und nach Freiheit und Befriedigung verlangte. Aber dies blieb ihm solange verwehrt, bis er von Leda den Schlüssel dafür bekam. Und wann sollte das sein? Er fühlte, wie der Hass, wie der Neid gegenüber dem Liebhaber anstieg und sein Herz vergiftete.

Voller Wut und Groll schritt er weiter, bis er fast mit dem Medikus zusammenstieß. Der Bordarzt nestelte aufgeregt an seiner Hose und zog das Wams darüber. „Habt Ihr mich erschreckt!“ sagte er vorwurfsvoll. „Was treibt Ihr denn mitten in der Nacht hier unten?“ Honos überlegte. Hatte er das gerade richtig gesehen? Ihm war, als habe der Medikus in der dunklen Nische dem Trieb eines Mannes nachgegeben… „Und was tut Ihr hier?“, fragte Honos mit scharfer Stimme. Der Medikus reckte sein Kinn vor. „Was geht Euch das an!? Aus dem Weg!“ Er drückte den Majordomus zur Seite und stiefelte an Deck. Honos brodelte innerlich. Jetzt auch noch der Medikus! Das Schiff ist verseucht von Unzucht!

Er musste die Geschwüre wegschneiden, bevor sie die gesamte Mannschaft vergifteten!
Plötzlich sah er eine dunkle Gestalt hinter sich verschwinden. Honos kniff die Augen zusammen. „War das der Unbekannte aus der Kapitänskajüte? Er eilte hinterher. Er musste erfahren, wer das war! So eine Unverschämtheit! Leda schloss willkürlich irgendwelche Kerle auf, um sich mit ihnen zu vergnügen, wie eine Hafenhure! So eine Ungerechtigkeit! Honos war außer sich. Noch zorniger wurde er, als der Namenlose verschwunden war. Er ballte die Fäuste. Morgen würde er seine Freilassung einfordern!

Doch am Morgen gab es noch vor dem Frühstück eine Schreckensmeldung, die ihn sein Vorhaben vorerst vergessen ließ: Ein fremdes Schiff näherte sich der Victory Quest, die beigedreht in den sanften Wellen ruhte. Kurz darauf versammelten sich die Berater Thrym und Hagbard bei Leda auf dem Achterdeck, und auch der Medikus und Honos standen dabei. „Vielleicht wollen sie verhandeln“, meinte Thrym und kratzte sich das Kinn. Doch schon im nächsten Moment knallte es wieder wie bei Blitzeinschlägen, und rauchende schwarze Stangen oder Rohre erschienen am fremden Schiffsrumpf.
96. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 14.06.20 14:11

„Die geheimnisvollen Waffen!“, brüllte der Steuermann. Leda befahl: „Segel setzen! Weg hier!“ Der unfachmännische Befehl wurde trotzdem verstanden, und die Offiziere jagten die Männer und Frauen brüllend auf ihre Posten. Die nächsten Augenblicke waren die Hölle: Mehrere Einschläge in der Takelage und dem Rumpf sorgten für schwere Schäden an Bord. Glücklicherweise gab es nur leichtere Verletzungen bei einigen Männern, meist durch Splitter oder herabfallende Spiere. Der Victory Quest, ein ausgesprochen schnelles Schiff, das hoch am Wind fahren konnte, gelang es, die Verfolger abzuschütteln. Doch nun stand fest: Egal, mit welchen magischen Waffen dieses Westvolk angriff, es war feindselig. Ein Anlanden war hier unmöglich.

Mehrere Tage kreuzte die Victory Quest im Großen Ozean. Dann ging sie auf Südkurs, um es in einer anderen Region noch mal an dem Westkontinent zu versuchen. Schließlich nahmen sie wieder die Richtung zur Küste auf. Während dieser Tage befreite Leda ihren Gladius ein bis zwei Mal die Woche aus seiner Männlichkeitsschelle. Zwischendurch gönnte sie auch Hagbard eine Erlösung. Aber sie kehrte immer wieder zu Gladius zurück, der ihr ein perfekter Bettgefährte schien. So wäre es wohl noch Tage und Wochen weitergegangen, doch dann erfuhr irgendwie die Mannschaft von den geheimen Aufschlüssen, und jeder forderte für sich eine Befreiung ein. Vermutlich war Honos die Quelle des Verrats.

Aber Leda blieb hart: Sie sei die Königin und habe darüber zu entscheiden. Niemand habe das verbriefte Recht dazu, aufgeschlossen zu werden. Nur die Gnade der Königin könne eine Befreiung aus dem Keuschheitsgürtel erlauben. Nach langem Murren akzeptierte die Mannschaft Ledas Ansage. Auch, wenn es im Inneren noch wütete, und einige Männer über Meuterei nachdachten.

Die drei Gardistinnen waren allerdings härtere „Verhandlungspartner“. Um die Männer besser unter Kontrolle zu halten, so argumentierten sie, sei es besser, wenn mehrere Frauen für entspannte Mannsbilder sorgten. Das hieß im Klartext: Auch die Offizierinnen wollten leihweise Schlüssel zu Keuschheitsgürteln haben, um Soldaten oder andere Männer aufzuschließen. Leda lehnte zunächst ab, aber schließlich gab sie nach. „Unter der Bedingung, dass nur ich Zugriff auf die Kiste mit den Schlüsseln habe. Bei Bedarf muss er angefordert und am gleichen Tage auch zurückgebracht werden.“ Damit wollte Leda die Liebestollerei an Bord einschränken und unter Kontrolle behalten. Sonst würde all die Keuschhaltung gar nichts bringen. „Und es bleibt bei euch dreien! Die Mägde und Zofen sind aus unserer Vereinbarung ausgenommen!“

So einigte man sich. In der kommenden Zeit schienen die Männer in der Tat ausgeglichener zu sein, denn fast jeder der Recken kam nach einer gewissen Zeit mal zum Zuge. Voll Groll waren nur die, die noch immer nicht aufgesperrt worden waren. Auch der ehemalige Berater Regin, der durch einen Soldaten von der Abmachung erfahren hatte, war erzürnt. So lange er hier an Bord war, würde er nicht nur unter Deck eingekerkert sein; auch seine Männlichkeit war verschlossen. Und alle anderen trieben es auf dem Schiff wie die Karnickel! Das wurmte Regin so sehr, dass er allen den Tod wünschte. Besonders natürlich Leda. „Und das alles für ein paar Schluck Wasser!“

Genauso erbost war Honos, der noch von keiner Frau auserwählt worden war. Er hasste alle Weiber an Bord dafür, dass er, der Majordomus persönlich, noch immer verschlossen war. In diesen Tagen hockte er oft unter Deck bei dem Gefangenen Regin. Was die beiden Männer sich erzählten, erfuhr niemand. Nach und nach gesellten sich noch einige weitere Kerle dazu. Den anderen Mannschaftsmitgliedern schien es, als brütete die Runde eine Verschwörung gegen die Schiffsführung aus. Aber dazu gingen nur wage Gerüchte durchs Schiff.

Abas saß in der Hocke. Seine Oberschenkel brannten wie das Feuer in der Unterwelt. Aber diese verfluchten Riemen ließen ihn nicht aufstehen, ohne dass er sich sein Gemächt in die Länge zog. Um den Hals trug er einen breiten goldenen Halsreif mit Megaras Namen. Sein Luststab war in eine metallene Röhre eingelassen und dort gefangen. Fast ständig war sein „Schwert“ hart und groß und füllte die Röhre aus. Doch eine Erlösung war unendlich weit entfernt. Stattdessen musste er sich wie ein Schoßhündchen vorführen lassen und wurde von den jungen Hofdamen ausgelacht wie ein Narrenkönig. Megara forderte endlose demütigende Spielchen. Sie ließ ihn wie ein dressiertes Tier hüpfen oder durch einen Reifen springen, bellen, quieken, miauen, gackern, quaken oder muhen. Ihre sadistische Kreativität schien keine Grenzen zu kennen.

Heute Abend waren die Edelfrauen bei einem großen Festbankett im Palast und schlemmten und tranken nach Lust und Laune. Aufgetakelt und behängt mit allerlei blitzendem Tand präsentierten sie ihren Reichtum. Die Kleider und Geschmeide der Ladys mussten ein Vermögen wert sein. Eine Zeitlang war bei den Damen in Mode, den Wert ihrer Besitzungen in Sklavenleben anzugeben: Dieses Kleid war 30 Sklavenleben wert, jenes Geschmeide gar 50; und das neue Diadem der Senatorin schätzte die Gesellschaft auf 150 Sklavenleben. Doch seit der Wert der Leibeigenen wegen der Schwemme der Kampfsklaven stark gefallen war, wollte sich keine Lady mehr mit diesem Vergleich brüsten. Außerdem gab es Sklaven unterschiedlicher Preiskategorien, wie Flagella, die bekannteste Sklavenhändlerin der Metropole, einmal bei Stadthalterin Fama erläutert hatte.

Die Damen in Megaras Prachtanwesen war dies jedoch egal. Sie vergnügten sich heute bei dem opulenten Mahl und dem in enormen Mengen fließenden, teuren Wein. Und natürlich hatte Megara die Lacher auf ihrer Seite, wenn sie ihr „Schoßhündchen“ Abas vorführte. Zum Höhepunkt des Festes gab es eine ganz besondere Darbietung: Megara erlaubte ihrem Lustnarren sich an einem Tischbein zu befriedigen, klatschte dazu in die Hände, damit eine Wächterin dem Königsgemahl das Rohr um dessen bestes Stück abnahm, und wies ihn an: „Los, geh zum Tisch. Melke dich, wir wollen deinen Samen sehen!“ Die Gesellschaft lachte ausgelassen und staunte trotzdem, als Abas tatsächlich zum Tisch kroch und ohne seine Hände zu benutzen, seine Lenden an dem Holzbalken rieb.

Was war das für ein Vergnügen. Durch seine „Glockenfessel“ war es schwierig, und Abas zog sich immer wieder sein Gemächt in die Länge. Die Edeldamen prosteten sich stürmisch zu, dass der Rotwein nur so überschwappte. Sie wischten sich ganz und gar undamenhaft mit dem Ärmel das Kinn sauber und grölten vor Begeisterung wie niedere Mägde. Eine Gruppe Damen trieb Abas begeistert mit Anfeuerungsrufen an. Abas schwirrte der Kopf. Er verzerrte sein Gesicht, als er besonders stark an seinen „Juwelen“ riss. Er konnte nicht klar denken, aber das schon seit Tagen nicht. Oder waren es Wochen? Alles kreiste in seinem Kopf um das Eine: um den unbändigen Wunsch nach Erlösung. Sein Umfeld nahm er kaum wahr. Irgendwo in seinem Kopf drängte ihn etwas, aufzuhören, sich zu verweigern, aber der Gedanke verschwamm wie in dichtem Nebel.

Ehre, Würde, Stolz… Er war… wer war er? Was war er? Was tat er da gerade? Viele Fragen wirbelten ihm durch den Schädel und zerschlugen sich gegenseitig. Er war eines klaren Gedankens einfach nicht fähig. Er wusste nur eines: Er hatte jetzt die Möglichkeit seinen Samen zu ergießen. Und er durfte seine Hände nicht benutzen. Eine mächtige Stimme hatte es verboten! Und er musste sich daran halten! Es war wie ein eisernes Gesetz! Er…. Oh, wie spürte er seine Lust, sie wurde so groß, so mächtig, so überwältigend…. Jaaaa, er rubbelte schneller und schneller …Stimmen… viele Stimmen, Rufe, Geschrei und Gebrüll…. Was wollten sie? Egal, Abas war kurz vor der Entladung….

Und dann strömte es pulsierend wie Wasser aus einem Geysir. In seinem Schädel schien ein Feuerball zu platzen. Sein gesamter Leib zitterte und wurde heiß und wohlig. Abas hörte im Hintergrund dumpfe Stimmen, wieder diese Stimmen… Gelächter? Oh, es war so schön gewesen… Schön, wie mit… wie hieß… war da früher jemand? Abas Gedanken wurden von dem lauter werdenden Gebrüll und Gekicher niedergewalzt. Doch dann fiel er in einen tiefen schwarzen Abgrund…

Für ihn war die Feier beendet, aber einige Fräuleins hatten sich noch lange nicht genug verlustiert. Sie riefen einen Diener herbei und zogen ihn aus. Dem jungen Mann war die Angst ins Gesicht geschrieben, als mindestens sechs Hände nach ihm griffen und an ihm herumzupften. Zwei Fräuleins fesselten ihn an einen Pfosten und gaben ihm einen Krug mit Wein zu trinken. Nach einer kleinen Pause folgte der zweite Krug, während eine der kecken Damen die Männlichkeit des Opfers mit einer Seidenschnur kunstvoll zuschnürte. Kichernd verspotteten sie den Jüngling. Schon kam ein Fräulein mit einem weiteren Krug Wein herbei. Die nächsten Stunden waren äußerst amüsant. Sie genossen das Betteln und Flehen und ergötzten sich an den Verrenkungen des Gefesselten.

Nach einer Weile schritt eine Dame ein. „Das ist ja nicht zum Aushalten! Ich werde den Knaben nun knebeln.“ Mit aufgerissenen Augen und heftigem Kopfschütteln reagierte das Opfer, was nur zu weiterer Häme führte. Seine um Gnade und Erlösung flehenden Laute versanken nun im Stoff, den die Damen ihm in den Mund gestopft hatten. Seine zitternden Bewegungen wurden immer wilder und sein Kopf ruckte von einer Seite auf die andere. Hilflos und verzweifelt versuchte er sich zu erleichtern, doch die Seidenschnur erlaubte es nicht. Kichernd und Witze reißend über die erbärmlichen Befreiungsversuche des Dieners standen die empathielosen jungen Ladys um ihn herum und amüsierten sich köstlich.

Lykos war mit anfänglichem Misstrauen von den „Vogelfreien“ aufgenommen worden. Zunächst hatten die Männer ihn für einen Spion gehalten, doch was sollte einen Sklaven noch loyal halten, wenn er praktisch frei in den Wäldern war? Die Angst vor Entdeckung und Gefangennahme… Aber Lykos überzeugte die unfreiwilligen Waldbewohner. Als er mit verbundenen Augen zu ihrem streng geheimen Hauptquartier geführt wurde, staunte er nicht schlecht: Sehr gut getarnte Unterkünfte waren teilweise unter der Erde, an Abhängen oder sogar versteckt in Baumkronen errichtet worden. Der ehemalige Hauptmann konnte es kaum glauben, bereits mitten im „Dorf“ der Vogelfreien zu stehen, denn von alleine wäre er an den Behausungen einfach vorbeigegangen, ohne sie zu bemerken.

Er wurde schnell in die Gemeinschaft aufgenommen. Als erstes erhielt er neue Kleidung. Es waren zwar nur sehr einfache und grobe Hosen und ein alter Wams mit einigen Mottenlöchern, doch das war viel besser als nur ein Feigenblatt. Sein Tag bestand aus verschiedenen Aufgaben: Beeren sammeln, jagen (die Männer hatten sich Pfeil und Bogen gebaut und besaßen mehrere Dolche und sogar erbeutete Schwerter und Lanzen), Reparaturarbeiten an den Unterkünften, Mahlzeiten zubereiten, Späherdienste, nähen, waschen und einiges mehr. Bald hatte er das Gefühl genauso viel zu schuften wie bei Venus und Dione, aber er fühlte sich frei dabei. Das war die Hauptsache. Und vor allem: Er trug keinen Keuschheitsgürtel mehr und konnte seine Männlichkeit so oft berühren, wie er wollte.

In den ersten Tagen suchte er sich dafür mehrmals einen stillen Ort und genoss seine wieder gewonnene Freiheit. Besonders schwelgte er dabei in der Vorstellung, dass der verhasste Bran nun für immer verschlossen blieb, was Lykos eine große Genugtuung bot. Zum Zeichen seines Triumphs über den Nebenbuhler trug er dessen Schlüssel an einem Lederbändchen auf der Brust. Das einzige, was er vermisste, war ein Weib. Doch die Vogelfreien waren ausschließlich Recken. Mit Schildmaiden kamen sie nur im Kampf in Kontakt, wenn sie eine kleine Jagdgruppe in einen Hinterhalt lockten und sie beraubten.

Lykos grübelte darüber nach und da kam ihm die Vorstellung in den Sinn, ob sich schon je jemand an den Reiterinnen vergangen habe. Schließlich war die Versuchung groß. Der Anführer des Dorfes beantwortete ihm die Frage. „Nein, wir haben einen Ehrenkodex, der verbietet jegliche unnötige Gewalt. Wir nehmen ihnen nur die Wertsachen und Pferde; dann lassen wir sie laufen.“ Von solchen Überfällen rührten die Schwerter her. Und auch einige Rösser waren in ihrem Besitz.

Megara erreichte über einen Briefraben die Botschaft aus dem Osten, dass zahlreiche „Vogelfreie“ in den großen Wäldern lebten, und bereits für mehrere Überfälle verantwortlich waren. Die Herrscherin tobte vor Wut. „Das muss ein Ende haben! Das ist ja unglaublich! Die jungen Damen möchten eine fröhliche Jagd veranstalten, und statt vergnüglich Sklaven zu erbeuten, werden sie ausgeraubt! Schreibt der Statthalterin der Metropole, sie möge sofort dagegen vorgehen! Das ist ein unhaltbarer Zustand! Wo kommen wir denn da hin? Wenn Vogelfreie machen, was sie wollen?“

Ein Briefrabe flog kurze Zeit später in östlicher Richtung davon, um Fama zu unterrichten. Die Befehle der Tyrannin waren unmissverständlich: Entweder rollten die Köpfe der Gesetzlosen, oder ein anderes Haupt senkte sich über den Richtblock… Famas Laune war am Boden, als sie die herrschaftliche Botschaft gelesen hatte. Sie warf das kleine Pergament in den brennenden Kamin. Wie sollte sie diese Bande von Aufrührern schnappen? Was glaubte Megara denn? Es waren schon mehrere Expeditionen erfolglos aus den Wäldern heimgekehrt. Kleine Einheiten gerieten in geschickte Hinterhalte, große Truppenverbände fanden einfach nichts und niemanden.

Die Stadthalterin kommandierte augenblicklich die höchsten Duxas herbei und befahl ihnen, sich um das Männerproblem zu kümmern. Den Einwand, dass der Wald zu viele Versteckmöglichkeiten bot, und die Suche der nach der berühmten Nadel im Heuhaufen glich, ließ Fama nicht gelten. „Dann räuchert sie aus! Brennt von mir aus den gesamten Wald nieder! Stecht in jeden Busch und senst jedes Kraut ab, aber bringt mir diese Kreaturen! Am besten lebendig! Sie sollen dafür büßen, mir solche Umstände gemacht zu haben! Und noch etwas: Sollte ich nicht bald hören, dass die Bande ausgerottet ist, rollen hier Köpfe!“

Auf der Victory Quest sichtete der Ausguck Land: eine Insel am Horizont. Bald war das Schiff so nah, dass die Mannschaft die dichte Vegetation erkennen konnte. Es gab Früchte in großer Auswahl, einen Fluss, der ins Meer mündete – also wohl auch eine Süßwasserquelle – und endlos viel Holz. Sogar kleinere Tiere waren zu sehen. Ein Paradies! Hier ließ es sich völlig autark leben. Leda träumte von einem Ort, an dem sie heimisch werden konnte. Und diesen Traum hatten mit ihr auch viele der Männer und Frauen an Bord. Sie waren die lange Schiffsreise satt. Der Westkontinent hatte sich als feindlich herausgestellt.

„Trotzdem sollten wir eine zweite Landung an der Küste wagen, Majestät“, schlug Thrym vor. Leda überlegte: „Wir werden zunächst eine Unterkunft auf dieser Insel bauen und sie für uns urbar machen sowie uns bei dieser Gelegenheit versorgen. Dann segeln wir nach Westen.“ Die Berater Thrym und Hagbard nickten ihrer Königin zustimmend zu. „Ein Teil der Mannschaft bleibt solange auf der Insel und kultiviert das Land, sammelt Erfahrung und baut Unterkünfte. Sollten wir am Festland keinen Erfolg haben, werden wir uns auf die Insel zurückziehen.“

Das Eiland wurde „Ledas Paradies“ getauft. Es übertraf alle Erwartungen. Eine Bucht bot einen perfekten natürlichen Hafen, der Strand war leicht zugänglich, es gab exotische Früchte und Beeren, Kokosnüsse und ganze Herden kleiner Tiere, die sich leicht fangen und braten ließen. Die Mannschaft baute Hütten, einen Viehkral, reparierten das Schiff und ergänzten die Vorräte.

Dann kam der Tag, an dem Leda entschied, wer auf der Insel blieb, und wer einen zweiten Vorstoß an den Westkontinent wagte. Sie entschied sich für die kriegerisch ausgebildeten Personen: die 28 Soldaten, die drei Gardistinnen sowie die acht Gardisten, Honos und Hagbard. Thrym dagegen sollte das Kommando auf „Ledas Paradies“ übernehmen und die Arbeiten an Land koordinieren. Bei ihm waren der Zimmermann, der Schmied, der Medikus, der Schneider, der Jäger, der Stallknecht, Ledas zwei Zofen, die Köchin, die zwei Mägde, die zwei Knechte und drei Diener sowie der noch in Eisen geschlossene Regin.

Thrym war einerseits geehrt, die Inselbewohner anführen zu dürfen, doch andererseits war nun kein Weib mit Keuschheitsschlüsseln anwesend. Was war, wenn die Victory Quest havarierte? Wenn die Expedition nie wieder kehrte? Leda ließ sich allerdings auf keinen Kompromiss ein. Die Kiste mit den Schlüsseln verblieb in der Kapitänskajüte. „In wenigen Wochen sind wir zurück“, versprach Leda. Sie hoffte es nur. Doch sie sagte es so bestimmt, als sei dies eine unbestreitbare Tatsache.
97. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 21.06.20 16:26

An Deck der Victory Quest mühten sich mehrere Matrosen an der Winde ab und hoben den schweren Anker. Die Kette wickelte sich rasselnd auf der großen Trommel auf, und andere Männer setzten die Segel, so dass sie aus der Bucht segeln konnten. Nach einigen Stunden waren sie am Horizont verschwunden. Die Inselbewohner sahen dem Schiff mit gemischten Gefühlen nach. Dann ging es an die Arbeit, die Thrym verteilte. Das Eiland musste urbar gemacht und Unterkünfte sollten gebaut werden.

Einige Tage waren auf offener See vergangen. Weit südlich von der Stelle, in der sie angegriffen worden waren, kam Land in Sicht. Leda stand auf dem Achterdeck und beschattete ihre Hand, während ihre Haare im Wind zerzausten. „Jetzt wird sich zeigen, ob die Einheimischen hier auch so unfreundlich sind…“ Nirgends war eine Festung oder eine Siedlung zu erkennen. Also ankerte die Victory Quest und fierte ein Boot ab. Der Erkundungstrupp aus vier Soldaten und einem Gardisten machte sich rudernd auf den Weg zum Strand.

Dabei war es für das kleine Boot gar nicht so einfach, über die Brandung zu kommen, ohne zu kentern. Spitze Felsen erhöhten die Gefahr noch. Im seichten Wasser der Bucht war die Wasseroberfläche dafür umso ruhiger. Doch plötzlich kam Unruhe auf im Boot. Leda und Hagbard beobachteten das Geschehen vom Achterdeck aus. Was war da los? Und dann sahen sie die Angst erregenden langen Drachentiere, die auftauchten und das Boot angriffen. Auch vom Strand kamen sie herbei. Sie krabbelten auf kurzen Beinen ins Wasser. Ihre langen Schwänze waren gepanzert, und ihr großes Maul steckte voll gefährlicher scharfer Zähne.

Die Monsterwesen attackierten das Boot und ließen es erbeben und schaukeln. Die Männer schlugen mit ihren Rudern um sich und stachen mit einem Enterhaken ins Wasser, aber die Kreaturen schien das nicht zu beeindrucken. Beinahe fiel ein Soldat ins Wasser! Leda unterdrückte einen Aufschrei. Jetzt verbiss sich ein Untier in das Boot! Holz splitterte. Die Kapitänin fieberte an Deck des Schiffes mit ihren Kameraden. Ihre Untertanen waren längst so etwas wie Brüder und Schwestern geworden – zumindest insgeheim. Nur nach außen war sie noch die autoritäre Königin.

Leda wusste später nicht mehr genau, wie die nächsten bangen Minuten abgelaufen waren. Auf jeden Fall erreichte das Boot mit Müh das Schiff. Die Männer wurden immer noch von den grünlichen Bestien angegriffen. Weite, offene Mäuler schnappten blitzschnell nach den Seeleuten. Die Leute an Bord des Schiffes schossen mit ihren Bögen nach den Urtieren. Wie durch ein Wunder gelang es allen Personen so gut wie unverletzt an Bord zu klettern. - Schließlich ließen die schwimmenden Drachen auch von dem Boot ab und verschwanden in der Tiefe. Später tauchten sie weit entfernt am Strand wieder auf.

Leda rätselte stirnrunzelnd. „Was waren das für Untiere? Keine Fische und keine Echsen. Drachen ohne Flügel? Irgendwas aus der Hölle! Wir können hier unseren geplanten Landgang wohl vergessen.“ Hagbard nickte. „Vielleicht sollten wir den Westkontinent einfach abhaken. Die Götter wollen nicht, dass wir dort unser Heim finden. Lasst uns zurück zu Ledas Paradies fahren.“ Leda sah ihn überrascht an. „Ach so“, sie schmunzelte begreifend. Die Insel - sie war ja nach ihr benannt. „Ja, fahren wir nach Hause.“ Der Steuermann erhielt das Kommando, den Kurs zu dem Eiland zu setzen. Die Offizierinnen machten den Männern Beine, damit die Victory Quest schleunigst lossegeln konnte.

Inzwischen hatte es Thrym auf der Insel schwer. Die Männer, die mittlerweile gewöhnt gewesen waren, wenigstens ab und zu aufgeschlossen zu werden, murrten den ganzen Tag über ihre Keuschheit. Besonders Tartaros, der Schmied, zeigte seinen Groll ganz offen. Der Jäger und der Zimmermann waren so intensiv mit der Arbeit ihrer Unterkünfte und der Nahrungssuche beschäftigt, dass sie eher andere Gedanken beschäftigte. Aber Tartaros brachte bald auch den Stallknecht und einen Diener auf seine Seite. Und auch auf der Victory Quest nörgelte Honos über sein abstinentes Schicksal. Doch keine der Frauen wollte ihn haben. Und auch Leda wollte ihm da nicht helfen: „Du weißt, wie die Regeln sind. Wenn du eine Dame überzeugen kannst… Solange das nicht der Fall ist…“ Sie hob ihre Schultern.

Leda wählte fast jede Nacht ihren wohlgebauten Gladius, um ihre Koje zu wärmen; die drei Gardistinnen wechselten ihre Bettgefährten jede Nacht und wetteiferten darum, wer die meisten Kerle zwischen ihren Laken hatte. Auch Hagbard kam bereits drei Mal in den Genuss, bei einer Offizierin liegen zu dürfen. Außer Honos war auch einer der Soldaten bisher stets verschlossen geblieben. Der Mann war ein leichtes Opfer für Honos´ Ränkespiel. Er stachelte ihn an und trieb seine Wut über sein unerfülltes Verlangen in immer weitere Höhen. Die Männer redeten sich gegenseitig in Rage.

Die Königin erwartete auf Ledas Paradies eine Hiobsbotschaft: Am Tag, als die Victory Quest in die Bucht von „Ledas Paradies“ einlief, standen einige Personen am Strand. Ein kleines Boot kam zum Schiff gerudert. Darin saßen Thrym und die beiden Knechte. Thrym hatte eine unangenehme Mitteilung zu verkünden. „Majestät, es tut mir Leid, aber eine Gruppe Männer ist vom Lager aufgebrochen und verweigert alle weitere Zusammenarbeit mit uns. Die Meuterer haben sogar Waffen gestohlen. Irgendwo im Hinterland der Insel haben sie sich verschanzt.“

Jeder konnte Leda ihren Schrecken ansehen. Sie hatte gedacht, dass sie auf dem Eiland in Frieden leben könne. Nun gab es eine meuternde Gruppe, die sich abgesondert hatte. Doch Ledas Entschluss stand fest. Sie blieb auf dieser Insel. „Wir werden zur Sicherheit die Victory Quest verbrennen, bevor die Meuterer sie kapern.“ Thrym, Hagbard und Honos sahen ihre Königin an. Sie meinte es wirklich ernst. Sie wollte den Rest ihres Lebens auf der Insel verbringen. Trotzdem fragte die Majestät ihre Untertanen nach deren Meinung. Die Abstimmung ergab eine große Mehrheit dafür, das Schiff auf den Meeresboden zu schicken. Niemals sollte es in die Hände der Verräter fallen.

In den nächsten Tagen machte die Siedlung große Fortschritte. Jeder hatte sich eingerichtet. Es gab ein improvisiertes Lazarett, eine Waffen- und eine Speisekammer. Und Leda hatte ein etwas größeres und bequemeres Refugium für sich, das einer Anführerin würdig war. Es lag auf der Kuppe eines Hügels im Zentrum der neuen Siedlung. Von den drei Meuterern gab es weiterhin keine Spur. Besonders von Tartaros war Leda enttäuscht, hatte sie ihn doch stets als loyal eingeschätzt. Ebenso waren ein Diener und der Stallknecht verschwunden. Doch damit nicht genug: Einen noch größeren Schock bekam Leda, als plötzlich auch Honos und zwei Soldaten nicht mehr auftauchten. Und, als sei das nicht schlimm genug, war auch der Gefangene Regin fort – befreit von seinen Fesseln.

Leda setzte sich mit Thrym und Hagbard zusammen: „Es haben also sieben Männer Verrat begangen. Sie haben Waffen und sind hier irgendwo auf der Insel.“ Die Berater nickten nachdenklich. Die Situation war nicht ungefährlich. Sie mussten sich etwas einfallen lassen. Hagbard grübelte und tippte sich ans Kinn. „Früher oder später müssen sie Kontakt mit uns aufnehmen. Sie sind immerhin noch alle in Keuschheitsgürteln eingesperrt.“ Thrym nickte. „Ja, wir sollten die Victory Quest noch heute verbrennen. Dann gibt es kein Zurück.“ Leda war einverstanden. Sie stimmte dem Plan zu.

Allerdings knüpfte Thrym daran die Garantie, dass jeder Mann zukünftig regelmäßig für eine Zeitlang aus seinem Keuschheitsgürtel erlöst werden sollte. Nach langem Zögern stimmte Leda zu. Sie wollte nicht zur gnadenlosen Tyrannin mutieren. Dies sollte das erste Gesetz auf der Insel sein. Noch in dieser Nacht brannte die Victory Quest lichterloh und senkte sich auf den Grund der Bucht. Und Thrym, der immer noch kein Weib gefunden hatte, die Gefallen an ihm gefunden hätte, erhielt für eine Stunde den Schlüssel zu seinem Keuschheitsgürtel. „Danke, meine Majestät“, nahm er die Leihgabe entgegen und verschwand in seiner Behausung, um sich Erleichterung zu verschaffen.

In der Hauptstadt von Megaria gab es einen kleinen Tumult auf dem Marktplatz. Ein Sklave, der Einkäufe für seine Herrin machen wollte, wurde nicht bedient. Er beschwerte sich lauthals, als sich wieder und wieder Damen vordrängelten. Die Marktfrau keifte: „Sei gefälligst ruhig! Oder ich rufe die Ordnungshüterinnen! Solange hier noch Ladys stehen, hast du zu warten!“ Der Sklave sagte schon etwas kleinlauter: „Aber das sind jetzt nur noch Mägde.“ Außerdem würde er eine Strafe von seiner Herrin bekommen, wenn er zu spät heimkehrte.

Die Marktfrau griff nach einer kurzen Peitsche mit geknoteten Lederriemen und holte aus, um sie dem Sklaven über den Leib zu klatschen, doch der Mann duckte sich und rempelte dabei eine Magd an. „Das ist ja wohl die Höhe!“, rief das Weib und stemmte ihre Hände in die Hüfte. Der Sklave, der bei der Aktion das Gleichgewicht verloren hatte und auf dem Hosenboden gelandet war, beeilte sich, um vor der Magd niederzuknien: „Verzeiht vielmals, meine Dame, aber das wollte ich nicht.“ Die Marktfrau schüttelte verständnislos den Kopf. „Soll ich die Ordnungshüterinnen rufen?“ Die Magd, die die furchtbare Angst in den Augen des Sklaven sah und Mitleid empfand, schüttelte den Kopf: „Nein, das wird nicht nötig sein. Es war meine Schuld.“

Der Leibeigene sah überrascht zu ihr auf. Hätte die Magd ihn angezeigt, so wäre ihm eine scharfe Prügelstrafe von den Uniformierten sicher gewesen. Anschließend womöglich noch mehrere Stunden im Pranger… Danach wäre er wegen seiner späten Rückkehr von seiner Besitzerin erneut gezüchtigt worden. Ganz zu schweigen von der Strafe, die er wegen des Ärgers mit der Staatsmacht bekommen hätte. Und den Einkauf hätte er auch nicht erledigen können. Also wäre die nächste Strafe fällig gewesen.

Der Sklave verbeugte sich tief und dankte der Magd. Die Marktfrau raunzte ihn an: „Jetzt mach aber, dass du Land gewinnst!“ Die Magd hielt den Leibeigenen am Arm fest und fragte ihn: „Was sollst du besorgen?“ Der Mann antwortete kleinlaut. Was hatte die Magd vor? Die Frau bestellte das Gemüse und die Kartoffeln, den Sack Zucker und die Vanillestangen, die der Leibeigene kaufen sollte. Dann überreichte sie ihm die Waren. Er gab ihr die Münzen, die die Lebensmittel kosteten und bedankte sich überschwänglich. Dankbar und erleichtert machte er sich eilig auf den Heimweg. Hoffentlich wartete die Herrin nicht schon ungeduldig! Die Magd sah ihm gedankenverloren hinterher. Was für ein süßer Jüngling er doch war!

Als der Sklave bei seiner Besitzerin ankam, war er nassgeschwitzt und außer Atem. Seine Beine und seine Lunge brannten von dem anstrengenden weiten Lauf. Seine Eigentümerin fauchte ihn an. „Wo bleibst du? Du hast getrödelt! Deine Faulheit wirst du bereuen! Bring die Einkäufe in die Küche und komm zurück.“ Der Leibeigene gehorchte sofort. Er verzichtete auf eine Erklärung, denn die hätte die Herrin eh nicht hören wollen und ihm noch mehr Ärger eingebracht. Sie rief laut nach ihrer Magd. „Bring den Rohrstock mit!“ Die Bedienstete lief eilig in die Kammer, wo auch einige Züchtigungsinstrumente lagerten und holte den Stab, der immer frisch gewässert bereit stand.

Die Dienerin wusste genau, wie sehr er biss, denn die Herrin hatte ihn bereits auf dem Po der Magd tanzen lassen. Das kam zwar selten vor, aber die Erinnerung daran war bei dem jungen Weibe noch lange nicht verblasst. Heute würde sie am anderen Ende des Stockes stehen und die Hiebe austeilen. So machte es die Herrin, wenn sie nicht selbst Lust dazu hatte, die Strafe auszuführen. Perfide daran war, dass sie genau wusste, dass sie hart zuschlagen musste, denn jeder Hieb, der der Herrin nicht gefiel, würde anschließend auf ihrem eigenen Hintern nachgeholt werden. Der Sklave hatte sich bereits mit entblößtem Gesäß voller Gleichmut über ein Fass gelegt. Es stand ihm nicht zu, zu bewerten, ob er die Züchtigung verdient hatte. Bald würden dumpfe Schreie aus dem Haus dringen, obwohl die Herrin dem Leibeigenen einen alten Lappen zwischen die Kiefer gedrückt hatte. Bevor die Maßregelung begann, erschienen die herbeigerufenen übrigen vier Sklaven der Dame. So war es Sitte. Auf ein Nicken der Gebieterin stellte sich die Magd in Positur und visierte das nackte Sitzfleisch an.

Die Stadthalterin Fama hielt eine Tasse Tee in ihren gepflegten Händen und sah in den wunderschönen Garten ihres Anwesens. Im Palast der Metropole regierte sie nur. Auch der Senat tagte dort. Privat zog sie sich lieber in ihr großes Domizil zurück. Sie stutzte und ging nah an die Scheibe. Sie öffnete das Fenster aus Buntglas und starrte zu einem weit entfernten Kirschbaum. Ihr Mund öffnete sich, aber sie blieb stumm. Statt zu rufen, stellte sie die Tasse ab und eilte in die Parkanlage. Mit fliegendem Gewand hastete sie den Weg entlang und kam immer näher. Sie hatte doch richtig gesehen! Das konnten wieder nur Vesta und Aurora angestellt haben!

Die Stadthalterin sah den am Baumstamm gefesselten Sklaven, splitternackt und geknebelt und… Was war denn das!? Fama atmete scharf durch die Nase ein. Dann schloss sie die Augen. Sie öffnete sie wieder. Aber sie sah es wieder: Jemand hatte dem Sklaven Honig auf seine Männlichkeit gegossen. Schnell machte sie weitere Schritte auf den Leibeigenen zu und wollte die Fliegen verscheuchen, die sich an ihm gütlich taten. Doch sie waren fast alle tot und klebten im süßen Aufstrich fest. Dafür bahnten sich schon Käfer und Ameisen ihren Weg, die Beine des Gefesselten hoch.

Sie ging zurück ins Haus. Der Sklave murmelte verzweifelt in seinen Knebel. Das würde ein Nachspiel haben. Ihre Töchter brauchten endlich Prügelsklaven! Dann würde sie solche Streiche hart bestrafen lassen. Sie rief nach der Majordoma. Sie sollte sich mit einem Sklavendiener um das Problem im Garten kümmern und die Beleidigung für ihre Augen entfernen. Erschöpft fiel Fama auf einen großen Diwan mit aufwendiger Stickerei und schnippte mit den Fingern, damit ein Haussklave ihr ein Fußbad brachte und ihre geschundenen Füße massierte.

Die Stadthalterin rieb sich die Stirn. Jetzt brauchte sie erst mal Ruhe. Der Tag war schon anstrengend genug gewesen. Vormittags waren die Steuereintreiberinnen mit zu wenig Münzen in den Palast gekommen und hatten sich eine scharfe Strafrede von ihr anhören müssen. Fama hörte immer die gleichen Ausreden: Die Damen hatten nicht mehr genug zu essen für ihre Sklaven, und deshalb würde deren Arbeitsleistung geringer. Fama stöhnte bei dem Gedanken und murmelte: „Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg!“ Die Peitsche war noch immer der stärkste Ansporn.

Am Nachmittag war dann ein Trupp Eintreiber mit zwei Sklaven als Pfand gekommen. Die Anführerin hatte erzählt: „Wir haben gedroht einem Sklaven als Pfand sein Gemächt zu pfänden, aber die Besitzerin quengelte solange, bis wir zwei andere Sklaven von ihr mitnahmen. Sie meinte irgendwas von wegen Lieblingssklaven, der auch ihr Bettgefährte sei…“ Fama hatte die Anführerin angeschrieen: „Das ist aber der Sinn der Pfandaktion. Wenn wir Dinge mitnehmen, die nicht von Wert sind, bekommen wir nie die Abgaben zusammen. Schaut euch doch diese ausgemergelten Gestalten an!“ Eingeschüchtert und innerlich kochend hatte die Steuereintreiberin die Stadthalterin verlassen. Inwieweit sie nun nachträglich noch tätig geworden war, wusste Fama nicht. Sie hoffte nur, dass bald auch die noch fehlenden Beträge zusammenkamen. Sie hatte mit Megara schon genug Ärger wegen der Vogelfreien. Da brauchte sie nicht noch ein Defizit bei den Abgaben.

Als die Sonne bereits tief stand war dann endlich mal eine gute Nachricht gekommen: Ein Trupp, der das Gebiet der Vogelfreien auskundschaften sollte, kam mit einem Gesuchten zurück. Den Mann, ein ehemaliger Kürschner, hatten sie mit einer Schlingfalle gefangen. Die Uniformierte hatte stolz berichtet: „Wir hatten an Stellen mehrere Fallen ausgelegt, an denen wir Pfade der Männer vermuteten. Und tatsächlich: Bald schon ging uns einer der Kerle ins Netz. Er muss schon eine Weile in der Fußschlinge gehangen haben, denn sein Kopf war ganz rot. Aber er wollte uns nicht verraten, wo die geheimen Verstecke der Vogelfreien sind. Also haben wir ihm seine Kleidung vom Leib geschnitten und ihn mit scharfer Klinge am gesamten Körper rasiert. Doch auch das konnte ihn nicht zu einem Geständnis bringen. Er ist jetzt im Kerker. Was soll mit ihm geschehen? Wollt ihr ihn der peinlichen Befragung unterziehen, Hohe Stadthalterin?“ Fama hatte zum ersten Mal an diesem Tage gelächelt. „Führt mich zu ihm.“

Sie befahl, den Mann an den Armen aufzuknüpfen und ein Gewicht an sein Gemächt zu hängen. Jede Stunde sollte es erhöht werden. Recht lange wehrte der völlig haarlose Mann sich mit aller Willenskraft. Doch gegen Abend war es dann soweit. Fama wurde in den Kerker gerufen. Sie staunte nicht schlecht, welch monströse Last mittlerweile an dem Vogelfreien baumelte. Das er noch nicht entmannt war, war ein Wunder. „Ich sage alles“, sagte er heiser und stöhnte laut. Fama gab der Wächterin einen Wink, die das Gewicht entfernte. Wieder stöhnte der Mann laut auf. Zur Überraschung der Frauen war sein Luststab verhärtet. Fama presste ihre Lippen zusammen: „So was! Bringt dem Lustmolch Manieren bei!“ Sie schritt stechenden Schrittes aus dem Kerker. Hinter ihr hörte sie die klatschenden Geräusche der Peitsche und dumpfe Schreie des Gemarterten.

Als sie schließlich zurück in den Kerker kam, und dem Mann mit weiteren Befragungen drohte, gab er sich geschlagen und das Versteck der Vogelfreien preis. Nun ließen die Wächterinnen den Gefangenen hinab. Schlaff und kraftlos fiel der Mann auf den harten Boden aus dünn mit Stroh bestreutem Fels. Eigentlich ein zufriedenstellendes Ende. Doch bei Fama überragte der Ärger des Tages. Erst das ganze Theater mit den Steuern, dann der Gefangene, der es gewagt hatte, sie mit einem steifen Liebesdolch zu begrüßen… Und dann noch Aurora und Vesta, diese Früchtchen! Sie hatte für heute wirklich genug Ärger gehabt! Wenn jetzt irgendein Sklave ein falsches Wort sagte… Und außerdem würde sie dem Mann morgen wieder die Gewichte anhängen lassen! Nur zur Sicherheit. Sie musste schließlich gewiss sein, dass er auch die Wahrheit gesprochen hatte. Bei dem Gedanken kehrte ihre gute Laune zurück. Auch ihre massierten Füße trugen zu ihrem Wohlbefinden bei. Sie lehnte sich zurück und schnippte mit den Fingern: Das Dinner sollte aufgetragen werden.




98. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 28.06.20 16:17

Am nächsten Tag schickte die Stadthalterin einen Truppenverband in den Großen Wald, der das von dem Gefangenen angegebene Gebiet umzingelte. Dann legten die Uniformierten breitflächig Feuer im Unterholz. Bald loderten die zischenden Flammen hoch bis in die Wipfel der Bäume und fraßen sich wie Drachen der Unterwelt immer weiter in den Wald hinein. Die Feuerwand brannte und wütete brüllend auf die Siedlung der Vogelfreien zu, und es gab für die Männer kein Entkommen. Sie waren eingekreist von einer heißen und tödlichen Glutwalze und einer Armee von armierten und gerüsteten Soldatinnen, die lediglich zu warten brauchten, dass der Pöbel heraus gerannt kam.

Die Frauen freuten sich schon auf die panischen Männer, deren Kleidung vermutlich verbrannt sein würde. Die entflohenen Sklaven würden der Henkerin übergeben. Die anderen ehemals freien Männer sollten als Arbeitssklaven den Rest ihres kurzen Lebens auf einer Galeere, in einer Mine oder auf einem Feld in schweren Ketten verbringen und damit zum Wohlstand der feinen Damen beitragen. Vogelfreie Gruppierungen sollte es in der Umgebung der Hauptstadt nicht mehr geben. Dieses Gezücht wurde nun ausgerottet.

Eine Soldatin erinnerte sich noch an vergangenen Vollmond, als sie mit einer kleinen Einheit unterwegs war, um für reiche Edeldamen eine Vergnügungs-Jagd zu veranstalten. Dazu hatten sie zehn Sklaven im Wald ausgesetzt. Mit Lassos oder Schleudern wurden die „Beutesklaven“ nach und nach wieder eingefangen. Die hohen Damen hatten im Anschluss mit ihren erlegten Exemplaren posiert: Eine Dame ließ gleich ihre drei Sklaven aufeinander stapeln, um sich bequem auf den Rücken der obersten Trophäe zu setzen. Eine andere Lady stellte ihren Stiefel auf den Kopf des erschöpften Beutesklaven. Andere Beute wurde zu einem Päckchen verschnürt, damit sie mit einem langen Stock transportiert werden konnten. Natürlich waren die Träger ebenfalls Sklaven. Eine Dame schnürte die Füße ihres gefangenen Sklaven an ein Seil und schleifte ihn per Ross hinter sich her.

Nur einen Wunsch konnte die Soldatin den Damen nicht erfüllen: Als Andenken wollten zwei Ladys ihren Fang entmannen. Doch da die Leibeigenen weiterhin als Beutesklaven dienen sollten, wurde ihnen ihr Begehr nicht erfüllt. Schließlich mussten sie die Jagd jede Woche ein bis zwei Mal über sich hergehen lassen. Dabei befanden sie sich ständig auf einem schmalen Grad: Sie durften es den teilweise ungeübten Damen nicht zu schwierig machen – denn die Jagd sollte Vergnügen machen und nicht frustrieren –, aber auch nicht zu leicht.

Die Soldatin freute sich schon darauf, endlich mal selbst das Lasso schwingen zu dürfen. Die Vogelfreien würden eine leichte Beute sein. Die Männer würden in panischer Angst vor dem Feuer auf sie zulaufen. Vielleicht würde sie den einen oder anderen Kerl sogar mit einem schelmischen Hintergedanken vorbeilassen, um ihn in Ruhe jagen zu können. Hin und wieder käme dann ihre Schleuder zum Einsatz, um den Sklaven zu Fall zu bringen. Sie würde sich an den verzweifelten Versuchen weiden, die der Flüchtende unternahm, um zu entkommen. Doch all seine Hoffnung würde umsonst sein. Die Soldatin würde mit ihm spielen, wie die Katze mit der Maus. Und letztlich würde sie den Entkräfteten überwältigen, sein Gesicht in den Staub pressen und zufrieden grinsen.

Die große Fama war derweil nicht so optimistisch, was den Fang der Vogelfreien anging. Sollte der Einsatztrupp versagen, würde sie harte Konsequenzen fordern. – Sie selbst würde einfach ein oder zwei Dutzend billige Sklaven kaufen und Megara als Beweis ihres Erfolges deren Köpfe schicken, um nicht selbst in Verdacht zu geraten, erfolglos gewesen zu sein, denn für Versager hatte die Despotin keinen Platz.

Die Stadthalterin wurde von Geschrei und Gekicher, Schmerzensrufen und Gepolter gestört. Was war denn nun wieder für närrisches Treiben los? Lebte sie denn hier auf einem Jahrmarkt? Sie schritt aus ihrem Raum und folgte den Geräuschen. Der Lärm kam aus dem Südflügel des Anwesens. Fama stieß eine große zweiflügelige Tür auf, hinter der sich eine kleine Halle befand. Und was musste sie sehen? Gerade rief Vesta vergnügt: „Zehn! Der zehnte Treffer! Ich habe gewonnen!“ Vesta und Aurora ritten jeweils auf einem Haussklaven und trieben diese mit einer kurzen Gerte an. Sie beide jagten so offenbar einen dritten Sklaven, dem sie die Hände an die Fußknöchel gebunden hatten. Der nackte Mann musste nun vor den beiden Reiterinnen flüchten. Sein Gesäß, weit in die Höhe gereckt, war mit Striemen übersäht. Aber auch die „Pferde“ zeichneten sich durch ein rotes Hinterteil aus.

Fama stand mit offenem Mund und sprachlos in der Tür. Der gejagte Sklave humpelte in seiner unbequemen Fesselung tief gebeugt an ihr vorbei und flüchtete weiter den langen Gang entlang. Fama kochte vor Wut. „Jetzt reicht es mir! Ihr benehmt Euch nicht wie junge Fräuleins sondern wie kleine dumme Mädchen!“ Vesta und Aurora standen schuldbewusst von ihren Reittieren auf und sahen zu Boden. Fama schrie die verbliebenen Sklaven an: „Raus!“ Die Leibeigenen waren verwirrt und krabbelten auf allen Vieren aus dem Raum. Die Senatorin hielt sich mit ihren Fingerspitzen die Stirn. Sie musste dieses Görenpaar einfach besser unter Kontrolle bringen.

Fama rief nach der Majordoma. Eine halbe Stunde später saßen Vesta und Aurora brav nebeneinander in einem Salon des Hauses. Sie hatten sich neue Kleider angezogen, die langen Haare fein gekämmt und eine Unschuldsmiene aufgezogen. Die Majordoma hatte die drei beteiligten Sklaven über eine lange Strafbank gefesselt. Ihre nackten Hintern ragten nebeneinander in die Höhe. Fama trat hervor und sprach zu den beiden jungen Damen: „So! Jetzt ist Schluss mit diesen Ungehörigkeiten! Ab heute habt ihr beide einen Prügelsklaven! Sobald ihr euch nur die winzigste Kleinigkeit zu schulden kommen lasst, werdet ihr zur Bestrafung antreten! Ist das klar?“ Die Edelfräuleins nickten einvernehmlich.

Als Fama zur Majordoma blickte, stießen sich Vesta und Aurora gegenseitig neckisch mit dem Ellenbogen in die Seite. Auf ein Zeichen der Hausherrin griff die Majordoma nach einer dicken Weidenrute. Auf ein weiteres Signal erhielten die beiden Sklaven an den Außenseiten jeweils 20 Hiebe. Nur mit Mühe konnten die Männer anfänglich ihre Schmerzensrufe unterdrücken. Doch ab dem zehnten Schlag flehten sie um Gnade.

Nach Vollendung der Ahndung wurden sie weggeschickt. Sie rieben vorsichtig über ihr Gesäß, als sie sich trollten. Nun zeigte Fama auf den verbliebenen Mann: „Dieser Sklave war heute am Kirschbaum gefesselt.“ Besonders betont sagte sie: „Und war mit Honig eingeschmiert!“ Sie machte eine Kunstpause. Dann meinte sie: „Und schließlich habt ihr seine Hände und Füße zusammengebunden und eine Jagd veranstaltet. Für dieses Theater setzt es für ihn 30 Hiebe!“ Der Sklave stöhnte auf. Fama sah ihn streng an. „40!“ Die Majordoma nahm Stellung auf und holte aus.

Fama fragte sich, ob die Qualen des Prügelsklavens ein schlechtes Gewissen bei den Gören befeuerte, doch die jungen Damen schienen nicht sonderlich beeindruckt, obwohl die Majordoma sehr hart zuschlug und einen malträtierten Hintern schuf, der Seinesgleichen suchte. Als die Bestrafung zu ende war, mussten Vesta und Aurora ihrer Mutter versprechen, dass solche ausufernden Spiele im Anwesen nicht mehr stattfanden. Die Fräuleins gaben artig das Versprechen und durften gehen.

Fama seufzte. „So, das haben wir erledigt. Diese kleinen Biester! Aber im Grunde verstehe ich sie ja. Ich wäre in ihrem Alter auch nicht anders gewesen…“ Als die Hausherrin gegangen war, murmelte die Majordoma vor sich hin: „Wenn die wüsste, was die Beiden noch so alles ausgeheckt haben… Außerdem bezweifle ich, dass sie sich aufgrund dieser Vorführung ändern werden. Mir deucht eher, sie haben es genossen.“

Auf „Ledas Paradies“ hatte sich das Leben der Menschen weitgehend normalisiert – soweit das auf einer fremden Insel möglich ist. Aber sie hatten sich ihre neue Heimat ja selbst ausgesucht. Die Männer erhielten ihre Aufschlüsse, wenn auch nicht so oft, wie sie wollten. Die Gardistinnen und Leda spielten dabei ihre Macht aus und genossen auf eine gewisse Weise ihren besonderen Einfluss über die Recken. Von den sieben Meuterern fehlte aber weiterhin jede Spur.

Doch sieben Tage später hörte Leda im Schlaf ein verdächtiges Geräusch in ihrem Gemach. Sie öffnete die Augen und starrte in die Dunkelheit. War da hinter der Zeltwand nicht ein Schatten gewesen? Wer schlich denn mitten in der Nacht an ihrer Unterkunft vorbei? Moment! Leda wurde klar, dass die Person nicht am Zelt vorbei, sondern in den mit einem Stoff überspannten Raum hinein geschlichen war. Der Bereich, in den der Unbekannte eingedrungen war, führte zu Ledas Wohn- und Tagungsraum. Hier befanden sich wichtige Dokumente, Waffen, Arzneien, Wein und Rum sowie die Kiste mit den Schlüsseln für die Keuschheitsgürtel der Männer!

Mit einem Schlag war die Inselherrscherin hellwach. Ihr Herz raste. Sie glitt langsam von ihrer Lagerstatt und tastete nach ihrem Gürtel, in dem die Lederscheide mit dem scharf geschliffenen Dolch hing. War eine Wache hineingeschlüpft? War etwa ein Soldat der Versuchung erlegen, sich den Schlüssel zu seiner eiserner Hose zu „borgen“? Die Kiste war zwar abgeschlossen und so schwer, dass sie niemand alleine tragen konnte, doch wer wusste schon…

Wer war diese Gestalt in ihrer Unterkunft? Sie schlich durch eine kleine Öffnung an der Seite, indem sie eine Wand aus Bambusstöcken zur Seite schob, kletterte hinaus und schlich um ihr Refugium, den Dolch in die Höhe gereckt. Nun war sie dem geheimnisvollen Einbrecher im Rücken. Aber wo waren die zwei Wächter, die jede Nacht vor dem Haupteingang aufpassten? Waren sie etwa gemeuchelt worden? Dann stolperte Leda über die Männer, die bewusstlos am Boden lagen. Sie bückte sich und untersuchte die leblos scheinenden Leiber. Zum Glück waren sie nicht erstochen worden, sondern wohl nur mit einem Knüppel außer Gefecht gesetzt worden.

Leda wollte mutig hineinstürmen und den Dieb stellen, aber sie unterdrückte den Impuls im letzten Moment und lief hastig zum Quartier der Gardisten und berichtete von dem Notfall. Sofort waren die Elitesoldaten wach und schwärmten bewaffnet und leise aus, um Ledas Zelthütte zu umstellen. Die drei Weiber und acht Männer gaben sich knappe Zeichen, dann stürmten drei Männer und eine Frau mit gezogenen Klingen in die Unterkunft.

Doch sie fanden nichts – nichts außer der aufgebrochenen Kiste. Leda stöhnte auf. Der Einbrecher war bereits geflohen. Die Inselkönigin zählte die Schlüssel durch. Ihr Verdacht bestätigte sich: Sieben von ihnen fehlten. Einer der Meuterer musste sie besucht haben! In dieser Nacht ließ Leda zusätzliche Wachen aufstellen. Mehrere große Feuer wurden errichtet. Auch sollte ein neuer Wachplan entwickelt werden, um ein solches Eindringen zukünftig unmöglich zu machen.

Die Sonne war kaum aufgegangen, da berieten sich Leda, Thrym, Hagbard und der Medikus. Leda seufzte. „Jetzt haben die Meuterer keinen Grund mehr, um zu verhandeln. Sie sind aus ihren Keuschheitsgürteln befreit und stiften weiterhin Unruhe.“ Die Berater beschlossen mit Leda, Jagd auf die sieben Gesetzlosen zu machen. Doch dann wollte Leda ihren Ohren nicht trauen: Sämtliche Männer weigerten sich, ihre Kameraden zu fangen. Die Majestät stöhnte. Wenigstens die drei Gardistinnen waren gut ausgebildete Kämpferinnen. Die Köchin sowie die drei Mägde und zwei Zofen fielen da leider aus. Sie hatten noch nie eine Waffe in der Hand gehalten, wenn man von Küchenmessern absah…

Leda ließ sich nicht entmutigen und bestimmte sich selbst zur Anführerin über ein Jagdquartett. Am Mittag, die Sonne brannte heiß vom wolkenlosen Himmel, brachen die vier unerschrockenen Frauen reich bewaffnet auf und erkundeten die Insel, immer tüchtig auf Spuren der Meuterer achtend. Sie wollten die Suche fast schon aufgeben, als sie doch noch fündig wurden. Mitten im Wald ragte ein steiler Felsen auf wie ein Berg. „Keinen Schritt weiter, oder wir rollen einen Granitbrocken auf euch“, hörten die Frauen eine laute Stimme von weit oben. Sie hatten das Versteck der Verräter gefunden. Irgendwo musste es einen Aufstieg an der fast senkrechten Felswand geben. Aber die Drohung der Männer konnte den Jägerinnen zum Verhängnis werden. Und eine Belagerung mit vier Personen? Auch kein guter Plan.

Die Königin erkannte jetzt auch, wer da gesprochen hatte: Honos, ihr ehemaliger Majordomus. Dieser fahnenflüchtige Überläufer, der Regin befreit hatte. „Ergebt euch“, forderte Leda, „ihr habt auf lange Sicht keine Chance. Wenn ihr aufgebt und euch wieder verschließen lasst, verspreche ich euch Straffreiheit und einen regelmäßigen Aufschluss.“ Honos zog sich zurück. Nach einer Weile erschien er wieder oben an der Kante des Felsplateaus. „Hört zu!“, rief er runter. „Wir sind einverstanden. Unter einer Bedingung. Wir wollen noch einen Tag unsere Freiheit genießen und fordern dazu Wein und reichlich Essen. Früchte, gebratenes Fleisch und auch Rum.“ Leda rief zurück: „Wenn wir euch alles geben… Wer gibt mir die Sicherheit, dass ihr morgen dann auch euer Versprechen haltet?“ Honos versprach: „Wir werden Euch ein Pfand mitgeben, bevor Ihr mit den Waren kommt. Das könnt Ihr bis morgen in Eurem Lager festhalten.“

Leda und die Gardistinnen sahen sich an. Dann nickte Leda. „Was soll das für ein Pfand sein?“ Honos machte ein Handzeichen und verschwand wortlos wieder. Einige Minuten später erschien von der Rückseite des großen Felsens der Stallbursche. „Ich bin es.“ Die Gardistinnen fesselten dem jungen Mann die Hände auf den Rücken und nahmen ihm seinen Dolch ab. Leda winkte Honos zum Abschied: „Also gut. So soll es sein, Honos.“ Das Quartett marschierte mit ihrer Geisel zurück und erzählte den anderen, was sich in der Mitte der Insel abgespielt hatte.

Im Laufe des Tages brachte eine kleine Kolonne, bei der sich nun auch Soldaten beteiligten, die gewünschten Getränke und Mahlzeiten zum Felsen. „Stellt alles Labsal unten ab und verschwindet wieder! Keine Finte!“, warnte Honos von oben. Ledas Mannschaft kehrte zurück zum Lager. In dieser Nacht gingen ihr viele Gedanken durch den Kopf. War der Jünglig ein wahrhaft wertvoller Pfand? Sie bekam Zweifel.

Am nächsten Tag merkten alle, wie angespannt die Königin war. Eine seltsame Stimmung lag in der Luft. Bis zum späten Abend waren keine Meuterer zu sehen. Leda und ihre beiden Berater zogen sich zurück zu einer Krisensitzung. „Werden sie noch kommen?“, fragte Leda mit skeptischem Tonfall. Thrym verzog das Antlitz und kraulte seinen Bart. Hagbard sah grimmig zu Boden. „Die haben uns für dumm verkauft.“ Leda stöhnte. „Aber was ist mit dem Stallburschen?“ Hagbard spuckte verächtlich aus: „Der ist ihnen wahrscheinlich völlig egal.“

Ledas Miene verdüsterte sich. Ihr böser Verdacht hatte sich wohl bestätigt. Die Hoffnung, dass sie sich getäuscht hätte, zerstob. Thrym grollte: „Wir werden diese Barbaren ausräuchern und zur Aufgabe zwingen. Oder wir werden den Stallburschen in der Nähe des Felsens an einen Baum binden und abwarten, ob sie ihn dort verdursten lassen!“ Leda schüttelte den Kopf. „Ich dulde keine Gräueltaten!“ In der Nacht suchte sie ihren Bettgefährten Gladius auf und zog sich mit ihm zurück. Doch zwischen den Beiden sollte in dieser dunklen Stunde kein Liebesfeuer lodern. Eng an ihren Soldaten gekuschelt weinte sich Leda in den Schlaf.

Megara konnte sich beim Angebot nicht beklagen: Hunderte Jünglinge kamen in Scharen in die Hauptstadt, um bei der Herrscherin vorstellig zu werden. Nur Megaras engsten Vertrauten wussten, dass die jungen Männer in ihr Verderben liefen. Megara dachte gar nicht daran, sich zu vermählen, sondern sammelte lediglich hübsche Liebesburschen, um sie nach fleischlichem Gebrauch in ihren gefürchteten Kerkern verschwinden zu lassen.

Inzwischen hatte sie den Plan, einen Thronprinzen zu adoptieren oder zu zeugen, aufgegeben. Ein Mann in einer Machtstellung hatte in Megaria einfach keinen Platz. Sie erinnerte sich an ihren Talos voller Abscheu. „Dieser fette Tölpel und Hinterlader!“ Vielleicht würde sie eine ihrer Hofdamen zu ihrer Nachfolgerin machen. Aber sobald sie dies verkündete, wäre sie vor Anschlägen auf ihr Leben nicht mehr sicher. Sie bräuchte Schutz, einen Vorkoster, zusätzliche Wachen… Und doch würde sie eines Tages die vergiftete Nadel zu spät bemerken, das fliegende Messer nicht sehen, mit dem durchgeschnittenen Sattelgurt in den Tod reiten, plötzlich über die Zinnen gestoßen werden… Nein! Eine Erbin würde sie nur in ihrem Testament vermerken. Oder zumindest so etwas als Gerücht streuen, überlegte Megara mit einem sardonischen Grinsen. Denn sobald die Adelsdamen ahnten, dass sie auf der Suche nach einer Prinzessin war, würden sie sich überschlagen, um ihr zu gefallen.

Sie ruckte an der Leine und stand vom Thron auf. Ihr „Hündchen“ folgte ihr auf allen Vieren durch den Saal. Megara griff nach einer Traube aus einer Silberschale und legte sie dem Hündchen in die Senke zwischen Nase und Augen. Abas verharrte mit dem Kopf im Nacken und balancierte die kleine Frucht. Er wusste aus Erfahrung, was geschah, wenn die Traube versehentlich hinabrollte. Die Stunden mit der Spreizbirne in seinem Hintern würde er niemals vergessen! Auf ein Schnippen bewegte sich Abas ruckartig und schnappte so die Traube mit dem Mund auf. „Gutes Hündchen“, lobte die Herrin ihn kichernd. „So gefällt mir der Königsgemahl!“

Megara setzte ihren Weg durch den Saal und anschließend einen langen mit Marmor verkleideten Säulengang entlang fort. Abas blieb eng an ihrer Seite – nicht nur wegen des scharfen spitzen Stachelhalsbandes. Auch war er darauf „dressiert“ worden, schön „bei Fuß“ zu krabbeln. Durch das Doppelholz um seine Hoden konnte er nicht verhindern, sich ab und zu das Gehänge zu zerren, aber fast war er schon daran gewöhnt. Seine Keuschheitsröhre hing schwer nach unten. Kleine Glöckchen bimmelten bei jeder Bewegung.

Megara schritt weiter bis in einen Flügel des Palastes, der in einen Tempel mündete. Früher wurden hier die Alten Gottheiten verehrt. Aber Megara hatte die „Götzen“, wie sie sagte, längst abgeschafft, die Statuen und Bilder zerschlagen lassen. Nun erstrahlten Altar, die Wände und Säulen in goldenen Abbildern der Tyrannin. Nur Priester, die ihren Alten Göttern abgeschworen hatten, waren im Amt geblieben. Hohepriesterin war eine Dame geworden.

Megara betrat den sakralen Prachtbau und befahl Abas: „Sitz!“ Der Sklave musste sich hinhocken, obwohl seine Schenkel von der anstrengenden Gangart bereits brannten. Die Despotin schritt durch die große Halle. Ein Feuer in einer großen schmiedeeisernen Schale loderte auf. Zahlreiche Kerzen brannten an den Wänden in ihren Halterungen. Die selbsternannte Göttin sah auf dem Altar den großen mit Samt ausgeschlagenen Korb, in den die Gläubigen „freiwillige“ Gaben legten. Die letzten Münzen gaben ihre Untertanen, um gut dazustehen, denn die Spender der Kollekte wurden von den Priestern penibel genau schriftlich festgehalten. – Und damit auch, wer nichts gegeben hatte. Bei diesen Personen konnte es durchaus geschehen, dass ihre Sklaven von Ordnungshüterinnen abgeholt wurden und in den dunklen Minen von Megaria für immer verschwanden oder nach Osten verkauft wurden.

Die Alleinherrscherin sonnte sich in ihrer Göttlichkeit. Als Gebieterin erhielt sie Steuergelder, als Göttin Opfergaben. Das Leben war schön! Bei Sonnenuntergang würde sie hier eine große Messe zelebrieren lassen, bei der ein Jüngling… Nun, es würde auf jeden Fall ein pikant anregendes Erlebnis für ihre Untertanen werden – und sie selbst würde von der versteckten Loge aus alles beobachten.


99. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 05.07.20 16:28

Auf „Ledas Paradies“ bat der Stallbursche darum, seine Fesseln zu lösen, doch Leda blieb stur: „Nein! Deine so genannten Kameraden haben dich ins Messer laufen lassen. Jetzt musst du dafür büßen, dass sie mich auf diese schändliche Weise betrogen haben.“ Der Stallknecht saß an einen Pfahl in Ledas Unterkunft gefesselt und gelehnt auf dem Boden, seine Hände waren hinter dem Balken gebunden. Seine Kleidung hatten ihm die Gardistinnen bis auf den letzten Fetzen ausgezogen, als sie ihn nach weiteren Waffen durchsucht hatten. Leda warf einen flüchtigen Blick zu dem jungen Mann. Unzüchtige Gedanken gingen ihr durch den Kopf. „Gut gebaut ist er ja“, dachte sie mit einem Schmunzeln.

Laut sprach sie: „Ich sollte dich in einen Keuschheitsgürtel stecken. Ich habe noch Exemplare hier.“ Der Bursche keuchte. „Nein, bitte nicht! Und…. Darf ich bitte…“ Leda sah ihn streng an: „Bitte was?“ Der Stallknecht stammelte: „Darf ich bitte… eine Hose… haben, damit ich… mich… bedecken kann….?“ Leda schimpfte: „Kannst du deine Majestät einfach so respektlos ansprechen, du Wurm?“ Der Gefangene sah erschrocken nieder: „Entschuldigt, bitte, Majestät! Es tut mir leid! Hohe Majestät! Ich, Euer niedrigster Diener, erbitte nur eine Bahn Stoff, um meine Lenden bedecken zu können.“ Leda konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Was hast du denn da so geheimnisvolles zwischen den Beinen?“ Ruckartig klemmte der Bursche seine Knie zusammen.

Leda näherte sich ihrer Geisel und forderte: „Zeig es mir! Na, los! Wirst du deiner Königin gehorchen!?“ Dem Stallknecht sah man an, wie schwer es ihm fiel. Sein Kopf wurde knallrot, sein nackter Leib zitterte. Langsam öffnete er seine Schenkel und präsentierte seinen Schritt. Sein Liebesstab war sogar halb aufgerichtet. Darunter befanden sich zwei große längliche Bälle in einem engen Hautsack. Leda starrte dem Burschen auffällig zwischen die Füße, was den Knecht noch tiefer erröten ließ. „Bitte, Hohe Majestät“, bettelte er mit zittriger Stimme, die nun brach. „Bitte blickt nicht her.“ Leda sagte streng: „Du bleibst unbedeckt! Sei froh, dass wir dich nicht an eine Palme binden und dich verdursten lassen, wie es mein Berater gewünscht hat!“ Der Stallbursche ächzte auf. Sein Unterkiefer zitterte wie Espenlaub. Seine Augen wurden groß, und sein Blick war orientierungslos. In Gedanken verfluchte er seine Kumpane. „Diese gemeinen Schweine! Diese Drecksäue!“, grämte er sich. Honos hatte ihm versprochen, dass er seit gestern wieder frei sein würde. „Dieser Hund! Dieser Verräter!“

Leda entkleidete sich langsam zur Nacht. Der Stallbursche machte große Augen, denn er hatte bisher nur selten so viel nackte Haut eines Weibes gesehen. Und dann auch noch eines so schönen! Und dann auch noch einer Königin! „Hast du noch nie ein Weib gesehen?“, fragte sie den Gefesselten neckisch. Der Stallbursche, der sich ertappt fühlte, senkte schnell und verlegen den Blick. Leda störte sich nicht an den Augen des Jünglings, die krampfhaft versuchten, den Boden anzustarren, aber immer wieder für einen Augenblick übermütig wurden und aus ihren Winkeln zu der Königin schielten. Das Herz des Burschen pochte immer schneller und lauter, und auch sein Liebesstab hatte sich in voller Größe aufgerichtet.

„Was versteckst du denn da zwischen deinen Beinen? Ich habe doch sowieso schon alles gesehen“, meinte Leda grinsend. „Los! Mach die Schenkel breit, oder es setzt was mit der Gerte.“ Der Stallbursche begann vor Aufregung stark zu zittern. „Bitte, Majestät, tut mir das nicht an…“ Seine weinerliche Stimme bebte. Leda näherte sich fast unbekleidet dem jungen Mann und zog sanft seine Knie auseinander. Der Stallbursche hörte vor heißer Scham nur noch laut das Blut in seinen Ohren rauschen. Ihm wurde schwindelig. Wäre er nicht in einer so heiklen Lage, wäre er wohl ohnmächtig geworden, aber entsetzt sah er auf seine pralle Schwellung zwischen seinen Beinen, dann wagte er einen flehenden Blick zu seiner Monarchin.

„Bereust du deine Meuterei?“, fragte sie und strich zart über den Oberschenkel des Jünglings. „Ja, Hohe Majestät“, hauchte er. „Honos ist ein mieser Verräter! Und ich hätte niemals weglaufen dürfen! Verzeiht mir, bitte Majestät! Ich tue alles, um Buße ablegen zu dürfen!“ Leda strich weiter und bemerkte, wie die feste Rute übermütig hüpfte. Ihre kleinen Finger kamen seinem Lustdolch immer näher. Der Stallbursche spürte, wie es in ihm brodelte. Er würde bald die Königin bespritzen! Oh, nein! Das durfte nicht geschehen! Lieber wollte er sterben! Nicht das! Das Schicksal hatte schon gemein und übel genug zugeschlagen! Nicht noch das!

Er versuchte sich zu beruhigen, aber Ledas Finger berührten bereits die Wurzel seiner Männlichkeit. „Nicht!“, quiekte er hoch wie ein Weib und spürte das Kribbeln, dass sich in seinem Unterleib ausbreitete. Leda kicherte. „Hat dich schon jemals ein Weib so berührt?“ Der Stallbursche hechelte und keuchte. „Ich…bin…noch…unberührt…Majes….Majes…tät!“ Leda ließ ihr letztes Tuch fallen und entblößte ihre wunderbaren Brüste. Der Stallbursche krächzte etwas Unverständliches. Dann keuchte er und…

Leda ahnte es und ging in Deckung: Ein weißer Strom schoss aus des Burschen Manneskraft, haarscharf am Antlitz der Königin vorbei. Wären die Hände des jungen Mannes frei gewesen, so hätte er sie erschrocken vor den Mund und seine Augen gehalten. Er starrte auf die Pfützen und spürte noch ein angenehmes Prickeln. Und trotz der schrecklichen Situation war es sooo schön gewesen… Für einen Moment… Was war das für ein Vergnügen gewesen! Es war das schönste Gefühl, das er jemals erlebt hatte. Zwar hatte er schon herausgefunden, wie ein Mann sich selbst mit der Hand befriedigte, doch war Ledas Anwesenheit etwas ganz anderes.

Doch dann machte er sich die völlig abstruse Lage klar. Würde er nun enthauptet werden wegen Majestätsbeleidigung? Ihm wäre sogar Hochverrat lieber gewesen, als sich eingestehen zu müssen, vor der Königin… Der Stallknecht kniff die Augen zu. War alles nur ein süßer aber fürchterlicher Traum? Nein, er saß nackt vor seiner Majestät und hatte seinen Samen entladen… Der süße Höhepunkt war bereits vergangen; nun blieb eine dumpfe Übelkeit. Konnte es noch arger werden? „Mach dir keine Sorgen“, sagte Leda und lächelte ihn an. „Du kannst nichts dafür.“ Sie ging zum Bett und legte sich schlafen, als sei nichts geschehen.

Als die Sonne aufgegangen war wischte sie die inzwischen getrockneten Flecken vom Boden. Der Stallbursche kam aus dem Staunen nicht mehr raus. Erst spritzte er vor der Majestät, und jetzt schrubbte sie auf Knien vor ihm den Boden… Er stöhnte. Ein verrückter Magier musste ihm diese Versionen in den Kopf gepflanzt haben, um ihm den Verstand zu nehmen. Aber nachdem die Königin aus ihrer Unterkunft getreten war, holten ihn zwei Gardistinnen und brachten ihn raus. Alles war wahr. Auch, wenn er es nicht wirklich begriff.

An einem Bach konnte er sich waschen und seine Notdurft verrichten. Endlich erhielt er auch seine Kleidung zurück. Allerdings legte ihm eine der Frauen einen Keuschheitsgürtel an. Das also sollte wohl die Buße sein. Würde er nun nicht mehr aufgeschlossen werden? Bang sah er seiner Zukunft entgegen. Er war doch noch so jung. Sollte seine Männlichkeit auf ewig versperrt sein?

Einige Meilen entfernt vergnügten sich die verbliebenen sieben Meuterer bei einem Festmahl. Auch Wein und Rum flossen in Strömen, so dass bald alle Männer lallend und wankend in ihrem Unterschlupf auf dem großen Felsen feierten. Grölend und lachend waren sie noch weit entfernt zu hören und übertönten die Gesänge der Vögel und das Meeresrauschen. Bis zum Sonnenaufgang hatten sie gesoffen und gefressen – anders konnte man es nicht formulieren. „Und der dumme Tölpel dachte wirklich, wir lassen uns wieder einsperren, um ihn auszulösen“, brüllte der Diener. Die anderen lachten lauthals. Tartaros lief der Rotwein den Bart hinunter. Ein Soldat johlte: „Der wird schön eingesperrt werden und von unserer lieben Königin zu Anstand erzogen.“ Darauf stießen der Jäger und Regin mit ihren randvoll gefüllten Bechern an.

Obwohl die derben Kerle bis zur Hutschnur abgefüllt waren, suchte sich jeder nun endlich eine Nische, in der er ungestört an seinem Gehänge spielen konnte. Honos und die beiden Soldaten hatten damit kein Problem. Bevor sie einschlummerten, verströmte ihre Lust auf dem felsigen Boden. Der Jäger und Regin versuchten es erst gar nicht, doch hatten sie erotische Träume, so dass sie ein paar Stunden später, als sie ihren Rausch ausgeschlafen hatten, ihrem Drang als erstes nachgaben.

Der Diener dagegen wollte einfach nur in den Schlaf schlummern, aber Tartaros bedrängte ihn, bei ihm zu schlafen. Körperlich war der kräftige Schmied dem schlaksigen Lakai in jeder Hinsicht überlegen. „Ho, was wird das denn?“, fragte er den Hünen, der ihn einen Kopf überragte und fast doppelt so breit und schwer war. „Sei ruhig, hab dich nicht so. Es wird dir gefallen. Lass uns ein kleines Spiel spielen.“ Der Diener, vom Rum benebelt, bekam gar nicht mehr alles mit. Leise kichernd ließ er sich entkleiden und ein Stück von den anderen entfernt, über einen Steinbrocken vorbeugen. „Was hast du vor, du Schlingel?“, lallte der Diener. Der Schmied nestelte an seiner groben Hose und holte ein Ungetüm hervor, das sich in diesem Moment noch gewaltiger aufzublasen schien. Darunter hingen dicke pralle Eier.

Der Diener versuchte sich mit den Händen irgendwo abzustützen, aber er rutschte ungeschickt immer wieder weg. Der schwere Schmied presste sich gegen die Hinterschenkel des Dieners und dessen rundes kleines Gesäß. „Was machst du da?“, lallte der entblößte Lakai. Tartaros grinste schmierig. „Ich habe doch gesagt: Wir spielen ein Spiel!“ Mit diesen Worten zog er mit seinen riesigen Pranken die Arschbacken des schlanken Mannes auseinander. Kurz darauf grunzte er wie ein Schwein. Der Diener quiekte wie ein Ferkel und zappelte unter dem kräftigen Schmied. Doch nach wenigen gewaltigen Stößen vergaß der Nackte seine Gegenwehr und streckte seinen Hintern seinem Gefährten willig entgegen und stöhnte. Sein Phallus war unter seinem Körper eingeklemmt, aber ebenfalls prall und hart.

Der Große Wald brannte lichterloh. Einige Tiere konnten sich retten, und Vogelschwärme flüchteten in Myriaden panisch durch den schwarzen Rauch. Die Truppen der Fama warteten ungeduldig. Die Anführerin grummelte: „Jetzt müssten bald die ersten Vogelfreien herauskommen. Sonst gibt es für sie keine Hoffnung mehr und ihre dreckigen Leiber werden so schwarz wie ihre Seelen.“ Doch auch in den nächsten Stunden sollte ihnen nur das eine oder andere Waldtier begegnen, das panisch Rettung suchte.

Als das Feuer nur noch im Inneren des Waldes wütete, standen die Soldatinnen vor einer pechschwarzen abgebrannten Ödnis aus Baumstümpfen und verbrannter Erde. „Vorwärts! In kleinen Einheiten! Umzingelt das Feuer und rückt vor!“, brüllte die Anführerin und winkte ihre Uniformierten über das verkohlte Gelände. Die Reiterinnen schritten mit ihren Rössern in breiten Reihen vorwärts und suchten nach Spuren. Mit der Zeit wurden die Sorgenfalten der Anführerin immer tiefer. Bald trafen sich die Soldatinnen in der Mitte des Gebietes. Wo war diese Rotte von Sklaven? Schließlich war das gesamte Grün niedergebrannt. Aber es gab keine Spur der Vogelfreien. „Das kann doch nicht mit rechten Dingen zugehen“, fluchte die Anführerin. Sie bebte vor Wut und knirschte mit den Zähnen. „Hält man mich für einen Popanz? Wie stehen wir jetzt da?“

Auf diese Frage wussten ihre Untergebenen auch keine Antwort. Und das war auch besser so, denn die Frau hatte ihre Finger um den Griff ihres Degens gepackt und versuchte diesen zu zerquetschen. Die kleinste Provokation hätte nun ausgereicht, und ihre Klingenspitze hätte das erstbeste Opfer durchbohrt. Auf dem Rückweg wurde der Führerin übel vor Angst. Was sollte sie der Stadthalterin berichten? „Es tut mir leid, aber die Vogelfreien haben sich in Luft aufgelöst…“ – Nein, lieber nicht. Dann wurde ihr auf einmal alles klar: Der Informant hatte einen falschen Ort angegeben! Ihre Wut verdoppelte sich. Was würde sie darum geben, das Männlein jetzt vor sich zu haben!? Es würde die letzten acht Stunden seines Lebens verfluchen!

In vielen Meilen Entfernung rutschte ein Späher von einem Baum und ließ sich an einem Seil geschickt dabei hinab wie ein Matrose auf einem Segelschiff in der Takelage. Er lief zum gut getarnten Hauptquartier hinter einer Blätter- und Efeuwand und berichtete von dem Rauch. „Es muss einen gewaltigen Waldbrand gegeben haben.“ Weil es keine Flammen mehr gab, sei dies nicht sonderlich beunruhigend. Das Feuer habe sich nicht in ihre Richtung ausbreiten können, meinte einer der Männer. Doch Lykos war skeptisch. „Die suchen uns! Das ist kein Zufall!“ Wenn Megaras Schergen sie auf diese Weise finden wollten, so würden sie noch lange Zeit die Lande durchstöbern, doch unmöglich war es auch nicht. Die Vogelfreien mussten auf der Hut sein. Ihr Leben hing davon ab.

In der Metropole musste die Anführerin des Jagdtrupps der Stadthalterin mit säuerlichem Gesicht reinen Wein einschenken. Würde sie nun degradiert werden? Doch Fama war milde gestimmt: „Es war nicht Eure Schuld. Geht!“ Erleichtert verließ die Führerin den Palast. Was für ein Tag! Ein riesiger Fels fiel ihr vom Herzen. Sie hatte schon Schlimmes befürchtet. Jetzt musste sie sich erst mal in einem Freudenhaus abreagieren. Sie ritt zu dem Gebäude mit den süßen Jünglingen, die auf weibliche Kundschaft warteten. Die Uniformierte bestellte gleich zwei Liebessklaven, die sie verprügeln und anschließend lieben konnte. Aber danach musste sie dringend nach Hause, denn ihr Haussklave hockte schon den ganzen Tag in seinem engen Käfig. Er hatte nichts zu trinken. Die Frau wusste schon, was sie ihm anbieten würde…

Megara stolzierte hochmütig in ihren prächtigen Harem. Zwei Dutzend hübsche Männer warteten in Keuschheitsgürteln auf sie. Von ihnen waren fünf Jünglinge noch nicht an die eisernen Hosen gewöhnt, denn sie waren völlig unwissend in die Hauptstadt gezogen, um um die Hand der Herrscherin und Göttin anzuhalten. Leider war in letzter Zeit der Strom an „Frischfleisch“ versiegt, denn inzwischen hatte es sich auch bis in die tiefste Provinz herumgesprochen, dass Megara ein rigides Frauenregiment führte.

Sie überlegte, welchen Sklaven sie heute Nacht wohl beglücken wollte… Die Neuen kamen nicht in Frage, denn sie sollten zunächst einige Monate im Keuschheitsgürtel verbringen, damit sie „bereit“ wären. Sie mussten noch „reifen“. An ihrer Seite hockte, wie meist, ihr Schoßhündchen Abas. „Du da!“, zeigte sie auf ein Exemplar mit besonders großem Phallus, wie sie aus Erfahrung wusste. Der Mann kam devot und vorgebeugt zu ihr und kniete sofort nieder. „Zeig mir dein Gemächt!“, forderte sie scharf. Der Sklave gehorchte sofort und zog seine Männlichkeit hervor, dass unter der Keuschheitsschelle baumelte. Megara hob mit ihrer Stiefelspitze den Sack an und lachte: „Der ist aber noch gar nicht voll.“

Sie ließ ihn stehen und widmete sich lieber einem anderen Mann. Sie zückte den Generalschlüssel und entfernte seinen Keuschheitsgürtel. „Mach ihn groß! Oder willst du mich beleidigen?“ Der Sklave schrubbte ängstlich seine Rute und zeigte sie wenige Momente später prall und steif vor. Dann wiederholte Megara dies mit einem zweiten Liebessklaven. „Haltet eure Größe bei!“ Sie setzte sich auf einen prunkvollen Diwan und schaute, was geschah. Als die Männer mit ihren Händen nachhelfen wollten, rief Megara: „Finger weg, ihr Lumpenpack!“ Die Sklaven waren zwar sehr erregt, hatten aber Mühe, ihre Steifigkeit die ganze Zeit über ohne Berührung beizubehalten. Immer wieder zuckten ihre Hände in Richtung Schritt, wagten aber nicht, den Befehl zu missachten.

Megara zerrte an Abas Leine. „Los. Kriech hin und sorge dafür, dass beide schön hart sind! Und wage es ja nicht, ihren Samen zu entladen!“ Abas watschelte zum ersten Sklaven und wollte gerade den Prügel des Sklaven ergreifen, als plötzlich eine Wächterin, die er zuvor noch gar nicht bemerkt hatte, seine Hände wegriss, grob mit einer Kette umwickelte und hinter seinem Rücken fixierte. Megara lachte schallend und forderte ihr Schoßhündchen auf: „Doch nicht mit den königlichen Fingern!“ Sie lachte so sehr, dass sie kaum noch Luft bekam. Dann beruhigte sie sich und machte eine befriedigte arrogante Miene, als sie Abas dabei beobachtete, wie er den Sklaven mit dem Mund bei ihrer Steifigkeit half.

Als der Königsgemahl erschöpft zum zigsten Mal zwischen den Männern wechselte, weil der Stab des anderen gerade langsam niedersank, wagte er einen kurzen Blick zum Diwan. Megara war verschwunden. Stattdessen standen links und rechts von dem Möbel Wächterinnen mit verschränkten Armen. Sie sahen streng zu Abas hinab. In ihren Gürteln steckten ein Dolch, eine dicke Lederpeitsche und eine Lederrute. Hochnäsig sahen sie auf Abas hinab. Grausame Augen, die irgendwie fasziniert waren, starrten ihn an. Die linke Frau grinste schadenfroh und belustigt, während die andere ihn ernst beobachtete. Doch insgeheim ergötzten sich beide an Abas Leid. Der Königsgemahl war sich sicher, dass sie vor nichts zurückschrecken würden, wenn er einen der Männer schlaff werden ließe. Aber ihren Samen durften sie auch nicht verströmen. Dieses Dilemma war unbeherrschbar...

100. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 12.07.20 17:08

Fama stieg in den Kerker hinab. Gut, dass sie den Gefangenen noch nicht hatte töten lassen. Sie ließ sich in seine Zelle bringen, wo er bereits wieder mit Ketten an den Armen aufgehängt war. An seinem Gemächt hing mehr Gewicht als je zuvor. Der Sklave sah erschöpft zu seinem hohen Besuch auf und stöhnte laut, als durch die leichte Bewegung seines Körpers die Gewichte schwangen und weiter an seinen Eiern zerrten und ruckten. Fama nickte zur Gittertür: „Geht nach oben. Ich mache das alleine.“ Die Wärterinnen sahen sich kurz an und marschierten aus der Zelle. Ihre Uniformen und Stiefel klackten und ihre Waffen schepperten. Die Stadthalterin sah die große Anzahl Folterinstrumente auf den Tischen liegen: Zangen aller Art, Brandeisen, Haken, Klemmen, Daumenschrauben, sogar eine Knochensäge und vieles mehr. Doch sie entnahm ihrer prachtvollen Tunika nur ein kleines Metallstäbchen, das nicht viel dicker war als ein Federkiel. Sie näherte sich damit dem Hängenden und lächelte.

In der oberen Etage, wo weniger wichtige Gefangene einsaßen, hörten die Wärterinnen die gellenden Schreie nach Gnade! Anfangs grinsten sie sich zu. Nach einer Weile wurden sie ernster und nickten respektvoll; schließlich weiteten sich ihre Augen. Was, um Megaras Gnade, tat die Senatorin da unten mit dem Delinquenten? Die Wärterinnen hatten schon gar mancher peinlichen Befragung beigewohnt, und auch die eine oder andere Untersuchung hatten sie selbst durchgeführt. Zur Übung gab es genügend Sklavenmaterial. Aber solch unmenschlichen Laute hatten sie noch nicht erlebt.

Als Fama den Kerker verließ, schrie der Gefangene immer noch. Die Stadthalterin sagte kurz angebunden: „Wir wissen nun, wo sich die Vogelfreien aufhalten. Bringt mir meine Adjutantin. Es muss noch heute ein Truppenverband aufbrechen.“ Mit wehendem Umhang entschwand sie und setzte den Satz in Gedanken fort: „…bevor Megara Wind davon bekommt, dass wir uns von dem Stück Vieh da unten zum Narren gehalten haben lassen.“ Neugierig stapften die Uniformierten die Treppe nach unten und wollten einen Blick in die Zelle werfen. Was hatte Fama ihm nur angetan?

Einstweilen hatte der Mann mit seinen Schreien aufgehört und wimmerte mit hängendem Kopf vor sich hin. Als er die Wärterinnen sah, schrie er: „Nehmt es raus! Nehmt es raus! Um der Gnade aller Götter! Ich flehe Euch an! Ich habe alles gesagt!“ Die Wächterinnen sahen sich stutzig an. Der Gefangene schien unversehrt. Die Feuerkörbe waren kalt. Glühende Eisen konnten also nicht zum Einsatz gekommen sein. Seine Finger und Zehen waren auch noch an ihrem Platz. Sogar die Gewichte waren nicht mehr um sein Gemächt gebunden. Hatte Fama ihn etwa… Doch es waren nirgends Spuren zu sehen. „Holt es raus!“ schrie er wieder.

Eine der Frauen stapfte um den hängenden Gefangenen herum und riss seine Hinterbacken auseinander. Hatte Fama ihm wohlfeil eine Spreizbirne verpasst? Aber da war nichts. Eine der Wächterinnen schlug ihm mit ihrem Lederhandschuh hart ins Gesicht. „Sprich nicht in Rätseln! Was sollen wir rausnehmen?“ Der nassgeschwitzte Mann sah der Frau flehend ins Antlitz.

Majestät Leda ließ sich von Thrym und Hagbard überreden, allen Männern die Keuschheitsgürtel abzunehmen. Nur so könne sie sicher sein, nicht Opfer einer zweiten Meuterei zu werden. „Aber sie bekommen doch regelmäßigen Aufschluss“, hatte Leda argumentiert. „Wenn hier ungezügelte Unzucht blüht, dann kann dies auch in Anarchie umschlagen…“ Aber ihre Berater zerstreuten ihre Bedenken – vermutlich nicht ganz uneigensinnig.

Als die Inselkönigin die Neuigkeit verkündete, war die Freude riesengroß. Die Mägde und die Köchin jauchzten vor Begeisterung, denn nun würden auch sie die Chance auf einen Recken haben. Die Männer waren natürlich alle höchst entzückt. Leda hatte jedoch gemischte Gefühle dabei. Und würde Gladius ihr treu bleiben? Seinen Schlüssel hatte sie in letzter Zeit nicht in der Kiste, sondern um den Hals getragen, um das alleinige Recht an ihm zu behalten. Doch wie sollte sie ihn ohne Liebesstabkerker kontrollieren? Konnte sie ihm trauen? Oder würde er hinter anderen Röcken her sein?

In der kommenden Nacht zeigte es sich: Gladius bat um Einlass, und Leda gewährte ihm freudestrahlend seinen Wunsch. Die Beiden liebten sich leidenschaftlich wie nie. „Versprich mir, deinen Samen nur deiner Königin alleine zu geben!“ bat Leda. Der Soldat schwor ihr ewige Treue, und das junge Paar liebte sich ein zweites Mal. Plötzlich horchte Gladius auf: Was war das? Ein Füßescharren? Leda war es ein bisschen peinlich. Sie hatte den Stallburschen vergessen, der wieder in ihrer Unterkunft, allerdings im Nebenraum, angebunden war. „Das ist nur der Meuterer“, sagte sie lahm und winkte ab. Aber Gladius setzte sich auf. „Du meinst, er hat uns belauscht, als wir…“ Leda kicherte: „Du warst lauter als ich.“ Gladius grinste. „Und was wird aus ihm? Behält er seinen Keuschheitsgürtel?“ Leda antwortete: „Ja, er soll Buße tun.“ Die Zwei kuschelten sich an sich und schliefen Arm in Arm ein.

Der Stallbursche hatte auch das abschließende Gespräch mitbekommen. Resignierend ließ er den Kopf hängen. Das Stelldichein im Nebenraum hatte ihn heiß wie Lava gemacht. Aber die Majestät war im Recht: Er musste und wollte auch Buße tun. Er würde den Keuschheitsgürtel so lange tragen, wie es die Königin für angemessen ansah. Auch, wenn das bedeuten sollte, dass er nun und für unbestimmte Zeit von seiner hungrigen Männlichkeit gequält wurde.

In der Hauptstadt von Megaria feierten die Edelfräuleins ausgelassen und fröhlich wie jeden Abend. Megara hatte sich zurückgezogen. Nachdem sie eine Weile in Eselsmilch gebadet hatte, kehrte sie zum Harem zurück, wo Abas in einem winzigen Käfig zusammengekrümmt hockte. Das Gittergestell war aufgehängt worden. An seinem Gesäß waren Spuren des Brandeisens, dass die Wächterinnen ihm zur Strafe in das Sitzfleisch gedrückt hatten. Seine Aufgabe, die beiden Liebesdiener steif zu halten, war ihm irgendwann nicht mehr gelungen. Einer von den beiden hatte letztlich abgespritzt und war dann nicht mehr schnell genug wieder hart geworden. Dafür hatte Abas den Preis zahlen müssen.

Megara sah ihren Schoßhund kopfschüttelnd an. „Du böses, böses, böses Hündchen!“ Sie zeigte auf den Spritzer und meinte streng: „Steckt ihn wieder in seine eiserne Hose. Und versiegelt sie auf ein Jahr.“ Der Sklave riss geschockt den Mund auf. Zwölf Monde lang!? „Und den anderen bringt in mein rotes Schlafgemach. Er soll mir das Bett wärmen und sich bereithalten.“ „Höchste Gottheit Megara“, begann eine der Wächterinnen, „ich habe Euer Vergnügungshündchen bereits mit dem glühenden Strafeisen für sein unentschuldbares Versagen gezüchtigt.“ Megara sah die Frau voller Hochmut an. „Lasst ihn eine Nacht dort hängen. Morgen überlege ich mir, was ich mit ihm mache. Und erfrischt ihn jede Stunde ein wenig im kalten Wasserbecken.“

Als Megara den Harem verließ, knieten die Wächterinnen devot nieder und beugten das Haupt. An einer Deckenschiene zogen sie kurz darauf den schwankenden Käfig über das Wasserbecken, dann ließen sie ihn an einem dicken Hanfseil hinab, bis er platschend und glucksend untergetaucht war. Nach einer Weile zogen sie Abas wieder in die Höhe. Prustend, keuchend, spuckend und tropfend hockte er in seinem kleinen Zwinger und schnappte nach Luft. Die Uniformierten grinsten über das nasse Häuflein Elend.

Tartaros grinste schief, als er zu dem noch schlummernden Diener sah. Seine Männlichkeit fühlte sich prächtig an! Wie lange hatte er keinen Kerl mehr genommen? Das musste viele Monde her sein. Mit einem Fuß trat er lässig nach dem schlaksigen Burschen. „Hey! Aufwachen! Sonst verpennst du noch den ganzen Tag!“ Der Diener zuckte und wachte auf. Bei den ersten Bewegungen erinnerte ihn ein schmerzhaftes Brennen an seiner Kehrseite, was er gestern im Suff erlebt hatte. Als er Tartaros sah, wurde er ganz rot im Gesicht. „Du…was haben wir… ich…“ Der Schmied lachte dreckig. „Ja, so sieht es aus! Ich habe da wohl eine kleine Jungfrau geangelt!“ Plötzlich waren auch die anderen Meuterer um ihn herum und grölten. Regin brüllte: „Hey, es hat dir ja wohl auch Vergnügen bereitet!“

Der Diener verstand nicht, wovon die Männer sprachen, bis ein Soldat eine obszöne Geste machte und ihm zeigte, wie er ebenfalls abgespritzt hatte. Kopfschüttelnd und entsetzt weigerte sich der Diener es zu glauben. Aber eines stand fest: Er war nun das Liebchen von Tartaros. Der Diener machte eine jammervolle Miene und stotterte: „Ich wi… will mei… meinen Keusch…heits..heitsgür…tel wieder ha…ben!“ Das sorgte für erneut aufbrandendes Gelächter bei den Männern. Tartaros nahm ihn in den Arm und drückte ihn, als wolle er ihn zerquetschen wie eine große überreife Frucht und feixte vor den Zuschauern. „Kein Kerl fasst mir meinen Jungen an!“

Weit entfernt in Megaria brannten einige Wälder lichterloh. Zur Verstärkung hatten die Soldatinnen Ölfackeln geworfen sowie Brandpfeile eingesetzt. Die Truppenverbände hatten weite Regionen umzingelt und schritten mit gezogenen Waffen vorwärts, um den Kreis um die Gesuchten immer enger werden zu lassen. Denn sollten sie diesmal wieder erfolglos sein, so hatte Fama ihnen die Henkerin versprochen. Schließlich tauchten erste Vogelfreie auf, die bei der Übermacht der Soldatinnen und Kampfsklaven sofort aufgaben. Andere waren wagemutiger und versuchten einen Durchbruch, doch es dauerte nicht lange, bis auch sie eingefangen waren und hinter den Rössern hergezogen wurden wie Schlachtvieh. Zuvor hatten die Soldatinnen ihnen die Kleider vom Leib geschnitten, denn sie sollten demütig und nackt in die Stadt einziehen und ein abschreckendes Beispiel für zukünftige Flüchtige sein.

So tauchten nach und nach alle Vogelfreien auf, und auch die Siedlung und Verstecke der Abtrünnigen brannten völlig nieder. Zu den Gefangenen, die sich wehrten, gehörte Lykos. Er war zwischen zwei Reiterinnen hindurch gelaufen, die ihn beinahe aufgespießt hätten, und hatte mit weiten Sprüngen das Hasenpanier ergriffen, war auf einen kleinen Abgrund zugelaufen, dann todesmutig hinab gesprungen, ohne genau zu wissen, wie tief der Graben war oder was ihn dort überhaupt erwartete. Der Überhang aus Erde ragte nur sieben Fuß über den Boden, so konnte der Exsoldat unverletzt landen und weiter rennen. Zwei Soldatinnen zu Ross konnten die Barriere nicht überwinden und hätten einen weiten Umweg reiten müssen. Daher blieben sie zurück, und stattdessen sprangen fünf Kampfsklaven hinterher und verfolgten den Flüchtigen zu Fuß.

Als Lykos hinter einer Kurve über eine knorrige Wurzel stolperte, dachte er, dass dies sein Verderben sein würde. Doch das Gegenteil war der Fall: Er stürzte und versank in einem Berg von Blättern und Zweigen, die ihn komplett bedeckten. Die Kampfsklaven liefen stampfend und keuchend an ihm vorbei wie blinde Ochsen. Noch lange lag Lykos in seinem Versteck und wartete ruhig ab. Irgendwann getraute er sich aufzustehen und die Blätter von seiner Kleidung abzuschlagen. Dann sah er sich genauer um. Keine Kampfsklaven, keine Reiterinnen. Niemand. Lykos atmete einmal tief durch. Sie hatten ihn wohl aufgegeben und waren abgezogen.

Lykos machte sich auf den Fußmarsch… Aber wohin? Er hatte keine Ahnung. Nur weg von der Metropole. Vielleicht Richtung Südwesten. Die Luft roch furchtbar verbraucht und schwefelig. Er sah überall Rauch. Er war noch mitten in dem Waldgebiet, in dem die Soldaten Feuer gelegt hatten. Bald stellte er fest, dass die Flammen noch loderten und ihn eingekesselt hatte. Die rauschenden, fauchenden, fiependen, brüllenden Brandwände kamen immer näher auf ihn zu. Lykos dachte fieberhaft nach, wie er dieser tödlichen Hölle entkommen könnte, doch es gab keine Fluchtmöglichkeit. Lykos betete zu den Alten Göttern und schloss mit seinem Leben ab. Seine letzten Gedanken galten Leda.
Der wunderbarsten Frau in seinem Leben…

Der enge Käfig des Schoßhündchens wurde aufgeschlossen. „Raus da! Los!“, befahl eine Wächterin und knallte ihm eine kurze Peitsche auf das Gesäß. Abas ächzte und mühte sich rückwärts aus dem kleinen Zwinger. Seine Gelenke waren ganz steif geworden, seine Glieder schmerzten von der gekrümmten Haltung. Und er schlotterte am ganzen Leib, denn die regelmäßigen Wasserbäder hatten seinen Körper ausgekühlt. Trotz seiner Verfassung hatten die grausamen Frauen kein Erbarmen und traten ihn mit Füßen vorwärts. „Mach schon! Megara, die Göttin des Kontinents, hat dich zu sich befohlen. Du solltest ihr für diese unendliche Gnade ewig danken!“ Abas quälte sich in die Hocke und watschelte vor der Frau her, die langen Gänge hindurch und eine Treppe hinauf in einen Salon der Megara.

Die Herrscherin aß von einem Früchteteller und nippte an einem Kristallglas voll kühlem Honigwein. Megara blickte spöttisch und abfällig auf ihr Schoßhündchen hinab. „Was für ein elendes Bild du abgibst, Königsgemahl!“ Sie warf ihm einen Pfirsichkern an den Kopf. „Gestern hast du versagt! Und das wirst du heute bitter bereuen!“ Abas schluckte. Seine Augen starrten auf den marmornen Boden. Was konnte sie ihm noch antun? Er war doch schon am Ende! Die nächsten Stunden sollten für Abas Zukunft von großer Bedeutung sein. Er hatte mit schlimmster Folter gerechnet, doch Megara ließ ihn lediglich auf ein Brett binden und knebeln. Was das bedeutete wusste er nicht und grübelte darüber ängstlich nach.

Nach einer weiteren Stunde kam sie mit einem kleinen Mann zurück. Abas wunderte sich, denn er hatte im Palast sonst keine Männer gesehen. Selbst niedrigere Dienste erfüllten hier Mägde oder Zofen. Erst außerhalb der Mauern wachten auch Kampfsklaven, die von Soldatinnen befehligt wurden. Doch nun sah er sich diesem seltsamen Männchen gegenüber. Der Winzling würde ihm nicht mal ganz bis zur Brust gehen, wenn er nicht gelegen hätte. Der Mann trug ein Kapuzenwams. Von seinem Antlitz war nur ein langer spitzer Bart zu sehen. Die verhältnismäßig langen und dürren Finger endeten in krallenartigen langen Fingernägeln. Er stellte sich an Abas Seite und begann unverständlich zu murmeln. Abas kamen die Laute wie Zauberformeln vor. Sollte er nun verflucht oder verhext werden? Abas schwankte zwischen Furcht und Zweifel. Was wollte Megara ihm antun?

Dann sank der geheimnisvolle Besucher in die Knie, griff nach einer kleinen Ampulle und schüttete sich daraus ein weißes Pulver auf die Handfläche. Abas sah staunend zu. Dann überkam ihn plötzlich große Angst. Gift! Man wollte ihn vergiften! Der Kapuzenmann blies abrupt gegen das Pulver, so dass Abas von dem feinen Staub eingenebelt wurde und husten musste. Er hatte unwillkürlich etwas davon eingeatmet. Kurz darauf bemerkte er, wie ihm schwindelig wurde. Schweiß brach ihm aus. Schließlich schwanden ihm die Sinne.

Zwei Wärterinnen des Hauptkerkers der Metropole unterhielten sich während ihrer Wache über Liebessklaven und die optimale Länge eines Luststabes. Im Hintergrund riefen und flehten Gefangene um Gnade, um Wasser oder um Nahrung. Aus einer anderen Richtung waren Schreie zu hören. Eine „Befragerin“ führte eine peinliche Untersuchung durch. Obwohl die Frauen bezüglich Mitleid und Erbarmen abgestumpft waren, bestaunten sie den kleinen Metallstab, der vor ihnen lag. „Das habe ich wirklich noch nicht erlebt!“, sagte sie lächelnd. „Da haben wir hier ausgebildete Expertinnen, die aus dem Sklaven nur falsche Informationen quetschen, und dann kommt da die Stadthalterin persönlich und erfährt in kürzester Zeit die Wahrheit.“ Die zweite Frau meinte bewundernd: „Auf so eine Idee muss man erst mal kommen! Ich habe ja schon von vielen Möglichkeiten gehört, den männlichen Liebesstab zu behandeln, aber so…“ „Vielleicht sollten wir das mal selbst ausprobieren. Nur so, zur Übung“, schlug die Erste vor. Eifrig loderte ihr Blick auf. Die Zweite stimmte zu. „Gute Idee. Lass uns mal da vorne in Zelle 14 schauen. Den haben sie erst gestern eingeliefert. Hat wohl vor lauter Hunger was auf dem Obstmarkt geklaut. Konnte sich nicht beherrschen. Soll morgen 50 Peitschenhiebe bekommen.“ Die Erste: „Auf geht´s. Stecken wir es ihm rein!“ Die Zweite kicherte maliziös. „Ich will aber auch mal.“ Die Erste: „Einverstanden. Machen wir es zwei Mal. Jeder darf mal ran.“ Die Zweite: „Das ist fair.“ Die zwei Frauen klatschten sich ab und standen auf.

In ihren gerüsteten Uniformen gingen sie scheppernd zu Zelle 14, entriegelten die schwere Metalltür und öffneten sie schrill quietschend. Ein junger Blondschopf, mager bis auf die Knochen, saß verängstigt in einer Ecke und beschattete seine Augen, weil die Fackel der einen Wärterin ihn blendete. Er überlegte fieberhaft, wer ihn da besuchen kam. War die Befragerin schon wieder gekommen? Nein, es waren wohl Wärterinnen. Vielleicht bekam er endlich was zu essen oder zu trinken… Er hörte eine amüsierte und melodiöse Stimme. „Wir haben dir etwas Schönes mitgebracht.“





101. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 26.07.20 16:51

Auf „Ledas Paradies“ begann die Erde zu beben. Die Meuterer spürten die Erschütterungen auf ihrem Felsen besonders stark. „Was ist das?“, fragte ein Soldat. Regin meinte: „Das muss ein Erdbeben sein.“ Honos sah besorgt auf die Ränder ihres Felsberges. Überhängendes Gestein brach einfach ab und fiel in die Tiefe. „Schnell alle runter vom Berg!“ Er lief los, ohne sich noch um die anderen zu kümmern. Tartaros folgte ihm mit kraftvollen und weiten Schritten. Auch der Soldat blieb ihm auf den Fersen. Die anderen sammelten erst noch Utensilien ein und verloren wertvolle Zeit. Das Beben wurde immer stärker. Bald konnte man sich kaum noch auf den Beinen halten. Große Risse entstanden auf dem Boden. Und bei diesem Gewackel mussten die Männer noch einen engen steilen Pfad an der Rückseite des Felsens hinabklettern und das letzte Stück über ein Seil hinabrutschen.

Plötzlich verlor einer der Männer das Gleichgewicht und stürzte kopfüber in die Tiefe. Fast wäre ihm der Diener gefolgt, doch er konnte sich gerade noch festhalten. Allerdings brach das Stück Fels ab und ließ den jungen Mann kreischend taumeln, da packte Tartaros seinen „Schützling“ und zog ihn wieder hoch. Anschließend schlug er ihm kräftig auf den Hintern. „Los, weiter!“

Leda, Thrym und Hagbard versuchten die Bewohner des Lagers zu beruhigen. Alle versammelten sich am Strand und legten oder hockten sich hin. „Das Beben wird bald vorüber sein“, rief Thrym beruhigend in die Menge. Trotzdem hatten einige der Soldaten Angst und flüsterten etwas von Fluch der Erdgeister, andere machten den Zorn der Alten Götter verantwortlich. Dann vernahmen sie ein tiefes Krachen aus der Ferne. Es hörte sich gewaltig an. Als stürze die gesamte Insel ein und würde in den Tiefen des Westozeans versinken.

Der gesamte Felsberg war eingestürzt. Riesige Staubwirbel bohrten sich empor. Hatte er die Meuterer begraben? Vermutlich, überlegte Leda, denn unter den tonnenschweren Steinbrocken würde niemand überleben. Doch der Schrecken war noch nicht zu Ende. Die entfesselten Naturgewalten hatten ihr schreckliches Vernichtungswerk gerade erst begonnen. Von einem Hügel am anderen Ende des Eilandes stieg starker Rauch auf. „Was ist denn das?“, wollte Hagbard wissen und zeigte aufgeregt in die Richtung. Niemand konnte sich den Rauch erklären. Von den Meuterern stammte er bestimmt nicht. Und andere Menschen waren auf dieser abgelegenen Insel sicherlich auch nicht.

Hatte sich von alleine ein Waldbrand entzündet? Leda befürchtete etwas anderes. „Ich habe mal in den alten Schriften im königlichen Palast von einem Feuer spuckenden Berg gelesen. Er wirft Felsen in die Luft und lässt Erde und Steine glühen. Es ist ein Werk der geheimnisvollen Bergriesen, die dort tief im Fels leben sollen.“ Thrym und Hagbard schauten ihre Königin zweifelnd an. Auch der Medikus glaubte nicht an die alte Sage. Aber genau in diesem Augenblick hörten sie ein markerschütterndes tiefes Grollen, dass noch viel lauter und mächtiger war, als der einstürzende Felsberg. Der Himmel verdunkelte sich. Bald war die Sonne nicht mehr zu sehen. Die Männer und Frauen umklammerten sich ängstlich. Und dann schoss aus dem fernen Hügel tatsächlich Gestein und jagte in den dunklen Himmel.

Große Panik brach los, als Felsen und Steine in der Nähe des Strandes niedergingen wie tödliche Geschosse. In Blitzschnelle war ihre Siedlung dem Erdboden gleichgemacht. Einzelne gefährliche Stücke Fels landeten am Strand und in den Wellen des flachen Wassers und bohrten sich wie überdimensionale Splitter in den Sand oder ließen das Wasser himmelwärts hoch aufspritzen. Voller Panik liefen alle auseinander. Einige suchten im Wald Schutz, andere eilten den Strand entlang. Dieses Hölleninferno dauerte mehrere Minuten an, die sich für die Anwesenden wie eine Ewigkeit anfühlten.

Als der Hügel nicht mehr spuckte, versuchte Leda wieder einen klaren Verstand zu bekommen und befahl einigen Männern, alle Leute wieder zusammenzurufen. Dem zerstörerischen Gesteinregen waren fünf Soldaten, die Köchin und drei weitere Männer zum Opfer gefallen. Plötzlich brüllte ein Gardist: „Majestät! Seht da oben!“ Alle Augen blickten in die angebende Richtung. Leda seufzte. Die Götter meinten es nicht allzu gut mit ihnen: Der Berg begann mit seiner tödlichen Glut. Orangefarben wie wütende Glut leuchteten Bäche von geschmolzenem Gestein, die sich über das Eiland fraßen und alles in ihrer Nähe verbrannten.

Für die Bewohner der Insel gab es kein Entkommen. Die brennenden Flüsse krochen unbarmherzig in alle Richtungen und würden bald die gesamte Insel bedecken und alles darauf vernichten. Leda beschloss die Flucht. „Lasst und so schnell wie möglich ein oder mehrere Flöße bauen und Wasser und das Allerwichtigste zusammenraffen. Wir müssen Ledas Paradies verlassen. Sonst sind wir des Todes. Beeilung! Wir nur wenige Stunden Zeit!“ Die Männer packten sofort an und beteten zugleich zu den Göttern des Schicksals um ihr Leben.

Megaras Majordoma überbrachte ihrer Herrscherin und Göttin die Botschaft aus dem Osten, dass Fama erfolgreich die Vogelfreien eingefangen hatte. Sie sollten für ihre Illoyalität Sühne tun. Megara genoss die Zeilen, die auf dem kleinen eng beschriebenen Pergament zu lesen waren und nahm sich vor am heutigen Abend eine besondere Feier zu veranstalten. „Megaria ist nun frei von Abschaum und Ungläubigen! Ich bin die Göttin über diesen gesamten Kontinent! Und ich werde ewig herrschen!“ Megara träumte von einer Zukunft, in der Männer gezüchtet würden: entweder zum Dienen oder zur Lust der Damen des Reiches. Die Arbeitssklaven würden in einem bestimmten Alter ihrer Männlichkeit entsagen müssen, die anderen einen Keuschheitsgürtel tragen.

Schon jetzt wuchsen überall im Reich gigantische Tempel und Statuen als Ebenbild der Neuen Göttin in den Himmel. Doch das war Megara noch nicht genug. Sie suhlte in Goldmünzen und Geschmeide, badete in den kostbarsten Flüssigkeiten, lud zu dekadenten Festen ein und eröffnete jede Woche ein großes Spielespektakel in der vergrößerten Arena, in der viele hundert Hofdamen sich am Leid der Sklaven ergötzten.

Das Umfeld der Megara hatte das Gefühl, als verliere die Herrscherin langsam den Verstand. Aber niemand wagte ein Wort. Überall herrschte große Angst vor der Tyrannin, denn eine falsche Randbemerkung konnte den Kopf kosten. Die Steuerabgaben, die auf jeder Dame lasteten, gaben diese an ihre Sklaven weiter, die schufteten bis zum Umfallen. Für Mannsbilder waren die Zeiten mehr als schlecht. Oft waren ausgemergelte Sklaven in den Straßen zu sehen, die schweres Gepäck für ihre Besitzerin trugen.

Während die Leibeigenen oft nur einen Lendenschurz oder gar nichts trugen (je nach Geschmack der Eigentümerin), waren die Ladys in sündhaft teure Gewänder gekleidet. Alle paar Schritt ließen sich viele der Damen von Sklaven ihre edlen Lederstiefel lecken, um den Glanz zu erhalten. Das dabei in die Höhe ragende Gesäß der Unglücklichen zeugte von zahlreichen Züchtigungen diverser Art. Eine Zier, die die Eigentümerinnen stolz präsentierten.

Megara saß auf ihrem kolossalen Thron und war umgeben von Gold und Edelsteinen. Sie wartete, dass die Palastwache ihren Abas brachte. Und da kam er auch schon: Er trug noch die Hölzer, die das Gemächt bis zu den Hinterseiten der Oberschenkel zwangen und eine Röhre für den Liebesstab. Auf allen Vieren kam Abas gekrabbelt. Er bellte wie ein Hündchen. In respektvollem Abstand setzte er sich vor seiner Herrin hin und hechelte mit seiner Zunge wie ein kleiner Kläffer.

Die Despotin klingelte mit einem kleinen goldenen Glöckchen. Sofort kam die Majordoma in einer dunklen Robe herbei. „Sagt dem Schwarzmagier, dass ich ihm meinen Dank entbiete. Und gebt ihm seinen Lohn“, befahl die Tyrannin. Die Majordoma verneigte sich tief und verließ die prunkvolle Halle. Megara beobachtete Abas. Sie grinste zufrieden. „Weißt du, wer du bist?“ Abas sah sie aufmerksam an und ließ ein leises Winseln vernehmen. Er konnte nicht mehr sprechen. Der Hexenbann beherrschte ihn vollkommen. Megara lachte lauthals und dreckig wie eine Straßendirne, dass es durch den Saal schallte.

Auf Ledas Paradies waren alle verfügbaren Hände im Einsatz. Die Soldaten zimmerten grob ein großes Floß zusammen. In letzter Minuten schoben sie mit vereinten Kräften das Wassergefährt in die Brandung, während hinter ihnen breite dampfende Lavaströme herankrochen und alles unter sich vernichteten. Die Gardisten und Zivilisten bauten ein weiteres Floß. Und auch eine dritte „Rettungsinsel“ zogen die Gestrandeten ins Wasser. Bald schon schwammen die Geretteten auf ihren drei Flößen im Ozean und schaukelten über die Wellen.

„Ledas Paradies“ ähnelten in keiner Weise mehr der fruchtbaren grünen Insel, die sie kennen gelernt hatten. Der spuckende Berg hatte seine Glutströme in alle Richtungen über die Vegetation geschickt und nichts am Leben gelassen. Das Eiland war eine glühende tote Landmasse. Sie hätte eigentlich in „Ledas Unterwelt“ umgewidmet werden müssen.

Trotzdem hatten Leda und ihre Berater die Hoffnung nicht aufgegeben. Sie mussten erneut den Westkontinent ansteuern. Eine andere Wahl hatten sie nicht. Wenn sie das Wasser rationierten und ein wenig Glück mit dem Wetter hatten, war das machbar. „Was wohl aus den Meuterern geworden ist?“, fragte Hagbard, der als „Kapitän“ eines Floßes agierte und auf den Horizont über den leichten Wellen des Meeres stierte. Ein Gardist antwortete: „Sie sind wohl der unheimlichen Wut der Bergriesen zum Opfer gefallen. Furchtbar!“

Auf der anderen Seite der Insel konnten sich die Meuterer in ein gebasteltes Floß retten. Allerdings fehlte ihnen Süßwasser. „Wir müssen um die Insel navigieren und hoffen, dass wir auf Leda treffen. Sonst werden wir unweigerlich verdursten!“, sagte Honos. Seine Kameraden protestierten. Sich ergeben und in Keuschheitsgürtel stecken lassen? Niemals! Aber wollten sie verdursten? Sie steckten in einem wahrhaftig bedeutenden Dilemma. Tod oder Sklaverei? Was sollten sie wählen?

Stadthalterin Fama ließ sich von zwei Sklaven die zarten Füße massieren und besprach sich währenddessen mit ihrer Adjutantin, deren Lederrüstung knarzte, sobald sie sich bewegte. „Wir werden mehr Sklaven für die Sauberkeit der Prachtalleen einsetzen. Dieser Staub! Er ruiniert die teuren Stiefel der Damen!“ „Sehr wohl, Ehrwürdige Stadthalterin“, antwortete ihre Adjutantin und kritzelte mit ihrem Gänsekiel auf einem Pergament. „Ich sollte Euch noch an die Feierlichkeiten erinnern“, ergriff sie erneut das Wort. Fama hob die Augenbrauen. „Ja! Richtig. Fast wäre es mir entfallen. Also: Wir benötigen zwei Dutzend Sklaven für den Circus. Gebt ihnen eine Grundausbildung mit der Waffe. Das reicht. Der Sieger soll die Freiheit erhalten. Das dürfte genug Motivation sein. Und besorgt mir unterhaltsame Gaukler, die ihr Handwerk verstehen. Es soll eine große Gaudi werden. Feuerschlucker, Jongleure, Artisten, Musikanten, ein buntes Treiben. Und ich will ein fulminantes Feuerwerk. Und ein Wagenrennen. Ja, mit Sklaven in den Riemen.“

Die Adjutantin schrieb eifrig mit. Ihre feuchte Zungenspitze wischte über ihre Lippen. „Moment“, sagte Fama und runzelte die Stirn. „Was ist da draußen denn für ein Krach?“ Sie stand von ihrem Sessel auf und schritt zum Fenster, öffnete die Butzenscheiben und beugte sich über den Rand des massiven Mauerwerks. Im Garten des Regierungspalastes kreischten und lachten helle Stimmen. Fama wandte sich um und zeigte auf eine Wächterin, die still neben der Tür stand. „Sorgt gefälligst für Ruhe da unten!“ Die Uniformierte verbeugte sich und salutierte zackig. Dann eilte sie hinaus.

Eine kurze Weile später kehrte Ruhe ein. Fama konnte sich wieder auf die Feierlichkeiten konzentrieren und fügte der Liste des Spektakels noch eine öffentliche Auspeitschung sowie Sklavenmarkierungen und eine Verlosung von Leibeigenen hinzu. Als die Wächterin zurückkam, fragte Fama: „Und? Was war da los?“ Die Uniformierte berichtete. „Einige Hoffräuleins haben sich mit einem Sklaven unterhalten. Sie… haben ihn nackt an eine Mauer gebunden und mit allerlei Zeug beworfen. Dreck und faule Früchte und…“ Fama unterbrach: „So genau wollte ich es gar nicht wissen.“

Vor dem Raum war ein Gezeter zu hören. „Was ist jetzt schon wieder los?“, rief Fama verstimmt. Eine Dame, die ihr langes Haar kunstvoll, zu einem Turm hochgebunden hatte, erschien und entschuldigte sich vielmals für die Störung, aber es ginge um Aurora und Vesta, die Töchter der Stadthalterin. Fama ahnte, dass ihre Früchtchen wieder etwas angestellt hatten. Die Gouvernante war außer sich, als sie von dem Streich der Edelfräuleins berichtete. Aurora und Vesta hatten darum gewettet, wer zuerst einen Haselnussstock über dem Hintern eines Sklaven zerbrechen könne. Ihr Versuchskaninchen hatten sie geknebelt, damit die Schreie nicht aus dem Raum dringen sollten, doch die Gouvernante war zufällig hereingekommen. Sofort hatte sie diese Spielerei unterbunden und harte Konsequenzen für das unziemliche Verhalten angedroht.

Fama seufzte. „Mit so etwas kann ich mich nun wirklich nicht aufhalten! Ich muss eine Stadt und den gesamten Osten von Megaria regieren. Regelt das selbst. Und seit nicht zu zimperlich mit den Gören!“ Die Gouvernante machte einen höflichen Knicks und zog sich zurück. Sie wusste schon ganz genau, wie sie den beiden jungen Damen Manieren beibringen würde.

Sie befahl Vesta und Aurora in das Strafzimmer. Die beiden jungen Damen mussten sich in ihren prachtvollen Kleidern setzen und einer Strafpredigt der Gouvernante zuhören. Dann brachten zwei Palastwachen die beiden Prügelsklaven der Fräuleins herein und banden sie fest. „Das soll euch eine Lehre sein!“, sagte die Erzieherin mit erhobenem Zeigefinger, die die beiden Damen auch in Benimmregeln, Lesen und Schreiben, Mathematik und Geografie unterrichtete. Aber heute sollten die zwei ungezogenen Wildfänge erleben, was ihre Prügelsklaven wegen ihres Fehlverhaltens erleiden mussten!

Sie ließ es sich nicht nehmen, selbst die Rute zu schwingen und den beiden Sklaven gehörig einzuheizen. Doch als sie sich nach zahlreichen Hieben umdrehte, sah sie statt Entsetzen in den Gesichtern der Fräuleins eher Erheiterung und sogar Genuss. Empört warf sie die Rute fort und schimpfte: „Ihr bleibt noch eine Stunde in diesem Raum und seht euch an, was ihr angerichtet habt!“ Damit schritt sie zügig aus dem Strafraum und ließ die Prügelsklaven mit Vesta und Aurora allein. Die geknebelten Leibeigenen brummten und grunzten in ihre Knebel, und sie blickten der Gouvernante angstvoll und panisch hinterher. Die Dame, die ihnen bereits den Rücken zugekehrt hatte, bemerkte davon nichts. Die Tür schloss sich und ein Riegel wurde knarrend vorgelegt.

Die zwei Ladys sprangen auf und kicherten. Vesta nahm die Rute und streichelte dem einen Prügelsklaven den lädierten Hintern. Aurora griff nach dem Schlaginstrument und zerrte daran. „Gib her! Wir waren böse. Wir müssen noch ein paar Hiebe verteilen. Ich mache das!“ Aber Vesta wollte sie nicht hergeben. Die beiden zankten lautstark um die Rute und drehten sich im Kreis. Die Sklaven zerrten und rissen an ihren Fesseln, aber der Strafbock, über den sie gespannt waren, hatte kein Erbarmen. Er war mitleidslos wie die beiden Fräuleins.

Auf dem Großen Ozean kräuselte sich das Wasser durch eine sanfte Brise. Bereits nach zwei Stunden auf See konnte Ledas kleine Flotte mit dem improvisierten Segel Kurs nach Westen nehmen. Eine Gardistin meldete bald darauf: „Floß in Sicht! Auf Nordost!“ Leda starrte auf den Horizont und konnte ein kleines Gefährt erkennen. „Die Meuterer“, entfuhr es ihr grimmig. Zum Glück hatte sie Waffen an Bord. Außerdem würde die Handvoll Verräter keine Chance gegen etwa die zehnfache Menge an Gegnern haben.

Doch das feindliche Floß kam näher und näher. Die Meuterer winkten mit den Armen und hatten so eine Art „Weiße Fahne“ gehisst. Leda traute ihnen keinen Deut über den Weg. Als sie nur auf Rufweite entfernt waren, rief ein Gardist in Ledas Auftrag hinüber: „Kommt nicht näher! Was wollt ihr?“ Honos rief laut: „Wir wollen uns ergeben. Wir stellen keine Ansprüche.“ Leda war misstrauisch. Schade, dass sie die Keuschheitsgürtel auf der Insel gelassen hatte. Nur der Stallknecht trug sein Exemplar noch.

Leda ließ einige Personen auf jedem Floß bewaffnen. Die Meuterer mussten auf ihrem Floß bleiben und einen neuen Schwur auf Leda abgeben. Als Gegenleistung erhielten sie rationierte Portionen Wasser und Nahrung. Als kleine Buße bekamen sie nur dreiviertel der normalen Menge. Zusätzlich brachte der Zimmermann mit drei Soldaten bei den Meuterern ein Segel an. So konnten die vier Flöße weiter gen Westen treiben. Der Wind war ihnen gewogen. So würden sie ihr Ziel in einigen Tagen erreichen.

Und die Tage vergingen. Die Nahrung war aufgebraucht. Das Wasser wurde knapp. Doch ein Knecht und ein Gardist entpuppten sich als geschickte Fischer mit dem Speer und versorgten alle Flöße mit Fisch. Plötzlich war eine aufgeregte Stimme zu hören: „Land in Sicht!“, rief ein Soldat. Alle tummelten sich auf der entsprechenden Seite der Flöße, so dass sie fast kenterten. Leda hoffte, dass dieses Mal weder Drachentiere noch feindlich gesinnte Völker angriffen.

Sie hatten Glück: Der Landstrich war weit und breit verlassen. Allerdings konnten die Flöße an den felsigen Riffen nicht anlanden, so dass die letzten 300 Fuß schwimmend überbrückt werden mussten. „Jetzt gibt es definitiv kein Zurück“, stellte Leda fatalistisch fest. Mochten die Schicksalsgötter ihnen hold sein!
102. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von sheeeep am 28.07.20 00:41

Wieder toll geschrieben.....Wahnsinn, wo du die ganzen Ideen hernimmst......
103. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 29.07.20 19:29

@ sheeeep

Danke. Ja, manchmal küsst mich die Muse halt
104. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von AlfvM am 29.07.20 21:48

Tolle Geschichte mit deutlichen Unterschieden zur ersten Geschichte. Mach bitte weiter so. Danke.
105. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 02.08.20 12:54

Am wichtigsten war nun, eine Süßwasserquelle zu finden. Dafür schickte Leda einen kleinen Trupp Freiwilliger los ins Landesinnere. Die Sonne war schon ein Stück weit über den Himmel gewandert, da kamen sie mit froher Botschaft zurück: Ein kleiner Bach floss in der Nähe und mündete offenbar weiter nördlich ins Meer. Immer darauf bedacht, die Meuterer im Auge zu behalten, hatten die Gardistinnen die Waffen stets in der Hand. Leda befahl, ein vorläufiges Lager am Strand aufzubauen. Sie selbst zog sich mit Gladius im Wald zurück. Als sie fröhlich zurückkam, wurde sie von einigen ihrer Untertanen kritisch beäugt. Ehemalige Königin hin oder her - aber konnte sie nicht bei der Arbeit helfen? Zumindest sollte sie doch bei ihren Untertanen bleiben und sich nicht derweil verlustieren.

In der Nacht erwachte sie plötzlich von einem abgebrochenen Schrei. Sie stürzte aus ihrem Unterschlupf und wurde sofort von einem Knüppel niedergeschlagen. Als sie erneut erwachte, schmerzte ihr Kopf höllisch. Sie hielt sich mit einer Hand die Stelle, auf der eine Beule gewachsen war, und stand auf. Sie sah sich im Lager um: Das Feuer war gelöscht, einige der aufgebauten Zelte waren zerstört. Sie schaute sich weiter um und bemerkte, dass mehrere Personen am Boden lagen. Der Medikus kam aus dem Wald gewankt und hielt sich die Seite. „Majestät! Die Meuterer haben die bewaffneten Wachen überfallen und sind geflüchtet. Ich fürchte, es sind noch mehr als bisher.“

Leda war fassungslos. Eine Gardistin kam zu ihr. Sie taumelte. „Jemand hat mir einen Knüppel auf den Kopf gehauen.“ Als die Königin alle loyalen Personen um sich versammelt hatte, waren ihr nur die Berater Thrym und Hagbard, der Medikus, zwei Gardistinnen und Gladius geblieben. Dann sah sie auch den Stallknecht. Leda schüttelte den Kopf, als wolle sie es nicht glauben. „Alle Soldaten sind desertiert? Und auch der Zimmermann? Und auch beide Knechte und beide Diener? Das ist ja…“ Sie sah sich weiter um: „Wo sind die Mägde?“ Eine der Gardistinnen sagte zerknirscht: „Auch mit unter den Verrätern. Vielleicht unter Zwang, aber ich glaube, dass es die Liebchen von drei Soldaten waren.“ „Und meine beiden Zofen?“, fragte Leda mit großen Augen voller Unglauben. Die Gardistin lächelte humorlos. Für die galt das Gleiche.

Am schlimmsten traf Leda, dass auch alle acht Gardisten und eine Gardistin übergelaufen waren. Eine der beiden loyalen Uniformierten druckste herum und meinte schließlich: „Unsere Kameradin hatte sich in einen Gardisten verliebt. Daher ist sie mitgegangen. Es tut mir aufrichtig leid, Majestät.“ Leda sank zusammen. Ihr wurde schwindelig. Mit ihr waren sie acht Personen. Gab es eine Überlebenschance auf diesem Westkontinent? Jetzt hatten sie nicht nur dieses angriffslustige Volk und irgendwelche Monstertiere gegen sich; auch die Meutererrotte schwirrte in der Umgebung herum. „Wir müssen sofort hier weg“, beschloss Leda, die gegen eine Ohnmacht ankämpfte.

Und so war der kleine Trupp bald unterwegs. Sie wanderten mit Sack und Pack am Strand entlang nach Süden. Sie hatten kein konkretes Ziel, sie wussten nicht, wo das Schicksal sie hinführte. Leda und Thrym übernahmen die vorderste Front. Ihnen folgten die anderen in loser Reihenfolge. Ganz am Schluss trottete der Stallknecht hinterher und murmelte: „Alle sind frei – nur ich trage einen Keuschheitsgürtel. Ob Leda den Schlüssel überhaupt mitgenommen hat?“ Er hatte ihr versprochen, Buße zu tun, und das würde er auch halten. Aber die Frage, ob der Schlüssel auf der Insel verblieben war, brannte ihn ihm wie Feuer. Daher nutzte er eine kleine Rast, um Leda danach zu fragen. Die Monarchin griff in das Wams und holte einen Schlüssel hervor, den sie an einem Lederbändchen um den Hals trug. Der Stallknecht atmete tief durch. Ihm fiel ein riesiger Stein vom Herzen.

Während er frohen Mutes hinter den anderen herlief, grübelte Leda vor sich hin. War es überhaupt der Schlüssel vom Stallknecht, den sie sich in der Eile um den Hals gebunden hatte? Ach, egal. Sie beschäftigten andere gewichtigere Dinge: Sie würde ihre Heimat niemals wieder sehen… Trübsal stieg in ihr auf wie ein saures Gift.

Derweil entwickelte sich Megaria bis in den letzten Winkel zu einer reinen und wahrhaftigen Frauengesellschaft. Megara ließ sich als einzige Göttin verehren und lockerte mit der Zeit ein wenig die Steuerlast der Damen, um ihnen eine luxuriöseres Leben zu ermöglichen. Die Sklaven mussten in den meisten Fällen gleich hart weiter schuften. Warum auch nicht? Mitleid war an diesen Kreaturen verschwendet - das war die vorherrschende Überzeugung der Damenwelt.

Die Tyrannin ergötzte sich an dem Anblick der Lichter: Vor ihrem prunkvollen Palast waren bis zu hundert Sklaven aufgereiht, um mit einer Fackel auf ihrem Kopfgestell die Nacht sowie die edlen Mauern der Göttin zu erhellen. Auf diese Idee hatte Senatorin Kerbera sie gebracht. Die Leibeigenen mussten von Sonnenuntergang bis –aufgang dort verharren. Während der Nachtstunden kontrollierten einige Soldatinnen die Mauern. Stand ein Sklave nicht still oder stramm genug, so wurde er gepeitscht und musste am nächsten Tag von früh bis spät Steine schleppen und in der Folgenacht erneut seine Fackel tragen. Versagte er wieder, brachten ihn die Soldatinnen voller Groll in den göttlichen Befragungsraum im Kerker der Festung. Ungehorsam galt als Gotteslästerung. Und auf die stand eine ganze Liste von Strafen. Den Strafkatalog hatten die Senatorinnen Kerbera und Alekto gemeinsam mit Megara ausgearbeitet – bei einer gemütlichen Tasse Tee. Als die Regentin eine Korbflasche mit Likör orderte und den Tee damit vermischte, wurden die Strafen der drei Damen mehr und mehr ausgefallen. Am nächsten Tag hatten sie sich köstlich über ihre schriftliche Errungenschaft amüsiert, den Inhalt aber nicht mehr ändern lassen.

Einige Soldatinnen verkürzten ihre langweilige Wache damit, einen Fackelsklaven aus dem Stillstand zu bringen, indem sie ihn zum Beispiel mit kleinen Dornen bewarfen. Die Konsequenzen für den Leibeigenen waren ihnen egal. Mitgefühl für einen Sklaven? Wer einen Käfer zertrat, der hatte ja auch kein schlechtes Gewissen. Ein wenig Vergnügung durfte sie sich wohl gönnen.

Doch bei der Finsternis des Neumonds war ihnen nicht zu Gaudi zumute. Denn eine alte Überlieferung über die bösartigen Wyvern besagte, dass sie des nachts Jungfrauen und Weiber, die sie dafür hielten, in die dunklen Lüfte entführten und bestiegen, damit sie ihre Brut gebären. So manche unvorsichtige Wächterin hatte im schwarzen Himmel die ledernen Schwingen rascheln gehört und war ihrem Schicksal nur knapp entkommen. Doch wer bereits den kalten Atem im Nacken spürte, musste sich der eisigen Umarmung des grausamen Schicksals hingeben. Die Wyvern brachten ihre Beute, die sie mit ihren langen Krallen packten, in ihr Nest, bestiegen sie und warteten bis diese ihr Gezücht neun Monde später legten. Danach gab das ausgelauchte Gerippe meist den letzten Hauch von sich oder wurde von der Bestie gemetzelt und in den tiefen Wald gebracht.

Kundige verkauften Schutzamulette gegen diese fliegenden Wesen der Nacht. Doch es kam hin und weder vor, dass trotzdem ein Weib in den Wäldern verschwand. Die meisten wurden nie wieder gefunden, einige wenige saßen leblos an einen Baumstumpf gelehnt, die Haut trocken wir Pergament, die Augen in Wahnsinn aufgerissen. Vergeblich hatten Soldatinnen versucht, die Wyvern mit einem männlichen Jüngling zufriedenzustellen. Doch das nackte Opfer, an einen Baum gefesselt, wurde abgelehnt. Sein gerstenblonder Schopf war grau geworden, und sein Geist verwirrt.

Sein Leib war unversehrt geblieben. Sein Leben endete trotzdem unglücklich, denn er galt als verhext oder vergiftet, weil die dunklen Kreaturen ihn verschmäht hatten, und so brachten ihn die Soldatinnen in ein Höhlenlabyrinth und verschlossen den Eingang mit schweren Felsen. Ob er dort elendig darbte und letzlich seinen Odem aushauchte, oder ob er von Höhlenghulen gequält und in Ketten in ihr finsteres Reich tief im Bergmassiv verschleppt wurde, darüber stritten die Ladyschaften bei ihren gesellschaftlichen Empfängen und gruselten sich wohlig bei der Vorstellung. Sie überschlugen sich dabei meist gegenseitig darin, sich ein Bild davon zu zeichnen, wie der Jüngling mit Ketten gepeitscht und glühenden Kohlen gequält wurde.

Die Tyrannin Megara hatte zunächst die Pläne für eine Nachfolgerin zu den Akten gelegt. Hochmütig stellte sie fest: Sie war eine Göttin! Und eine Göttin ist unsterblich! Sie herrscht ewiglich!, wurde ihr stolz bewusst. Zufrieden nippte sie an ihrem Kelch. Oder? Sollte sie… Ihr kam eine Idee. Ihre grausamen Gesichtszüge verzerrten sich zu einem diabolischen Grinsen.

Die Sklavenbesitzerin Ceres hatte eine neue Aufgabe gefunden. Sie handelte in großem Rahmen mit Leibeigenen aus dem Ostkontinent. Sie verkaufte sowohl erzogene Sklaven in gesamt Megaria, als auch „Rohmaterial“ an Sklavenhändlerinnen und Erzieherinnen wie Flagella. In kurzer Zeit hatte sie ihr Vermögen verzehnfacht und lebte glücklich und zufrieden und prasste mit ihrem Reichtum wie nie zuvor.

Für ihren alten Liebessklaven Aphron hatte sie kaum noch Zeit. Außerdem liebte Ceres die Abwechslung und vergnügte sich ständig mit anderen Männern. Der ausgebildete Liebesdiener fristete derweil sein Dasein in einem Keuschheitsgürtel und konnte froh sein, wenn Ceres ihm einen kurzen Aufschluss pro Jahreszeit gönnte. Wenigstens hatte sie ihn behalten und nicht an die Nächstbeste verschenkt.

War es Einbildung, oder war sein Gemächt seit dieser Zeit gediehen? Vielleicht geschwollen? Ceres kicherte bei dem Gedanken. Wie amüsant. Doch im nächsten Moment erblickte sie einen knackigen jungen Leibeigenen aus einer Gruppe, die sie heute erworben hatte, und Aphron war vergessen. Der Jüngling wäre was für heute Nacht, schwärmte sie vor sich hin. Sie leckte sich begehrend über die Lippen, als gierte sie nach einem süßen Küchlein, den es zu vernaschen galt.

Ihre Freundin Phoibe war ebenfalls geradezu imposant im Sklavengeschäft eingestiegen. Sie leitete eine kleine Flotte von vier Galeeren, mit denen sie an der Küste des Ostkontinents auf Fang ging. Sie konnte sich nichts Schöneres vorstellen: die frische Seeluft, die vielen knackigen nackten Kreaturen, die noch so wunderbar naiv und unerzogen waren. Die nie zuvor eine Peitsche gespürt hatten. Mannsbilder von so hübscher Gestalt, dass sie ein kleines Vermögen auf dem Markt erbringen würden.

Manchmal ließ sie es sich nicht nehmen, ein besonders gut bestücktes Exemplar selbst zu erziehen. Dann war sie für zwei Tage in ihrer Kapitänskajüte verschwunden. Schon mehrfach hatten ihre Offizierinnen gestaunt, mit welch widerspenstigem Wildfang sie sich zurückgezogen hatte, und mit was für einem servilen Sklaven voll devoter Manier sie wieder an Deck aufgetaucht war. „Es ist einfacher, als Sie denken, einen Sklaven zu brechen. Man muss nur die richtigen Stellen finden“, flüsterte sie ihrer Ersten Offizierin eines Tages zwinkernd zu. „Vielleicht zeigte ich es Ihnen mal.“

Voll Stolz betrat sie das oberste Ruderdeck und beobachtete, wie zwei Frauen mit ihren langen Lederpeitschen die Sklaven antrieben. Den Takt gab ein Leieigener mit Lendenschurz und eisernen Hand- und Fußreifen vor, der auf eine große Trommel einschlug. Eine Aufpasserin kontrollierte die Geschwindigkeit. Phoibe bemerkte belustigt, dass einige der Männer durch ihre Anwesenheit stark erregt wurden. Die nackten Ruderer hatten keine Möglichkeit ihr Verlangen zu verstecken. Breitbeinig waren sie an die Ruderbänke gekettet und schufteten ächzend mit dem dicken Riemen in den Händen.

Phoibe spielte die Schockierte und forderte von einer der Frauen: „Seht Euch dieses Schwein an! Peitscht ihm seinen Stab wieder klein, damit er Manieren lernt!“ Sofort prügelten beide Antreiberinnen auf den armen betroffenen Galeerenhäftling ein. Winselnd flehte er um Gnade, aber die geflochtenen Lederschnüre fanden wieder und wieder ihr fleischliches Ziel.

Die Kapitänin wippte zufrieden auf ihren Fußballen. Das Leben als Sklavenjägerin ist fast so schön wie als Megara, freute sie sich. Auf ihren Schiffen war sie wie eine Göttin! Vielleicht sollte sie sich den Kerl mit dem Monstrum zwischen seinen Schenkeln, den sie in einer Ruderreihe bemerkt hatte, in ihre Kabine holen lassen. Sie wollte den Muskelberg weinen sehen und schmunzelte bei dem Gedanken. Sie biss in einen roten Apfel und spuckte das Stück dekadent wieder aus. Es landete zwischen den Sklaven auf dem Mittelgang. Einiger der Männer schauten verstohlen zu dem saftigen Obst. Sie hatten auf der langen Reise nur den verhassten Haferschleim bekommen.

Den Sklaven lief das Wasser im Mund zusammen, aber niemand würde es wagen, seine Hand vom Ruder zu nehmen und sich nach der köstlichen Leckerei zu strecken. Im nächsten Moment trat eine der Antreiberinnen achtlos darauf und zerquetschte es unter ihrem Stiefel. Einige Leibeigenen schluckten trocken und kämpften weiter mit den Riemen, um den Takt zu halten.

Phoibe war wieder an Deck gegangen, um sich ein wenig unter einem Sonnensegel im Schatten dem Nichtstun zu widmen und das schöne Wetter zu genießen. Im Hintergrund hörte sie das Klatschen der Peitschen. Sie griff nach einem Becher mit kühlem Wein. Dann rief sie nach einer Offizierin: „Bringt mir ein paar Sklaven hoch. Sie sollen für mich tanzen.“ Die Uniformierte nickte und salutierte. Spöttisch murmelte sie: „Das ständige Sitzen ist für die Ruderer ja auch langweilig…“

Die reiche Kaufmannsfrau Dione und ihre Tochter Venus standen mit dem Verlobten der jungen Dame vor der Tür ihres imposanten Hauses. Der Versprochene bettelte auf Knien: „Bitte Herrin! Verkauft mich nicht! Ich werde eine Schmiedin finden, die meinen Keuschheitsgürtel öffnen kann.“ Aber die beiden Frauen hatten beschlossen, dass Bran aus dem Haus musste. Was sollte Venus auch mit einem Mann, dessen Männlichkeit verschlossen war! Lykos hatte den Schlüssel bei seiner Flucht gestohlen. Damit war Bran wertlos geworden – zumindest für Venus, die einen Bettgefährten haben wollte. Ein paar Münzen zahlte die Interessierte, die im Auftrag von Puffmutter Hydra gekommen war. Bran bettelte und zeterte, aber erbarmungslos zog die Käuferin ihren Neuerwerb an einer Kette auf die Straße und band ihn hinter ihre Kutsche fest. Bald trabten die Pferde an, und Bran stolperte hinterher. Venus und Dione winkten ihm ironisch zum Abschied, dann gingen sie ins Haus, um die Münzen in ihre Schatulle zu legen. Morgen wollten sie nach einem neuen Sklaven auf dem Markt Ausschau halten, dessen Gemächt zu gebrauchen war.

Einige Tage würde Bran auf seiner letzten Reise unterwegs sein. Er war für Hydra auch mit einem verschlossenen Keuschheitsgürtel nutzbar. Einige ihrer Kundinnen liebten Sklaven in eisernen Hosen und ließen sich lieber durch eine flinke Zunge verwöhnen. Oder banden sich einen Liebesstab aus Holz um die Hüften, um die Rolle des Recken zu übernehmen. Hydra hatte eine große Auswahl in ihrem gastlichen Hause - für jeden Geschmack das richtige Utensil. Doch in der ersten Nacht würde Hydra persönlich testen, wozu Bran am besten zu gebrauchen war. Und wenn er nicht zügig genug ihre Investitionskosten wieder hereinholte, dann würde sie ihm schon Feuer unter seinem Hintern machen. Da wäre er nicht der Erste.

Sie wusste nicht, dass ihre Angestellte bereits auf der Rückreise ausgiebig Gebrauch von Bran machte. Der Leibeigene lernte die Kutsche von innen kennen. Dort erlebte er, was es hieß, ein Liebessklave zu sein. Die Helferin der Hydra versüßte sich so die Abende auf der Reise, und Bran erhielt zugleich ein Bild seines zukünftigen Lebens voller Demütigung und Schmerz.

Im Haus von Dione und Venus war er gut behandelt worden. Jetzt war er nur noch eine Arbeitseinheit. Er schwor furchtbare Rache, sollte er noch jemals Lykos oder Dione oder Venus begegnen. Doch die Wahrscheinlichkeit war eher gering bis nicht vorhanden. Also stapfte er weiter hinter der Kutsche an seiner Kette her und schluckte Staub. Er ahnte nicht einmal, welche Erniedrigungen er in Hydras Heim erst noch erleben würde. Darauf konnte ihn auch die Angestellte nicht vorbereiten.

Er stolperte splitternackt hinter dem Gefährt her, denn die Frau hatte seine Kleider in die Kutsche geworfen, „damit du dich beim nächsten Mal ein wenig mehr anstrengst, mir zu gefallen.“ Sie war mit dem Vorabend nicht ganz zufrieden gewesen. Hin und wieder ließ sie die Pferde in einen leichten Trab fallen, und sah dann schadenfroh über ihre Schulter, um Bran keuchend und nassgeschwitzt laufen zu sehen. Wie lustig sein Gemächt unter der eisernen Hose hin- und herbaumelte! Vielleicht sollte sie ein Glöckchen daran festbinden…

Die Herrscherin und selbsternannte Göttin Megara stiefelte kapriziös in ihrem gigantischen Palast umher. Sie hatte es geschafft! Sie war die Göttin von Megaria!
Aber dann fiel ihr Leda ein, die vor ihr geflüchtet war. „Was würde ich darum geben, dich in meinem Kerker zu haben!“ Aber dieser Wunsch würde wohl nie in Erfüllung gehen. Vermutlich war die Göre auf dem Westozean abgesoffen wie ein junges Kätzchen im Weiher. Sie klatschte mit den Händen. Sofort kam Abas herbeigehüpft und kläffte. „Ruhe!“ befahl Megara und knallte ihm ihre Gerte über die Brust. Dann kraulte sie ihm den Haarschopf. Abas ließ es sich freudig gefallen und drehte sein Haupt mal in diese, mal in jene Richtung und schien die Streicheleinheit zu genießen.

Die allmächtige Megara stand von ihrem pompösen Thron auf und schubste Abas weg, der leise aufjaulte, als der Ruck an seinen Klöten zerrte. Die Herrscherin ging in einen Salon, der ganz in Blutrot gehalten war und verlangte nach dem Schwarzmagier. Der kleine alte Mann erschien und verbeugte sich vor der Göttin stzumm, um ihr Begehr abzuwarten. Megara forderte: „Mich langweilt Euer Hund! Mach mir einen Wurm!“ Der Magier verneigte sich erneut und hauchte: „Sehr wohl, einzigartige Göttin Megara.“

Als die Herrin eine Stunde später, in ein neues kostbares Gewand gekleidet und mit einer kunstvollen Turmfrisur in ihren Thronsaal zurückkehrte, lag Abas vor dem Thron wegen seines Gemächtholzes zusammengekrümmt auf der Seite und versuchte sich vergeblich von der Stelle zu bewegen. Er schien Arme und Beine nur unkontrolliert benutzen zu können. Megara klatschte in die Hände, aber Abas reagierte nicht. Kein Ton kam über seine Lippen. Die Tyrannin wollte es genau wissen. Sie gab den Keuschheitsschlüssel einer Wächterin und befahl: „Erregt den Wurm! Beeilt Euch!“ Die uniformierte Frau fand den Befehl zwar außergewöhnlich, gehorchte aber sofort und strich immer wieder über Abas Männlichkeit. Doch Abas reagierte kaum. Er starrte auf den Boden, als sei er blind geworden.

Schließlich entlud sich sein Samen auf dem königlichen Marmorboden. Abas zeigte weiterhin keine Reaktion. Er zuckte nur und drehte sich orientierungslos im Kreis. Megara erhob sich. „Nun benötigte ich dich Wurm nicht mehr“, lachte sie und rief nach zwei Wächterinnen, die ihn in das tiefste und finsterste Kerkerloch werfen sollten. „Und bringt dem Magier seinen Lohn!“ Die Wachposten wollten ihn nicht tragen, und daher schleiften sie seinen Körper hinaus. Megara rief lachend hinterher: „Ein Wurm lebt doch unter der Erde…?“

Der Schwarzmagier hielt seine krallenartigen Finger mit den langen, gelben Nägeln hin, als eine Wächterin ihm einen Beutel mit Goldmünzen übergab. Heiser kichernd nahm er seinen Lohn entgegen und schlurfte den langen Gang entlang, zurück in seinen Turm, der sich im Nordflügel des Palastes befand. Als Megara alleine war, ging sie neben Abas Hinterlassenschaft in die Knie und tauchte zwei Finger hinein. Mit der anderen Hand hob sie ihre Stoffe zur Seite. Dann verschwanden die benetzten Finger unter ihren Spitzenröcken. Sie stöhnte wild auf, als sei sie gerade auf dem Gipfel der Lust. Als ihre Verzückung abschwoll, stand sie auf und verließ den Thronsaal ihres Imperiums, um sich ihren göttlichen Aufgaben zu widmen. Fabelhaft. Sie hatte ihre Nachfolge gefunden.

Leda wachte mitten in der Nacht auf. Ihre Brust war nass geschwitzt. Sie konnte sich nicht mehr genau daran erinnern, was sie geträumt hatte. Aber Abas kam darin vor. In seiner Umgebung war es stockdunkel. Und er konnte sich kaum bewegen. Er wand sich wie ein Wurm. Die Königin hatte seine Angst gespürt. Panik. Tiefste Hilfslosigkeit. Aber er war nicht tot. „Abas lebt!“, flüsterte Leda. Ihr standen Tränen in den Augen. Sie schwor sich, einen Weg zurück in Megaras Reich zu finden. Irgendwie. Irgendwann.


106. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 13.09.20 15:14

III.



Die staubige und sandige Erde im Reich der Megara gab kaum einer Flora eine Lebensgrundlage. Nur verdorrte kleine „Steppenläufer“ rollten durch die Gegend – wenn mal ein laues Lüftchen wehte. Doch das war gerade nicht der Fall. Die Luft stand und flirrte vor dem Horizont. Keine Wolke hielt die erbarmungslose Sonne davon ab, die Erde zu verbrennen. Kein Vogellaut war zu hören. Geräuschlos krabbelte ein Skorpion über den Boden; einige Ameisen fielen einem Ameisenlöwen zum Opfer, als sie in dessen trichterförmigen Bau rutschten. Eine Giftschlange wand sich durch den heißen Sand.

Das schuppige Reptil war von ungewöhnlichen Erschütterungen aufgeschreckt worden. Die stampfenden Bewegungen gehörten einem Zweibeiner. Ein Mann in verschlissenem Lendenschurz und zerrissenem Leinentuch, das er sich als Schutz vor der glühenden Sonne um den Oberkörper geschlungen hatte, lief durch die einsame menschenfeindliche Wüste. Nur sechs Fuß neben dem Bau des Ameisenlöwens brach er mit Schweiß überströmt zusammen. Sein Gesicht war rau und trocken, geschwollen wie seine Zunge, denn er hatte seit ewigen Zeiten nichts mehr getrunken. Seine Gestalt war ausgemergelt.

Der Sand spritzte in den Trichter, den das Insekt wohl neu errichten werden müsste. Der Mann sah gehetzt hinter sich und kam nur mit Mühe wieder auf die Beine. Am Horizont bildete sich eine Staubwolke: Reiter. Der Flüchtende lief weiter. Es war mehr ein Wanken. Seine Kraftreserven waren längst aufgebraucht. Er suchte hinter einer kleinen Sanddüne mit einigen Felsbrocken ein Versteck und ließ sich flach fallen. Mit seinen trockenen Händen grub er eine Kuhle, in die er sich drückte. Würden die Verfolger seine Fußspuren deutlich hier enden sehen, oder würden sie an ihm vorbeireiten? Sein erbärmliches Leben hing davon ab.

Das Pferdegetrappel war nun deutlich zu vernehmen. Wurde lauter und lauter. Eine herrische Frauenstimme rief etwas von Weitem. Bald waren sie nur noch wenige Schritt entfernt. Der Trupp, der aus drei Pferden bestand, hielt an, die Tiere wieherten, als die Reiterinnen die Zügel kräftig anzogen, dass die Tiere sich aufbäumten. Die drei Damen waren in weite Gewänder gekleidet, um sich vor den Sonnenstrahlen zu schützen. Doch unter ihren Tüchern waren sie in enge und knappe Kriegsuniformen gewandet: hohe Stiefelsandalen, kurze Hose, eine kurze Lederjacke, die vorne geschnürt war. An den Unterarmen trugen sie Lederarmbänder, die fast so lang wie ein Unterarm waren. Zu ihrer Ausrüstung gehörten ein Dolch, ein Degen und ein Reiterbogen. Eine der Frauen hatte eine mehrere mannslange Bullenpeitsche an ihren Sattelkopf gewickelt. Hinter dem Sattel transportierten die Frauen eine Decke, Proviant und einen Wasserschlauch.

„Er muss hier irgendwo stecken“, rief die erste Reiterin und drehte sich auf ihrem Ross im Kreis. Die zweite Frau stieg aus dem Sattel und suchte nach Fußspuren. „Dort!“, zeigte sie. Die drei Augenpaare blickten zu der kleinen Felsansammlung auf einer Bodenwelle. Sie kamen dem Versteck des Mannes näher und näher…

Im letzten Moment sprang der Verfolgte auf und rannte wie ein aufgeschreckter Hase und schwer keuchend davon. Doch wohin sollte er sich wenden? Es war völlig unsinnig wegzulaufen. Es gab keine Möglichkeit, dem Reitertrio hier mitten in der Einöde zu entkommen. Als würde ihm das jetzt erst klar, wurden seine Schritte schon nach kurzer Zeit immer langsamer; dann drehte er sich resignierend um und erwartete ausgelaugt sein grausames Schicksal.

„Sieh an“, lachte eine der Frauen, „das Häschen gibt schon auf. Hey, Sklave! Willst du uns den Spaß verderben?“ Der Mann sackte auf die Knie. Ob aus Schwäche oder Respekt, wusste er selbst in diesem Augenblick nicht. „Ich bin kein Sklave! Ich schwöre es! Ich bin niemandem weggelaufen! Ich bin freigelassen worden. Ich habe hart und lange dafür geschuftet. Meine Herrin hat mich freigegeben!“ Mit zittriger Hand holte er ein kleines Stück Pergament hervor, das er an seinen Gürtel gesteckt hatte und hielt es mit ausgestrecktem Arm den Damen hin.

Die Reiterin, die abgestiegen war, schritt auf ihn zu und riss ihm das Papier aus der Hand und sah es sich amüsiert an. „Schaut mal her!“ Sie reichte es weiter an ihre Begleiterinnen. Dann wandte sie sich wieder an den Mann: „Kannst du überhaupt lesen, Sklave?“ Der Mann versuchte zu schlucken, doch sein Rachen war knochentrocken und angeschwollen. „Nein, aber mir wurde versichert…“ Er kniete mit offenem Mund und sah bestürzt zu, wie eine Reiterin das Dokument in viele kleine Schnipsel zerriss. „NEIN!“, krächzte der Mann. Seine trockene Kehle schmerzte, aber daran dachte er augenblicklich nicht. Er kämpfte sich erst auf ein Bein, dann auf das andere. Mit ausgestreckten Armen wankte er auf die Reiterin zu. „Das dürft ihr nicht…“

Die Frauen lachten hämisch. Die zwei Damen, die noch auf ihren Rössern saßen, bewegten sich mit ihren Tieren rückwärts. Der Mann trottete weiterhin auf sie zu. Die Frau in seinem Rücken lief hinter ihm her und trat ihm mit Wucht in den Allerwertesten, so dass die geschwächte Gestalt in den Staub auf alle Viere fiel. „Mein Pergament!“, rief der Mann verzweifelt und begann, die Schnipsel aufzusammeln, die auf der Erde verstreut lagen. „Was für ein Pergament?“, fragte eine der Kriegerinnen heuchlerisch und wendete sich zu ihrer Kameradin. „Hast du ein Pergament gesehen?“ Die andere Frau grinste gehässig, zog ihren Degen und zeigte damit auf den Mann: „Lauf! So schnell deine Füße dich tragen, Sklave!“

Der Mann erhob sich mühsam und schwankend und lief in die erstbeste Richtung davon. Hinter ihm hörte er das schadenfrohe Gelächter des Trios. Die dritte Frau war wieder aufgestiegen, und gemeinsam verfolgten sie in ruhigem Trab ihr Opfer. Weit kam der Mann nicht mehr, denn die Bullenpeitsche kreiste bereits in der Luft und schoss zischend vorwärts, drehte sich scharf und knallend um einen Fußknöchel des Mannes und ließ ihn zu Boden schleudern. Der Sand spritzte auf, so dass die kleinen Körner und der Staub dem Gefallenen ins Gesicht und vor allem in den offenen Mund flogen. Noch schmerzhafter war die Fessel um sein Bein, die zubiss wie die messerscharfen Zähne einer Raubkatze.

Der Sturz vergnügte die drei Damen so sehr, dass sie sich kaum noch im Sattel halten konnten. Der Mann bekam nur irgendwas von „Sand fressen“ mit, rappelte sich auf, doch als er gerade stand, riss es ihm erneut die Beine weg. Die Peitsche war immer noch straff um seine Knöchel gewickelt. Die Reiterin hatte ihr Ross mit einem Schenkeldruck zwei Schritt zur Seite getrieben, so dass der Gefangene gestürzt war. Und nun änderte sie die Richtung und trabte los. Die beiden anderen Frauen beobachteten laut lachend, wie der Mann an einem Bein hinter dem Pferd hergezogen wurde. Dabei löste sich sein Leinentuch und blieb im Staub liegen. Die zwei Damen folgten ihrer Kameradin. Eine von ihnen spießte das verlorene Tuch beim Vorbeiritt auf und hielt es hoch wie eine Trophäe in Form eines Fahnenbanners.

Der Mann versuchte sich während seiner ungewollten Rutschpartie zu befreien und streckte sich daher mit den Händen bis zu seinem gefangenen Fußknöchel. Doch das geflochtene Leder hatte sich verwickelt und saß so fest, dass er es während des Ritts nicht lösen konnte. Stattdessen kippte er durch seine Körperhaltung mal nach links, mal nach rechts, mal hüpfte er mit dem Hintern über den Boden, mal fiel er auf den Bauch und streckte sich wieder ganz. Sein Leib war bereits von den Schleifspuren entstellt.

Nach einer halben Meile hielt die voran reitende Frau an und stieg ab. Mit geschickten Bewegungen löste sie schnell die Peitsche vom Bein des Mannes, der erschöpft und geschockt im Sand liegen blieb. „Für dich bekommen wir nicht viel, aber für einen Becher Wein sollte es reichen“, sagte sie abschätzig. Der Mann flehte die Frauen an, ihn laufen zu lassen. Er habe so hart gearbeitet, um sich endlich freikaufen zu können und wolle ein neues Leben jenseits der Grenze als Bauer oder Viehhirte anfangen, sich ein Weib suchen und… Doch seine Betteleien sorgten nur für Spott und weiteres Hohngelächter. Eine der Jägerinnen meinte: „Du bist also ein Landesverräter? Ein Grund mehr, dich auf dem Sklavenmarkt zu verscherbeln.“ Der Mann sprang mit einer Schnelligkeit auf, die die Damen ihm nicht zugetraut hätten, und rannte in irgendeine Richtung. Doch schon wirbelte die Bullenpeitsche erneut durch die Luft und knallte mit einem grausamen Geräusch auf das Gesäß des Fliehenden. Der Lendenschurz löste sich, der Gürtel war durchtrennt. Er hatte glücklicherweise die größte Wucht abgehalten, aber ein dicker, roter Striemen blühte trotzdem quer über seinen Hintern auf, der brannte wie Feuer.

Der Mann war ins Straucheln gekommen, flüchtete aber hinkend und nackt weiter. In absoluter Verzweiflung rannte er, ohne nachzudenken. Die Reiterinnen holten ihn bequem nach wenigen Schritt ein und rempelten ihn abwechselnd mit den Rössern an. Doch trotz seiner ausweglosen Situation lief er ächzend, keuchend und orientierungslos weiter, bis schließlich eine der Reiterinnen ein Lasso über dem Kopf schwang und es Richtung Beute schleuderte. Plötzlich spürte der Mann, wie sich etwas um seinen Hals zuzog. Jetzt gab er endlich auf. Er nahm sein Schicksal an.

Am frühen Morgen hatte das Unheil seinen Anfang genommen, als der Mann in einer kleinen Ansiedlung von einigen Holzhütten mit einem Fremden ins Gespräch gekommen war und vor einem Trupp Kriegerinnen gewarnt worden war, die Männer fangen wollten, um sie auf dem Sklavenmarkt zu verkaufen. Er selbst war vor den Jägerinnen geschützt, da er seiner Herrin gehörte. Aber ein freier, ehemaliger Leibeigener war ein leichtes Opfer. Vidar hatte sich bei dem Dorfbewohner bedankt und wollte diese Gegend so schnell wie möglich verlassen. Doch es war zu spät: Drei Reiterinnen tauchten bereits auf der Straße auf.

Vidar versteckte sich hinter einer Hütte und rannte schließlich im rechten Winkel zum Weg in die dürre Landschaft. Nur weg hier! Aber nach mehreren Stunden, in denen sein Durst größer und größer wurde, hatte er wieder die Nähe der Straße gesucht. Zu spät hatte er die Reiterschar bemerkt, die in Sichtweite am Horizont auf ihn zukam. Sofort war er wieder ins offene Gelände gerannt und hatte gehofft, nicht bemerkt worden zu sein – was sich als verhängnisvoller Irrtum herausgestellt hatte, wie er nun wusste.

Dabei war Vidar so kurz vor einem freien Leben gewesen! Vidar war früher Taschendieb gewesen, doch als Pluta, alias Megara, wie sie sich in diesen Tagen nannte, an die Macht kam, durfte sich ein Mann kaum noch auf die Straße trauen, wenn er nicht einer Herrin gehörte. Und so dauerte es nicht lange, bis ihn eine Miliz aufgriff und in den Kerker unter dem Palast der Herrscherin warf. Mehrere Monate hatte er dort gekauert, ohne Aussicht auf eine Entlassung. Doch dann war seine Chance gekommen: Er bekam einen Mithäftling, der sich als Abas, der Gemahl der ins Exil geflüchteten Königin Leda, herausstellte. Mit dieser brisanten Information beehrte er die Gebieterin. Und schon war er ein freier Mann.

Um einer neuen Einkerkerung zu entgehen, verdingte er sich einem Weib, die es gut mit ihm meinte. Er wurde nicht gezüchtigt und erhielt für einen Leibeigenen nur ein geringes Arbeitssoll. Doch mit der Zeit bekam er Sehnsucht nach der Freiheit und schwor sich, Megaria zu verlassen, um als freier Bauer oder Viehhirte an fernen Gestaden neu anzufangen. So vereinbarte er mit seiner Herrin, sich freikaufen zu dürfen. Nach langer Schufterei war er endlich am Ziel und erhielt als Beweis seiner Freiheit ein Pergament.

Doch er hatte die Grenze von Megaria noch nicht erreicht, als das Schicksal in einem kleinen Wüstenkaff zuschlug. Nun musste er sich von einer der Reiterinnen eiserne Hand- und Fußbänder anlegen lassen, die die Frau mit einem Metallstift einrasten ließ, so dass er sie nicht mehr entfernen konnte. Die Fesseln waren mit schweren Ketten verbunden, die ihm keine großen Schritte erlaubten. So wurde Vidar von dem Trio zurück auf die Straße und dort Meile für Meile über den staubigen, heißen Grund hinter einem der Rösser hergezerrt.

Als Vidar schon dachte, er würde vor Durst und Erschöpfung die Besinnung verlieren, hielten die Frauen an und gaben ihm aus einem Wasserschlauch zu trinken. Nach einer viel zu kurzen Pause ging es weiter. Vidars Füße schmerzten, seine Fußsohlen brannten.
Sein erzwungener Fußmarsch sollte nicht zurück in die kleine Ansiedlung führen, sondern in anderer Richtung in eine etwas größere Ortschaft, die ungefähr 15 Meilen entfernt war. Vidar wankte hinter dem Pferd her und hielt sich mit letzter Kraft aufrecht. Mechanisch setzte er einen Fuß vor den anderen. Seine Nacktheit, die ihm die Schamesröte ins Gesicht getrieben hätte, war vergessen. Er wollte nur noch auf der Stelle liegen bleiben und schlafen. Vidar erlebte daher auch nicht mehr bewusst mit, wie er hinter dem Ross durch eine Menschengasse stolperte, die auf ihn zeigte, lachte, grölte, kicherte, ihn beschimpfte und sogar faules Obst nach ihm warf.

Jenseits des großen Ozeans auf einem anderen, fremden Kontinent lebte derweil die ins Exil getriebene Königin Leda mit einigen wenigen ihr treu ergebenen Gefolgsleuten: die königlichen Berater Thrym und Hagbard, der Soldat Gladius, dessen kämpferisches Talent nicht sein einziges war, wie Leda schon vergnügt in stillen Nächten festgestellt hatte, der Medikus und zwei Gardistinnen. Außerdem gehörte noch ein Stallknecht zu der Gruppe, der allerdings noch immer einen Keuschheitsgürtel trug, den Leda ihm als Buße auferlegt hatte, weil er zuvor mit dem meuternden Teil ihrer Schiffsbesatzung sympathisiert hatte.

Die Meuterer hatten sie seit Monaten nicht mehr gesehen. Sie waren wie vom Erdboden verschluckt. Da der Kontinent offenbar von einem fremden Volk bewohnt war, konnte Leda nicht ausschließen, dass die Verräter selbst zu Opfern geworden waren. Leda hatte kein Mitleid mit den Abtrünnigen. Der Tod wäre ein gerechtes Urteil für die Untreuen gewesen. Allerdings fühlte sie sich ebenfalls verloren, denn eine Rückkehr in ihr Reich war aus zwei Gründen ausgeschlossen: Zum einen war niemand in ihrer Gemeinschaft fähig, ein Schiff zu bauen, dass sie über den Ozean nach Osten hätte bringen können; zum anderen hätte sie eine gewaltige Armee benötigt, um Megara wieder vom Thron zu stoßen.

Am bittersten an ihrem Exil empfand sie jedoch, dass sie nicht wusste, was aus ihrem Gemahl Abas geworden war. War er tot? Sie wollte es nicht glauben. „Majestät!“, sprach sie Hagbard an, denn so nannten sie noch immer alle ihre Getreuen, „Gladius hat bei der Jagd fremde Spuren entdeckt.“ Leda sah ihn fragend an: „Spuren? Von den Verrätern?“ Hagbard schüttelte den Kopf: „Nein, Majestät. Vermutlich nicht. Es sind Radspuren wie von einem großen und schweren Wagen.“ Leda wirkte überrascht. „Aber… So weit im Süden. Könnten trotzdem Kundschafter oder Wanderer dieses fremden Volkes in der Nähe sein? Wir haben Monate nichts gesehen.“ Hagbard berichtete: „Gladius verfolgt die Spuren nach Norden. Sie sind schon etwas älter. Wir sollten es wissen, wenn hier feindliche Truppen umherziehen.“ Leda nickte: „Ja, das ist wahr.“ Doch insgeheim hatte sie Angst um ihren Gladius, der schon ein wenig mehr als nur ein Bettgefährte geworden war – zum Neid von Hagbard und den anderen Männern. Vielleicht würde der Soldat ja von seiner gefährlichen Mission nicht zurückkehren…

Weit entfernt in Megaria wurden die Hoffnungen der Tyrannin auf Nachwuchs enttäuscht: Obwohl sie sich den Samen von Abas hatte einpflanzen lassen, blieb ihre Fruchtbarkeit aus. Sie wütete und schikanierte die Palastwächterinnen, die wiederum ihren Frust und Ärger an den Dienstboten und Sklaven ausließen. Megaras einzige Befriedigung war Abas, der als blindes Gewürm vor ihr kroch und sich über den Boden wandte. Wenn sie genug von ihm genug hatte, schickte sie ihn zurück in den Kerker. Durch schwarze Magie hielt sich der ehemalige Königsgemahl der Leda für einen blinden Wurm, trug einen Keuschheitsgürtel und vegetierte unter Megaras Willkür dahin – und so sollte es auch bleiben.

Die Tyrannin wollte unbedingt eine Thronfolge für die Zeit nach ihr haben. Doch wer sollte es sein? Keine Senatorin hielt sie für würdig genug. Ein Jüngling, den sie heirateten könnte, fand sich ebenfalls nicht. Außerdem sollte in Megaria niemals wieder ein Mann an die Macht kommen! Unzufrieden stolzierte die Herrscherin durch ihren Palast. Hinter ihr floss die Schleppe ihres Seidengewandes über den polierten Marmor. Auf ihrem Haupt trug sie ein Diadem mit zahlreichen Diamanten und Rubinen. Ihre eigentliche Krone setzte sie sich nur bei öffentlichen Anlässen auf, denn sie war wegen ihres hohen Goldgehaltes sehr schwer. Das pompöse Werk, das nach ihren Wünschen gefertigt worden war, ähnelte dem Gehörn eines Widders.

Manche Senatorinnen verspotteten Megara hinter vorgehaltener Hand als Teufelsfratze, wenn sie die protzigen Insignien ihrer Macht präsentierte, zu denen auch ein Zepter gehörte, der nicht weniger kostbar, aber zugleich auch scheußlich anzusehen war. Besonders die Senatorinnen Kerbera und Alekto hetzten in Megaras Rücken gegen die Despotin und planten einen Putsch. Doch behinderten sie sich dabei gegenseitig, denn beide wollten den Thron besteigen. Außerdem mussten sie extrem vorsichtig sein, mit wem sie darüber sprachen. Würde Megara davon Wind bekommen, so würde sie die beiden Damen unverzüglich aufknüpfen lassen. Oder Abscheulicheres mit ihnen anstellen…
107. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von sheeeep am 15.09.20 18:25

Sehr schöne Fortsetzung!Herrlich zu lesen!Herzlichen Dank dafür !
108. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von AlfvM am 17.09.20 20:28

Dem kann ich mir nur anschließen.
Vielen Dank
GLG Alf
109. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 26.09.20 18:50

Danke für die Feedbacks, Hier geht es weiter:

Es war Mittag und Zeit für das tägliche Gebet. Megara ergötzte sich daran, wie sich das Volk auf dem Markt verbeugte, niederkniete und sie anbetete, wie es Pflicht für alle Bewohner der Hauptstadt war. Von einem Moment auf den anderen verharrten sämtliche Marktbesucher, um im Gebet zu versinken. Megara glaubte in ihrem Größenwahn, dass ihre Untertanen sie tatsächlich vergötterten. Doch in Wahrheit gingen den meisten Menschen ganz andere Gedanken durch den Kopf.

Nach dem Gebet erwachte der Markt wieder zu einem wirren Getümmel und Lärm, die Stände verkauften Obst, Gemüse, Brotwaren, Gewürze, Mehl, Zucker, Meersalz, Stoffe, Gewänder, Schmiedearbeiten, Lederprodukte, Sklaven, Schweine, Rinder, Hühner, Ziegen und vieles mehr. An einem Stand mit angepflockten nackten Männern prüfte eine Lady die Männlichkeit eines Sklaven, indem sie die dicken Bälle unter seinem Keuschheitsrohr betastete und kräftig knetete. Der Leibeigene verzog schmerzhaft das Gesicht und unterdrückte einen Schrei. Sie wollte ihn nicht erwerben, aber sie hatte von einer Freundin gehört, dass es Glück bringen sollte, wenn man von einem Marktsklaven einen gequälten Laut auf diese Weise herbeizauberte. Bald schon konnte der Mann nicht mehr widerstehen und grunzte zuckend und sah flehend zu der Verkäuferin herüber, die sich dafür jedoch nur wenig zu interessieren schien. Sie war mit anderen Dingen beschäftigt und brachte gerade bei einem Sklaven eine eiserne Halskrause an, die fast zwei handbreit hoch war und den Kopf sehr gerade und den Hals gestreckt hielt. Nun verband sie noch den Nasenring der Kreatur mit einer Öse an der Krause. Sie schmunzelte. Das sah lustig aus.

Die vielen Details erkannte Megara von ihrem Fenster hoch oben in ihrem Palast, der ihr einen Blick fast über die gesamte Stadt erlaubte, nicht. „Wie süß es ist, vom eigenen Volk geliebt zu werden“, sagte sie. „Es ist mir so dankbar für das Matriarchat, das ich für meine Untertanen errichtet habe.“

Eine uniformierte und teils gerüstete Palastwache erschien. „Hoheit“, sprach die Frau ihre Herrscherin demütig an, indem sie den Kopf senkte, stramm stand und darauf wartete, dass Megara reagierte. „Sprich!“, hallte Megaras Stimme durch den großen Raum. Die Wächterin erzählte, dass in der Mine, tief unter der Burg, noch unter den Kerkern, eine ganze Kolonne Sklaven verschüttet worden war. „Vermutlich sind noch etwa 40 Arbeiter in einem Gang gefangen.“ Bei Neuigkeiten wollte Megara grundsätzlich sofort informiert werden. Doch nun meinte sie fuchsig: „Was interessiert mich das? Soll ich mich denn mit jedem unbedeutenden Sklavenschicksal befassen!?“ Die Palastwache erschrak. Hatte sie die Herrscherin verärgert? Megara hatte sich bereits in Rage geredet: „Da kommst du hier mit einem Knall hereingepoltert wie der Inhalt eines Nachttopfs, der auf die Gasse klatscht, und faselst irgendwas von 40 Sklaven…“ „Jawohl, Hoheit!“, konnte die Frau nur erwidern, deren Gesicht fast im gleichen Farbton glühte wie ihre karmesinrote Jacke. Blasiert wollte sie sich mit einer Verbeugung zurückziehen, doch Megara keifte: „Lasst sie in dem verschütteten Gang ihrem Schicksal entgegensehen. Wir können uns nicht mit Bergungsarbeiten aufhalten. Ersetzt sie gegen 40 neue. Es gibt noch so viel Silber abzubauen…“ Die Wächterin nickte ergeben und fragte: „Und die Goldader?“ Megara ruckte hoch: „Was für eine Goldader?“

Die Luft in dem Palastsaal schien zu brennen. Die Uniformierte erläuterte ihrer Herrscherin, dass in dem verschütteten Gang eine Goldader entdeckt worden war. Megara strahlte über ihr ganzes Gesicht. „Sorg dafür, dass die Sklaven freigeschaufelt werden! Schnell! Warum stehst du noch hier?“ Die Wächterin beeilte sich, die Halle zu verlassen. Megara murmelte vor sich hin: „Gold!“ Sie rief nach ihrer Majordoma: „Sorgt dafür, dass die Goldader so schnell wie möglich freigelegt wird. Egal, wie viele Sklaven benötigt werden.“ Die Majordoma verneigte sich elegant: „Sehr wohl, Hoheit. Sollen die Sklaven von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang arbeiten?“ Megara lachte grausam: „Hast du in der Mine schon einmal die Sonne gesehen? Lasst sie rund um die Uhr schuften. Sie sollten sich geehrt fühlen, dass sie ihrer Göttin dienen dürfen.“

Bereits eine Stunde später hatte eine Hundertschaft von starken Sklaven in exakten Reihen Aufstellung im Palasthof genommen. Eine kleine, zierliche Duxa schritt vor den komplett nackten Männern her und sprach mit zwei Centurias: „Und das sind die kräftigsten Exemplare, die ihr erhalten konntet?“ Die eine Centuria nickte: „Jawohl, werte Duxa. Schaut sie Euch an: beste Muskeln und starker Knochenbau.“ Sie ging zu einem der Sklaven in der ersten Reihe und tippte auf Brust, Schultern, Arme und Oberschenkel. Die Duxa beäugte den Leibeigenen. Unwillkürlich rutschte ihr Blick auch auf die ausgeprägten männlichen Geschlechtsteile. Um die Hoden trug jeder Sklave einen Ring, an dem eine Kette angebracht war, die durch seine Schenkel hindurch zu den Hoden des Hintermannes führte. So waren immer fünf Männer zusammengekettet. 20 dieser Fünfergruppen standen nebeneinander aufgereiht.

Die drei Frauen schritten bis zum Ende der Reihe, dann pfiff eine der Centurias auf einer Tonpfeife ein Signal und rief „Vorwärts!“. Die Männer trabten mit angezogenen Knien vorwärts. Ihre simultanen Bewegungen waren präzise ausgeführt – anderenfalls hätten sie sich auch ihre Bälle lang gezogen. Trotzdem erschien ein halbes Dutzend Soldatinnen mit langen Peitschen und trieb die Hundertschaft aus dem Hof. Die Duxa grummelte: „Mir wäre es lieber gewesen, wenn ich sie für den Armeedienst bekommen hätte. Dafür waren sie ursprünglich ausgewählt worden. Und nun werden sie in der Silbermine verschwendet. Angeblich ist eine Goldader gefunden worden.“ Plötzlich sah die Duxa erschrocken zu ihrer Untergebenen Centuria. Würde die Frau sie bei Megara verraten? Sie hatte gerade die Herrscherin kritisiert! Das war Gotteslästerung! Hochverrat! Dafür würde sie hängen! Aber die Centuria nickte und flüsterte leise: „Eine Schande ist das.“ Auch diese Antwort war mutig, denn nun hätte wiederum die Duxa ihre Untergebene wegen Insubordination festnehmen können. Doch nichts geschah. Beide Frauen spürten, dass Aufruhr in der Luft lag. Wie lange würde sich die Tyrannin noch auf dem Thron halten? Würde es einen Putsch geben? Niemand wusste etwas genaues, aber hinter vorgehaltener Hand sprachen einige Hofdamen von illoyalen Senatorinnen…

Megara war in ihren Harem geschlendert. Sie sah sich in der Gruppe aus zwölf nackten Schönlingen um und sagte angewidert: „Lose im Fleisch, verschnitten… Wo sind die wohlgestalteten Recken, die ich einst besaß?“ Sie rief nach einer Wächterin. „Bringt diese unansehnlichen Kreaturen wieder in Form! Wasser, Brot und Turnübungen – bis sie mir gefallen! Notfalls redet ihnen ins Gewissen!“ Damit stolzierte sie mit wehender Schleppe hinaus. Die Liebessklaven sahen sich bestürzt an. Ihre Körper waren durchtrainiert. Hatte Megara schlechte Laune? Hoffentlich hatten die Wächterinnen ein Einsehen und würden sie nicht allzu sehr peinigen. „Ins Gewissen reden“ hieß bei Megara nichts anderes als die Sprache der Geißel.

Die Tyrannin war bekannt für ihre janusköpfige Art: Im einen Moment vollführte sie mit einem Sklaven den Akt der Liebe, im nächsten schickte sie ihn zur Torturmaestra. Auch gerade in diesem Augenblick litten zahlreiche Männer in dem Kerkergewölbe unter dem Palast für ihre vermeintlichen Verfehlungen. Eine hochgewachsene Frau marschierte in ihrer Lederuniform mit den vielen Nieten an einer Gitteröffnung einer Zelle vorbei und ließ für wenige Momente das Feuer ihrer Fackel hineinscheinen: Ein Nackter, Ketten hielten seine Arme gestreckt zur Decke, hatte seinen Kopf ermattet auf die Brust fallen lassen. Zwischen seinen Beinen hing ein Felsklotz an einem Seil, der seine Männlichkeit nach unten zog. Die Wächterin hatte ihre Schicht erst begonnen und wusste nicht, wie lange der Arme dort schon vegetierte. Sie schlug mit ihrem Stiefel gegen die Gitterwand. Der Mann hob träge und apathisch den Kopf, schielte zur Decke und gab einen animalischen Laut von sich. Offenbar ging es ihm gut. Die Wächterin setzte ihren Kontrollgang fort. In einer anderen Zelle stand eine Käfigkiste, in der vier nackte Sklaven ineinander geschlungen und gequetscht hineingezwängt worden waren. Verschärfte Haft, wie die Frau wusste. Vielleicht waren sie frech gewesen oder hatten ein Kommando nicht schnell genug befolgt? Später erfuhr sie von einer Kameradin, dass die Männer in einer überfüllten Zelle gesessen hatten und gebeten hatten, sie auf die anderen leeren Räumlichkeiten aufzuteilen.

Jenseits des großen Ozeans bearbeitete der Stallknecht von Leda mit einem selbstgebauten Hobel einige Baumstämme, damit das Holz für den Hüttenbau verwendet werden konnte. Hinter seinem Rücken erschien eine der beiden Gardistinnen, die Leda die Treue gehalten hatten. Die Frau hatte längst ihre Uniform abgelegt und sich eine figurbetonte Kluft aus Wildleder genäht. „Willst du nicht mal eine Pause machen?“, fragte sie den Burschen und zeigte ihm einen geflochtenen Korb: „Schau mal, ich habe Beeren gesammelt. Lass uns davon naschen.“ Der Stallknecht legte sein Werkzeug weg. Seit einigen Tagen hatte die Gardistin scheinbar den Narren an ihm gefressen, denn sie hatte ihm bereits öfter Leckereien besorgt und ihm sogar einmal den müden Rücken massiert. Und als sei das nicht verwunderlich genug, überlegte der Stallbursche, war er ebenfalls im Fokus der anderen Gardistin, die sich neuerdings auch gern in seiner Nähe aufhielt, und der es gar nicht gefiel, wenn ihre Kameradin mit ihm sprach.

Waren die beiden Frauen etwa in ihn vernarrt? Der Stallknecht seufzte. Ach, würde er doch nur nicht in diesem Keuschheitsgürtel stecken! Aber er hatte Leda Buße geschworen, weil er sich auf der Insel zu den Meuterern gesellt hatte. Wäre seine Sühne bald abgelaufen, könnte er den Galan spielen. Ate reichte dem Stallknecht den Korb und schlug vor, sich mit ihm ins Gras zu setzen. Der junge Zelos war froh über die Abwechslung von der Schweiß treibenden Arbeit. Heimlich betrachtete er die wunderhübsche Ate, wenn sie wegsah, und spürte, wie ihre enge Lederkleidung seine Männlichkeit erregte. Und wie die Beeren zwischen ihren vollen, roten Lippen verschwanden, trieb ihn zu dem drängenden Wunsch, sie zu küssen.

Wenn diese Schönheit doch nur wüsste, wie sie mich damit quält, seufzte Zelos. Aber die Gardistin wirkte so unschuldig, so verspielt, wollte gefüttert werden und Zelos ebenso Beeren in den Mund stecken, kicherte wie eine görenhafte Jungfer und bewegte sich so unschuldig und doch so erregend vor ihm, das es in seinem Unterleib schmerzte und zugleich heiß und wohlig wurde. Zelos musste mehrfach schwer schlucken und fühlte, wie sein Keuschheitsgürtel eng und enger wurde. Seine Lenden regten sich mehr und mehr. Vielleicht sollte er das kleine Picknick beendet, doch Ate griff plötzlich nach seinem Hals. „Küss mich!“, sprach sie fordernd und voller Inbrust.

Im ersten Augenblick war Zelos starr wie eine Salzsäule. Träumte er das alles nur? War es einer der vielen grausamen und trügerischen Illusionen, in denen er von wunderbaren Venuswesen umschwärmt wurde, wie das Licht von Motten, und trotzdem keine Liebe machen konnte? Ate hatte sein Gesicht zu ihm gezogen und drückte sanft ihre sinnlichen Lippen auf die seinen - unendlich weich und verführerisch. Noch bevor Zelos aufstöhnen konnte, schlängelte sich ihre Zunge in seinen Mund. Der Bursche war keiner Abwehr fähig. Er ließ es geschehen und nahm nun auch Ate in den Arm und küsste und streichelte ihren weiblichen Leib.

Seit vielen Monden war es das erste Mal, dass er ein Weib berührte. Und das aus gutem Grund. Aber nun war das drängende Bedürfnis so groß, dass er nicht an die bittersüßen Konsequenzen dachte. Er vergrub sein Gesicht in den Brüsten der Frau, küsste ihren Vorhof, saugte zart an ihren Brustwarzen, dass Ate wohlig aufstöhnte und geradezu nach mehr gierte. Zelos spürte zunehmende Schmerzen in seiner stählernen Hose, die ihn unbarmherzig daran hinderte, diese Krone der Schöpfung zu nehmen. Und trotz alldem konnte er sich nicht mehr stoppen.

Bald wälzte sich das Paar über die Wiese. Mal lag er auf ihr, mal sie auf ihm. Zelos hatte seiner Ate das enge Lederjäckchen geöffnet und hielt ihre wunderschönen, zarten, warmen und runden Busen in Händen. Oh, was war die Weiblichkeit doch für ein Genuss! Und wie grausam war so ein Keuschheitsgürtel! War Ate so unschuldig, dass sie nicht wusste, dass er nicht…? Langsam wurde dem Stallknecht klar, dass es zu keinem guten Ende kommen konnte und griff seine Angebetete vorsichtig an den Oberarmen: „Ate! Es geht nicht. Du weißt doch… Leda hat mich versperrt.“ Ate kicherte. Lachte sie ihn etwa aus? Sie öffnete ihre Lederhose und zog sie herunter. Zelos ächzte vor Geilheit. Ein Mann würde nun sein Schwert in sie stoßen. Doch dies blieb ihm verwehrt.

Die lockende Ate winkte ihn lächelnd herbei. Sie führte seinen Kopf. Jetzt verstand er. Sie wollte, dass er sie mit seiner Zunge berührte! Ein wenig rot vor Scham tauchte Zelos mit seinem Gesicht zwischen die zarten Schenkel und genoss den Duft der Weiblichkeit. Und dann leckte er das lustvolle Fleisch – anfangs vorsichtig und zurückhaltend, doch dann immer eifriger. Auch Ate schien es sehr zu gefallen. Mehr noch, als ihre wilden Küsse. Immer, wenn er hochkommen wollte, drückte sie ihn zurück und zeigte ihm genau an, wo sie verwöhnt werden wollte. Als sie sich abrupt aufbäumte und laut stöhnte, wurde der Bursche fast verrückt vor Geilheit. Dann sackte ihr Körper zusammen. Ate seufzte zufrieden. „Ich danke dir“, sagte sie und zog sich ihre Beinkleider wieder an. Dann band sie auch ihre Jacke zu. „Vielleicht besuche ich dich morgen wieder.“

Zelos sah ihr sehnsüchtig nach und starrte auf ihr knackiges Gesäß. Der Stallknecht seufzte frustriert auf. Er saß noch lange da, doch als seine Erregung nicht abklang, stieg er in einen nahen Bach, der kaltes Wasser führte. Endlich ging seine Lust zurück. Doch vor seinem inneren Auge und nachts in seinen Träumen war Ate noch präsent: ihre Brüste, ihre zarte Haut, ihre Locken, ihre Augen, in denen die Leidenschaft glühte, ihre duftende, feuchte Scham, ihre zuckenden Lenden, ihr runden Hinterbacken…

Mehrere Meilen weiter nördlich schlich Gladius durchs Unterholz. Er hatte die geheimnisvolle Radspur verfolgt. Schließlich war er auf eine befestigte Straße aus Kopfsteinplaster gekommen und war sie entlang marschiert; doch schon nach zwei Stunden hatte er Reiter gesehen und sich verstecken müssen. Er kauerte in einer Senke am Boden zwischen Gesträuch. Acht Reiter waren an ihm vorbei getrabt und hatten sich in einer fremdländischen Sprache unterhalten. Die Männer waren schwer gerüstet und hatten mit ihrem finsteren Blick feindselig gewirkt.

Seitdem hatte sich Gladius nicht mehr aus dem Gebüsch gewagt und war parallel zum Weg durch das dichtere Buschwerk weiter gelaufen. Leider wurde das Dickicht immer undurchdringlicher und unwegsamer. Er wollte sich gerade eine andere Möglichkeit überlegen, da hörte er einen zischenden Laut, einen Augenblick später fühlte er eine Schlinge an seinem rechten Fuß, und dann riss es ihn brutal von den Beinen. Mit einem erschrockenen Laut zappelte er in der Luft, etwa zehn Fuß über dem Boden an einem hohen alten Baum. Er war in eine Falle geraten!

Nachdem der erste Schock vorbei war, zog er seinen Dolch, um das Seil zu durchtrennen. Er säbelte an dem Tau und machte sich auf einen harten Aufprall am Boden gefasst. Doch bevor er es nur zur Hälfte durchtrennt hatte, schleuderte ihm seine Klinge mit solcher Wucht aus der Hand, dass sein Gelenk schmerzte. Erst einige Momente später wurde ihm klar, dass auf ihn geschossen worden war. In der Baumkrone eines benachbarten Baumes zitterte noch der Pfeil, der ihm zuvor seine Waffe aus der Hand gerissen hatte. Hektisch zappelte Gladius an seinem Seil und suchte in allen Richtungen nach dem Schützen. Aber er blieb unsichtbar. Gladius beruhigte sich ein wenig. Wenn ihn jemand hätte töten wollen, wäre er jetzt eine Leiche. Das wurde ihm nun bewusst. Aber warum zeigte sich niemand?

Die Tage vergingen, und Leda war voller Sorge um ihren Soldaten. Doch Hagbard und Thrym, ihre Berater, rieten ihr dringend davon ab, einen Suchtrupp loszuschicken. Dem Feind in die Hände laufen? Im Gegenteil: Es sei besser, das Lager zu verlassen und noch weiter nach Süden zu ziehen. „Vielleicht ist Gladius aber auch in die Fänge der Meuterer geraten“, warf Leda ein. Hagbard brummte: „Nie im Leben! Die sind gewisslich längst tot. Majestät, mit Euch und Gladius sind wir nur sieben Personen. Und die Meuterer waren etwa 40. Die konnten unmöglich so lange Zeit unentdeckt bleiben. Womöglich haben die Abtrünnigen uns sogar an die Fremden verraten.“ Leda sackte unglücklich zusammen. Erst war Abas für sie verloren, und nun war Gladius ein Opfer seines Späherdienstes geworden.

Sie zog sich zurück, und später am Tag entschied sie, noch drei Tage zu warten. Thrym und Hagbard beschworen sie zwar, schnell für einen sicheren Rückzug zu sorgen, doch Ledas Entschluss stand felsenfest. So einfach wollte sie Gladius nicht aufgeben. Aber nachdem die Wartezeit abgelaufen war, machte sich der sechsköpfige Trupp am frühen Morgen auf die Reise nach Süden, wo die „Gestrandeten“ unbewohntes Land vermuteten. Leda musste sich mit dem Schicksal, dass die Götter für sie vorgesehen hatte, abgeben.

Während des Marsches liefen die beiden Soldatinnen Ate und Nike hinter dem bepackten Stallknecht Zelos, um seine strammen Hinterbacken zu bewundern. Am späten Nachmittag erreichte die Reisegruppe einen Fluss mit kühlem Wasser, wo sie eine Pause einlegten, um zu verschnaufen und die Wasserschläuche zu befüllen. Der Medikus musste Hagbard dessen wund gelaufenen Fuß verarzten. Währenddessen sprangen Zelos, Ate und Nike in die erfrischende Flut. Wie der Bursche schon beinahe befürchtet hatte, kamen die jungen Frauen ihm sehr nahe und feixten mit ihm im kühlen Nass. Das Trio bespritzte sich gegenseitig, drückte sich unter Wasser, Ate kletterte auf Zelos, der sie auf seine Schultern setzte und sich wie ein Pferd führen ließ, und dann klammerte sich Nike auch noch an seinen Rücken.

In dem Tohuwabohu spürte Zelos plötzlich, wie eine weibliche Hand das beutelartige Gehänge seines Gemächtes ertastete. Zelos schrak hoch, doch ihm war die Situation zu peinlich, um laut zu rufen. Er versuchte Ate, wie er sie nun erkannte, wegzudrücken, doch die kecke Jungfer packte nur kräftiger zu. „Was machst du?“, raunte der Stallknecht ihr entsetzt zu. Als Antwort folgte nur ein schlitzohriges Kichern. Und dann kam auch noch Nike dazu und griff ihm von hinten zwischen die Schenkel, um ebenfalls Anteil an seiner Männlichkeit zu haben. „Hey“, drehte Zelos seinen Kopf zur Seite, „hört auf mit solchen Kindereien!“ Ate schmunzelte: „Aber, aber! Das sind doch keine Kindereien! Wir wissen genau, was wir wollen!“ Zelos sah sie die Stirn runzelnd an und seufzte. „Ihr wisst doch von meiner…“ Er wollte „Schmach“ sagen, doch fiel ihm gerade noch rechtzeitig das Wort „Umstände“ ein. Doch trotzdem kicherten Ate und Nike wie zwei junge Gören. Jetzt wurde der Knecht noch roter, aber dieses Mal eher aus Zorn. Wollten die jungen Gardistinnen ihn zum Narren halten? Eingeschnappt marschierte er aus dem Fluss und würdigte die Frauen keines Blickes mehr.

Als Ate und Nike längst nicht mehr an ihr „Spiel“ im Wasser dachten, und der Trupp sich wieder auf den Weg gemacht hatte, grübelte Zelos über sein Schicksal nach. Wie lange würde die Majestät ihn noch versperrt lassen? Er hatte doch nun seine Treue bewiesen und alles bereut! Er erinnerte sich an den Akt der Liebe, wie er ihn früher mit den süßen Mägden getrieben hatte: im Heu, auf der Wiese, im Stall. Es gab nichts Schöneres! Und ihm blieb es nun schon so lange, lange verwehrt! Sein Luststab war geweckt worden und wollte nicht mehr schrumpfen. Die reizenden Berührungen von Ate und Nike fühlte er immer noch. Sehnsüchtig gierte er nach mehr! Aber auch nach einem Aufschluss!

Ob er es wagen sollte, Leda danach zu fragen? Zelos grübelte und grübelte. Den heiß begehrten Schlüssel zu seiner Freiheit trug die Königin um den Hals wie eine Trophäe. Das war einfach unfair! Gemein! Grausam! Er unterdrückte seine Wut. Er durfte die Schuld an seiner Strafe nicht anderen geben. Er selbst war verantwortlich. Und er musste den Lohn seiner Untat annehmen. So schwer es ihm auch fiel.

Als die Gefährten in der Nacht ein kleines Lager aufschlugen, entfernte sich der Knecht in einen nahen Waldhain, um alleine vor sich hinzugrübeln. Er haderte trotz allen Überlegungen noch mit seinem harten Schicksal. Was für ein Übel war über ihn gekommen! Verzweifelt schob er seine Hose hinab und starrte auf das eiserne Gefängnis. „Von wegen Gemächt!“ jammerte er. „Ich besitze keinerlei Macht darüber! Sie ist mir genommen!“ Plötzlich verstummte er in seinem Selbstgespräch. Was waren das für ferne Geräusche im Unterholz? War der Feind ihnen etwa auf den Fersen? Oder folgten die Meuterer ihnen? Oder waren es nur Tiere der Nacht?

Der Pferdebursche nahm allen Mut zusammen und schlich leise in einem Bogen auf die Geräusche zu. Unter seinem Fuß knackte plötzlich ein Zweig. „Verflucht!“, dachte er und blieb stehen. Doch an den Geräuschen änderte sich nichts. Er war nicht bemerkt worden. Dann fiel ihm auf, dass er nicht mal eine Waffe trug. Sollte er im Lager Alarm schlagen? Nein, lieber wollte er erkunden, wer da in der Nähe war. Zelos schlich weiter. Schritt für Schritt kämpfte er sich vorsichtig vorwärts. Ein dichtes Gestrüpp verwehrte ihm die Sicht. Lautlos schob er sich in das Blätterwirrwarr. Und dann sah er in einem Steinfwurf Entfernung auf einer kleinen Lichtung, die mit Moos bedeckt war, und die vom Vollmond milchig beschienen wurde, zwei eng umschlungene Leiber. Nackt! Was führten sie im Schilde? Den Stein der Weisen suchten die Beiden da bestimmt nicht.

Zelos öffnete den Mund, und ein dünner Speichelfaden lief von ihm unbemerkt an seinem Kinn hinab. Seine Augen glotzten weit aufgerissen auf die Szenerie im Mondlicht, die vor ihm lag. War das ein Waldteufel, der eine Elfe verführte? Oder trieben es da unersättliche Geisterwesen miteinander? Vielleicht ein Sukkubus, der einen Recken bezauberte hatte? Doch die anfängliche Abscheu änderte sich schnell in Sehnsucht nach der Minne. Zelos beneidete das junge Liebespaar, das dort ihrer ungebändigten Lust nachging. Und das war es, denn für Totengeister wirkten die Leiber doch zu fleischlich.



110. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 11.10.20 13:41

Zur gleichen Zeit marschierte eine prachtvoll und gleichzeitig militärisch gewandete Frau über den Paradehof des Regierungspalastes der Ost-Metropole. Die nach der Hauptstadt größte Ortschaft von Megaria wurde von Stadthalterin Fama regiert. Flankiert von zwei Palastwächterinnen mit jeweils einer Fackel in den Händen schritt Fama mit ihren arroganten Gesichtszügen, die wie in Stein gemeißelt waren, an einer Reihe an Kampfsklaven vorbei, die stramm Aufstellung genommen hatten. Die hohe Dame würdigte sie mit keinem Blick. In Gedanken war sie bei ihren Töchtern Vesta und Aurora, die zwar bereits Fräuleins waren, doch oft noch Unsinn und kindische Streiche verübten. Auch heute, zu so später Stunde, war Fama von der Wache gerufen worden. Doch dieses Mal hatten es Vesta und Aurora zu weit getrieben!

Fama hatte sich fest vorgenommen, die beiden Früchtchen hart zu bestrafen. Die Stadthalterin näherte sich einer schweren Tür, die in den Weinkeller führte. Rechtzeitig öffnete eine Wächterin ihr und stand stramm da, als Fama an ihr vorbei- und die Steintreppe hinuntereilte. An der Wand blakten Fackeln. Unten wurde die Oberste der Stadt bereits erwartet. Die Gouvernante der beiden Schwestern war außer sich. „Ehrwürdige Fama! Es ist schrecklich! Einfach nur schrecklich! Vielleicht solltet ihr doch nicht in das Gewölbe…“ Fama drückte die Gouvernante zur Seite. „Wo sind die zwei?“ Ihre Stimme bebte.

Und dann sah sie das ganze Ausmaß. Vesta und Aurora saßen schuldbewusst auf einer Bank und blickten beschämt zu Boden. Fama glaubte ihren Augen nicht trauen zu dürfen: Fünf Dienstboten lagen nackt auf dem Pflaster und wirkten so betrunken, dass sie sich kaum noch rührten. Doch noch viel empörender war, dass den Männern jeweils eine Weinflasche in intimer Stelle steckte. Fama war zutiefst entsetzt! „Alle raus! Alle bis auf meine liebreizenden Töchter!“ rief sie mit befehlsgewohnte Stimme. Das Wort „liebreizenden“ sprach sie geradezu hasserfüllt aus.

Im Innenhof standen noch immer die Kampfsklaven in ihren knappen Lendenschurzen aus hartem Leder und Schnürsandalen. Zu dieser Einheit gehörten ausschließlich mit Muskeln bepackte Männer, die sieben Fuß groß waren. Die vielen Fackeln beleuchteten ihre durchtrainierten Körper. Eine kleine Frau in imposanter Uniform saß auf einem Rappen mit schmuckvoll verzierter Decke und betrachtete die stehenden Männer. Auf ihr herrisches Handzeichen packten zwei der Männer einen der ihren und traten mit ihm vor. Sofort fiel der mittlere Sklave auf die Knie und senkte sein Haupt. Zwei weibliche, gerüstete Wächterinnen erschienen von den Flanken und schickten die zwei anderen Soldaten wieder zurück in die Reihe. Dem Knienden drückten die Frauen eine Eisenstange in die Kniekehlen, dann führten sie seine Arme unter der Eisenstange durch. Dabei fiel der Mann auf seinen Hintern. Vor den Schienbeinen fesselten die Wächterinnen die Handgelenke mit Ketten zusammen. Auf einen Wink erschienen nun wieder die zwei anderen Kampfsklaven und hoben die Enden der Eisenstange hoch. Der Gebundene stöhnte auf und schaukelte an der Stange. Sein Körpergewicht drückte den Metallstab gegen seine Kniekehlen.

Die Reiterin wendete ihr Ross und schritt auf dem Pferd bis zu einer Mauer. Dort kamen den beiden Kampfsklaven zwei weitere Männer zur Hilfe und hingen die Stange samt Delinquenten in Brusthöhe auf ein Gestell. Die Reiterin nahm eine Pergamentrolle zur Hand, rollte sie aus und verlas: „Im Namen unserer Gottheit Megara wird diese wertlose Kreatur für sein Versagen rechtmäßig nach dem Urteil des Hohen Gerichts der Metropole zu 20 täglichen Peitschenhieben und sechs Monaten Kerkerhaft verurteilt!“ Die zwei gerüsteten Wächterinnen kamen wieder hervor, während die Kampfsklaven sich zurückzogen. Das angetretene Heer sah von Weitem zu. Die Wächterinnen entrollten jeweils eine Lederpeitsche.

Der Verurteilte konnte nur die Mauer sehen, denn sein Gesicht hing kopfüber zur Wand. Dafür war sein Hintern schutzlos präsentiert. Der Lendenschurz war umgeklappt und bedeckte nun einen Teil des Rückens und des Bauches. Zwischen seinen Schenkeln war die Keuschheitsschelle zu sehen, die alle Kampfsklaven zu tragen hatten. Nun streckten die Wächterinnen ihren Arm mit der Peitsche aus und lockerten das lange Lederinstrument durch Schütteln. Auf einen kurzen Wink der Reiterin holte die erste Frau aus und zischte mit ihrem Leder zielgenau auf das Sitzfleisch des Delinquenten, wo sofort ein roter dicker Striemen aufblühte. Danach folgte die zweite Frau. Und so wechselten sie sich gnadenlos ab. Bald schon schrie der Sklave um Gnade, doch erst nach vollen 20 Schlägen wurde er aus seiner misslichen Lage befreit.

Als er zu Boden fiel, klebte sich der Staub des Hofes an seinem gezüchtigten Gesäß fest. Humpelnd wurde er abgeführt. Die Kampfsklaven, die die Bestrafung hatten mit ansehen müssen, waren gewarnt. Die Ausbildung war hart. Der Schwächste oder der Langsamste wurde aussortiert. Jeder der 49 Männer hatte sich fest vorgenommen, zu den 12 besten Absolventen zu gehören, die schließlich ins Heer übernommen wurden. Die Versager mussten ein schweres Los ziehen. Dabei hatten sie sogar, obwohl sie Leibeigene waren, die freie Wahl gehabt, an der Selektion zum Kriegssklaven teilzunehmen, oder stattdessen weiterhin Arbeitssklave in den Minen oder auf den Feldern zu bleiben.

Wer es einmal zum Kriegssklaven geschafft hatte, war besser dran als seine von morgens bis abends schuftenden Leidesgenossen. Es sei denn, er würde in einer Schlacht sein Leben verlieren; doch war der Kontinent großteils von Megara befriedet worden. Die wenigen autarken Landstriche, die nicht unter ihrer Herrschaft standen, waren völlig unbedeutend. Ein Kriegssklave musste also lediglich Übungsmanöver und körperliche Trainingseinheiten fürchten. Ein viel besseres Leben, als auf dem Feld oder unter der Erde dahin zu vegetieren.

Ein halbes Hundert hatte diese Chance zur Kriegsausbildung erhalten. Noch über mehrere Wochen würden die Anwärter nun beweisen müssen, wozu sie bereit waren. Am Schluss blieb nur ein Dutzend übrig. Die Stadthalterin wollte nur die Besten in der Ostmetropole. Ihr engstes Kriegerheer sollte den ausgebildeten Elitesklaven der Megara in nichts nachstehen. Zufrieden stieg die Uniformierte von ihrem Reittier, und stiefelte durch eine Tür, die ihr von einer Wächterin aufgehalten wurde. Die Frau schritt durch einen Gang und verschwand in ihrem privaten Gemach. Sie knöpfte sich die Uniform auf und warf sie aufs Bett. Das Leder knarzte dabei, und die Nieten klackerten aneinander. Nun klingelte sie mit einem Glöckchen und sofort erschien ein Dienstbote, der ihr aus den Stiefeln half. Dazu drehte er sich ihr mit dem Rücken zu und zog an einem Stiefel, während die Frau sich mit dem anderen Schuhwerk am Hintern des Dieners abstützte. Nach einem langen Tag war sie froh, dass ihre Füße endlich frei waren. Der Diener schleppte einen kleinen Holzzuber mit warmem Wasser herbei und wusch darin ausgiebig die Füße der Offizierin. Seufzend genoss sie die Behandlung.

Noch immer befanden sich Fama und ihre Töchter im Weinkeller des Palastes. „Wie konntet ihr nur!“ sprach sie vor sich hin. „Was sollen die Senatorinnen von mir denken?“ Vesta und Aurora hatten erst gar nicht versucht, ihre Posse zu rechtfertigen. Fama hatte einer Wächterin Zeichen gemacht, sie solle endlich die Flaschen aus ihrer exponierten Lage entfernen. Anschließend wurden die besinnungslos betrunkenen Dienstboten mit Decken bekleidet und weggetragen. Gehen konnten die halb Besinnungslosen nicht mehr. Fama fragte nicht nach Details. Sie wollte nichts davon wissen. Aber ihre Töchter mussten einen Denkzettel erhalten. Das stand für sie fest. Und sie würde eine so harte Strafe wählen, dass die Gören endlich zur Vernunft kamen. Für heute entließ sie sie. Aber schon am nächsten Morgen würden sie den Schock ihres Lebens bekommen. Sie würden Zeter und Mordio schreien, zappeln und quieken, als wolle man sie aufspießen. Dabei würde sie mit den verzogenen Töchtern nur eine Schmiedin besuchen – notfalls mit Verstärkung. Fama sah grimmig drein. Das hatten sie sich verdient! Vielleicht würde ihnen diese Zucht ihre Torheiten austreiben. Die Keuschheitsgürtel hatten sie sich selbst zuzuschreiben!

Einen Kontinent entfernt beobachtete Zelos, der Stallbursche, wie gebannt die beiden Liebenden auf der Lichtung vor ihm. Noch hatten sie ihn nicht bemerkt. Aber er hatte sie inzwischen erkannt. Es gab ihm einen quälenden Stich ins Herz: Ate trieb es da vor seiner Nase mit Hagbard. Von wegen Sukkubus! Dieses Weib… Zelos selbst war ja nicht in der Lage… da hatte diese Unersättliche den Nächstbesten gesucht! Zelos fühlte sich gedemütigt. Und als das Luststöhnen und Keuchen lauter wurde, zog er sich leise zurück. Er lief bis ins Quartier und setzte sich neben das kleine, fast niedergebrannte Feuer. Nike schlug ihre Decke zur Seite, kam zu Zelos und setzte sich neben ihn. Im ersten Moment wollte der Stallknecht die Gardistin wegschicken, denn er war maßlos enttäuscht, verletzt und beschämt. Doch was konnte Nike für die unsensible Ate? Also schiweg er.

„Möchtest du ein Fingerbreit Trockenfleisch?“, fragte Nike. Zelos verneinte. Ihm war der Appetit vergangen. Die Gardistin schnitt sich selbst fünf Schekel ab und stopfte sie sich in den Mund. Die zwei saßen noch eine Weile in der Stille der Nacht und starrten stumm in die sterbenden Flammen. Plötzlich war ein lautes Stöhnen aus dem Zelt der Königin zu hören. Leda war die einzige der Gefährten, die während der Reise über ein Dach verfügte. Alle anderen schliefen unter dem freien Sternenhimmel. In Zelos verkrampfte sich etwas. Also litt auch die Majestät des Nachts unter ungezähmter Begierde, ging es ihm durch den Kopf.

Kurz darauf vernahmen Nike und Zelos Schritte, die vom Zelt zu einem der hinteren Schlafplätze am Rand des Lagers, etwa drei Dutzend Schritt entfernt, führten. Schemenhaft konnte der Stallbursche Thrym erkennen, der sich auf einer Decke bettete und auf die Seite drehte. Trieben es denn heute Nacht alle Mannsbilder? In was für einer frevelhaften und ausschweifenden Welt lebte er?, fragte sich Zelos. Er suchte in der Dunkelheit nach dem Medikus, der selig schlief und leise vor sich hinschnarchte. Fast hatte der Stallbursche erwartet, auch den Heiler mit einem Weib sündigen zu sehen. Die Lockungen des Fleisches! Zelos schluckte einen bitteren Kloß seine Kehle hinunter. Frustriert begab er sich zu seiner Schlafstatt. Sein Gemächt pochte. Er hatte das sichere Gefühl, dass Nike ihm nachstarrte. Würde sie sich ebenfalls der Lust hingeben, bevor ihr die Augen zufielen? Er träumte wirres Zeug: Gefesselt und in seinen Keuschheitsgürtel gekleidet, lag er auf einem Opferaltar, während um ihn herum eine Orgie aus nackten Leibern unaussprechliche Sünden begingen.

Am nächsten Morgen, als die Sonne rot am Horizont aufging und den Staub in der Luft sichtbar machte, brachen die Gefährten wegen der zu erwartenden Hitze früh auf. Die Landschaft wurde karger und bot immer weniger Schatten und Wasser. Grausam stach die Sonne grell und heiß über ihren Köpfen auf sie hinab, als wollte sie sie rösten wie Spanferkel über dem Feuer, von dem das Fett zischend in die Glut tropfte. „Hier können wir unmöglich überleben“, stöhnte Leda und wischte sich den Schweiß von der Stirn ab. Thrym meinte beruhigend: „Vertraut mir, Majestät. Südlich dieser Wüste wird wieder fruchtbarer Boden auf uns warten. Als wir mit dem Schiff südlich vor der Küste gekreuzt sind, habe ich hohe Bäume gesehen.“

In der Hauptstadt des großen Reiches Megaria sah die Tyrannin müde und gleichgültig von ihrem Thronstuhl herab auf die anderen Damen, mit denen sie an einem ovalen Tisch saß. Diese Senatssitzungen langweilten sie zu Tode. Ständig stritten sich Alekto, Kerbera und die anderen Senatorinnen wie die Waschweiber - wie Waschweiber in sehr eleganten und kostspieligen Gewändern. Im Hintergrund hörte sie das Klirren von Degen und wünschte sich, wieder einmal selbst zur Waffe greifen zu können und mit einer Offizierin einen Strauß auszufechten. Ob sie ihre Künste verlernt hatte? So ein Waffengang war anstrengend, aber eine Göttin würde solch einfache Fertigkeiten besitzen! So glaubte sie zumindest. Megara hatte nie wirklich gelernt zu fechten. Im nächsten Moment wurde ihr klar, dass sie nur deshalb „gewinnen“ würde, weil niemand gegen sie sich zu siegen getrauen würde! Megara fiel ihr längst dahin geblichener Bastard Talos ein, der vor lauter Fett so ungeschickt war wie hässlich. Zu keiner ernsthaften Riposte wäre er fähig gewesen, dieser froschfratzige Tölpel! Nichtsdestotrotz blieb er stets stolzer, eingebildeter Sieger. Nein, Megara wollte sich nicht ebenfalls zum Narren machen wie ihr Kuckuckskind! Ihr Platz war der Thron. Sollten Berufende die Klingen kreuzen.

„Majestät!“, hörte sie die Stimme von Kerbera an ihr Ohr dringen. „Was sagt Ihr dazu?“ Megara sah sie fragend an. „Wozu?“ „Zu unserem Thema: der Umstrukturierung Eurer Armee. Weniger Fußsklaven, die dafür verstärkt in den Minen arbeiten könnten, und dafür mehr Kavallerie. Edle Kriegstiere, die unsere besten Soldatinnen in die Schlacht führen.“ Megara schnaubte: „Edle Kriegstiere! Ta! Was ist an Rössern besser, als an marschierenden Sklaven? Beide fressen und scheißen.“ Aufgrund Megaras derber Ausdrucksweise atmeten einige Senatorinnen scharf durch die Nase ein. Eine offene Kritik stand natürlich außerhalb des Vorstellbaren. Megara sah fragend in die Runde: „Was denn!? Wieso begeistern sich nur immer alle für die ach so edlen Gäuler? Dabei sind Sklaven doch die vergnüglicheren Reittiere.“ Die Despotin lachte anzüglich. Sofort setzte ein Hüsteln und pflichtschuldiges Kichern ein. Doch insgeheim festigte sich bei Kerbera und Alekto der Entschluss, Megara abzusetzen. Sobald es eine Gelegenheit zuließ…

Die Frage war nur: Wer würde die Krone schließlich tragen? Es würde einen erbitterten Machtkampf um den Thron geben. Kerbera hatte die meisten hohen Offizierinnen auf ihrer Seite, doch Alekto verfügte über den größten Einfluss bei den Palastwachen und Eliteeinheiten. War erst der Palast übernommen, dann würde der Rest ein Kinderspiel werden, überlegte Alekto. Und eine ihrer ersten Amtshandlungen würde sein, den Gemahl der verhassten Leda dem Feuer zu überantworten. Befriedigt sah Alekto, wie Megara Abas zu einem blinden Wurm gemacht hatte, doch sein irdisches Leben war ihrer Meinung nach nun endgültig verwirkt.

Während Alekto noch in Gedanken war, wurde die Senatssitzung beendet, und die Senatorin stellte fest, dass sie vom Schluss der Versammlung nichts mitbekommen hatte. Sie würde die Skriptoria um eine Abschrift des Protokolls ersuchen. Entsetzt sah sie später, dass Megara verfügt hatte, die Gehälter der Duxas deutlich zu verringern, da in Friedenszeiten deren Dienste nur eingeschränkt von Nöten seien. Aber nur wenige Augenschläge später verzog sich Alektos Mund zu einem hinterhältigen Grinsen. Das würde ihren Putsch nur vereinfachen! Sollte Megara ruhig so weiter machen! Allerdings profitierte Kerbera noch mehr davon. Sollte sich Alekto mit ihr zusammen tun? Vielleicht wäre das klüger. Später konnte sie immer noch ihre Konkurrentin beseitigen. Sollte Kerbera vor ihrem Abtreten noch die Hauptarbeit machen.

Kerbera schritt in ihr Gemach und ließ sich von ihrem Liebesdiener mit warmem Öl massieren. Cain beherrschte seine Tätigkeit verzüglich. Die nackte Senatorin genoss seine geschickten Hände, wie sie über ihren Rücken, über die Hinterseiten ihrer Oberschenkel und ihren Po glitten, die Muskeln vorsichtig kneteten und drückten. Später würde sie Cain vielleicht reiten. Und wenn er sich auch dabei so gescheit anstellte, dürfte er auch seiner Lust frönen. Vielleicht…

Megaras Worte hatten sie insgeheim sehr gefreut. Mit der Neuigkeit würde sie auch die letzte Duxa auf ihre Seite ziehen. Morgen würde sie einige konspirative Gespräche führen, die das Schicksal Megaras besiegeln sollten. Vor ihrem inneren Auge trug sie schon die Regenten-Krone: Vor dem Thron kniete die gestürzte Despotin in Ketten, nackt, gepeitscht und gedemütigt. „Wachen! Schafft sie in den Kerker! Sie beleidigt meine Nase und meine Augen!“ Kerbera lachte in sich hinein bei dieser wunderbaren Vorstellung. Ihr Geist webte weitere Bilder: Die Wächterinnen zerrten die Gefangene an den Ketten hinaus, dass sie auf ihren wunden Knien über den glatten Marmor schleifte. Voller Genugtuung sah die neue Gebieterin das Ende des dicken Zepters aus Megaras Unterleib schauen…

In der Ostmetropole schrien zwei junge Damen verzweifelt, greinten, trommelten mit Händen und Füßen auf den Boden, jammerten, schluchzten… Aber für sie gab es kein Erbarmen. Fama hatte ihren Töchtern Keuschheitsgürtel anlegen lassen. „Bis ihr gelernt habt, euch standesgemäß zu benehmen, bleibt eure Weiblichkeit versperrt!“, hatte die Statthalterin bestimmt. Die Töchter hatten zwar hysterisch gekreischt, lieber in die Feuergrube geworfen zu werden, als dieses Torturgerät tragen zu müssen, aber Fama war standhaft geblieben.

Die Dienstboten des Hauses lebten in größter Sorge, die beiden tyrannischen Fräuleins würden nun ihre sadistischen Neigungen noch wilder ausleben, würden ihre Wut und Hilflosigkeit und aufgestaute Frustration verstärkt an den Leibeigenen auslassen; aber bisher waren sie nur in Selbstmitleid versunken. War das nur die Ruhe vor dem Sturm? Niemand wusste es zu sagen.

Eine Woche war vergangen.
Am späten Nachmittag kam Vesta zu ihrer Schwester: „Mir ist eine Idee gekommen. Es gibt gewöhnlich zwei Schlüssel für einen Keuschheitsgürtel. Sicherlich hat die Schmiedin das Ersatzexemplar. Vielleicht können wir es bekommen.“ Aurora sah sie fragend an: „Und wie sollte uns das gelingen?“ Vesta lächelte unschuldig: „Sie wird uns freiwillig die Schlüssel überlassen.“ Aurora zweifelte: „Wohl kaum!“ Sie hatte eine ihrer fein gezupften Augenbrauen keck gehoben. Wollte Vesta sie zum Narren halten? Doch ihre Schwester sah schmunzelnd zu ihr herüber: „Oh, doch! Es gibt da nämlich eine winzige Kleinigkeit, die ich über die Schmiedin weiß…“ In Auroras hübschem Gesicht arbeitete es. Ein Geheimnis? Langsam begriff sie, was ihr Schwesterherz ihr damit sagen wollte…
111. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von sheeeep am 11.10.20 18:33

Prima!Wie ich schon oft geschrieben habe : Dir gehen die Ideen wohl nie aus!! Einfach Klasse!!
112. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 18.10.20 16:08

Danke fürs Feedback.

Fortsetzung:

Die höchste Schmiedin der Metropole und Zunftmeisterin des gesamten östlichen Reiches von Megaria wies gerade zwei Sklaven an, die Glut in der Esse zu befeuern, als eine Gesellin vor ihr auftauchte: „Werte Gerra, draußen stehen zwei Edelfräuleins, die Euch dringend sprechen möchten.“ Gerra wischte sich die Hände an einem fleckigen Tuch ab, das an ihrem breiten spröden Ledergürtel hing, der ihre dicke, lederne Schürze hielt, und antwortete: „Nimm ihren Auftrag entgegen. Ich habe zu tun. Die Folterkammer der Stadthalterin soll neue Geräte erhalten.“ Gerra wollte sich schon wegdrehen, da hielt die Gesellin sie auf: „Verzeiht, Gerra, aber die Fräuleins sind die Töchter der Stadthalterin.“

Gerra sah überrascht aus. „Was? Die Gören wollen sicherlich um die Schlüssel betteln. Du weißt doch, warum ich neulich in der Zitadelle war?“ Die Gesellin nickte schmunzelnd und wischte sich die rußigen Hände an ihrer Lederschürze ab. „Soll ich sie wegschicken?“ Doch in diesem Moment erschien Vesta in ihrem edlen Kleidchen ungefragt in der Schmiede und sagte freundlich wie der Sonnenschein: „Werte Zunftmeisterin Gerra. Erlaubt mir Euch einen Ohrring zu zeigen, den Ihr mir vielleicht reparieren könnt…“ Die Schmiedin wollte sie schon in barschem Ton rauswerfen, da erkannte sie erschrocken ihr eigenes Schmuckstück. „Lass uns allein“, sagte Gerra zu ihrer Gesellin.

„Woher habt Ihr dieses goldene Kleinod?“ Gerra wischte sich die rußigen Hände an einem Lappen ab und besah sich den Ohrring genauer. Trotz des blakenden Feuers an der Esse und der dunklen Schatten in der Schmiede, erkannte Vesta, wie die Zunftmeisterin bleich wurde. Vesta grinste nun breit: „Woher glaubt ihr denn, dass ich es habe? Woher könnte ich es denn haben? Habe ich es vielleicht im Regierungsraum der meiner Mutter entdeckt?“ Die Schmiedin verzog nervös ihre Lippen. „Und?“ Vesta: „Es steht Euer Name auf dem Schmuckstück. Ihr habt es wohl verloren, als…“ Die Schmiedin unterbrach das Edelfräulein: „…als ich die Stadthalterin Fama besucht habe. Wohl wahr. Danke, dass Ihr es mir zurückgebracht habt. Aber nun habe ich zu tun.“ Sie hielt die Hand auf.

Vesta schloss ihre Finger schnell um den edlen Gegenstand. „Nein, meine Mutter war in einer Senatssitzung. Aber seltsamerweise habe ich ihren Liebesdiener, den Raum kurz nach Euch verlassen sehen…“ Die Schmiedin kniff die Augen zusammen: „Was wollt Ihr damit andeuten? Treibt es nicht zu weit, junge Lady!“ Vesta lächelte. „Und ich habe noch eine Zeugin. Aber es hat wohl nichts zu sagen… Vielleicht sollte ich Mutter fragen, ob ihr der Ohrring gehört. Ich habe mich wohl geirrt. Euer Name steht sicherlich nur darauf, weil Ihr ihn geschmiedet habt.“ Gerra war wie erstarrt. Dieses freche Biest tat so unschuldig und war in Wahrheit die Teufelin in Person!

„Also gut, du verhextes Balg! Du willst deinen Schlüssel haben?“ Vesta nickte. „Oh, damit würdet Ihr mir eine so große Freude bereiten!“ Gerra schnaubte. „So sei es denn. Ich gehe davon aus, dass du unseren kleinen Tauschhandel geheim hältst – in deinem eigenen Interesse. Sollte Fama davon jemals zu Ohren kommen, wird es uns beiden schlecht ergehen.“ Vesta antwortete: „Oh, Ihr habt mein Wort, werte Zunftmeisterin.“ Gerra ging zu einem Schränkchen, in dem mehrere Dutzend Schlüssel aller Größen und Formen hingen und nahm gezielt ein kleines Exemplar hinaus.

Gegen den Ohrring erhielt Vesta das ersehnte Teil. „Ach, da wäre noch was“, meinte sie. „Meine Schwester Aurora…“ Gerra grummelte: „Vergiss es! Ein Ohrring gegen einen Schlüssel!“ Jetzt grinste die Schmiedin schadenfroh. „Da wird dein Schwesterchen wohl leer ausgehen!“ Sie lachte laut. „Im wahrsten Sinne des Wortes!“ Vesta wurde erst rot und dann wütend. Sie hatte ihr Faustpfand zu früh abgegeben. Wie sollte sie das nun Aurora erklären?

Mit gemischten Gefühlen verließ sie die Schmiede. Sie war froh der verrauchten Luft entkommen zu sein, aber nun hatte sie ein neues Problem. Aurora fragte sie aufgeregt: „Und? Hast du sie?“ Vesta antwortete kleinlaut: „Sie hat sich auf den Handel eingelassen. Ohrring gegen Schlüssel.“ Aurora juchzte vor Freude. „Wunderbar. Lass uns schnell heim. Ich kann es kaum erwarten.“ Vesta traute sich noch nicht mit der Wahrheit herauszurücken. Gemeinsam traten sie den Weg in die Zitadelle an. Aurora summte eine fröhliche Melodie, während Vesta in düstere Gedanken versunken schien.

In Auroras Gemach angekommen verlangte sie ihren Schlüssel und streckte ihr manikürtes Händchen aus. Vesta gab ihr das Exemplar. Aurora schlüpfte aus ihrem Seidenkleid und steckte ihn in das Schloss. Nur drehen ließ er sich nicht. „Was… Wieso öffnet sich der Keuschheitsgürtel nicht?“, fragte sie verwirrt. Vesta sank auf einen Diwan aus dunkelrotem Samt. Aurora sah ihre Schwester verwundert an. „Wie kann das sein? Und wo ist dein Schlüssel?“ Vesta seufzte tief, dann sagte sie: „Gerra hat nur einen einzigen Schlüssel herausgegeben, weil ich nur einen einzigen Ohrring hatte.“ Aurora öffnete ihren Mund weit. Empörung zeigte sich in ihrem feinen Gesicht. „Was!? Und du hast etwa deinen Schlüssel genommen?“ Vesta verneinte. Leicht ging ihr von der Zunge: „Aber nicht doch! Sie hat mir den erstbesten gegeben. Es ist reiner Zufall…“ Ihre Stimme ging schließlich in einem Murmeln unter. Aurora schluchzte. „Was mache ich denn jetzt nur?“ Tränchen liefen ihre zarten Wangen hinab.

Für die zarte Lady ging die Welt unter. Vesta legte ihre Hand auf die Schulter der Unglücklichen. „Ich habe eine Idee: Wir fragen Gerra, ob wir den Schlüssel gegen den anderen austauschen können.“ Aurora sah hoffend zu ihrer Schwester hoch: „Und das würdest du tun? Oh, Schwesterlein!“ Vesta lächelte. Dann wurde sie ernst. „Aber lass mir ein paar Tage, damit ich meinen Keuschheitsgürtel auch eine Weile öffnen kann.“ Aurora schlug vor: „Lass ihn doch einfach auf. Dann gibst du den Schlüssel ab und…“ Vesta: „Unsinn! So törricht wird Gerra nicht sein. Sie wird den Schlüssel nur eintauschen, wenn mein Gürtel verschlossen ist.“ Aurora seufzte tief: „Nun gut. Aber nur ein paar Tage. Ich halte es nicht mehr aus. Ein Sklave kann die Keuschheit lange ertragen, aber ein edles Fräulein wie ich doch nicht!“

Vesta ging in ihr eigenes Gemach und öffnete den eisernen Lendenkerker. Wohlig seufzte sie und warf sich auf ihr Himmelbett. „Hmmmmm“, stöhnte sie lustvoll und berührte sich an ihrer zarten Weiblichkeit. Wie hatte sie das vermisst! Diese süßen Berührungen, ihrer Venus, ihrer Knospe, die so sehr nach einer Erlösung gefleht hatte. Wie wundervoll die Welt doch war. Trunken vor Glück lag sie da und genoss das wohlige Kribbeln in ihrem Unterleib, das sich ausbreitete wie eine warme Flut aus Honig.

Auch in den nächsten Tagen genoss sie heimlich ihre Freiheit. Aurora dagegen litt weiterhin unter ihrer strengen Keuschheit und hoffte nur, dass die Tage schnell vorbei gingen, bis Vesta endlich den Schlüssel austauschte. Dazu kam die aufsteigende Eifersucht. Der Neid. Anfangs war Vestas Vorschlag durchaus ehrlich gemeint gewesen, aber je näher der Zeitpunkt kam, an dem sie ihre Freiheit wieder aufgeben sollte, umso nachdenklicher wurde sie. Es musste eine andere Lösung geben! Sie grübelte und sinnierte und fand doch keinen Ausweg.

Doch auf dem Weg zu Gerra fiel Vesta plötzlich etwas ein. „Warte du hier“, sagte sie zu Aurora. „Ich gehe die Schlüssel tauschen.“ Aurora rief einen Sklaven heran, der gerade die Straße fegte, und befahl ihn auf alle Viere vor die Schmiede. Dann raffte sie ihr Kleid und nahm sie auf dem Rücken des Leibeigenen Platz und pfiff aufgekratzt vor Aufregung heiter vor sich hin. Sie malte sich in Gedanken bereits aus, wie sie in ihrem Bett lag und sich unter dem Rüschenrock berührte…

Nach einigen Minuten erschien Vesta wieder. Aurora sprang auf und versetzte dem Sklaven einen Stiefeltritt in den Allerwertesten. „Putz weiter!“ Sie sah Vesta erwartungsvoll an. Doch was war da in den Gesichtszügen ihrer Schwester zu lesen? Irgendwas stimmte nicht. Vesta sah unglücklich zu Boden. „Was ist denn geschehen?“, fragte Aurora. Vesta schüttelte den Kopf. „Ich erzählte es dir auf dem Heimweg.“

Aurora wollte ihren Ohren nicht trauen, als Vesta ihr berichtete, dass Gerra mit dem Tausch frühestens in zwei Wochen einverstanden sei. Ein ständiges Kommen und Gehen komme nicht in Frage, so zitierte Vesta die Schmiedin. Zumindest behauptete sie das.
Aurora spürte, wie ihr Keuschheitsgürtel enger zu werden schien. „Noch… zwei… Wochen!“, stammelte Aurora. Eine Träne lief über ihre Wange. Wie grausam konnte das Schicksal sein!

Zu Hause verzog sich Aurora in ihre Stube und warf sich bäuchlings auf ihr Bett. Schluchzend bemitleidete sie sich und trommelte mit ihren Händchen fest auf das Nachtlager. Vesta dagegen lächelte mit glasigem Blick in ihrem Gemach, stellte sich Auroras Qualen vor und spürte, wie ihre Weiblichkeit dadurch nur noch feuchter wurde. So feucht, dass ein dünner Rinnsal ihre Schenkel hinab lief. Bald darauf strichen ihre Finger forschend über ihren Venushügel und ihren gierigen Schoß.

Später ging Vesta gutgelaunt in den Lustgarten. Aurora hatte sich in ihr Gemach zurückgezogen und schmollte. Aber Vesta war nach ihrem Aufschluss geradezu übermütig geworden und rief den erst besten Sklaven herbei, der gerade eine Hecke stutzte. „Ich verbinde dir damit die Augen“, sagte sie wie aus heiterem Himmel und nahm einen Seidenschal in die Hand. „Ehrenwerte junge Dame, ich muss die Hecke schneiden. Wenn die Wächterin kommt, und ich noch nicht fertig bin, wird sie mich züchtigen.“ Vesta meinte gleichgültig: „Aber zuerst spielen wir ein Spiel. Das wird lustig. Versprochen.“

Der Sklave ließ sich zwangsläufig die Augen verbinden und wartete. Vesta erklärte die Regeln: „Du musst auf dem Boden meinen Lederball finden. Das ist schon alles. Ich gebe dir mit Hilfen wie -heiß- oder -kalt- Tipps, ob du nah oder weit entfernt bist. Und damit du schnell wieder an deine Arbeit kommst, beeilst du dich einfach.“ Dem Sklaven blieb keine andere Wahl, als dem jungen Fräulein zu Willen zu sein. Er begab sich auf alle Viere und tastete auf dem Boden herum. „Kalt“, sagte Vesta, die überhaupt keinen Ball versteckt hatte.

So ließ sie den blinden Mann durch den Garten kriechen – mit Vorliebe in Brennnesselbüsche, zwischen Dornengestrüpp und schließlich sogar bis in einen Haufen Mist. „Heiß“, behauptete Vesta fidel hinter vorgehaltener Hand. „Ganz heiß. Such schön! Tiefer! Du musst schon hineingreifen.“ Vor spitzbübischem Vergnügen frotzelnd krümmte sie sich und konnte ab und zu ein Kichern nicht unterdrücken. „Weiter links“, navigierte sie. „Mehr rechts“, sagte sie darauf. Der Sklave war bereits voll mit Mist. Heu und Stroh klebten an ihm, und Dreck bedeckte seinen Leib. „Weißt du, woran du mich erinnerst?“, fragte Vesta lachend. „An ein närrisches Schwein, das in der Jauche suhlt.“

Als Vesta das Interesse an dem Sklaven verlor, ging sie einfach weg und überließ ihn seinem Schicksal. Als der Mann längere Zeit nichts mehr von dem Edelfräulein gehört hatte, wagte er es, sie anzusprechen. Als auch nun keine Antwort kam, nahm er die Augenbinde ab und sah blinzelnd die Bescherung. Die Dame war weg, und er war völlig verschmiert und stank erbärmlich. Hastig versuchte er, sich zu reinigen.

Kurz darauf konnte Vesta beobachten, wie eine Palastwächterin den Sklaven mit der Spitze ihrer Hellbarde durch den Garten trieb und schimpfte: „Du wirst jetzt im Wassergraben den Schmutz abwaschen und danach deine Arbeit beenden. Und glaube ja nicht, dass das kein Nachspiel hat!“ Vesta schmunzelte. Das würde endlich wieder eine schöne Auspeitschung geben. Die durfte sie auf keinen Fall verpassen. Der Po des Leibeigenen hatte es ihr angetan. So saftige Backen. Wie schön sähen sie erst aus, wenn ein Dutzend Striemen auf ihnen aufblühten!

In der Ostmetropole lief das politische Geschäft genau nach Famas Nase. Sie regierte die Stadt und alle umliegenden Landstriche bis zum Ostmeer und hatte damit auch Einfluss über den Sklavenmarkt, denn die meisten Leibeigenen kamen vom Ostkontinent. Mittlerweile fühlte sie sich unverletzbar und übermächtig. Megara war in der Hauptstadt im Westen weit weg. Fama konnte hier tun und lassen was sie wollte. Sie hatte ein Reich in einem Reich. Und eines Tages würde sie vielleicht sogar… Ein Militärputsch könnte sie zur Alleinherrscherin und Göttin machen. Der Tag würde kommen, da Megara fallen würde.

Wenn die Stadthalterin gewusst hätte, wie nah dieser Tag vielleicht bereits war! Aber anders, als sie dachte, denn auch die Senatorinnen Alekto und Kerbera waren machthungrige Furien. Senatorin Kerbera saß gerade mit einer Sklavenhändlerin aus dem Osten zusammen und feilschte mit ihr einen Kontrakt über tausend Leibeigene aus. Der Großauftrag war von Megara angeleiert worden, obwohl der Senat von einem vergrößerten Sklavenheer abgeraten hatte.

Für die Händlerin Ceres war dies das Geschäft ihres Lebens, das ihr viele Beutel mit Goldstücken versprach. Und sie kündigte an: „Wenn ihr noch mehr Sklaven benötigt, kann ich ohne Weiteres Nachschub beschaffen.“ Sie arbeitete mit ihrer alten Freundin Phoibe zusammen, die als Kapitänin ein Sklavenschiff im Ostmeer befehligte. Unwillig unterschrieb Kerbera den Vertrag, obwohl sie Megaras Anweisung, noch mehr Sklaven ins Heer zu schleusen, für falsch hielt. Schlecht gelaunt verabschiedete sie die Sklavenhändlerin. Ceres dagegen konnte glücklicher nicht sein. Tausend Sklaven auf einen Schlag zu verkaufen… Das war schon ein wonniger Erfolg! Sie schickte einen Briefraben nach Osten, um die Ware herbeischaffen zu lassen.

Zufrieden und freudestrahlend betrat sie ihre Unterkunft: eine luxuriöse Herberge. Ihr Liebessklave Aphron wartete devot auf den Knien auf sie und zog ihr sofort die Stiefel aus, um ihre Füße zu massieren. „Oh, Aphron, das tut gut“, gurrte Ceres. „Sag mir, wann habe ich dich das letzte Mal aus deinem Keuschheitsgürtel befreit?“ Aphron erinnerte sich genau: „Vor drei Monaten und zwei Tagen, Herrin.“ Ceres hob eine Augenbraue. „Na, dann wäre ein Aufschluss doch wieder an der Reihe. Oder sollte ich dich wieder den Holzstab aufschrauben lassen?“ Aphron sah sie bekümmert an. Ceres lachte. „Wie drollig! Nein, sei unbesorgt. Zur Feier des Tages sollst du in mich tauchen dürfen, Aphron. Du hast mir so viele süße Stunden bereitet. Da werde ich mich erkenntlich zeigen.“

Sie nahm ihren Waffengurt ab und legte ihn beiseite. Auch das lederne Wams zog sie aus, schlüpfte aus den Beinkleidern und trug nun nur noch einige wenige seidene Spitzenwäsche. Und wie versprochen durfte Aphron seinen Keuschheitsgürtel ablegen, die beiden badeten in einem riesigen Zuber, in dem mühelos eine Handvoll Personen Platz gefunden hätten, und liebkosten sich wie ein junges Paar, bis die Leidenschaft loderte und sie nicht mehr von sich lassen konnten. Schließlich vereinten sie sich in dem heißen Wasser wie Mann und Weib und erreichten beide traumhafte Höhen der Lust…

Später ruhten sie entspannt nebeneinander auf einer weichen Liege, auf der Dutzende kleiner Kissen lagen. Ceres schmiegte sich in Aphrons Arme wie eine Geliebte und spielte gedankenverloren mit seiner Brustwarze, in die sie einen kleinen Ring hatte stechen lassen. „Flagella wird toben. Sie ist meine stärkste Konkurrentin und wollte den Sklavenauftrag ebenfalls bekommen.“ Sie griff nach einer Schale mit Erdbeeren und steckte eine Frucht in den Mund. Aphron schmeichelte seiner Herrin: „Ihr seid eben die begnadetere Sklavenhändlerin.“ Ceres kniff ihm in den Nippel. „Du willst mir wohl Honig um den Mund schmieren? Dein Keuschheitsgürtel wird trotz deiner Huldigung an mich noch heute wieder verschlossen werden. Aber… Wenn du noch nicht satt bist… Ich bin es auch nicht.“ Die letzten Worte hauchte sie ihm entgegen. Im nächsten Augenblick stürzte sie sich geradezu auf Aphron und setzte sich rittlings auf ihn. Unter ihr spürte sie das erwachende Glied. Ceres grinste. Sie tastete nach dem prallen Gemächt. Das konnte eine lange Nacht mit ihrem Pläsiersklaven werden…

In weiter Ferne reiste eine Gruppe durch die Lande. Die Prophezeiung, bald wieder Wälder zu erblicken, war bisher nicht eingetroffen. Leda und ihre Gefährten schleppten sich durch die Öde, die mittlerweile zu einer richtigen Sandwüste geworden war. Bei jedem Schritt rutschte der Fuß ein wenig zurück, die Sonne brannte so heiß und grausam wie bisher noch nie und alle waren vom Wassermangel erschöpft. Viele Gepäckstücke hatten sie zurücklassen müssen. Hagbard war trotz allem entschlossen: „Wir müssen weiter! Zurück würden wir es sowieso nicht mehr schaffen.“ Und auch Thrym meinte: „Majestät, wir werden den Wald im Süden erreichen. Glaubt nur fest daran! Es kann nicht mehr weit sein.“ Leda nickte grimmig.

Während die Gardistinnen Ate und Nike noch fast unvermindert kräftig marschierten und sich nur an das langsamere Tempo der anderen angepasst hatten, waren die Schritte der übrigen schon recht wackelig. Besonders der Medikus schien sich kaum noch vorwärts zwingen zu können. Hin und wieder musste der Stallbursche ihm unter die Arme greifen, um ihn zu stützen, und stöhnte: „Was für ein fröhlicher Reigen durch die Hölle! Ich glaube inzwischen nicht mehr an ein fruchtbares Südland. Wir werden alle krepieren. Unsere Gebeine werden von der Sonne ausgeblichen anderen Wanderern als Warnung dienen. Wir werden…“ „Ruhe!“, befahl Leda tadelnd, die sich in der Gruppe hatte zurückfallen lassen. „Ich will solche Worte nicht hören! Das bringt nur Unglück!“ Kleinlaut verstummte der Mann. „Wasser!“ brüllte Hagbard plötzlich aus rauer Kehle. „Wasser! Dort!“ Er zeigte mit gestrecktem Arm nach vorne. Leda eilte wieder zu ihm nach vorne und beschattete die Hand. „Tatsächlich. Ein See!“ Zelos brummelte miesepetrig: „Wahrscheinlich das Meer.“ „Nein“, meinte der Medikus. „Das kann nicht sein. Der Ozean liegt in anderer Richtung.“ Zelos fragte: „Und du weißt noch, ob wir überhaupt richtig laufen?“ Der Trupp setzte sich beschleunigt in Bewegung und mobilisierte die letzten Kräfte. Endlich Wasser!

Doch auch nach mehreren Stunden kamen sie dem Wasser nicht näher. Thrym fiel aufgezehrt in den Sand. „Das ist eine Fata Morgana.“ Leda fragte: „Eine was?“ Bald war allen klar, dass sie einem Trugbild aufgesessen waren. Die Enttäuschung und aufgebrauchten Kraftreserven ließ sie resignieren. Vermutlich würden sie in dieser Wüste zu Tode kommen…
113. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 24.10.20 16:52

Nur Thrym war sich immer noch sicher: „Es können nicht mehr viele Meilen sein, Majestät.“ Leda seufzte: „Das spracht Ihr schon vor mehreren Stunden.“ Sie trotteten schwankend wie Siechen weiter. Jetzt ging es auch noch eine steile Düne hoch. Immer wieder rutschten sie mit dem Sand ab. Die Sonne stand genau über ihren Köpfen. Ihre Zungen klebten aufgedunsen an ihrem trockenen Gaumen. Kopfschmerzen gesellten sich zu Muskelkrämpfen und ersten Halluzinationen. Das Sprechen fiel sehr schwer. Und als Ate als erste den Gipfel der Düne erreichte und „Wasser! Eine Oase!“ rief, wollte ihr niemand glauben. Ate sprang und hüpfte die Düne hinab, dem kühlen Nass entgegen. Nike folgte ihr jubelnd auf dem Fuße.

Der Rest der Gruppe stöhnte nur und rief ihnen hinterher, dass sie sich nicht narren lassen sollten. Doch als sie den Kamm des Sandberges erreichten und die beiden Gardistinnen in kühlendem, erquickendem Wasser plantschen sahen, konnten sie nicht schnell genug die Düne hinab kommen. Der Medikus knickte seitlich weg und rollte wie eine Tonne dem Wasser entgegen. Aufspritzend erreichte er das Wasserloch. Er hatte noch genug Kraft, um zu warnen: „Trinkt nicht zu schnell, sonst platzen euch die Mägen!“
Aber dann löschten alle ihren Durst. Was für süßen Genuss sie erlebten! Nie im Leben hatten sie Schöneres erlebt!

Erst Minuten später nahmen sie wahr, dass die Oase auch aus Dattelpalmen bestand. Alle Wasserschläuche wurden gefüllt, Früchte in alle Taschen gestopft. Nach einer Rast von mehreren Stunden - die Mittagshitze war außerhalb der schattigen Palmen unerträglich – setzten die Gefährten ihre Reise durch den glutheißen Sand mit frischem Proviant und neuen Kräften fort. Mit den erfrischten Gliedern kam bei Ate und Nike auch die Lust zurück, den ehemaligen Pferdeknecht zu necken. Er bekam von Ate einen Klatsch auf den Hintern und unauffällig packte ihm Nike an seinen vollen Beutel zwischen die Beine. Kichernd nahm sie wahr, wie er erregt leise aufstöhnte.

Nach und nach erschienen einige wenige verdorrte Sträucher. Hatten sie endlich diese Wüste hinter sich gebracht? Tatsächlich wurde die Vegetation lebendiger und vielfältiger. Der Reisegruppe fiel ein Stein vom Herzen. Thrym hatte mit seiner Prophezeiung Recht gehabt. Sie beschleunigten ihre Schritte. Grasbüschel tauchten auf, dann kleine Büsche und knorrige Bäume.

Weit, weit entfernt, auf dem Ostozean segelte eine Galeere unter Vollzeug. Das Schiff raste geradezu über die Wellen, während Dutzende Rudersklaven für zusätzliche Geschwindigkeit sorgten. Am Rammsporn des Bugs spritzte schäumend das Meerwasser auf. Die Kapitänin Phoibe wollte ihre Ware so schnell wie möglich in Megaria abliefern. Die Laderäume waren übervoll mit frischen Sklaven aus dem wilden Ostkontinent. Die Exemplare lagen eng an eng in Ketten, teilweise übereinander gestapelt wie Scheite Kaminholz. Erst im Zielhafen würde entschieden, welche Kreatur sich gut verkaufen ließ, und welche wie Plunder verhökert werden musste.

Der angenehm kühlende Wind an Deck machte die stechende Sonne erträglicher. Phoibe stand stolz und breitbeinig auf dem Achterdeck in ihrer edlen Lederkluft unter einem weißen Sonnensegel. Sie hatte ihr Frühstück in der Kabine beendet, um nun einer Züchtigung beizuwohnen. Zwei Seeleute hatten sich an Deck gestritten und waren handgreiflich geworden. Die strenge Disziplin an Bord verlangte eine harte Bestrafung. Die beiden Delinquenten waren bereits nackt ausgezogen und an die hochgestellte Gräting gebunden worden. Zwei Offizierinnen trugen jeweils eine mehrendige Peitsche und stellten sich hinter die Männer.

Phoibe nahm von einer Offizierin, die neben ihr stand, eine Schriftrolle entgegen und entrollte sie. Sie las mit lauter Stimme: „Die Angeklagten werden wegen Rauferei im Dienst zu jeweils 20 Peitschenhiebe auf das nackte Gesäß verurteilt. Anschließend verbringen sie sieben Tage krumm geschlossen in Eisen unter Deck.“ Sie sah die zwei Täter tadelnd an. „Bei einer weiteren Verfehlung schwimmt ihr nach Hause.“ Sie senkte das Papier mit dem Urteil und nickte den beiden Frauen zu, die vor den Gefesselten standen.

Abwechselnd klatschten die Hiebe auf die beiden Hintern. Zu Anfang bissen die Männer noch die Zähne zusammen. Vor der angetretenen Mannschaft wollte sich niemand die Blöße geben und schreien. Doch schon nach dem fünften Hieb konnten die Verurteilten nicht mehr an sich halten. Dutzende tiefe Striemen blühten im Fleisch der Männer auf und zeugten von ihrer Pein. Phoibe stand zufrieden an dem gedrechselten Holzgeländer des erhöhten Achterdecks und schaute auf die Szenerie hinab. So schnell würde es keine Auseinandersetzungen mehr an Bord geben.

Die Offizierin neben ihr dachte amüsiert: „So ein roter Po eines Sklaven hat was sehr Reizvolles an sich…“ Seit mehreren Wochen war die Frau nun auf See und hatte keinen Liebessklaven mehr benutzt. Den Offizierinnen war es zwar gestattet, einige ausgewählte Leibeigene für Liebesdienste unter Deck zu verwenden, aber die Frau blieb aus einem Aberglauben lieber keusch auf See: Eine Frau, die sich auf dem Meer zu einem Manne legte, würde missgestaltete Bälger bekommen. So hieß es in einer alten Überlieferung. Doch sobald das Schiff einen Hafen an der Ostküste erreicht haben würde, würde sie sofort ein Bordell aufsuchen und einen hübschen Jüngling als Gespiele ins Bett zerren, um ihren Hunger zu stillen.

Phoibe dagegen hatte kein Problem mit Liebessklaven an Bord. Ihren privaten Lustboy Nereus nahm die Kapitänin zwar nicht mit auf Reisen. Er wartete auf dem Festland auf ihre Rückkehr. Die seltenen Besuche waren für ihn die einzige Zeit, in der er aus dem Keuschheitsgürtel durfte. Und so konnte er die Ankunft der Herrin kaum erwarten. An Bord bevorzugte Phoibe jedoch diverse Sklaven. Besonders erregte sie der Gedanke, dass die Männer noch kürzlich frei waren. Sie liebte es, Sklaven „einzureiten“, wie sie es formulierte. Oft ging das nur mit Fesselung und Peitsche. Aber das machte ja den Reiz aus. Allein auf dieser Seefahrt hatte sie so fünf Exemplare zugeritten.

Auch in Megaria war die Zeit nicht stehengeblieben. Die Sonne ging auf und unter. Tage verstrichen, und Aurora verlangte nun endlich mit Vesta zu der Schmiedin zu gehen, um aus ihrem Keuschheitsgürtel zu entkommen. Vesta versuchte ihre Schwester mit Ausreden davon abzuhalten, doch Aurora war fest entschlossen. Die zwei jungen Damen machten sich also von dannen, auf den Weg zu Gerra.

Vesta überlegte unterwegs fieberhaft, wie sie aus diesem Schlamassel wieder herauskommen konnte. Sie wollte auf keinen Fall selbst verschlossen werden. Als sie die Schmiede betraten, war Vesta plötzlich verschwunden. Aurora sah sich um. Gerra erschien. „Was willst du denn hier?“ Aurora zeigte sich selbstbewusst. „Ich komme, um den Schlüssel zu tauschen wie abgemacht.“ Gerra wusste von nichts und sagte das auch. Auroras Augen wurden immer größer. Hatte ihr Schwesterherz sie etwa betrogen?

„Dann… war seit Anfang an klar, dass du nur einen einzigen Schlüssel abgeben würdest?“ Gerra nickte. Aurora war außer sich. Warum hatte sie das nicht längst bemerkt? War sie ein blinder Esel? „Du öffnest sofort meinen Keuschheitsgürtel, oder… oder…“ „Oder was, junges Fräulein?“, wollte die Schmiedin ganz ohne Galanterie wissen. „Euer Beweisstück ist wieder in meinen Händen. Verschwindet jetzt, oder ich lasse euch rauswerfen.“ „Das würdest du nicht wagen, Schmiedin! Ich erzähle alles meiner Mutter!“, giftete Aurora. Gerra lachte. „Tu das, Dummerchen. Dann kannst du gleich berichten, dass Vesta bereits hinter ihrem Rücken den Keuschheitsgürtel abgelegt hat, weil sie mir einen Schlüssel gestohlen hat.“

Aurora wollte sich auf die Schmiedin stürzen wie eine angriffslustige Katze, aber ein muskulöser Arbeiter, der nur eine lederne Schürze trug, hielt das Fräulein leichtlich auf. „Finger weg, du Dreckskerl! Das wird dich teuer zu stehen kommen!“, kreischte Aurora und wehrte sich mit Krallen und Zähnen. Doch ihre Gegenwehr war erfolglos. Gerra befahl barsch: „Schaff sie raus! Keine Sorge, sie wird gar nichts erzählen.“ Der Mann trug die zappelnde Dame vor die Tür und setzte sie ab. Wutentbrannt spuckte Aurora dem Arbeiter ins Gesicht. „Das wirst du büßen!“ Dann rief sie nach ihrer Schwester, aber diese war nirgends zu sehen.

Aurora machte sich notgedrungen alleine auf den Nachhauseweg. Im Palast fand sie Vesta wieder, die so tat, als sei nichts gewesen. „Wo warst du? Gerra hat mich hinausgeworfen! Stell dir das vor! Wir müssen uns bei Mutter beschweren. Sie soll die Schmiedin festnehmen lassen und in den Kerker werfen. Und ich werde ihr auf ihr fettes Gesäß ein Brandeisen mit meinem Namen drücken!“ Vesta seufzte. Ihre Schwester hatte wohl immer noch nicht verstanden… „Hör zu“, sprach Vesta kleinlaut. „Gerra hat den Ohrring wieder. Damit haben wir nichts mehr in der Hand. Einen Tausch will sie nicht machen. Es tut mir leid, aber du bekommst deinen Schlüssel nicht.“

Aurora erstarrte. Was hatte sie da gehört? Sie musste sich verhört haben! „Aber… Das heißt ja…“ Sie stammelte. Tränen sammelten sich in ihren Augen. „Nein! Das lasse ich nicht zu! Wenn ich versperrt bin, dann sollst du es auch sein! Alles andere wäre ungerecht! Ich erzählte alles Mutter!“ Vesta packte ihre Schwester grob: „Nein! Das darfst du nicht! Ich kann doch auch nichts dafür! Lass wenigstens mir die Freiheit!“ Aurora riss sich los und lief aus dem Zimmer. Vesta folgte ihr, doch Aurora schloss sich ein. Heute Abend würde sie Mutter alles berichten. Dann müsste Vesta mit einer zusätzlichen Strafe rechnen, weil sie sich unerlaubterweise aus dem Keuschheitsgürtel befreit hatte. Aurora würde nicht die Närrin in diesem Possenspiel sein.

Allgemach hatten Leda und ihre Begleiter neue Hütten gebaut, Obst- und Fleischquellen gefunden sowie einen Bach mit klarem Süßwasser entdeckt. Thrym hatte Recht gehabt: Die Gefährten hatten eine Region erreicht, in der nichts mehr von der trockenen Wüste zu erkennen war. Der Boden war fruchtbar, die Flora und Fauna vielseitig und endlich wieder grün. Vögel zwitscherten in den Bäumen, von Weitem hörte man Tiere jaulen.

Als die Sonne unterging, rief die Königin den Knecht Zelos zu sich in ihre Unterkunft. Ate und Nike bekamen das mit und fragten sich, ob die Majestät den Mann von seinem Keuschheitsgürtel befreien würde – zumindest in dieser Nacht. Leda begrüßte ihren Untertan: „Sei mir willkommen, Zelos. Du trägst dein eisernes Beinkleid nun schon sehr lange. Diese Buße für deinen Verrat habe ich dir auferlegt, doch irgendwann sollst du deinen Treuebruch gesühnt haben.“ Zelos hielt vor Aufregung die Luft an. War heute sein großer Tag? Würde Leda ihn erlösen?

„Komm her, Zelos.“ Er stellte sich erwartungsvoll vor Leda. Es durchströmte ihn wohlig, als er ihre Hände in seinem Schritt fühlte. Und dann stöhnte er auf, als abrupt der Keuschheitsgürtel aufsprang. „Oooouhh!“, stöhnte Zelos. Was war das für ein unbezahlbares Gefühl! „Komm zu mir und zeige deine Königin, wie sehr du dir wünscht bei einem Weibe zu liegen.“ Zelos glaubte fast zu träumen. Einer dieser gemeinen Nachtmahre, die ihn quälten; doch er war wach. Er schritt langsam auf seine Königin zu, berührte sie sanft, wie ein Mann eine holde Frau berührte.

Leda verlangte, er möge seine Leidenschaft zeigen. Zelos verlor von Augenblick zu Augenblick mehr seine Schüchternheit und Zurückhaltung. Bald lag er zwischen Ledas Schenkeln und stieß tief in die holdselige Regentin. „Doch will ich eines von dir fordern“, sagte Leda. Zelos, der fast seinen Samen verströmte, ächzte auf, um zuvor noch Ledas Worte zu vernehmen. „Du sollst erst in mir kommen, wenn ich so weit bin.“ Zelos gab einen angestrengten Gurgellaut von sich. Wie sollte er seine Lust jetzt noch aufhalten!? „Majestät! Ich bin so weit! Ich kann nicht mehr…. Ich…“ Leda drückte ihn grob von sich. „Du wagst es! Was für eine Chuzpe! Obwohl ich dir die Gnade gewähre…“, schalt sie ihn und starrte ihn empört an.

Zelos hatte seinen Luststab ergriffen und presste ihn kräftig zusammen, doch es war zu spät: Spasmisch spritzte seine Lust hervor, trotz seines festen Griffes. Zelos ächzte und jammerte: „Entschuldigt, Majestät! Bitte verzeiht! Das wollte ich nicht!“ Leda befahl wütend: „Schließt euch sofort wieder ein! Und dann verlasst augenblicklich meine Unterkunft!“ Zelos gehorchte sofort und ging mit hochrotem Kopf aus der Hütte.

Draußen begegnete er Ate und Nike. „Was hast du denn für einen roten Kopf?“, neckte Nike voll Pläsanterie. „Hat dich die Königin aufgeschlossen, um mit deinem kleinen Wicht zu spielen?“ Die beiden Gardistinnen lachten geziert. Zelos verschwand schnell hinter einigen Büschen, wo er noch lange hockte und rot vor Scham über sein Versagen nachgrübelte.

Megara saß auf ihrem Thron, als sie Rufe und Schreie aus dem Gang vor ihrem Saal hörte. „Was ist da los?“, fragte sie eine Uniformierte ihrer Palastwache. „Schaut nach und schickt den Ruhestörer zu mir!“ Sofort eilte die Frau mit ihrer Hellebarde und ihrem klimpernden Metallgehänge los. Megara runzelte erbost die Stirn. Der Schreihals sollte wahren Grund zum Schreien bekommen! Die Tür schlug auf und eine Botin erschien abgehetzt und stürzte an gewaltigen Pilastern vorbei in Richtung Thron, der unter einer riesigen Kuppel stand und ihn in ein blutrotes Licht tauchte. Vor Megara fiel sie auf die Knie, die Palastwache erschien außer Atem hinter ihr.

Die Botin verkündete schwer atmend: „Höchste Göttin Megara! Das Ostland rebelliert! Eine Armee steht bald vor den Toren der Stadt! Statthalterin Fama rückt mit tausenden Kampfsklaven an. Sie verlangt Eure Ablösung.“ Die Botin zitterte. Die schlechte Nachricht konnte dafür sorgen, dass sie als Überbringerin abgeurteilt wurde. Doch die Neuigkeit war so ungeheuerlich, so empörend, solche Blasphemie, dass Megara erstarrt war und sprachlos blieb. Erst nach endlos erscheinenden Augenblicken antwortete sie: „Fama putscht gegen mich!? - Dieses undankbare Dreckstück aus der Gosse!“

Die Botin versuchte sich möglichst klein zu machen. „Jawohl, höchste Göttin Megara!“
Megara sprang vom Thron auf und schleuderte ihren Zepter durch den Saal. Er schepperte laut auf dem Marmor. „Stellt das Heer auf! Alles, was wir haben! Die Kriegsmaschinen! Zieht nach Osten der Verräterin entgegen! Keine Gnade! Alle, die mit dieser Hexe sympathisieren, sollen ihr Lebensrecht verwirkt haben!“ Verrat in den eigenen Reihen! So etwas hatte sie nicht verdient!

Als die Senatorinnen Alekto und Kerbera von der Rebellion hörten, staunten sie nicht schlecht. Alekto warf in ihrer Kammer einen Weinkelch auf einen Sklaven, der ihr als Faktotum diente, und geiferte: „Verfluchtes Weib! All meine Planungen und Ränke sind umsonst!“ Nur langsam beruhigte sie sich. „Aber vielleicht kann ich daraus sogar Nutzen ziehen“, überlegte sie., und es blitzte etwas Unergründliches in ihren Augen auf. „Erst helfe ich Megara gegen Fama, und dann werde ich zuschlagen, wenn die Hexenbrut am wenigsten damit rechnet.“

Auch Kerbera war außer sich. Sie schüttelte in ihre Kammer den Kopf. Jetzt musste sie ihre Machtübernahme verschieben. Zunächst musste sie gegen die Ostarmee bestehen, sonst rollte ihr Kopf neben Megaras die Stufen des Palastes hinunter. „Aber aufgeschoben heißt ja nicht aufgehoben“, murmelte sie und strich sich mit der Hand imaginären Staub von ihrem schmucken Kleid.

Viele Meilen ostwärts marschierten gewaltige Einheiten Kampfsklaven gen Westen. Eine breite Staubwolke schraubte sich endlos in den Himmel. Anführerin Fama hatte ihren Aufstand von langer Hand geplant und vorbereitet. Als absolute Autorität waren ihr die Armeeangehörigen treu bis in den Tod ergeben. Megaras eigene Erhebung zur Göttin war vielen Damen des östlichen Reiches bitter wie Galle aufgestoßen. Sie versprachen sich von Famas Machtübernahme auch mehr Reichtum, denn im Westen gab es die meisten Minen mit Edelmetallen, die fruchtbareren Felder und größeren Märkte für allerhand Waren. Im Osten verdienten lediglich die Sklavenhändlerinnen besonders gut.

Doch die Rebellion sorgte nun für noch größere Nachfrage nach Frischfleisch an der Waffe, so dass auch Großhändlerinnen wie Flagella, Ceres oder Phoibe sich auf Famas Seite schlugen, die den Aufstand anführte. Fama fuhr auf einer goldenen offenen Kutsche an der Spitze des Heeres. Sie trug wie meist eine Mischung aus Uniform und Kleid mit langen Stiefeln. Ein hoher, steifer Kragen unterstrich ihre autoritäre Ausstrahlung.

Ihre Töchter hatte sie in der Metropole gelassen, obwohl diese darum gebettelt hatten, ebenfalls am Kriegszug teilzunehmen. Sie hatten sich auf die spannenden Kämpfe der Sklaven gefreut, wie sie mit ihren muskulösen, glänzenden Oberkörpern um ihr Leben stritten. Doch Fama hatte ihnen verständlich gemacht, dass der Krieg kein Possenspiel für Kurzweil war. Nur einige Quacksalberinnen verfolgten das Heer, um sich die eine oder andere Münze an Kranken und Verletzten zu verdienen.

Aurora hatte ihrer Mutter vor deren Abreise von Vestas Besuch bei der Schmiedin berichtet und vor lauter Neid auf ihre Schwester alles ausgeplaudert. Normalerweise hätte Fama ihre Töchter hart bestraft, die Schmiedin in den Kerker geworfen und selbstverständlich Vesta wieder verschließen lassen. Sie hätte vielleicht sogar die Hinterteile der Damen züchtigen lassen – wohl bemerkt deren eigenen! Nicht die ihrer Prügelsklaven! Aber ihre politischen Ziele nahmen sie voll in Anspruch. Aurora und Vesta würden ihre Strafen erhalten, wenn der Kriegszug beendet war. Wenn sie, Fama, den Thron des gesamten Kontinents bestiegen hatte. Megaria würde dann Vergangenheit sein und in Vergessenheit geraten.

So blieb Vesta ohne Keuschheitsgürtel, und Aurora fühlte sich unverstanden und hatte sich Trübsal blasend in ihre Gemächer zurückgezogen. Sie weinte über die Ungerechtigkeit und Grausamkeit der Welt. Ganz im Gegenteil zu Vesta. Das einzige, was sie nun noch störte, war, dass nicht etwa sie ihre Mutter vertreten durfte, sondern eine Duxa als kommissarische Statthalterin eingesetzt worden war: eine gewisse Helena, die Vesta bisher nicht kannte. Man munkelte sogar, diese Helena sei früher einmal Untergebene der vertriebenen Königin Leda gewesen. Und so eine würde nun über die große Metropole herrschen!


114. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 08.11.20 15:12

Das gewaltige Ostheer marschierte wie eine Wand aus Fleisch und Stahl westwärts und war noch auf keinerlei Widerstand gestoßen. „Megara wird alle Kräfte kurz vor der Hauptstadt bündeln und sich in ihrer Zitadelle einigeln“, war sich Fama gewiss. Eine Duxa stimmte ihr zu. „Ja, verehrte Fama. Vorläufig haben wir noch keine Gegenwehr zu erwarten. Trotzdem sollten wir Kundschafter voraus schicken.“ „Tut das“, sagte Fama. „Erfahrene Reiterinnen, die Spuren und Anzeichen zu deuten wissen.“ Die Duxa salutierte so forsch, dass ihr Haarschweif umherwirbelte, und gab den Befehl weiter.

Über Meilen zog sich das gigantische Heer aus Kampfsklaven, nur mit Lendenschurz und Keuschheitsschelle bekleidet, aber mit martialisch aussehenden und gefährlichen Waffen gerüstet. Im Gleichschritt stampften die muskulösen Männer durch den Staub. Zwei junge Soldatinnen, die hoch zu Ross an der linken Flanke einer Einheit ritten, waren gelangweilt. Sie schwatzten über amouröse Gegebenheiten mit diversen Liebessklaven und versuchten sich gegenseitig zu übertrumpfen. Die eine lachte über einen Zwerg, der ihr bis zur Brust ging, die andere prahlte mit dem größten Luststab von ganz Megaria. Als letztlich die eine bei dem beiderseitigen Überbieten von Erlebnissen den Kürzeren zog, meinte sie schnippisch: „Na und? Dafür kann ich das hier!“ Sie holte ein selbstgebautes, kleines Blasrohr unter ihrer Lederrüstung hervor und lud es mit einem spitzen, kleinen Holzstäbchen. Dann schoss sie ihre Munition gezielt auf ein nacktes Gesäß eines marschierenden Kampfsklaven ab, der durch den Schmerz aus dem Gleichschritt kam. Spornstreichs ritt eine weitere Soldatin heran und holte mit ihrer Lederpeitsche aus. „Ab mit dir zurück in die Reihe, du Tölpel!“

Der Mann empfing einen knallenden Hieb und sprang wieder in den Gleichschritt. Der Holzstachel saß immer noch in seinem Hintern. Er versuchte ein Humpeln zu unterdrücken. Die Schützin kicherte. Ihre Kameradin, die neben ihr ritt, schalt sie: „Jetzt hast du dem Sklaven eine dicke Suppe eingebrockt. Wenn er noch mal auffällt, wird die Centuria ihn aus der Einheit entfernen.“ In diesem Moment blickte der Sklave kurz zur Seite und starrte die Soldatin grimmig an. Mit einer flinken Bewegung zog er sich den Stachel aus dem Hinterteil und marschierte weiter. Die Soldatin runzelte die Stirn. „Der ist ganz schön frech!“ Sie lud erneut das Blasröhrchen. „Ach, lass gut sein“, meinte ihre Kameradin. „Von wegen! Hast du den respektlosen Blick gesehen? Das soll er bereuen!“ Sie zielte, und sicher fand ihr zweiter Pfeil sein Ziel in dem Sitzfleisch.

Wieder kam der Sklave aus dem Trott. Erneut jagte die Centuria heran. „Ihr da!“ Sie meinte die beiden jungen Kavalleristinnen. „Separiert mir den Sklaven da! Sobald wir lagern, soll er 25 Peitschenhiebe erhalten. Vielleicht lehrt ihn das, gleichmäßig zu marschieren!“ Die junge Soldatin ritt eng an den Mann heran und öffnete seine Kette, die ihn mit den anderen Männern in seiner Reihe verband, dann befestigte sie die Kette an ihrem Sattel und ritt seitlich des Heeres, hielt an und stieg ab. Sie nahm eine weitere Kette und verband sie mit den Fußeisen des Sklaven. Sie wählte dabei eine so kurze Fessel, dass der Mann nur Trippelschritte machen konnte. „So bekommst du mehr Übung!“, lachte sie.

Sie stellte sich vor den Mann, der sie fast zwei Köpfe überragte und sicherlich das Doppelte wog. „Auf die Knie mit dir, Sklave!“, befahl sie. Sofort gehorchte der Mann mit schlotternden Knien. Voll Genugtuung stellte die junge Soldatin fest, dass sie nun die Größere war. Der Sklave hatte sie missgelaunt angestarrt. Das durfte sie ihm nicht durchgehen lassen. Wehre den Anfängen! Sie zog ihren Dolch und schnitt ihm den Lendenschurz ab. „Du marschierst nackt!“, sagte sie selbstherrlich. Die andere Soldatin kam herbei geritten. „Was machst du da? Komm schon! Sonst holen wir nicht mehr auf.“ Ihre Kameradin grinste. „Oh, dann muss unser Nackedei eben fixer laufen! Hier! Nimm du seine Leine!“ Sie reichte ihr das Kettenende, dessen anderes Ende an seinem Halseisen vernietet war. Die Soldatin befestigte es an ihrem Sattel und ritt im Schritt weiter.

Als sie kurz darauf in Trab fiel, stolperte der Sklave und stürzte der Länge nach hin. 15 Fuß weit wurde er durch den Staub gezogen. Dabei musste er mit seinen Händen die Kette festhalten, um nicht stranguliert zu werden. Die Soldatin wunderte sich und sah erst jetzt, dass er eine viel zu kurze Fußkette trug. Sie entfernte sie und machte sich mit dem Sklaven im Trab auf den Weg zurück zu ihrer Einheit, die bereits eine halbe Meile entfernt war. Ihre Kameradin ritt genau hinter dem laufenden Sklaven her und schoss mit ihrem Blasrohr auf dessen Hinterteil. Im Trab traf sie nur mit jedem dritten Pfeil. Aber immer wieder musste sich der Sklave einen Holzstachel aus dem Gesäß ziehen. Kurzweil für die lange Reise.

Außer Atem kamen sie nach einer Weile wieder an der richtigen Stelle an. Doch der Sklave blieb separiert, wie die Centuria befohlen hatte. Als am Abend ein riesiges Lager aufgeschlagen wurde, banden die Soldatinnen den Sklaven um einen dicken Baumstamm, als wolle er ihn umarmen. Bis zur Züchtigung missbrauchte die junge Soldatin den Hintern des Sklaven erneut als Zielscheibe für ihr Blasrohr. Anfangs wollte ihre Gefährtin ihr das Spiel ausreden, doch schließlich bekam sie selbst Lust darauf. Daraufhin entwickelte sich der reinste Wettkampf zwischen den Frauen, wer öfter und genauer treffen könne. Schließlich erklang der Hornruf zum Abendessen. Die Soldatinnen entfernten die Stachel aus dem gespickten Gesäß und freuten sich auf eine deftige Mahlzeit.

Als sie später zurück zu ihrer lebenden Zielscheibe schlenderten, hörten sie laute Schmerzensrufe. Die Züchtigung hatte begonnen. Die Soldatinnen gesellten sich zu anderen Kameradinnen und setzten sich an ein prasselndes Feuer, tranken Wein und knobelten mit ihren alabasterfarbenen Würfeln. Kurzweilige Stunden vergingen, und die meisten Soldatinnen legten sich zur Nachtruhe. Bevor die junge Frau mit dem Blasrohr sich ebenfalls für den Schlaf vorbereitete, ging sie noch mal bei dem gezüchtigten Sklaven vorbei, der immer noch an den Baum gefesselt stand. In den Kniekehlen war er eingesackt vor Erschöpfung. Sein Gesäß war über und über mit dunkelroten Striemen bedeckt. Ob er damit morgen marschieren konnte? Das würde ein Höllentag für ihn werden.

Die Soldatin schlenderte so um den Baum, dass sie dem Sklaven ins Gesicht schauen konnte. Sie hob sein Kinn ein wenig an. Der Mann erkannte die Soldatin und blickte eilig nieder. Er zitterte am ganzen Körper. Die Uniformierte strich über die starken Muskelberge des Mannes. „Siehst du, was du angerichtet hast?“ Der Sklave antwortete in devotem Tonfall: „Es tut mir Leid. Ich war respektlos und habe die Strafe verdient.“ Die Soldatin lächelte. „Ja, das hast du. Und dein Arsch wird morgen noch mehr schmerzen als bei der Züchtigung. Wenn du dich morgen im Gleichschritt hältst, soll dir vergeben werden. Wenn nicht...“ Der Sklave wagte einen kurzen Blick in die Augen der Wehrfrau. „Danke. Vielen Dank. Sehr gütig. Ich danke Euch.“

Die Kämpferin schritt um den Baum und strich über die Muskelberge des Mannes: über seine mächtige Brust, die breiten Schultern, die dicken Arme, den mit Muskeln bepackten Rücken und dann über den geschundenen, muskulösen und wohlgeformten festen Po. Bei ihrer zarten Berührung zitterten die Muskeln. Die Soldatin empfand sogar ein klein wenig Mitleid. Oder war es ein schlechtes Gewissen? Aber mehr noch erregte es ihre Sinne. Sie könnte der Kreatur ihren Keuschheitsgürtel aufschließen und… Oh, welche sündigen Gedanken wuchsen da in ihrem ungezogenen Köpfchen!

Sie fragte den Leibeigenen nach seinem Namen. Der verwunderte Mann antwortete: „Boreas, Herrin.“ Die Soldatin berührte seine Hoden, die schwer zwischen seinen kräftigen Oberschenkeln hingen. „Ich heiße Maia.“ Der Sklave schluckte. Er wusste nicht, was er sagen sollte. Eine Weile schwieg er einfach. Es war so still. Nur sein Herz schien laut zu schlagen. Er drehte seinen Kopf, doch nirgends war die Frau noch zu sehen. Er war wieder allein. Allein mit seinem brennenden Hintern und der Angst vor dem morgigen Tage.

Leda und ihre sechs Begleiter hatten beschlossen, in einem fruchtbaren Tal nahe der Küste zu siedeln und als Sasse urbar zu machen. Die Königin hatte mittlerweile den Gedanken aufgegeben, jemals wieder in ihre Heimat zurückzukehren. Alle mussten fleißig mit anpacken, um Bäume zu fällen und zu bearbeiten, Gruben auszuheben, Wild zu jagen, Brennholz zu hacken, Feuer zu machen, kleine Felder zu schaffen, Pfade anzulegen sowie neues Werkzeug zu fertigen und schließlich Hütten aufzustellen.

Am Nachmittag des nächsten Tages war Leda gerade dabei, einige Hirschleder zu einer Hose zu vernähen, da sprang Zelos aus dem Unterholz und rief aufgeregt: „Die Abtrünnigen! Ich habe zwei Soldaten gefunden. Sie liegen halb besinnungslos nicht weit von hier in einer Lichtung.“ Leda stand geschwind auf und befahl laut: „Zu den Waffen! Lasst uns nachschauen.“ Alle sechs folgten Zelos zu der besagten Stelle in einem Eichenhain. Tatsächlich lagen dort zwei von Ledas ehemaligen Kriegern. Die Uniformen der Meuterer waren kaum noch zu erkennen. Ihre Leiber waren ausgemergelt und übersäht mit leichten Fleischwunden. Die Königin ging zu den Männern und versuchte mit ihnen zu sprechen, doch die Soldaten lagen nur leblos da. „Schafft sie ins Lager“, befahl Leda. Zelos und Hagbard trugen sie zu ihrer Unterkunft.

Was war wohl mit den Männern geschehen? Leda war gespannt, was sie zu berichten hatten. Die Königin erkannte die Gestalten trotz ihrer dichten Bärte und dem Schürfwunden wieder: Ajax und Pan, zwei Recken, die gern durch Vollrausch und Vielweiberei auffielen – aber das war bei ihren Soldaten nichts Außergewöhnliches. Unter der Pflege des Medikus erlangten sie nach einigen Stunden wieder das Bewusstsein. Als die Männer erzählten, was sie erlebt hatten, hingen die anderen ihnen gespannt an den Lippen.

Die Meuterer waren im Landesinneren auf das fremde Volk gestoßen. Doch gegen die Zauberwaffen der Einheimischen hatten sie keine Chance. Die Krieger besaßen magische Stöcke, die aus weiter Entfernung mit lautem Knall töten konnten. Sie dröhnten, und schon fielen ihre Feinde der Reihe nach tot um - wie vom Blitz getroffen. So war es einigen der Meuterer ergangen, einer nach dem anderen wurde gefällt, bis sie sich den Fremden ergaben. Bei den Scharmützeln kamen die beiden Diener, die beiden Knechte, neun Soldaten und vier Gardisten ums Leben. Die lebend gefangenen Recken wurden versklavt, die drei Mägde sowie die Gardistin schaffte ein dicker Kaufmann weg. - Wohin… Das konnten die Soldaten nicht sagen.

Bei einer Sklavenauktion wurden die verbliebenen Meuterer zunächst zusammen verkauft und mit langen Peitschen über eine staubige Straße getrieben - viele Meilen weit. Während der mehrtägigen Reise starb ein weiterer Soldat an Erschöpfung und wurde einfach am Straßenrand schlicht liegengelassen. Schließlich erreichte die Sklavenkarawane eine kleine Siedlung. Bei ihr lag eine gewaltige Mine, die ein Erz abbaute, dass sie nicht kannten. Tag und Nacht mussten sie in den engen und niedrigen Stollen bei schummerigem Licht schuften und bekamen nur wenig zu trinken und zu essen. Regin, einer von Ledas ehemaligen Beratern, erlag der schweren Arbeit nach einigen Wochen.

Und dann kam der Tag, an dem Priester des Volkes in der Siedlung erschienen und sich die Sklaven von Jenseits des Ozeans betrachteten. Alle mussten ihre Zungen rausstrecken, ihre Zähne zeigen, wurden betastet und gekniffen. Die Priester redeten in einer unbekannten Sprache. Doch schon am nächsten Tag sollte allen bewusst werden, was geschehen würde: Fünf von ihnen sollten einem Himmelgott geopfert werden. Dazu zählten Ajax, Pan und drei der Gardisten. Im Anschluss brachte man die Auserwählten zu einem pompösen Tempel mit hunderten Säulen, aber ohne Dach. In der Mitte des Tempels stand eine riesige Kugel. Als sie näherkamen, erkannten sie einen Ballon aus einem unbekannten Stoff. Am unteren Ende war ein Korb befestigt, in den die Fünf steigen mussten.

Nachdem die Priester ein Gebet gesprochen hatten lösten sie vier Seile, und der Ballon stieg wie durch Zauberhand mit den Opfern in den Himmel. Die Gottesopfer bekamen nun auch noch vor der schwarzen Magie Angst, die den Ballon in die Luft hob. Die beiden Soldaten waren noch immer völlig aufgeregt, als sie dies erzählten. Sie konnten sich einfach nicht vorstellen, mit welcher Teufelskunst dies möglich war. Es war keine Imagination. Sie flogen fürwahr wie die Vögel durch den Himmel, höher und höher bis zu den Wolken. Alles auf der Erde, ob Baum oder Haus oder Mensch oder Platz, wurde winzig klein.

Leda erinnerte sich an ihren Alchimisten, der die Metropole des Alten Kontinents mit einem ähnlichen Trick eingenommen hatte, indem er so Schlafnebel über der Stadt verteilt hatte. Allerdings war der Ballon nicht so groß gewesen, dass er fünf Erwachsene hätte tragen können. Ajax und Pan berichteten weiter von großen Entbehrungen, denn sie besaßen keinen Proviant. Der Ballon wurde vom Wind über das Land getrieben, weiter und weiter. Und als alle schon dachten, sie müssten sterben, landete das Luftschiff in einer Wüste statt von der Himmelsgottheit entgegengenommen zu werden. Die Erde hatte sie wieder, doch wohin hatte es sie verschlagen? Die Ödnis war fremd und lebensfeindlich.

Das Quintett suchte mit letzter Kraft Wasser, doch irrte es hilflos in den hohen Sanddünen umher, ohne auch nur einen Tropfen rettendes Nass zu finden. Bald blieben zwei Gardisten zurück. Erst Stunden später erreichten die drei Überlebenden am Ende ihrer Kräfte eine Oase und konnten sich stärken. Nie zuvor hatte Wasser so süß geschmeckt! Zugleich fanden sie saftige Datteln, um ihren Hunger zu stillen. Ein wenig erholt kämpften sie sich weiter nach Süden durch.

Schließlich erreichten sie fruchtbareres Land, doch der Gardist wurde dort von einer wilden Kreatur aus dem Hinterhalt angegriffen und erlag bald seinen schweren Verletzungen. Die Soldaten beschrieben das Tier als eine Mischung aus Bär und Stier. Es hatte, so berichtete man, rot glühende Augen. Leda zweifelte an ihrer Erzählung, aber sie konnte ihnen auch nicht das Gegenteil beweisen. „Und nun seit ihr auf uns gestoßen und wollt von uns aufgenommen werden?“ Ajax und Pan wurden kleinlaut und schworen Reue für ihre Revolte. Sie seien so froh, dass sie auf ehemalige Kameraden getroffen seien. Leda wollte wissen: „Kennt ihr das Schicksal der restlichen Meuterer? Sind sie als Minensklaven immer noch in Gefangenschaft?“ Die Männer bejahten. Es mussten noch elf Soldaten, ein Gardist, der Majordomus Honos sowie der Schmied Tartaros in den Tiefen des Gesteins schuften – wenn sie nicht schon ihrer Knochenarbeit erlegen waren, denn besonders Honos war das letzte Mal, als sie ihn sahen, abgemagert und hinkend regelmäßig unter den schweren Steinen, die er tragen musste, zusammengebrochen.

Leda sah die beiden Soldaten ernst an: „Ich nehme euch auf.“ Die Männer waren erleichtert und lachten vor Freude. Ihre Anspannung fiel von ihnen ab. „Aber“, schränkte Leda ein, „ich verlange, dass ihr als Buße Keuschheitsgürtel tragt für eine gewisse Zeit.“ Die Männer sahen sich erschrocken an. Leda verschwand in ihrer neuen Hütte. Dann kam sie mit zwei kleinen Holzbechern zurück, die Zelos geschnitzt hatte. In den Behältnissen war eine Art Tee. „Trinkt das!“, sagte sie. „Solange ich keine Keuschheitsgürtel habe, müsst ihr das jeden Tag trinken.“ Die Soldaten sahen sich an, zuckten mit den Schultern und leerten die Becher. Leda war zufrieden: „Mein Medikus hat es mir in guter Voraussicht bereitet. Es ist ein Trank, der euch von der Liebe abhält. Er… Nun, für eine Königin geziemt es sich nicht, in weitere Einzelheiten… Also…. Ihr könnt gehen.“

Die Soldaten wunderten sich über das seltsame Verhalten der Majestät. Als sie sich am nächsten Tag erholt fühlten, kamen auch die männlichen Lustgefühle zurück. Besonders die beiden hübschen Gardistinnen Ate und Nike hatten es ihnen angetan. In einem unbeobachteten Moment näherte sich Ajax den beiden Frauen und feixte mit ihnen. Bald schon war klar, dass er Ate besonders gut gefiel – so gut, dass die beiden ins Gebüsch verschwanden. Der Soldat zog seine Hose hinab und spottete innerlich über Ledas Keuschheitsgebot. „Ta! Ich nehme mir jedes Weib, das ich haben will!“ Doch als es so weit war, und Ate bereitwillig und verführerisch ihre Schenkel spreizte, um das entflammte Schwert zu empfangen, spürte Ajax zwar unbändige Lust, doch sein Luststab wollte überhaupt nicht wachsen.

Gerra, die Zunftmeisterin der Schmiede, betrat den prächtigen Regierungspalast der Metropole. Als Schmiedin der Statthalterin Fama hatte sie freien Zugang in einige Bereiche, die dem normalen Volk verborgen blieben. Die Abwesenheit der Stadtfürstin nutzte Gerra aus, um den Liebessklaven der Fama zu besuchen. Schon seit einigen Wochen hatten sie sich hin und wieder heimlich getroffen und wie Mann und Weib beieinander gelegen. Die beiden wussten, was sie erwartete, sollte die verbotene Liaison auffallen, doch war ihr gegenseitiges Verlangen einfach zu groß, die Versuchung zu süß, um voneinander zu lassen.

Zwar war Fama auf dem großen Kriegszug nach Westen unterwegs, aber das hieß nicht, dass nicht genügend Denunzianten in den dunklen Gängen es Palastes umherstreiften, um jede Möglichkeit zu ergreifen, sich einen Judaslohn zu erwerben. Daher kam Gerra verschleiert als angebliche Hofdame von Aurora. Als die Palastwache das junge Edelfräulein nach dem Besuch fragte, runzelte Aurora die Stirn: „Hofdame? Hat uns Mutter etwa eine Aufpasserin geschickt? Das fehlt noch! Bringt sie rein. Und falls sie mir nicht gefällt, werft ihr sie wieder hinaus!“ Die Wache verbeugte sich und verließ den Raum.

Bald darauf kam sie mit der Verschleierten zurück. Aurora würdigte sie kaum eines Blickes und fragte abschätzig: „Was wollt Ihr hier? Lasst Euch einen Tageslohn geben und geht wieder von dannen!“ Als Gerra ihren Schleier hob, so dass nur Aurora ihr Gesicht erkennen konnte, wurden die Augen des Fräuleins immer größer. Beinahe hätte sie laut gerufen: „Schmiedin! Was wollt ihr hier!?“ Aber sie besann sich eines besseren, als Gerra unauffällig auf Auroras Hüfte zeigte. Hatte diese Gerra ihren Schlüssel dabei? Aber was sollte diese Scharade? „Wache! Wegtreten! Lasst uns allein!“, befahl Aurora laut. Gerra entblößte nun ihren Kopf ganz und lächelte. „Gut so, junges Fräulein. Ich habe Euch ein vortreffliches Geschäft vorzuschlagen.“ Die feine Tochter der Statthalterin und Revolutionärin Fama hörte aufmerksam zu.








115. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 21.11.20 13:09

Als Gerra in einen anderen Teil der Regierungsresidenz schritt, breitete sich ein breites Grinsen auf ihrem Gesicht aus. Sie zeigte einen gülden glänzenden Siegelring vor, um von zwei Wächterinnen durchgelassen zu werden. Diesen Ring erhielten nur höchste Regierungsmitglieder oder leitende Palastwachen sowie das engste Personal von Fama. Aurora hatte sich in Mutters Truhe bedient und der Schmiedin einen dieser begehrten Ringe übergeben. Mit seiner Hilfe konnte sich Gerra im Palast frei bewegen und klopfte bald gegen eine Eichentür, auf der eine Schnitzerei zu sehen war: Megara als Sonnengöttin, die vom Himmel herab fuhr und Massen von Menschen, die ihr zujubelten.

Ein überraschtes „Wer wünscht Einlass?“ von einer jungen, männlichen Stimme klang durch das Holz. Gerra öffnete und schlüpfte durch den Spalt. „Geliebter“, hauchte Gerra. Die burschikose, kraftvolle, harte Art der Schmiedin war von einem Moment zum anderen verschwunden. Jetzt war Gerra nur noch ein feminines Weib, das sich nach ihrem Liebsten sehnte und in seine Arme sank. Der Liebessklave der Fama sprang ihr entgegen. „Gerra!“ Doch nach einem leidenschaftlichen Kuss packte Amatio sie an den Schultern und sah ihr besorgt ins Gesicht: „Sag, ist es nicht voll der Gefahr zu kommen? Fama ist zwar auf Kriegszug, doch die Wachen sahen dich vielleicht…“ Gerra schüttelte beruhigend den Kopf und löste mit einer Hand ein Haarband, so dass ihre lange Mähne verführerisch herabfiel. „Nein, mein Ritter. Ich habe die Erlaubnis zu kommen. Schau!“ Sie zeigte den Siegelring. „Niemand wird Fragen stellen oder Fama davon berichten.“

Der Liebessklave stutzte. Wie hatte sie einen Siegelring der Fama in ihren Besitz gebracht? Gerra schmunzelte und warf sich, ihr Mannsbild mit sich ziehend, auf ein weiches Ruhelager. „Lass dir erzählen! Du wirst es nicht glauben.“ Sie berichtete Amatio von Auroras tollkühnem Ansinnen. Sie war mit ihr so verblieben, dass sie dem Hoffräulein den Keuschheitsgürtelschlüssel aushändigte, solange sie im Palast bei ihrer Liebe sein durfte. Abends würde sie ihn wieder mitnehmen. Amatio war skeptisch. „Du darfst ihr nicht trauen! Aurora und Vesta sind wahre Teufelsbräute!“ Gerra lachte. „Das weiß ich. Daher habe ich folgendes ausgemacht: Bevor Aurora den Schlüssel erhält, schließe ich Vesta ein und behalte deren Schlüssel. Erst, wenn Aurora mir zeigt, dass sie wieder versperrt ist und mir ihren Schlüssel zurückgibt, erhält Vesta wieder den ihren.“

Der Sklave verstand. „Ein erfolgskrönender Plan. Sollte eine der beiden falsch spielen, hat sie ihre Schwester im Nacken!“ Gerra drückte den Sklaven flach auf den Rücken und setzte sich breitbeinig auf ihn. „So ist es. Hast du nicht eine findige Gespielin?“ Der Liebessklave spürte, wie ihn Gerras Berührungen erregten. Das Weib lachte: „Ich kann Eisen schmieden. Und eines habe ich gelernt: Schmiede das Eisen, solange es heiß ist. Und wie ich fühle, ist das Eisen gerade bereitwillig…“ Der Liebessklave der Statthalterin stöhnte lustvoll auf, als er Gerras Hand an seinem Keuschheitsgürtel spürte. Es klickte, und der grausame Kerker war gelöst. Amatios Luststab wuchs zu einem mächtigen Mast und zuckte vor Vergnügen. Gerras Hand strich darüber und dann zeigte sie ihm die Pforte zum Paradies…

Leda stürzte aus ihrer Hütte und rief nach Pan und Ajax. Wo waren die Soldaten? Pan erschien unter einem provisorischen Vordach eines Felsvorsprunges, wo der Medikus sein Lager aufgeschlagen hatte. „Majestät?“, fragte er. Die Königin wollte wissen: „Wo ist Ajax? Ich muss euch beide dringend sprechen.“ Pan zuckte mit den Achseln. In diesem Moment hörten die Anwesenden lautes Lachen und Kichern. Ate und Nike kamen aus ihrem Lager. „So ein Schlappschwanz!“, hörten sie Nike sagen. „Und er hatte keinerlei Männlichkeit?“ Ate lachte. „Nein. Er war wie ein toter Wurm.“ Die Frauen kicherten und gackerten, bis sie vor der Königin standen und abrupt still wurden. „Wo ist Ajax?“, erkundigte sich Leda. Ate zeigte hinter sich. „Der ist im Eichenhain und schämt sich.“

Leda erfuhr, was der Mann erfolglos versucht hatte und wurde von Augenblick zu Augenblick wütender. „Ajax hat bereits nach so kurzer Weile seinen Schwur gebrochen!“ Leda war fassungslos ob dieser Unverschämtheit und Ehrlosigkeit. „Bringt ihn zu mir! Auf der Stelle!“ Damit verschwand sie flugs aufgebracht in ihrer Hütte.

Als die Soldaten und Zelos alsbald vor ihr standen - Ajax mit rotem Kopf und gesenktem Blick - sagte Leda: „Mir ist ein Weg eingefallen, wie wir diesen Westkontinent verlassen können! Wir werden zurückkehren und die Tyrannin Megara vom Thron stoßen!“ Die Männer sahen sie an, als habe sie den Verstand verloren. „Aber zunächst einmal regeln wir etwas anderes!“ Sie zückte den Schlüssel des Keuschheitsgürtels, den der Pferdeknecht trug, und befreite ihn. Überrascht sah Zelos seine Königin an. War er trotz seines Fauxpas erlöst? Zum großen Schreck des Soldaten Ajax, winkte Leda ihn zu sich heran und befahl: „Beinkleid runter, Soldat.“ Ajax gehorchte und musste mit ansehen, wie die Königin ihm stracks den Keuschheitsgürtel anlegte. Mit einem schabenden Klack schnappte das Schloss ein. „Du brauchst keinen Tee mehr von mir. Aber du, Pan, wirst jetzt deine heutige Ration trinken!“ „Jawohl, Majestät“, antwortete Pan und nahm den Trunk entgegen.

Pan und Ajax wurden hinausgeschickt. Leda rief Thrym, Hagbard und den Medikus zu einer Beratung. Sie wollte den Ballon finden und ihn erneut fliegen lassen. „Wir werden herausbekommen, wie dieser Zauber funktioniert.“ Die Männer waren eher skeptisch, aber niemand getraute sich der Majestät zu widersprechen. Sich mit Magie einlassen? Das war gefährlich.

Viele Meilen entfernt in der Hauptstadt von Megaria rangelte eine Menschenmenge um einen Pranger auf dem Marktplatz. Viele reckten und streckten sich, um etwas zu sehen. Der Sklave, der in dem Holzgerüst eingeschlossen war, zeigte auf seinem nackten Hintern die kräftigen Striemen einer tüchtigen Züchtigung. Außerdem lag haufenweise faules Obst um den Pranger, mit dem der Sklave von den Schaulustigen beworfen worden war. Gerade entleerte ein Weib eine Schüssel mit einer unbestimmten breiigen Masse über dem Kopf des Sklaven aus. Die Menge jubelte und vereinzelt flogen faules Obst und Tomaten auf den Mann nieder.

Erst zwei Stunden später hatten die meisten Stadtbewohner das Interesse an dem Delinquenten verloren, und die Gaffer entfernten sich nach und nach. Ein Grund war sicherlich die kräftige Sonne, die am Morgen noch angenehm schien, doch nach und nach immer heißer und stechender wurde. Gegen Mittag hielten sich die Menschen nur noch im Schatten auf. Einige Schankstuben hatten Sonnensegel aufgebaut, so dass die Besucher ihren Tee oder ihren Wein auf dem Markt genießen konnten.

Der Pranger befand sich wie ein Blickfang mitten auf dem Platz, so dass der Sklave auch von weitem begafft werden konnte. Mittlerweile war sein Mund staubtrocken, seine Zunge angeschwollen und seine Lippen rissig von der Dürre. Während seiner Prangerzeit war er abhängig von Spenden. Zwei Edeldamen spazierten unter kunstfertigen Sonnenschirmchen über den Markt und wedelten sich mit exklusiven Seidenfächern kühle Luft zu. Ganz in der Nähe des Prangers blieben sie stehen und schwatzten über die neueste Mode. Der Verurteilte hob schwach den Kopf und lauschte. „Wa…der…Bideee“, versuchte er sich krächzend zu artikulieren. Die Damen ignorierten den Straftäter. Als der Mann seine letzte Kraft zusammen nahm und erneut um Wasser flehte, sahen die Damen ihn böse an. Die eine machte ihren Schirm zu und schlug damit dem Mann auf den Kopf. „Ruhe, du Störenfried!“ Die andere wollte in nichts nachstehen, schloss ihren Schirm ebenfalls und wiederholte den Hieb. „Du willst Wasser haben?“, fragte sie die erbarmungswürdige Kreatur. Der Sklave hob seinen Kopf langsam und versuchte etwas zu sagen, aber sein Mund war so trocken. Alles klebte ihm im Rachen. „Waaa…deeeer. Biiiigeee!“

Die erste Dame fragte: „Was sagt er? Will er Wasser?“ Ihre Bekannte nickte und spannte den Schirm gegen die Sonne wieder auf und wedelte eifrig mit ihrem Fächer. „Ich denke schon.“ Daraufhin sah die andere Lady zu einer Taverne und winkte den Schanksklaven herbei. Sofort eilte der Mann zu ihr. „Bringt mir zwei große Becher mit kühlem Wasser.“ Der Schanksklave eilte zurück, um den gewünschten Trunk zu besorgen. Die Bekannte der Frau schmunzelte. Was hatte ihre Freundin da vor? Bestimmt einen lustigen Schabernack.

Als die Dame die Becher bekam und dem Sklaven eine Kupfermünze dafür bezahlte, ging sie ganz nah zu dem Verurteilten und ließ ihn an der kühlen Erfrischung riechen. Der Mann versuchte sich zu recken und riss den ausgetrockneten Mund auf, um an das Ersehnte zu gelangen, aber die Dame hielt es genau außerhalb seiner Reichweite. „Nicht so ungeduldig!“, tadelte sie ihn. Vorsichtig stellte sie den Becher auf den Hinterkopf des Sklaven. „Nicht bewegen!“ Der Mann ächzte auf. Nun ging die Dame mit dem zweiten Becher auf die Rückseite des Prangers und schüttete das Wasser über den nackten Hintern. „Der ist doch von der Sonne bestimmt schon heiß, oder?“, kicherte sie. „Da hast du dir eine Abkühlung verdient.“ Die Freundinnen gackerten vor Vergnügen. Bald würde die erbarmungslose Sonne die nasse Haut besonders stark röten.

Nun schlenderte die Dame wieder nach vorne, damit der Sklave sie sehen konnte. „Hältst du auch schön den Becher im Gleichgewicht? Ich komme später vorbei und gebe dir zu trinken, wenn er bis dahin nicht hinabgestürzt ist.“ Die Damen schlenderten lachend und spottend weiter und ließen den Sklaven mit dem Becher auf seinem Kopf zurück. Mit aller Kraft und Konzentration, die ihm geblieben war, versuchte der Mann das Gewicht zu balancieren. Jedes Zittern, jede Bewegung musste er vermeiden.

In den nächsten Stunden spazierten noch einige Personen am Pranger vorbei, die sich über den Becher amüsierten. Zu trinken gab dem Dürstenden jedoch niemand davon. Die beiden feinen Damen besuchten eine Taverne und spazierten anschließend noch ein wenig durch die Stadt. „Hast du von Hera gehört?“, fragte die eine. Ihre Begleiterin schüttelte den Kopf. „Was ist denn mit ihr?“ Hera war eine besonders wohlhabende Dame, die Kontakte bis in den Palast der Megara hatte. Ihre Freundin erzählte von ihr. „Sie hat einem Arbeitssklaven eine Mundbirne verpasst, weil er ihr angeblich ein Widerwort gegeben hat. Die muss er nun schon seit Wochen tragen und kann nur noch Brei zu sich nehmen.“ „Ist ja putzig“, meinte ihre Bekannte. „Weißt du, wie die Senatorin Kerbera einen ihrer Sklaven neulich bestraft hat? Sie hat ihm Eisenschuhe mit Spikes angezogen, auf denen er nun laufen muss. Und zusätzlich hat der Putzsklave noch eine eiserne Maske zu tragen, die ihn blind macht. Er hatte wohl irgendwo Schmutz übersehen. Ganz schön streng, oder?“

Die andere zuckte mit den Schultern. „Ach, ich weiß nicht. Er hat es dann ja auch verdient. Man muss Faulheit und Frechheit rechtzeitig Einhalt gebieten!“, meinte sie süffisant. „Verstockte Sklaven müssen die harte Hand der Herrin schmecken. Mit der Peitsche nicht geizen heißt Verantwortung zu übernehmen für das Gelumpe“, meinte sie herablassend. Ihre Freundin stimmte überzeugt zu. „Ja, das ist wahr. Da bin ich auch konsequent. Einer meiner Stallsklaven hat mal behauptet, mein Ross wäre zu temperamentvoll. Da habe ich ihm ein Pferd gezeigt, dass ruhig genug war.“ Ihre Begleiterin sah sie fragend an. Die Dame erklärte: „Er durfte vier Stunden lang das hölzerne Pony reiten.“ Die Frauen lachten. „Danach hat er sich nie wieder beschwert.“

Kurz darauf schlenderten die Damen eine weiße Promenade entlang, die sauber war wie geleckt: Kein Wunder, denn Dutzende Putzsklaven der Megara waren Tag und Nacht damit beschäftigt, auf Knien das kunstfertige Pflaster zu reinigen und zu polieren, damit die edlen Stiefel der Damen nicht beschmutzt und deren Augen nicht beleidigt wurden. Ein Mosaik aus Onyx und Türkis stellte Megara als Göttin dar, der Geschenke in großen Truhen gebracht wurden. Ein anderes Kunstwerk aus Lapislazuli und Karneol zeigte das Wappen der Herrscherin.

Ein Sklave fiel den beiden Edeldamen auf: Er trug eine eiserne Kugel vor seinem Schritt. Ansonsten war er splitternackt bis auf seinen Keuschheitsgürtel. Die eiserne Zuchthose war nichts Ungewöhnliches bei Männern, aber die Kugel hatte die eine der Damen noch nie gesehen: „Was soll das bedeuten?“, fragte sie verwundert. Ihre Freundin schmunzelte. „Der trägt unter seiner Keuschheitsschelle einen Ring um seine…“ Sie kicherte verschämt und zeigte mit Daumen und Zeigefinger einen Kreis. Dann erläuterte sie: „Solche Kugeln wiegen zwischen 14 und 24 Pfund und sind mit einer kurzen Kette mit dem Ring verbunden. Der Sklave muss sie ständig mit sich herumtragen. Das wird oft als Strafmaßnahme für mangelhafte Männlichkeit eingesetzt. Offenbar…“, wieder kicherte sie, „hat der Sklave dort seinen Stab nicht gut genug geführt.“

Sie erinnerte sich an eine kürzliche Begegnung. „Ich habe vergangene Woche hier über die Promenade einen Sklaven gehen sehen, der die Kugel hat baumeln lassen!“ „Was? Wirklich? Warum das?“, wollte die Freundin interessiert wissen und verzog das Gesicht bei der Vorstellung, wie sehr das schwere Eisen die Männlichkeit nach unten gezogen haben musste. „Na ja, er hatte keine Wahl“, antwortete die andere Dame. „Er trug außerdem eine Halsgeige.“

Als die Damen auf dem Rückweg in ihre Villen am Marktplatz vorbeischlenderten, sahen sie schon von weitem den Pranger. Der Verurteilte balancierte immer noch den schweren Wasserbecher, der mittlerweile deutlich zitterte. Die eine Edeldame meinte: „Drollig! Dass ihm den noch niemand hinab gestoßen hat, wundert mich.“ „Ja“, antwortete ihre Bekannte. „Warte, ich habe eine Idee.“ Sie pfiff den Schanksklaven heran und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Als sie ihm eine weitere Kupfermünze hinwarf, hob er sie eilig auf und bedankte sich mit zahlreichen Verbeugungen. Dann lief er zu dem Pranger. „Was hast du ihm gesagt?“, wollte ihre Freundin wissen und richtete die Goldketten um ihren Hals, die sich verdreht hatten. „Warte ab“, antwortete die Dame.

Der Schanksklave hob den Becher vom Kopf des Verurteilten, der ihm irgendetwas zurief, was die Frauen bis zu ihnen nicht verstehen konnte. Vermutlich bettelte er ihn an, ihm zu trinken zu geben. Dann setzte sich der Jüngling im Schneidersitz vor den fixierten Mann und leerte den Becher mit gierigen, großen Schlucken schmatzend aus. Der Kopf des Büßenden wackelte hin und her. Irgendwelche heiseren Laute, die der Verzweifelte von sich gab, waren bis zu den Damen kaum zu hören.

Als der Schanksklave wieder gegangen war, erschienen die Damen bei dem im Pranger Stehenden. „Wo ist mein Becher?“, fragte die eine den Mann scheinheilig. Der Verurteilte krächzte irgendwas Unverständliches. Es könnte „Dieb“ geheißen haben. Die Lady machte eine hilflose Geste. Wie sollte sie ihm zu trinken geben, wenn kein Wasser da war? Die Damen gingen frotzelnd weg und ließen den Verurteilten allein. „Heute Nacht wird er seinen Durst stillen können“, wusste die Lady. „Zumindest erzählt man es sich. In der Nähe soll eine Dame mit eine sehr bizarren Vorliebe wohnen. Aber womit sie seine Kehle befeuchten wird, wollte man mir selbst hinter vorgehaltener Hand nicht sagen.“ Die Freundin meinte: „Wenn er morgen noch hier ist, spielen wir ihm einen lustigen Streich.“
Sie grinste breit. „Ich bringe ein wenig Honig mit…“

In der Ebene erbebte die Erde. Famas Armee rückte immer näher an die Hauptstadt Megarias heran. Irgendwo innerhalb dieses Molochs von Truppen marschierte ein Kampfsklave namens Boreas. Seine muskulösen Hinterbacken waren noch gezeichnet von einer harten Züchtigung. Doch ihn unterschied noch etwas anderes von den Kriegern in seiner Einheit: Des Nachts wurde sein Keuschheitsgürtel geöffnet. Eine Soldatin namens Maia hatte sich in den Mann verguckt. Dass sie wahrhaftig ihr Herz an ihn verloren hatte, bezweifelte sie jedoch, obwohl wohlige Schauder über ihre Haut liefen, wenn sie von ihm berührt wurde. Aber ihr Feuer brannte nur für eine Person: ihre Führerin Fama.

Wieder neigte sich ein heißer Tag dem Ende zu. Die Oberbefehlshaberin Fama entschied auf einem Feld zu lagern. Eine Pflanzung wurde von den gewaltigen Truppen niedergetrampelt. Die Bäuerin, die dadurch ihre Ernte verlieren würde, erhielt von der Rebellin eine großzügige Entschädigung in Form von einer Kiste blinkender Goldmünzen. Die Feldsklaven der Bäuerin sahen fassungslos zu, wie die gewaltige Armee alles Getreide niederwalzte, für das sie so endlose Stunden geschuftet hatten. Wenigstens würde ihre Herrin ihnen weiterhin Kost und Logis geben können. Wäre die Grundbesitzerin nicht entschädigt worden, hätte sie die meisten Sklaven verkaufen müssen. Und wer wusste schon, wo sie dann hingekommen wären?

Den Männern ging es bei ihrer Herrin recht gut. Sie hatten schon von ganz anderen Besitzerinnen gehört. Ihre Herrin trieb sie nur selten mit der Peitsche an, gab ihnen genug zu essen und zu trinken und gönnte ihnen eine Ruhestatt im Stroh. Züchtigungen mit dem Stock kamen nur vor, wenn die Herrin schlecht gelaunt war, aber das war die Ausnahme. Doch all das durfte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Soldatinnen der Fama des Nachts ohne Wissen der Bäuerin in den Stall eindrangen und sich die hübschesten Feldsklaven griffen und im Stroh ihrer Lust frönten.

Die Männer mussten sich nackt in einer Reihe aufstellen und wurden begutachtet. Da die Bäuerin auf Keuschheitsgürtel verzichtete, standen die Sklaven mit harten Luststäben vor den Soldatinnen, die spöttelnd über Form und Größe der Männlichkeit ihre Späße trieben und mit Stöcken oder sogar der breiten Seite ihrer Schwerter gegen das Gemächt tippten und gespannt auf die Reaktion waren. In dieser Nacht blieben viele der Männer mit hartem und hungrigem Stab und mit voll nasser Weiblichkeit verschmiertem Antlitz zurück. Beschämt. Geil. Verwirrt.

Sie hatten gewusst, dass Mann und Frau sich vereinen, doch nicht, dass die Lust auf diese Weise gesättigt werden konnte – zumindest für die Weiber. Verlegen zogen sich die Sklaven in dunkle Nischen des Stalls zurück, als die Soldatinnen von dannen gezogen waren, und befriedigten ihr Verlangen wie gewohnt mit der Hand. Nur einer der Sklaven musste auf das Vergnügen verzichten und gegen die Verlockungen seines sündigen Fleisches ankämpfen: Seine Männlichkeit war von einer Soldatin zur Belustigung mit Brennnesseln eingerieben worden, und wenn er versuchte, seinen Stab zu greifen, verstärkte sich das Feuer auf der Haut auf unerträgliche Maße.

116. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 07.12.20 20:16

Neben mehreren Lagerfeuern erhellten auch zwei Fackeln mit stiebenden Flammen am größten Zelt des Lagers die Dunkelheit auf dem Feld. Im Innern beratschlagte Fama sich mit ihren Kriegerinnen - Duxas, die sich nach der erfolgreichen Machtübernahme in der Hauptstadt eine Beförderung in den Senat erhofften. „Megara wird längst Kunde von unserem Kommen haben“, sprach Fama. „Wir werden auf starke Befestigungsanlagen stoßen. Welche Kriegsmaschinen können wir in wenigen Tagen bauen?“ Eine Duxa zählte auf: „Belagerungstürme, Katapulte, Großzwillen, Felsschleudern, Armbrüste, Rammböcke…“

Der Nachteil war, dass die Waffenherstellung sehr viel Holz benötigte; allerdings waren Wälder in der Nähe der Hauptstadt eher rar. Das bedeutete viel zusätzliche Schlepperei für die Kampfsklaven. Die Zwickmühle war, dass geschwächte Krieger auch schlechter kämpften. Das war der Preis, den sie zu zahlen hatten.

Am nächsten Morgen begannen die Rodungsarbeiten in einem nahen Wald. Und auch in den nächsten Tagen würde die Ostarmee nicht weiterziehen, so dass die Feldsklaven nun nach jedem Sonnenuntergang weitere Besuche von Soldatinnen erwarteten. Dabei hatten sie zwiespältige Gefühle. Zum einen war es zauberhaft, ein nacktes Weib genießen zu dürfen, doch waren die meisten Soldatinnen sehr dominante Weiber, die grob und ohne Rücksicht mit den Sklaven umgingen. Trotzdem genossen es einige der Arbeiter; andere fürchteten die Rückkehr der Kriegsweiber und zitterten, wenn sie Schritte in der Nacht hörten…

Viele Meilen weiter westlich bereitete sich Megara auf den Angriff des abtrünnigen Ostens vor. Es wurden breite Gräben gezogen, Fallen und Mauern gebaut. Die Waffenschmieden der Hauptstadt hatten Hochkonjunktur. Hunderte Sklaven waren täglich damit beschäftigt Pfeile für Langbögen zu schnitzen. Andere schufteten, getrieben von klatschenden Peitschen, in der prallen Sonne, um die Bollwerke zu erschaffen, die vor dem Feind schützen sollten. Megara beriet sich mit ihren Senatorinnen Kerbera und Alekto, ohne zu wissen, dass diese ihr sofort in den Rücken fallen würden. Schräg hinter den Damen standen Sklaven mit großen Palmwedeln, die ihnen frische Luft zufächelten.

Nach der Unterredung zog sich die Tyrannin in ihre privaten Gemächer zurück, um sich zu entspannen. Dass Fama es wagte, aufzubegehren, regte Megara immer noch auf. Sie würde ihre Wut an einem Prügelsklaven kühlen, und anschließend einige schöne, entspannende Stunden in ihrem Liebesharem verbringen. Sie betrat einen Raum, dessen steinerne Wände über und über mit Peitschen und unterschiedlichen Schlaginstrumenten bedeckt waren. Einige der Züchtigungsmittel hatte sie sogar selbst entworfen und anfertigen lassen. Eine von diesen „Kreationen“ nahm sie von einem Haken. Der Griff aus feinstem Leder lag angenehm und griffig in der Hand. Am Griffende funkelte ein großer schwarzer Onyx. Das gute Stück verjüngte sich zu fünf Lederriemen, die jeweils zwölf feine Knoten aufwiesen.

Megara liebte die Spuren auf der Haut von Sklaven, die dieses gefürchtete Instrument hinterließ. Es sah so wunderschön und zugleich kunstfertig aus. Fast zärtlich ließ sie die Streifen durch die Hand gleiten. Sie peitschte sie durch die Luft und genoss den scharfen Knall, den sie in dem hohen Raum erzeugten. Nun begab sie sich in den Nebenraum mit Gewölbedecke und rief einer Wächterin zu: „Bringt meinen Prügelsklaven.“ Die Uniformierte salutierte zackig und eilte davon.

Die Monarchin sah sich in der Bestrafungsstube um. Verschiedene Pranger, Kreuze, Liegen und Fesseln, Ketten und Seile waren am Boden, den Wänden und sogar an der Decke angebracht. Hier konnte sie Sklaven in allen erdenklichen Positionen züchtigen oder auf eine Streckbank binden. Kurz darauf kamen zwei kräftige Sklaven herein und brachten einen schmächtigen, nackten Jüngling hinein. In seinen großen Augen war die Furcht zu lesen. Megara lächelte. Sie wusste schon, was sie heute mit ihm anstellen würde. Und sie liebte es dabei, den Sklaven nicht knebeln zu lassen, um seine Schreie und sein Gebettel uneingeschränkt zu genießen. Er hatte eine so schöne Stimme…

Eine Stunde später besuchte sie im Palasthof ihre Majordoma, die gerade eine neue Sklavenladung annahm: 52 Männer, die in der alten Mine unter der Resident ihr restliches Leben in Hitze, Staub und Dunkelheit schuften sollten. Schon jetzt trugen sie Arm-, Fuß- und Halseisen, die sie wohl nie wieder ablegen würden. Der Ordnung halber erhielten sie alle ein Brandzeichen mit Megaras Herrschaftswappen auf den Hintern. Die Kennzeichnungen erledigten gewöhnlich zwei Soldatinnen, doch heute wollte die Despotin persönlich die Brandzeichen verteilen. Die Behandlung ihres Prügelsklaven hatte sie zwar abreagiert, doch irgendwie war sie dadurch erregt worden. Bevor sie sich im Harem vergnügte, stand ihr der Sinn noch nach ein paar Brandeisen, rotglühendes Zischen auf runden Hinterbacken...

Die neuen Sklaven wurden dazu der Reihe nach über einen Holzblock gelegt. Ihre Füße und Arme fixierten am Boden starke Eisenringe. Zusätzlich erhielten sie einen engen Eisenring um ihr Gemächt, der ihre Hüfte an Ort und Stelle hielt. Megara verlangte nach einem großen Spiegel, den die Wachen vor dem Gesicht des Sklaven aufstellen sollten, damit die Herrscherin ihrem Gezeichneten ins Antlitz schauen konnte, während er das glühende Eisen von ihr empfing. Kurz darauf begannen die Schreie. Eine Soldatin kicherte nervös, andere schmunzelten. Megara spürte ein wohliges Kribbeln auf ihrem Leib.

Nach 25 Exemplaren musste die Tyrannin abbrechen und den eisernen Stempel weitergeben. Sie war inzwischen so scharf geworden, dass sie vielleicht sogar gleich mehrere ihrer Jünglinge im Harem aus ihren Keuschheitsgürteln befreien würde. Ein Mann würde ihr nicht genügen. Sie beglückwünschte sich selbst zu ihrer reichen Weiblichkeit und die Liebessklaven zu ihrem Glückstag. Doch es würde umso frustrierender für die werden, die versperrt blieben und dem Geschehen hilflos zusehen mussten. Megara eilte in Richtung Harem. Sie hastete so schnell, wie sie schon lange nicht mehr gelaufen war…

In weit entfernten Gefilden: Der ehemalige Pferdeknecht Zelos, der lange Zeit im Keuschheitsgürtel verbracht hatte, weil er gegen Leda gemeutert hatte, war endlich frei!Ajax trug nun stattdessen sein grausames Kleidungsstück. Zelos konnte sein Glück immer noch nicht fassen. Frei! Er konnte seiner Lust frönen wie er wollte! Und Ate und Nike hatten es auf ihn abgesehen. Doch der Mann bemühte sich umsonst um eine Annäherung an die holde Weiblichkeit. Die beiden Soldatinnen schienen ihr Interesse an ihm gänzlich verloren zu haben.

Wie konnte das sein? Jetzt, da er keinen Keuschheitsgürtel mehr trug, müssten sie sich doch um ihn balgen! Enttäuscht verschwand er im Unterholz und griff nach seiner ausgehungerten Männlichkeit. Seine Finger bewegten sich ganz von allein schnell über sein gieriges Fleisch. Welch prächtiges Gefühl nach dieser langen Abstinenz! Zelos stöhnte und bearbeitete seinen Luststab weiter. „Was machst du denn da?“, kicherte jäh eine helle Stimme hinter ihm. Erschrocken fuhr Zelos zusammen und raffte sich so schnell er konnte die Beinkleider nach oben und gürtete sie zu. „Ich wollte meine Blase erleichtern“, sagte er nicht sehr überzeugend. Nike stand hinter ihm, vielleicht zwei Schritt entfernt. „Ach? Das sah aber anders aus.“ Zelos runzelte die Stirn. „Das geht dich gar nichts an. Ich kann tun, was ich will!“

Sie trat auf ihn zu und streichelte sanft über seine Brust. Sofort war sein Ärger verweht. „Und was willst du?“, fragte sie lieblich, strich ihm über seinen Bauch und kam ihm immer näher. Er spürte ein Kribbeln auf der Haut. Zu seinem Schrecken packte Nike sein steifes Schwert. „Die Erleichterung scheint dich sehr zu erregen“, sagte sie unschuldig. Zelos hielt nun nichts mehr zurück. Er roch das duftende Haar der Soldatin, er packte sie, drehte sie halb und küsste sie voller Leidenschaft. Nike, die noch ein paar Äste Brennholz unter einem Arm getragen hatte, ließ alles fallen und widmete sich dem Stallburschen. Bald schon wälzten sie sich über den Blätterboden des Wäldchens und liebten sich inbrünstig.

Leda beriet sich derweil mit Thrym, Hagbard und dem Medikus. Schon morgen bei Sonnenaufgang sollte die beschwerliche Reise nach Norden beginnen. Sie mussten den „Zauberballon“ finden, um mit ihm über den großen Ozean zurück auf den Alten Kontinent zu gelangen. Die ehemalige Königin konnte es im Exil nicht ertragen. Sie würde gegen Megara kämpfen - auch, wenn es ein aussichtsloser Krieg sein würde. Auch, wenn allein die Rückreise zu dem Ballon mit vielen Gefahren und Entbehrungen verbunden war. Auch, wenn die Reise über das Große Wasser ein tödliches Wagnis darstellte. Aber sie würde es nicht unversucht lassen.

In der weit entfernten Metropole des Ostterritoriums von Megara herrschte Helena als kommissarische Statthalterin. Die ursprüngliche Herrin der Region, Fama, war auf Kriegszug nach Westen, um gegen Megara zu putschen. Die verwöhnten Töchter der Fama hatten einen empfindlichen Dämpfer von ihrer Mutter erhalten und waren in eiserne Keuschheitsgürtel gesteckt worden. Doch hatten sie einen Weg gefunden, um der grausamen Unschuld zumindest zeitlich zu entkommen. Gerra, die Hofschmiedin, durfte ihrer Liaison mit Famas Liebessklaven Amatio frönen; dafür erhielten Vesta und Aurora regelmäßige Aufschlüsse, um sich ebenfalls der sündigen Lust zu widmen.

Am heutigen Tage war Gerra mit Amatio in ihrer Schmiede ganz allein. Angeblich benötigte der Liebessklave ein neues Halsband. An der Esse brannte jedoch kein Feuer. Dafür glühte die Leidenschaft zwischen den beiden umso heißer. Doch niemand außer ihnen bekam etwas von der lodernden Lust mit.

Die zierliche Vesta schritt ungeduldig in ihrem Gemach umher und spielte mit einem goldenen Ring an ihrem Ringfinger, den ein großer Saphir, blau wie der Ozean, zierte. Solange Gerra und Amatio fort waren, blieb sie im Keuschheitsgürtel eingesperrt, während ihre Schwester es mit den Jünglingen treiben konnte: Leibeigene, die im Lustgarten arbeiteten, dem Küchenjüngling, Putzsklaven und mit wem auch immer sie wollte. Und Aurora nutzte die Zeit in der Tat aus. Doch sie wollte heute etwas neues, besonderes, etwas, was sie in dieser Art noch nie erlebt hatte.

Sie überlegte angestrengt. Sollte sie sich einen Kampfsklaven holen lassen? So ein kräftiger, muskulöser, großer Mann. Sie hatte schon oft gesehen, dass damit nicht immer auch ein gewaltigerer Freudenstab einherging. Doch manche Exemplare, die für den Krieg auserkoren waren, hätten auch gut als Liebessklaven dienen können. Aurora schlenderte aus dem Palast. Ihr kleiner Sonnenschirm schützte sie vor der prallen Sonne, die erbarmungslos vom wolkenlosen Himmel stach. Sie hatte den Seidenschirm mit dem kunstfertig beschnitzten Elfenbeinstock mitgenommen, obwohl sie noch einen Federhut trug. Die Palastwache salutierte, als sie die Tochter der Statthalterin erkannte.

Aurora spazierte weiter bis über den Markt. Obwohl in Megaria niemals eine Lady von einem männlichen Wesen bedrängt würde, folgte ihr, ohne dass sie es bemerkte, eine Wächterin, die ohne Uniform inkognito in gewissem Abstand folgte. Immerhin war Aurora eine Tochter der Fama. Wenn der jungen Dame etwas geschah, würde die Palastwache einen Kopf kürzer gemacht. Aurora ahnte nichts von ihrem Schatten und schlenderte fröhlich durch die Straßen der Metropole. Lüstern sah sie auf die sich bückenden Putzsklaven, die die Pflaster reinigten. Muskulöse und schlanke Männer, die sehr schön anzusehen waren. Die Sonne ließ ihre Haut glänzen, als wären sie in Öl eingerieben.

Ein Sklave fiel ihr besonders auf. Der flachsblonde Jüngling war in ihrem Alter und trug nur einen Lendenschurz. Er schnitt gerade einige Pflanzen am Straßenrand zurecht, als Aurora vorbei schritt und demonstrativ ein Seidentüchlein fallen ließ. Sofort wollte der Sklave herbei springen und das edle Spitzentuch aufheben, doch dann fielen ihm seine schmutzigen Finger ein. Was sollte er tun? Er war in einer Zwickmühle. Würde er es aufheben, würde er vielleicht wegen Aufdringlichkeit gezüchtigt und beschmutzte womöglich noch das Tuch der feinen Dame. Würde er es ignorieren, würde die junge Lady ihn wegen Unverschämtheit züchtigen dürfen.

Glücklicherweise verfügte der Sklave noch über ein sauberes Leinentuch, das er sich über die Finger streifte, mit dem er dann geschwind die Seidenstickerei aufhob und sie der Edeldame auf Knien reichte. Sein Kopf war demütig zu Boden gesenkt, wie es sich für einen Sklaven einer Dame gegenüber gehörte. „Oh, wie aufmerksam“, lobte Aurora den Sklaven mit gekünstelter Stimme. „Leider habe ich nichts dabei, um es dir zu danken.“ „Eurer Lob ist mehr Dank, als ich verdiene“, sagte der Sklave bescheiden. Aurora kicherte glucksend. Sie gab dem Jüngling das Seidentüchlein zurück und sagte: „Komm in einer Stunde zur Residenz der Statthalterin. Dieses Tuch wird dir alle Tore öffnen. Frage nach Aurora.“

Die junge Lady stolzierte weiter und ließ den verwirrten Jüngling zurück, der den Seidenstoff nur mit seinen Fingerspitzen hielt, um es nicht zu beschmutzen. Er starrte dem Edelfräulein nach bis ihm einfiel, dass dies ungehörig war, und ruckartig wendete er sich ab und setzte seine Arbeit fort. Die ungewöhnliche Gabe duftete herrlich nach einem exotischen Gewürz. Der Sklave steckte sie in seinen Lendenschurz und spürte ein wohliges Kribbeln. Er wusste aus Erzählungen, wie ein Mann seine Lust ergießen konnte, doch hatte man ihm diese Möglichkeit seit seiner Mannswerdung vor einem Jahr durch einen Keuschheitsgürtel versagt. Megaras Gesetze für Straßensklaven waren hart. Er würde wohl niemals in den Genuss kommen, seiner Lust zu frönen.

Doch mit dem Unabänderlichen hatte er sich fast abgefunden, auch wenn es ihn oftmals in seinem Schoß juckte – besonders, wenn junge Damen in seiner Nähe vorbeispazierten. Er erinnerte sich noch gut daran, wie vor zwei Tagen eine ganze Gruppe Edelfräuleins laut gerufen und ihn geneckt hatte. Er hatte nicht genau verstanden, was sie gemeint hatten, aber es muss wohl mit seiner erzwungenen Abstinenz zu tun gehabt haben. Aber jetzt hatte er andere Gedanken im Kopf.

Aurora! - Wie eine Fee hatte sie ausgesehen. So wunderschön und zart. In ihrem prächtigen Kleid wirkt sie wie eine Königin, dachte der Sklave. Was ihn wohl in der Residenz erwartete? Vielleicht erhielt er ein Stück altes Brot? Oder gar eine Kupfermünze? Oder einen Becher Wein? Der Sklave rümpfte seine Nase über seine fragwürdigen Vorstellungen. Wie dumm von ihm! Als ob ein Straßensklave jemals Wein trinken dürfe! Er musste zufrieden sein, genug Wasser zu haben, um keinen Durst zu leiden.

Nervös beeilte er sich mit seinen Pflastersteinen. Bis zum Sonnenuntergang musste die gesamte Seite vor dem Dattelbeet gesäubert sein, sonst würde die Soldatin von der Stadtwache ihn wieder mit dem Rohrstock schlagen – und das vor den Augen der gesamten Jungsklavenschaft. Hoffentlich konnte er die Zeit im Palast wieder einholen. Rechtzeitig machte sich der Jüngling auf den Weg zur Residenz und wurde schon unterwegs von verschiedenen Damen und auch anderen Sklaven merkwürdig angesehen. Freilaufende Leibeigene, die keiner Arbeit nachgingen… das war verdächtig.

Am pompösen Eingang zur Residenz standen zwei autoritäre Palastwachen in ihren edlen Uniformen. Wie sollte sich der Besucher ihnen gegenüber verhalten? Er zückte das Seidentüchlein und kam zögerlich und unsicher näher zu den bewaffneten Frauen. Die Wachen senkten ihre Lanzen und zielten mit den Spitzen der Klingen auf den Jüngling. „Was willst du hier? Verschwinde, oder wir machen dir Beine!“ Der Jüngling schluckte nervös und zeigte das Seidentuch. „Ich… Ich wurde bestellt…“ Eine der Wächterinnen fragte barsch: „Ach ja? Und wo sollst du hin? In den Hofgarten? Oder in die Küche? Wer hat dich bestellt? Nenne den Namen!“ Der Sklave schlotterte vor Angst. Er stammelte: „Au…ro….ra.“

Die Frauen sahen sich an und brachen jählings in Gelächter aus. „Du meinst die Tochter der Fama? Sie soll dich erbärmlichen Wurm angesprochen haben? Woher willst du sie denn kennen?“ Der Jüngling wusste nicht, was er sagen sollte. Es war keine gute Idee gewesen, hierher zu kommen. Doch jäh erschien aus dem Palast eine Soldatin, die rief: „Lasst ihn durch, wenn er ein Seidentuch hat.“ Die Wächterinnen sahen sich verdutzt an, dann winkten sie den jungen Sklaven mürrisch durch. Die eine Frau versetzte ihm mit dem Lanzenstock einen Schlag auf eine Pobacke, die andere Wächterin piekste sogar nach dem Sklavenfleisch. Der Jüngling quiekte auf und beeilte sich, zu der Soldatin an der Nebentür zu hasten, die ihm Einlass gewährt hatte.

Es war Auroras „Schatten“, der von der Vereinbarung des jungen Fräuleins wusste. Die Soldatin würde Fama nichts davon erzählen, doch erhoffte sie sich für den diskreten Dienst von Aurora die eine oder andere Gunst in kommenden Zeiten. Der Sklave folgte der armierten Frau durch einen kühlen Gang. Er hatte Schwierigkeiten, dem strammen Schritt der Stiefel mitzuhalten. Der Jüngling kam aus dem Staunen nicht mehr hinaus. So viel Pracht und Schönheit an einem Ort! Unvorstellbar! Dabei befand er sich erst im Dienstbotenflügel. Doch alles glänzte und zeugte von Prunk und Größe.

Die Soldatin führte den jungen Mann immer weiter und betrat dann die herrschaftlichen Gänge, die unter anderem zu Auroras Gemach führten. Zwei weitere Wächterinnen ließen sie passieren. Der Jüngling hielt den Atem an, als seine Füße plötzlich nicht mehr über den Marmor sondern über kostbaren Teppich traten. Gleichzeitig schlug sein Herz ihm bis zum Hals. Wenn seine Füße dreckig waren… Er würde zur Strafe in einen Kerker gestoßen und würde nie wieder die Sonne sehen. Endlich erreichten sie einen Korridor, an dessen Wänden kostbare Ölgemälde und Seidenteppiche hingen. Die Soldatin klopfte an einer prächtigen Tür mit feinen Schnitzereien und Blattgold. „Herein“; rief eine helle Stimme von innen. Die Soldatin öffnete und schickte den Leibeigenen mit einer Geste hinein. „Wertes Fräulein Aurora. Hier ist Besuch für Euch.“ Sie schloss die Tür hinter dem Jüngling wieder und begab sich auf ihren Posten.

Der Eingeschüchterte stand wie versteinert an der Tür und wusste gar nicht, wohin er zuerst blicken sollte: auf die wunderhübsche junge Dame in ihrem edlen plissierten Zwirn oder die luxuriösen Möbel, Wandteppiche, das Himmelbett, das silberne Geschirr, die große, volle Obstschale… „Hast du mir was mitgebracht?“, fragte Aurora amüsiert. Der Jüngling streckte ihr das Seidentuch hin. Einen Augenblick später bemerkte er, was für einen Fauxpas er begangen hatte. Blitzartig ließ er sich auf die Knie fallen und senkte den Blick. Aurora nahm das Tuch kichernd an sich und fragte: „Wie ist dein Name?“ Der Sklave antwortete: „Meine Herrin hat mich Catulus genannt.“ Aurora kicherte kapriziös. „Bedeutet das nicht: junger Hund?“ Catulus nickte etwas betreten.

Das Edelfräulein setzte sich auf ihr Himmelbett und sank tief in die bauchigen Kissen aus Seide ein. „Du bist schmutzig“, stellte Aurora angeekelt fest. Der junge Mann erschrak. Jetzt würde er doch noch bestraft werden. Aber die Tochter der Statthalterin zeigte nur auf eine Kanne mit Wasser und eine große Schüssel. „Wasch dich dort.“ Catulus gehorchte. Was für ein wunderbares Gefühl war es, mal wieder sauber zu sein. Klares Wasser benutzte er sonst nie zum Waschen. Es war viel zu kostbar. Als er seinen Leib gereinigt hatte, wandte er sich wieder seiner entzückenden Gastgeberin zu. Aurora zeigte auf seinen Lendenschurz: „Und da willst du dich nicht waschen? Nimm ihn ab und säubere dich!“ Der junge Mann bekam einen roten Kopf. Er sollte sich vor dem edlen Fräulein völlig entblößen?


117. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 19.12.20 13:15

Aber er musste gehorchen! Er gurtete seinen Lendenschurz ab und ließ weiteres Wasser über seinen Keuschheitsgürtel fließen. Aurora zuckte verblüfft. Sie starrte ihren Besuch an. „Du trägst… einen Keuschheitsgürtel?“ Nun schauderte der Jüngling. Die Frage hörte sich an wie ein Vorwurf. Aurora ließ ihren Oberkörper nach hinten aufs Bett fallen, warf die Arme über den Kopf und seufzte verspielt. Warum hatte sie es nicht bemerkt? Und warum hatte sie nicht daran gedacht? Viele Sklaven trugen Keuschheitsgürtel. Wie konnte sie so naiv sein!? Was sollte sie mit dem Jüngling? Die Zeit, um sich Ersatz in der Stadt zu besorgen, war verronnen. Bald würde Gerra zurück sein und den Schlüssel fordern. Dann würde das liebe Schwesterlein Vesta wieder frei sein.

Aurora merkte, wie sich in ihr die Wut steigerte wie eine sich in den Himmel auftürmende schwarze Rauchsäule. Warum hat dieser tölpelhafte Schnösel ihr nicht rechtzeitig bekannt, dass er einen Keuschheitsgürtel trug!? Da fiel ihr ein: Sie könnte seine Zunge lieben… „Komm näher!“, befahl sie Catulus und raffte ihr Kleid ein wenig nach oben. Knie dich da hin!“, befahl sie und zeigte ans Fußende des Bettes. Während Vesta noch in ihrem Keuschheitsgürtel schmorte, vergnügte sich Aurora nun mit dem Gesicht des Jünglings auf sündige Weise, doch Schamesröte blieb ihrem Antlitz fremd. Dagegen glänzten ihre Augen vor Entzückung.

Die Schmiedin Gerra kehrte mit ihrem Liebhaber Amatio zurück in die Residenz. Kurz darauf klopfte sie bei Aurora an. Ohne abzuwarten, trat Gerra ein. Sie sah, wie Aurora ruckartig vom Bett sprang. Ein Jungsklave lag nackt bis auf seine Keuschheitsschelle auf dem Himmelbett und zog schnell die Beine an, um seine Scham zu bedecken. Trotzdem war ihm die Situation unaussprechlich peinlich. Wer war die Frau, die hereingekommen war? Womöglich die Statthalterin? Doch die würde keine bronzene Gürtelschließe tragen, fiel ihm auf. Oder eine Gouvernante? Würde jetzt sein Albtraum wahr werden? Würde er gezüchtigt und in einen Kerker geworfen?

Doch Gerra grinste nur wissend und warf Aurora einen Schlüssel zu. „Du weißt, was du zu tun hast.“ Aurora stand auf und zog Gerra mit sich auf den Gang. „Bist du von Sinnen, mich vor einem Sklaven so bloßzustellen!? Wenn unser kleines Abkommen nicht wäre… Ich würde dafür sorgen, dass du selbst in einen Keuschheitsgürtel gesteckt wirst. Und in einem Standpranger den Kriegssklaven zu Gefallen bereit…“ Gerra unterbrach sie wenig beeindruckt und dafür umso herrischer. „Göre! Schließ endlich dein eisernes Höschen zu!“ Aurora schnaubte laut. Aber sie gehorchte. Zitternd vor schlecht unterdrücktem Zorn gab sie den Schlüssel zurück. „Eines Tages wirst du für deine unverschämte Zunge büßen!“

Gerra ging gleichgültig zu Vestas Gemach, um sie aufzuschließen. Dann verließ sie den Palast. Amatio winkte seiner Geliebten von einem Turmerker hinterher und warf ihr Küsse zu. Aurora war in ihre Bettstatt zurückgekehrt und brüskierte den jungen Mann: „Ich habe genug von dir! Verschwinde aus dem Palast, bevor ich dich zu meiner Magd machen lasse!“ Catulus wollte gerade den Lendenschurz umbinden, als Vesta in den Raum stürmte. „Endlich…“, begann sie und verstummte. „Wer ist denn das?“ Der Jungsklave kniete augenblicklich nieder und senkte sein Haupt. „Das ist Catulus. Nimm ihn mit, wenn du Gefallen an ihm findest“, meinte Aurora gönnerhaft.

Vesta zog den Jüngling mit lüsternen Blicken aus. „Catulus heißt du also… Na, dann komm mal mit.“ Der Leibeigene folgte gehorsam und schlich schüchtern hinter dem Fräulein her, die der anderen Lady in Schönheit in Nichts nachstand. Als Catulus auch in Vestas Gemach überwältigenden Luxus und Prunk sah, kam er aus dem Staunen nicht mehr heraus. „Zieh dich aus!“, forderte Vesta barsch. Der Jüngling erschrak. Wollte diese Lady etwa auch, dass er mit seiner Zunge ihre Weiblichkeit streichelte? Catulus musste zugeben, dass es ihm sehr gefiel. Aber die Lust, die es bei ihm erweckte, schmerzte in dem engen Eisenkerker seiner Männlichkeit. Und obwohl er an den Befehlston gewohnt war, so fühlte er sich doch in diesem Zusammenhang erniedrigt.

Wenn Catulus gewusst hätte, wie demütigend sein Abschied aus der Residenz werden würde, so hätte er den Dienst an dem Fräulein nicht vorschnell als entwürdigend und entehrend empfunden. Als Vesta vor Leidenschaft und Erregung schrie, fühlte sich der Jüngling wie vor den Kopf geschlagen. Hatte er etwas falsch gemacht? Doch die Dame befahl drängend: „Leck weiter, du Narr!“

Wenige Minuten später tat sie so, als sei nichts gewesen, zupfte sich die Röcke gerade und fragte: „Hast du Hunger?“ Catulus nickte eifrig. „Ja, edle Dame. Sehr. Aber ich muss auch bald zurück an meine Arbeit.“ Vesta winkte arrogant ab: „Das hat Zeit. Komm mit.“ Sie führte den Jungsklaven durch mehrere Gänge mit vertäfelten Wänden und zierlichen Marmorsäulen. An einigen Türen standen Wächterinnen, die zackig salutierten, als die Tochter der Statthalterin mit dem Sklaven vorbeilief. Ihr Weg führte sie in ein Kellergewölbe des Palastes. Hier war es längst nicht mehr so edel und prachtvoll. Nackter Stein an den Wänden in Form großer Quader und raues Pflaster auf dem Boden wirkten auf Catulus bedrohlich. Bald hörte der Jungsklave lautes Gehämmer von Metall auf Metall. Kamen sie in eine Schmiede?

Tatsächlich hatte Vesta den Leibeigenen zur Waffenschmiede der Residenz geführt. Größere Aufträge erledigte zwar die Zunftmeisterin Gerra außerhalb des Palastes in deren eigenen Schmiede mit mehreren Gehilfen, aber kleinere Arbeiten fertigte eine Schmiedin in der Residenz. Zu ihrer Unterstützung waren zwei Sklaven abgestellt. Einer von ihnen trat einen großen Blasebalg, der andere polierte eine Schwertklinge. Als Vesta die Werkstatt betrat, unterbrach die Schmiedin ihr Handwerk und verneigte sich vor der Tochter der Statthalterin Fama, und die Leibeigenen warfen sich zu Boden. „Edles Fräulein. Was führt Euch her?“ Vesta tuschelte mit der Schmiedin, die darauf ihre beiden Jungsklaven rief und ihnen leise Anweisungen gab.

Catulus war völlig überrumpelt, als er jäh von ihnen gepackt und über einen Amboss gedrückt wurde. Die Schmiedin riss ihm den Lendenschurz hinab. Dann nahm sie ein Brandeisen von der Wand, auf dem das Statthaltersiegel angebracht war. Aus einer Kiste mit Buchstaben ergänzte sie ein V und zeigte es Vesta. Das Edelfräulein nickte zufrieden. Sie stellte sich so, dass Catulus sie sah und sagte: „Dies soll dich stets an diesen Tag erinnern. Er soll dich mit Stolz erfüllen, denn nur sehr wenige Sklaven dürfen mir zu Gefallen sein.“ Catulus zappelte unter den Griffen der beiden jungen Männer, aber ihre tägliche Schmiedetätigkeit hatte ihre drahtigen Muskeln kräftig werden lassen.

Einige Momente später jaulte Catulus auf, als sich das glühende Eisen in seine Pobacke fraß. Anschließend wurde er zur Abkühlung in einen Bottich mit Wasser gedrückt. Vesta sah ihn von oben herab an und meinte abfällig: „Gebt ihm eine Schüssel Suppe und werft ihn dann hinaus.“ Als Catulus unter Schmerzen seine Arbeit auf der Straße wieder aufnahm, war es schon spät geworden. Er schuftete so schnell er konnte und verausgabte sich bis zur völligen Erschöpfung. Mit letzter Kraft konnte er sein Tagessoll erfüllen, bevor die Soldatin kam, um ihn abzuholen und seine Leistung zu begutachten. Er atmete auf, als die uniformierte Frau mürrisch nickte, wie sie es oft tat, wenn sie keinen Grund fand, um ihn zu tadeln. Doch dann bemerkte sie das frische Brandeisen auf seinem Hinterteil. „Was ist das? Woher hast du das?“ Catulus stöhnte. Wie sollte er sein Erlebnis erklären? Stammelnd erzählte er die ganze Wahrheit. Ob die Soldatin ihm glauben würde? Wenn sie meinte, er würde sie belügen, gäbe es eine weitere Züchtigung mit dem Rohrstock. Aber zu seiner Erleichterung nickte sie wieder nur verdrossen.

Aber dann brach für Catulus ein weiteres böses Ungemach über ihm ein. Die Soldatin murmelte in Gedanken, während sie über die Paspel ihrer Uniform strich: „Das kann so nicht bleiben! Du gehörst nicht der Statthalterin. Du bist Straßensklave der Stadtwache! Die hat ein eigenes Wappen. Wir werden das falsche Symbol entfernen müssen.“ Catulus presste seine Hände auf seine Pobacke und rief flehend: „Nein, bitte nicht!“ Doch die Uniformierte bestand darauf, dass er einen Beutel mit Kienspan holte, um das Kohlebecken anzufeuern.

Fama war zufrieden mit den Vorbereitungen. Gewaltige Kriegsgeräte hatten die Arbeiter gebaut und warteten nun nur wenige Meilen von der Hauptstadt Megarias entfernt auf den Angriffsbefehl ihrer Anführerin. Während sich vor den Toren der Stadt die putschende Armee auf die Eroberung der Hauptstadt und damit auch den Thronsturz der Megara vorbereitete, blieben die Bewohner noch ruhig. Zwar waren unübersehbar allenthalben Heereskräfte in Stellung gegangen, aber die Einwohner der Stadt genossen weiterhin das Leben, so lange sie als freie Menschen – also als Weiber – geboren waren.

Den Soldatinnen war im Gegensatz zu den zivilen Ladys eine gewisse Anspannung anzumerken. Sie waren bereit, um gegen die Rebellen in den Krieg zu ziehen, doch noch gab es keinen Angriffsbefehl der Herrscherin. Lediglich die Stadt und eine Demarkationslinie nördlich und südlich von ihr waren befestigt worden. Weiter nach Westen sollte Famas Verrätertruppe nicht vordringen können. Alle waren in Bereitschaft wie eine Stahlfeder, die zusammengedrückt nur darauf wartete, hervorzuschießen.

Die Warterei war nervtötend und zermürbend. Auf einem freien Feld im Westen der Stadt vergnügte sich eine Kompanie Soldatinnen mit „Sklavenweitwurf“. Unter König Talos II. war das traditionelle „Zwergenwerfen“ verboten worden. Doch mittlerweile gab es unter Megara eine abgewandelte Form des vergnüglichen Wettbewerbes. Jede Teilnehmerin wählte drei kleine und schmächtige Sklaven aus, die der Reihe nach auf Katapulte gesetzt wurden. Auf das Kommando der Schiedsrichterin durchschlug die Teilnehmerin dann ein Seil und schoss ihren Sklaven damit zwanzig oder sogar dreißig Schritt weit durch die Luft. Wer den weitesten Schuss hatte, gewann selbstverständlich.

Das singende Geräusch des durchschnittenen Seils und das Gepolter des Katapultarms wurden nur noch durch das kreischende oder kläglich heulende Gejammer der „Flugobjekte“ übertönt. Damit die Sklaven mehrfach zu verwenden waren, landeten sie nicht im harten Staub sondern in einem nahen Tümpel. Die buschigen Brennnesselwälder am Ufer rund um das kleine Gewässer waren bereits großteils platt getrampelt. Einige Männer, die schon drei oder vier Flüge hinter sich hatten, waren über und über mit dicken Quaddeln bedeckt. Außerdem wankten sie orientierungslos umher, weil sie durch das Schleudern in der Luft das Gleichgewicht verloren hatten. Wer zu lange benötigte, um zurück zum Katapult zu laufen, dem wurde daher durch Reiterinnen geholfen, die die Leibeigenen mit dem Lasso einfingen und zurückbrachten. Im Hintergrund war das Klatschen einer Peitsche zu hören: Ein Wurfsklave hatte versucht zu flüchten und erhielt seine verdiente Strafe auf das Hinterteil.

Zu dem drakonischen Ritual gehörte, dass der Delinquent sich nach jeweils zehn Hieben mit Fußküssen bedanken musste und um Gnade betteln durfte. Sein Risiko dabei war, dass die Herrin dann die ausstehenden Hiebe willkürlich neu festsetzen, also auch erhöhen konnte. Gerade wurde der Sklave abgebunden, denn er hatte 30 Schläge erhalten und küsste nun eifrig die Füße der Herrin. Ihre Kameradinnen lachten über die nackte Kreatur, die darauf um Gnade flehte. Die Herrin forderte den Mann auf, auch den staubigen Boden zu küssen. Hundert Mal sollte er dies tun und auf die Entscheidung der Soldatin warten. Als er seine demütigende und staubige Aufgabe erledigt hatte, erließ die Frau ihm die restlichen Hiebe gnädigerweise. Der Sklave war den Freudentränen nahe und unendlich erleichtert, denn sein Gesäß war schon recht zerschunden. Da gab die Soldatin die Peitsche ihrer Kameradin und sagte: „Dafür erhältst du von Penelope 30 weitere Schläge. Bitte sie um Erbarmen!“

Die bemitleidenswerte Kreatur robbte unterwürfig zu der Soldatin und flehte um Barmherzigkeit, doch der Mann wurde erneut an den Prügelbock gespannt. Die Soldatinnen murmelten anerkennend, als sie die tiefen Striemen sahen, die die Uniformierte auf dem Hintern des Sklaven hinterließ. „Nach deiner Strafe werden wir dich im See abkühlen“, kündigte die Frau an und zeigte auf das Katapult. Der Sklave ächzte entsetzt auf. Der See enthielt Salzwasser. Sein Hintern würde brennen wie Feuer! Die Soldatinnen kicherten bei der Vorstellung und dem greinenden Sklaven. Auch die Frau mit der langen Peitsche schmunzelte und hieb elegant aus der Hüfte mit ihrem Züchtigungsinstrument klatschend zu. Sie fühlte sich wie eine Künstlerin und knallte mit dem langen Lederriemen gekonnt durch die Luft, um das Ende wieder und wieder auf dem malträtierten Fleisch landen zu lassen.

Noch lange Zeit ergötzten sich die Armeefrauen bei Wein und Würfelspiel an den Wurfsklaven und einigen weiteren Züchtigungen. Eine der Soldatinnen hatte einem Sklaven befohlen wie ein Hund zu krabbeln und zu bellen. Auf einen kurzen Zuruf von ihr musste der Leibeigene zu einem Schweinchen wandeln. Die Frau spielte währenddessen mit drei Kameradinnen ein Würfelspiel und trank Wein, der in Kalebassen mitgeführt wurde. Zwischendurch rief sie dem Geschöpf zu: „Mähre!“ Dann sollte der Sklave zu einem Wurm werden. Es folgten Hase, Echse, Katze, Taube, Kuh, Ziege, Schaf, Fliege, Schlange, Affe und Hahn.

Das demütigende Spiel der Soldatin forderte von dem Darsteller viel Fantasie, denn war sie nicht mit seiner Vorstellung zufrieden, stand sie auf und trat so lange nach ihm mit ihren Stiefeln, bis er ihr genügte. Das Tierschauspiel sorgte für viel Heiterkeit bei den Damen, die sich belustigt zuprosteten und süffisant über den dummen Sklaven scherzten.

Vor den Toren der Stadt kettete eine Soldatin namens Maia einen Kriegssklaven ab und führte ihn abseits des Heerlagers. Niemand beachtete dies, denn es war üblich, dass sich die Uniformierten in ihrer freien Zeit mit Sklaven verlustierten. Boreas und Maia liebten sich zärtlich, was zu Verwunderung geführt hätte, wenn jemand sie beobachtet hätte; doch die Zwei hatten sich tief in einen dichten Tannenhain zurückgezogen und eine winzige Lichtung, die mit dickem Moos ein wunderbares Bett für ihr Liebesspiel bereitstellte, gefunden. Die Kriegerin streichelte sanft über die letzten sichtbaren Zeichen der grausamen Züchtigung seines Hinterteils. Nie wieder wollte sie Boreas mit der Peitsche strafen. Seinen Keuschheitsgürtel musste Boreas später wieder anlegen – damit niemand Verdacht schöpfte, wie sich Maia vormachte, doch war es in Wahrheit der Wunsch, Boreas Männlichkeit ganz alleine zu besitzen. Kein anderes Weib sollte sich an ihm vergreifen.

Am Lager, nicht unweit von ihnen entfernt, hatten einige Soldatinnen einen Kriegssklaven, der gestern kraftlos zusammengebrochen war, in einen kleinen Bambuskäfig gesteckt. Nun war er mit warmem Pech übergossen und danach befreit worden. Der nackte Sklave wankte blind umher und wurde nun mit Taubenfedern beworfen. Unter dem Gejohle und vergnüglichem Gebrüll der Frauen lief der Leibeigene orientierungslos umher und wurde hin und wieder von einer spitzen Pieke getrieben. Um die Angst des Sklaven noch zu steigern, hantierte der Mob bei seinem Gaudium mit Fackeln um ihn herum, deren lodernde Feuer durch die wilden Bewegungen scharf und gefährlich auffauchten.

Fama interessierte sich nicht für solche Belustigungen. Sollten die Kämpferinnen sich ruhig amüsieren, solange der Angriff nicht begonnen hatte. Sie arbeitete an den diversen Strategien, wie sie ihre Armee einsetzen sollte, um das gewaltige Bollwerk der Megara zu erobern. Neben ihr wedelte ein Leibeigener der Anführerin der Aufrührer mit einem großen Fächer frische Luft zu. Durstig sah er auf die Kanne mit dem frischen Wasser und den vollen Becher, den Fama achtlos abgestellt hatte, nachdem sie sich mit einem Tuch über den Mund gewischt hatte. Er hoffte, dass er bald abgelöst würde. Sein Gaumen und seine Lippen waren trocken, sein Rücken schmerzte vom langen Stehen, und auch seine Schultern und Arme brannten von der ständigen Bewegung mit dem Wedel. Er stand in seinem eigenen Schweiß.

Famas Erzfeindin Megara brütete just zu jener Stunde über den Plänen zur Verteidigung und Niederschlagung der Revolte. Sie hatte den Wurm Abas zu sich bringen und an seinen Füßen aufhängen lassen. Die Herrscherin selbst hatte eine dicke Kerze in den Hängenden gebohrt und angezündet. Nun lief das Wachs an ihm herab. „Wir verfügen über das größere Heer“, sagte die Senatorin Kerbera stolz und selbstbewusst. „Und haben die höchsten und dicksten Stadtmauern, die der Kontinent jemals gesehen hat. Die Aufwiegler werden die Stadt nicht erobern können. Im Gegenteil: Eure Armee wird die Abtrünnigen niederreiten. Macht Euch keine Sorgen.“ Megara knurrte. „Und bringt mir diese Fama unbedingt lebend!“ Sie gab Abas einen Schubs, der ihn schaukeln ließ. Ein Schwall flüssiges Wachs spritzte ihm auf Gesäß und Männlichkeit und ließ ihn leise janken. Langsam ließ der Fluch nach, der ihn zu einem Wurm verzaubert hatte. Abas konnte wieder verschiedene Laute von sich geben und sich trotz seiner Lage ungeschickt bewegen. Doch war ihm noch nicht bewusst, wer er eigentlich war.

Die Senatorin Alekto stellte Details des Planes vor: Teile von Megaras Armee sollten die Feinde von Norden und Süden an deren Flanken angreifen, vielleicht sogar komplett einkesseln. Alekto hielt einen scharfen Dolch in der Hand und schnitzte ihre Taktik anschaulich in die hölzerne Tischplatte. „Dann werden die Truppenteile aus der Stadt ausfallen und Fama und ihre lumpigen Verräter vernichten.“ In Gedanken fügte sie stumm hinzu: „Und im Kriegsgetümmel, wenn das Ostheer besiegt ist, werde ich mich zur neuen Königin ausrufen lassen und Megara persönlich mit diesem Dolch küssen…“

Die Tyrannin zeigte ein grausames Grinsen: „Sollte der Feind wahrhaftig in die Stadt einfallen können… So werden wir die Häuser brennen lassen!“ Alekto und Kerbera schauten ihre Herrscherin schockiert an. „Ihr wollt was?“, fragte Alekto. Megara rief schallend: „Brennen soll die Stadt! Wie Zunder! Macht aus ihr eine Feuerhölle! Damit wird der Zugang zum Palast erschwert! Oder glaubt Ihr, dass Fama durch loderne Flammen marschieren kann?“ Die Despotin genoss die Überraschung der Senatorinnen. „Die Reisigdächer und Holzschindeln werden lichterloh brennen!“ Die Senatorinnen sparten sich die Frage nach den Einwohnern der Stadt. Die waren der Monarchin offenbar völlig gleichgültig. „Soweit wird es nicht kommen“, behauptete Kerbera siegessicher. „Unsere Armee hat noch vor der Stadt einen gewaltigen Palisadenzaun mit angespitzten Reitersperren und Spießgruben aufgestellt. Schon dort wird Fama mit ihren Umstürzlern scheitern.“

Nur wenige Meilen entfernt stand der Feind mit einem gigantischen Heer von Kriegssklaven, Belagerungstürmen und Kriegsgeräten wie großen Katapulten und Rammen sowie Scharen aus Bogenschützen mit langen ledernen Armschienen. Immer wieder prüften sie ihre Bogensehnen und legten gefiederte Pfeile auf, spannten knarrend die Bögen und zielten auf Baumstämme und Tongefäße, die kurz darauf scheppernd zerplatzten, und Scherben regneten auf den Boden. Einige Soldatinnen wiesen Kampfsklaven an, mit schweren Doppeläxten zu trainieren oder Wurfspieße zu schleudern. Andere Sklaven duellierten sich bei Schwertübungen mit breiten und schartigen Klingen. Überall klirrten und klangen die Schneiden aufeinander. Irgendwo trommelte jemand auf einer Kesselpauke einen Takt.
118. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von AlfvM am 20.12.20 19:57

Vielen Dank für deine tollen Geschichten. Sie begeistern mich weiterhin.
Ich wünsche dir schöne Feiertage und einen guten Rutsch. Das wichtigste Gesund bleiben.
Viele Grüße Alf
119. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 23.12.20 19:43

Danke AlfvM, ich wünsche dir ebenso schöne Feiertage und ein gutes Jahr 2021.
120. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 23.12.20 19:45

Etwas abseits der Manöver und des Heerlagers hatte die Soldatin Maia einen Kriegssklaven hinter einige Felsen geführt. Boreas folgte seiner Herrin sehr gerne. Sobald die Zwei sich - abgesehen von einer einsamen Krähe auf einem Felsvorsprung - unbeobachtet fühlten, öffnete Maia den Keuschheitsgürtel des Sklaven. Lustvoll strich sie ihm ohne Scheu über sein hartes „Schwert“. Boreas stöhnte wohlig auf. Seine Lider flackerten vor Erregung. Maia entschlüpfte ihrer ledernen Weste und den metallenen Schutzschienen ihrer Uniform. Schließlich stand sie verletzlich und wundervoll weiblich vor dem kräftigen Mann, nur in ein dünnes Gewand aus Flachsgarn gehüllt. Durch ihre Lenden pulsierte die Hitze. Bald lagen die beiden auf dem Boden, vereint zum Liebesspiel…

Viele Meilen entfernt im aufrührerischen Osten des Kontinentes herrschte Helena als kommissarische Statthalterin während Fama auf Kriegszug war. Durch denunzierendes Personal hatte Helena von der Untreue des Amatio erfahren. Für eine bare Münze wurde so manche Zunge locker. Sie ließ den Liebessklaven der Fama zu sich führen und konfrontierte ihn mit den Aussagen einiger Diener und Wachen der Regierungsresidenz. Amatio stritt entrüstet alles ab und sprach voller Inbrunst von einer boshaften Intrige gegen ihn und Fama. Doch so leicht ließ sich Helena nicht überzeugen. „Wachen! Schafft ihn in den Kerker. Er soll einer peinlichen Befragung unterzogen werden!“ Amatio schrie, er sei unschuldig, aber er wurde grob von den Wächterinnen abgeführt und in einen Kerker unter der Residenz geworfen, wo er mit wenigen Ratten und reichlich Flöhen allein gelassen wurde.

Die Stadtoberste Helena schnippte mit den Fingern. Auf ihr Zeichen erschienen zwei junge Fräuleins, die Helena von ihrem Wissen erzählt hatten. Die Statthalterin gab ihnen die versprochenen Goldmünzen. „Und ihr seid sicher, dass Gerra, die Zunftmeisterin der Schmieden, die verschwörerische Schlange ist, die sich an den Liebessklaven gewagt hat?“ Die beiden Fräuleins nickten eifrig und lächelten keck. Helena wirkte ernst. „Ich will es aus seinem Munde hören! Zumindest so lange soll ihm seine Zunge erhalten bleiben!“

Vesta und Aurora, die beiden Töchter der Fama, erfuhren von der Gefangennahme Amatios und wisperten sich gegenseitig zu: „Was sollen wir bloß unternehmen? Wenn Gerra hingerichtet wird, bleiben wir verschlossen bis irgendwann Mutter aus dem Krieg zurückkehrt.“ „Lass uns mal sehen, wie es Amatio geht“, schlug Vesta vor und hüpfte mit Aurora zum Kerkereingang. Eine Wächterin mit hartem Blick versperrte die schwere Tür, die von außen mit einem dicken Balken gesichert war. „Der Zugang zum Kerker ist Euch verwehrt“, sagte sie streng. Vesta und Aurora holten tief Luft und verschränkten ihre Arme in ihren Kleidern vor der Brust. „Was soll das heißen, Wache?“, fragte Vesta erbost. „Wir sind die Töchter der Statthalterin!“ Die Wächterin blieb stur. „Die Statthalterin ist in diesen Tagen Helena. Und Helena hat meines Wissens nach keine Töchter.“

Aurora schnappte nach Luft. Sie war empört. Mit so einer unverfrorenen Kühnheit hatte noch keine Wächterin mit ihr gesprochen. Sie stotterte vor Aufregung: „Wenn Mutter wieder heim ist, werde ich dafür sorgen, dass du den Kerker von eine Zelle aus bewachen darfst. Und das bis ans Ende deiner Tage, du unverschämtes Weibstück!“ Die Drohung prallte an der gerüsteten Frau ab wie der Regen an ihren metallenen Schulterstücken abperlte. Schließlich trollten sich die beiden Edelfräuleins eingeschnappt und schmollend. Aurora meinte: „Dann lass uns wenigstens Gerra warnen. Sie soll uns die Schlüssel zu unseren Keuschheitsgürteln überlassen und aus der Metropole fliehen.“

Der in Eile gestrickte Plan wurde flugs ausgeführt. Die beiden jungen Damen hasteten in die Stadt zur Schmiede der Zunftmeisterin. Gerra wollte den Worten der beiden Edelfräuleins zunächst keinen Glauben schenken. „Ihr wollt mich nur loswerden!“, meinte sie misstrauisch, doch so bestürzt wie jetzt hatte sie die zwei Fräuleins noch nie erlebt. Gerra stand unter Schock, als ihr die prekäre Lage klar wurde, und holte Auroras Schlüssel aus einer Schublade eines wurmstichigen Schrankes hervor. Vesta, die im Wechsel mit ihrer Schwester verschlossen wurde, war zurzeit frei. Aurora schloss sich auf und atmete erleichtert auf. Schamlos wanderten ihre Finger unter das Kleid, um sich zu reiben. Wie gut das tat! Nie wieder wollte sie verschlossen sein! Ihre Wangen glühten, als sie sah, dass sie von Vesta und Gerra beobachtet wurde. Eilends nahm sie ihre Fingerchen von ihren Lenden und faltete sie vor der Brust, um einen unschuldigen Eindruck zu machen.

Die zwei Damen liefen zurück zur Residenz und eilten zu Helena. Vesta beeilte sich zu berichten: „Die Zunftmeisterin will aus der Metropole flüchten, erzählt man auf dem Markt. Was ist denn los?“ Helena sprang auf und rief nach der Wache. „Eilt zur Zunftmeisterin der Schmieden und nehmt sie fest. Eilt! Sie flüchtet!“ Sofort lief ein Trupp gerüsteter Frauen in den Hof zu ihren Rössern, stieg auf und verließ im Galopp das prachtvolle Domizil. Mit weit ausholenden Hufen rasten die Pferde durch die engen Gassen der Stadt ihrem Ziel entgegen. Sklaven, die nicht schnell genug zur Seite sprangen und sich in Häusereingänge drängten, wurden umgerissen und landeten im Rinnstein.

Die feine Aurora rieb sich die Hände: „Hoffentlich fangen sie dieses gemeines Weib! Sie soll uns büßen, was sie uns angetan hat!“ Vesta war in Gedanken versunken und meinte schließlich: „Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn Gerra verschwunden wäre. Sollte sie gegen uns aussagen… Mutter wird wütend sein, wenn sie erfährt, dass wir aus den Keuschheitsgürteln entkommen sind.“ Jählings war Auroras Eifer wie weg geblasen. Sogar ihre neu gewonnene Freiheit konnte sie nicht mehr genießen. Stattdessen lief sie in einem Gang der Residenz absichtlich so nah an einem Sklaven vorbei, dass sie ihn berührte. „Wie kannst du es wagen, mich umzulaufen?“, keifte sie voller gespielter Empörung und rief nach der Wache. „Gebt ihm 20 Peitschenhiebe auf seinen Arsch! Dieser Lump hat mich unsittlich berührt!“

Unverzüglich wurde der junge Mann gegriffen und weggeführt. Aus großen und entsetzten Augen schaute er Aurora nach, als wollte er sagen: „Was habe ich denn getan? Warum werde ich bestraft? Es war doch nicht meine Schuld!“ Aber er wagte es natürlich nicht. Stattdessen nahm er sich vor, die Zeche stumm zu bezahlen. Wenigstens war Auroras Laune nun wieder etwas gefälliger. Sie sperrte sich in ihr Gemach ein und verspürte das wachsende Bedürfnis nach Berührungen. Ihre Finger suchten den Weg unter ihr Kleid, den Saum, ihre Venus. Bald schon lag sie stöhnend auf ihrem Himmelbett und rieb ihre Weiblichkeit.

Im Kellergewölbe fast genau unter ihr war ein Jüngling in einen Pranger gespannt. Sein ärmliches Beinkleid war von seinen Lenden gerissen. Hinter ihm zog eine Wächterin eine lange Peitsche durch ihre Finger. Zwanzig Hiebe würden den jungen Mann mehrere Wochen an seine unverzeihliche Sünde erinnern – spätestens, wenn er sich setzen wollte. Zeuge der Züchtigung war nur ein Gefangener, der hinter einer Gitterwand vegetierte und auf dem Boden saß. Hinter seine Achillessehnen waren große Ringe gezogen, die mit einer kurzen rostigen Kette und seinem schweren Halseisen verbunden war, so dass er sich nicht aufrichten konnte. Ob die ausgemergelte nackte Gestalt etwas von der Bestrafung mitbekam, war fraglich. Er stierte mit toten Augen auf den Steinboden und wippte leicht vor und zurück. Während der Jüngling tapfer die Lippen zusammenbiss und ab dem sechsten Hieb trotzdem laut schrie, kam Aurora über ihm einem fulminanten Höhepunkt ihrer Lust immer näher. Und dann schrien sie beide.

Als die Anführerin des Jagdtrupps bei Helena vorsprach, kniete sie demütig nieder und musste ihr Versagen kleinlaut verkünden. „Die Schmiedin ist wie vom Erdboden verschluckt, ehrwürdige Statthalterin. Wir haben mehrere Suchtrupps in alle Richtungen ausgesandt. Weit wird sie nicht kommen. Doch vorerst konnten wir sie nicht fangen.“ Helena bebte vor Zorn. „Blitz und Donner! Euer Unvermögen darf nicht ungesühnt bleiben! Wachen! Schließt diese Unfähige in einen Keuschheitsgürtel!“ Dann wandte sich Helena wieder direkt an die Anführerin und führte süffisant aus: „Solange Gerra verschwunden bleibt, wird Euer Schloss versperrt sein.“ „Jawohl, ehrwürdige Statthalterin“, antwortete die Anführerin zerknirscht und kreidebleich. Mit einer so harten Bestrafung hatte sie nicht gerechnet. Helena machte eine harsche Handbewegung, die bedeutete, dass die Frau gehen durfte. Die Statthalterin griff innerlich noch brodelnd nach einem Silberkelch mit Rotwein und drückte den Stiel so fest sie es vermochte.

Der Tag des großen Sturms auf die Hauptstadt von Megaria war gekommen. Der Morgen graute. Vögel sangen ihr Lied, doch nun sollte die Idylle unter dem Kriegshandwerk der Truppen erlöschen. Fama blies zum Angriff. Große Signalhörner ertönten dumpf und doch durchdringend in der Ferne. Das gewaltige Heer aus Kriegssklaven und Soldatinnen setzte sich in Bewegung der Stadtmauern entgegen. Auf ihren Befehl schossen Myriaden von Feuerpfeifen auf den Palisadenzaun nieder, der sofort Feuer fing und knackend und fauchend niederbrannte. Schwarze Rauchwolken türmten sich hoch in den Himmel und verseuchten die Luft mit einem Schwefelgestank, dem niemand entkam.

Es war der „gefiederte Tod“, wie die Tausenden von Brandpfeilen genannt wurden, die den Himmel für eine Zeit auf eine gar sonderliche Art und Weise gleichzeitig verdunkelten und doch durch ihre Flammen blitzend erhellten. Riesige Belagerungstürme mit Plattformen wurden in Stellung gebracht und Katapulte mit Felsbrocken geladen, die zuvor in Pech getränkte Matten gewickelt worden waren. Während die Kampfsklaven alleine mit ihrer Angst fertig werden mussten, erhielten die Soldatinnen einen berauschenden Sud aus Pilzen und eine leidenschaftliche Suada der Anführerinnen.

Maia hatte dafür gesorgt, dass Boreas zum Nachschub eingeteilt wurde und somit nicht an der Erstürmung der Stadtmauer beteilt war, wo der Tod Gericht halten würde. Obwohl die Anführerinnen stets gebetsmühlenartig wiederholt hatten, dass die Sklaven glücklich sein durften, wenn sie für ihre Göttin ehrenvoll im Kampf starben. Maia war ein lebendiger Boreas trotzdem lieber. Hunderte Soldaten und Kampfsklaven der Megara hatten sich auf der breiten und hohen Stadtmauer in Stellung gebracht. „Sieg oder Tod!“, hieß die Devise für die Männer, die auf der Mauer den Feind aufhalten sollten. Ein Rückzug war keine Option. Wer es wagte, vor dem Feind zu fliehen, wurde gnadenlos zurückgepeitscht oder gar mit dem Schwerte geküsst.

Während schon bald der Kampf um die Stadtbefestigung brandete, rückten Megaras dunkle Truppen von Norden und Süden vor, umrundeten die Stadt, um Famas Heer in die Flanken zu beißen wie eine Raubkatze seine Beute reißt. Doch die Gegenwehr war lebhafter als gedacht. Die Armeen rieben sich gegenseitig auf. Stahl prallte Funken sprühend und kreischend auf Stahl. Speere durchbohrten schmatzend Fleisch. Äxte zermalmten Knochen. Die Formationen aus Kampfsklaven rannten aufeinander ein, ihre Waffen scheppernd gegen die gepanzerten Brust-Harnische schlagend oder durch die Luft wirbelnd. Wer in diesem Tosen zu Boden fiel, der war des gnadenlosen Todes.

Ein Kampfsklave, ein Mann wie ein Berg, schwang eine riesige Schwertwaffe, die eher wie eine Mischung aus Machete und Hacke aussah und bereits eine sehr schartige Klinge aufwies. Der Kämpfer trug eine schwere Armschiene um seinen muskulösen Schwertarm und hatte sein Kopfhaar bis auf einen langen geflochtenen Zopf rasiert. Er stampfte wie ein Berserker auf zwei gegnerische Sklaven zu, die zu Megaras Einheiten gehörten. Mit gewaltigen Hieben wollte er die Leiber der Feinde zerteilen, doch die beiden Männer umkreisten den Riesen und hielten ihn mit ihren eisernen Spießen auf Abstand.

Ein junger Sklave der Fama wollte dem Riesen zu Hilfe kommen, doch da stürmte seitlich ein Megara-Kämpfer mit einer Hellebarde auf ihn ein und lenkte ihn ab. Als er mit einer überraschend flinken Drehung den Gegner zu Boden gestreckt hatte, waren der Riese und die beiden Feinde nicht mehr zu sehen. Erst viel später bemerkte er wieder den Koloss von Kämpfer. Doch dieses Mal sollte dessen Kontrahent noch gewaltiger sein. Der junge Sklave grinste grimmig, als er den stärksten und größten Kampfsklaven der Megara erkannte, der es mit fünf Gegnern gleichzeitig aufnehmen konnte. Der Gigant trug ein Schwert, das eigentlich als Bihänder gedacht war, und in der anderen Pranke pendelte der größte Morgenstern, den der Jüngling jemals gesehen hatte. Allein die Kugel mit den Spitzen wog mehr als 30 Pfund!

Jetzt würde der gegnerische Riese an seinen Meister geraten! Doch schon verlor der junge Sklave die Gegenspieler wieder aus den Augen, denn eine Salve Pfeile landeten sirrend kurz vor seinen Füßen. Mit einem schnellen Sprung zur Seite rettete er sich vor dem sicheren Tod durch Schützen der Fama. Er rollte auf dem staubigen Boden ab und stürzte sich ins Getümmel, längst die Orientierung verloren zwischen den Menschenleibern, dem Staub und den Wirren des Feldes. Wenn er den heutigen Tag überlebte, würde er nicht zu Megara sondern zu den Alten Göttern beten.

Ein gnadenloser Stellungskrieg ließ beide Seiten fast verzweifeln. Beide Kriegsparteien holten reiche Ernte ein, doch sie kostete der Ansturm auch hohe Verluste. Schließlich mussten Megara und die Aufrührer aus dem Osten einsehen, dass es so nicht weiterging. Um Zeit zu gewinnen beschlossen beide Parteien einen befristeten Waffenstillstand. Das Schlachtfeld zeugte von den zahlreichen Schicksalen. Hunderte Waffen aller Art, zerbrochene Pfeile, verbogene Schilde, gesplitterte Lanzen, zerfetzte und beschmierte Fahnen und fleckige Banner lagen verteilt vor den Stadtmauern. Und dazwischen bedeckten die Unglücklichen den durchtränkten Boden.

Megara tobte im Palast und schrie ihre Senatorinnen jähzornig an: „Lange können wir die Stadt nicht mehr halten! Wie kann es sein, dass unsere Armee den Feind nicht erfolgreich niederschlägt!? Was ist mit den Flankenangriffen? Diese Bauerntölpel müssen doch zu besiegen sein!“ Kerbera musste zugeben: „Famas Heer ist einfach zu groß. Wir haben den halben Kontinent gegen uns. Unsere Verbände mussten sich wieder zurückziehen.“ Alekto erklärte: „Es bleibt bei einer Grenze, die durch den Längengrad der Hauptstadt verläuft. Keiner kann weiter nach Westen oder Osten marschieren. Der Kontinent ist geteilt, Hoheit! Es wird darauf hinauslaufen, dass Megaria sich auf den westlichen Teil des Kontinents beschränkt. Der Osten ist verloren!“ Megara fasste sich ans Herz. „Das… das… Das ist Blasphemie! Ich sollte Euch Eure dummen Worte aus dem Leib prügeln lassen! Wascht Euer Maul mit Salz aus!“ Pikiert verstummte die Senatorin und dachte: „Wenn es eine Möglichkeit gäbe, die Macht zu übernehmen…“

Die Monarchin ließ sich auf ihren goldenen Thron fallen. Müde rieb sie sich die Stirn. Neben ihr war Abas zu einem Knäuel zusammengekettet. Nackt und allen Blicken ausgesetzt musste er neben der Despotin hocken. Doch jäh lachte er dröhnend. Megara sah fast erschrocken zu ihm. Abas sprach seit langer Zeit die ersten eigenen Gedanken aus: „Langsam begreife ich wieder, wer ich bin. Ich… Ich bin Abas, der Königingemahl! Ich bin kein Wurm, kein Hund oder was auch immer ihr mir weiß machen wollt! Ihr seid eine Teufelsfratze! Und ihr werdet vom Thron stürzen! Früher oder später!“ Megara lauschte den Worten. Hatte sie sich das eingebildet oder sprach Abas, ihr Wurm, wieder? Hatte der Zauber nachgelassen?

Die Herrscherin stand auf und versetzte dem geketteten Knäuel einen heftigen Tritt, der Abas die Stufen hinab in die Halle poltern ließ wie ein großes Rad. Schließlich blieb das Bündel auf dem Mosaik des Marmorbodens liegen und lachte immer noch, nur greller und durchdringender als zuvor. Megara schleuderte ihren Zepter nach ihm, verfehlte Abas aber und eilte zu ihm hinunter, griff nach einem Stück Kette und zerrte daran: „Deine Leda ist tot! Und sie wird nie zurückkehren! Ich, Megara, bin unumschränkte Herrscherin und Göttin von Megaria! Und die Verräter aus dem Osten werden alle ihr Leben verlieren! Und ich werde mich suhlen in den Qualen, die Fama erleiden wird! Und schließlich werde ich ihren Leib auf dem Markt ausstellen, bevor er in den Näpfen meiner Hofköter sein Ende finden wird!“ Megara war wie von Sinnen. Sie schlug auf Abas ein, zerrte an den Ketten, als wolle sie das Knäuel mit sich ziehen, stand auf, brüllte hysterisch die hohe Decke der Halle an, dass es ohrenbetäubend durch den Palast hallte, und brach schließlich bewusstlos zusammen.

Noch in dieser Nacht trafen sich die beiden Senatorinnen Alekto und Kerbera zu einem konspirativen Gespräch. Sie planten einen Putsch gegen Megara. Ihre einzige Möglichkeit war, die Tyrannin abzusetzen. Kerbera berichtete: „Megara wollte unbedingt einen Ausfall ihrer Truppen, um Famas Armee niederzumetzeln. Das wäre unser Untergang gewesen. Sobald die Tore geöffnet werden, würde der Feind nicht mehr zu halten sein.“ Alekto nickte. „Megara ist schon immer größenwahnsinnig gewesen. Aber nun hat sie den Verstand völlig verloren.“

Die Senatorinnen waren sich bewusst, in welche Todesgefahr sie sich brachten, wenn sie so über die Herrscherin sprachen, doch ihr Entschluss stand fest: Megara musste vom Thron entfernt werden. So bald wie möglich. Doch wer von ihnen würde ihre Nachfolgerin sein? Alekto gab lächelnd scheinbar nach: „Ihr sollt den Thron besteigen, wenn ich als Eure rechte Hand weitreichende Befugnisse erhalte“, sagte sie. Kerbera nickte. „So soll es sein. Lasst uns die Einzelheiten planen. Es darf nicht wie ein Mord aussehen.“

Sollten sie Megara die Stufen hinab werfen? Sollten sie ihr Gift ins Mahl oder den Wein streuen? Sollten sie einen Assassinen beauftragen, der sie mit einem ihrer teuren Kissen erstickte? Egal, was auch geschah, Alekto war sich sicher, dass Kerbera der Tyrannin ins Grab folgen würde. „Und dann werde ich Kerberas Liebessklaven Cain zu mir nehmen“, überlegte Alekto. „Dann wird er mein Leib-Sklave sein.“ Oh, welche Genugtuung! Die Senatorin schwelgte in ihren düsteren und zugleich süßen Gedanken.


121. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von sheeeep am 23.12.20 21:31

Was für ein Weihnachtsgeschenk! Toll geschrieben!Bleib gesund und bringe deine Schaffenskraft mit ins neue Jahr!!
122. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 01.01.21 13:10

Leda stand vor dem fertigen Ballon. „Das ist wahrlich ein Wunder!“ Die gestürzte Königin und ihre kleine Gefolgschaft waren auf dem Westkontinent jenseits des großen Ozeans nach Norden marschiert und hatten den Ballon gefunden. Alle hatten bei der umständlichen Reparatur des Stoffes geholfen. Nur wollte er sich nicht in die Luft erheben. Hagbard warnte: „Seid vorsichtig mit dem Feuerkorb! Wenn der Ballon brennt, gibt es keine Rettung mehr!“ Der Medikus und Thrym erforschten die Wirkungsweise und stellten fest, dass die heiße Luft den Ballon aufrichtete. Bald schon lernten sie, mit dem Feuer umzugehen, den Ballon zu steuern, ihn steigen und sinken zu lassen. Vor allem fanden sie Materialien, die das Feuer sehr lange und heiß brennen ließen – die Voraussetzung für ihre lange Überfahrt zum Alten Kontinent.

Leda ließ Proviant und Wasser besorgen. Doch schließlich stand ihnen allen vor den Augen: Nur wenige Personen passten in den Korb des Ballons. Auch eine größere Plattform hätte nichts genützt, denn es musste auch genügend Platz für den Proviant sein. Die Reise über den großen Ozean würde lange dauern. Nur der Westwind wusste, wie lange. Leda musste also eine schwere Entscheidung treffen: Wer kam mit ihr? Wer musste auf dem Westkontinent zurückbleiben?

In den kommenden Tagen hatte sie das Gefühl, als schleimten sich alle geradezu kriecherisch bei ihr ein, als versuche jeder sich anbiedernd besonders wichtig und positiv darzustellen. Niemand machte einen Hehl daraus, dass er zu den Auserwählten gehören wollte. Thrym und Hagbard scharwenzelten um sie herum und betonten ihre Beraterstellung, der Medikus natürlich sein Heilerwissen, die Gardistinnen Ate und Nike stellten sich schmeichelnd als bedingungslose Protektorinnen der von ihnen verehrten und geliebten Majestät dar, die Soldaten Ajax und Pan erinnerten daran, dass sie den Meuterern entflohen waren und erst von dem Ballon berichtet hatten, und der Stallknecht Zelos hoffte liebedienernd ebenfalls auf Ledas Gnade.

Thrym rechnete aus, dass nur höchstens vier Personen zu Leda in den Korb passten. Die Königin seufzte inbrünstig. Wen sollte sie da auswählen? Wen seinem Schicksal überlassen? Doch am nächsten Morgen bei Sonnenaufgang hatte sie ihre Wahl zu verkünden: „Niemand hat es verdient, zurückgelassen zu werden. Doch ich musste eine Entscheidung fällen. Mir scheint es am menschlichsten, wenn mit den Zurückgelassenen auch der Medikus bleibt, um notfalls mit seinen Heilerkräften zu helfen.“ Der Medikus wollte protestieren, doch die strengen Blicke der Gardistinnen Ate und Nike ließen ihn verstummen. Leda hatte als Königin gesprochen. Widerworte wären Hochverrat!

Während der Medikus zusammensackte, sprach Leda weiter: „Ajax und Pan! Ihr gehörtet zu den Meuterern. Zwar seid ihr nun geläutert, doch möchte ich lieber Personen den Vorrang geben, die mir stets und zu allen Zeiten treu waren.“ Die beiden Soldaten stöhnten erschrocken auf. Doch mehr wagten sie nicht. Pan konnte sich am ehesten damit abfinden. Zumindest würde er dann nicht mehr diesen lusttötenden Tee trinken müssen und wäre wieder Herr über seine Männlichkeit. Vielleicht würden ja die Gardistinnen auch auf dem Westkontinent bleiben müssen? Es wäre ein Trost, wenn auch nur ein kleiner.

Zelos sackte ebenso wie der Medikus zusammen. Er machte sich keine Hoffnung mehr, denn auch er hatte einmal den Rebellen angehört. Leda verkündete: „So wird mich Hagbard begleiten. Thrym dagegen soll die Zurückgebliebenen anführen in ein neues Leben.“ Thrym keuchte laut. Er sollte hier bleiben? „Warum Hagbard? Warum nicht ich?“, protestierte er verwirrt. Sofort kamen Ate und Nike drohend auf ihn zu. Thrym blieb stehen und streckte sich. Er schob trotzig sein Kinn nach vorne und giftete die beiden Gardistinnen mit seinem Blick an, wagte aber kein Wort mehr zu erheben.

Und dann entschied Leda: „Nike wird mich begleiten. Und auch Zelos.“ Ate stand fast atemlos da, als drücke ihr ein Riese mit eiserner Faust den Brustkorb zusammen. Nike würde Platz im Ballon finden… Und sie? Warum sie nicht? Würde ihr Name noch genannt? Ledas nächste Worte gingen ihr durch Mark und Bein: „Eine Gardistin muss für den Schutz der Gruppe hier bleiben.“ Ate zitterte. Sie konnte sich nicht rühren und keinen klaren Gedanken fassen. Noch ein Platz war zu vergeben. Zelos war außer sich vor Freude. Er hatte niemals damit gerechnet, dass Leda ihn mitnahm. Die Königin sprach: „Wir werden mehr Proviant einpacken. Wir wissen nicht, wie schnell uns der Wind über das große Wasser treibt. Ich werde nur drei Gefährten mitnehmen auf dieser gefährlichen Reise.“ Damit war es entschieden. Es blieb bei dem Quartett. Einen vierten Mitreisenden sollte es nicht geben.

In dieser Neumond-Nacht bewachten Ate und Nike den Ballon mit Argusaugen. Womöglich wäre sonst ein Geächteter der Verlockung nicht widerstanden, sich mit dem Fluggefährt im Schutze der schwarzen Nacht davon zu machen. Am liebsten wäre Ate selbst damit geflüchtet. Doch war sie immer noch ihrer Königin loyal und mit all ihrem Herzblut ergeben. Sie patrouillierte mit Nike um den Ballon und wärmte sich zwischendurch am Lagerfeuer auf, dessen kleine Flammen die Nacht ein wenig erhellten.

Am nächsten Morgen war es soweit: Leda, Hagbard, Nike und Zelos hoben ab in den blauen, klaren Himmel, der die Freiheit versprach. Unten wurden Thrym, der Medikus, Ate, Pan und Ajax immer kleiner. Plötzlich brüllte Ajax los: „Der Schlüssel! Bitte Majestät! Werft mir den Schlüssel zu meinem Keuschheitsgürtel hinab! Sonst bleibe ich für alle Tage verschlossen! Gnade! Bitte habt Erbarmen mit dem Niedersten Eurer Untertanen!“ Leda nestelte den Schlüssel hervor. Sollte sie den Mann befreien? Er war noch nicht allzu lange in der eisernen Schelle. War es grausam, ihn für immer versperrt zu lassen? Doch die Rufe des Mannes wurden indes immer leiser und dünner. Nebel zog auf. Oder durchschnitten sie bereits die Wolken?

Hagbard sah, wie Leda einen inneren Kampf ausfocht. „Behaltet den Schlüssel, Majestät. Er hat es nicht anders verdient.“ Doch Leda warf ihn in hohem Bogen aus dem Korb. Sollte Ajax auf dem Westkontinent glücklich werden – als freies Mannsbild! Doch der Soldat hatte nicht mehr damit gerechnet und kauerte schluchzend auf dem Boden und greinte laut vor Selbstmitleid. Nur Ate hatte bemerkt, was da aus der Luft geflogen gekommen war und sich die Stelle der Landung hinter einem spitzen Felsen gemerkt.

Mehrere Stunden saßen die Zurückgebliebenen fast reglos und sprachlos jeder für sich und hingen düsteren Gedanken nach. Niemand von ihnen wusste, was ihn erwartete auf dieser gefährlichen Reise in eine ungewisse Zukunft. Was hatten die Schicksalsgötter ihnen vorherbestimmt? Ehre, Reichtum, Erfolg? Oder eher Leid, schweres Joch , Kummer, Sorgen und Verderben? Erst gegen Sonnenuntergang versuchten sie, sich ihrem Schicksal zu stellen. Thrym ernannte sich zum Anführer und verteilte Aufgaben. Pan war fast erleichtert. Denn endlich war er wieder ein Mann mit freier Männlichkeit. Schon bald war der letzte Tee abgeklungen und sein Liebesstab verhärtete sich beim bloßen Anblick von Ate. Die Gardistin bemerkte seine lüsternen Blicke und grinste ironisch: „Komm mir einmal zu nahe, Soldat, und ich reiße sie dir ab!“ Pan brauchte nicht zu fragen, was sie meinte. Er wusste es auch so. Zumindest hatte er seine Hände, um sich selbst anzufassen. Ajax war da ärger dran, dachte er. Was für ein grausames Schicksal! Für immer verschlossen! Solch verhängnisvolles Los würde er nicht ertragen.

Thrym machte sich ebenfalls Gedanken: Drei Männer (und ein weiterer in einem Keuschheitsgürtel) und ein Weib – ob das auf Dauer gut ging? Eifersucht und Neid, Zwietracht, Gewalt und Händel würde es geben. Er musste als verantwortungsvoller Anführer versuchen den Frieden aufrechtzuerhalten. Er musste als respektierter Anführer Kraft und Selbstsicherheit zeigen. Er musste als souveräner Anführer einen Weg finden, den ihm Anvertrauten eine Zukunft zu bieten.

Die Ballonfahrer hatten sich jeder ein enges Lager im Korb bereitet. Der Wind führte sie recht zügig gen Osten. Doch davon spürten sie nichts, denn der Ballon fuhr mit dem Luftstrom mit. Trotzdem herrschte eine frische Kühle. Bald schon war der Westkontinent am Horizont verschwunden. Um sie herum gab es nur noch Wasser. Als die Sonne langsam groß und rot im Meer versank wurde Leda bewusst, auf was für ein gefährliches Abenteuer sie sich eingelassen hatte. Der Himmelstreifen am Horizont verfärbte sich violett, und schon wenige Minuten später umfing sie die Dunkelheit, die nur durch das Feuer unter dem Ballon über ihren Köpfen unterbrochen wurde, das sie stets füttern mussten, um nicht an Höhe zu verlieren.

Das Wasser tief unter ihnen färbte sich schwarz. Ob sie jemals auf dem Alten Kontinent ankamen? Und was dann? Nur der Wind wusste es. Würden sie sofort von Megaras Schergen gefangen und getötet werden? Doch trotz aller Gefahren - ein unbeherrschbares Verlangen trieb sie zurück in ihre alte Heimat, deren stolze Königin sie einst gewesen war. Leda wickelte sich in eine Felldecke ein. Sie wusste nicht, ob es die aufziehende Kälte der Schatten war, oder ob sie ein Angstschauder erzittern ließ. Irgendwann empfing sie gnädiger Schlummer.

Der Morgen graute. Am Horizont ging eine strahlende Sonne auf, die sich aus dem Meer erhob. Hagbard, Leda und Nike schliefen noch fest, nebeneinander kauernd. Zelos hingegeben hatten die ersten wärmenden Sonnenstrahlen geweckt. Er bemerkte, dass das Fell der Gardistin verrutscht war. Und auch ihr Wams war verzogen, so dass es fast eine Brust entblößte. Der ehemalige Stallknecht spürte, wie ihn der Anblick auf eine sündige Weise wärmte. Nur wenige Ellen von ihm entfernt war dieser wunderbare Busen des jungen Weibes. Fast konnte Zelos ihn ergreifen, wenn er sich nur ein wenig streckte… Doch er durfte seinem Verlangen nicht nachgeben, egal, wie brennend es war.
Als hätte Nike ihn bemerkt, griff sie sich im Halbschlaf nach dem Wams und rückte ihn zurecht. Zelos seufzte leise.

Wie lange würde diese Überfahrt dauern? Würde er die ganze Zeit abstinent bleiben müssen? Sollte er vielleicht jetzt, da noch alle schliefen, Hand an seine Manneskraft anlegen? Doch jäh hörte er Hagbard leise sagen: „Guten Morgen. Behaglich genächtigt? Frisch und wohlauf? Der Wind scheint uns tüchtig voranzutreiben.“ Erschrocken zuckte Zelos, als wäre er bei etwas Verbotenem erwischt worden. Hagbard war zu sehr mit dem Feuerkorb beschäftigt, um etwas zu bemerken.

Die Armeeweiber der Fama, die nicht in erster Reihe den Feind beobachteten, übten sich im Schwertkampf oder Bogenschießen. Eine Duxa teilte weitere Soldatinnen ein, die diverse Truppenverbände der Kriegssklaven in kleineren Einheiten drillen sollten. Auch Maia gehörte dazu. Sie war für 30 Kämpfer zuständig, die sie im Kreis umher scheuchte und sie im Gleichschritt marschieren ließ. Staub wirbelte unter den dicken Sohlen auf. Das stumpfe Getrappel war durch das ganze Lager zu hören.

Auch Waffenübungen gehörten zum Schliff. Die Sonne stach von oben heiß und erbarmungslos. Maia sorgte für genügend Wasser, dass den Leibeigenen in Lederschläuchen gereicht wurde. Mit ihrer Peitsche oder einem knotigen Stock ging sie nur selten zwischen die Männer. Sie hatte ein wenig Mitleid mit den schwitzenden Muskelbergen, die sich ächzend abmühten und trotzdem oft von Soldatinnen gezüchtigt wurden. Seit sich Maia in Boreas verliebt hatte, taten ihr die Kreaturen leid. Sie schonte sie so weit es ging. Wenn eine Uniformierte fragte, warum sie so nachsichtig sei, sagte Maia: „Ich möchte sie nicht zu sehr erschöpfen. Sie sollen ausgeruht und kräftig in den Kampf ziehen.“ Eine Kameradin hatte gelacht: „Ich habe eine eigene Methode, den Sklaven Beine zu machen!“ Und sie zeigte auf ihre Peitsche, die sie mit kleinen Nieten verstärkt hatte. Sollte Boreas Striemen der grausamen Schlaginstrumente erdulden müssen, so würde sie ihm die Schmerzen wegküssen, nahm sich Maia vor und schwelgte in Erinnerungen an seinen maskulinen Leib.

Auf einem benachbarten Felde hatten Uniformierte drei Sklaven an junge Bäume gebunden und nutzten diese als Zielobjekte. Beängstigend nahe waren den Gefesselten die Pfeile und Wurfbeile gekommen, die zwischen ihren Beinen und über den Köpfen in den Stämmen der Bäume steckten. Maia konnte nur hoffen, dass Boreas kein Opfer der sadistischen Kriegsherrinnen wurde. Sie wusste leider nicht, in welche Abteilung er geschickt worden war. Sie hatte ihn heute noch nicht gesehen. Das Heerlager war so gewaltig in seinen Ausmaßen, dass sie ihn nur fand, wenn er in der Nacht in seiner Gruppe angekettet auf seinem Platz lag.

Maia genehmigte sich einen herzhaften Schluck aus dem Weinschlauch und drückte anschließend den Korken wieder auf die Öffnung, wischte sich mit dem Handrücken den Mund ab und betrachtete die 30 Mannsbilder, die ihr zugeteilt waren, beim „Entengang“: Die Hände des Hintermannes lagen jeweils auf den Schultern des Vordermannes. So watschelten sie in der Hocke vorwärts – in einem großen Rund um Maia herum. Die ersten, die erschöpft umkippten, würden ihren Lederriemen zu spüren bekommen.

Im Zelt der Fama berieten sich die Duxas mit der Anführerin. Die Frauen standen um einen großen Tisch herum und schauten auf eine abgerollte Pergamentkarte, auf der die Hauptstadt, die Armeeverbände und die Stellungen des Heerlagers fein mit Tusche eingezeichnet waren. Die mächtigen Katapulte sollten die Hauptstadt in Brand setzen und Megara so zur Aufgabe zwingen. Bisher waren die schweren Kriegsmaschinen nicht zum Einsatz gekommen, weil sie nur umständlich in Stellung gebracht werden konnten. Viele Kampfsklaven würden dies mit ihrem Leben bezahlen. Fama musste abwiegen, was sie teurer zu stehen kam: der Verlust an Kriegern oder auf die Flammenhölle zu verzichten.

„Bringt sie in Stellung!“, entschied sie schließlich optimistisch. Die Duxas gaben den Befehl weiter und sorgten dafür, dass Dutzende Sklaven in die Zuggeschirre vor die tonnenschweren Maschinen gespannt wurden und diese unter den knallenden Peitschen der Soldatinnen vorwärts trieben, bis sie kurz vor der Stadtmauer standen. Die mit Muskeln bepackten Sklaven schwitzten in ihren Geschirren und stemmten sich in ihren Schnürsandalen in den staubigen und lehmigen Boden. Maia betete zu den Alten Göttern, dass Boreas nicht unter den Unglücklichen war. Denn wer von ihnen nicht vor Erschöpfung zusammenbrach, der würde von den Bolzen der feindlichen Schützen niedergestreckt werden. Doch diesen Preis zahlte Fama gern für ihr Kriegsglück.

Megara tobte derweil in ihrer Zitadelle. „Diese Sumpfhexe wagt es, den Waffenstillstand zu brechen! Sie soll es büßen! Wenn die Sonne im Zenit steht, werden wir einen Ausfall aus der Stadt wagen. Nur die besten Kampfsklaven sollen in die Frontlinie stürmen und alles niederhacken!“ Kerbera und Alekto sahen sich an. Sie waren alleine mit Megara in der Thronhalle. Nur zwei Leibeigene fächelten Luft mit ausladenden Palmenzweigen.

Alekto hob ihre Stimme an. „Göttin Megara! Ich habe eine wahrlich wichtige Botschaft für Euch! Doch müssen auch die Sklaven die Halle verlassen. Niemand darf davon erfahren!“ Megara sah die Senatorin überrascht an. „Die Sklaven haben keine Zungen, mit denen sie etwas verraten könnten.“ Trotzdem wandte sich Alekto zu den Leibeigenen: „Geht und schließt die Tür!“ Kerbera tastete nach ihrem spitzen Dolch und näherte sich dem Thron. „Hochwürdige Göttin Megara! Wir werden diesen Krieg gegen die Ostverräter nicht gewinnen können. Wir müssen vorerst einen Frieden schließen und das Ostland in die Unabhängigkeit entlassen.“ Megara schnaubte: „Was redet Ihr da für einen Unsinn!“ Alekto blieb voll Inbrunst bei ihrem Standpunkt. „Es gibt keine Alternative. Sonst werden wir alle untergehen.“ Megara giftete: „Geht mir aus den Augen! Und wagt es nie wieder mich in Frage zu stellen!“ Die Tyrannin riss alarmiert ihre Augen auf, als Alekto ihren Dolch zog und auf Megara zuging.

„Was wagst du, Weib?“, rief die sinistre Megara entsetzt über diese frevelhafte Tollkühnheit. Alekto sprang zum Thron und packte die Handgelenke der Herrscherin und zwang sie zur Seite. Dann holte sie mit der spitzen und scharfen Schneide aus, um Megara mit einem kraftvollen Schnitt die Kehle zu durchtrennen. Doch im letzten Moment stöhnte Alekto auf, erstarrte…
…und drehte sich langsam um die eigene Achse. Mit aufgerissenen Augen sah sie Kerbera bestürzt an, die ihr ihren Dolch in den Rücken gestoßen hatte. Alekto sah entgeistert zu ihrer Brust hinab, aus der die Spitze der Waffe hervorlugte. Dann verließen sie die Kräfte, ihre eigene Klinge polterte auf den Marmorboden, ihre Beine gaben nach und sie sackte ebenfalls in die Tiefe. Mit verdrehten Gliedern lag sie da, reglos, nur die Augenlider flatterten.

Megara räusperte sich. „Diese dreckige Verräterin!“ Kerbera rief nach den Wachen, die sofort hereinstürmten. Die Senatorin berichtete: „Schafft diese niederträchtige Meuchelmörderin weg! Sie hat versucht unsere geliebte Megara zu töten!“ Sie wand sich zu der Despotin und meinte nach Lob heischend: „Den Schöpfern des Schicksals sie Dank, dass ich anwesend war, um Euch zu beschützen, meine Göttin.“

123. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 10.01.21 16:31

Kerbera erkundigte sich eine Weile später mit Unschuldsmiene nach Alekto. „Ist sie tot? Gewisslich will Megara sie nicht so leicht davon kommen lassen!“ Eine Wächterin berichtete aufgeregt: „Sie liegt in der Kammer am Ende des Flures. Sie hat viel Blut verloren. Und sie kann nicht sprechen. Sie hustet und würgt.“ Kerbera schritt in die Kammer, vor der eine weitere Wache stand. Auf einem einfachen Holztisch lag Alekto wie ein waidwundes Reh. Ihre Arme und Beine waren gefesselt, obwohl sie in ihrem Zustand sicherlich nirgends hinlaufen konnte. Kerbera näherte sich ihr wie die Würgeschlange der Maus. „Ich dachte, ich hätte dein Herz getroffen“, flüsterte sie mit einem sardonischen Grinsen. Alekto räusperte sich rau, hustete keuchend, krampfte, spuckte Blut. Sie verdrehte ihre Augen und versuchte nach der Wache zu rufen, hob leicht den Kopf an, aber ihre Besucherin hauchte: „Schweig stille! Ewiglich!“

Wenige Augenblicke später verließ Kerbera die Kammer wieder und sagte in bedrücktem Tonfall zur Wache: „Ich fürchte, es ist zu spät. Die Dämonenwelt hat sie geholt.“ Die Uniformierte schaute in die Kammer: Unzweifelhaft lag Alekto bewegungslos und starrte mit offenen, gebrochenen Augen an die Decke. Die Wachfrau spürte einen kalten Windzug. Strich da der Meister des Todes an ihr vorüber, um Alekto mit ins Reich der Unterwelt zu holen? Als sie sich umdrehte, war Kerbera bereits leise wie ein Geist davongeeilt.

Die flüchtige Zunftmeisterin der königlichen Schmieden, Gerra, ritt auf einen einsamen Hof zu, sprang schließlich aus dem Sattel und band ihr Ross bei einer Tränke an. Eine Frau erschien aus einer Tür. Sofort rief sie in das Haus, und kurz darauf erschien ein Jüngling in einem Lendenschurz, der sich eilfertig um das Tier kümmerte. Das Weib trug ein langes Kleid und eine Schürze. „Willkommen, werte Lady, willkommen. Wir bekommen seit dem Kriegszug nach Westen nur noch selten Besuch in unserer schönen Herberge. Wollt Ihr bei uns auch nächtigen oder nur ein gutes Mahl nehmen?“ Gerra antwortete: „Es ist schon arg spät. Wenn Ihr eine bescheidene Kammer für mich habt, bleibe ich gern Euer Gast.“ „Das freut mich“, sagte die Wirtin und begleitete Gerra in die Schankstube, wo sie ihr einen Platz auf einer rustikalen Holzbank zeigte. „Macht es Euch gemütlich.“ Sie zündete den kurzen Stummel einer Kerze an, die auf dem grob behauenen Tisch stand. „Wie wäre es mit Hasenbraten, Fladenbrot und einem guten irdenen Krug Met?“ Gerra nickte. „Das würde mich stärken, danke.“

Die Krügerin verschwand in einem Hinterraum, dem Anschein nach die Kochstube. Gerra sah ihr nach. Sie griff sich in das Wams unter ihrem kurzen Waffenrock, in dem sie den Beutel mit einigen Münzen aufbewahrte. Sie war so lange nach Westen geritten, dass ihr Soldatinnen aus der Metropole wohl kaum bis hierher gefolgt waren. Ächzend legte sie ihre Beine mit den kniehohen Stiefeln auf die Bank und versuchte sich ein wenig zu entspannen. Bald servierte die Wirtin das versprochene Mahl und die Erfrischung. Im Hintergrund tanzten Flammen in einem alten Kamin, der der Stube Wärme schenkte.

Gerra fühlte sich nach dem Essen wohlig satt und müde. „Zeigt mir meine Kammer“, forderte sie die Frau auf. Der Weg führte sie hinter einen alten Vorhang durch einen schmalen Flur zu einer der Türen. Die Bodendielen quietschten und knarrten bei jedem Schritt. Die Frau schloss auf und übergab Gerra den rostigen Schlüssel. „Ich wünsche eine gute Nachtruhe“, sagte sie und fügte etwas leiser hinzu: „Ihr habt keinen Manne bei Euch, wie ich sehe. Wenn Ihr einen Lustjungen wünscht…“ Gerra schüttelte den Kopf. „Nein, danke, mir fallen die Augen zu.“ Sie trat ein, schloss die Tür hinter sich zu und sah sich in der Unterkunft um: eine Strohmatratze lag auf einem klapprigen Brettergestell, ein Schemel stand davor.

Gerra setzte sich auf den wackeligen Hocker und versuchte aus den langen Stiefeln zu entkommen, doch sie saßen so fest, dass es ihr nicht gelang. Fluchend probierte sie es immer wieder, doch ohne Erfolg. Letztlich rief sie nach der Wirtin. „Ich brauche Hilfe bei meinen Stiefeln“, sagte sie. Kurz darauf erschien der Jüngling, den sie bereits bei ihrer Ankunft gesehen hatte. Gerra bemerkte sofort mit Kennerauge, dass der junge Mann unter seinem Lendenschurz einen Keuschheitsgürtel trug. Das war nicht ungewöhnlich. Die wenigsten Sklaven wurden ohne diese speziellen Schellen gehalten. Mit seiner Kraft konnte Gerra endlich aus den langen Stiefeln schlüpfen. Was für eine Wohltat für ihre Füße! Seit Tagen waren sie in dem engen Leder gefangen gewesen – Tag und Nacht. Gerra stöhnte genießerisch und legte sich auf ihre Ruhestätte.

„Darf ich noch etwas für Euch tun, edle Lady?“, fragte der Jüngling. Gerra schmunzelte. „Ich bin keine edle Lady. Aber du könntest mir ein wenig die Füße massieren. Am besten holst du erst mal einen kleinen Kübel mit Wasser.“ Der Jüngling flitzte sofort los. Gerra genoss schon bald die schönste Fußwaschung, die sie jemals erlebt hatte. Und auch die Massage der kunstfertigen Hände des Jünglings war wunderbar. Nach einer Weile beobachtete sie das Gesicht des Leibeigenen. Ein hübscher Bursche, stellte Gerra fest. Beinahe bekam sie Lust, das Angebot der Wirtin… Doch sie musste dringend schlafen.

Die Schmiedin beobachtete den feschen Sklaven weiter und runzelte die Stirn. Irgendetwas war seltsam und passte so gar nicht in das hübsche Gesicht. Die Augen, fiel ihr auf. Der Sklave sah voll Gram drein. Viele Sklaven wünschten sich natürlich ein anderes Schicksal, aber diesen Jüngling bedrückte etwas ganz Bestimmtes. Da war sich Gerra sicher. Als ihre Füße entspannt waren, winkte sie ihn näher. „Du siehst unglücklich aus. Was nimmt dich so mit, Sklave? Ist es dein Schicksal als Leibeigener?“ Der junge Mann erschrak. Wollte die Dame ihn verspotten oder sich gar bei seiner Herrin über ihn beschweren? Es war erst wenige Wochen her, als eine Dame von ihm angeblich abfällig angesehen worden war; daraufhin hatte er ordentliche Prügel mit dem Ledergürtel bezogen – und das auch noch vor den Augen des schadenfrohen Gastes. Unter Tränen hatte er sich entschuldigen müssen. Mehrere Tage hatte er anschließend nicht mehr sitzen können.

„Ich will nicht klagen, edle Lady. Mir geht es gut“, antwortete er deshalb servil. Aber Gerra ließ nicht locker. „Sei ehrlich zu mir. Ich will dir nur helfen“, erklärte Gerra. „Es ist der… der Keuschheitsgürtel. Ich bin... so verliebt in... die junge Magd der Nachbarin, die ich einmal in der Woche treffe, wenn ich dort Milch hole.“ Gerra nickte langsam. „Und diese Magd… Sie hat ihr Herz an dich verloren?“ Der junge Mann nickte eifrig und zog sich die Nase hoch. Eine Träne lief ihm die schmutzige Wange hinab. „Vielleicht habe ich etwas für dich“, sagte Gerra. „Aber es muss ein Geheimnis bleiben. Sonst bekommst du sicherlich Schwierigkeiten.“

Der Sklave sah sie verwundert an. Gerra stand auf und ging zu ihrem Waffenrock. In einer Innentasche war ihr Generalschlüssel für Keuschheitsgürtel aller Art. „Zeig mal her, dein Gefängnis.“ Der Unfreie hob den Lendenschurz und ächzte verblüfft, als die Schelle nur wenige Lidschläge später aufklackte. Seine Männlichkeit wuchs augenblicklich und stand schon fast wie ein Speer eines Reiters. Dem Leibeigenen war dies sehr peinlich. Würde er nun bestraft? Er zitterte sogar vor Angst. Gerra beruhigte ihn: „Sei unbesorgt! Von mir erfährt es niemand. Wie oft lässt dich denn deine Herrin frei?“ Der Dienstbote schaute beschämt zu Boden. „Nur einmal im Monat darf ich… Aber mehrmals die Woche holt sie mich in ihre Kammer und verlangt…“ Er verstummte peinlich berührt.

Gerra strich ihm über den lockigen Haarschopf. „Du brauchst es mir nicht zu erzählen. Höre zu, ich werde das Schloss um eine Winzigkeit verstellen. Ich zeige dir, wie du dann mit einer Nadel deinen Keuschheitsgürtel selbst öffnen kannst.“ Der Bursche stand mit offenem Mund da. Träumte er das? Doch es war kein Traum. Gerra zeigte ihm den Weg in die Freiheit seiner Männlichkeit und verabschiedete den Sklaven mit einem Kuss auf die Wange. Dann legte sie sich wieder auf die Strohmatratze und streckte sich aus. Sie sehnte sich nach Amatio. Und doch wusste sie, dass sie ihn nicht wieder sehen würde. Wenn sie schon ihr eigenes Glück nicht fand, so sagte sie sich, wollte sie zumindest dem jungen Paar helfen. Die gute Tat zauberte ein Lächeln auf ihr Gesicht. Zufrieden schlief sie ein.

Weit entfernt hallte eine scharfe Stimme durch eine hohe Halle. Helena wollte von einer Wächterin erfahren: „Hat Amatio schon gestanden?“ Die Gerüstete salutierte, indem sie ihre Faust gegen ihren metallenen Harnisch schlug. „Nein, hohe Statthalterin. Aber es wird nicht mehr lange dauern.“ Helena hob überrascht eine Augenbraue. „Erst lasst ihr die falsche Schlange entkommen und… Seit Tagen befragt ihr ihn schon, ohne dass sich seine Zunge lockert!“ Die Wache antwortete: „Er ist der Liebessklave der ehrwürdigen Fama. Er darf nicht allzu… unansehnlich sein, wenn…“ Helena wischte den Einwand mit einer herrischen Bewegung ihrer Hand weg. „Hört! Ich will ein Geständnis. Danach wird Amatio für Fama nicht mehr von Belang sein. Führt ihn mir vor, wenn er gesprochen hat.“ Die Wache salutierte erneut, drehte sich schwungvoll um und marschierte aus dem Raum.

Drei Stunden später erschien die Wächterin erneut und kündigten Amatio an. Zwei kräftige Kriegssklaven schleppten den schlaffen Körper des Liebessklaven in den Saal vor Helena. Die kommissarische Statthalterin leckte sich über die Lippen. „Nun, ich hörte, du hast deine Sünde eingestanden.“ Amatios Kopf hing tief und kraftlos hinab. Einer der Muskelmänner packte seinen Haarschopf und hob daran den Kopf in den Nacken. Helena verzog angewidert das Gesicht. „Er soll morgen auf dem Marktplatz ausgestellt werden.“ Ihre Schergen schleiften ihn hinaus. Die Wächterin salutierte und fragte: „Edle Statthalterin, soll er seinen Keuschheitsgürtel wieder tragen?“ Helena überlegte kurz und sagte, sich an ihrem Gedanken ergötzend: „Nein, ich weiß etwas Besseres. Danach benötigt er ihn nicht mehr…“

Vesta und Aurora warteten nun schon eine geraume Weile auf Helena. Was hatte sie denn so dringendes gewollt? Plötzlich stieß die zweiflügelige Tür auf und mehrere Soldatinnen erschienen mit Helena an der Spitze. „Ich weiß über euer schmutziges Geheimnis bescheid“, sagte sie. „Vesta! Du wirst nun wieder einen Keuschheitsgürtel tragen. Den Schlüssel zu Auroras Gürtel habe ich in der Schmiede der Zunftmeisterin gefunden. Ihr bleibt ab sofort sicher verwahrt, bis eure Mutter wieder hier ist.“

Vesta schrie auf und wollte flüchten, wurde aber von zwei uniformierten Frauen gepackt. „NEIN! NEIN! NEIN! Das dürft Ihr nicht! Lasst mich los! Weib! Was wagt ihr!? Ich bin die Tochter der Fama!“ Doch all ihr Gezeter und Gezappel brachte ihr nichts ein. Während sie sich in den Griffen der Soldatinnen wand, rissen zwei Perlmuttknöpfe von ihrem Kleid und klackerten springend auf den Boden. Aurora sah fassungslos zu. Helena hatte ihre Schlüssel? „Aber Ihr werdet Mutter nichts davon erzählen?“, fragte sie in bittendem Tonfall. Helenas arroganter Blick beantwortete die Frage. Mit erhobenem Kopf schritt Helena hinaus und ließ Aurora stehen, deren Wohlbefinden sie nicht die Bohne interessierte.

Viele Meilen weiter westlich lagerte eine Armee. Die schweren Kriegsmaschinen waren in Stellung gebracht, geladen und einsatzbereit. Alles wartete nur noch auf den Angriffsbefehl der Fama. Dann würde die Hauptstadt Megarias lichterloh brennen. Und mit ihr Megara persönlich, diese Hexenbrut. Die Kriegstreiberin Fama stieg früh morgens auf den höchsten Belagerungsturm. Oben auf der Plattform konnte sie fast über die Stadtmauer auf die Gebäude der Hauptstadt blicken. Hier oben wehte eine kräftige Brise. Famas Umhang zerrte an der Bronzeschnalle. Die Führerin des Ostheeres fasste einen wichtigen Entschluss. Noch heute sollte die Hauptstadt in Schutt und Asche aufgehen. Noch heute würde sich entscheiden, wer den Krieg gewinnen würde. Fama setzte alles auf eine Karte.

Auf der anderen Seite der Mauer scharte auch Megara bereits mit den Hufen. Ein Angriff der abgefallenen Aufwiegler käme ihr ganz recht, denn auch sie wollte endlich eine finale Entscheidung herbeiführen. Und so ertönten gen Mittag auf beiden Seiten des Bollwerks laute Hörner, die durchdringend zum gegenseitigen Sturm bliesen. Megaras Streitkraft öffnete ein Tor und ergoss sich in breiten Reihen mit Gebrüll auf das Feld der Ehre. Tausende Kampfsklaven prallten dröhnend, schreiend und klirrend aufeinander und stritten auf dem größten Schlachtfeld, das der Kontinent je gesehen hatte.

Die Duxas auf beiden Seiten schickten Kampfsklaven in rauen Mengen in den sicheren Tod. Tiere flohen in ganzen Herden vor dem Getümmel, nur Krähen und Aasgeier schienen angelockt zu werden, um sich in den frühen Morgenstunden nach der Schlacht an den Verbliebenen gütlich zu tun wie an einer gedeckten Tafel. Doch schon kurz nach Sonnenaufgang ertönten erneut die Hörner und wieder marschierten Verbände aufeinander los, während die Katapulte die Hauptstadt in ein brennendes Inferno verwandelten.

Megara stand an einem schmalen, hohen Fenster des höchsten Turmes ihrer Burganlage und bemitleidete sich selbst. „Warum versagen meine Untertanen? Die Bewohner der Stadt sind großteils ins Hinterland geflüchtet wie die Hasen, einige sogar zum Feind übergelaufen! Das ist Gotteslästerung! Bestraft sie! Bestraft sie alle! Wer flüchtet, der soll mit seinen eigenen Waffen geschlagen werden! Ich dulde keine Duckmäuser und Feiglinge!“ Die Duxa, die die Tirade voll Gift schlucken musste, salutierte gehorsam und rief aus: „Jawohl, höchste Majestät! Ich eile.“ Schnell entfernte sie sich von der Potentatin. Wie sollte nun dieser Befehl ausgeführt werden? Sie war ratlos.

Kerbera, die ebenfalls anwesend war, hörte ihrer Hoheit gar nicht mehr zu. Sie stieg hinab und bereitete ihre eigene Flucht vor. Eine Übernahme des Westheeres wäre zu dieser Zeit nicht mehr zu empfehlen. Sie musste eine Weile untertauchen und konnte später unter Fama wieder politisch oder militärisch aktiv werden. Denn Fama würde die Siegerin des Krieges sein, so viel stand für Kerbera zu dieser Stunde fest. Sie packte die notwendigsten Sachen zusammen, ließ sich zwei schnelle Rösser satteln und kleidete sich als einfache Jägerin. Nur ihr Leibdiener Cain sollte sie begleiten. Durch einen verborgenen Ausgang im Nordwesten verließen sie die Stadt und galoppierten ins Hinterland Richtung Westküste, derweil Megara zusehen musste, wie immer größere Teile ihrer Truppen kapitulierten. Nur noch spezielle Kräfte innerhalb der Stadtmauern und innerhalb ihrer Burganlage wehrten sich weiterhin standhaft und tapfer gegen die Übermacht. Doch der Widerstand bröckelte wie die Stadtmauer und würde nicht mehr lange standhalten.

Waren es Tage oder nur Stunden, die vergangen waren? Megara schritt in ihren Thronsaal und setzte sich das monströse goldene Kunstwerk auf das Haupt, das an einen Widderkopf mit rubinroten Augen erinnerte. „Ich bin eure Göttin! Warum wendet ihr euch ab von mir?“, rief sie hallend und anklagend in den Saal. Aber niemand antwortete ihr. Sie fühlte sich so einsam wie nie zuvor in ihrem Leben. Sie setzte sich auf den pompösen Thron und umklammerte die Armlehnen so fest, dass beinahe ihre langen Nägel splitterten.

Abas war in einen hängenden Käfig gesperrt, in dem er weder sitzen noch stehen konnte. Seine Kiefer waren weit aufgerissen und durch eine Mundbirne fixiert. Megara ließ ihn den grausamen Knebel tragen, weil er mittlerweile seine Sprache wieder gefunden hatte. „Schafft mir einen Magier her, der den Wurm wieder in das verwandelt, was er ist!“, hatte die Tyrannin gefordert, doch kein Heiler, kein Alchimist, kein Seher und kein Medikus waren in der Lage, Abas wieder zu verzaubern. Megara ließ Abas seit einiger Zeit mit allerlei Flüssigkeiten füttern. Einmal hatte sie seinen Bauch aufblähen lassen wie eine aufgeblasene Schweineblase. „Bete mich an! Erkenne deine Göttin an, du Wurm!“, hatte sie ihn immer wieder wütend angeraunzt und mit ihrem Zepter auf ihn eingeschlagen, doch Abas hatte nur nach Leda gerufen. „Du Hexe wirst eines nicht mehr fernen Tages für deine Sünden bezahlen“, hatte Abas mit letzter Kraft gehaucht. Megara war ausgerastet. Sie hatte den größten Tobsuchtsanfall ihres Lebens bekommen und eigenhändig 26 Prügelsklaven der Reihe nach abgestraft bis sie völlig erschöpft die Peitsche hatte fallen lassen.

Jetzt rief sie nach ihrer Majordoma: „Wo ist die nichtsnutzige Senatorin?“ Die Majordoma antwortete: „Höchste Göttin Megara! Leider ist zu berichten, dass sie nicht mehr in der Festung weilt. Ich habe bereits nach ihr geschickt.“ Megara stöhnte frustriert auf. „Ich enthebe Kerbera ihres Amtes! Sofort! Schafft sie mir her! Oder es rollen Köpfe! Und spießt mir die tote Verräterin Alekto auf und schafft sie auf die Zinnen, dass Fama sehen soll, was mit ihren lumpigen Spionen geschieht!“ Die Majordoma verbeugte sich demütig und zog sich zurück.

124. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 24.01.21 15:39

Kaum ein Gebäude der Hauptstadt war nicht Opfer der gnadenlosen Flammen geworden. Doch ganz nach Megaras Vorahnung hüllte das Feuer ihre Festung sogar wie ein schützender und undurchdringlicher Wall oder Panzer ein. Zwar liefen immer weitere Legionen zu Fama über, doch die Bastion der Megara war uneinnehmbarer als je zuvor geworden. Innerhalb des riesigen Bollwerks gab es schier unbegrenzte Proviantvorräte und mehrere Brunnen. Eine Belagerung konnte Megara jahrelang aussitzen. Doch ihre Herrschaft über den Kontinent war beendet.

Gerra erreichte die Nachschublinien der Ostarmee und gab sich als Söldnerin aus, die an die Front wolle, um gegen Megaras Schreckensherrschaft zu kämpfen. „Mutige Soldatinnen sind uns immer willkommen“, begrüßte sie eine Centuria und erklärte ihr den Weg zu einem der Hauptquartiere, wo sie sich einteilen lassen könne. Bald schon war sie uniformiert und offizielle Soldatin der Fama. Doch ihr wahres Ziel war, Fama zu töten. Wenn Amatio mit ihr nicht glücklich werden durfte, dann sollte auch Fama ihn nicht bekommen. Allerdings war der Weg zur Anführerin Fama noch weit, denn zunächst musste sie in ihrer neuen Verpflichtung einige gefährliche Scharmützel gegen die Reste verstreuter Kampfsklaven der Megara bestehen, die meist in Hinterhalten auf Einheiten der Ostarmee zustürmten. Genauso oft allerdings ergaben sich Teile der Westarmee kampflos und gaben den Treueid auf Fama ab.

Gerras Kampfkünste und Mut gereichten ihr, bald zu einer Centuria befördert zu werden. Sie gehörte nun einem Verbande an, der in der Nähe der Basis vor den Toren der Hauptstadt lagerte, in dem auch Fama ihr Quartier aufgeschlagen hatte. Längst hatten Verbände der Ostarmee die Siedlung eingekesselt. Es gab indes kaum noch entschlossene Gegenwehr des Feindes. Wer nicht gefallen oder übergelaufen war, der war als Fahnenflüchtiger ins westliche Hinterland desertiert. Als eine Duxa der Megara offiziell das Wappen der Herrscherin übergab und kapitulierte, verkündete Fama stolz den Sieg. Zwar war die Festung der Tyrannin noch nicht eingenommen, aber Fama galt nun als Potentatin des gesamten Kontinentes. Briefraben und Herolde verbreiteten die frohe Botschaft im gesamten Reiche. Fama war als Königin ausgerufen worden.

In der östlichen Metropole erfuhr das Volk die Neuigkeit und bejubelte unverhohlen euphorisch die neue Majestät und feierte ausschweifende Feste bis tief in die Nacht. Zumindest die Damenwelt war begeistert. Die Sklaven wirkten eher teilnahmslos und fatalistisch. Für sie war es gleich, ob Megara oder Fama das Land regierte. Welch fade Wahl war das - zwischen Pest und Antoniusfeuer? Aber für einen Leibeigenen geziemte es sich, keine Wahl zu haben.

In der verheerten Stadt gab es die ersten Aufräumarbeiten, Häuser wurden mit neuen Dächern gedeckt, Wände gemauert, Straßen ausgebessert oder neu gepflastert, eine übergroße Megara-Statue abgerissen, die dem gefräßigen Feuer getrotzt hatte, und zahlreiche Mosaike, auf denen sich die Despotin hatte feiern und verehren lassen, zerstört und mit Füßen getreten. Stattdessen wurden überall Fahnen der Ostmetropole aufgehängt. Diese sollte das neue Symbol des Reiches sein. Die Metropole würde zum neuen und prächtigen Regierungssitz werden. Ein neues und glänzendes Zeitalter sollte beginnen.

Einige Kriegsgefangenen wurden ohne viel Federlesens durch die Gassen gescheucht. In schweren Ketten führten Soldatinnen die Sklaven ab zu einer Sammelstelle vor den Toren der Stadt. In diesen Tagen des Neuanfangs herrschte Chaos in der Stadt und Umgebung. Viel zu viele Soldatinnen und Kampfsklaven überfüllten sämtliche Herbergen der Region. Es gab kaum genug Nahrung, während die umlagerte gestürzte „Göttin“ nach Lust und Laune in ihrem Refugium schlemmte. Doch Fama verzichtete trotz der Wut ihrer Untertanen darauf, die Trutzburg zu stürmen. Zu hoch wären die zusätzlichen Verluste, um einige Dutzend Feinde aus dem Gemäuer zu holen. Ferner war sie von Mentorinnen politisch beraten worden, Megara von sich aus kapitulieren zu lassen. Dies sei ein größerer Sieg, der sich dem gemeinen Volk besser verkaufen lassen würde. Auch sollte die verhasste Hexe nicht zur Märtyrerin avancieren.

Auf den Feldern vor der Stadt vertrieben sich die Soldatinnen mit fragwürdigen Spielen die Zeit. So hatten Sklaven einige ihrer Leidensgenossen bis zum Kopf in die staubige Erde eingraben müssen. Andere Männer hockten in arg winzigen Käfigen in der prallen Sonne und wurden sporadisch von den uniformierten Damen gegen den mörderischen Durst mit Flüssigkeiten versorgt. Einige Krüge enthielten Wasser, andere Wein, wieder andere enthielten ominöse Mixturen aus diversen Flüssigkeiten obskurer Herkunft.

Erst als die Soldatinnen es zu toll trieben, wurden sie von Centurias zur Ordnung gerufen, doch kurz darauf frönten sie erneut ihrem bedenklichen Zeitvertreib. Einem nackten Sklaven hatten zwei Frauen Hände und Füße zusammengebunden und ihn an einen Baum gestellt. Dann war ein Seil um sein Gemächt geschlungen worden und mit dem anderen Ende straff über einen Ast gezogen, so dass der Mann nur noch auf den Zehen balancieren konnte. Die beiden Damen sahen den hilflosen Versuchen, das Gleichgewicht zu halten und gegen die erschöpften Waden ankämpfenden Gefangenen gemütlich von einem Schattenplatz zu und diskutierten darüber, wie lange er es wohl noch in dieser Position zu tänzeln aushalte.

Andere Soldatinnen wetteten auf Sklavenpaare, die mit jeweils einem Bein zusammengebunden waren und einen Parcours absolvieren mussten. Das langsamste Paar wurde angeblich entmannt. Zwar wagten sich die Soldatinnen dies nicht wahrhaftig, da sie dann disziplinarische Strafen der Centuria befürchten müssten, doch war so eine kleine Drohung eine sehr wirksame Motivation für die Männer. Das Betteln und Greinen der Verlierer war eine köstliche Gaudi.

Etwa zehn Leibeigene saßen hintereinander auf einem dünnen Balken, der in Brusthöhe auf zwei Felsbrocken lag. Ihre Füße waren mit Lederriemen zusammengebunden. Die Hände waren ihnen mit kurzen Ketten an ihr eisernes Halsband fixiert. Wie lange die armen Kreaturen schon mit ihrem Körpergewicht auf dem schmalen Balken saßen, das wusste Maia nicht, die an ihnen vorbeilief, doch den gequälten Mienen der Männer nach zu beurteilen würden sie mittlerweile wohl alles tun, nur, um von dem Balken gehoben zu werden. „Eine Strafe für ihre Faulheit“, erklärte eine Soldatin lapidar grinsend, die Maias interessierten Blick gesehen hatte. „Der andere Trupp war schneller. So etwas muss Konsequenzen haben. Sonst schlafen die mir morgen noch ein.“ Eine zweite Soldatin, deren langes Haar ungebändigt über die Brust ihrer Lederrüstung floss, meinte: „Die Anführerin des schnellsten Trupps erhält morgen eine Sonderration Wein von der Centuria.“

Nicht weit entfernt sah Maia zwei Sklaven auf allen Vieren mit dem Rücken zueinander, die ein Lagerfeuer einrahmten. Auf den zweiten Blick erkannte sie, dass die Soldatinnen, die feixend bei ihnen standen, einen eisernen langen Stab mit dessen Mitte in die Flammen positioniert hatten, während die Enden des Metalls in den Männern mündeten. Der Stab musste heiß und heißer werden, bis einer der Sklaven zuerst vorwärts kroch, um der brennenden Hitze zu entkommen. Doch noch wagte es keiner von ihnen, obwohl sie jammerten und stöhnten. Ihr Ansporn, den kleinen lustigen Wettbewerb zu gewinnen, musste sehr groß sein. Das dreckige Lachen der Frauen schallte herüber. Der obszöne Spott ließ sogar Maias Ohren heiß werden.

Sie schlurfte nach einem anstrengenden Tag müde zu ihrem Zelt, als sie an einem kleinen Pinienhain vorbei kam. Drei Soldatinnen schienen sehr amüsiert. Vermutlich musste hier ein weiterer Unglücklicher leiden, dachte Maia und hoffte, dass es nicht Boreas sei. Sie kam näher und erkannte einen nackten Kriegsgefangenen, der an den Armen an einer Pinie aufgehängt worden war. Um sein Gemächt hatten die Frauen ein Seil geschlungen und einen Kübel daran befestigt. Maia wurde neugierig.

Die Frauen warfen nacheinander mit Kieselsteinen nach dem Kübel. Zahlreiche Steine lagen unter den Füßen des Hängenden, doch auch Dutzende der geschleuderten Wurfgeschosse waren in dem Holzgefäß gelandet und beschwerten den Kübel mehr und mehr. Die Uniformierten hatten ihre Harnische und gepolsterten Lederwesten ausgezogen und hatten es sich bei Wein und Brot an einem kleinen Feuer und seinen stiebenden Flammen bequem gemacht. Sie spielten mit Würfeln aus Knochen oder Horn. Maia war fast an ihnen vorüber, da johlte das Trio laut auf und klaubte mehrere Kiesel vom Boden auf, um sie der Reihe nach in den Kübel zu zielen. Maia lief flink weiter. Der Sklave hatte ihren Augenkontakt gesucht und gestöhnt, doch die junge Soldatin war zügig an dem Opfer der grausamen Späße vorbeimarschiert.

Später lag sie mit offenen Augen in ihrem Zelt. Sämtliche Kampfsklaven waren neu eingeteilt worden. Sie hatte keine Chance Boreas zu finden. Was war mit ihm geschehen? Wo war er just in diesem Moment? Maia betete zu den Alten Göttern, dass ihm nichts geschehen war. Sie war während der letzten Tage beim Aufbau der Stadt eingeteilt worden. Sie hatte Boreas seit Tagen nicht gesehen. Hatte er bereits beim Sturm auf die Stadt sein Leben gegeben? In ihren wirren Träumen kämpfte sie sich im Getümmel der Schlacht durch die feindlichen Bahnen und konnte trotzdem nur hilflos mitansehen, wie Boreas, von Pfeilen gespickt, zu Boden sank und seinen letzten Atemzug aushauchte.

Trotz der großen Sammelstellen waren die Kerker der Stadt, die vom Feuer verschont geblieben waren, überfüllt. Bei den Gefangenen handelte sich dort um feindliche Soldatinnen, denen man den Fahnenwechsel nicht geglaubt hatte. Die Frauen sollten einer strengen Befragung unterzogen werden, bevor sie frei gelassen werden konnten. Nichts fürchtete Fama in diesen Tagen so sehr wie einen Bürgerkrieg, der von Guerillakämpferinnen geführt wurde. Freischärler, die aus dem Verborgenen heraus gegen die neue Machthaberin vorgingen, um sie letztlich zu unterjochen.

Am weit entfernten Himmel zog ein gar wunderliches Fluggerät seinen Weg mit dem schwachen Winde. Leda starrte auf den Horizont, wo sich Himmel und das unendliche Meer küssten. Wieder war die Brise eingeschlafen, und der Ballon trudelte schwächlich über das Wasser. „Wenn es nicht bald auffrischt, dann haben wir all unser Brennmaterial verbraucht, um den Ballon in der Luft zu halten.“ Hagbard kritzelte auf eine Schiefertafel Zahlenreihen und seltsame Zeichen und Symbole. „Majestät, wir werden es schaffen. Es ist nicht mehr weit.“ Zelos räusperte sich skeptisch. Diese Zahlenhexerei, Mathematik geheißen, war ihm obskur. Seit einigen Tagen waren die Nahrungsrationen verkleinert worden. Sein Magen knurrte vor Hunger. Auch Nike war unzufrieden. Sie war in letzter Zeit leichter reizbar als eine Giftschlange. Und wenn Zelos in dem engen Korb nur ein wenig zu sehr in ihre Nähe kam, konnte es leicht geschehen, dass Nikes spitze Ellenbogen in seinen Rippen landeten oder sogar ihre Faust oder ihr Knie in seinem Gemächt explodierte.

Vier Mal war dies nun schon geschehen, obwohl er sich keiner Schuld bewusst gewesen war. Er quetschte sich so eng wie möglich in eine Ecke und hatte viel weniger Platz als die deutlich kleinere und zierliche Nike, doch die Gardistin fühlte sich trotz alldem bedrängt. Leda und Hagbard dagegen lagen oft eng beisammen und liebkosten sich ungeniert vor den Mitreisenden. Zelos war neidisch auf Hagbard. Wie gern hätte er Nike berührt und mit ihr ein Ruhelager geteilt. Doch die Soldatin fand an ihm keinen Gefallen. Ihre Lust brannte zwar des Nachts unüberhörbar, wenn sie leise lustvoll seufzte und anschließend ihre Hand aus der Lederhose zog, doch mit Zelos wollte sie offenbar nicht anbändeln.

Als der Verschmähte des Nachts einmal Hand an sich legen wollte, war Nike aufgewacht und fuchsteufelswild geworden. Ein Schwein sei im Korb, spie sie giftig. Vor zwei Damen habe er seiner Lust frönen wollen, und dann auch noch vor der Königin! Leda hatte achtbarere Gesellschaft verdient. Wäre ein Keuschheitsgürtel an Bord, so hätte er ihn unverzüglich anzulegen. Nike hatte sich fürchterlich aufgeregt und damit auch Leda nervös gemacht, die ihr Recht gegeben hatte. Die vorwurfsvollen Blicke der Majestät hatten ihn mehr geschmerzt als ein Dolch im Herzen. War er nun für alle Tage als Sittenstrolch gebrandmarkt? Zum Ruhme gereichte es ihm wohl nicht gerade.

Als Zelos wenigstens von seinem Leidensgenossen Zuspruch bekommen wollte, wendete Hagbard sich unwirsch mit den Worten ab: „Versuche das tunlichst nie wieder, Zelos! Das ziemt sich nicht für einen Stallburschen!“ Doch in der übernächsten Nacht hatte Zelos bemerkt, wie die Königin und Hagbard es leise miteinander trieben. Leda hatte sich in Zelos Schoß gesetzt und wiegte sich langsam vor und zurück. Nike tat zumindest so, als schliefe sie. Und als Zelos einfach nicht mehr ruhig daliegen konnte, schleuderte Leda ihm ungeduldig eine Felldecke über den Kopf und keuchte: „Wende dich ab, du Lüstling!“ Doch das war nicht förderlich, um sein loderndes Verlangen zu zügeln. Vor seinem geistigen Auge sah er die Liebenden nun umso klarer vor sich.

Während Leda, Zelos, Hagbard und Nike schon fast den Alten Kontinent erreicht hatten, waren die Zurückgebliebenen auf dem Westkontinent auf ein geschütztes Tal gestoßen, dass nur durch einen verborgenen Zugang in einer Felswand erreichbar war. Hier hatten sie beschlossen zu bleiben. Thrym, Ate, der Medikus, Pan und der in einem KG versperrte Ajax bauten hier neue Unterkünfte. Die Umgebung bot genügend Wild zum Jagen, Beeren und andere Früchte. Als Würdigung an ihre Königin erhielt ihre neue Heimat den Namen „Tal der Leda“.

Jeder erhielt eine eigene Hütte. Ausnahme waren Ate und Pan, die zusammenzogen. Nur Ate wusste von ihrem kleinen Geheimnis, dem Schlüssel für den Keuschheitsgürtel des Ajax. Vorläufig wollte sie niemandem – nicht einmal Pan – davon erzählen. Aber wenn sie den Schlüssel an ihrer Brust spürte, der an einem Lederriemen hing, während sie die Liebe von Pan empfing, durchströmte sie ein wohliges und gleichauf machtvolles Gefühl, das sie sich nicht erklären konnte.

Als Thrym mit seinem Langbogen außerhalb des Tales einem Hirsch nachstellte, hörte er jäh verdächtiges Rascheln hinter sich. Er schleuderte herum und hätte beinahe den gespannten Pfeil abgeschossen, als er den Mann erkannte. Thrym rief verdutzt: „Gladius?“ War er einem Trugbild aufgesessen? Ein untoter Walddämon in Gestalt des verstorbenen Gefährten? Doch wirkte Gladius immer lebendiger und menschlicher, je näher er kam.

Der Himmel über dem großen Meer verdunkelte sich gefährlich. Leda betrachtete die aufziehende Wolkenwand mit Besorgnis. „Das wird ein arg schweres Unwetter geben“, sagte sie mehr zu sich selbst und hoffte, dass ihr Ballon keinen Schaden nehmen würde. In wenigen Minuten war es trotz der Mittagszeit so düster wie am späten Abend. Unruhige Böen kamen auf und ließen den Ballon durch die Luft wirbeln und den Korb mit den vier Reisenden unsicher schaukeln. Zelos verkrampfte sich an zwei Haltegriffen, Hagbard und Nike spannten einen Schutz über ihre Köpfe. Leda zurrte den restlichen Proviant mit Seilen fest. Und schon brach es über sie ein wie ein Weltuntergang. Der Himmel öffnete alle seine Schleusen und goss den Regen wie aus Kannen hinab. Grelle Blitze und ohrenbetäubender Donner ließen nicht lange auf sich warten.

Trotz des Ballons über ihren Köpfen stand das Wasser knöchelhoch im Korb. „Das Feuer erlischt“, brüllte Hagbard warnend gegen den lauten Donner an. Der Ballon trudelte durch verschiedene Luftschichten, die heulten und pfiffen. Leda betete zu den Alten Göttern. Doch nun setzte schwerer Hagel ein und durchlöcherte den Ballon. Die dicken Hagelkörner prasselten auf den Stoff ein wie Geschosse aus Armbrüsten. Der Ballon fiel zusammen wie ein eingestürztes Zelt. Leda sah unter sich die tosenden Wellenkämme. „Die Götter wollen nicht, dass wir unser Land erreichen. Sie haben uns aufgegeben.“ Und im nächsten Moment fiel der Korb fast wie ein Stein vom Himmel. Leda riss ihre Augen erschrocken und in Todesangst auf. Das wilde Meer schien auf sie zuzuschießen.

Während ihr die kalte Luft ins Gesicht schoss, spürte sie die hilfesuchenden Blicke der anderen in ihrem Nacken wie sengende Hitze. Deren unausgesprochenen Worte des Vorwurfs hallten in Ledas Schädel lautstark: Was sollen wir tun? Warum rettest du uns nicht? Ist das unser Ende? Wir werden alle sterben. Warum lässt du das zu? Ist uns keine Rettung beschieden? Trachten die Götter uns nach dem Tode? Und warum führt uns unsere Königin, der wir uns verdingt haben, ins Verderben?

Thrym, Ate, Pan und Ajax hingen an den Lippen des heimgekehrten Gefährten und lauschten seinem spannenden Abenteuer. Gladius sprach schon eine ganze Weile.„Nachdem mich dieses fremde Volk gefangen genommen hatte, brachte man mich zu einer Art Medikus, der allerlei Untersuchung mit mir anstellte. Zwei seltsam uniformierte Männer fragten mich nach meiner Herkunft. Natürlich war alles nicht so einfach, weil sie unsere Sprache nicht verstehen. Aber mit der Zeit konnten wir uns mit Händen und Füßen ganz passabel verständigen. Man behandelte mich gut. Sogar ausgesprochen gut! Doch dann merkte ich, dass ich ein Gefangener war und bleiben sollte. Ich durfte nicht mehr zu euch zurückkehren. Und schließlich machte sich auch Unmut gegen mich breit. Ein unheimliches Fieber raffte einige Bewohner dahin, und mir wurde die Schuld dafür gegeben.“

Gladius erzählte, wie er im letzten Augenblick flüchten konnte, bevor der Mob ihn lynchte. Und dann zeigte er den verdutzten Gefährten den ominösen Knüppelstab, den er einer Wache aus der Hand hatte reißen können und demonstrierte die Waffe. „Sie nennen es Muskete.“ Thrym, Ate, Pan und Ajax zuckten erschrocken zusammen, als jählings ein lauter Knall ertönte und eine Rauchwolke aus dem Stab erschien. Gladius zeigte in die Richtung, in die er den Zauberstab gehalten hatte. Verblüfft merkten die Gefährten den zum Teil abgerissenen Ast an dem Baum, der aussah, als habe ein Berserker mit seiner Axt zugeschlagen. Gladius zeigte den Staunenden einen Beutel mit Metallkugeln und einen weiteren Beutel mit „Zauberpulver“.











125. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 31.01.21 17:37

Leda glaubte, dass ihr alle Knochen im Leibe zerbrachen, als der Korb auf die harte Meeresoberfläche aufschlug. Sie fühlte sich wie vom Henker gerädert. Das aufgewühlte Wasser überspülte brodelnd den Korb mit schäumenden Wogen, einer Wasserwand und weiterem Gischt. Der Ballon dagegen riss sich knallend von seinen Seilen und flog knatternd im heulenden Wind davon und verschwand in Streifen und Fetzen gepeitscht in der Schwärze der salzigen Luft.

Alle Kräfte benötigten die Vier, um sich an den Korb zu klammern, der gekentert aber doch noch halb über Wasser krängte, in tiefe Wellentäler eintauchte, um kurz darauf von gewaltigen Brechern überschüttet zu werden. Die Besatzung krallte sich so fest sie konnte an die Wände, während sie von ihren Beinen gerissen wurde, Salzwasser schluckte und zu den Alten Göttern betete. Das Meer spülte krachend in den Korb, um im nächsten Augenblick wieder mit bärenstarkem Sog aus ihm hinauszujagen. Fauchender Schaum erfüllte die Luft, so dass es kaum zu atmen möglich war. Längst klebten die Kleider der Notleidenden an ihren Leibern, teilweise war ihr Stoff durch die brutalen Kräfte der Natur sogar gerissen.

Die Elemente wüteten und tobten sich mit Urgewalten aus. Es herrschte ein donnerndes Grollen und Getöse, als sei ein apokalyptischer Krieg unter den Alten Göttern ausgebrochen, und Leda sei mit ihren Begleitern genau zwischen die Schlachtreihen geraten. Bald wusste die Königin nicht mehr, wo oben oder unten war, der schwarze Himmel oder die tiefe See, Wassermassen droschen auf den sich chaotisch drehenden Korb ein und machten ihn zum Spielball des Infernos. Er war eine kleine, unbedeutende Nussschale in der unendlichen Weite des Meeres. Und unter ihr harrten die Fische in den wirbelnden Strömungen auf ihre Mahlzeit.

Glimpflich würde dieser Tag nicht zuneige gehen, das war gewiss. Irgendwann verließen Leda die Kräfte, das Pfeifen und Zischen des Windes wurde in ihren Ohren dumpf und ihr wurde gewahr, dass sie eine schwarze Besinnungslosigkeit empfing, als die Dunkelheit sie verschluckte. Alles Weitere lag in den Händen der Schicksalsgötter.

Kerbera hatte die Westküste erreicht und ritt in eine kleine Siedlung ein. Dort wollte sie bei einem Bauern eine Kammer mieten und Famas Sieg abwarten. Dann würde sie zurückkehren und vielleicht eines Tages die rechte Hand der neuen Machthaberin Fama sein. Der Ritt führte sie einen mäandernden Weg entlang. Am Rand der Strecke ragte ein alter Galgen auf, der morsch wirkte und wohl eine Weile nicht mehr genutzt worden war. Ein Strang war nicht vorhanden. Und doch schien die Konstruktion beseelt von den Geistern der lasterhaften Toten. Kerbera hatte solchen Urteilen früher zuhauf beigewohnt und hatte wieder vor Augen, wie die Kerle um ihr Leben bettelten und dann an der Schlinge unter der jubelnden und spottenden Meute baumelten und zuckten, bis sie langsam ins Totenreich reisten. Während sie sich mit einem dezenten Lächeln daran erinnerte, schüttelte es Cain vor Grauen. Unbewusst griff er sich an den Hals.

Kerbera erreichte ein kleines Gehöft, das einige Steinwürfe weit abseits des Weges lag, und sprang vom Pferd. Ihr Umhang flatterte im Wind. An der Küste zeigte das Meer Schaumkronen als wäre es ein gewaltiger Krug mit Ale. Am Horizont türmten sich schwarze Gewitterwolken. Das benachbarte Dorf vermisste noch zwei Fischerboote, doch vermutlich waren sie Opfer des Sturms geworden. Am Holzkai der nahen Küste knieten vier wahrlich sonst nicht zimperliche Weiber und weinten bitterlich, ihre Hände vor die Gesichter gehoben, um ihre Männer oder einen Teil ihrer Sippe.

„Cain“, befahl sie ihrem Sklaven, „ich bin dein Weib, falls jemand fragt.“ Cain nickte ergeben und konnte sich ein Schmunzeln ob dieser Tarnung nicht verkneifen. Zum ersten Mal seit langer Zeit dufte er vollständig gewandet sein. Kerbera kam drohend auf ihn zu. „Aber glaube nicht, dass du auch die Rechte eines Mannes hast!“ Cain wirkte ein wenig eingeschüchtert. In diesem Moment trat die mollige Bäuerin vor die Tür. „Seid ihr auf der Durchreise?“ Sie rieb sich die Hände an ihrer Schürze sauber. Kerbera wollte gerade antworten, da sagte Cain mit dunkler, fester Stimme: „Ich bin auf der Suche nach Arbeit. Vielleicht als Fischer oder Knecht. Wir kommen aus dem Osten und sind vor dem Krieg geflüchtet, mein Weib und ich.“ Beim Wort „Weib“ schlug er Kerbera herzhaft auf ihr Gesäß.

Kerbera sah aus, als sei vor ihr ein Geist erschienen. Sie wurde kreidebleich, dann rot vor Zorn, reagierte aber nur mit einem gezwungenen Lächeln, das eher einer Grimasse glich. Die Bäuerin winkte sie zu sich. „So kommt mal herein in die gute Stube. Ihr habt sicherlich ob der beschwerlichen Reise guten Hunger und Durst mitgebracht.“ Cain drängelte sich vor sein Weib, das ihm mit zusammengepressten Lippen folgte. Die Zähne knirschten während Cains Grinsen immer breiter wurde.

Das „vermählte Paar“ ließ sich auf eine rustikalen Holzbank nieder und genoss die wärmende Luft, die von einem geziegelten Ofen ausstrahlte. Neben der Feuerstelle stand eine Zunderbüchse und lag ein Haufen Kienspäne. Die Frau tischte einen heißen Fisch-Eintopf, Brot, Butter und Schinken auf; dazu gab es einen Krug mit warmem Kräuterwein. Kerbera staunte. Sie hatte gedacht, dass die Einwohner dieses Küstenlandstriches eher ärmlich waren. Sie stellte fest: „Ihr lebt hier draußen recht unabhängig vom Königreich. Habt ihr keine männlichen Sklaven?“ Die Bäuerin schüttelte den Kopf. „Nein. Mein Mann lebt seit vergangenem Winter nicht mehr. Ein schweres Leiden in seinem Bauch hat ihn geholt. Zwei Knechte und drei Mägde helfen mir. Aber Leibeigenschaft haben wir hier an der Küste nie für manierlich befunden. Weder die von Weibern noch von Recken.“ Sie stellte ihren Kelch schwer auf dem Tisch ab.

„Aber sagt: Ihr kommt doch aus dem Osten. Warum ist Euer Gatte nicht Euer Eigentum, wie es dort üblich ist?“ Kerbera stockte. Ja, warum? Warum hatte Cain sich so hervorgetan? Er sollte doch nur ihr Mann sein und nicht gleich ihr Herr! Leidlich versuchte sie sich an einer Antwort. „Äh… Das ist so… Wir stammen aus einer Region, die ebenfalls keine Sklavenhaltung kennt.“ Cain mischte sich in das Gespräch der Weiber. „Deshalb sind wir geflohen! Um hier ein freies Leben an der Küste zu leben.“ Die Bäuerin nickte verstehend. „Darauf lasst uns die Kelche heben!“ Das Trio stieß mit den blechernen Gefäßen an.

Die Gastgeberin erzählte noch lange von der Geschichte der Küstenregion, gab einiges Fischerlatein zum besten, zum Beispiel berichtete sie von Seemonstern und haushohen Wellen, die ganze Boote verschluckten, von einer Meerjungfrau und einem gewaltigen Schatz am Grund des Ozeans, der von einer Seeschlange bewacht wurde. Dann fragte sie das Paar nach Neuigkeiten aus der Hauptstadt aus und goss einige Male die Kelche nach. Cains Zunge lockerte mehr und mehr, je später der Abend wurde. Er schilderte von dem feministischen System im Osten und dem harten Leben der Männer.

Erst viel später, als Kerbera und Cain sich zurückgezogen hatten, giftete die zum Eheweibe degradierte Frau ihn an: „Wie kannst du es wagen? Beinahe hätten wir uns verdächtig gemacht.“ Cain blieb überraschend gelassen und sagte spitzbübisch: „Wir würden uns höchstens verdächtig machen, wenn heute Nacht das Bett nicht knarren würde…“ Kerbera blieb der Mund offen stehen. Was war nur in Cain gefahren? So hatte er noch nie mit ihr gesprochen. Doch bevor sie ihm eine saftige Ohrfeige geben konnte, hatte er sie umschlungen und küsste seine Herrin.

Kerbera ließ es geschehen. Ihr Liebessklave wusste, wie er ihr Freude machte. Und das konnte sie jetzt dringlich gebrauchen. Sie genoss seine Liebkosungen, seine Zunge und seine Hände, seine Lippen und… Doch was tat er nun? Er forderte selbst seine Gelüste ein! Er drückte sanft ihre Schenkel auseinander und drang mit seiner Männlichkeit in ihre süße Spalte, die ihn hungrig aufnahm. Kerbera wollte dem unverschämten Cain seinen Platz zeigen, doch ihr eigenes Verlangen war zu groß. Sie ließ alles geschehen. Nur ganz schwach war ihr Widerstand, als sie hauchte: „Ich hätte dir einen Keuschheitsgürtel anziehen sollen, wie es sich für einen Liebessklaven gehört.“ Aber ihr wurde ansichtig, dass es dafür nun zu spät war.

Cain lag im Ellbogenstütz über Kerbera und hatte ihre Handgelenke auf das Laken gedrückt, als sei sie ein junges Mägdelein. Die ehemalige Senatorin hatte die Gegenwehr aufgegeben und genoss die Hingabe insgeheim, doch schaute sie immer noch, als wollte sie Cain wie eine Wildkatze die Augen auskratzen. Sie pustete sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und hob den Kopf, um gierig den Kuss ihres „Mannes“ zu empfangen. Die beiden Leiber zuckten rhythmisch im Takt ihrer Liebe auf dem knarrenden Bett und leises Stöhnen und der glänzende Schweiß auf ihren Körpern zeugte von ihrer gemeinsamen Lust.

In der Metropole herrschte bei Sklavenhändlerin Ceres großer Unmut. „Ein Sklavenüberschuss!?“, raunzte sie die gerüstete Frau an, die nur gleichgültig mit den Schultern zuckte. „Der Kriegszug ist beendet. Viele Kampfsklaven mussten zwar ihr Leben lassen, aber dafür gehören nun mindestens die gleiche wohlfeile Menge zu Famas neuem Reich, die zuvor Megara unterstellt waren.“ Ceres war außer sich. Was malte diese Kommandantin da nur für ein grausiges Bild? „Das heißt, Ihr wollt meine Ware nicht kaufen?“ Die Kommandantin nickte selbstgefällig zur Bestätigung. „Und Ihr werdet auch in den Regionen um die Metropole herum oder weiter im Westen niemanden finden, der Euch auch nur ein Kupferstück pro Exemplar zahlt.“ Ceres konnte es nicht fassen. Sie fächelte sich Luft zu. Der Sklavenmarkt war völlig zusammengebrochen!

Ein rabenschwarzer Tag für ihre Unternehmung. Sie hatte jüngst noch zwei Schiffsladungen Frischfleisch von ihrer alten Bekannten Phoibe angekauft, die mit ihrer Galeere auf dem Ostkontinent auf Jagd ging, doch was sollte sie nun mit all den Männern tun? Aus dem vermeintlichen Meisterstreich war ein Reinfall geworden. Ceres versuchte es bei ihrer Konkurrentin Flagella, aber auch die war froh um jedes Exemplar, das sie noch verscherbeln konnte. „Es kommen auch wieder bessere Zeiten“, sagte sie wie zum gegenseitigen Trost, „aber vorerst werde ich keine Ware kaufen. Meine Lager sind noch voll bis oben hin. Keiner will kaufen. Sogar Cassandra, meine großzügigste Kundin, mit ihren riesigen Rohrzuckerplantagen hat abgelehnt.“

Ceres ritt frustriert nach Hause. Warum versagte ihr das Glück den Gehorsam? Wäre Fama doch niemals gegen Megara in den Krieg gezogen! Selbst ihr Liebessklave Aphron würde ihre Laune nicht heben können. Sie musste erst mal ihre Wut loswerden und rief nach einem Prügelsklaven, den sie mit einem Rohrstock verdrosch. Erst als sie ihr Mütchen gekühlt und ihrem Wohle geschmeichelt hatte, war ihr ein wenig leichter ums Herz und sie konnte sich auf das Liebesspiel von Aphron einlassen und sich ihm hingeben.

Sie schrie ihren Höhepunkt der Leidenschaft so laut hinaus wie nie zuvor. Aphron war kurz davor, seinen Samen zu verströmen, doch Ceres bestimmte: „Schließe dich in deinen Gürtel ein! Heute sollst du deine Begierde in dir behalten!“ Aphron seufzte. „Jawohl, Herrin. Ich hoffe, Ihr wart mit mir zufrieden?“ Ceres winkte ihn aus dem Bett. „Lass mich allein. Es war ein anstrengender Tag.“ Aphron verneigte sich demütig und zog sich leise zurück. Außerhalb der Schlafkammer fasste er sich mit gequälter Miene in den Schritt. Sechs Monde! Das Tor zur Erlösung seiner Lust blieb weiterhin verschlossen. Hoffentlich ging der Sklavenhandel bald wieder glorreicheren Zeiten entgegen. Sonst würde er unter der abträglichen Laune seiner Herrin noch mehr zu leiden haben, die längst des Harrens überdrüssig war.

Im Zentrum der Metropole ließ sich die kommissarische Statthalterin Helena von zwei Sklaven mit warmem Öl ihre milchige Haut massieren. Bald würde Fama von ihrem erfolgreichen Feldzug wiederkehren. Was würde dann aus ihr werden? Fama wollte die Hauptstadt ihres Reiches in die Metropole verlegen. Würde sie, Helena, dann in der westlichen Stadt Präfektin werden? Oder wieder als einfache Duxa Dienst im Heer tun? Die Zukunft kannten nur die Götter. Doch sie konnte Opfer bringen und beten, um ihre Gunst zu erlangen.

Ein pechschwarzer Briefrabe hatte vom Sieg der Fama berichtet und ihre baldige Rückkehr angekündigt. Schnell wie ein Lauffeuer hatte sich die Neuigkeit verbreitet. Mit allen Ehren und einem großen Prunkfest sollte sie empfangen werden. Die Vorbereitungen für den triumphalen Einzug und das anschließende große Spektakel in der Arena der Metropole mit zahlreichen Gauklern, Akrobaten, Feuerschluckern, Artisten, Zauberkünstlern, Fakiren, Messerwerfern, einem Wagenrennen und vielen Sklavenkämpfen und weiteren Belustigungen waren in vollem Gange.

Im fast undurchdringlichen Urwald des wilden Ostkontinents war derweil die Sklavenjägerin Phoibe mit einem Trupp von über zwanzig Jägerinnen unterwegs zu einem besonders abgelegenen Gebiet um einen alten erloschenen Vulkan. Eigentlich hatte Phoibe ihr Handwerk an den Nagel hängen wollen, denn Sklaven waren wegen des großen Überschusses kaum noch von Wert, doch dann hatte sie von der Legende um einen Troll gehört, der dort hausen sollte. Ein Gigant. Über drei Rösser hoch und schwer wie zwei Ochsen.

Phoibe versprach sich vom Fang des Ungeheuers einen enormen Preis. Und ihr Ansehen als Sklavenjägerin würde ebenfalls unvorstellbar steigen. Ein Troll als Höhepunkt in der Arena. Zu Ehren der Fama würde das Monster gegen Sklaven kämpfen. So etwas war noch nie da gewesen. Aber gab es so ein Wesen überhaupt oder war alles nur Hirngespinst und Fabel? Phoibe hatte viel in diese Expedition investiert. Den Jagdtross begleiteten 50 Trägersklaven. Der Weg zu dem Vulkan war gefährlich. Aus dem Hinterhalt konnten sie von Amazonen angegriffen werden, die in diesem Gebiet lebten. Und giftige Tiere, halb Drachen, halb Schlangen sollten dort nach alten Erzählungen hausen. Phoibe war auf der Hut. Trotz einer unterschwelligen Angst fühlte sie ein angenehmes Kribbeln unter ihrem bernsteinfarbenen Wildlederwams, eine Gefühlsaufwallung, die ihr bisher keine andere Jagd eingebracht hatte. Sollte ihr der Fang gelingen, so war sie eine gemachte Frau. Betucht genug, um ein neues Leben anzufangen.

Die durchlauchte Megara lief in den Hallen ihrer Festung herum wie ein eingesperrter Tiger in der Grube. Wie konnte das nur geschehen, dass diese infame Fama sie der Macht beraubt hatte!? Wie konnte eine noch so niedere Kreatur solch zügellose Raubgier an den Tag legen!? Fama fühlte sich an wie ein Stachel in ihrem Arsch. Und was war mit ihrer angeblich loyalen Streitmacht? Die Kraft in ihren Gliedern war da, um jede Rebellion im Kern zu zerschlagen, doch in ihren Köpfen fehlte sie offenbar. Die Tyrannin warf den x-ten Glaskelch an die steinerne Wand. Was sollte sie nur tun? Wie konnte sie sich ihr Reich von dieser vermaledeiten Usurpatorin zurückholen?

Nur wenige Soldatinnen und Kampfsklaven waren ihr innerhalb der Mauern geblieben. Zwar würde sie in ihrem Bollwerk nicht zu besiegen sein, doch wäre sie eingesperrt für alle Zeiten. Ihr rechter Arm tat weh von den vielen Schlägen mit der Peitsche. Wenn sie ihre Sklaven prügelte oder ihre Liebesdiener in ihrem Harem demütigte, würde dies an ihrem Schicksal auch nichts ändern. Es musste eine Lösung her. Sie rief die Führung der Leibgarde und Palastwache sowie die verbliebenen Beraterinnen zusammen, die ihr in ihrer Bastei geblieben waren.

Die Damen beratschlagten über diverse Vorschläge. Eine Kapitulation kam für Megara nicht infrage. Selbst, wenn sie eine Amnestie im Exil aushandeln könnte, würde sie diese erniedrigende Möglichkeit kategorisch ausschließen. „Niemals werde ich Fama diese Genugtuung gönnen!“, stellte die Tyrannin klar. „Außerdem traue ich einer Verräterin nicht.“ Ihre Vertrauten stimmten ihr zu. Es musste eine andere Strategie her. Ein Kampf war natürlich völlig ausgeschlossen, denn die paar Hundertschaften in der Burganlage würden gegen die zigtausend Aufständischen keine Chance haben. „Es wäre ein ehrenvoller Tod auf dem Schlachtfeld zu sterben“, meinte eine hohe Soldatin inbrünstig, doch Megara blickte sie seltsam an und schwieg. Eine Göttin war unsterblich.

Eine unbemerkte Flucht durch die meilenlangen Stollen des Bergwerks, das sich genau unter dem Palast durch die Felsen und Erdschichten wand, so schlug eine Adelige vor, könnte einigen Auserwählten gebührenden Vorsprung verschaffen, um im Hinterland im Westen unterzutauchen. „Je mehr durch die Schächte flüchten, desto leichter fällt es auf. Daher sage ich, dass nur eine Auswahl diesen Weg nimmt, und der Rest ein Ablenkungsmanöver startet. Zum Beispiel ein Ausfall aus den Toren.“ Megara nickte selbstgefällig. „So sei es. Schickt eine Truppe in die Mine, um zu erforschen, bis wohin die Gänge reichen, und ob es von dort einen Weg an die Oberfläche gibt. Falls dies so ist, beginnt mit den Grabungen.“ Die Despotin beendete die Runde und zog sich zurück.

Megara verschwand durch einen Rundbogendurchgang, der von aufgezogenen schweren Samtvorhängen gesäumt war, die von Quasten gebändigt wurden. Sie griff in eine vergoldete Obstschale und biss in einige Weintrauben. Noch gab es frisches Obst in Hülle und Fülle. Aber es war ein Dilemma: Viele Menschen würden viel Nahrung benötigen. Doch je weniger Verteidiger sie für die Zitadelle hatte, desto gefährlicher konnte Fama ihr werden. Und langsam gingen die ersten Luxusgüter aus. Die Hoffräuleins mokierten sich bereits hinter vorgehaltener Hand über die „eingesperrte Göttin Megara“ und murrten über die eigene Gefangenschaft: keine Ausritte mehr, keine Sklavenjagden, keine Kutschfahrten mehr, keine großen Feierlichkeiten und Bankette, bei denen die illustre Schar schmauste und soff, bis ihnen die Wänste und Mieder barsten. Die fehlenden Verlustierungen ließen sie ungemach werden.

Die Idee mit dem Geheimtunnel war gar nicht so übel, sinnierte Megara. Allerdings musste er freigeschaufelt werden. Schon vor längerer Zeit hatten die Sklaven alle Eingänge außerhalb der Burganlage zugeschüttet, so dass Fama nicht etwa durch die Mine in den Palast eindringen konnte. Megara erinnerte sich daran, dass vor vielen Jahren ihr Gatte Talos III. einige Schächte der Mine hatte verschließen lassen, weil sie teilweise eingestürzt oder mit Grundwasser geflutet waren. Und aus Erzählungen des Königs hatte sie erfahren, dass die Mine bereits seit zwei Jahrhunderten existierte, dass Talos I. sie zu seinen Zeiten hatte graben lassen. Angeblich gab es sogar ein natürliches Höhlensystem. Doch das war nur Teil einer alten Überlieferung.

Megara stolzierte mit ihrer rubinroten Robe in ihren Harem und winkte zwei Liebessklaven herbei, die sofort unterwürfig herbeieilten und sich vor die Füße ihrer Herrin warfen. Schleimig anbiedernd kämpften sie um die Gunst der Göttin, was sie nicht etwa anwiderte, sondern sie weidete sich geradezu am Verhalten ihrer Sklaven. Die devoten Männer ersehnten sich einen Aufschluss aus ihren Keuschheitsgürteln, so dass sie so gut wie alles dafür tun würden. Megara genoss die Macht über deren Männlichkeiten. Wenigstens darüber verfügte sie noch, dachte sie seufzend. Und über Abas! Ja, ihre Geisel hatte sie ja ganz vergessen. Megara rief nach einer Wache: „Bringt mir Abas, den Wurm! Wenn ich hier fertig bin, dürfen sich meine Haremssklaven an ihm gütlich tun.“ Sie würde jeden Augenblick genießen! Die Wächterin salutierte zackig und verließ das Liebesnest der Herrscherin, um den Gefangenen aus dem Kerker zu holen.

Im Innenhof amüsierten sich derweil einige Soldatinnen der Palastwache mit zwei nackten Sklaven, die zu einem Schlammringen genötigt wurden. Als der Sieger feststand, drückte eine Soldatin mit hüftlangem und seidigem Haar, das über ihren Lederharnisch floss, dem Verlierer das Gesicht mit ihrem Stiefel in den Morast. „Was für ein Dreckschwein wir hier haben!“, rief die uniformierte Frau und verhöhnte den Sklaven. Ihre Kameradinnen fielen mit ein und johlten. „Lasst ihn uns waschen!“, schlug eine der Aufseherinnen vor und zeigte auf einen Brunnen, der wegen seines schlechten Wassers nicht mehr verwendet wurde. Doch für eine Waschung der besonders Art sollte er nun gut genug sein.
126. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von AlfvM am 04.02.21 13:11

Weiterhin tolle und spannende Geschichte weiter so VG Alf
127. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 14.02.21 16:47

Die Frauen befestigten an einem Fuß des Sklaven das Brunnenseil und ließen ihn in den gemauerten Schacht fallen. Die Leine rollte sich rauschend von dem dicken Balken ab und ließ den Mann hinab in die Dunkelheit stürzen und schließlich spritzend in brackigem Wasser eintauchen. Das Aufplatschen sorgte für reichlich Heiterkeit bei den Damen. Zwei weitere Sklaven mussten den Mann nun wieder hochziehen und dabei das Seil auf die Holzrolle wickeln. Kaum war er oben, so ließen die Sklaven auf Befehl wieder los und ließen den Leibeigenen erneut hinabrasen.

Seine Schreckensschreie heizten die Stimmung unter den Soldatinnen noch an, die in lautes Gelächter ob ihres Schabernacks ausbrachen. Einige äfften die Schreie zur gegenseitigen Belustigung nach. „Morgen werden wir dich wieder kämpfen lassen“, kündigte die Sprecherin der illustren Runde an. „Wenn du dann wieder versagst…“ Sie ließ den Satz unbeendet. Der Sklave, der ihr kopfüber im Brunnen hängend zugehört hatte, schrie wieder auf, als er blitzartig Richtung Brunnenboden schoss. Die Rednerin grinste ihre weiblichen Zuhörerinnen an und meinte laut: „Lasst uns morgen den Riesen aus der Wachmauerabteilung am Südturm nehmen. Ihr wisst schon, wen ich meine.“ Wieder ertönte schadenfrohes Gelächter und Gekicher. Gegen den Koloss würde der Sklave hoffnungslos verlieren. Das würde ein wunderbarer Spaß!

Als der Sklave erneut fast am oberen Brunnenrand ankam, beugte sich die Soldatin über das raue Mauerwerk und streckte sich nach dem Gemächt des tropfenden Mannes. „Morgen werden wir das Seil nicht wieder um deinen Fuß binden…“ Die Uniformierten lachten, schäkerten und feixten lauthals. Der Sklave schrie weibisch und grell auf, und die Seilrolle drehte sich wieder rasend um sich selbst, als sie das Hanftau abwickelte. Und wieder mussten die beiden Leibeigenen an den Kurbeln den nassen Sklaven hochziehen. Sie waren längst erschöpft, denn der Klamauk der Frauen dauerte inzwischen lange an, aber die Breitseiten der Schwerter motivierten die Männer bei ihrer Arbeit, denn regelmäßig knallten diese auf die nackten Gesäße.

Erst als die Soldatinnen wieder an die Mauern und Wachtürme gerufen wurden, endete die „fröhliche Waschung“. Die Centuria, die auch die spottende Wortführerin gewesen war, jagte die beiden Sklaven vom Brunnen weg und machte sich mit ihrem Trupp auf zu ihrem Standort. Die durchnässte und völlig erschöpfte, nackte Gestalt verblieb im Brunnen. Ihr Wohlergehen war nicht von Belang. Die Frauen hatten keine Verwendung mehr für das Subjekt. Wenigstens war das Seil so lang, dass das arme Geschöpf aufrecht im Wasser stehen konnte. Ein Mauervorsprung in etwa zwei Ellen Tiefe des stinkenden Wassers erlaubte ihm, sich ein wenig auszuruhen.

Erst, als es dämmerte, und es unten im Brunnen bereits stockdunkel war, wagte er, um Hilfe zu rufen. Eine Wächterin schaute nach einer Weile zu ihm hinunter und hielt eine Laterne so, dass sie die Umrisse des Mannes sah: „Was machst du denn da?“, rief sie hinab. „Ein Trupp Soldatinnen hat mich hier hinab geworfen“, antwortete er. Die Wächterin schnaubte. „Hier sind keine Soldatinnen. Komm jetzt raus da! Klettere am Seil hoch! Beeilung! Und beweg deinen Arsch zur Arbeit, sonst setzt es was! Schimpf und Schande! Dich Faultier werde ich noch lehren, was Gehorsam heißt.“

Der Sklave benötigte mehrere Anläufe, um an dem Seil empor zu klettern und seinem ungewöhnlichen, engen und nassen Gefängnis zu entkommen, aber aus lauter Verzweiflung und Angst schaffte er es schließlich über den Brunnenrand zu klettern. Kraftlos fiel er in den Staub. Jäh spürte er harte Tritte. „Wirst du wohl deinen Sklavenarsch bewegen!? Oder soll ich dir Beine machen?“, rief die Wächterin erbost.

Der Sklave mühte sich ächzend auf die Füße und stolperte, nackt wie er war, durch eine Pforte, die zum Stall führte, wo er täglich den Mist schaufelte. Die Wächterin setzte ihren Wachgang durch den Hof fort und hörte hinter der Stalltür eine laute Frauenstimme schimpfen: „Wo kommst du jetzt erst her, du fauler Hund!? Und wo ist dein Lendenschurz? Du stinkst wie eine ganze Herde Schweine! Mach deine Arbeit! Und bis morgen früh bleibst du bei den Schweinen und suhlst dich dort, denn da gehörst du hin!“ Peitschenhiebe knallten, und ein Sklave jammerte. Die Wächterin schmunzelte. Streiche, wie die mit dem Leibeigenen im Brunnen, gehörten einfach dazu und lockerten den sonst so ernsten Kriegsdienst ein wenig auf. Einen neuen Lendenschurz würde er sich wohl erst fleißig verdienen müssen. Und wer wusste schon, ob die Soldatinnen morgen nicht erneut der Hafer stach und sie erneut den armen Stallsklaven für ihren nächsten Streich auswählten, um sich auf seine Kosten zu laben. Feine Ladys waren das! Unter Königin Leda wären sie eher feine Dirnen! Doch hier herrschte eine andere Kultur.

Jenseits der Festungsmauern kommandierte die Soldatin Maia einen kleinen Trupp Arbeitssklaven durch die fast vollständig niedergebrannte Stadt. Die größeren Gebäude sollten als erstes wieder aufgebaut werden. Die Männer schwitzten in der heißen Sonne des südwestlichen Megarias, das wohl bald einen anderen Namen bekommen sollte, wenn es nach Fama ging. Vier Leibeigene wuchteten gerade einen dicken Balken auf die Schultern und transportierten ihn ab. Das ächzende Stöhnen der Kerle zeugte vom Gewicht des gewaltigen Kantholzes.

Maia nutzte die Peitsche nur selten, denn sie litt mit den Sklaven mit, seit sie sich in den Leibeigenen Boreas verliebt hatte. Maia hatte alle Hebel in Bewegung gesetzt, um ihn zu finden, doch vor einigen Tagen waren die Sklaven von den Duxas anders aufgeteilt worden. Sie wusste nicht einmal, ob Boreas noch lebte. Doch heute sollte ihr Glückstag sein: Als sie just die vier Männer mit dem Balken auf der Straße entlang begleitete, kam ihnen ein anderer Tross Arbeiter entgegen. Die Soldatin musste zwei Mal hinsehen, denn Boreas und seine zwei Begleiter trugen ein Strafkorsett und wurden von einer Soldatin abgeführt, die sie mit einer spitzen Lanze antrieb, während sie das Trio mit Ketten, die an den Hälsen der Sklaven angeschmiedet waren, wie Pferdchen vor einer Kutsche lenkte.

Die Strafkorsetts waren enge, metallene Bänder, die um die Taillen der Sklaven angebracht waren und innen mit eisernen Dornen versehen waren. Sie sollten als Disziplinierungshilfe dienen, doch auf Maias Frage, warum die Sklaven die Gürtel trugen, sagte die Soldatin: „Befehl von Duxa Isis. Sie hat dies probeweise bei diesen drei Sklaven angeordnet. Vielleicht können wir damit Nahrung sparen. Die Korsettbänder drücken den Wanst kleiner. Wir wollen es einfach mal ausprobieren.“

Maia runzelte die Stirn. Glaubte diese abstruse Schlussfolgerung wirklich jemand, oder sollten die Männer nur aufs Schändlichste gequält werden, um die Soldatinnen zu belustigen? Da kam ihr eine Idee. „Ich benötige dringend noch einen weiteren Arbeiter. Befehl von Duxa Hera. Gebt mir den da!“ Sie zeigte auf Boreas. Doch die Soldatin schüttelte den Kopf. „Sucht Euch doch irgendeinen anderen! Warum ausgerechnet einen der drei Korsettträger?“ Maia wirkte sehr autoritär. Ihre Stimme ließ keine Widerrede zu. „Sofort! Es eilt! Sucht ihr Euch selbst einen neuen Korsettträger!“

Die Soldatin brummte missgestimmt. Aber sie wollte kein Ungemach mit einer Duxa riskieren. Wenn es wirklich ein Eilauftrag war, wäre es ungebührlich, ihn nicht schnurstracks zu erledigen. Sie zückte einen Schlüssel und öffnete das Strafkorsett bei Boreas. Dann reichte sie Maia die Halskette. „Hier! Aber warum ausgerechnet den? Der andere ist kräftiger. Schaut!“ Sie zeigte auf einen der beiden übrigen Gestalten. „Los! Spann deine Muskeln an!“ Der Sklave gehorchte flugs und nahm mehrere Posen ein. Maia winkte ab. „Nein, der dort soll es ein, und dabei bleibt es.“

Die Soldatin zuckte mit den Achseln und pikte den beiden Männern in den Allerwertesten. „Los jetzt! Wir brauchen einen neuen Kameraden für euch.“ Damit marschierte sie weiter und beschimpfte die Leibeigenen unflätig. Leise murmelte sie vor sich hin und schüttelte den Kopf. „Ta! Große Göttin der Weisheit, erleuchte mich! Was hat dieses Weib nur an der minderwertigen Kreatur da gefressen?!“ Boreas dagegen reihte sich in die Männer ein, die den schweren Balken trugen. Maia hielt die Kette fest, damit sie nicht auf dem Boden schleifte, denn sie war mit dem eisernen Halsband fest verschmiedet. So schnell würde sie ihren Liebsten nicht von der Bürde befreien können.

Als erstes gab sie allen Arbeitern einen großen Schluck aus einem ledernen Wasserschlauch, dann führte sie sie in eine kleine Gasse. „Balken ablegen!“, befahl sie. Die Sklaven schnauften vor Anstrengung. Ihre Körper waren nass von Schweiß. „Ruht euch aus! Ich muss dieses Haus hier inspizieren. Du da!“, zeigte sie auf Boreas. „Du begleitest mich!“ Der Mann folgte der Herrin gehorsam. Während Boreas und Maia hinter einer Eichentür eines der wenigen unzerstörten Stadthäuser verschwanden, ließen sich die zurückgebliebenen Sklaven erschöpft auf den Boden fallen. Pausen waren selten und wertvoll. Die Alten Götter meinten es heute gut mit ihnen.

Leise flüsterte einer von ihnen seinem Nebenmann zu: „Hast du heute Nacht das unheimliche Licht zwischen den Felsen gesehen?“ Seine Augen wirkten aufgerissen und fiebrig, wie er den Angesprochenen anstarrte. Doch der schüttelte den kahl geschorenen Kopf. „Nein, aber dumpfe Schreie habe ich aus der Weite vernommen. Ich dachte, die könnten von einer Züchtigung stammen.“ Doch der Nachbar grinste grimmig. „Die Lichter! Das waren die Todesgeister, die ein paar arme Seelen zu sich geholt haben.“ Die Sklaven schauderten bei dem Gedanken und waren zugleich froh, noch am Leben zu sein. Einen Unfreien erwartete nach dem Tod ein Dasein in endloser Qual und Pein in der Unterwelt - so hatten es die Priesterinnen stets gelehrt. Und so blieb einem Leibeigenen nur, so lange wie es ihm vergönnt war, in der hiesigen Welt zu dienen.

Kaum waren Maia und Boreas aus dem Blickfeld der anderen, umarmten und küssten sie sich. „Ich habe solche Ängste ausgestanden“, brach Maia zwischen den Küssen geschwind hervor, „ich dachte, dass du vielleicht gefallen wärst.“ Boreas erzählte, dass er ein Katapult bedient hatte und daher nicht in der größten Gefahrenzone an vorderster Front gewesen war. Nur einmal wäre er beinahe von einem Pfeil getroffen worden, war aber von dem Schützen knapp verfehlt worden. Maia stöhnte erleichtert auf und dankte den Göttern für ihre Gnade.

In dem Gebäude fanden die Zwei eine Kammer mit einem Bett und verriegelten die Tür. Und jetzt hielt Maia nichts mehr auf. Sie riss sich die Uniform vom Leib, um sich Boreas ganz hinzugeben. Als der Keuschheitsgürtel des Sklaven aufklackte, sprang ihr ein kleiner Krieger entgegen, der offenbar großen Hunger hatte. Ausschweifend befriedigten sie ihre Gelüste. Beide. Voller Wärme und in tiefster Zuneigung.

Viele Meilen weiter östlich waren in der Metropole die Vorbereitungen für Famas Triumphzug auf Hochtouren im Gange. Nach einem glamourösen Einzug in die Stadt sollte Fama in der großen Arena empfangen werden, in der zu Ehren ihres Sieges ein gigantisches Spektakel stattfinden würde. Die kommissarische Statthalterin Helena wollte mit dem Schauspiel nicht nur Famas Rückkehr feiern sondern auch sich selbst ein Denkmal setzen, denn sie würde zukünftig die ehemalige Hauptstadt leiten, während Fama das gesamte Reich von der Metropole aus reagierte, und war damit die zweithöchste Dame im Lande.

Helena, in ein Boden langes, aufgeputztes Krepp-Kleid geschmückt, inspizierte mit einer kleinen Delegation die Vorarbeiten und Abläufe in der Metropole und ließ sich erläutern und berichten, welche Arbeiten bereits geschehen, welche dagegen noch zu tun seien. Helena hatte sich frischweg an die Macht gewöhnt, die sie als kommissarische Statthalterin innehatte. Zukünftig würde sie in der alten Hauptstadt das Sagen haben. Sie träumte von großen Büsten und Statuen ihrer Person, die sie würde aufstellen lassen. Fama wäre weit weg. Nur Helenas Wort würde Gesetz sein im westlichen Land des Kontinents. Sie aalte sich schon bei diesen Gedanken zu ihrer baldigen Macht über Leben und Tod. Das wohlige und überwältigende Kribbeln, das sie dabei verspürte, war wahrlich bezirzend und sinnbetörend.

Ihre Sänfte, die von acht Sklaven getragen sowie von vier berittenen Wächterinnen begleitet wurde, führte sie zur Arena der Metropole. Am großen Torbogen des Hauptportals erwartete sie bereits eine Abordnung von Duxas, von denen sich Helena durch das Gebäude führen lassen wollte. Ob schon die unterirdischen Kerker mit Gladiatoren bewohnt waren, die zu Ehren der rückkehrenden Fama kämpfen sollten? Helena wollte sich überraschen lassen. Ihr war das Programm nur teilweise bekannt. Was wäre das Leben ohne Überraschungen? Sie sah vor ihrem inneren Auge die nackten und schweißgebadeten Krieger sich um ihre Gunst messen.

Ein Trio Duxas führte Helena durch den Eingang und zeigte ihr die neuen Mosaiken an den Wänden, die Fama als triumphierende Siegerin über Megara darstellten. Auf einem Bild hielt die siegreiche Fama Megaras Kopf an den Haaren wie eine Trophäe in die Höhe. Der enthauptete Leib der Tyrannin lag zu ihren Füßen im Staub. Ein riesiges Heer aus Kampfsklaven beteten die neue Monarchin knieend an.

Helena nickte anerkennend. Die Künstlerinnen, die das Bild geschaffen hatten, waren talentiert. Vielleicht würde sie auch in der ehemaligen Hauptstadt einige Damen des Kunsthandwerks finden, die ihr behilflich waren, um sie in der Öffentlichkeit angemessen zu präsentieren. Sie wollte sich als markige Imperatorin darstellen. Stärke und Autorität auszustrahlen war unabdingbar. Das Volk durfte ihr dankbar sein für seine Befreiung, aber Helena wusste, dass Dankbarkeit ein dünnes Band war, das schnell riss, wenn der Eigennutz des Volks in Streit damit geriet. Zucht dagegen versagte niemals.

Plötzlich wurde sie aus ihren Gedanken gerissen: Schreie kamen aus einem Gang zu ihrer Linken. Eine Duxa winkte vier Wachen zu, die sich flugs auf den Weg machten, um nachzuschauen, was da wohl vor sich ging. Die gerüsteten Frauen hatten ihre Hellebarden in Kampfstellung gebracht und stürmten in den Gang. Doch nach wenigen Schritten blieben sie schmunzelnd stehen: Eine uniformierte Frau, die nach ihrer Kleidung eine Kolonnenwächterin war, vergnügte sich mit einem Leibeigenen, der über einen Steinquader gebeugt stand. Die Wachfrau hatte sich einen ledernen Liebesstab umgeschnallt und verwöhnte den Mann damit von hinten mit rabiaten Stößen. Dabei zwirbelte sie dessen Brustwarzen hart zwischen ihren Fingern.

„Was ist hier los?“, rief eine der Gerüsteten streng. Erschrocken ließ die Wächterin von ihrem Lustobjekt ab und erstarrte in Habachtstellung. „Dieser Sklave hat eine Bestrafung verdient. Er hat... einen Ziegel zerbrochen.“ In Gedanken fügte sie dazu: „Nachdem ich ihm einen kräftigen Tritt in seinen Arsch gegeben habe und er zu Boden gegangen ist. Aber solche Lahmarschigkeit kann ich ja nun auch nicht dulden!“ Die Wachen nickten. Die Anführerin meinte: „So sei es. Aber das nächste Mal seid Ihr leiser! Helena ist anwesend!“ Die Wächterin schluckte. Präfektin Helena? Hoffentlich gab das keinen Ärger wegen der Belästigung.

Sie kramte in ihrem Lederbeutel, den sie an ihrem Gürtel trug, nach ein paar Münzen und reichte sie den Frauen. Die Wachen nahmen sie jedoch nicht entgegen. Stattdessen zeigte eine von ihnen mit ihrer Hellebarde auf das Gemächt des Sklaven, das zwischen den Schenkeln baumelte. „Ich will das da als Andenken haben. Dann soll Helena nichts erfahren.“ Die Wächterin zog ihren Dolch aus der verzierten Leder-Scheide an ihrem mit Nieten besetzten Wams und packte dem Sklaven zwischen die Beine. Die Schenkel zitterten wie Espenlaub. Einen Wimpernschlag vor dem Endgültigen rief die Anführerin: „Ach, das wird nicht nötig sein.“ Die Wachen der Statthalterin machten kehrt und verschwanden leise kichernd in dem Gang.

Die Wächterin der Sklavenkolonne drehte sich zu ihrem Sklaven um und ranzte ihn leise an: „Wegen dir habe ich beinahe Ärger bekommen. Das wirst du büßen, du Wurm!“ Sie riss den Lendenschurz des Mannes, der auf dem Boden lag, in lange Streifen, zog den Kopf des Sklaven an den Haaren in den Nacken, stopfte ihm den Stoff in den Mund und band ihm mit dem letzten Streifen den Knebel fest im Nacken zusammen. „Sei froh, dass ich dir nur Stoff in dein dummes Maul stopfe, du Nichtsnutz!“

Als die Wächterin mit ihrem Sklaven fertig war, stieß sie ihn grob zurück zur Kolonne, die in einem Ledergeschirr gerade eine gewaltige Marmorsäule über den fest gestampften Lehmboden zogen. Einige der Leibeigenen musterten den Kameraden mitleidig, anderen war die Schadenfreude ins Gesicht geschrieben. Sie wussten genau, was geschehen war. Die Wächterin hatte ihn nicht zum ersten Mal in eine dunkle Ecke gezerrt. Die Uniformierte ließ ihre lange Lederpeitsche über den Köpfen der Männer knallen und erwischte manchmal auch gezielt den einen oder anderen nackten Hintern, wenn jemand aus dem Takt kam.

Besonders einen Sklaven hatte sie auf dem Kieker. Der Leibeigene, der sie beinahe in eine Misere gebracht hatte. Seine Zunge war wohl recht geschickt gewesen, erinnerte sie sich mit einem Schmunzeln, doch seine Schreie eindeutig zu laut, obwohl sie ihm doch nur den ledernen Luststab tief zwischen die Backen gerammt hatte. Also hatte er ein paar Küsse mit der Geißel als Ansporn verdient. Zu große Güte war stets die Springquell verruchten Verhaltens, dem sie Abhilfe schaffen musste. Wenn die Götter es wollten, würde er so geläutert sein und zu einem besseren Sklaven werden.


128. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 26.02.21 18:05

Helena wurde auf die große Tribüne geführt, wo sie neben Fama würde sitzen dürfen. Der Boden der prächtigen Loge war bereits mit feinem rotem Teppich belegt. Die bequemen Sessel zeugten von erlesenem Geschmack und standen an ihrem Platz. Einige weitere Sitze waren für Ehrengäste reserviert. Im Hintergrund war eine Wand mit einem großen Banner bedeckt. Es war das Wappen der Metropole zu sehen. Peinlich genau waren sämtliche Ähnlichkeiten zu Megaras Wahrzeichen vermieden worden. Alle ihre Fahnen, Flaggen, Symbole, Siegel und Abzeichen waren verbrannt worden, Mosaike und Statuen zerstört. Natürlich auch die Embleme auf allen Uniformen. Wer noch mit Megaras Zeichen erwischt wurde, der musste mit drakonischen Strafen rechnen.

Mit den Fortschritten zur großen Siegerparade war Helena zufrieden. Die meisten Arbeiten waren erledigt. Sie würde Fama in einem offiziellen Akt zum Sieg über Megara gratulieren und sie öffentlich zur neuen Herrscherin des Alten Kontinents krönen. Die neue Regentin war mit einem großen Kriegstross auf dem Wege in die Metropole. Etwa ein Viertel ihrer Streitkräfte begleiteten sie, der überwiegende Teil jedoch blieb in der ehemaligen Hauptstadt, um die Belagerung Megaras Bollwerk sicherzustellen und den Wiederaufbau der Stadt zu gewährleisten.

Inzwischen wurde den Sänftenträgern ihr Gestell immer schwerer, obwohl Helena längst nicht mehr darin saß. Allerdings machte die Statthalterin auch nur einen Bruchteil des Gewichts der pompösen Konstruktion aus. Doch die Sklaven wagten es nicht, die Sänfte abzustellen. Wenn die Füße des Tragesessels staubig würden, könnten sie zur Rechenschaft gezogen werden. Einer der Männer streckte ächzend seinen Rücken durch. Seine Muskeln brannten und sein sonst so fester Griff, mit dem er gewöhnlich Hufeisen verbiegen konnte, gab mehr und mehr in seinen schwitzigen Händen nach. Ein furchteinflößender Gedanke durchzuckte ihn: Was war, wenn er den Griff verlor, während Helena auf dem Heimweg war? Bei acht Trägern würde es nicht direkt zum denkbar größten Unheil führen, doch würden die Wächterinnen dies bemerken, so gäbe es Hiebe auf sein bereits geschundenes Hinterteil.

Der wilde Dschungel des Ostkontinents war gewöhnlich durchwirkt von Vogelgesang und diversem Geschrei unterschiedlicher Tiere. Doch Phoibe und ihre Jägerinnen lauschten jäh einer beängstigenden Stille. Sie lagen auf der Lauer wie Raubtiere und warteten darauf, dass sich der Troll zeigte. Und tatsächlich: Dumpfe Schritte waren zu hören, die durch den Wald stampften. Fast glaubten die Frauen, der Boden erzitterte von den schweren Schritten eines gigantischen Wesens, dass sich auf sie zu bewegte. Die Jägerinnen hielten den Atem an. Was kam da auf sie zu? Die einzigen sonstigen Geräusche waren die gedämpfte Laute, die der geknebelte Sklave von sich gab, den sie als Lockvogel auf der kleinen Lichtung an den Stamm einer abgestorbenen Pinie gewickelt hatten. Und dann erschien das Monster.

Die Frauen starrten mit offenen Mündern auf das Wesen: Ein fast doppelt so groß wie ein Mann aufragender Gigant, bestehend nur aus brutalen Muskelbergen mit unglaublichen Ausmaßen unter einer festen, dicken, lederartigen Haut. Seine Breite und Haltung wirkten wie die eines Affen, doch seine Gesichtszüge ähnelten mehr einem Menschen. „Der Troll“, hauchte Phoibe ehrfurchtsvoll. Sie hatte also Recht gehabt. Die Erzählungen waren wahr. Der Koloss bewegte sich brummend, grunzend und grollend auf den gefesselten Sklaven zu, der hektisch und in Todesangst an seinem Stamm zappelte, an den Seilen zerrte und kläglich schrie. Er wusste, dass das Ungeheuer jeden Augenblick Hackfleisch aus ihm machen konnte.

Und dann geschah es: Wenige Schritte vor dem Stamm krachten die dünnen Äste, die die Fallgrube verborgen hatten, entzwei, splitterten und ließen den aufbrüllenden Troll hinabstürzen. Auch, wenn er mit seinen gewaltigen Armen herumfuchtelte, konnte er den Rand der Falle nicht mehr ergreifen und fiel in sein tiefes Gefängnis. Phoibe betete zu den Alten Göttern, dass der Troll die über fünf Klafter nicht hinaufspringen konnte. Doch trotz allen Respekts vor der Bestie winkte sie die Jägerinnen hervor, die sich mutig mit ihr der Grube näherten und sie einkreisten. Der Anblick war atemberaubend: Das Monster bleckte seine gewaltigen Zähne, brüllte so laut, dass die Ohren der Frauen schmerzten und der Boden zu vibrieren schien. Auf Phoibes Befehl spannten sechs Jägerinnen ihre Bögen mit speziellen Pfeilen, die statt einer Spitze nur eine Nadel aufwiesen, die zuvor in eine Rezeptur aus Mohnsaft und weiteren Zutaten getaucht worden war.

Phoibe wollte den Troll damit in einen tiefen Schlaf schicken, doch das Vorhaben misslang. Die Stiche machten das Biest nur noch wilder. Es tobte in der Grube und prallte von den Wänden ab. Es schlug auf die Seiten der Grube ein und versuchte an den Wänden empor zu klettern. Die Fingernägel hinterließen tiefe Spuren wie von einer überdimensionierten Raubkatze. „Neue Ladungen!“, rief Phoibe und griff selbst nach einem Bogen, spannte den Pfeilschaft aus Eschenholz mit der Nadel an seiner Spitze und ließ das Geschoss zischend auf den Troll los. Weitere Treffer folgten. Rasend vor Wut tobte das Vieh in seiner Grube. Als Phoibe schon befürchtete nicht genügend Spitzen zu besitzen, gab das Ungetüm endlich nach und wankte, wurde ruhiger, wirkte schläfrig, wankte mehr, sackte mit einem tosenden Donner auf die Knie und kippte dann zur Seite. Mit einem Krachen, das die Erde erbeben ließ, landete es ausgebreitet auf dem Boden des tiefen Lochs.

Erst jetzt hatten die Jägerinnen Zeit, sich den Fang genauer anzusehen. Bis auf die fliehende Stirn und die lederne Haut, die gigantischen Muskeln und die etwas zu langen Arme, sah der Troll aus wie ein übergroßer Mann. Wie ein nackter Mann, wurde Phoibe bewusst und starrte auf das Gemächt. „Allmächtige Götter!“, hauchte sie. Auch die anderen Frauen starrten nun auf den Liebesstab, der eher ein Liebesstamm war: über eine Elle lang und dicker als ein Männerarm. Und dann lagen da noch zwei melonengroße Kugeln, die den Samen des Untiers enthielten.

Eine ganze Weile starrten die Frauen auf das Monstrum hinunter, bis sie die dumpfen Geräusche des gebundenen Sklaven hinter sich wahrnahmen und ihn befreiten. Phoibe befahl: „Bevor wir den Troll in Eisen schlagen, müssen wir sicher sein, dass er bewusstlos ist. Werft den Sklaven da zu ihm hinab!“ Der nun nicht mehr geknebelte Mann schrie los: „Nein! Herrin! Bitte nicht! Bitte! Lasst mich nicht sterben! Mein Name ist Euklid und ich...“ Und schon im nächsten Augenblick stießen ihn zwei Jägerinnen über den Rand.

Der Sklave stürzte mit wirbelnden Armbewegungen auf den Troll zu und landete weich auf dessen Bauch. Der Leibeigene sprang auf wie von der Tarantel gestochen und presste sich ängstlich mit dem Rücken an eine Wand, um dem Troll möglichst weit aus dem Wege zu sein. Trotzdem war ein Fuß des Riesen nur wenige Handbreit von ihm entfernt. Der zitternde Sklave atmete hechelnd und starrte abwechselnd auf den Troll und nach oben zu den Frauen, die neugierig hinabspähten.

Auf dem Alten Kontinent schnaubte Megara: „Das ist… Blasphemie!“ Die Majordoma verzog verkrampft ihre Mundwinkel. „Es tut mir Leid, höchste Göttin Megara. Aber es lässt keinen anderen Schluss zu. Wir müssen einen Verräter unter uns haben. Sonst wäre des Nachts niemals der Hauptriegel des Tors geöffnet gewesen.“ Die Imperatorin konnte immer noch nicht glauben, was sie da gehört hatte. Konnte es sein, dass einige Soldatinnen so betrunken waren, dass sie einen Balkenriegel vom Haupttor öffneten? Nein! Niemals. Das war Sabotage. Eine Verräterin war in ihren Reihen, die die Möglichkeit eines arglistigen Eidbruchs am Schopfe gepackt hatte. Als sei sie nicht schon genug gestraft vom Schicksal. Megara seufzte tief und ließ sich auf ihren Thron fallen. „Befragt sämtliche dafür in Frage kommenden Wächterinnen! Und sobald es auch nur den geringsten Verdacht gibt, so soll die Foltermeisterin ihr ganzes Können anwenden, um die Wahrheit zu erfahren.“ Die Majordoma ließ die Tyrannin flink allein, bevor sie noch einen bronzenen Kelch an den Kopf bekam.

Die Befragerin im Kellergewölbe der Festung trug eine obsidianfarbene Filzhaube wie eine Henkerin. Auch ihre restliche Kleidung war schwarz. Sie war eine Meisterin des „Grillens“, der „Würgeschraube“ und des „Riemenschneidens“. Sie hatte naiv nach den Prügelsklaven der Soldatinnen gefragt, aber die Majordoma hatte sie angeblafft: „Ihr befragt die Wächterinnen höchstselbst!“ Ihr Ehrenkodex verbot zwar solche Methoden gegenüber Weibern, doch Megaras Befehle waren unbedingt zu befolgen. Meist war schon der Anblick der Zangen, Gabeln, Käfige, Schrauben, des Kohlebeckens und des großen Kessels über dem Feuer genug, um ein Geständnis zu erhalten.

Megara zog sich in ihr Harem zurück und ritt einen ihrer Liebesdiener, während sie sich vorstellte, was sie alles mit der Ketzerin machen würde: pfählen, köhlern… ach, es gab so vieles… Ein Leben war einfach zu wenig dafür. Leider. Hatte sich das Schicksal gegen sie gewendet, weil sie sich als Göttin ausgerufen hatte? Schauten gar die Alten Götter voll Neid auf sie und ihr Reich?

Als die Sonne am nächsten Tag über den Hügeln aufging, war die Anzahl der Verdächtigen auf eine Schicht begrenzt worden. Es kamen nur noch vier Soldatinnen in Frage. Die Wahrheit offenbarte, dass die vier Damen betrunken eingeschlafen waren und nicht bemerkt hatten, dass der Torbalken, der bei jeder Dienstzeit kontrolliert wurde, nicht richtig eingehakt gewesen war. Bei der Größe des Kantholzes hätte dies leicht auffallen können; da die Damen aber dem berauschenden Wein so gut zugesprochen hatten, war es unbemerkt geblieben.

Schließlich kam die letzte Gewissheit ans Licht, denn keine der Wächterinnen wollte genau erfahren, wie weit die Befragerin die Schrauben an Daumen, Füßen und Schädel drehen könnte. Und auch die rot glühenden Zangen und „Brustkrallen“ waren nicht so recht nach ihrem Geschmack. Eilig schüttelten sie alle Widerborstigkeit ab und gaben ihren Trunk zu. Noch hatten sie nicht leiden müssen. Jetzt konnten sie nur noch hoffen, dass die Nachforscherin ihnen glaubte und sie vor weiteren „Untersuchungen“ bewahrte. Aber Megaras Urteil würde noch folgen. Sollten sie trotz Geständnis am Galgen über den Festungsmauern baumeln? Gnadenakte passten nicht so recht zu der Tyrannin.

Den vier Wächterinnen wurde ansichtig: Ein Sündenbock musste her. In einem unbeobachteten Moment, als ihnen die Gunst des Schicksals zusprach, vereinbarten sie eine Mär über einen Kampfsklaven, der mit einem Kameraden ein Weinfass über den Hof transportiert hatte und gegen den Balken gestoßen war, so dass dieser aus der Halterung gesprungen war. Die Soldatinnen gaben zu, dass sie zu dieser Zeit völlig benebelt waren und die beiden Sklaven auch nur vage bemerkt hatten, wie sie gegen das Tor gerumpelt waren.

Die Schergin gab sich mit dieser etwas faden Aussage zufrieden. Doch Megara tobte: „Bringt mir das schuldige Gewürm!“ Aber dies stellte sich als schwierig heraus, denn keine der Küchenangestellten konnte feststellen, dass ein Weinfass fehle oder gar befohlen worden sei, dass Sklaven eine Eichentonne hatten transportieren sollen. Die Tyrannin tobte noch mehr und forderte sämtliche Sklaven zu einer strengen Kontrolle. Und nun war es an der Majordoma, ihre Herrin davon zu überzeugen, dass mehrere Hundertschaften nicht verhört werden konnten. Megara ließ allerdings nicht locker und keifte: „Dann lobe eine Belohnung aus! Verkünde, dass derjenige, gleich wer es ist, einen Beutel mit 25 Goldmünzen erhält, wenn er mir den oder die Schuldigen bringt. Sollte der Hinweisgeber ein Kampfssklave sein, so erhält er außerdem die Freiheit und auch die Erlaubnis, die Zitadelle zu verlassen, wenn er es denn will.“

Der Majordoma blieb der Mund offen stehen. Dann sagte sie: „Höchste Göttin Megara, dies ist sehr großzügig, doch bedenkt, dass damit Tor und Tür für Denunziantentum geöffnet wird. Jeder, der seinem Nachbarn etwas schuldig ist, wird diesen benennen. Es werden hunderte Meldungen täglich…“ Megara schnitt ihr das Wort ab: „Ruhe!“ Die selbsternannte Allmächtige spritzte der Majordoma ihren Rotwein ins Gesicht. „Meine Entscheidung ist gefallen. Vergiss nicht, dass ich Deine Göttin bin! Willst du die Gebote und Gesetze einer GÖTTIN in Frage stellen?“ Die Majordoma verneigte sich demütig: „Freilich nicht, höchste Göttin Megara.“ Die Herrin verzog ihren Mund zu einem humorlosen Lächeln. „Dann geh und verkünde mein Wort!“

Die geflüchtete Exsenatorin Kerbera saß mit ihrem Liebesdiener Cain in ihrer Kammer und vertilgte das Frühstück, dass ihnen eine Magd gebracht hatte: frisches Brot, Milch, Käse und Schinken, dazu Hühnereier. Sie stellte sich gerade vor, wie die Zitadelle ihrer Erzfeindin bis auf die Grundfesten niederbrannte. Plötzlich klopfte es an der Tür. Cain, der demütig vor Kerbera kniete, sprang auf und rief mit lauter Stimme: „Herein!“ Eine kleine Magd erschien in ihrem schmutzigen Rock und mit grauer Haube und fragte, ob alles zu seiner Zufriedenheit sei. „Danke, es mundet vorzüglich“, antwortete Cain und nahm sein „Weib“ in den Arm, um es zu knuddeln. „Nicht wahr, Weib?“ Kerbera zog geräuschvoll die Luft durch die Nase ein. „Ja, mein Eheherr“, sagte sie und lächelte ihn an. Ihre Mundwinkel schienen ihr dabei schwer wie Hinkelsteine. Cain fügte noch leicht spöttisch hinzu: „Ach, sei so gut und hilf mir in meine Stiefel. Mein Weib ist zu schwach für solche Aufgaben.“

Die Maid bückte sich dienstbeflissen und zog, schob und zerrte an den Stiefeln, dabei angestrengt stöhnend, bis sie schließlich perfekt saßen. „Habt Dank. Noch eine Frage sei erlaubt. Weißt du, ob hier an der Küste ein Broterwerb für mich oder mein tüchtiges Weib zu finden ist?“ Die Magd überlegte kurz. „Die Fischer sind schon alle unterwegs. Sie werden erst in mehreren Wochen zurückkehren. Aber in der Küche und im Stall ist immer genug zu tun. Dein Weib kann gern der Bäuerin zur Hand gehen. Wenn sie zufrieden mit ihr ist, bekommt ihr Kost und Logis von ihr.“

Kerbera wollte gerade etwas entgegnen, da antwortete Cain frischweg: „Das ist ja wunderbar. Weib, geh direkt mit ihr mit und lass dich zur Bäuerin führen.“ Kerbera pochte das Herz bis zum Hals vor Wut. Aber sie schaffte es, ihren „Eheherrn“ ganz ohne Verdrossenheit anzulächeln und gehorsam zu antworten: „Gewiss.“ Als sie der Magd folgte, warf sie einen Blick zu Cain zurück, der ihn schlucken ließ. Doch er grinste Kerbera unverschämt an. Die Rolle als freier Recke und Mann gefiel ihm immer besser. Und wenn sie nicht auffallen wollten, dann mussten sie fleißig arbeiten wie alle anderen Bewohner der Küste auch. Cain brach sich ein Stück Brot ab und ließ es genießerisch in den Mund gleiten. Ein wenig Tun und Schaffen würde Kerbera nicht schaden.

Kurze Zeit später stiefelte Cain in den Schankraum des Hofes hinab und ließ sich einen Krug Met servieren. So eine kühle Erfrischung tat bei der Hitze richtig gut. Die Magd brachte Kerbera derweil zur Bäuerin, die murrte: „Klappst du mir nicht zusammen, Mädel?“ Sie griff Kerbera an den Oberarm, um ihre Muskeln zu fühlen und schnaubte missmutig: „Du bist dürr wie ein vertrockneter Zweig. Kannst du Bast flechten?“ Kerbera fragte verwirrt: „Flechten?“ Die Bäuerin fasste sich an die Stirn, als bekomme sie Kopfweh. „Kannst du denn wenigstens einkochen?“ Kerbera räusperte sich. „Ich… Ich könnte… Ich könnte Eure Stallburschen und Knechte an der Waffe ausbilden.“ Die Bäuerin sah für einige Augenblicke wie erstarrt zu ihr, dann lachte sie aus vollem Hals: „Ein Weib, dass meine Mannsbilder an der Waffe ausbilden will! Bist du völlig närrisch, Weib? Geh, und fege den Hof! Danach meldest du dich in der Küche. Es müssen Rüben und Zwiebeln geschält werden. Und anschließend hilfst du bei der Blutwurst. Aber wage es nicht, schlapp zu machen! Sonst geht dein Magen heute Abend leer aus!“

Kerbera schluckte ihren Zorn auf die Bäuerin hinunter. Er lag nun schwer wie Dutzende Wackersteine in ihrem Bauch. Aber sie durfte ihre wahre Identität trotz dieses frevelhaften Verhaltens dieser alten Ziege auf keinen Fall lüften. Wer wusste schon, wie viel Macht Megara noch besaß, und ob nicht doch ihre Schergen auf Menschenjagd nach Westen geritten waren. Also blieb ihr nichts anderes übrig, als weiterhin gute Miene zum bösen Spiel zu machen.

Phoibe kam mit einem Aufsehen erregenden Aufgebot in die Metropole geritten. Ihre Sklavenjägerinnen flankierten einen gewaltigen Ochsenkarren, vor den sechs der schweren Tiere gespannt waren. Auf der Ladefläche war ein riesiger Käfig verankert. Hinter dem Karren marschierten 45 Sklaven, deren Halsbänder mit Ketten verbunden waren. Jeweils fünf von ihnen liefen nebeneinander. Phoibe hatte Sklaven als Ruderer ihrer Galeeren benötigt. Einen Großteil der Schiffssklaven waren im Hafen geblieben, doch eine Auswahl hatte sie als Arbeitseinheiten mitgenommen auf die beschwerliche Reise.

Helena wollte sich das Ereignis nicht entgehen lassen und ritt persönlich mit einer Ehrenabordnung der Sklavenjägerin entgegen, um den besonderen Fang zu begutachten.
Und als sie schließlich, eingerahmt von vier Reiterinnen mit dem neuen Banner der Fama, bei Phoibe ankam, erstarrte Helena vor Überraschung und Bewunderung. Sie hatte ein großes Untier erwartet, aber dieser Troll war unvorstellbar gewaltig. Er brüllte und rüttelte an den massiven Eisenstäben seines Käfigs, seine Muskeln spannten sich wie Berge unter der dicken Haut, Adern traten wie Schlangen hervor, sein Maul öffnete sich geifernd weit und ließ mächtige Hauer und spitze Dolche aufblitzen, aus denen seine Zahnreihen bestanden.

Helena sah das Ungetüm in ihrer Vorstellung bereits in der Arena, wie es gegen ein Dutzend Kampfsklaven wütete und den Edelfräuleins auf den Rängen und vor allem Fama auf der Tribüne Begeisterungsrufe entlockte. Damit würde sie sich höchsten Respekt bei Fama erwerben und mit großen Machtbefugnissen als künftige Statthalterin der ehemaligen Hauptstadt im Westen ausgestattet werden. Das musste ihre Zukunft sein. So stand es im Buch des Schicksals geschrieben. Sie war zu Hohem berufen. Nachts hatten Orakelstimmen es ihr verkündet.

Ceres, eine reputierliche Sklavenhändlerinnen des Reiches, hatte ebenfalls bereits von dem Fang ihrer Bekannten gehört und erwartete voller Ungeduld den angekündigten Kampf in der Arena. Sie hatte einige kräftige Kämpfer ausgewählt, die gegen den Koloss antreten sollten. Das würde ein einmaliges Spektakel! Ein Gladiatorenwettkampf mit Netzen, Piken, Streitkolben, Morgensternen und allerlei Klingen. Und letztlich würden ihre Kämpen die Bestie in die Knie zwingen.






129. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 10.03.21 20:09

„Land!“, krächzte Zelos. „Da ist Land!“ Er zeigte aufgeregt mit gestrecktem Arm in eine Richtung zum Horizont. Leda, Hagbard und Nike blickten auf. Seit Tagen waren sie mit nur wenigen Resten des Proviants durch ein fast spiegelglattes Meer geirrt. Nur eine leichte Strömung hatte den durchlöcherten Korb vorwärts getrieben. Ständig hatten die Männer Wasser aus dem Korb schöpfen müssen. Seit gestern war das Trinkwasser verbraucht. Nach dem wilden Unwetter war eine Flaute eingetreten, die auch die unbarmherzige Sonne wieder vom Zenit hinab stechen ließ. Die geschwächten Personen, die noch vor wenigen Augenblicken kraftlos auf ihren Plätzen gelegen oder gesessen hatten, standen nun aufrecht und konnten ihren Augen nicht trauen: Der Alte Kontinent! Die Heimat hatte sie wieder!

Mit letzten Kraftreserven paddelten sie mit Brettern, die zu der Korbkonstruktion gehörten und sich beim Sturm beinahe abgelöst hatten, Richtung rettendes Land. Die nächsten Stunden wurden zur gefühlten Ewigkeit. Nur langsam kamen sie der Küste näher. Trotz all der Euphorie zeigte Leda eine instinktive Vorsicht. Was war, wenn das Unwetter sie zurückgeführt hatte? Wenn sie erneut am Westkontinent angekommen waren? Konnten die Alten Götter so grausam sein?

Nein, schalt sie sich im nächsten Moment nach ihren Zweifeln. Dem Sonnenstand nach musste es sich um eine Westküste handeln. Aber waren sie wirklich in der Heimat? Und wie gefährlich war ein Landgang? Würde Megara sie sofort gefangen nehmen und einkerkern? Während Hagbard und Zelos paddelten, grübelte Leda über ihre Zukunft nach. Was würde sie am Strand erwarten?

Endlich erreichten sie festen Boden und fielen völlig erschöpft auf das nasse Ufer, über das leichte Wellen flossen. „Wir benötigen als allererstes Süßwasser“, stellte Leda mit trockenem Mund und aufgedunsener Zunge fest und schickte Hagbard und Zelos ins Landesinnere, um nach einem Bach oder einer anderen Quelle zu suchen. Leda sah sich derweil an der Küste um. Ihr kam nichts bekannt vor. Waren sie doch vom Kurs abgekommen?

Doch als Hagbard und Zelos um die Mittagssonne herum zurückkehrten und von einem See erzählten, brachen Leda und Nike hoffnungsvoll mit ihnen auf und folgten ihnen. „Es muss sich um den Alten Kontinent handeln“, war sich Hagbard sicher. „Die Pflanzen und Bäume, die Landschaft… Alles sieht nach der Westküste aus. Ich bin als junger Bursche dort aufgewachsen.“ Das Quartett erreichte den See und sprang freudig in das erfrischende und klare Wasser und trank sich satt. Noch eine ganze Weile später waren sie am Ufer zwischen dem hohen Schilf und überlegten, wie sie nun vorgehen sollten. Konnte Leda wirklich hoffen, das Reich zurück zu gewinnen? Mit drei Gefolgsleuten? Eher nicht… Aber ihr Stolz ließ es auch nicht zu, sich vor Megara zu verstecken und ein Leben als ihr Knie beugende Untergebene oder Gejagte zu führen.

„Wenn wir überhaupt irgendwo Freunde finden, dann hier an der Westküste. Die Fischer der Gegend waren schon immer sehr eigenwillig. Ich glaube nicht, dass Megaras Macht bis hier durchdringt. Vielleicht finden wir hier einige Recken, die sich uns anschließen.“ Hagbard war skeptisch: „Eine winzige Gruppe will gegen die gesamte Armee der Tyrannin kämpfen? Wollt Ihr das wirklich, Majestät?“ Leda seufzte resignierend. Ihr Berater hatte wohl Recht. Sie würde ein Leben im Verborgenen fristen. Wie schändlich! Warum war sie überhaupt zurückgekehrt? Wäre sie doch auf dem Westkontinent geblieben.

„Wer seid ihr?“, rief jäh eine Stimme hinter ihnen. Die Vier drehten sich erschrocken um: Ein Mann in Jägerkluft aus Wildleder und mit zahlreichen Fransen verziert stand vor ihnen. Leda glaubte, einen Bewohner der Küste vor sich zu haben und antwortete daher: „Wir kommen von weit her und sind mit unserem Boot auf dem großen Ozean gekentert. Könnt Ihr uns den Weg zu einer Siedlung zeigen?“ Der Jäger nickte. Er trug einen Langbogen und einen Pfeilköcher auf dem Rücken. An seinem breiten Gürtel steckte ein großes Jagdmesser. „Ich führe euch in mein Dorf. Woher stammt Ihr? Irgendwoher kenne ich Euer Gesicht, Weib.“ Leda entgegnete ausweichend: „Das ist eine lange Geschichte. Ich erzähle sie Euch vielleicht später.“

Der Jäger führte die Vier in strammem Schritt hinter sich her durch einen Wald und einen Hügel hinauf. „Ihr seht ausgemergelt aus. Ich werde euch eine Mahlzeit aus feinstem Wildbret auftischen. Mein Weib bringt euch wieder zu Kräften.“ Leda räusperte sich: „Wir haben all unseren Besitz verloren. Wir können Euch nicht bezahlen.“ Der Jäger lachte. „Folgt mir zu meiner Hütte. Ihr müsst keine Zeche zahlen. Ihr seid meine Gäste.“ „Habt tausend Dank, Fremder. Wie heißt denn unser großzügige Gastgeber?“, fragte Leda. „Man nennt mich Schleichfuß. Aber eigentlich heiße ich Arcanum. Und wie werdet ihr gerufen?“ Leda stellte Hagbard, Nike und Zelos vor. Dann nannte sie auch ihren Namen. Arcanum grinste. „Leda… Wie unsere frühere Königin?“ Leda bekam rote Flecken an Hals und auf den Wangen und nickte eilig wie eine schüchterne Magd, schaute zur Seite und wechselte das Thema.

Unterwegs fragte Leda nach Megara. Der Jäger schnaubte verärgert: „Ich hoffe, Ihr seid keine Anhänger dieser niederträchtigen Despotin! Bis hier hat ihre Macht nie gereicht. Hier sind die Mannsbilder noch freie Geschöpfe! Und auch diese Revolutionärin aus dem Osten wird hier nichts zu sagen haben!“ Leda horchte auf. „Was für eine Revolutionärin?“ Der Jäger brummte: „Lasst Euch alles im gemütlichen Heim beim wärmenden Feuerschein berichten. Aber nun legt einen Schritt zu, sonst erreichen wir meine Behausung nicht vor der Dunkelheit.“ Sein letztes Wort sprach er aus, als fürchte er den Sonnenuntergang. Als sorge er sich um Geisterwesen, die nachts hervorkrochen und Böses im Schilde führten.

Die Gefährten mussten sich anstrengen, um dem Jäger zu folgen. Ihre Muskeln schmerzten von den Strapazen der vergangenen Tage und schrien förmlich nach einer Rast, doch der Weg zum nächsten Strohbett war noch lang. Hin und wieder blieb Arcanum stehen und lauschte in die Baumwipfel. Wonach er horchte, blieb den anderen ein Rätsel. Sie hörten nur vereinzelt Vögel zwitschern und den sanften Wind durch die Blätter rauschen.

Es herrschte eine seltsame Atmosphäre, als sich Helena und Phoibe begrüßten. Die Frauen forschten misstrauisch in den Augen der anderen, ob da nicht irgendwo ein Zeichen des Verrats zu sehen war. In diesen unruhigen Zeiten musste man vorsichtig sein. Niemand traute dem Gegenüber über den Weg. Der Tross bewegte sich langsam in die urbane Bebauung. Große Banner wehten im Wind. Die Rüstungen der Soldatinnen glänzten in der Sonne silbrig. Den Frauen der Phoibe war anzusehen, wie stolz sie auf ihren Fang waren. Und auch Helena musste anerkennen, dass die Sklavenjägerin etwas ganz Besonders erbeutet hatte.

Je näher sie der Metropole kamen, desto größer wurde der Andrang der Neugierigen, die den Weg säumten. Mehr und mehr Menschen drängten sich um den Trupp, um einen Blick auf den sagenumwobenen Troll zu erhaschen. Und trotz der Gefangenschaft des Ungeheuers wagten nur die Wenigsten sich dicht heran. Der Troll sollte in die Katakomben unter der Arena gebracht werden. Ein eigener Kerker war bereits für das Ungetüm errichtet worden. Das Gewölbe war mit ungewöhnlich massiven und dicken geschmiedeten Gittern verstärkt. Die Schmiede hatten behauptet, dass selbst ein Drache sicher darin untergebracht werden könnte.

Innerhalb der Stadtmauern waren die gepflasterten Straßen und Gassen gefüllt von Personen, die das Untier erleben wollten. Hunderte Schaulustige begafften den Troll in seinem großen Käfig, der ihnen wutentbrannt zubrüllte. Erschrocken wich die Menge einen Schritt zurück, um dann wieder näher die Köpfe neugierig in Richtung Karren zu recken. So brachten die Soldatinnen das Monster in die Kellergewölbe der Arena in sein neues Zuhause. „Womit sollen wir es füttern?“, hatte eine Wächterin gefragt, als sie das Biest ehrfurchtsvoll betrachtete. Eine andere Wachfrau meinte: „Der Troll wird sich über einige Bratenstücke freuen. Oder wir bringen ihm eine lebende Ziege. Vielleicht mag er lieber rohes Fleisch…“ Die Soldatin schauderte. Aber sie war neugierig, wie der Troll reagieren würde.

Das zwei Mann große Ungeheuer trottete mit stampfenden Schritten in seinem Kerker umher und schlug mit seinen gewaltigen Armen gegen das dicke Mauerwerk, dass von der Kraft des Gefangenen getroffen bröckelte. An den kräftigen Gitterstäben rüttelte der Troll so brutal, dass die Soldatinnen schon Angst hatten, das Eisen würde herausreißen oder verbiegen, doch das geschah glücklicherweise nicht. Es hielt selbst den gewaltigen Urkräften dieser Kreatur stand.

„Die Ziege! Bringt die Ziege!“, rief die Wachanführerin. Meckernde Laute schallten durch die steinernen Gänge, als das verängstigte Tier an einem Strick vorangetrieben wurde. Es spürte die Gefahr. Zwei Soldatinnen zwangen den widerspenstigen Bock vor eine niedrige Gittertür neben dem Kerker. Dort trieben sie das Tier mit Lanzen einen engen Gang entlang, der nach wenigen Schritten an einem Fallgitter endete, das genau in der Rückseite der Kerkerzelle des Trolls endete. Im nächsten Moment war das Vieh im Gefängnis des Trolls. Die Bestie drehte sich überrascht um und sah den Bock, der sich ängstlich an eine Wand drückte und meckerte.

Die Soldatinnen erwarteten nun einen animalischen Blutrausch, doch nichts geschah. Hatte der Troll nach der langen Reise keinen Hunger? Stattdessen ignorierte er den Bock, der langsam irgendwie zu spüren schien, dass ihm vom Troll keine Gefahr drohte. Zögerlich näherte er sich dem Koloss und leckte ihm sogar die Pranke. Die Wächterinnen kamen aus dem Staunen nicht mehr raus. „Schafft den Bock raus und bringt mir einen Sklaven!“, befahl die Anführerin. „Mal sehen, ob wir damit den Appetit des Trolls anregen...“ Mit einem Lassowurf zog eine Uniformierte das Tier zum hinteren Eingang und zerrte es eilig aus dem Kerker.

In Vorfreude schmunzelten die Wächterinnen und brachten einen jungen Leibeigenen herbei, dem sie seinen Lendenschurz hinunterrissen und durch den stollenartigen Zugang in die Zelle stießen. Der Mann jammerte und flehte um Gnade, als er sah, wohin ihn sein Weg führte, doch die uniformierten Frauen lachten ihn nur aus und zwangen ihn mit ihren Lanzenspitzen immer weiter bis zum Fallgitter zu kriechen und dann bis in die Zelle hinein. Hinter ihm fiel das Gitter wieder hinab. In der Ferne hörte er die Totenglocke. Galt sie ihm?

Der Sklave zitterte wie Espenlaub, als er vor dem Troll wie ein Wicht stand und fürchten musste, jeden Augenblick zerfetzt zu werden. Doch der Riese setzte sich stattdessen auf das am Boden liegende Stroh und betrachtete den Menschen gelangweilt. Die Wächterinnen wurden langsam ungeduldig. Sie hatten sich kurzweilige Zerstreuung erhofft. Trotzig meinte die Anführerin: „Das Untier wird schon fressen, wenn es hungrig wird. Warten wir einfach ab.“ Damit verließ sie den Kerker mit forschem Schritt. Hinter ihr eilten zwei Wächterinnen mit lodernden Pech-Fackeln her.

„Du auch gefangen?“, grollte der Troll, als die Wachen fort waren. Der Sklave verschluckte sich fast vor Schreck. Das Monster konnte sprechen? „Äh, ja. Ich bin ein Sklave. Wer… Was bist du?“, fragte der Leibeigene mit großen Augen. „Mein Name kannst du nicht aussprechen. Deine Zunge zu dumm. Aber ich bin ein Troll. So nennen mich Menschen. Wir sind alt Geschlecht. Seit Jahrtausenden. Vom Ostkontinent. Doch Amazonen, kriegerische Menschenweiber, jagen und töten uns seit Jahrhunderten. Daher nur wenige von Troll noch da leben.“ Der Sklave runzelte die Stirn. „Aber woher kannst du unsere Sprache sprechen?“ Der Troll antwortete schnaufend: „Wir haben von Amazonen gelernt.“ Der Sklave begriff nicht gleich. „Aber ich dachte, sie seien eure Feinde?“ Der Troll nickte mit seinem großen Schädel. „Auch wir hin und wieder Amazone gefangen…“ Der Sklave schluckte nervös. Da wollte er lieber nicht weiter fragen und wechselte das Thema. „Du weißt, was die Soldatinnen mit dir vorhaben?“ Der Troll nickte erneut. „Ich soll in Arena kämpfen. Gegen Wichte wie du.“ Der Sklave seufzte. „Du wirst dein Leben aushauchen – zur Belustigung der Edeldamen.“ Der Troll grinste und entblößte dabei seine gewaltigen Eckzähne. „Ach was. Ich werde gewinnen.“

Helena plante, den toten Troll nach dem Kampf ausstopfen zu lassen. Diese Trophäe würde sie Fama schenken. Das Monster würde als gigantische Figur im Thronsaal stehen und Famas Macht demonstrieren. Ob sich die Figur wohl besser machte, wenn sie einen Lendenschurz trug? Oder sollte die Präparatorin lieber seine Männlichkeit hervorheben? Helena schmunzelte. Ja, er sollte nackt ausgestellt werden. Es wäre doch eine Schande, wenn die gewaltigen… Helena kicherte in sich hinein. Sie stellte sich den Troll vor, wie er voller Begierde aussehen würde. Sie könnte ihn dann als eine Art Fackelhalter verwenden. Nein, das war natürlich nur Alberei. Aber wenn der Troll nackt kämpfte, könnte er auch nackt als Figur Wache stehen. Wenn nur seine Lenden nicht so dicht mit Haaren bewachsen wären, so könnte die Zier unverhüllter erscheinen. Da kam Helena eine Erleuchtung. Sie rief nach einer Palastwächterin und befahl: „Betäubt den Troll und schert ihm die Lenden!“ Die Uniformierte salutierte und gab den Befehl weiter. Sie war froh, dass sie nicht selbst in den Kerker zu dem Ungeheuer musste. Aber die Rasur würde sie sich nicht entgehen lassen. Begierig, der Prozedur beizuwohnen, ließ sie sich als Wache für den Kerker einteilen.

Vier Bogenschützinnen stellten sich eine halbe Stunde später vor dem schweren Gitter auf und jagten auf das Kommando der Anführerin ihre Pfeile mit der Betäubungstinktur in den Troll. Wütend sprang der Koloss gegen das Gitter, riss sich die kleinen Pfeile aus dem Hintern und den Oberschenkeln, rappelte zornig am Gitter, aber nach wenigen Momenten wankte er und kippte schließlich ins Stroh zu Boden. Der Sklave musste sich durch einen Sprung zur Seite retten, sonst wäre er von dem viele Zentner schweren Ungetüm zerquetscht worden. „Öffnet!“, befahl die Anführerin. Die Soldatinnen befolgten die Anweisung nur zögerlich, denn wer wusste schon, ob der Troll auch wirklich besinnungslos war?

Der Mitgefangene wurde von zwei Wächterinnen mit ihren Hellebarden in Schach gehalten und gegen eine Wand gedrückt. Eine der Frauen hielt ihm die scharfe Klinge unter die Nase, während die andere ihm grinsend ihre spitze Waffe an sein Gemächt drückte. Erst danach wurde die schwere Gittertür entriegelt. Die Anführerin schritt mutig als Erste in den Kerker. Sie stellte sich auf einen der massigen Oberschenkel des liegenden Trolls und holte mit einem Fuß weit aus. Dann trat sie mit voller Wucht in das Gemächt des Riesen. „Seht ihr? Es schläft“, stellte sie zufrieden fest. Nun getrauten sich auch zwei Damen herein, die bereits mit großen Rasiermessern bewaffnet waren und einen Kübel mit heißem Wasser herbei trugen.

Der Troll wurde jetzt seiner Schamhaare beraubt. Erst in der Folge sahen die Wächterinnen die ungeheure Ausmaße seiner Männlichkeit. Nun wirkte sein Luststab noch viel länger. Die Ausmaße eines männlichen Unterarms waren durchaus vergleichbar. Und auch der gewaltige Beutel kam nun zur Wirkung. Während eine Frau nur einen Teil hob, zur Seite drückte oder glatt zog, schabte die andere mit ihrer frisch geschärften Klinge die Haare herunter. „Wenn wir schon dabei sind“, meinte die Anführerin und deutete auf den Sklaven, „schert ihn auch.“ Damit verließ sie den Kerker.

Die Wachfrauen grinsten. Eine der Uniformierten packte ihre Hellebarde mit beiden Händen wie einen Stab quer vor sich und nahm den Gefangenen von hinten in einen Würgegriff. Eine andere wetzte die großen Rasierklingen und begann die Arbeit. „Hoffentlich übersehen wir da nichts Wichtiges“, scherzte sie. „Mit den großen Messern kann ich nicht so genau arbeiten.“ Der Sklave ächzte: „Das sind ja die reinsten Macheten! Damit könnt Ihr doch unmöglich…“ „Schweig still, Sklave!“, befahl die Frau. „Sonst kann ich mich nicht konzentrieren.“ Der Leibeigene getraute sich nicht, sich auch nur eine Fingernagelbreite zu bewegen. Nur seine Lippen zitterten nervös.

Als der Sklave blank vor den Damen stand, lachten sie ihn wegen seiner „Winzigkeit“ aus. Anschließend brachten sie ihn weg. Denn der Troll zeigte offenbar kein Interesse an lebenden Menschen für ein schmackhaftes Mahl. Bald darauf bewegte sich der Koloss gemächlich. Nur langsam kam er wieder zu Sinnen. Außerhalb der Zelle beobachteten ihn fünf Wächterinnen, die immer noch über die riesige Männlichkeit staunten. Als der Gigant so wach war, dass er seine Nacktheit bemerkte, zog er eilig die Beine an und drückte sie entsetzt zusammen. „Ein schamhafter Troll“, gackerte eine der Wächterinnen hallend. Und auch ihre Kameradinnen stimmten ins Gelächter mit ein.

130. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von AlfvM am 16.03.21 17:46

Hallo Prallbeutel,
nach wie vor tolle Geschichte. Bitte weiter so.
GLG Alf
131. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 17.03.21 17:42


Draußen in den Gassen und Straßen der Metropole gingen die Vorbereitungen für Famas Willkommen zu ende. Helena hatte eine fast 30 Fuß hohe Statue aus mit feinem Golde überzogener Bronze fertigen lassen, die die siegreiche Fama darstellte: Die Figur streckte ein Schwert in die Höhe gen Himmel. Einen Fuß hatte sie auf den Kopf der niederknienden Megara gesetzt, die als in Lumpen gewickeltes Weib um Gnade bettelte und vom Volk bespuckt wurde.

Von einem hohen Torbogen, der über eine gegenüberliegende Straße führte, war das Siegel der Megara abgeschlagen worden. Stattdessen meißelten zwei Sklaven gerade fleißig an dem Mauerwerk, um es zu glätten und anschließend mit Schmucksteinen zu besetzen, die Famas neues Wappen darstellen würden.

Ein Steinwurf weiter, auf einem kleinen Platz vergnügten sich einige Edeldamen beim Sklavenkampf. Rund um die zwei Kontrahenten, standen wettbegeisterte Damen, die ihren Recken anfeuerten. Ein junges Fräulein in einem kostbaren Seidenkleid mit auffälligen Volants und einer Hochsteckfrisur kam dazu und wunderte sich über die ungelenken Bewegungen der nackten Kämpfer. Sie lüpfte keck eine Handbreit ihren Saum, um die Männer zu erregen, aber dann bemerkte sie den Ausdruck einer Adelsdame, die zu den Sklaven zeigte: „Schaut doch! Sie tragen Augenbinden. Sie müssen auf die Anweisungen der Damen hören, um den Gegner zu treffen.“

Das Fräulein machte große Augen, als die Menge auseinander driftete, weil ein Mann bis fast in die Frauen geschleudert wurde. „Tölpel!“, riefen einige Damen, eine wütend, andere erschrocken, und ihre Grimassen bekamen den Stempel von Dümmlichkeit. Noch bevor der andere Leibeigene sich auf den Kontrahenten stürzen konnte, peitschten die Damen mit ihren eleganten Reitgerten auf den Gestürzten ein, so dass sich der Unterlegene freiwillig wieder in die Kampfrunde flüchtete und dort von dem Stärkeren mit einem Hagel Faustschläge gegen den Leib empfangen wurde.

Die junge Zuschauerin wendete sich ab. Solch grobe Brutalitäten waren nichts für ihr zartes Gemüt. Sie schlenderte ein Stück die Straße entlang und blieb fasziniert bei einer Dame stehen, die einen tanzenden Leibeigenen vorführte. Ein zweiter Sklave saß neben der Frau und spielte kunstfertig eine lebendige Melodie auf einer kleinen Holzflöte dazu. Das junge Fräulein freute sich über die eingeübten Bewegungen des schwitzenden Tänzers und beobachtete ihn noch eine ganze Weile. Nachdem ein Musikstück beendet war, gewährte die Besitzerin des Tanzsklaven ihm eine kurze Pause und befreite ihn von einer Kette, die ihn auf seiner Tanzfläche gehalten hatte.

Erst jetzt erkannte das Fräulein, dass unter der metallenen Unterlage glühende Kohlen lagen, die den Boden erwärmten. Das Fräulein stutzte. Bei dieser Tageshitze benötigt der Sklave wärmende Glut? Sie schlenderte kopfschüttelnd weiter und fächerte sich frische Luft zu. Mannsbilder waren so dumm! Aber was sollte man auch erwarten? Männer hatten nicht die Befähigung oder auch nur den Hang dazu, einen anderen Sinn im Leben zu sehen, als dem gehobenen Geschlecht zu gehorchen und zu dienen. Ansonsten, so war das Fräulein sich gewiss, wäre Sklavenhaltung nur Verschwendung von Ressourcen. Schweine und Ziegen konnte man wenigstens braten.

Ihr Fuß stockte an einem bunten Basar. Dort stöberte sie in den edlen Stoffen und Kleidern, betrachtete die vielen Tonwaren, und ganz besonderes Augenmerk erhielt von ihr eine Schmuckhändlerin, die geschnitzte Elfenbeinbroschen und Silberschnallen darbot. Doch am meisten waren dem Fräulein einige Ringe aus Gold an dem Stand ins Auge gesprungen, die sie auch sofort anprobierte. Sie entschied sich für gleich zwei schön geschwungene Modelle, die ein kleines Vermögen kosteten, doch verfügte das Fräulein über genügend Goldmünzen, die sie in einem kleinen Samtbeutel stets bei sich trug, wenn sie in der Metropole unterwegs war, und daher verzichtete sie darauf über den verlangten Preis zu lamentieren.

Auf dem Heimweg in ihre kleine aber luxuriöse und pittoreske Residenz beehrte sie noch eine Händlerin mit einem Besuch und erwarb einen amethystfarbenen Stoffballen, den sie von einem ihrer fünf Sklaven würde abholen lassen. Ihre Männer waren als Schneider, Weber und Teppichknüpfer bei ihr tätig und würden aus dem Stoff Tischdecken nähen, die sie an den Hof der Fama verkaufte. Sie hatte bereits etliche Näharbeiten an reiche Häuser geliefert und war in der gesamten Stadt und Umgebung für kunstfertige Tücher, Bänder, Teppiche und Decken erster Güte bekannt.

Ihre Sklaven hatten ein verhältnismäßig gutes irdisches Dasein bei ihr. Nur selten schwang sie die Rute. Es gab genug zu essen und zu trinken, und sogar eigene Schlafplätze hatten die Kerle. Hin und wieder erhielten sie sogar eine Kupfermünze, wenn ihre Herrin mit ihren Schneiderarbeiten besonders zufrieden war. Das Fräulein empfand das nur als angemessen. Schließlich verdiente sie an einem der vielen Decken mehr, als die fünf Sklaven gemeinsam in einem Jahr zusammensparen könnten.

Wenn da nur nicht der fürchterliche Neid und die Eifersucht unter den Leibeigenen wären, stöhnte das Fräulein innerlich. Nur, weil sie einen von ihnen als Bettgefährten bevorzugte, waren Missgunst und Zickereien an der Tagesordnung – zumindest, wenn die Männer dachten, sie würde es nicht mitbekommen. Vielleicht sollte sie sich von einigen der Schneiderlein trennen, sie verkaufen bei einer Sklavenhändlerin. Viele Münzen würde es für sie wohl nicht geben, schmollte das Fräulein.

Da kam eine Sklavenkutsche vorbei, die sie aus ihren Gedanken riss. Das Fräulein winkte der Kutscherin auf dem Bock, und diese ließ die acht vorgespannten Sklaven ruckartig anhalten. „Bringt mich zur Webergasse, wenn es recht ist“, rief sie der Führerin empor. Sofort sprang ein weiterer Leibeigener hinter der offenen Kutsche von einem Holztritt und öffnete die Tür für den Fahrgast unter einer tiefen Verbeugung und außerdem auf den Knien. Das Fräulein stieg ein, und schon setzte sich das Gefährt in Bewegung.

Die Fuhrfrau ließ ihre lange Peitsche über den Köpfen der Männer in dem Gespann knallen, während die großen Räder über die gepflasterte Straße klapperten. Unterwegs erfreute sich das Fräulein an den durchtrainierten Hinterteilen der laufenden Kutschsklaven. Das waren ja richtige Heißsporne im Gespann! Welch Freude ihr strammer Trab ihr bereitete. Vielleicht sollte sie sich ein eigenes Vehikel anschaffen. Münzen hatte sie genug, um sich solche Extravaganzen leisten zu können – und das, so deuchte sie, wäre ja auch eine wunderbare neue Aufgabe für zänkische Schneider…

Zuhause kam ihr ein völlig aufgelöster Sklave auf den Knien entgegen und winselte etwas Unverständliches. „Was ist denn los?“, wollte die Herrin wissen und zog ihre Stirn kraus. Endlich verstand sie, dass wohl in einer Webdecke ein Fehler entdeckt worden war. Das Fräulein betrachtete das Malheur: „Die kann ich so aber nicht verkaufen. Du weißt, was ich dir angedroht habe, wenn du schlampig arbeitest!“ Müßiggang und Tumbheit verabscheute sie gleichermaßen. Der Mann jammerte verzweifelt und warf sich vor ihr auf den Boden.

Die junge Herrin trat ihn mit ihrem Stiefel zur Seite und stolzierte, ihn nicht mehr beachtend, in ein anderes Gemach, dessen Zutritt für den Schneider verboten war. Schmunzelnd setzte sie sich auf einen prächtigen Diwan und griff nach einer reifen und saftigen Frucht aus einer Silberschale, in die sie schmatzend biss und nach ihrem Lieblingssklaven rief, der als einziger der Leibeigenen ihre privaten Räume betreten durfte. Wenn er sie heute nicht zu ihrer vollsten Befriedigung verwöhnte, würde sie ihm das Gleiche androhen, was sie auch ihrem anderen Arbeiter „versprochen“ hatte. Sie erinnerte sich nicht mehr an den genauen Wortlaut, aber sie hatte festgestellt, dass ein Schneider für seine Tätigkeit nicht alle Körperteile benötigte. Es war nur gerecht. Nahm er ihr die gute Laune, so nahm sie ihm ebenfalls etwas.

Fama stand kurz vor den Toren der Metropole. Ein Großteil der Streitkräfte war in der ehemaligen Hauptstadt geblieben, um beim Wiederaufbau zu helfen – und zweifelsohne zur Belagerung von Megaras Bollwerk. Die Soldatin Maia hatte es geschafft, ihren Geliebten Boreas unter ihre Fittiche zu bringen. Der Sklave gehörte zu einer kleinen Einheit, die Maia befehligte. Sie war für die Bewachung der Westmauer der Stadt zuständig – ein sehr gemütlicher Auftrag, denn ein Feind war nirgends zu erwarten, und Megaras Festung in der Mitte der Stadt war weit genug weg, als dass sie in Kampfeinsätze eingebunden würde, falls die Tyrannin und selbsternannte Göttin von Megaria in einem Anfall von Hybris einen Ausfall wagen würde.

Die meiste Zeit des Tages konnten die Sklaven im Schatten ruhen und dem Müßiggang frönen. Nur wenige Aufbauarbeiten fielen an der Westmauer an. Es gab ein tägliches Waffentraining, aber ansonsten wurde nicht mehr Schweiß als unbedingt nötig vergossen. Stets zur Dämmerung verschwand Maia mit Boreas unter einem Vorwand. Längst gab es Geflüster, doch niemand der Männer wagte ein offenes Wort, und andere Soldatinnen beschäftigten sich lieber mit ihren Untergebenen, wenn sie die Lust überkam. Um Liebeleien von Kameradinnen kümmerte man sich nicht.

Doch im Vergleich zu den nach Osten zurückkehrenden Centurias und Duxas war ihr Verhalten noch vornehm und reserviert, denn die stürmischen Wehrfrauen, die Fama begleiteten, sorgten auf ihrem Heimweg nach Osten für volle Haremhäuser und dort für ordinäre Sonderwünsche, die fast alle erfüllt wurden, denn die Besitzerinnen der Liebeshäuser freuten sich über jede Münze und waren außerdem stolz auf ihre siegreichen Soldatinnen.

Nach der strengen Disziplin auf dem Felde der Ehre und den Anspannungen der vergangenen Zeit, ließen viele uniformierte Damen in den Liebesnestern ihre gute Erziehung vergessen und sich nach Lust und Laune ungehemmt von ihren fleischlichen Begierden treiben. Hydra, die Inhaberin eines großen Haremshauses mit über 30 Liebessklaven winkte den abziehenden Offizierinnen mit einer Hand sehnsüchtig nach; die andere Hand umklammerte einen Lederbeutel mit klirrenden Münzen. Ach, gebe es doch noch mehr Feldzüge und heimkehrende Truppen, die nach einem männlichen Spielzeug gierten!

Als Fama den Stadtrand der Metropole erreichte, erwarteten sie bereits hunderte Schaulustige, die ihr zujubelten. Und je weiter sich der Tross dem urbanen Zentrum näherte, desto beeindruckender wurden die Menschenmassen, die Glitzerstreifen in die Höhe warfen, den Heimkehrerinnen begeistert zuriefen und alles Gute wünschten. Fahnen wurden euphorisch geschwenkt, Posaunen ertönten, und überall drängten sich die Menschen, um einen Blick auf die glorreichen Heimkehrer zu erhaschen.

Am großen Torbogen zum inneren Zirkel der Stadt begrüßte Helena die neue Herrscherin über den Alten Kontinent: Fama, die Siegreiche – das sollte ihr Beiname sein. Für solch stolze Titel hatte sie eine Schwäche. Er würde sich baldigst über das ganze Reich als frohe Kunde verbreiten. Und während die höchsten Militärs, der Adel und die dünkelhaften Edelfräuleins im Palast sich einem pompösen Bankett widmeten, feierte die Bevölkerung der Metropole ein Volksfest. Überall liefen die Menschen auf die Straßen und Gassen, grillten Fleisch über kleinen Feuern, prosteten sich mit Humpen und Tonbechern zu, tanzten und sangen, musizierten und begossen den Sieg über die im Volke mehr und mehr verhasste Megara. Selbst die Sklaven feierten mit und genossen heute so manche Privilegien, die sie sonst niemals gehabt hatten.

Spät in der Nacht begab sich Fama zu Bett im Palast, in dem bis gestern noch Helena als kommissarische Statthalterin gelegen hatte. Kein Käuzchen störte die Stille der Dunkelheit, und nur der Mond grinste still hinter einer Wolke lugend hervor. Morgen würde ein ebenfalls anstrengender Tag werden. Der wichtigste Moment ihres Lebens! Helena würde sie zur Königin krönen, und anschließend sollte die neue Herrschaft mit einem großen Spektakel in der Arena gefeiert werden. Ein Anflug von Lächeln fand sich in ihrem hübschen Antlitz.

In all dem Trubel hatte Fama ganz ihre beiden Töchter Aurora und Vesta vergessen. Sie waren bei dem Festbankett nicht anwesend gewesen, fiel Fama erst jetzt auf. Sie rief nach der Palastwache. „Wo sind meine geliebten Töchter?“ Die gerüstete Frau in dem kurzen Waffenrock und den langen Stiefeln stand stramm und druckste herum: „Edle Fama, Eure Töchter… Nur Helena weiß darüber bescheid…“ Fama sagte unwirsch: „Auf die Gefahr hin, ihr lästig zu fallen, aber bringt mir Helena her. Sofort!“ Als Fama ihre Vertreterin empfing, fühlte sich Helena offenkundig unwohl. „Edle Fama, ich wollte Euch Euren ersten Tag nicht belasten mit… Ungemach…“ Doch dann musste sie mit der unschicklichen Wahrheit herausrücken. Die Eskapaden von Vesta und Aurora, die Affäre von Famas Liebessklave Amatio mit der Schmiedin Gerra und deren Flucht – alles berichtete sie der neuen Herrscherin. Fama zitterte vor Wut. Ihre Augen starrten fiebrig auf die Uniformierte. „Wo sind meine missratenen Töchter?“ Kälter als diese Stimme hätte ein Schwall Eiswasser in den Nacken nicht sein können.

Es dauerte nur wenige Momente bis Fama im Schlafgemach von Vesta stand und Aurora von zwei Palastwächterinnen hereingebracht wurde. Ihre gesenkten Lider zeugten von ihrem schlechten Gewissen und der Ahnung, dass sich Schlamassel dräute. „Für diese Schande, die ich da hören musste, werdet ihr verdorbenen Gören noch auf unbestimmte Zeit in euren Keuschheitsgürteln verbleiben!“

Das Tochterpaar war auf der einen Seite schockiert, doch auf der anderen atmete es auch erleichtert auf, denn es hatte eine Züchtigung erwartet. Als Fama dann wie Gift speiend ergänzte: „Und 20 Hiebe mit dem frischen Haselnussstock auf den Hintern von jeder von euch!“, glaubten die beiden zunächst, dass ihre Prügelsklaven zu der Strafausführung geschickt werden könnten, doch weit gefehlt: Fama machte den Wächterinnen deutlich, dass Vesta und Aurora persönlich zu erscheinen hatten, um die Schläge entgegenzunehmen.

Den jungen Damen schoss das Blut in die Wangen, und ihre Herzen pochten vernehmlich, als die letzte Hoffnung auf ein glimpfliches Ende erlosch. Vestas Antlitz wurde feucht, und Aurora unterdrückte ein Schluchzen und überlegte, ob sie eine melodramatische Ohnmacht ob ihres Erdenjammers vorschützen sollte. Fama schäumte wahrlich voller Rage ob ihrer verwöhnten Brut. Ob sie nun ihre Sünden bekannten und beichteten oder närrischerweise verhehlten, war ihr einerlei. Sie musste den ungezähmten Eifer ihrer Gören zähmen und dafür sorgen, dass sie hinfort nur noch auf adäquaten Wegen wandelten.

In Abwesenheit der Sonne schrien zwei junge Edeldamen laut und wimmerten, winselten und jammerten, als ginge es um ihr Leben, wehklagten, drohten und bettelten, während ihre nackten Hinterteile ganz undamenhaft über einem Strafbock in die Höhe ragten und mit jedem Treffer des Haselnussstabes sengender und rot verfärbter wurden. Das fruchtlose Heulen und Aufbäumen erinnerte die Vollzieherin an die Laute, die so mancher Delinquent unter strenger Tortur mit glühenden Eisen ausgestoßen hatte.

Fama wohnte der Züchtigung nicht bei. Sie hatte sich in den Kerker in den Kellergewölben unterhalb des Palastes führen lassen. Ihre Fackel erleuchtete einen kleinen Kreis des Verlieses und ihr wurde eine einsame Gestalt gewahr. Sie stellte sich vor den Gefangenen, der auf ihr Geheiß in einen Eisenpflock gespannt war, und ein böses Grinsen stahl sich in ihr Gesicht. „Das hast du nun von deiner Unzucht!“ Amatio sah seine Herrin mit müden Augen an. „Verzeiht mir“, krächzte er mit trockenem Mund, denn nur selten erhielt er eine Schale mit brackigem Wasser seit er an diesem dunklen Ort war. Trotz allem versuchte er mit aller Willenskraft zu meistern, die ihm geblieben war, einen nicht zu würdelosen Anblick abzugeben.

Fama weidete sich höchlichst an seinen ungeschickten Versuchen, sich vor ihr zu verneigen, doch der Eisenpflock hielt ihn mit gespreizten Beinen in seiner unbequemen und exponierten Position. Befriedigt sah Fama ihm in den Schoß. Spott zuckte um ihre hübschen Mundwinkel. „Ich sehe, du wirst wohl kein Weib mehr betrügen…“ Sie betrachtete das Verlies mit dem alten Stroh, dem verbeulten Eimer für Amatios Notdurft und das nasse Mauerwerk, das über sein tristes Dasein bitter zu weinen schien. Hier würde er verrotten. Er hatte sein ihm gebührendes Schicksal selbst gewählt, als er mit der Schmiedin Unzucht trieb!

Sie stieg behände die Treppe hinauf in die prunkvollen Hallen des Palastes und legte sich in das große Bett und versank fast in den weichen Kissen aus Seide. Langsam führte sie ihre Hände an ihre Brüste und stellte fest, dass ihre Brustwarzen jäh erwacht waren, begierig ihre Berührungen genossen. Fama rief erneut nach der Palastwache: „Bringt mir einen Liebessklaven. Mir steht der Sinn nach ein wenig Zerstreuung. Etwas hübsches, junges.“


132. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 27.03.21 18:04

Als Gerra gehört hatte, dass Fama bereits nach Osten abgereist war, ärgerte sie sich maßlos. Sie hatte von Amatios Schicksal gehört und Fama bittere Rache geschworen. Nun war sie Centuria in ihren Diensten und in der ehemaligen Hauptstadt eingeteilt. Wenn sie nun zurück in die Metropole ritt, dann würde sie sich nicht nur der Fahnenflucht schuldig machen. Sie würde im Osten womöglich als Gerra erkannt werden. Die Schmiedemeisterin war ratlos, ja niedergeschmettert. Sollte eines Tages ein Feind vor den Toren des Reiches stehen… Sie würde alles dafür tun, um Famas Herrschaft in sich zusammenstürzen zu lassen.

Und die wahre Macht der Fama ward just in diesem Moment erst geboren: Die Regentin ließ sich von zwei Hohepriesterinnen und Helena zur absoluten Herrscherin und Königin krönen. Befriedigt ließ sich Fama das mit Edelsteinen besetzte goldene Kunstwerk auf das Haupt setzen und sah sich nach Beifall heischend im sonnendurchfluteten Saal um. Die goldtrunkene Imperatorin war am Ziel ihrer Träume angelangt. Sie regierte nun über den gesamten Kontinent. Megara war in ihrer Festung im Westen gefangen und würde dort nichts verrichten können. Und eines Tages würde die Vettel sogar vollends auch diese letzte Zuflucht aufgeben müssen und vor Famas Füßen kriechen. Die neue Herrscherin malte sich dies in allen Farben und Details aus und spürte, wie sich ein wohliger Schauer über ihre Haut zog, die von einem kostbaren Gewand bedeckt war.

Der Abend des großen Arenaspektakels war gekommen. Die Gladiatoren, die gegen den Troll kämpfen sollten und sonst an Todesmut nicht gebrachen, zitterten heute wie Espenlaub und beteten zu den Alten Göttern um Kraft und Glück im Kampf. Der Troll dagegen konnte es kaum erwarten, dass endlich das massive Fallgitter hochgezogen wurde, dass ihm noch den Eingang zur Kampfarena verwehrte. Während die Arena von hunderten Fackeln beleuchtet war, war die Umgebung mittlerweile in ein Stockdunkel getaucht, abgesehen von dem Mondlicht, das sich still im Wasser eines nahen Tümpels brach.

Die Ränge waren voll besetzt mit adligen Damen und ihren Hausdienern, hohen Militärs wie Duxas und einigen ausgewählten Centurias, reichen Damen unterschiedlicher Gewerbe und Edelfräuleins, die für diesen Abend angereist gekommen waren. Auf der prunkvollen Ehrentribüne saßen in der königlichen Loge neben Fama die Statthalterin Helena, daneben die Sklavenjägerin Phoibe, die den Troll gefangen hatte, zwei Sklavengroßhändlerinnen namens Ceres und Flagella sowie eine Plantagenbesitzerin mit hunderten Sklaven namens Cassandra.

Auch Vesta und Aurora hatten auf der Ehrentribüne Platz genommen und erwarteten eine spektakuläre Pläsanterie. Sie hatten sich auf besonders dicken Kissen aus Samt und voller feinster Daunen niedergelassen und rutschten unbehaglich hin und her. Nur wenige Eingeweihte kannten den Grund. Wenn Blicke hätten töten können, wäre Fama wohl augenblicklich von ihrem thronartigen Sitz gefallen, denn die Fräuleins kargten nicht mit sichtbarer Abneigung, ja siedendem Hass.

Vesta schwor sich verdrossen: „Eines Tages werde ich Mutters Krone erben. Oh, und dann werde ich ihr Grab einstampfen lassen.“ Die Worte schwebten auf ihrer erdbeerfarbenen Zunge, doch die Kühnheit, sie laut auszusprechen, brachte sie nicht auf. Aurora hatte ähnliche Gedanken. Sie biss sich abwechselnd auf Ober- und Unterlippe. Ihr Hintern brannte, ihre Venus hungerte nach ihrer Hand oder einem jungen Burschen. Alles war so schrecklich! Hoffentlich würde sie wenigstens durch den Trollkampf ein wenig Zerstreuung erhalten.

Im Hintergrund standen Sklaven in Lendenschurzen und wedelten den erhabenen Damen mit Palmzweigen kühle Luft zu. Neidisch beäugten sie die Leckereien und Getränke, mit denen es sich die Herrinnen gut gehen ließen. Die Männer hatten ihren Hunger am Morgen nur mit einer kleinen Schale Haferschleim bändigen dürfen. Fama stellte ihren goldenen Weinkelch zur Seite und klatschte lässig mit den Händen, so dass die acht geschwungenen Goldringe aufeinander klackten, die sie seit neuester Zeit trug. Die Majordoma hatte das Zeichen gesehen und spornstreichs weitergeleitet. Der Wettstreit mit der Bestie sollte beginnen, dass sich das werte Publikum daran laben konnte.

Vier Posaunen erklangen. Jubel schallte von den Zuschauersitzen, Rufe und anstachelnde Begeisterungsschreie sowie geifernde Anfeuerungsrufe von den Rängen brachen aus,die dem Spektakel euphorisch Beifall zollten. Das schwere Fallgitter ruckelte kreischend nach oben, dicke Ketten klirrten, der Troll sprang ungelenk bereits in die Arena, als die eiserne Tür noch nicht ganz hochgezogen war. Die acht Gladiatoren, die von der anderen Seite auf den Kampfplatz gestoßen wurden, starrten dem Koloss aus Muskeln achtungsvoll entgegen, dessen gewaltige Statur allein beredt genug angsteinflößend wirkte.

Wenigstens hatte man dem Troll keine Waffe gegeben. Die Sklaven sahen erschrocken, dass das Ungetüm auf sie mit aufbrausender Angriffslust zu sprintete. Offenbar hatte es keinen Respekt vor acht bewaffneten Gladiatoren. Der festgestampfte Boden schien unter den Schritten des Biestes zu erbeben, das auf die Männer zustürmte. Ob ihre Lanzen wie feine Hölzchen brechen würden, wenn der Troll gegen sie anrannte? Vermutlich würden sie nutzlos durch die Luft spritzen. Die Gladiatoren murmelten etwas von „Todgeweihten“ und machten sich jeden Lidschlag gewärtig auf einen Zusammenprall gefasst, der sie vielleicht mit verrenkten Gliedern in die Höhe schleudern lassen würde.

Doch plötzlich änderte der Troll seine Richtung und spurtete auf die Ehrentribüne der Fama zu. Zu spät spannten die Bogenschützinnen der Palastwache ihre Langbögen. Der Troll sprang mit seiner unglaublichen Beinkraft die hohe Mauer empor und landete krachend in der pompösen Majestätsloge. Die letzte Elle hatte er sich dafür an dem gemauerten Geländer hochgezogen und dabei durch sein monströses Gewicht Teile des Gesteins bröckeln lassen. Staub wirbelte in die Luft. Die edlen Damen rissen bang ihre Augen weit auf. Ceres ließ ihren Kelch fallen, dass der rote Wein auf den Marmor spritzte und anschließend ihr weißes Seidengewand besudelte wie Lebenssaft den Waffenrock einer Soldatin in der Schlacht.

Phoibe zog einen edlen Dolch mit gedrechseltem Heft aus Gebein, das mit Silber ziseliert war – die einzige Klinge, die sie trug. Doch wirkte die Schneide gegen den Troll wie ein Zahnstocher in ihrer kleinen verkrampften und zitternden Faust. Fama sprang auf und sah der unfassbaren Erscheinung fassungslos entgegen. Die Kreatur stand nur wenige Schritte vor ihr. Die Regentin war vor Schreck erstarrt wie eine Salzsäule und sah dem Untier kreidebleich und ungläubig entgegen. Ihr Herz wusste nichts von dem mutigen Blick ihrer Augen auf ihr Gegenüber. Innerlich schlotterte sie.

Ein tief dunkler Schatten fiel über die Frauen. Der mächtige Körper des Trolls sperrte die Sonne aus wie ein breites Scheunentor aus schwerer Eiche. Wie war es dem Untier nur gelungen die über zwei Mann hohe Brüstung zu überwinden? Doch sollten sich die Frauen darüber nicht zu sehr wundern. Schließlich war der Troll ebenso groß gewachsen. Das Urwesen bleckte seine gewaltigen Zähne und die Muskeln seiner Arme und Schultern quollen regelrecht hervor, Fäuste, groß wie Waschschüsseln, ballten sich und würden alles, was sich ihnen in den Weg stellte, zu Mus zu zerstampfen.

Zwei todesmutige Wächterinnen, die die Loge als erste erreicht hatten, wurden von dem Troll wie lästige Fliegen zur Seite geschleudert, so dass die Schöße ihrer Waffenröcke umherwirbelten, und stürzten samt und sonders keuchend in die Arena hinab, den Hort von Sieg oder Tod. Die Luft schien zu brennen, die Apokalypse brach an. War das das Ende? War der metzelnde Troll von den Alten Göttern geschickt, um die Menschen zu richten?

Kerbera hatte mittlerweile Routine in der Küchenarbeit. Und auch im Stall war sie zu gebrauchen. Zwar neckte sie der Stallbursche noch wegen ihrer Dürrheit, doch auch er musste zugeben, dass die Fremde schnell dazugelernt hatte und fleißig anpackte. Der Knecht wunderte sich trotzdem immer wieder über das seltsame Paar aus dem tiefen Innenland. Die schöne Kerbera schien ihren Cain recht gut an den Zügeln zu führen, denn oft hatte er unbemerkt die heimlichen Blicke zwischen dem Paar beobachtet. Cain schien großen Respekt vor seinem Weibe zu haben. Und doch wagte Kerbera kein Widerwort, wenn die Zwei unter Menschen waren.

Zu gern hätte der Stallbursche das schöne Rasseweib verführt, doch als er einmal im Stall von hinten herangeschlichen war und mit seinen schwieligen Händen ihr Hinterteil kneten wollte, war sie wie vom Blitz getroffen herumgedreht und hatte ihm eine saftige Ohrfeige verpasst. Der Pferdeknecht hatte sich die glühende Wange gehalten und gemurmelt: „Bei den Alten Göttern! Du zierst dich wie eine Hofdame von adligem Geschlecht.“ Bisher hatte keine Magd seine Avancen verschmäht. Noch dazu auf diese uncharmante Weise.

Heute holte Kerbera gerade Wasser vom Brunnen, als ein Reiter zum Hof galoppierte, das große weiße Gatter durchquerte und flink vom Sattel sprang. In diesem Moment überholte die lange Staubfahne, die er hinter sich hergezogen hatte, den Boten und ließ ihn fast darin verschwinden. „Magd, versorge mein Ross. Ich habe einen arg beschwerlichen Weg hinter mir. Ich muss schnell zur Bäuerin eilen.“ Kerbera sah dem Mann hinterher. Jäh erschien hinter ihr der junge Stallbursche: „Ich mache das schon. Bring du endlich das Wasser ins Haus. Und anschließend mistest du geschwind den Schweinekoben aus. Er hat es mehr als nötig! Eile!“ Kerbera knirschte mit ihren Zähnen und hastete mit dem schwappenden Wasserkübel ins Haus. Dort bekam sie gerade noch mit, wie die Bäuerin sagte: „Absonderlich. Und die Fremden sind vor der Küste gestrandet?“

Kerbera stellte den Kübel ab und schlich zur Tür der Stube. Sie legte ein Ohr an das dicke Holz und lauschte. Der Mann war zu hören: „…zwei Männer und zwei Weiber. Arcanum bringt sie her. Ich soll Euch fragen, ob ihr eine Herberge für sie habet. Aber es gibt noch etwas, das Ihr wissen solltet. Arcanum hatte eine Nacht, bevor die Fremden erschienen sind, einen ungewöhnlichen Traum bei Vollmond. Er hat mit erzählt, dass Königin Leda eines Tages zurückkommen werde, um ihr Reich zurückzuerobern und…“ Mehr verstand Kerbera nicht, denn sie hörte laute Schritte hinter sich: Der Stallbursche war mit seinen schweren Stiefeln hineingekommen und erschien nun an der Tür zur Diele. „Wo bleibst du denn? Wenn du weiterhin so träge bist, werde ich mich bei deinem Manne beschweren. Vielleicht kann er dafür sorgen, dass du morgen hurtiger arbeitest!“ Er grinste sie schief an. Kerbera krümmte die Finger wie eine Raubkatze, die ihre Krallen ausfuhr. Doch sie blieb äußerlich ruhig und eilte in den Schweinekoben, um die ihr aufgetragene Arbeit zu erledigen.

Leda – so ein Unfug! Welcher Schalk schwätzte nur solch Kraut? Als sei die ehemalige Königin nicht längst tot! Kerbera griff nach der Mistgabel und schaufelte den stinkenden Dreck. „Megara wird bald gefallen sein. Vielleicht ist sie es schon. Unter Fama kann ich flink wieder in eine mir gebührende Position gelangen. Dann werde ich bestenfalls Goldmünzen schaufeln und keinen modrigen und widerwärtigen Mist! Und Cain wird es büßen, mich so respektlos behandelt zu haben!“ Mit jedem Wort schaufelte sie kräftiger. All ihren Zorn steckte sie in ihre schweißtreibende Arbeit. Und so schuftete sie noch lange weiter, bis der Koben endlich sauber war. Erschöpft ließ sie die Mistgabel irgendwann fallen und zog den letzten Trog mit Unrat bis zu dem Haufen, den sie aufgeschüttet hatte.

Sie brauchte dringend ein Bad! Aber als einfache Magd musste sie zum Fluss, um sich den animalischen Gestank vom Leib zu schrubben. Ihr wäre sogar der Geruch von brandigen Wunden auf dem Schlachtfeld lieber gewesen. Dabei fiel ihr ein, wie sie den Stallburschen schon mehrfach beobachtet hatte, wie er sich hinter Büschen am Fluss versteckt hatte, als sie sich dort wusch. „Dieser lüsterne Bengel!“, schimpfte sie vor sich hin. Und tatsächlich spürte sie auch jetzt dessen faunischen Blick förmlich auf ihrem nackten Rücken, als sie dabei war, ihren Leinenrock und den Wams zu waschen. Dabei stand sie bis zur Brust im Wasser des Gewässers und genoss die Frische und Abkühlung. Als sie sich ruckartig herumdrehte, stand der Knecht sogar frech und frei am Ufer. Mit verschränkten Armen und einem unverschämten Grinsen starrte er sie an, prall von fleischlichen Trieben. Hastig bedeckte sie ihre blanken Brüste und schimpfte: „Wirst du wohl machen, dass du wegkommst!“

Kerbera fiel der Unterkiefer vor Erstaunen hinab, als der Jüngling keineswegs Anstalten machte, sich von Dannen zu machen, sondern im Gegenteil sein Wams über dem Kopf auszog und in das gelbe Gras fallen ließ. „Warte. Ein kleines Bad wird auch mir gut tun“, verkündete er frohgemut, als sei dies das Selbstverständlichste der Welt. Dann fiel auch seine ledernes Beinkleid und sein leinenes Leibhöschen. Kerbera schluckte. „Bei den Alten Göttern!“, hauchte sie. Würde es dieser Jüngling etwa wagen…? Der ungebetene Gast sprang unverhohlen in die Fluten und paddelte vergnügt im Wasser. Dabei kam er Kerbera näher und näher.

Dabei alberte er nur herum, ohne unzüchtige Blicke in Richtung des Weibes zu werfen oder sie gar unziemlich zu berühren. Bald war Kerberas Bestürzung guter Laune gewichen. Auch sie spritzte im Wasser umher. Und bald hatte sie ihre Blöße vergessen und die Zwei tobten wie unbeschwerte Bälger voll Unschuld im Wasser. Doch war nicht zu verhehlen, dass sie nun mal fleischlich Mann und Weib waren. Und so kam es, dass die Stimmung nach einigen zaghaften Berührungen plötzlich eine neue Richtung einschlug: Kerbera und der Knecht küssten sich und versanken um Blick des Gegenübers, noch bevor ihnen klar ward, was da gerade geschah. Und schließlich erforschten vier Hände den Leib des anderen und beide Leiber vereinten sich lechzend nach dem Gegenüber verzehrend in dem brusthohen Wasser.

Der Bursche hatte ein Knie von Kerbera angehoben und war in ihren Schoß eingedrungen, was wohlige Laute aus ihrem Mund zauberte. Auch der Knecht spürte, wie seine Luststandarte begierig pochte, sich durch die enge Weiblichkeit schob und ein schier unbeschreibliches Vergnügen empfing bis Kerbera sich krampfend an dem Jüngling festklammerte und spürte, wie sein Samen sich heiß in ihr entlud.

Viele Meilen weiter östlich, noch etwas östlich der Metropole, saß ein Haussklave bei Schreibarbeiten in der Bibliothek einer betuchten Dame. Mannsbilder, die schreiben konnten, waren schwer zu finden und im Gegensatz zu allen anderen sehr teuer, daher wurde Caduceus gut behandelt. Körperliche Züchtigungen hatte er bisher kein einziges Mal erdulden müssen. Andere Sklaven dagegen wurden einmal in der Woche der Reihe nach abgestraft – das war Usus bei ihrer Herrin.

Caduceus dagegen musste weder auf dem Feld noch in den Ställen schuften, keine Hausarbeiten verrichten und auch keine Liebesdienste ausführen. Er stand den ganzen Tag - und manchmal auch in nächtlichen Stunden bei einem tropfenden Öllicht - an seinem Stehpult und schrieb für seine Besitzerin auf Pergament. Er kopierte alte Bücher der Gebieterin und übersetzte auch Texte, die teilweise noch von Talos I. stammten. Seine Herrin war eine Schriftensammlerin, besaß hunderte Folianten und war selbst sehr gelehrt.

Er tauchte gerade seinen Gänsekiel in das Tintenfass, um eine neue Zeile auf einer Pergamentseite zu beginnen, da hörte er vor dem Fenster laute Stimmen. Neugierig begab er sich zu der Gaube und lugte hinaus. Ein Herold war gekommen und sprach mit der Herrin, die unter einem großen Sonnensegel saß und kühles gezuckertes Wasser trank. „Leda? Die alte Königin? Aber das kann doch nur ein Gerücht von Tratschmäulern sein!“ Der Herold meinte: „Es macht die Runde von der Westküste bis zur Metropole. Warum sollten die Westler so etwas in Umlauf bringen, wenn es nicht stimmte?“

Die Herrin hoch ihren Blick himmelan, hielt sich das Kinn und dachte nach. Sollte Leda wirklich noch leben, dann würde sie den Thron zurückfordern. Megara war besiegt. Fama war an der Macht. Aber ob unter Leda die Frauen noch ihr angeborenes Vorrecht ausleben durften? Oder ob sie wieder in die alte Zeit zurückfiel, in der Mannsbilder die gleichen Rechte besaßen wie Damen? So in Gedanken strich sie mit der anderen Hand über einen dornigen Rosenstiel und hätte beinahe ihre zarte, gepflegte Haut aufgerissen, aber die Vorsehung wollte, dass ihr nichts geschah.

„Verfügt Leda denn über eine Armee?“, fragte sie spöttisch. Der Herold verneigte sich unterwürfig. „Nein, edle Dame. Natürlich nicht. Sie wird niemals wieder den Thron besteigen. Fama ist die rechtmäßige Erbin der Megara.“ Die werte Lady nickte. „Das will ich auch hoffen, dass du so denkst, Bote.“ Sie warf ihm eine Kupfermünze vor die Füße, die sich der Mann schnell einsteckte. „Habt vielen Dank für Eure Großzügigkeit, edle Dame“, sagte er und verneigte sich tief.

Caduceus schlug sein Herz bis zum Hals. Leda lebt? Das wäre ja eine famose Fügung! Der Alchimist erinnerte sich an die Zeiten, als er an Ledas Hofe als Heiler und Gelehrter gedient hatte. Hastig schritt er zu einem abseits stehenden, hohen Regal voller verstaubter Bände und in Leder geschlagene Kladden. Er kletterte auf einen Hocker und griff in das oberste Fach, zog einen dicken Folianten herab und schlug ihn auf einer bestimmten Seite auf. Dort hatte Caduceus eine alte, magische Formel notiert. Wenn er noch die notwendigen Ingredienzien erhielt, würde er im Dampf des Gebräus bis tief in den Westen schauen und Leda sehen – wenn sie es war, von dem man berichtete. Er musste unbedingt Gewissheit haben.

133. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 11.04.21 16:05

Megara erhielt schlechte Nachrichten von ihrer Majordoma: „Höchste Göttin Megara! Zu meinem tiefsten Bedauern muss ich Euch berichten, dass die Grabungen eingestürzt sind. Der Boden ist wegen des Grundwassers einfach zu weich. Wir sollten die Versuche einstellen…“ Die Worte der Imperatorin peitschten der Majordoma entgegen: „NEIN! Weitergraben sage ich! Ich bin die Göttin! Hast du das verstanden? Mein Wille geschieht! Und wenn dabei hunderte Sklaven absaufen ist mir das auch egal!“

Die Majordoma verneigte sich vornehm und verließ pikiert den Thronsaal. Megara stapfte unruhig über den Marmorboden. Dann lief sie eiligen Schrittes in den höchsten Turm ihrer Festung, von dem sie auf den Marktplatz der Hauptstadt sehen konnte. Atemlos, nicht wegen der vielen Stufen, sondern wegen der neuen Statue der Fama, die ihr entgegen starrte, blieb ihr die Luft weg. „Blasphemie!“, schrie sie hinab und raufte sich die Haare.

Hier lief ihr alles aus dem Ruder! Was war überhaupt mit den schlampigen Sklaven, die die Festung gefährdet hatten? Die Tyrannin befahl einer Wächterin, sofort die schuldigen Kreaturen bringen zu lassen, die den Torbalken so fahrlässig verschoben hatten. Eine Weile später erschienen tatsächlich zwei Leibeigene in Ketten, die kläglich und leise schluchzend vor ihr niederknieten. Zwei Wächterinnen verneigten sich tief. Eine von ihnen zeigte auf die Rechtlosen und sprach: „Das sind die Schuldigen, höchste Göttin Megara. Was soll mit ihnen geschehen?“ Megara krampfte ihre Hände um die Enden der Armlehnen ihres Throns wie eine Krähe ihre Krallen um einen Ast. „Sie…“ Vor tosendem Zorn konnte sie kaum sprechen. „Schafft sie zur Foltermeisterin. Sie sollen…“ Die Tyrannin zählte eine schier endlose Liste auf, wie mit den Schuldigen zu verfahren sei. Sie sollten in nie dagewesenen Schmerzen baden.

Irgendwann merkte sie selbst, dass es einer genaueren Auswahl bedurfte, und sie brach mitten im Satz ab und starrte stoisch auf einen imaginären Punkt vor ihrem Thron. Ächzend wedelte sie mit der schwer beringten Hand. Musste sie sich denn um alles kümmern? Die Männer wurden abgeführt. Schwere Eisentüren fielen hinter ihnen ins Schloss und ein dicker, rostiger Riegel wurde quietschend vorgeschoben. Die Wächterinnen sahen sich mit schlechtem Gewissen an. Aber was hatten sie tun sollen? Irgendeiner musste ja der Schuldige sein. Die beiden Uniformierten hatten sich überlegt, wen sie aussuchen sollten. Die eine Wachfrau hatte sich erinnert, dass ein Sklave vor einigen Tagen unter seiner schweren Last vor ihren Augen gestolpert war und dabei ihre Stiefel mit Staub verdreckt hatte. Für sie war die Wahl nicht schwer gewesen.

Die andere Frau hatte längere Zeit nachdenken müssen. Dieser große Kerl mit den vielen Muskeln war ein richtiges Arbeitstier, auf das sie nicht verzichten wollte. Und die Männer aus der Westkolonne waren eine eingespielte Gruppe, wenn es um schwere Gewichte wie Bohlen, Steinquader oder Mühlsteine ging. Die vier Sklaven aus dem Stall? Nein, die kannten sich so gut mit den Rössern aus wie keine anderen. Die Kampfsklaven wurden alle für die Verteidigung auf den Mauern hinter den Zinnen benötigt. Und irgendeiner von den Minenarbeitern? Ob da nun zwei mehr oder weniger absoffen, weil Megara ihrem irren Plan frönte, einen Ausbruchtunnel zu bauen, oder ob diese im Kerker litten, war doch einerlei.

Der Wächterin war eingefallen, dass sie schon ein halbes Dutzend der Minenarbeiter für Liebesdienste herangezogen hatte. Da war doch mal einer gewesen, dessen Männlichkeit ihr sowieso zu klein geraten schien. Wer war das noch? Die Uniformierte war in die Mine hinab gestiefelt und hatte den Gesuchten auch bald gefunden. Sie hatte eine Wahl getroffen und den Auserkorenen zurück ans Tageslicht mitgenommen.

Das war gestern gewesen. Sie hatte den Leibeigenen waschen lassen und dann in ihr Quartier beordert. Eine letzte Liebesnacht würde sie ihm zugestehen, hatte sie entschlossen. Und es war eine ganz besondere Nacht geworden. Die Wachfrau konnte ihn noch jetzt in ihrer Erinnerung fühlen: wie sich sein Verlangen den Weg in ihre Weiblichkeit, die süße Schatulle, gesucht hatte. Wahrlich war sein Lustschwert eher ein kurzer Dolch; doch es war das letzte Begehr eines zum Tode geweihten, das so sehr ihre sinnlichen Lenden weckte. „So fühlte es sich also an“, schwärmte die Wächterin noch immer.

Megara brachte sich für die Befragung der Sklaven in Stimmung: Sie ließ Abas kopfüber an Ketten aufhängen, stopfte ihm eine Stumpenkerze in den Hintern und zündete diese an, während sie maliziös grinste. Der Raum war durch schwere Samtvorhänge abgedunkelt, und die wenigen Fackeln an den Wänden zauberten ein unheimliches und flackerndes Bild auf die Steine und den hängenden Königsgemahl. Die selbsternannte Göttin summte leise ein Lied vor sich her und stieß Abas gleichmütig an, um ihn zu schaukeln. Als das heiße Wachs dem Gefangenen über das Gemächt und zwischen die Hinterbacken lief, stöhnte er auf. „Das gefällt dir wohl?“, fragte sie scheinheilig und nippte an einem Kelch schwerem Rotwein, dessen Farbe dem Lebenssaft eines Gefallenen auf dem Schlachtfeld glich. „Du wirst mit mir untergehen!“, kam es in einem dämonischen Singsang über ihre Lippen. Und es hörte sich schon an, wie das Lied eines toten Gerippes.

Abas horchte auf. Hatte die Tyrannin gerade ihre Niederlage eingestanden? Hatte sie sich in ihr Schicksal ergeben? Obsiegte die Gerechtigkeit? Durch Abas Körper floss trotz seiner unpässlichen Lage eine erquickende Kraft, eine Quell der Freude und Hoffnung. Er würde Megaras Verderben noch miterleben. Da war er sich nun gewiss. Ihr Ende war besiegelt. Das war eine unbezahlbare Genugtuung für ihn. Und das Einzige, was er noch besaß.

In weit entfernten Landen: „Ich heiße Euch willkommen“, begrüßte die Bauersfrau die Reisenden, die von dem Jäger Arcanum zu dem Gehöft gebracht worden waren. Kerbera beobachtete die Ankömmlinge vorsichtig von der Scheune aus. War die eine der Weiber etwa Leda? Das konnte nicht sein! Nein, der Jäger war nur seinem nächtlichen Gespinst aufgesessen. Die Frauen wirkten beide nicht wie Königinnen. Und sowohl die zwei Männer wie auch die Weiber waren sofort bereit, für die Herberge in Stall und auf dem Feld tüchtig mit anzupacken. Eine Monarchin würde sich niemals die Hände mit Erde und Hühnerdreck schmutzig machen.

Und so machte sich Kerbera keine Gedanken mehr über die neuen Mitbewohner des Hofes. Zwar nannte sich eine der Weiber „Lina“, was eine wage Ähnlichkeit mit „Leda“ hatte, aber das war wohl nur Zufall, war sie sich gewiss. Die ehemalige Senatorin der Megara hatte sich inzwischen damit abgefunden, noch eine Weile als Magd leben zu müssen. Erst mussten die Machtverhältnisse in der Hauptstadt geklärt sein, bevor sie sich zu erkennen geben könne. Und ihre Liebelei mit dem jungen Stallburschen ließ sie die arbeitsreichen Tage überstehen.

Fast täglich trafen sie sich am Fluss oder in einem nahen Olivenhain, um ihrer Lust zu frönen. Erst nach einem halben Monat kam Cain hinter die heimliche Romanze und wollte den Stallburschen mit Hilfe seiner Fäuste zur Rede stellen, doch Kerbera drohte ihm in der Kammer: „Wenn du ihm auch nur ein Haar krümmst, werde ich dafür sorgen, dass du in einem Keuschheitsgürtel verrottest! Denk daran, dass du immer noch mein Sklave bist!“ Sie schaffte es, Cain mit ihren Worten einzuschüchtern, obwohl er hier an der Westküste doch als freier Mann galt. Aber die lange Zeit als Leibeigener unter Kerberas Fuchtel in einem strengen Matriarchat wie Megaria ließ sich nicht verleugnen. Sie war in seine Seele eingebrannt wie ein rotglühendes Eisen. Und so kuschte er unter seinem angeblichen Weib und tat gedemütigt so, als bemerke er die Liaison nicht.

Es gab einige Liebschaften am Hof: Diese Lina zog sich hin und wieder mit Hagbard zurück, und Zelos schwärmte ganz eindeutig für Nike, die ihn gern neckte und dann aber doch mit ihm das Stroh teilte. Des Weiteren trieben es immer offener und rücksichtsloser Kerbera und der Stallbursche miteinander. Inzwischen wussten das gesamte Gesinde und auch die Herrschaft von den beiden. Cain erntete immer öfter mal spöttische, mal mitleidige Blicke, doch niemand sprach ihn darauf an, dass sein Weib ihm Hörner aufsetzte. Er galt - je nachdem wen man fragte - als blind, Hasenfuß oder blöd.

Es dauerte noch einige weitere Wochen bis eigenartige Gerüchte die Westküste erreichten: Fama, die Siegreiche, sei in der Ostmetropole, dem neuen Zentrum ihrer Macht, beinahe von einem Troll gefressen worden. Bei einer Kampfveranstaltung in einer Arena habe sich das Drama abgespielt, als sich das Ungetüm gegen mehrere Gladiatoren habe behaupten sollen und jäh auf die Ehrentribüne gesprungen sei. Die Einen erzählten, dass der Troll einige Damen bei lebendigem Leibe verschlungen haben soll und ihm in der Massenpanik anschließend gelungen sei, zu flüchten – niemand habe seine Spur verfolgen können. Andere jedoch berichteten, der Troll sei zwar auf die Ehrentribüne gesprungen, doch von beherzten Bogenschützinnen überwältigt worden.

Fama habe an ihm ein Exempel statuieren wollen und ihn einen Tag später auf dem Marktplatz der Metropole ausstellen lassen: Breitbeinig sei der Troll in einen Standpranger gezwungen worden, und das Volk habe seine gewaltige Männlichkeit bestaunen können, die durch schwere Ziegel nach unten gezogen worden sei – und jeden Tag habe Fama persönlich einen weiteren Ziegel dem Gewicht hinzugefügt, um sich an der Strafe des frevelhaften Trolls zu weiden.

Was nun daran der Wahrheit entsprach, und was davon von Bänkelsängern erdichtet war, konnten die Hörer nur spekulieren. Die Westküste war weit weg. Wer wusste schon, was im Osten des Alten Kontinents vor sich ging? Und so musste sich Kerbera noch weiterhin gedulden und ihren niederen Arbeiten auf dem Hofe nachgehen. Dabei träumte sie schon von besseren Tagen, in denen sie Dienstboten herum scheuchen konnte.

Derweil hatte die Soldatin Maia ihren Dienst im Heer der Fama abgeleistet und sich mit barer Münze auszahlen lassen. Nach Ende des Kriegszuges war die Nachfrage nach Streitkräften deutlich gesunken, und Maia durfte mit einem Beutel voller Silbermünzen ihrer Wege ziehen. Sie kaufte sich in der ehemaligen Hauptstadt zwei gute Pferde, neue Gewandung, Proviant, einige gute Waffen und machte sich dann auf zur zuständigen Duxa ihrer bisherigen Abteilung.

Die Offizierin war bemächtigt, Maia Kampfsklaven zu verkaufen. Wegen der Schwämme an Leibeigenen war ihr Preis sehr gering. Doch hätte Maia wohl auch viel mehr als die geforderten drei Silberstücke gezahlt, denn ihr Interesse galt einem ganz bestimmten Sklaven. Die Soldatin, die Boreas übergab, wunderte sich: „Warum ausgerechnet diesen Kerl? Nehmt doch einen von denen da!“ Sie zeigte zu fünf Männern hinüber, die kräftiger und trainierter als Boreas aussahen. „Nein, ich will nur diesen da“, wies Maia zu einer Person hin. Die andere Soldatin schloss den Sklaven von seiner Kette und ließ ihm aber sein Metallhalsband. „Für eine neue Kette müsst ihr selbst sorgen. Ich würde es Euch allerdings raten. Sonst läuft er Euch noch weg.“

Maia verneigte sich dezent. „Habet dank!“ Sie zahlte die drei Münzen aus ihrer Geldkatz. Als sie dem Sklaven das zweite Ross anbot, in dessen Sattel er sich schwang und ihr treu folgte, schaute die Soldatin den beiden Reitern fragend hinterher. „Sie lässt ihn reiten?“ Die Uniformierte zog verwundert die Stirn kraus. Doch dann grinste sie frivol. „Jetzt begreife ich. Sie kennt das Exemplar und weiß, was es unter seinem Lendenschurz trägt. Und wer nicht marschieren muss, hat des Nachts mehr Manneskraft.“ Bei dem Gedanken rührte sich etwas in ihrem Schoß. Ein Kribbeln durchfuhr sie, und sie merkte, wie ihre Weiblichkeit feucht ward.

Sie prüfte den Stand der Sonne: Sie hatte noch Zeit, bevor sie wieder vor die Festung der Megara musste. Sie rief zu den Leibeigenen hinüber, die sie vorhin erwähnt hatte. „Hey, du da, mit den blonden Locken. Komm her!“ Der Sklave eilte zu der Soldatin und beugte demütig das Haupt. Die Soldatin schritt um ihn herum und zog ihren Dolch. Mit der Spitze der Klinge hob sie den Lendenschurz des Mannes und betrachtete Gemächt und das ansehnliche Gesäß. Ihr Grinsen wurde breiter. Ein Leckerbissen! Sie nahm ihn an der Halskette und zog ihn hinter sich her. Ein wenig Kurzweil hatte sie sich verdient, bevor sie wieder zu ihrer Abteilung musste.

Caduceus hatte die Substanzen aufgetrieben und sie zur Mitternacht entzündet. Er atmete den Dampf tief ein, schloss die Augen, konzentrierte sich, tauchte ab in eine Meditation und brachte sich in eine Art Traumzustand. Sein Atem ging langsam und gleichmäßig. „Leda…“, flüsterte er. Sein gesamter Leib zitterte. „Es ist also wahr! Die Königin lebt!“ Caduceus sah die Majestät als Magd eines Gehöftes Wäsche waschen. Und bei ihr waren noch weitere Personen… Vertriebene… ins Exil geschickte… Ihr treu ergebene Untertanen… Doch mehr konnte der Alchimist nicht erkennen. Die Bilder verwischten vor seinem Geist.

Wo hielt sich die Königin auf? Caduceus schlug das Herz nun, als wolle es seinen Brustkasten sprengen. Er musste sich mehr konzentrieren! Tiefer in die Illusionen eintauchen. Der Seher atmete tief ein und aus und sog den Dampf in seine Nase. Wenn die Majestät noch lebte, dann war alles möglich. Der Untergang der Megara hatte nur den Aufstieg eines genauso bösen Weibes zugelassen. Welch Graus! Doch damit musste er sich nicht abfinden. Leda! Sie lebte!

Nachdem Caduceus sich mit seinem Schicksal als Leibeigener längst abgefunden hatte, keimte in ihm die Hoffnung, eines Tages wieder als Freier unter Ledas Herrschaft leben zu dürfen. Der Alchimist entfernte alle Spuren seiner Sichtung und legte sich auf seine Kissen, die seine Herrin ihm in einer kleinen Kammer neben der Bibliothek zugestanden hatte. Doch ein Schlaf wollte sich lange nicht einfinden. Viel zu angespannt war er dazu.

Also stand er wieder auf und kritzelte mit seinem Gänsekiel weiter auf einem Pergamentbogen, auf dem er in verschnörkelten Schriftzeichen kunstvoll den Text aus einem der staubigen Bücher malte. Wenn er danach noch nicht müde sein würde, überlegte Caduceus, würde er sich noch an das Strafbuch machen, dass die Herrin führte. In Schönschrift trug er dort ein, welcher Sklave der Herrin sich welcher Sünde schuldig gemacht hatte, und welche Strafe ihn erwartete. Die Herrin führte darüber peinlichst genau Buch und liebte es, darin zu blättern.

Maia und Boreas ritten gen Westen. Irgendwo an der fernen Küste wollten sie sich niederlassen und als Mann und Weib zusammen leben. Je weiter sie nach Westen ritten, desto geringer wurde der politische Einfluss des Matriarchats. Zu Anfang waren sie noch oft schief angeguckt worden, denn Maia hatte Boreas in einer Schmiede sein Halsband entfernen lassen. Als sie ihn auch noch in feines Wildleder einkleiden ließ, kam die Schneiderin gar nicht mehr aus dem Staunen heraus. Ein Sklave in so edlem Zwirn? Und teure Stiefel dazu? Da kostete seine Gewandung ja mehr als sechs von seiner Sorte! Er war doch ein Sklave, hatte die Frau gerätselt. Schließlich war er nur ein Mannsbild! Was für eine absurde Verschwendung!

Doch um jede Meile, die sie weiter zurücklegten, verhielten sich die Menschen männerfreundlicher. Als sie endlich in der Küstenregion angekommen waren, war von Frauendominanz nichts mehr zu spüren. In einem Hafendorf suchten sie sich eine günstige Herberge. Das erste Gasthaus, das sie fanden, war aus einem Steinfundament und einem Holzaufbau mit einem flachen First gestaltet. Die Traufe hing weit über den Eingang und wurde von zwei dicken Balken stützt, die kunstvoll verziert waren. War eine Kammer hier zu kostspielig? Alles sah sehr gepflegt aus. Maia wollte zumindest nachfragen. Zu ihrem Erstaunen war der Preis für die Nacht erträglich, so entschloss sie sich, hier Quartier zu halten.

Maia, die noch aus alter Gewohnheit erklären wollte, dass ihr Begleiter nicht im Stall sondern in ihrer Kammer schlafen sollte, sorgte für ungewollte Heiterkeit bei dem Wirt. „Habt Ihr Fremdlinge Angst um Eure Rösser? Keine Sorge. Es tut keine Wache not. Pferdediebe werden hier streng bestraft. Forthin gibt es keine mehr.“ Er zog mit seinen dicken, kurzen Fingern in einer symbolischen Geste über seine Kehle.

Maia ward rot vor Verlegenheit und ließ sich die Kammer zeigen. Boreas trottete hinterher. Der Wirt wunderte sich erneut. Warum lief der Mann seinem Weibe hinterher? Was war denn das nur für ein Hasenfuß? Aber er behielt seine Gedanken für sich und zuckte nur mit den breiten Schultern. Hauptsache war, dass die Gäste für die Nacht und die Mahlzeiten berappten. Und Maia hatte dem Wirt bereits eine ganze Silbermünze in die Hand gedrückt. Dafür würde sie die Kammer einige Tage behalten können und herzhaft zu Brot, Braten, Suppe und Met greifen dürfen.

Zwei Tage später erreichte die Fischerflotte ihren Heimathafen. Mit reicher Beute kamen die rauen Männer nach wochenlanger Fahrt auf dem Ozean zurück. Mit ihnen näherte sich ein gewaltiger Schwarm aus Möwen und anderen Seevögeln der Küste. Geschäftiges Treiben an der Kaimauer und den Holzstegen war die Folge. Maia und Boreas fragten nach Arbeit und packten für einige Kupfermünzen pro Tag fleißig mit an, den Fang in Kisten zu verladen und diese auf Karren zu stapeln. Boreas schleppte Körbe mit Fischen, Hörnern, Muscheln, Korallen und Walfleisch, sortierte Fische, schrubbte die Decks der kleinen Schiffe; Maia reparierte Netze und Segel und bürstete überschüssiges Salz von eingepökelten Häuten und Fellen ab.

Hin und wieder wurde sie am ersten Tage während der Arbeit von Fischern bedrängt, doch konnte sie sich gut verteidigen. Nachdem ihr ein Seefahrer derb an den Hintern gefasst hatte und nach ihrer Brust greifen wollte, um hinein zu kneifen, hatte sich Maia geschickt weggedreht und dem Mann ihr Knie in den Schoß gerammt. Der Fischer war vornüber gesackt und hatte laut gestöhnt. Als er sich wütend aufrichtete und sich auf das widerspenstige Weibsbild stürzen wollte, verharrte er abrupt, als er eine scharfe Klinge an seinem Hals spürte. Maia lächelte ihn überlegen an. „Haltet ein! Kommt mir noch einmal zu nahe und ich setze meinen Dolch da unten an!“ Mit diesen scharfen Worten versetzte sie dem Fischer einen Knuff mit der Faust an die bereits schmerzende Stelle.

Unter dem Gelächter der anderen Seefahrer war der Kerl flink wie ein geprügelter Hund von dannen gezogen. „Gehabt Euch wohl, Bursche!“ Dies hatte sie ihm zum Abschied hinterher gerufen. Seit diesem Tage wurde Maia von allen Männern im Hafen und des Dorfes Respekt gezollt. Boreas hingegen lachten viele der Bewohner hinter vorgehaltener Hand aus, denn er galt als Hasenfuß und Duckmäuser. Denn Maia konnte ihre dominante Art nicht immer zurückhalten und gab ihrem Begleiter hin und wieder strenge kommandierende Anweisungen. Boreas gehorchte stets sofort und ohne Widerrede. „Das muss Liebe sein“, schwärmte eine Magd, die beobachtete, wie der Mann seinem Weibe zu Gefallen war. Doch ein Knecht neben ihr knurrte: „Unfug! Der lässt sich von einem Weib herumschicken! Willst du etwa so einen?“ Die Magd sah den Knecht neckisch an. „Na ja, es hat schon seine Vorteile…“

134. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 18.04.21 15:57


Nur wenige Meilen entfernt lag das Gehöft, in dem Leda, Nike, Hagbard und Zelos lebten. Auch sie zog es nun zum nächsten Hafen, um dort geschäftig mitzuarbeiten. Als die Vier gerade auf einem Steg einige Kisten auf einen Eselskarren verluden, stiegen einige Fischer von Bord eines Kahnes. Zunächst interessierten sich Leda, Nike, Hagbard und Zelos nicht besonders für die Männer. Doch dann erkannten sie unter den Kerlen eine Gestalt, die… Leda starrte sie an. „Das ist doch gar wundersam!“ Auch Nike, Hagbard und Zelos sahen aus, als hätten sie einen Geist gesehen. Der Mann, der gekleidet war wie einer der Fischer, sah Honos, ihrem ehemaligen Majordomus wie aus dem Gesicht geschnitten.

Auch Honos erkannte Leda und Hagbard. Aber er grinste nur frech und schritt an ihnen vorbei. Leda war außer sich. „Wie kann er es wagen!? Er ist ein Meuterer! Ich werde ihn…“ Doch da hielt Hagbard sie an der Schulter zurück. „Nicht so laut! Denkt daran: Ihr seid nun Lina, die Magd. Ihr habt keine Befehlsgewalt mehr über ihn.“ Leda haderte mit sich und biss ihre Zähne zusammen. Hagbard brummelte: „Mich würde aber interessieren, wie der Bursche es geschafft hat, vom Westkontinent zu entkommen und hier aufzutauchen.“ Nike schlug vor: „Fragen wir den Kapitän des Schiffes, mit dem er eingetroffen ist.“ Die frühere Gardistin machte sich auf den Weg und kletterte an Bord. Da kamen ihr der Schmied Tartaros und einige weitere Männer an Deck entgegen, die ihr irgendwie bekannt vorkamen.

Später berichtete Nike den Anderen, was sie von dem Seemann erfahren hatte: Die Fischerflotte war durch einen schweren Sturm weit von den üblichen Schifffahrtsrouten nach Westen abgetrieben worden und auf Schiffbrüchige gestoßen: sechs Männer, die halb verdurstet auf einem Floß dahin trieben, ausgehungert und ausgetrocknet. Die Meuterer waren anfangs 14 Personen gewesen: elf Soldaten, ein Gardist und Tartaros sowie Honos. Doch nur ein halbes Dutzend hatte das waghalsige Unternehmen überlebt.

„Aber warum sind sie überhaupt zurückgekehrt?“, fragte sich Leda und zog die Stirn kraus. „Sie haben mit mir gebrochen, und unter Megaras Herrschaft würden sie sogar versklavt.“ Hagbard grübelte. „Vielleicht sind sie auf dem Westkontinent vertrieben worden. Er ist ja offenbar bewohnt von einem seltsamen Volk.“ Leda machte sich noch bis tief in die Nacht Gedanken über das Wiedertreffen mit den Meuterern, kam aber bei ihren Überlegungen zu keinem rechten Schluss. Sie war nun eine kleine, unbedeutende Magd. Sie hatte keine Macht mehr über die Mannsbilder. Sollten sie doch zum Teufel gehen!

Wichtiger war ihr, was aus den Getreuen geworden war, die sie hatte zurücklassen müssen. Leda schmerzte das Herz. Thrym, Medikus, Ate, Ajax und Pan… Was war aus ihnen geworden? Eine quälende Ahnung wuchs in ihr: Waren sie Opfer des fremden Westvolkes geworden? Eine nicht weniger erschreckende Vorstellung: Waren sie den Meuterern über den Weg gelaufen? Oder lebten sie sicher in ihrer neuen Heimat? Und dann fiel ihr auch Gladius ein, den Soldaten, den sie vielleicht in den Tod geschickt hatte, als sie ihn als Späher ausgesandt hatte. Leda liefen ein paar Tränen über ihr Antlitz. Verschämt wischte sie sie weg, als Nike zu ihr in die Kammer kam und sich neben ihr zur Ruhe legte.

Doch Ledas Sorgen waren unbegründet. Denn die sechs Gefährten hatten sich stabile Unterkünfte aus Bambusrohren und großen Blättern gebaut. Zweige und Lianen schützten die Häuser zusätzlich vor Wind, Sonne und Regen. Die Umgebung, in der sie sich niedergelassen hatten, war sehr fruchtbar. Außerdem gab es viele jagdbare Tiere. Und seit Gladius mit der Muskete aufgetaucht war, ging das Waidwerk viel leichter von der Hand.

Anfangs war besonders Thrym skeptisch und äußerte abergläubisch: „Dieser Feuerstock kann nur dämonischen Ursprungs sein. Lasst ihn uns vergraben.“ Doch Gladius erklärte ihm, was er bei dem Westvolk darüber erfahren hatte: dass nämlich keine Zauberei, sondern einfache Alchemie der Grund für die Wunderwaffe war. Er berichtete ebenso von einem ausgeklügelten Zeitenmesser. Jene komplexe Konstruktion aus Zahnrädern und allerlei feinster Mechanik konnte jede Stunde des Tages anzeigen - ohne die Sonne zur Hilfe zu nehmen. Und eine andere Schöpfung mit einer schwimmenden Nadel in einer Dose zeigte verlässlich die Himmelsrichtung an - ebenfalls ohne Sternenzelt.

Thrym runzelte die Stirn. Die Erzählung mit dem Feuerstock war schon absonderlich genug, immerhin hatte er ihn mit eigenen Augen gesehen, aber den Rest - fürwahr - hatte sich Gladius gewisslich ausgedacht. Imaginationen, die seiner Fantasie entsprungen waren. Oder es war doch Hexerei!

So lebten die Zurückgebliebenen ein recht sorgenfreies Leben. Ate wurde als einziges Weib von den Männern hofiert, was ihr sehr gefiel. Keiner der Recken konnte Besitzansprüche an sie stellen. Ate entschied jeden Tag aufs Neue und aus freien Stücken nach Lust und Laune, ob sie die Nacht alleine verbringen oder mit einem ihrer Kameraden teilen wollte.

Oft war es Pan, den sie erwählte, obwohl er nach Ledas Abreise zu forsch für ihren Geschmack gewesen war. Mittlerweile aber hatte sie an seiner Gestalt Gefallen gefunden. Doch weil auch Gladius, Thrym und sogar der Medikus hin und wieder zum Zuge kamen, hielt sich die Eifersucht unter den Recken in Grenzen. Nur Ajax war unzufrieden, denn er steckte immer noch im Keuschheitsgürtel der Leda. Dafür verfluchte er die Schicksalsgötter heimlich, und dann hoffte er in seinen Gebeten auf eine Antwort. Doch die Stille, die er vernahm, rauschte nur laut wie das Meer in seinen Ohren.

Dass Ate die ganze Zeit über den Schlüssel verbarg, den Leda im letzten Moment ihrer Abreise aus dem Ballon geworfen hatte, um Ajax die Freiheit zu schenken, wusste außer ihr selbst niemand. Und aus irgendeinem Grund, den sie sich nicht so recht erklären konnte, wollte sie das Geheimnis vorläufig für sich behalten. Vorläufig… Ate hatte schon viele Stunden darüber nachgedacht. Aber inzwischen getraute sie sich auch nicht mehr, die Wahrheit aufzudecken, denn Ajax wäre gar sehr böse, wenn er davon erführe.

Und da war noch etwas in Ate, was sie von einer Beichte abhielt. Nie zuvor hatte sie so viel Erfüllung erlebt, wenn sie mit einem Manne beisammen lag. Die Gewissheit, den Schlüssel zu einer Männlichkeit zu besitzen, war unglaublich erregend und befriedigend. Wegen dieser Gefühle würde sie den Schlüssel niemals wieder hergeben. Anfangs hatte sie ein schlechtes Gewissen dabei gehabt. Besonders, wenn sie Ajax hörte, wie er seufzte und vor sich hin jammerte. Aber als sie bemerkte, dass Pan den Eingeschlossenen nicht etwa bedauerte, sondern sogar verspottete und offenbar sein Verlangen dadurch nach ihr größer und heißer wurde, da genoss sie das Spiel mit der Keuschheit.

Und eines Tages konnte sie ihr Geheimnis nicht mehr für sich behalten und teilte es wispernd mit Pan. Der Soldat reagierte so, wie sie es sich nur wünschen konnte: Er lachte gehässig, und seine Männlichkeit wurde so hart und fordernd, dass Ate alles um sich herum vergaß. Sie flüsterte Pan beim Liebesspiel ins Ohr, wie sehr sie ihn wollte, und wie sehr sie es genoss, dass Ajax in seinem Keuschheitsgürtel schmachtete.

So lagen Ate und Pan noch oft beieinander, teilten ihr Geheimnis und die unbändige Lust miteinander. Vor Ajax heuchelte das Weib weiterhin Mitleid und Verständnis, doch wendete sie dann stets ihr Gesicht mit einem hämischen Grinsen ab, während ihre Lust in ihrem Schoß erwachte.

Erst eines Tages kam es zu einem handfesten Streit zwischen den Männern, als Ate zunächst Gladius die Nacht versprochen hatte und dann auf sich warten ließ. Der Soldat machte sich leicht bekleidet und sichtbar voll Begierde auf die Suche nach Ate und fand sie leidenschaftlich in den Armen des Nebenbuhlers, der den Rivalen spöttisch angrinste und seine Hand auffällig auf Ates Brust legte. Gladius stürzte sich auf den Provokateur. Doch Pan zückte eine blanke Klinge, die sich in Gladius Leib gebohrt hätte, wäre dieser nicht im letzten Wimpernschlag zur Seite gewichen.

Ate war entrüstet über Pans hinterhältiger Attacke mit der Waffe. Sie schlug mit ihren Fäusten und Füßen auf Pan ein und verließ dann empört mit Gladius die Hütte. Pan blieb allein zurück. Nun brodelte die Eifersucht in ihm. Erst nachdem er seiner Lust eigenständig nachgegeben hatte, beruhigte er sich ein wenig. Morgen würde Ate wieder zu ihm kommen. Sie würde ihn anbetteln, damit er in sie tauchte. Doch dazu kam es nicht.

Das Weib hatte einen bedeutenden Entschluss gefasst. Pan gehörte bestraft. In der folgenden Nacht vertraute es sich Gladius an. Ate erzählte jedoch nur, dass sie den Schlüssel zu dem Keuschheitsgürtel vor kurzem gefunden habe, wo ihn Leda scheinbar hinterlassen habe. Sie verriet Gladius nichts davon, dass die Vorstellung des Versperrten auch ihr eigenes Feuer entfacht hatte. Und auch nicht, dass sie den Schlüssel schon viele Wochen an ihrem Herzen trug. Aber das musste er ja auch nicht wissen.

„Und was willst du nun tun?“, fragte Gladius sie. „Willst du Ajax erlösen?“ Ate nickte langsam und bedacht. „Ja, und Pan soll in den Gürtel gesteckt werden. Er hat nichts anderes verdient.“ Sie reckte fordernd ihr Kinn vor. Gladius zog sie zu sich und streifte ihr Wams von ihrem nun nackten und zarten Leib. Sein Verlangen war so groß wie nie zuvor. „Lass uns morgen reden…“ In diesem Augenblick ahnte sie, dass die Nacht voller Hitze sein würde, und der wackere Recke enttäuschte diese Ahnung nicht.

Als die Sonne aufging besprachen Gladius und Ate ihr Vorhaben mit Thrym und dem Medikus. Thrym, der sich als Anführer sah, traf den Richterspruch: „So soll es geschehen! Der Dolchangriff muss geahndet werden.“ Und noch in dieser Stunde wurde Pan überwältigt und gefesselt an einen Baum gestellt. Ate verkündete, dass sie den Schlüssel zu dem Keuschheitsgürtel gefunden habe und nun Ajax erlösen werde und statt seiner ab heute Pan verschlossen werde.

Thrym verkündete nun noch einmal das Urteil der kleinen Gemeinschaft. In Ajax Augen blitzte eine tiefe Genugtuung auf. Pan dagegen jammerte laut und plärrte würdelos, bettelte um Gnade und Erbarmen. Doch seine Worte verhallten ungehört. Sein Flehen war den Anwesenden so gleichgültig wie dem Baum, an den er gebunden war. Ate zerrte ihm die Kleider weg und flüsterte ihm zu, dass es niemand sonst hörte: „Unser Geheimnis bleibt unter uns! Sonst bleibt dein Gemächt für alle Ewigkeit versperrt. Niemand muss wissen, wie lange ich den Schlüssel schon hatte.“ Pan hatte das Gefühl, in ein tiefes Loch zu fallen, das ihn für immer verschlingen wollte.

Ate befreite Ajax aus seinem Keuschheitsgürtel. Sie zelebrierte die Öffnung regelrecht. Der Soldat stöhnte erlöst auf und griff sich an seine Männlichkeit. Fast standen ihm Tränen der Erleichterung und Freude in den Augen. Er sah noch, wie der grausame Kerker, den er so lange Zeit als barbarische Bürde hatte tragen müssen, mitleidlos um Pans Lenden schnappte, der nun jammerte wie ein Weib, und dann eilte Ajax mit seiner neu gewonnenen Freiheit, an die er schon lange nicht mehr geglaubt hatte, in seine Hütte.

Die Nacht sollte Pan am Baum gefesselt bleiben. Als die Dunkelheit hereingebrochen und der Mond aufgezogen war, konnte er durch einige Bäume noch das knackende Lagerfeuer sehen, um das die Gefährten gesessen hatten, und von dem ein Bratenduft herüber wehte, der Pan das Wasser im Munde zusammen laufen ließ. Langsam starben die Flammen. Nur noch die Fleischreste hingen am Grillstab. Doch schlimmer als der Hunger nach Fleisch war bereits jetzt der Appetit auf Ate. Ate, die ihn so schändlich erpresste, die Thrym erst auf die Idee gebracht hatte, ihn in den vermaledeiten Keuschheitsgürtel zu sperren.

Als Pan endlich die Augen zufallen wollten, wurde er durch Geraschel hinter seinem Rücken wieder wach. War da ein Tier gewesen? Oder nur der Wind, der ihm Gesellschaft leistete? Aber dann sah er zu seinem Erstaunen, wie Ate an seiner Seite erschien. „Was machst du hier?“, fragte er überrascht. Die Soldatin lächelte ihn an, streichelte seine Brust und sein Gesicht. „Ich möchte dich besuchen.“ Pan stöhnte vor Verlangen. Wäre er doch nur nicht gefesselt. Er würde sie nehmen wie ein Mann ein Weib nahm. Ach, und trüge er nicht diesen teuflischen Gürtel!

Doch dann erstarrte er fast vor Freude, als Ate ihm einen Schlüssel vor die Nase hielt. „Schau, was ich uns mitgebracht habe.“ Pan ächzte vor Begierde. „Binde mich los! Eile!“
Ate schüttelte langsam und amüsiert den Kopf. „Aber dann läufst du mir noch weg! Ich kann dich nur aufschließen, wenn du am Baum stehen bleibst.“ Pan stöhnte. „Also gut. Schließe mich auf!“ Ate streichelte über Pans Körper. Sie sah und spürte, wie sich seine Brustwarzen aufrichteten. Sie steckte den Schlüssel in das Schloss und befreite den Soldaten von dem eisernen Kerker.

Pan stöhnte erneut auf. Das Begehr wuchs in ihm in Windeseile in ungeahnte Höhen. Ate konnte beobachten, wie sich seine Männlichkeit aufrichtete. Pan versuchte seine Hüfte nach vorne zu stoßen, um Ate näher zu sein, sie zu berühren, doch die Seile hielten ihn am Stamm. Ate kicherte belustigt auf. „Willst du das hier?“, neckte sie ihn und näherte sich rücklings und vorgebeugt dem Stamm, die Röcke gehoben und ihre Weiblichkeit ganz offen zur Schau stellend.

Pan stöhnte hilflos auf. Ate bewegte sich mit wiegenden Schritten zu ihm, hielt sich aber immer wenige Fingerbreit aus der Reichweite seines Luststabes, der frustriert und hungrig in der Luft pochte und bebte. Ate ergötzte sich dabei an dem Schauspiel, genoss seine hoffnungslosen Versuche in sie einzudringen und spürte, wie sie selbst heiß wurde, wie die Leidenschaft in ihr zu brennen begann.

Als der Gefesselte es aufgeben und begreifen wollte, dass sie ihn nur aufzog, kam sie doch so nah, dass die Spitze seines scharfen „Schwertes“ kurz in ihre feuchte Spalte drang. Wieder stöhnte Pan lustvoll und zugleich gequält auf, als Ate erneut einen halben Schritt von ihm weg machte und sich ihm so entzog – nur eine Handbreit weg, und doch so weit, wie hundert Meilen. Nun begann sie auch noch mit ihren Fingern ihre Weiblichkeit zu erregen. Pan schluckte trocken und öffnete weit den Mund, als bekomme er nicht genug Luft zum Atmen. Seine Augen starrten ihr in den Schoß. Ate foppte ihn, steckte ihm einen Finger in den Mund, an dem er gierig ihren Duft und Geschmack einsaugte, dann gab sie sich ihm wieder hin, doch nur kurz, bevor sie sich ihm wieder frotzelnd entwand.

„Hör auf, mich zu martern!“, flehte Pan. „Bitte, Ate! Ich bin doch mit dem Keuschheitsgürtel schon gestraft genug.“ Doch Ate trieb ihr Spiel aus Lug und Trug wieder und wieder, ließ seine Spitze eintauchen, und einmal presste sie sich ganz in seinen Schoß, was ihm ein maskulines Luststöhnen entfahren ließ. Aber schließlich begnügte sich Ate damit, seinen Stab mit den Händen zu verwöhnen und brachte ihn mit ihren kunstfertigen Fingern fast auf den Gipfel der Lust. Pans gefesselter Leib war gespannt und verkrampft, wollte nur noch seinen Samen ergießen, aber dann…

…ließ Ate wieder von ihm ab und die hilflose, zappelnde und Fäden ziehende Männlichkeit allein und unbefriedigt zurück. Pan grunzte gepeinigt auf. In der Hoffnung, dass Ate im nächsten Moment wieder die Berührung mit ihm suchte, starrte er sie voller Begierde und Verlangen an. Er konnte gar nicht anders. Er war seinem Verlangen und damit der Soldatin schier willenlos ausgeliefert. Aber was er dann bemerkte, ließ ihn vor Entsetzen erstarren. Das musste ein Trugbild sein: Gladius kam zwischen den Büschen hervor.

Ate hatte augenblicklich nur noch für den Nebenbuhler Augen. Die Beiden küssten sich vor ihm leidenschaftlich, und Pan musste miterleben, wie Ates Finger die Lenden des Rivalen erforschten, wie Gladius Ates Brust und Gesäß knetete, wie die beiden stöhnend zu Boden sanken, Ate ihre Schenkel öffnete und die zwei sich vor ihm vereinten! „Nein!“, hauchte er krächzend. Seine Stimme versagte ihm. Das Bild und die Laute schmerzten stärker, als hätte Ate ihm in sein Gemächt getreten. Sie bog ihren Rücken in höchster Leidenschaft durch und gab sich Gladius bedingungslos hin. Vor Pans Augen verschwammen die Liebenden durch einen Regen von Wut, Frustration, Eifersucht und Trauer.

135. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 25.04.21 16:21

In der Metropole im Osten des Kontinents saß Fama, die Siegreiche, derweil mit einigen Senatorinnen zusammen. Hinter vorgehaltener Hand nannten sie einige der Damen wegen ihrer Marotten auch Fama, die Launische, aber das würde niemals laut ausgesprochen werden. Die Imperatorin sprach wie stets mit fester Stimme, hart wie Granit: „Es ist also beschlossen. Die Sklavenjägerin erhält keine Begräbniszeremonie.“ Die Entscheidung war einstimmig gefallen. Phoibe, die den Troll für die Arena gefangen hatte, war bei einem schrecklichen Unglück ums Leben gekommen.

Aber da erst ihr Fang das Desaster möglich gemacht hatte, war Fama nicht gut auf die Sklavenjägerin zu sprechen. Als der Troll vor den vollen Rängen der Schaulustigen gegen Gladiatoren kämpfen sollte, war er bis auf die Ehrentribüne gesprungen. Nur der mutige Einsatz zahlreicher Gardistinnen hatte verhindert, dass das Untier blutige Ernte unter den mächtigsten Damen des Reiches einholte.

Phoibe, die berühmte Sklavenjägerin, konnte den Gewalten des wütenden Ungeheuers allerdings nicht entkommen. Als habe der Troll genau gewusst, wem er seine Gefangenschaft zu verdanken hatte, hatte er sich als erstes auf Phoibe gestürzt und fürchterliche Rache genommen.

Fama, Helena, Ceres, Flagella und Cassandra konnten dagegen mit knapper Mühe der Todesumarmung des außer Kontrolle geratenen Giganten entkommen. Dabei zerriss das Kleid der Sklavengroßbesitzerin Cassandra, und sie flüchtete in schlichter Leibwäsche in die Katakomben der Arena. Panisch irrte sie in den steinernen Gängen umher, an zahlreichen Sklavenkäfigen vorbei, aus denen sich schmutzige Finger nach ihr streckten, Kreaturen, die nach ihr riefen, sie verlachten oder bedrohten.

Ceres, die Sklavenhändlerin, musste den grausamen Tod ihrer Freundin Phoibe ansehen und konnte nur mit einem beherzten Sprung in die Arena ihr Leben retten. Dort landete sie im Staub und machte sich zum Gespött der Menschenmassen, die hin und her gerissen waren zwischen fasziniertem Gaffen und Schauder über den ungeplanten Auftritt des Trolls in der Loge der neuen Königin.

Flagella, die andere Großhändlerin, stieß eine Wächterin in Richtung Troll, um selbst zu entkommen und flüchtete auf die Zuschauerränge. Von dort sprang sie dem Vestibül entgegen und wurde von der eigenen Leibgarde aus kräftigen Sklaven abgeschirmt.

Helena und Fama wurden von so vielen Palastgardistinnen umringt, dass der Troll nicht in ihre Nähe kam. Sie wurden so schnell von ihren Beschützerinnen aus der Loge gebracht, dass der tobende Riese ihnen nicht folgen konnte. Um ihre Töchter kümmerte sich Fama in diesem Moment nicht. Vesta und Aurora waren aufgesprungen und hatten ebenfalls versucht, aus der Reichweite des Trolls zu entkommen, doch in der allgemeinen Panik waren sie zu Boden gestürzt auf allen Vieren orientierungslos herumgeirrt wie blinde Kätzchen.

Aurora hatte Vesta auf den Saum ihres Kleides getreten und es mit lautem Ratschen zerrissen. Jäh krabbelte Vesta mit entblößtem Gesäß weiter, das von der Züchtigung immer noch rötlich schimmerte wie ein Sonnenuntergang im Frühjahr. Einige Hoffräuleins auf den Rängen konnten sie und ihre Pracht sehen und zeigten kichernd auf die Königstochter, die verzweifelt nach dem verloren gegangenen Stoff suchte, um sich zu bedecken.

Aber stattdessen geriet sie in die Reichweite des Trolls, der sie anhob wie eine Feder und in die Luft warf und ihr dabei noch den Rest ihres Kleides vom Leibe zog. Splitternackt flog Vesta in die Höhe und schrie wie am Spieß. Nur ihr Keuschheitsgürtel verdeckte wenigstens einen Teil ihrer Scham. Der Troll fing sie wieder auf und schleuderte sie nun wie einen angebissenen Apfel in die Arena hinab zu den Gladiatoren. Die Männer fingen die Königstochter auf, doch spürte Vesta daraufhin scheinbar Dutzende Hände an ihrem Leib, zwischen den Schenkeln, an ihren Brüsten, ihrem Gesäß… Sie schrie noch schriller als je zuvor und schlug wild um sich.

Aurora war inzwischen aufgestanden, aber über ihren eigenen Kleidersaum gestolpert und in voller Länge wieder hingefallen. Dabei verlor sie endgültig die Orientierung und taumelte nun dem Troll genau in die Arme, der gerade ihre Schwester über die Balustrade katapultiert hatte. Fast genau vor ihrer Nase baumelte das gewaltige Gemächt des Goliaths. Angst und Faszination mischten sich bei Vesta und ließen sie erstarren. Der Troll packte sie zu ihrem Glück nicht, sondern flüchtete mit einer Gewandtheit, die ihm niemand zugetraut hätte, aus der Tribüne auf die Ränge der Zuschauerinnen.

Sofort brandete Panik auf, und die Damen stoben auseinander. Der Flüchtende suchte jedoch nur den Ausgang aus der großen Arena. Schon wenige Wimpernschläge später war er verschwunden, ein Chaos der Verwüstung und Angst hinterlassend, der Staub noch in der Luft, den seine schweren Schritte in die Höhe gewirbelt hatte.

Fama brüllte: „Fangt ihn wieder ein!“ Aber die Soldatinnen reagierten nur zögerlich. Niemand hatte großes Interesse daran, von dem Ungeheuer zermalmt zu werden. Und so gelang es dem Untier, aus der Metropole zu fliehen und in den umliegenden dichten Wäldern Unterschlupf zu finden. Chaos und Angst hinterlassend, war er verschwunden.

Die Sonne war erst eine kurze Strecke über den Himmel gezogen, da tobte Fama in ihrem Palast und befahl mehreren Suchtrupps, die Fährte des Flüchtigen aufzunehmen, doch sollte der Troll verschollen bleiben. Eines stand inzwischen fest: Phoibe hatte das alles zu verantworten und sollte wie Gesinde verscharrt werden. Nur ihr Nachlass war zu regeln. Was sollte mit den Sklavengaleeren geschehen, was mit den Sklavenladungen? Ich werde alle annektieren, beschloss Fama. Zumindest das war ihr die törichte Phoibe schuldig.

Fama, die Siegreiche, war zutiefst verstimmt. Nach dem verhängnisvollen Arenakampf mit dem Troll benötigte sie einen politischen Erfolg. Sie schickte Helena auf dem schnellsten Wege in die alte Hauptstadt nach Westen, um endlich Megara aus ihrer Festung zu holen. „Brennt alles nieder, wenn es sein muss“, blaffte Fama, „egal, was es kostet! Stürmt dieses elende Bollwerk! Auch, wenn es tausende Sklaven benötigt.“

Helena machte sich bei der nächsten Morgenröte, es lag klammer Nebel über dem Boden, mit einer Gardistenarmee auf den Weg zu ihrem schwierigen Auftrag. Sie durfte Fama nicht enttäuschen, wenn sie die neue Statthalterin der westlichen Provinzen bleiben wollte. Die große Aufgabe, die vor ihr lag, zog an ihr wie eine schwere Fußkette aus dicken Eisengliedern.

„Es muss doch möglich sein, diese räudige Hexe aus ihrem Loch zu bekommen!“, raunzte sie eine Duxa an. Die hohe Offizierin antwortete: „Wie Euch beliebt, edle Helena. Ich werde eine Angriffsstrategie ausarbeiten und Euch vorlegen, noch bevor wir die alte Hauptstadt erreichen.“ Helena nickte zufrieden. „Nun denn. Versüßt mir den Tag.“ Sie griff in einen Beutel nach einer Weintraube und ließ sie zwischen ihren Zähnen zerplatzen.

Nach einem viele Stunden andauernden Ritt ließ sie auf einer baumlosen Ebene für die Nacht lagern. „Bring mir einen Lustsklaven ins Zelt. Und einen Zuber frisches Wasser. Morgen werden wir bei Sonnenaufgang aufbrechen.“ Die Duxa salutierte und verließ die Unterkunft der Führerin. Wenige Augenblicke später erschien ein junger und hübscher Sklave mit lockigem Haar, der sofort auf die Knie fiel, als er die Statthalterin auf einem Diwan liegen sah, und demütig zu Boden blickte. „Komm zu mir“, winkte Helena jovial lächelnd. „Dort vorne steht warmes Öl. Massiere mich. Mein Leib schmerzt vom langen Ritt.“

Der Jüngling gehorchte und zeigte, wie gewand er mit seinen Händen war. Während Helena die Behandlung genoss und die Augen geschlossen hielt, um zu entspannen, war der Sklave angespannt und nervös. Beinahe strauchelte er einmal über seine eigenen Füße. Wenn er Helena nicht zu ihrer vollsten Zufriedenheit verwöhnte, würde er gewisslich gezüchtigt. Zumindest hatte ihm die Soldatin, die ihn herbefohlen hatte, dies prophezeit.

Knetete er zu fest? Waren seine Griffe zu lasch? Hatte er das Öl auch sorgfältig genug auf dem zarten Körper verteilt? Waren seine Hände weich genug? Gefiel es der edlen Helena?
Der Sklave war voll banger Unentschlossenheit. Und trotz seiner Angst vor dem Versagen, fühlte er sich sehr geehrt, dass er die hohe Helena berühren durfte. Das konnten wohl nur die wenigsten Sklaven von sich behaupten. Dennoch war es ihm nicht einmal in seiner Fantasie möglich, sich ausmalen, was die Nacht noch für ihn bereit hielt.

Während sich der hohe Kriegstross in ungedrosseltem Schritt in Richtung Westen begab, schufteten unterhalb Megaras Festung Dutzende Sklaven an einem Durchbruch in das unterirdische Höhlensystem, um der Tyrannin eine Option zur Flucht zu gewähren. Die völlig übermüdeten und erschöpften Leibeigenen wurden von den erbarmungslosen Soldatinnen mit Peitschen und Knüppeln immer wieder an ihre Arbeit und tief in die Gänge getrieben. Die Kreaturen röchelten und strauchelten, schwitzten und stöhnten. Die großen Gefahren wegen Einsturz und Überschwemmungen mussten sie ignorieren.

Megara raufte sich das lange Haar. „Verrat! Verrat überall!“ Langsam wurde sie verrückt vor Sorge. Würden ihre Untertanen, die ihr noch geblieben waren, zu ihr stehen? Wie lange noch? Megara ließ Abas in einen kleinen Käfig sperren und diesen über die Zinnen an der Wehrmauer einige Ellen schabend hinabrutschen. „Der Wurm soll ein Symbol sein für alle, die sich gegen mich stellen!“, rief sie durch den Thronsaal. Eine Duxa, die den Befehl hinterfragte, wurde ihrem Dienstgrad enthoben und zur einfachen Soldatin degradiert.

Eine Centuria, die von der Duxa mehrfach als Oberaufsicht in die alten Minenschächte geschickt worden war, teilte die nun einfache Soldatin mit einem breiten Grinsen für die Wächtergruppe ein, die tief im Inneren der Erde dafür sorgen mussten, dass die Sklaven mit allerlei Hilfsmitteln die Wege frei gruben oder durch weitere harte Gesteinswände hackten – ein schmutziges und schweißtreibendes Unterfangen auch für die Wachen, denn in der Tiefe herrschte eine Hitze, dass man sich fühlte wie ein Schmorbraten über glühenden Kohlen.

Die Centuria wartete nur darauf, dass die Soldatin mit ihren Kameradinnen in die Minen hinab stieg. Dann ließ sie den Lustsklaven der ehemaligen Duxa rufen und vergnügte sich mit ihm. Schon bald erkannte sie den exklusiven Geschmack dieses Weibes und genoss die geschickte Zunge des Mannes. Ab heute würde er nur noch sie verlustieren.

Vor den Toren beobachteten zwei Duxas der Armee der Fama mit gefesselten Blicken, wie Abas in dem Käfig an der Außenmauer entlang schleifte. „Was bezweckt die alte Hexe damit? Wer ist das? Irgendein Sklave oder Kriegsgefangener?“ Die andere Duxa ließ sich ein Fernrohr bringen – eine neue Errungenschaften von Alchimisten. „Das ist… Das könnte…“ Sie erinnerte sich noch an die alten Zeiten, in denen sie als hochrangige Offizierin unter Königin Leda gedient hatte. Jetzt sträubten sich ihr die Haare vor Überraschung. „Abas, Ledas Gemahl!“

Die andere Duxa betrachtete den geschundenen Körper durch das Fernrohr, das sie zuvor mit dem Saum ihrer Uniform poliert hatte. „Das ist Abas? Aber was soll uns das sagen?“ Die Frauen sahen sich ratlos an. „Wenn es nach mir ginge“, stellte die Duxa fest, „würde Megaras Trutzburg längst dem Erdboden gleichgemacht sein. Auch, wenn es tausende Kampfsklaven kosten sollte!“ Ihre Nachbarin nickte zustimmend. Hoffentlich würde bald Helena zurückkommen, um weitere Befehle zu geben.

Und ihr Wunsch sollte sich erfüllen. Nicht lange Zeit später erschien ein Eilbote, der die Ankunft der neuen Statthalterin der alten Hauptstadt, Helena, ankündigte. Die Duxas staunten nicht schlecht, als die neue Oberbefehlshaberin die Erstürmung des Bollwerks anwies. Sämtliche Kampfsklavenabteilungen machten sich bereit für den großen Angriff.

Helena und ihre Duxas trafen sich zu einer geheimen Besprechung in ihrem Anwesen in der Stadt, darunter auch Ceres, die bekannte Sklavenhändlerin, die als Beraterin mitgereist war. Megaras Palast durfte nicht niedergebrannt werden, so war die Devise der Helena. Das entsprach zwar nicht den Befehlen, die sie von Fama, der Siegreichen, erhalten hatte; aber Helena wünschte nach Megaras Kapitulation in dem gewaltigen Bauwerk zu wohnen. Es ärgerte sie noch immer sehr, dass sie in einem bescheideneren Anwesen regieren musste, als das, was die längst entmachtete Megara ihr Eigen nennen durfte. Das würde sich bald ändern, grinste Helena. Sehr bald!

Inzwischen hatte sie die Information über Abas erhalten, der in einem Käfig über die Zinnen gehängt worden war. An Seilen erhielt er offenbar spärliche Mahlzeiten und Wasser, doch wurde er immer öfter von Krähen angegriffen, die ihn wohl schon für Aas hielten. Helena hatte dies nur mit einem Achselzucken hingenommen. „Was erpicht mich Abas! Leda ist tot, und Abas wird es auch bald sein. Wir werden die genauen Angriffsstrategie fein ausarbeiten und anschließend hält uns keine Macht des Kontinents mehr davon ab, die Bastei zu erstürmen!“

Doch dann erreichte sie ein Gerücht, Leda lebe noch – an der Westküste in einem Fischerdorf. Helena lachte indes nur. „So ein Unsinn! Willst du dir mit so einer lächerlichen Lügengeschichte eine Handvoll Goldmünzen verdienen?“, fragte sie das Weib, das bei ihr hatte vorsprechen wollen und schickte es höhnend weg. Die Frau verließ verärgert Helenas Anwesen. Als sie auf der Straße bei ihrem Ross anlangte, wo ihr Sklave und Pferdeknecht auf sie gewartet hatte, fragte dieser: „Habt Ihr Erfolg gehabt bei der Statthalterin, Herrin?“ Das Weib sah ihn böse an und versetzte ihm einige harte Hiebe mit der Reitgerte. „Was geht dich das an, du Hund!?“

Im Inneren der Bastion, die Helena erobern wollte, befahl Megara: „Bringt die Holzmaschine des Talos in den großen Hof. Mir ist ein wenig nach Zerstreuung. Und auch den Soldatinnen wird dies gut tun.“ Die Tyrannin meinte damit die Konstruktion, die ihr verstorbener Sohn, der fette Prinz Talos, zur Belustigung des Adelvolkes erfunden hatte. Besonders die Soldatinnen und Kampfsklaven, die das Gerät noch nicht kannten, scharrten sich neugierig um den merkwürdigen Bau, der im Hofe stand. Geflüster und Gekicher tönten durch die Reihen.

Megara erschien mit einer kleinen Delegation Palastwächterinnen und Duxas und zeigte willkürlich auf einen der Sklaven: „Der da! Schnallt ihn auf seinen Platz!“ Die Menge sah staunend und fasziniert zu, wie dem Leibeigenen der Lendenschurz weggerissen wurde, wie er auf die Konstruktion des Prinzen gefesselt wurde, und dann eine Wächterin begann, an einer Kurbel zu drehen, die dem Opfer einen Holzzapfen zwischen die Hinterbacken zwang. Der Sklave schrie vor Schreck und womöglich auch vor Schmerz, und sein Publikum übertönte seine Laute noch mit Begeisterungsrufen, Pfiffen und stürmischem Hohnlachen und Feixen. Auch Megara war vergnügt. Ihre schlechte Laune und all ihre Sorgen waren zumindest für den Moment verflogen.

So einfach waren ihre Untertanen zu erfreuen. Und im Augenblick genoss sie das Bad in der Menge. Die „höchste Göttin“ war sie schon lange nicht mehr. Eine Göttin ohne Anhänger, ohne Reich? Oh, Graus! Sie war nur noch die alte Herrscherin. Und bald würde sie auch ihr letztes Refugium verlassen müssen. Doch sie schwor sich, dass sie eines Tages zurückkehrte und Fama, die Siegreiche, für ihren furchtbaren Verrat zur Rechenschaft zog. Stück für Stück.

Bei diesen lustvollen Gedanken, die sie wie warme Wellen durchfuhren, wurden ihr die Schreie des Sklaven wieder bewusst. Mit einer lässigen Geste wies sie die Soldatin an der Kurbel an, den Zapfen tiefer in den Leibeigenen zu zwingen. Heute wollte sie feiern, wollte all ihre Sorgen vergessen. Später, in ihrem privaten Gemach, würde sie sich einige ihrer hübschesten Haremssklaven kommen lassen und diese darum streiten lassen, wer von ihnen welche Zapfen tragen musste. Megara besaß eine hübsche Auswahl der unterschiedlichsten Größen.

Das bettelnde Gejammer des Sklaven an der „Talosschen Maschine“ und ihre Gedanken ließen sie ein wohliges Kribbeln spüren. „Freie Weinrationen für alle Soldatinnen!“, verkündete sie und wurde mit freudigen Dankesworten und Applaus belohnt. Sie musste sich der Loyalität ihrer Untertanen gewiss sein. Und dafür sorgte am besten Wein und Spektakel. Sie schaute zu dem Sklaven in dem diabolischen Holzgerät, der sich in Qualen wand und schrie, jammerte, bettelte und zappelte. Ihr dicker Bastard hatte wohl doch ein verborgenes Talent gehabt, sich solch eine Konstruktion zu erdenken.

136. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 02.05.21 17:14



Ceres ritt mit einigen hohen Duxas in die Nähe der Zitadelle. Dabei blieben sie sicherheitshalber außerhalb der Bogenschützenreichweite. Die ehemalige Kauffrau hatte Helena als militärische Beraterin begleitet. Als Sklavenhändlerin war zu diesen Zeiten kaum eine Unze Gold zu verdienen, denn seit die Armee der Megara kapituliert hatte, gab es eine wahre Sklavenschwämme, so dass sie kaum noch einen Wert darstellten.

„Es wird schwer, diese gewaltigen Mauern zu durchdringen“, stellte sie bitter fest. Sie schaute durch ihr Fernrohr, das mit kunstvoll verziertem Elfenbein eingefasst war. „Und das da ist also Abas, Ledas Gemahl?“ Eine Duxa bestätigte es. „Ob Megara uns damit etwas sagen will?“ Ceres schnaubte belustigt. „Auf jeden Fall werde ich antworten. Alles andere wäre unhöflich. Bringt mir den besten Bogenschützen, den wir haben.“ Die Uniformierte eilte davon, um den Befehl auszuführen.

Kurz darauf erschien eine Soldatin, die komplett in Hirschleder gekleidet war und einen Langbogen auf den Rücken geschnallt hatte. Unterarmlange Lederbänder waren um ihre Arme geschnallt. Lederhandschuhe hatte sie unter ihren breiten Gürtel des Beinkleides gesteckt, ein Köcher mit einem Dutzend Pfeilen erster Güte hing an ihrem Ross. Ihr langes, schwarzes Haar hatte sie streng nach hinten gezogen und zu einem formvollendeten Zopf geflochten, der unter einem Filzhut hervorwuchs.

Ceres deutete auf den Käfig mit dem nackten Gefangenen, der in der Weite an der hohen Mauer des Bollwerks hing. „Seht ihr das Seil?“ Die Schützin nickte. „Klar und deutlich.“ Ihr Auge war das eines Adlers. Ceres bemerkte den scharfen Blick ihrer grünen Augen. Was für eine dumme Frage sie gestellt hatte! Auch, wenn sie selbst Abas nur durch das Fernrohr hatte erkennen können und das Seil eher erahnte, als es wirklich zu sehen. „Zerschießt das Seil!“ wies Ceres sie an.

Die Duxa sah sie überrascht an. Sie waren doch außerhalb der Schussweite. Die Schützin dagegen nickte nur knapp und zog blitzschnell einen ihrer Pfeile aus dem ledernen Köcher, zog ihn auf die Sehne und flinker, als Ceres und die Offizierin es beobachten konnten, jagte der gefiederte Tod zischend und singend durch die Luft. Ceres starrte zu dem Käfig, der in der Ferne hing. Nichts geschah. Hatte die Schützin ihr Ziel verfehlt? Doch einen Wimpernschlag später jagte der Käfig mit Abas abrupt in die Tiefe!

Sofort bemerkte das eine Wächterin auf den Zinnen und brüllte einen Befehl. Einige Soldatinnen in gerüsteten Gewandungen versammelten sich auf den Zinnen und stierten auf das durchtrennte Seil. „Der Königsgemahl ist in den Burggraben gestürzt. Hier, der Schlüssel für den Käfig! Wer springt hinterher und rettet Abas vor dem Ersaufen?“ Die Soldatinnen sahen sich gegenseitig an und blickten hinab in die Tiefe, wo einige Blasen aufsteigen. Von hier oben sollten sie in das brackige Wasser springen? Die Wächterin wurde ungeduldig: „Wer nimmt den Schlüssel?“

Doch die Soldatinnen schüttelten den Kopf. Die Wachfrau wurde unruhig und blickte umher. Den Soldatinnen konnte sie keine Befehle geben. Aber wenn Abas absoff - was würde Megara dazu sagen? Endlich rief eine Uniformierte einen Kampfsklaven herbei. „Nimm den Schlüssel fest zwischen die Zähne und spring in den Burggraben, tauche nach dem Käfig und befreie den Gefangenen. Dann lauft ihr so flink ihr könnt zum Fallgitter, damit wir euch einlassen.“ Der Leibeigene war an unbedingten Gehorsam gewöhnt, doch als er in die Tiefe blickte, ward ihm ganz schwindelig. Er sah die Soldatin ungläubig an.

Als die Uniformierte ihm schon einen Stoß über die Brüstung geben wollte, hörte sie hinter sich eine erboste Stimme einer Centuria: „Was soll das werden? Habt Ihr Euren Verstand verloren? Warum soll mein Kämpe in den Burggraben springen?“ Sie vermutete einen kurzweiligen Ulk dahinter. Die Soldatin erklärte mit gehetzten Worten, was geschehen war. Die Centuria jedoch ließ sich nicht aus der Ruhe bringen, beugte sich über die Burgmauer und blickte hinab in die Tiefe. „Bei der höchsten Göttin Megara! Der Käfig ist tatsächlich hinabgestürzt! Wie konnte das vonstattengehen?“

Die Soldatin und die Wache wussten sich keinen Reim darauf und zuckten ratlos mit den Schultern. Das Seilende war glatt durchtrennt. Musste es nicht faseriger sein, wenn es am Mauerwerk durchgescheuert worden wäre? Abas drehte und wand sich panisch in dem schlammigen Wasser innerhalb des Käfigs. So sollte also sein Ende aussehen? In fauligem Abwasser von Megaras Getreuen ersaufen. Da hatten die Schicksalsgöttinnen sich wahrlich ein feines Finale ersponnen. Abas spürte, wie seine Lungen brannten. Das Bedürfnis, einzuatmen wurde übermächtig, obwohl er wusste, dass dies seinen sicheren Tod bedeuten würde. Aber würde er nicht sowieso verrecken?

Eigentlich hatte die Centuria ausgerechnet diesen Leibeigenen ausgewählt, um mit ihm das Lager zu teilen. Wenn der Jüngling erst mal in dem Unrat des Grabens geschwommen war, so würde ihr die Lust auf das Mannsbild vergangen sein. „Soldatin! Bringt einen anderen Sklaven!“, befahl sie daher. „Aber…“, wagte die Wächterin entgegenzusetzen, „wir haben keine Zeit mehr. Wenn er nicht sofort springt, ertrinkt der Gefangene.“ Die Centuria rümpfte ihre Nase. Der Gestank des Grabens zog bis hier oben hoch. Es wäre wirklich schade um den knackigen Jüngling. Sie würde ihn nie wieder auswählen. „Also gut“, entschied die Centuria schweren Herzens.

Die Wächterin zeigte hastig über die Balustrade: „Los, Sklave! Spring und bring den Gefangenen herauf!“ Der Leibeigene kletterte auf die Zinne und starrte in die Tiefe. Sein Herz pochte wild in seiner Brust. Er machte sich gerade bereit, um zu springen, da erhielt er bereits einen kräftigen Stoß von der Wächterin. Der Sklave quiekte erschrocken auf und fiel wenig anmutig mit den Armen wedelnd hinab. Die Frauen beugten sich über den dicken Steinwall und folgten dem kleiner werdenden Springer, der mit einer Wucht in den schlammigen Graben platschte, dass die braunen Spritzer mehrere Männer hoch durch die Luft wirbelten und auch die Mauer und das gegenüberliegende staubige Ufer benetzten.

Bange Augenblicke vergingen. Würde der Sklave den Königsgemahl noch rechtzeitig befreien? Würde er in dem dreckigen Wasser den Käfig überhaupt finden? Der Graben war damals sehr tief ausgehoben worden, erinnerte sich die Centuria noch, als Megara damals nach Ledas Niederlage in die Festung einzog. Vielleicht hatte der Sklave den Schlüssel beim Sturz verloren, befürchtete die Wachfrau und bereute es, den Leibeigenen so kräftig gestoßen zu haben. Alle stierten in die Tiefe und viele hielten unwillkürlich die Luft an. Langsam beruhigte sich das noch schaukelnde Wasser wieder. Doch weder von dem Sklaven noch von Abas war etwas zu sehen. Anfangs waren noch Luftblasen an die Oberfläche empor gelangt. Doch offenbar atmete Abas nicht mehr. Und der Sklave? Von ihm gab es auch kein Lebenszeichen.

Aus der Weite beobachteten Ceres und die Duxa das Geschehen an der Wehrmauer. „Siehe! Offenbar ist er Megara doch noch etwas wert. Sie weiß jetzt zumindest, dass uns Abas nicht davon abhalten wird, ihr armseliges Heim zu überrennen“, erklärte Ceres grienend. Die Duxa, die ihren Blick durch das Fernrohr auf den Graben fixierte, rief plötzlich: „Was ist denn das?“ Die beiden Frauen sahen, wie zwei Gestalten an das hiesige Ufer krabbelten und in ihre Richtung sprinteten. Einer der beiden hinkte dabei erbarmungswürdig, doch kämpfte er sich verbissen hinter der vorderen Person her. Abas und der Sklave waren von Kopf bis Fuß mit einer schlammigen, stinkenden Schicht bedeckt. Auf den Zinnen herrschte große Aufregung. Ceres und die Duxa konnten sehen, wie sich Bogenschützinnen postierten und einen Schwarm Pfeile hinter den Flüchtenden herjagten.

„Was sollen wir tun? Abas und ein Sklave scheinen bei uns Deckung zu suchen.“ Ceres winkte den anderen Duxas, sich zurückzuhalten, denn die Offizierinnen wussten sich sehr wohl auch ohne Soldatinnen oder Kampfsklaven zu wehren. Ceres rief: „Die beiden Männer sind unbewaffnet. Lasst sie gewähren.“ Als Abas und der Sklave die Gruppe Reiterinnen sah, wollten sie schon seitlich ausweichen, doch wären sie dann von den Bogenschützinnen der Megara durchbohrt worden, denn gerade erst hatten sie die Reichweite des gefiederten Todes überschritten.

Verzweifelt hasteten sie weiter auf die uniformierten Reiterinnen zu. Die Freiheit hatten sie beim Feind wohl wahr nicht gewonnen. Aber konnte etwas schlimmer sein, als unter Megaras Fuchtel zu stehen? Bald schon fielen die Männer, halb vor Erschöpfung und halb aus Demut, vor den Frauen auf die Knie und sahen sie ängstlich an. Würde der Feind kurzen Prozess mit ihnen machen? Würde er sie gar zurückjagen und sie verhöhnen?

Doch dann kam die einzige Dame, die keine Uniform trug, auf sie zu. Sie zog keine blanke Klinge, um ihnen den Gnadenstoß zu erteilen. Doch was hatte sie vor? Die in edlen Zwirn Gewandete stellte sich vor die Flüchtlinge. „Wollt ihr uns mit dem Schwert küssen, so tut es gleich!“, forderte Abas trotzig, obwohl sein Mut nur gespielt war. Ihm schlotterten nicht nur aus Erschöpfung die Knie.

In den Wäldern rund um die Metropole im Osten des Kontinents waren mehrere Suchtrupps unterwegs, um den geflüchteten Troll einzufangen. Fama hatte ein gewaltiges Kopfgeld auf ihn ausgesetzt: eine Kiste voll mit Gold, die so schwer war, dass nur zwei Männer sie tragen konnten.

Viele Jägerinnen, die durch die Prämie ihren Mut fanden, machten sich auf die Suche, aber auch kleinere Einheiten aus dem Heer der Fama waren ausgeschwärmt. Unter den Suchtrupps wurde eine von Flagella angeführt, die bekannteste Sklavenhändlerin der Region. Sie führte ein halbes Dutzend ausgebildete Söldnerinnen an und wurde außerdem von doppelt so vielen Kampfsklaven aus ihrem Besitz begleitet.

Die Recken waren aus ihren schier endlosen Lagerbeständen sorgfältig ausgesucht worden. Die mit Muskelbergen besetzten fast sieben Fuß großen Hünen hätten auch als Gladiatoren eine gute Figur gemacht. So einem Kraftmenschen wollte niemand nachts in der Gasse begegnen und mit ihm in Streit geraten. Sie waren mit Harnischen und Bein- und Armschienen gerüstet, trugen gewaltige Streitäxte, Morgensterne oder Bihänder, die Flagella sicherlich kaum hätte anheben können.

Diese Kämpen, da war sich die Sklavenhändlerin sicher, würden mit dem Troll fertig werden, denn sie gehörten zu Sklavenklasse B. Das war die teuerste Güte. „B“ stand für „Barbar“. Nur Männer mit sehr ausgeprägter Stärke, Mut und Kampfausbildung sowie einem ungewöhnlich hohen Stockmaß erhielten sie. Flagella und ihre Söldnerinnen wirkten gegen diese Kolosse zierlich und zerbrechlich. Aber wegen der guten Erziehung durch die Frauen würden die Krieger niemals die Hand gegen sie erheben oder auch nur einen Befehl hinterfragen. Im Gegenteil: Ihr ganzer Lebenssinn bestand darin, ihren Herrinnen zu gehorchen. Unbedingt.

Die Wege durch das knorrige Gestrüpp waren schwer zu durchdringen, und der Tross kam nur langsam vorwärts. Die gewaltigen Schwerter mit den gewellten oder gezackten Klingen, die schweren Äxte und die Morgensterne, deren mit Eisendornen gespickte Kugel bereits so schwer war, wie ein Kübel mit gefülltem Wasser, rissen, schnitten und fetzten die Fußschlingen und das dornige Astwerk zur Seite. Doch auch die Schneise der Verwüstung war nichts gegen das, was ein so gewaltiges Untier hinterlassen hätte, das sie jagten.

„Wenn hier ein Troll herumgestapft wäre, würde es anders aussehen“, war eine Söldnerin der Auffassung und runzelte skeptisch die Stirn. „Warum halten wir uns nicht weiter nördlich?“, schlug sie vor. Flagella grinste wissend. „Nein, wir reiten in dieser Richtung weiter!“, bestimmte sie. Die schwitzenden Barbaren kämpften weiter das Unterholz frei, und die Söldnerinnen folgten hoch zu Ross. Flagella erklärte: „Der Troll wird einen Bogen geschlagen haben. Ich bin mir sicher, dass wir früher oder später wieder auf seine Fährte stoßen. Lasst uns die Abkürzung durch den Wald nehmen und vor allen anderen Kopfgeldjägerinnen auf seinen Fersen sein.“ Unterwegs murmelte die Sklavenhändlerin: „Meine Nase trügt mich nie! Wir sind ihm im Nacken! Ich rieche seinen Gestank förmlich schon!“

Als die Dämmerung hereinbrach, erreichte die Gruppe eine tiefe, steile Abbruchkante. „Hier kann der Troll nicht gewesen sein. Oder hat er das Fliegen gelernt?“, spottete eine Söldnerin. Flagella drehte sich ob der respektlosen Giftspritzerei wutschnaubend im Sattel um. Einige Krähen schrien am dunklen Himmel, als verlachten sie die Sklavenhändlerin. Flagella blitzte die Söldnerin an: „Weib! Kennst du deinen Platz nicht?“ Die Söldnerin spuckte verächtlich aus, wagte aber keine Widerrede. Flagella spie laut aus. „Ob ich mit fünf oder sechs Reiterinnen den Troll fange, ist mir gleichgültig.“ Was genau sie mit ihrer sibyllinischen Andeutung meinte, ließ sie ungesagt und folgte den Barbaren, die bereits weitere 60 Fuß entlang der Abbruchkante freigekämpft hatten.

Die Reiterinnen mussten bald absteigen und ihre Pferde zu Fuß an den Zügeln führen, denn der schmale Pfad leitete sie steil hinab, die Abbruchkante haarscharf entlang. Wenn sie während des Abstiegs bis in den Canyon von der Nacht überrascht wurden, würde nur noch Beten helfen. Aber Flagella wollte unbedingt das Tal bis zum Mondaufgang erreichen und erst dort lagern. Die Barbaren schritten als Vorhut den Pfad entlang und schlugen Schlingpflanzen zur Seite oder schleuderten loses Geröll den Abhang hinab.

Auf halbem Wege stellte die Kolonne fest, dass die Sonne zügiger unterging, als gedacht. Jäh standen sie in völliger Finsternis und versuchten mit Aug und Ohr die Schwärze erforschend sich nur im Schneckentempo vorwärts zu tasten. Ein falscher Tritt, und der Tod hieß sie willkommen. Hin und wieder fielen kleine Kiesel oder auch größere Erdbrocken über die Abbruchkante in die Tiefe und schlugen mit dumpfen Geräuschen weit entfernt auf. „Entzündet die Pechfackeln!“, befahl Flagella endlich.

Nachdem sie den gefährlichen Abstieg fast hinter sich gelassen hatten, schreckte die Gruppe auf, als vor ihnen der erste Barbar abrutschte und sich im letzten Augenblick noch am Bein seines nachfolgenden Kameraden festkrallen konnte, der ihn gemeinsam mit einem weiteren Helfer wieder auf den rettenden Pfad zog. Schwer atmend sahen die Männer anschließend in die Dunkelheit hinab: Hier wäre der Sklave etwa 50 Schritt tiefer auf spitzen Granitsäulen aufgespießt worden, die gruselig vom Mond angeschienen wurden, als wollten sie ihre Opfer anlocken wie das Feuerlicht die Motten.

Die Söldnerinnen hatten jedoch kein Verständnis für die Schreckminute der Barbaren und zückten die knallenden, langen Peitschen, um die Männer wieder anzutreiben. Ein Hüne mit einem geschorenen Schädel und breiter Narbe auf der rechten Wange erhielt dabei einen Treffer genau auf die Rückseite seines Lendenschurzes, der aufriss. Die uniformierten Frauen lachten. Eine Söldnerin gackerte: „An Brust, Rücken, Armen und Beinen ist er gerüstet – und am Arsch hat er nun seine Schwachstelle. Da können wir nur hoffen, dass ihn der Troll dort nicht beißt.“ Lautes Gegröle erklang, unter das sich auch einige Stimmen der Barbaren mischten. Nur der Betroffene presste seine Lippen zusammen und stapfte stumm weiter. Der blankgelegte Hintern ließ ihn innerlich vor Scham glühen.

Wenigstens hatte sich so die unerträgliche Spannung ein wenig Luft gemacht, dachte Flagella und ließ die Söldnerinnen weiter über das zerrissene Stück Stoff witzeln. Als sie endlich wieder festen Boden unter den Stiefeln und Schnürsandalen hatten, hörte die Schar jählings ein tiefes, dunkles, grollendes Brüllen, das die Stille der Nacht zerriss. War das der Troll? Die Söldnerinnen zogen ihre Schwerter. Die Krieger horchten ebenfalls auf und hielten sich bereit, um Mann für Mann gegen die Bestie in einem Kampf um Leben und Tod zu bestehen. Hatte ihre Schicksalsstunde geschlagen? Gar die Totenglocke? Oder sollten sie Ruhm und Sieg ernten?


137. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von AlfvM am 02.05.21 21:22

Hallo Prallbeutel,
vielen Dank für die super tolle Geschichte.
GVG Alf
138. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 08.05.21 18:04

Zitat
Hallo Prallbeutel,
vielen Dank für die super tolle Geschichte.
GVG Alf


Danke für das Feedback!
139. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 08.05.21 18:05

Caduceus hatte in dieser Nacht erneut seinen magischen Sud entzündet und atmete die Dämpfe ein. Sein Geist war vollkommen eingenommen von den Bildern, die sich verschwommen vor seinem inneren Auge bildeten. „Leda…Wo bist du? Suchst du Mitstreiter, um dein Reich zurückzuerobern? Oder bist du gar Gefangene?“, murmelte der Alchimist. Er sah sie vor sich: Die Königin schuftete als Magd. Aber was genau hatte das zu bedeuten? War sie Sklavin oder arbeitete sie aus freien Stücken? Abrupt erschien ein Ungeheuer in Caduceus Gedankenwelt. Ein Troll! Das Urtier aus der Sage. Groß wie ein Riese. Mit Pranken und Reißzähnen. Eine gewaltige Bestie wie aus der Unterwelt hervorgekommen. Ein Untier des Bösen. Es brüllte wütend und stürzte sich auf… Leda?

Der Alchimist fasste sich an die Schläfen, die wild pochten. Adern schlängelten sich sichtbar unter der Haut wie Würmer. Sein Kopf schien fast zu platzen. Bilder über Bilder schoben sich ineinander, übereinander. Schweiß brach ihm aus. „Leda!“, rief Caduceus in Sorge. Der Troll brüllte und zeigte seine gewaltigen Hauer, riss die Angst einflößenden Arme auseinander, um sie im nächsten Moment in einer tödlichen Umarmung zusammenzuführen und alles zu zerquetschen und zu zermalmen, was zwischen sie geriet.

Caduceus sah die Schemen einer Frau, wie sie angegriffen wurde. Der Troll stürzte sich gnadenlos auf die Hilflose. „Leda!“ rief Caduceus erneut, dieses Mal fast panisch. Rief er wahrlich oder nur in seiner Illusion? Dann waren die Trugbilder in einem Male weggerissen. Eine Stimme hinter ihm im Hier und Jetzt ertönte: „Was machst du hier mitten in der Nacht?“ Caduceus drehte sich ächzend vor Schreck herum: Seine Herrschaft stand vor ihm. „Ich… Ich habe versucht für Euch die Zukunft zu schauen, Herrin.“ Er wirkte völlig entkräftet. Die Dame sah ihn skeptisch an. „Schlaft jetzt! Ich will nichts mehr wissen von diesem Blendwerk. Und macht diesen fürchterlichen Kräutergestank aus!“ „Jawohl, meine Herrin“, gehorchte Caduceus und verneigte sich.

Als die Dame schon lange wieder schlief, lag der Alchimist noch wach und starrte an die Decke. Er versuchte die Sehung in seinem Kopf wieder zum Leben zu erwecken, doch die Erscheinungen blieben verborgen. Sollte seine verwegene Hoffnung, die erst kürzlich aufgekeimt war wie ein zierliches Pflänzchen, bereits zerfallen? War Leda in seine Gedankenwelt eingedrungen, nur um im nächsten Moment von einem Untier zerfetzt zu werden? Würde Caduceus alle seine Wunschträume auf den Niedergang des grausamen Matriarchats fallen lassen müssen? Er strebte danach, sich in den Schlaf weinen zu können, doch seine Augen blieben trocken.

Er wachte er mit einem fahlen Geschmack im Mund auf. Die Ahnung der Morgendämmerung kroch über das Himmelszelt, bis schließlich die letzten Überbleibsel der Nacht von der aufgehenden Sonne verschluckt wurde. Caduceus wünschte, seine Bilder wären nur Chimären gewesen, Hirngespinste, Nachtmahre. Aber später am Tage, als er schon über ein aufgerolltes Pergament in der Bibliothek gebeugt stand, erschien seine Herrin, deren umwölkte Züge ihren Worten einen strengen Ausdruck verlieh, und schalt ihn: „Dass mir das nicht noch einmal vorkommt! Sonst wirst auch du meine Gerte schmecken lernen.“ „Jawohl, meine Herrin. Bitte verzeiht mein unziemliches Verhalten. Es war ungebührlich und kommt nie wieder vor.“ Die hohe Dame dachte: „Schade. Mir würde es schon gefallen, die Backen des Caduceus rot zu färben.“

Doch stattdessen suchte sie im Laufe des Tages bei einem ihrer Sklaven etwas, an dem sie Anstoß nehmen konnte. „Komm mit auf den Strafbock!“, sagte sie schadenfroh und genoss die furchtsame Miene des Leibeigenen. Sie hatte sich bewusst bei einer Anweisung missverständlich ausgedrückt. Doch der junge lockenköpfige Mann wagte keine Widerrede sondern eilte zum Strafbock und hob brav und fatalistisch seinen Lendenschurz.

„20 Hiebe!“, verkündete die Herrin vollmundig. „Und in diesem Monat keinen Aufschluss aus deinem Keuschheitsgürtel!“, fügte sie genüsslich hinzu. Der Sklave ächzte darüber noch lauter auf, als wegen der Schläge. Die Herrin weidete sich geradezu an seiner Pein und schnurrte zynisch: „Lump! Lerne leiden ohne zu klagen, oder du schmeckst die Geißel umso mehr.“ Bald darauf klatschten die Lederriemen laut durch das Gewölbe schallend auf das zartrosa Fleisch, um es für seine Freveltaten reinzuwaschen - oder um der Lady rauschenden Genuss zu schaffen.

Caduceus quälte ein schlechtes Gewissen. „Ich habe die Herrin mit meinem Kräutersud verstimmt. Und nun muss der arme Jüngling noch einen weiteren Monat keusch bleiben. Oh, Graus! Wenn ich mich recht erinnere, so war ihm auch vergangenen Monat kein Aufschluss gewährt worden.“ Da lebte er selbst doch fast wie ein Edelmann im Vergleich. Er durfte Hand anlegen, so oft es ihn gelüstete, erhielt keine körperliche Züchtigung und war von schwerer, körperlicher Arbeit befreit. Caduceus machte sich wieder an sein Gewerk in der Bibliothek. Schnell kamen ihm andere Gedanken: Leda durfte nicht tot sein! Das durfte einfach nicht geschehen sein!

Der junge Sklave, der nun einen weiteren Monat auf eine Erlösung seiner Männlichkeit warten musste, war verglichen mit Aphron, dem Lustsklaven der Ceres, noch ein verwöhnter Jüngling. Nur ein Mal pro Jahreszeit wurde Aphron von der Sklavenhändlerin erlöst. Gewöhnlich bevorzugte Ceres einen aufschraubbaren Holzstab, den Aphron perfekt bediente. Außerdem besaß Aphron höchste Zungenfertigkeit – schließlich war er ein ausgebildeter Lustsklave. Daher war es nicht überraschend, dass Ceres sein Schloss nur vier Mal jährlich öffnete.

Daran hatte sich der Lustsklave gewöhnt, obwohl er den Tagen der Erlösung entgegenfieberte. Doch seit einiger Zeit musste er auf seinen alten Kameraden Nereus verzichten. Das war noch arger. Als Aphron mit Ceres und Helena nach Westen gereist war, hatte er Nereus zum letzten Mal gesehen. Ceres hatte für den Lustsklaven der Phoibe, den sie nach deren Tod übernommen hatte, keine Verwendung und ihn einer Duxa geschenkt, die in der Metropole in der Nähe des Palastes der Fama stationiert war.

Was wohl mit ihm, Aphron, geschehen würde, wenn Ceres im Kampf gegen Megara umkam? Wer würde seine neue Besitzerin sein? Wie würde sie ihn behandeln? Oder würde er einfach als Minen- oder Feldsklave sein restliches Leben unter der Peitsche fristen? Würde ihn jemand aus dem Keuschheitsgürtel befreien? Wohl nicht, sinnierte er, denn welche Dame würde darüber einen Gedanken verschwenden?

Ceres befahl ergrimmt: „Bindet die beiden Flüchtigen zusammen, damit sie nicht das Weite suchen ob ihrer Wanderlust.“ Abas und der Sklave wurden gefesselt und wie Schnürpakete über jeweils ein Pferd geworfen. Als Ceres ihren „Fang“ Helena vorstellte, präsentierte sie die beiden Männer nackt und an Händen und Füßen an jeweils einen Stock gebunden, der von je vier Kampfsklaven auf den Schultern getragen wurde, als handele es sich um erlegtes Wild, dass nun zubereitet werden sollte. Unterwegs hatten die begleitenden Soldatinnen anzügliche Bemerkungen gemacht und den Männern in den Hintern gezwickt, bis die Anführerin dies unterband. „Hört auf, mit ihnen Schindluder zu treiben!“ Was hatten diese jungen Weiber nur für Flausen im Kopf?!

Helena nickte Ceres anerkennend zu. „Seid gelobt. Vielleicht können uns die Schufte Auskunft über die Verteidigungsanlage der Festung geben.“ Abas und der Sklave horchten erschrocken auf. Würde man sie einer peinlichen Befragung unterziehen? Sie wussten doch kaum etwas. Doch sie sahen sich schon wie Spanferkel über dem Feuer rösten oder aufs Rad geflochten. Doch zu all dem sollte es glücklicherweise nicht kommen. Sie wurden in einen dunklen Kerker gebracht, aber nicht der Foltermeisterin vorgeführt. Ceres hatte Helena davon abgeraten, den Männern auf diese Art Auskünfte zu entlocken. „Megara wird den Königsgemahl sicherlich nicht frei herumgelaufen lassen haben. Und der einfache Pöbel weiß wohl auch nichts von Wichtigkeit. Ich empfehle Euch, hohe Statthalterin, die Beiden als primitive, unbedeutende Kreaturen zu verwenden. Das sind sie – und sonst nichts.“

Helena erinnerte sich an frühere Zeiten, als sie noch Untertanin der Königin Leda gewesen war – lange ist es her, grübelte sie. Doch trotz allem fühlte sie einen gewissen, unbeschreiblichen Respekt dem Königsgemahl gegenüber. „Holt Abas aus dem Kerker, wascht ihn und gebt ihm neue Kleider. Dann schafft ihn in mein Gemach“, wies die Statthalterin daher eine Gardistin an, die ihren Ohren kaum traute. Woher das augenblickliche Interesse – oder war es ein schlechtes Gewissen? – kam, konnte Helena sich selbst nicht erklären. Bedauerte sie gar ihre Fahnenflucht? Wäre sie Leda treu geblieben, dann wäre sie mit ihr ins Exil geschickt worden und vermutlich längst vom Schnitter heimgeholt, versuchte sie sich zu beruhigen. Noch an diesem Abend würde sie mit Abas sprechen.

Viele Meilen weiter ostwärts war die Jagdtruppe um Flagella von dem gewaltigen Troll angegriffen worden. Statt vor den Jägerinnen zu flüchten, hatte der Troll aus dem Hinterhalt mehrere gewaltige Felsbrocken auf die Kolonne der Frauen und Sklaven stürzen lassen. Von sechs Söldnerinnen und einem Dutzend Kampfsklaven konnten sich nur zwei Uniformierte und neun Leibeigene retten. Die Leiber der restlichen Weiber und Recken waren für alle Zeiten unter den tonnenschweren Gesteinsmassen begraben – darunter auch die berühmte Sklavenhändlerin Flagella.

Die zwei Frauen ließen die neun Sklaven zurück und eilten im gestreckten Galopp zurück in die Metropole. Sollten andere lebensmüde Kopfgeldjägerinnen und Glücksritterinnen dem Troll folgen! Die beiden Söldnerinnen wollten nur noch so flugs wie möglich zurück in die neue Hauptstadt. Was mit den neun Mannsbildern geschehen würde, war ihnen herzlich egal. Einen großen materiellen Schaden erlitten sie nicht, wenn sie die Leibeigenen zurückließen. Stattdessen nahmen sie lieber die vier nun unbesetzten Rösser bei den Zügeln, denn wie durch ein Wunder hatten die Reittiere alle unbeschadet überlebt. Für ein gutes Ross gab es in der Metropole mindestens zwei oder sogar drei neue Sklaven.

Während die beiden Söldnerinnen also schleunigst davon ritten, irrten die Kampfsklaven wie bei einer Stampede tollwütiger Kreaturen in der Wildnis umher. Die Angst saß den neun Männern im Nacken. Jederzeit konnte der Troll auftauchen und sie massakrieren! Als sich die Panik ein wenig gelegt hatte, vereinbarten die Überlebenden, dass sie zunächst gemeinsam den Weg nach Norden einschreiten wollten. Dort würden sie kaum auf Ansiedlungen treffen. Zwar waren sie nun freie Männer geworden – doch eher im Sinne von „vogelfrei“, denn laut Gesetz der Fama mussten Mannsbilder, die niemandem gehörten, damit rechnen, dass sie von der nächst besten Dame in Besitz genommen wurden. Und selbst wenn sie in der Wildnis streunerten, würden sie somit auf ewig in ihren Keuschheitsgürteln gefangen bleiben.

Und dieses Schicksal sollte sich für die Recken wahrhaftig erfüllen: Die „freien Neun“, wie sie sich fortan nennen würden, lebten noch viele Jahre in einem kaum bewohnten wilden Gebiet im Norden des Kontinents in einer gleichberechtigten Gemeinschaft. Nur ihre verschlossene Männlichkeit sollte sie an ihre Vergangenheit erinnern und der Preis sein, der ihre Freiheit in den Wäldern des Nordens hatte. Der Troll erschien ihnen nie wieder. Er hatte sich den Weg weiter in den Osten gesucht.

Während sich in der Metropole noch alle Bewohner vor dem Troll sorgten, schlich sich für Fama eine viel größere Gefahr in ihr Leben: Gerra, die Schmiedin, war aus dem Militärdienst ausgeschieden und unter ihrer neuen Gestalt nach Osten gereist, dem verhassten Weibe hinterher, das ihr ihren Liebhaber Amatio genommen hatte, und das dafür bitter bezahlen sollte!

Doch vorerst ahnte Fama nicht einmal von der Lebensgefahr, in der sie steckte. Sie war viel zu sehr damit beschäftigt, in der Metropole große Statuen ihrer Person aufstellen und sich von der Huld der Bevölkerung feiern zu lassen. Bald würde sie auch die Nachricht von Megaras schmachvollen Niedergang erreichen, wie sie erwartete. Ebenfalls hoffte sie darauf, dass die Tyrannin sich nicht mit Gift aus ihrer Verantwortung schlich. Fama, die Siegreiche, wollte ihren kühnen Triumph über Megara in vollen Zügen auskosten. Sie gedachte sie lebendig in die Finger zu bekommen. Lustvoll malte sie sich aus, was sie mit der alten Vettel alles anstellen würde…

Gerra hatte sich als Palastwächterin beworben. Genau dort wollte sie hin. So nah wie möglich in Famas Kreis eindringen. Ihre Gunst erwerben. Als Ex-Centuria verfügte sie über Kampffähigkeiten, wie sie eine gute Wächterin benötigte. Zum Beweis für ihr Geschick mit der Waffe musste sie mit Übungsschwertern und Lanzen aus Holz gegen zwei Recken bestehen, die sich widerspenstig gebären sollten. Sie stellte ihr Licht nicht unter den Scheffel und beeindruckte die Uniformierte.

„Vorzüglich“, lobte die Ausbilderin beeindruckt und lächelte. „Deine Vorstellung war reichlich überzeugend.“ Die beiden Kämpen lagen schnaufend und mit zahlreichen blauen Flecken vor ihren Füßen und hofften, dass der Übungskampf beendet war. Als Gerra schon dachte, sie sei in den Dienst genommen, rief eine weitere Uniformierte ermunternd: „Diese zwei Missgeburten haben sich dumm wie Bohnenstroh angestellt! Lasst sie erneut antreten! Und wehe, sie gehen wieder so eifrig zu Boden! Dann peitsche ich sie wieder hoch!“ Sie zeigte auf ihre Lederpeitsche, die sie aufgerollt an ihrem breiten Gürtel trug, nahm sie zur Hand und ließ den langen, geflochtenen Lederstriemen zur Boden fallen, wo das Ende neben den hohen Stiefeln im Staub landete.

Gerra drehte sich zu den zwei Sklaven um und fletschte die Zähne wie ein Schakal. Nun würde sie ihnen also eine neue Lektion verpassen müssen, um der Offizierin gewogen zu sein. Die beiden Männer ächzten und wankten wieder auf die Füße. Sie sollten ein weiteres Mal gegen dieses gefährliche Weib antreten? Ihnen war mehr danach, sich vor ihr in den Staub zu werfen und um Gnade zu flehen, doch das würde die Gardistin verstimmen. Also holten sich die Sklaven in der nächsten Begegnung weitere Blessuren, darunter einige unangenehme Begegnungen mit dem Knie der Frau, das einige Male zielgenau das Gemächt des Gegners suchte und auch fand, bis auch die zweite Ausbilderin endlich genug hatte und die Fremde mit einem herzlichen Handschlag ob ihres Geschicks beglückwünschte.

„Kommt mit! Ich zeige Euch, wo Ihr Euch einkleiden könnt. Und was die beiden Versager angeht…“ Sie zeigte abwertend auf die Kreaturen. „Keine Mahlzeiten mehr für drei Tage! Das wird sie vielleicht lehren, sich beim nächsten Mal ein wenig mehr zu bemühen.“
Gerra folgte der Gardistin in einen der großen Flügel des Palastes. Sie sah, wie an mehreren Stellen fleißig gebaut wurde. Auf ihren forschenden Blick, antwortete die Gardistin: „Unser ehrwürdigen Fama, der Siegreichen, ist diese bescheidene Residenz nicht angemessen. Der Palast wird erweitert. Hunderte Sklaven schleppen Marmor aus den Steinbrüchen heran. Und das seit Wochen.“ Gerra nickte und dachte finster: „Mich dünkt, sie benötigt bald nur noch ein Mausoleum, in dem sie fault!“

In einem kühlen Gewölbegang, in dem Dutzende Kleider und Uniformen hinter einem schweren Vorhang vor einem Alkoven hingen, durfte Gerra sich in ihre neue Gewandung einkleiden. Anschließend erhielt sie in einem Waffenraum einen scharfen Dolch, einen ebensolchen Degen, eine Gerte und eine lange Hellebarde. „Ich zeige dir nun deine Kammer, die du mit einer Kameradin teilen wirst. Einmal in der Woche bekommst du vier Silbermünzen Lohn. Jede vierte Woche hast du dienstfrei. Später zeige ich dir die Liebeshöhle. Dort dürfen sich die Wächterinnen außerhalb ihrer Wachzeiten mit Sklaven verlustieren.“ Den letzten Satz sprach sie mit einem fast schon obszönen Augenzwinkern.

Als Gerra in ihrer Stube lag und sich mit ihrer Kameradin bekannt gemacht hatte, fragte sie sie ein wenig über die Wachdienste und Palasthallen aus. Doch zu ihrer Enttäuschung musste sie erfahren, dass sie wohl vorläufig nicht in die Nähe der Herrscherin kommen würde, denn sie gehörte nicht zur Leibgarde. Die Schmiedin musste sich in Geduld üben. Als die beiden Frauen die Kerze löschten, um zu schlafen, lief Gerra eine Träne über die Wange. Amatio! Sie wusste von seinem schrecklichen Schicksal und wünschte sich so sehr, ihn wieder zu sehen. Aber dass hätte ihre Tarnung gefährdet. Sie ahnte, wie nah Amatio ihr war. Nur wenige Schritt Mauerwerk trennte sie von ihm. Und das machte es nur noch unerträglicher. Fama würde für ihr und Amatios Leid zahlen, schwor sie bei den Alten Göttern. Und diesen Schwur würde sie einhalten.
140. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 15.05.21 19:06



Kerbera lag in den Armen eines jungen Stallburschen. Die beiden tauschten leidenschaftliche Küsse aus. Längst war ihre anfängliche Liaison nicht mehr verborgen.
Der Stallbursche hatte zunächst Angst vor Cain gehabt, denn einem Mann, dem Hörner aufgesetzt wurden, sollte man mit Vorsicht begegnen wie einem wütenden Bullen. Doch inzwischen hatte Kerbera versichert, dass er von Cain nichts zu befürchten habe. Und der Jüngling hatte seine Zurückhaltung nach und nach aufgegeben und gehörte mittlerweile sogar zu den Männern, die Cain selbstbewusst im Brustton am lautesten verspotteten und Kerbera provozierend vor ihrem Manne umschlang und küsste. Der Bursche fühlte sich dabei großartig, männlich und mächtig.

Aber trotz allem blieb Kerbera in gewisser Weise eine dominante Dame aus dem matriarchalischen Reich der Fama, denn sie ließ den Pferdeknecht nur selten die Führung übernehmen, wenn sie sich liebten. Sie ritt ihn lieber temperamentvoll, als dass sie unter ihm brav die Schenkel öffnete. Sie ließ sich nicht servil auf den Hintern schlagen, sondern sie griff ganz ungeniert nach des Burschen Schoß. Und er musste ihre Erlaubnis einholen, bevor er ihre wunderbaren weichen und warmen Brüste berühren durfte.

Gerade das bezauberte den Jüngling und machte die hitzköpfige Kerbera für ihn noch begehrenswerter. So ein wundersames Geschöpf hatte er nie zuvor im Leben gekannt.
Cain dagegen durfte es sich nicht erlauben, mit einer Magd oder einem anderen Weib aus der Siedlung anzubändeln. Er hätte fast jedes junge Ding erobern können, denn er war ein hübsches Mannsbild und sehr geschickt, die Gunst eines Rockes zu erlangen, doch verbot Kerbera ihm jeglichen Umgang. „Du bist immer noch mein Lustsklave! Vergiss das nie! Und wenn mir der Sinn nach dir ist, so stehst du für mich bereit! Und zwar nur für mich!“, hatte Kerbera ihm bedeutungsreich zu verstehen gegeben.

Neidvoll beobachtete Cain die Paare auf dem Hof: Lina und Hagbard, Nike und Zelos, der Knecht und die Bauerstochter und andere, die sich heimlich im Stroh oder ganz offen vereinten wie Mann und Weibe. Cain blieb da nur zu träumen eine der erblühten Rosen zu pflücken, und dem Armen blieb nur, den nagenden Druck seiner Männlichkeit mit der Hand zu lindern. Weiber waren die Wurzel allen Übels, brummte er verbittert vor sich hin.

Und dann erschien eines Tages ein weiteres reisendes Paar, das nach Arbeit auf dem Hof fragte. Die Bäuerin bot den Beiden Tätigkeit im Stall und auf dem Feld an. Kräftige Arme konnte sie immer gebrauchen, wie die Hofherrin verkündete. Der Recke war in Wildleder gekleidet und wirkte gar nicht wie ein einfacher Arbeiter, obwohl er sehr kräftig gebaut war, doch er wollte auf dem Feld helfen. Sein Name war Boreas.

Sein Weib hieß Maia und machte sich in der Küche nützlich. Cain seufzte. Alle schienen glücklich als Mann und Weib zu leben. Nur er war von Kerberas Willkür abhängig und in Wahrheit ihr Lustsklave. Er mäkelte leise vor sich hin. Wie ungerecht diese Welt doch war! Dabei hätte er fürwahr große Augen gemacht, wenn er den Keuschheitsgürtel von Boreas erblickt hätte.

An einem der folgenden Abende brannte Cain vor Eifersucht und Neid lichterloh. Die Bäuerin hatte zu einem geselligen Hoffest eingeladen. Auch einige Dorfbewohner, unter anderem der Jäger Arcanum, waren gekommen und schlemmten, tranken und tanzten zu bekannten Melodien. Cain sah nur noch Paare, die sich in den Armen lagen. Schließlich wollte er dem Gelächter und der frivolen Atmosphäre aus dem Wege gehen und seine Ruhe in der Scheune finden. Er entschwand in die Dunkelheit, doch genau dort traf er auf mehrere Liebespaare, die dort augenscheinlich eine frohlockende Orgie der Ausschweifungen feierte.

Im ersten Moment verharrte er entsetzt, dann spürte er, wie seine eigene Lust anstieg wie eine Springflut, und schließlich wollte er nur noch weglaufen in die Dunkelheit, der unerreichbaren verbotenen Versuchung entkommen, aber da rief schon hinter ihm eine männliche Stimme hohnlachend: „Schaut ihn euch an! Cain! Komm doch näher! Dann siehst du auch mal, wie ein Kämpe ein Weib beglückt.“ Helles Gekicher aus mehreren Ecken hallte ihm entgegen. Cain schwitzte und wollte sich wegdrehen. Die unbedeckten Leiber, die anzüglichen Blicke und das schadenfrohe Grinsen waren Tortur, eine stechende Marter voll Grausamkeit. Er wollte nur noch weg, doch als er sich umdrehte, um davonzulaufen, hörte er eine strenge, befehlende Stimme: „Cain! Komm sofort her!“ Das war Kerbera.

Der Sklave schluckte. Seine Beine versagten ihm und knickten beinahe unter ihm zusammen. In ihm war ein unbeherrschbarer Zwang, seiner Herrin unbedingt zu gehorchen. Er drehte sich langsam zu ihr um und näherte sich ihr zögerlich. Er stand nun mitten in der Scheune und kam sich vor wie ein tölpelhafter Hofnarr bei seinem Auftritt vor einem König. Kerbera lag ungeniert in den Armen des jungen Stallburschen, der ihn herausfordernd ansah. Seine rechte Hand bedeckte eine blankgezogene Brust Kerberas. Ein dünnes, fadenscheiniges Laken war nur unsorgfältig über ihre Leiber gelegt, so dass Cain den nackten Hintern des Stallburschen sah, der sich auf die Seite gerollt hatte. Auch Kerberas Unterleib schien unbedeckt zu sein. Die anderen Paare waren aufmerksam geworden und warteten gespannt darauf, was nun geschehen sollte.

Kerbera betrachtete ihn amüsiert. „Ich sehe doch, wie sehr deine Männlichkeit nach einem Weibe lechzt. Zieh dein Beinkleid aus und zeig uns, dass du ein wahrer Kämpe bist!“ Wollte Kerbera ihn nur verhöhnen, oder durfte er sich Hoffnungen darauf machen, bei diesem Techtelmechtel mitzumischen? Wenige Wimpernschläge später kam er mit blank gezogenem Liebesschwert näher wie ein Lanzenreiter beim Angriff. Doch statt seine Herrin beglücken zu dürfen, zauberte sie aus dem Stroh einen dicken Umschnallzapfen, band ihn um ihre Hüfte und befahl mit einem breiten Grinsen: „Umdrehen und vorbeugen!“

Cain glühten die Wangen, und ihm brach Schweiß aus. Aber er gehorchte und stützte sich auf einen großen Strohballen vor ihm. Dann spürte er Kerbera hinter sich, ihren Atem und wie sie seinen Körper entlang tastete, wie sie ihm zwischen die Schenkel griff und sein Gemächt fest umschloss. Und dann kam der Schreckmoment, als Kerbera den Zapfen mit einer lässigen Bewegung aus der Hüfte in ihm versenkte. Tief hinein!

Cain stöhnte auf, hell wie ein Mädchen. Verzweiflung drohte ihn zu verschlingen. Die Umstehenden und Liegenden lachten belustigt. Kerbera stieß immer wieder in Cain und hielt sich dabei an dessen Gemächt fest, als sei es ihr Zügel. Die Herrin kicherte. „Zwei Liebende zu sehen - ist es kein Schauspiel für die Götter?“ Welche glühende Schande! Welche unschickliche Schmach! Der Liebessklave schämte sich in Grund und Boden, so bloßgestellt zu werden. Lieber wäre er ans Kreuz geschlagen worden. Und das Schlimmste daran war, dass seine Manneskraft vor Lust tropfte und um die Gunst jeden Stoßes zu betteln schien.

Schließlich lief sein Samen aus ihm hinaus und floss zu Boden. Kerbera schnallte den Zapfen ab und schlug ihrem Cain kräftig auf den Hintern. „Fertig! Nun geh wieder und kümmere dich um die Aufräumarbeiten. Wir haben hier noch zu tun…“ Sie erntete Gelächter und zustimmende Rufe. Cain befolgte Kerberas Anweisung, als wäre sie die Bäuerin persönlich. Die Zuschauer wussten nicht, worüber sie mehr verwundert sein sollten: über den Umschnallzapfen oder Cains Hörigkeit seinem Weibe gegenüber. Doch sie waren sich einig: Das Spektakel hatte allen gefallen.

Als Cain die Scheune verlassen hatte, widmete sich der junge Stallbursche sofort seinem Liebchen. Was für ein Weib, schwärmte er! Und jetzt wollte er in ihre Venus tauchen. Seine kräftigen Lenden frohlockten und pochten vor Leidenschaft. Kerbera gab sich dem Jüngling scheinbar ohne Zier und gar willenlos hin. So dominant und geradezu maliziös sie bei Cain soeben aufgetreten war, so hingebungsvoll und fast devot zeigte sie sich nun in den Armen des jungen Burschen.

Die anderen Paare sahen gar wunderlich zu diesem seltsamen Weibe. Leda, Nike, Hagbard und Zelos ahnten, dass Kerbera nicht das Geschöpf war, das sie allen vorgespielt hatte. Diese Lady musste aus der Matriarchat-Gesellschaft der Megara oder Fama kommen. Aber was tat sie dann hier? So die Götter wollten, würde sich dieses Rätsel noch lösen.

Am nächsten Morgen sprach Leda sie kurzerhand darauf an, als niemand am Fluss, wo sie Wäsche wuschen, mithören konnte. Sie wollte Kerberas Reaktion erproben und erwischte sie tatsächlich auf dem falschen Fuße. „Äh, ich? Wie kommst du denn… Ich komme aus dem Norden mit meinem Mann und…“ Leda unterbrach sie: „Von wo denn genau?“ Kerbera stotterte: „Aus… aus einem kleinen Dorf namens…. Das kennst du gewiss nicht.“

Leda wies ihr Gegenüber darauf hin, dass sie erzählt hatte, sie sei aus dem Osten gekommen. Kerbera antwortete aufgeregt: „Ach… Nein, das musst du falsch verstanden haben. Was versteht schon eine dumme Magd von den Weiten des Kontinents? Erledige deine Pflichten, Lina, und sei eine artige Dienstbotin! Sonst findest du dich eines Tages mit deinem hübschen Gesichtchen im Misthaufen wieder!“ Ihre letzten Worte versetzte sie kühl wie der Nordwind des Winters.

Sie hatte sich richtig in Rage geredet. Leda, die mädchenhafte Verwirrtheit vorgaukelte, war nun offenkundig, dass Kerbera eine Edeldame aus dem Reich der Frauenherrschaft war. Als Spionin würden sie keine hochgestellte Person in ein kleines Nest an der Westküste schicken, die dort als einfache Magd arbeiten musste. Aber vielleicht war sie nicht aus ganz freien Stücken hier und schuftete als Weib auf dem Hof. Vielleicht war sie auf der Flucht? Leda wollte sich mit Hagbard beraten und überlegen, wie sie weiter vorgehen würden.

In der vergangenen Nacht war auch Boreas zu seinem Vergnügen gekommen. Maia hatte ihn aufgeschlossen und sich zu ihm gelegt. Die beiden hatten ebenfalls in der Scheune Cains Demütigung miterlebt und waren nach einem kurzen Schrecken von dem Schauspiel weidlich erregt worden. Doch zum neuen Sonnenaufgang war der Sklave wieder verschlossen. Trotzdem war er zufrieden und glücklich, denn die Liebesstunden in der Scheune und später noch in ihrem Quartier waren lustvoll und sehr befriedigend gewesen. Mehr konnte er sich beileibe nicht wünschen.

Gern würde er für Maia auch weiterhin einen Keuschheitsgürtel tragen. Sie würden noch einige Jahre auf diesem Hof arbeiten oder andere Siedlungen an der Küste aufsuchen, um dort Münzen zu verdienen. Eines Tages hätten sie so viel Silber zusammen, dass sie sich ihr eigenes kleines Häuschen bauen könnten. Leider waren die politischen Verhältnisse jedoch derzeit so unsicher, dass daran vorläufig noch nicht zu denken war. Sollte wieder ein Krieg ausbrechen und sogar die Westküste erreichen und verheeren, würden sie alles wieder verlieren, was sie sich aufgebaut hätten. Maia beschloss daher, die gesparten Münzen gut zu verstecken und abzuwarten, wie sich die Lage im Reich entwickeln würde.

In der Metropole saßen die Statthalterin Helena und Abas, der Königsgemahl, gegenüber an einer Tafel und aßen zu Abend. Anfangs hatte sich Abas geweigert, an einem Tisch mit der Verräterin zu speisen, doch der Bratenduft der Tauben im Teigmantel und mit gehacktem Mangold, zartem Hasenrücken mit Pilzfüllung, Schweinebäckchen mit Linsen und Olivenöl sowie Fasane mit Maronen waren so verführerisch, dass er den Tantalusqualen nicht lange standhielt und eine knusprige Hasenkeule und anschließend mehrere saftige Scheiben Schweinebraten verzehrte und dazu zwei oder drei Kelche guten roten Rebsaft seine Kehle hinab goss.

„Du sollst es bei mir gut haben“, versuchte Helena das Gespräch ein wenig holprig zu beginnen und schluckte zügig ihren Wein die Kehle hinab, wie um ihre arglistigen Worte eilig wegzuspülen. Abas sah sie mit leerem Blick an, in dem sich seine Verlassenheit widerspiegelte und ohne die heuchlerischen Worte zu honorieren. „Ihr habt mir meine Leda genommen! Mein Leben hat keinen Sinn mehr!“ Helena bekam einen seltsamen Ausdruck. „Oh, dann darf ich Euch verkünden, dass Eure Leda vermutlich noch lebt – an der Westküste.“

Abas schaute skeptisch zu ihr hinüber. „Was sagt Ihr? Wollt Ihr mich und mein zerrissenes Herz verspotten?“ Helena verneinte: „Glaubt mir! Es sind zwar nur Aussagen von… Vereinzelten… Doch könnte es gut sein, dass…“ Abas winkte ablehnend mit der Hand. „Behaltet Eure Ammenmärchen in Eurem verkommenen Kopf!“ Auch wenn die Worte der Herrscherin noch so süß klangen, so waren sie doch unwahres Gift, dass sie ihm ins Ohr träufelte.

Die Gardistinnen, die einige Schritte entfernt an der Tür Wache standen, strafften sich, so dass die Schwertergriffe an ihrem Brustharnisch klirrten. So ein Frevel! Wie tollkühn oder wie dumm war dieser Mann, so mit der Statthalterin zu sprechen! Auf den kleinsten Wink der Helena würde der Kopf des Gefangenen über den Marmorboden rollen wie eine reife Melone, um ihn von seiner Unverfrorenheit zu heilen. Doch dieser Wink blieb aus. Stattdessen lenkte Helena Abas Gedanken geschickt auf Megaras Festung. Nicht sie, Helena, sei schuldig an Ledas und seinem Schicksal, sondern nur die Tyrannin Megara habe die Verantwortung dafür und sollte bezahlen. „Wir haben die gleiche Feindin“, erklärte sie. „Und der Feind deines Feindes ist dein Freund – so heißt es doch schon seit Talos I., nicht wahr?“

Abas betrachtete das undurchsichtige Antlitz der Statthalterin und nippte an seinem Kelch. „Was genau wollt Ihr von mir?“ Helena fragte gerade heraus: „Kennt Ihr die Festung? Schwachpunkte in der Wehrmauer? Dienstpläne der Wachen? Geheimgänge?“ Abas schwirrte der Kopf. Wenn er Helena half, würde er doch nur den Belzebub mit dem Teufel austreiben! Aber die Statthalterin hatte Recht: Megara musste fallen!

„Bereits lange Zeit vor Megaras Machtergreifung gab es große Teile der Bastion“, begann Abas und versuchte sich zu erinnern. „Es gebeutet manch Dinge, die ihr über diese Trutzburg wissen solltet…“ Helena spitzte ihre Ohren und drückte ihren Rücken kerzengerade durch. Ihre ungeteilte Aufmerksamkeit war Ledas Gemahl gewiss. Und schließlich ließ sie sich Wein nachschenken, lehnte sich zurück und genoss den Trank voll süßer Labe.

In der östlichen Metropole brannte die Sonne vom wolkenlosen Himmel. Die Tage im Wachdienst in Famas Residenz waren langweilig und aufregend zu gleich. Gerra lechzte nach einer Möglichkeit, nah genug an die Herrscherin zu kommen, um ihr den Dolch in den Nacken zu stecken, doch schien dieses Vorhaben unmöglich zu sein. Die königlichen Gardistinnen bildeten einen undurchdringlichen Ring um die frisch gekrönte Majestät.

Gerra überlegte: „Was ist, wenn ich mir ihre Töchter schnappe?“ Doch in diesem Moment schlug ihr Herz plötzlich bis zum Hals vor Schreck. Aurora und Vesta! Sie durfte ihnen niemals über den Weg laufen! Auch in ihrer neuen Uniform würde sie von den ungezogenen Gören sofort erkannt werden! Dann würde die Wahrheit ans Licht gespült.
Und dann würde sie bei Amatio landen – allerdings nicht in seinen Armen, sondern neben ihm in einem eisernen Fesselbrett und bei fauligem Wasser langsam ihr Leben aushauchen. Voller Verdruss grunzte sie unfein und haderte mit dem Schicksal.

Die beiden jungen Damen spielten gerade mit einem Sklaven im Lustgarten der Residenz. Sie waren immer noch verstimmt und grollten ihren Erlebnissen. Erst die Rückkehr ihrer strengen Mutter, dann die höchstpeinliche Bestrafung und dann noch die gefährliche Begegnung mit dem Troll, der einfach auf die Tribüne zu ihnen gesprungen war! Und als wäre das nicht genug Marter: die Keuschheitsgürtel, auf die Fama weiterhin bestand! Niemand kümmerte sich mehr um Wohl und Wehe ihres Lebensweges. Wie schändlich! Das Schicksal war voll Trug und Gemeinheit!

Vesta und Aurora verfluchten die Schmiedin Gerra, die ihnen die Gerätschaften umgelegt hatte. „Wenn diese Vettel nicht geflüchtet wäre, würde ich sie jeden Tag im Kerker besuchen gehen…“, sagte Vesta und ballte ihr Fäustchen. Aurora nickte. „Ja, ich bete, dass sie von Mutters Schergen eines Tages gefunden wird. Lebendig! Ich habe so viel mit ihr vor!“ Vesta gab dem vor ihr auf allen Vieren kriechenden jungen Sklaven tadelnd einen herzhaften Tritt in den Allerwertesten. „Wirst du wohl nicht einschlafen!“ Sie hatte dem Leibeigenen befohlen im Kreis zu kriechen. Der Jüngling mühte sich zügiger und krabbelte flink um die beiden jungen Damen in ihren edlen Rüschenkleidern umher.

„Wetten, er kriecht emsiger, wenn ich ihn mit der Gerte streichle?“, behauptete Aurora mit einem feisten Grinsen. Vesta kicherte unbekümmert. „Obacht! Ich reite dabei auf ihm! Aber wehe, du triffst mich!“ Aurora ballte vor Freude und Aufregung ihre kleinen Fäuste und ihre großen blauen Augen glänzten ob ihres jüngsten Schabernacks. „Oh, ja! Aber später wechseln wir die Position!“

Die Ausdauer der beiden Edelfräuleins war deutlich ausgeprägter als die ihres „Reittieres“. Trotz harten Liebkosungen brachten die Damen ihr „Pony“ nicht mehr dazu, den inzwischen schleifenden und holprigen Gang zu beschleunigen. Immer wieder versuchten sie den nun trägen Sklaven anzutreiben, doch obwohl sein Gesäß mittlerweile die Farbe von frischem Heidelbeermus aufwies, schleppte sich der Leibeigene nur noch zitternd und völlig erschöpft Schritt für Schritt vorwärts und schickte sich beinahe an umzufallen.

„Lass uns einen Frischen nehmen“, schlug Vesta vor. „Dieser liegt bald darnieder wie ein Fisch an Land.“ Aurora schnaubte verächtlich. „So eine armselige Jammergestalt! Ich habe gleich gesagt, dass ein wahrer Kampfsklave stärker und geeigneter ist als dieser Taugenichts.“ Vesta wand ein: „Aber du weißt doch genau, dass wir mit keinen Kriegern spielen dürfen. Und außerdem sind die so groß, dass ich ja kaum in den Sattel käme“, kicherte sie. Aurora ergänzte: „Dafür hätte ich dann von hinten einen umso prächtigeren Ausblick auf seine dicken…“ Vesta kicherte unterbrechend und hielt sich die Finger vor den Mund: „Lass das Wort nicht über deine Lippen! Das ist so unschicklich!“

Die beiden Edelfräuleins lachten hell und stellten fest, dass sie hungrig und durstig geworden waren. Aurora steckte dem Sklaven die Gerte zwischen seine Zähne. Der Leibeigene, der den Damen überdrüssig geworden war, verharrte auf allen Vieren, zitterte vor Erschöpfung und konnte sich selbst so kaum noch halten. „Zur Strafe für dein Versagen bleibst du hier hocken bis die Sonne untergegangen ist und trägst zum Stolz, von uns gezüchtigt worden zu sein, die Gerte in deinem Maul!“ Aurora war sich gewiss: Wer die Peitsche spart, verdirbt den Sklaven. Aber vor allem wäre es nur das halbe Vergnügen.

Es wurden noch anstrengende, heiße und quälende Stunden für den Leibeigenen, bevor er bei Sonnenuntergang zur Seite kippte und gnädigerweise ohnmächtig wurde. Sein Schatten löste sich erst vom heißen Grund, als zwei Uniformierte ihn in einen Käfig schleiften und ihn mit Wasser aus dem Burggraben übergossen. Aurora und Vesta hatten ihr Opfer längst vergessen und kurzweilige Zerstreuung in einem Ballspiel und neuen Kleidern gefunden, die ihren weiblichen Silhouetten schmeichelten.

141. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von sheeeep am 21.05.21 00:52

Wie immer hervoragend! Man kann dich nicht genug loben! Herzlichen Dank wieder einmal für die Fortsetzung !
Grüße Christian
142. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 22.05.21 13:15

Zitat
Wie immer hervoragend! Man kann dich nicht genug loben! Herzlichen Dank wieder einmal für die Fortsetzung !
Grüße Christian


VIELEN DANK!
143. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von onkelb am 22.05.21 15:12

Mist! Hab gehofft hier wär schon eine Fortsetzung. Auch von mir: Vielen Dank für die tolle Geschichte.
144. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 23.05.21 13:06

Doch eines verargte ihr süßes Leben in der feinen Gesellschaft wie ein Stachel in ihrem holdseligen Allerwertesten: Der Keuschheitsgürtel um ihre Taillen ließ sie unerbittlich das Joch auf sich nehmen. Und in diesem Punkt ließ Fama mit sich reden wie mit einer Mauer. „Ihr habt eine tüchtige Lektion verdient!“, hatte sie streng kund getan. Und über diesem Ungemach brüteten die beiden Damen nun wieder und wieder. Fama fiel zu ihrem tiefen Bedauern nicht auf ihr Schauspiel herein, die Jungfern voller Unschuld zu mimen.

„Wenn mich mein Gedanke nicht trügt, dann ist dieser untreue Lustsklave von Mutter Schuld an der ganzen Misere“, überlegte Aurora und kräuselte ihre Stirn über ihrem kleinen Näschen. Vesta nickte nachdenklich. „Ja, dieser Amatio, oder wie sein Name sich auch immer schimpfen mag. Wir sollten ihm im Kerker dafür danken!“ Aurora schmunzelte ironisch. „Hat der nicht schon genug Leid erfahren?“ Vesta schüttelte trotzig ihren Kopf, dass die langen Locken durch die Luft flogen und zeigte einen trotzigen Schmollmund. „Schwesterlein, wie rührend! Beinahe sentimental! Nein! Ich habe Lust, es ihm heimzuzahlen!“ Aurora hatte anfänglich Bedenken. „Aber er wird gut bewacht. Die Wächterinnen lassen uns nicht zu ihm.“ Vesta wusste jedoch: „Eine klingende Goldmünze hat schon so manche Tür geöffnet.“ Jetzt strahlte auch Aurora selbstgefällig und leckte sich über ihre erdbeerfarbenen Lippen.

An der Westküste reisten Tartaros, Honos und vier Soldaten an den Steilwänden der Felsenkante entlang. Die Meuterer, die als Schiffbrüchige von Fischern gerettet worden waren, zogen Richtung Norden, um sich in die dunklen Wälder der unwegsamen Gegenden zurückzuziehen. Die hohen dichten Baumkronen versprachen sichere Verstecke. Von den Bewohnern eines Fischerdorfes hatten sie erfahren, dass Megara zwar geschlagen war, doch nun Fama, die Siegreiche, regierte. Auch unter ihr waren Männer rechtlos und mussten mit Versklavung rechnen. Die Pest hatte gegen die Cholera obsiegt.

„Hätten wir doch nie mit Leda gebrochen“, bedauerte Honos schwermütig, ihr ehemaliger Majordomus, und seufzte. „Jetzt haben wir alle gegen uns.“ Der Schmied Tartaros grummelte. „Humbug! Ich sage, wir werden in den Wäldern des Nordens ein neues Leben beginnen.“ Auch das Soldatenquartett waren guten Mutes. Die Pferde hatten die Männer in einem Gehöft gestohlen und auch gleich noch Waffen und Kleidung mitgehen lassen. Das beste Gewand und das schönste Schwert hatte sich Tartaros genommen.

Eines Abends kam es am knackenden Lagerfeuer der Männer, auf dem einige Fische auf einem Spieß brieten, zu einem handfesten Streit um die Führung der Gruppe. Tartaros beanspruchte die Position des Befehlshabers. Doch auch Honos und ein Soldat wollten das Kommando haben. Jeder brachte eigene Argumente vor, doch bald schon verstummten die Worte, und dafür flogen die Fäuste. Glücklicherweise zog niemand eine Blankwaffe.

Der kräftige Tartaros behielt die Oberhand und teilte fleißig aus. Seine Fäuste waren wütend wie Blitz und Donner und prasselten wie wilder Gewitterregen auf die Gegner ein. Doch schlussendlich verbündeten sich die Anderen gegen ihn und überwältigten den bärtigen Muskelmann, fesselten ihn an einen Baum und stimmten ab, wer sie nun führen sollte. Honos erhielt am meisten Zustimmung und wurde zum neuen Führer ernannt. Tartaros brüllte mit seiner sonoren Stimme. „Dir werde ich es zeigen! Bindet mich los, damit ich Honos…“ Weiter kam er nicht, denn ein Soldat knebelte den Schmied mit einem alten Lappen und einem Ledergurt.

Erst bei Sonnenaufgang wurde Tartaros aus seiner Bredouille befreit. Er hatte alle Waffen abgeben müssen und wurde von den anderen gemieden. Brummelnd ritt er weit hinter den Anderen wie ein Aussätziger. Als die Männer mittags eine kleine Rast an einem Flüsschen machten, war von dem Schmied nichts mehr zu sehen. „Er scheint einen eigenen Weg eingeschlagen zu haben“, argwöhnte einer der Soldaten. „Soll er doch“, meinte Honos und zuckte gleichgültig mit den Schultern, während er einen Stiel einer Wildrose abbrach und an der Blüte schnupperte.

Die Männer tranken aus ihren Lederschläuchen, aßen einige Streifen gewürztes Trockenfleisch, dass sie sich ebenso ergaunert hatten wie die Pferde, und pflückten einige Beeren und Trauben, die in der Umgebung reichlich wuchsen. Honos lag entspannt und auf einem Halm kauend im hohen Gras unter einer alten schattenspendenden Buche und betrachtete eine kleine, weiße Wolke, die hoch am blauen Himmel entlang zog, bevor sie hinter den Baumwipfel tauchte. Von mehreren Seiten zwitscherten Vögel ihre Lieder, die Sonne wärmte angenehm seine Haut, wenn sich die Zweige bewegen, und ein leichter Windzug erfrischte ihn gleichzeitig. „Wie schön der Norden ist“; schwärmte er. Sollten diese barbarischen Weiber doch ihre Schreckensherrschaft im heißen, trockenen Süden ausüben.

Doch dann verpuffte die Idylle in einem Wimpernschlag. Jäh brachen Reiterinnen wie aus dem Nichts aus dem Dickicht: Kopfgeldjägerinnen. Honos sprang auf, seine Gefährten ebenfalls. Sie zogen ihre Waffen, doch es war bereits zu spät. Die Verfolgerinnen hatten die Männer umkreist und zielten mit gespannten Bögen auf ihre Leiber. „Lasst eure Schwerter fallen!“, befahl eine Reiterin, die in ihrer Lederrüstung und den mit Metalldornen beschlagenen Stiefeln martialisch aussah. Einer der Soldaten sprang tollkühn vorwärts und schleuderte sein Schwert über dem Kopf, doch er kam nur wenige Schritte weit. Schon hatten ihn zwei Pfeile durchbohrt. Leblos fiel er zu Boden und verscheuchte jegliche Hoffnung auf erfolgreiche Gegenwehr.

Honos und die zwei anderen Kämpen warfen ihre Waffen von sich. „Auf die Knie mit euch! Und die Hände hinter den Kopf!“, befahl die Reiterin. Die Männer gehorchten augenblicklich und sahen, wie mehrere Söldnerinnen von ihren Rössern glitten und sie an den Händen mit groben Hanfseilen banden. Wenige Momente später waren ihnen Eisenschellen um die Hälse gelegt, die mit einem weiteren Seil an den Reittieren befestigt wurden. So mussten die vier Männer hinter den Jägerinnen hermarschieren und schnappten nur Wortfetzen auf wie: „…zwar kein Troll, aber wenigstens vier Sklaven, wovon einer etwas Ertragreiches sein könnte…“

Honos wusste, dass die Kriegerin ihn meinte. Ahnte sie, dass er Majordomus unter Leda war? Wie sollte sie das wissen? Verhielt er sich irgendwie gewählter als die Soldaten?Oder verriet seine Kleidung etwas? Er sah an sich hinab: Nein, er trug die gleichen Beinkleider und einen ähnlichen Wams wie die Kerle. Und ihn schmückte auch kein Brandzeichen auf der Stirn, das ihn als Majordomus auszeichnete. Was für ein absurder Gedanke, bemerkte er und... Abrupt zerrte Honos mit dem Kopf wieder nach vorne, denn ein scharfer Ruck an seiner Eisenkrause zwang ihn dazu.

Seine Führerin nahm keine Rücksicht darauf, dass seine Beine ihn kaum noch trugen, dass er brennenden Durst hatte und dass seine Füße mit Blasen übersät waren. Im Gegenteil: Ein schmerzhafter Hieb mit einer Peitsche versetzte seinen Hintern in einen Flächenbrand. „Wirst du wohl deinen Arsch in Bewegung setzen, du Hund!“, hörte er hinter sich eine Söldnerin aufbrausend schimpfen. Honos stöhnte unterdrückt auf. Die Frau ritt neben ihn und drückte ihm die Schwertspitze unter sein Kinn: „Wenn du stolperst, schleifst du so lange auf dem Boden, bis du wieder aufstehst. Also lege lieber einen Schritt zu. Trägheit billige ich nicht.“ Ihre Augen blickten kalt wie die eines Raubfisches in die Welt.

Erst am Abend lagerten die Jägerinnen auf einer kleinen mit Moos bewachsenen Lichtung. Honos fiel entkräftet um wie ein Sack Reis. Die Anführerin kam zu ihm, der inzwischen an Armen und Beinen gefesselt neben seinen Kameraden auf dem Waldboden lag, und unterwarf ihn ihrer kaltblütigen Beobachtung. „Woher stammt ihr? Wem seit ihr davon gelaufen?“ „Wir sind freie Männer vom Westkontinent“, antwortete Honos, der eine penetrante Mücke aus seinem Gesicht pustete. Die Kriegerin sah sich um und blickte in die Gesichter ihrer Kameradinnen. Dann lachten plötzlich alle los. Das Weib in der Lederrüstung zog einen kleinen, verzierten Dolch und schnitt mit überraschender Geschicklichkeit und Geschwindigkeit die Beinkleider des Honos auf, so dass seine Männlichkeit blank vor aller Augen lag. „Und nun will ich die Wahrheit von dir Lügenbaron wissen!“ Die Klinge blitzte im Licht des nahen Lagerfeuers auf.

Helena lag auf einem goldsamtenen Diwan in ihrer Residenz und kostete den Schluck edlen Rebenblutes. Sie wartete begierig auf die Rückkehr ihrer Gesandten, die die Angaben des Abas überprüfen sollten, und nestelte ungeduldig an einem glitzernden Opal, den sie als in Gold eingefasste Brosche an ihrem Gewand trug. Es gab also eine alte Verbindung zu den Höhlen mit der Festung? Alte Minenschächte, die bis in das Höhlensystem führten? Abas hatte Helena den genauen Ort verraten, wo der Zugang zu den sagenumwobenen Höhlen war. Das hörte sich vielversprechend an.

Die zwei Soldatinnen waren eiligst aus der Residenz galoppiert, um zu der besagten Stelle in einer nahen Felsenschlucht zu reiten. Dort befand sich ein Teich mit einem Zufluss über einen Wasserfall. Hier im Süden war Wasser zwar ein kostbares Gut, doch führte der Fluss aus unerklärlichen Gründen Salzwasser, so dass sich gewöhnlich niemand für den Weiher und die Kaskade interessierte. Doch nun sollte er das Tor in die Unterwelt sein! Die Reiterinnen stiegen ab und betrachteten die Wasserwand. „Dahinter soll die Pforte zu einem gewaltigen Höhlensystem sein?“, fragte die eine ungläubig. „Wir werden es erfahren!“, prophezeite die andere bestimmt und stieg in das Wasser, das ihr am Ufer nur bis zu den Knien reichte.

Sie zog ihr Schwert, als erwarte sie ein Monster oder einen göttlichen Wächter mit blitzenden Dämonenaugen und Hörnern, der den Eingang verteidigte. Ihre Kameradin folgte ihr geschwindfüßig, zog aber sicherheitshalber auch ihre lange Klinge. Respektvoll näherten sie sich dem rauschenden Fall. Das Wasser schäumte und lärmte immer lauter in ihren Ohren. Die ersten Spritzer befleckten ihre Lederwesten und ihre Gesichter. Sie sahen sich an und dann sprangen sie wie eine Person todesmutig durch die undurchsichtige Wand…

… und fanden sich in einer kleinen Grotte wieder. Das Wasser dunkelte den natürlichen Felsraum stark ab, doch konnten die Soldatinnen noch gut die Umgebung aus hellem Gestein erkennen. Auf der anderen Seite des Gewölbes führte offenbar ein schmaler Gang in die Finsternis. „Hier können wir ohne Fackeln nichts ausrichten. Darin sind wir blind wie die Nacht“, stellte die Uniformierte fest. „Aber wie bekommen wir Lichter trocken durch den Wasservorhang?“, wollte die andere wissen. Zunächst kehrten sie um und berichteten der Statthalterin, was sie entdeckt hatten. Helena war begeistert. „Das muss der Eintritt sein, von dem Abas gesprochen hat. Ein Trupp soll die Höhle erkunden! Eilt!“

Also machten sich drei Soldatinnen und sechs Kampfsklaven auf den Weg. Auch Pechfackeln hatten sie dabei, die in dickes und gewachstes Leder eingebunden waren, damit sie trocken durch die Wasserwand gelangten. Sogar Proviant hatte die Gruppe dabei. Wer wusste schon, wie lange die Höhlengänge waren? Drei Kampfsklaven übernahmen die Spitze, drei folgten als Nachhut. Obwohl die Leibeigenen nicht zur Klasse B, also den riesigen Barbaren, zählten, waren sie viel größer und breiter als die Weiber und mussten sich an einigen Stellen des Ganges mühsam durch schmale Schlitze quetschen. Fast nirgends war der Gang hoch genug, dass die Männer gerade marschieren konnten.

Die Fackeln loderten und zauberten unheimliche Schatten an die rauen Felswände. Doch dann wurde der Gang so niedrig und schmal, dass die Männer nur noch kriechend vorwärts kamen. Die Soldatinnen blieben zurück. „Zwei von Euch erkunden den Gang“, befahl die Anführerin und zeigte auf die beiden „Freiwilligen“. Es dauerte lange, da kroch einer der staubigen Sklaven rückwärts endlich zurück und berichtete aufgeregt: „Wir haben eine weitere größere Höhle entdeckt. Aber der Zugang ist so eng, dass mein Kamerad an der Hüfte stecken geblieben ist.“ Die Centuria, die die Gruppe führte, schnaubte ohne Galanterie: „Aus dem Weg! Ich gehe selbst.“ Sie griff sich eine Fackel mit verkürztem Stab und kroch in den tunnelartigen Gang.

Vor ihrem Gesicht loderte die Flamme. Wenn das Feuer jetzt erlischt, bin ich verloren, fürchtete sie. Es wurde immer enger. Sie fragte sich, wie die Männer es überhaupt geschafft hatten, ihre umfangreichen Leiber hier hindurch zu zwängen. Bald schon erkannte sie die Umrisse von Füßen, von Beinen und den Hintern des Sklaven, der in dem Zugang zu der entdeckten Höhle steckte. „Mach, dass du weiter kommst!“, befahl die Centuria streng. „Aus dem Weg!“ Eine dumpfe Antwort ertönte. „Ich versuche es ja. Aber meine Hüfte sitzt fest!“ Der Leibeigene stützte sich mit den Händen an der Felswand ab und versuchte mit aller Kraft, seinen Unterleib aus dem Gang zu drücken, doch alle Versuche blieben erfolglos. „Mir scheint, ich kann dir helfen“, rief die Soldatin. Der Sklave fragte sich skeptisch, wie die zierliche Frau die Kraft aufbringen wollte, ihn…

…doch im nächsten Moment war ihm klar, was das Ansinnen der Anführerin war. Sie heizte seinem Allerwertesten mit der Fackel ein. Die Schreie des Sklaven hörte sie dumpf durch die Felsen und schmunzelte. Sie schwenkte die Flamme hin und her über seine Hinterbacken, verharrte hier, stoppte dort und presste die Glut ins Fleisch. Das Brennen wütete wie ein Malstrom in der gepeinigten Kreatur. So ein loderndes Holz war doch ein hervorragendes Mittel, um Sklaven voranzutreiben. Und schon bald flutschte der Leibeigene wie ein Korken aus einer Flasche in die Höhle. „Geht doch!“, freute sich die Centuria über ihre furiose Hilfe und kroch hinterher.

Die Grotte war größer als der Thronsaal der Fama. Und sogar gewaltiger als der Thronsaal der Megara, vermutete die Centuria. - Bald würde sie es genau wissen, falls dieses Höhlensystem wahrhaftig bis zu den Minenschächten unter der Festung reichte. Die Centuria leuchtete in dem großen Felsunterschlupf umher. Leider fand sie keine weiteren Gänge oder Schächte. „Sollte das etwa eine trostlose Sackgasse sein?“, sinnierte sie, und ihre Worte hallten von den Steinwänden wider. „Vorwärts!“, befahl die Uniformierte dem Sklaven scharf und versetzte ihm einen kräftigen Tritt in den noch heißen Hintern. „Prüfe die Wände, ob da irgendwo ein Durchgang zu finden ist.“

Der Sklave tastete sich vorsichtig vor und suchte nach einer Öffnung in der rauen Wand. Doch nirgends war etwas zu entdecken. „Hier ist nichts“, rief er zu der Centuria, als er alles abgesucht hatte und hörte sein eigenes Echo. „Versuche es noch einmal! Hier muss ein Weg sein!“, behauptete die Uniformierte borniert und trank aus einem Lederschlauch einen Schluck Wasser, beseelt in der Hoffnung fündig zu werden. Schließlich kroch sie zurück, um die anderen und mehr Fackeln zu holen. Nun stand der Sklave in stockfinsterer Dunkelheit. Irgendwo tropfte es. Der Mann drehte sich angstvoll im Kreis und suchte die Schwärze nach gefährlichen Tieren, Unholden oder Dämonen ab, doch er konnte nichts erkennen.

War das Wasser, das sich an der Decke sammelte und hinabtropfte? Oder stand im Schatten der Finsternis ein sabberndes Monster gar, dass nur darauf gewartet hatte, ihn zu fressen? Beseelt von tiefster Furcht und Beklemmnis zitterten seine Glieder. Wo blieben sie denn?, fragte sich der Mann nach einer Weile. Als nach einer gefühlten Ewigkeit immer noch niemand erschien und auch nichts zu hören war, versuchte er zurück in den Gang zu kriechen, aus dem er gekommen und die Centuria wieder verschwunden war, doch passte er einfach nicht hindurch. Wie sollte er nun überhaupt jemals wieder diese teuflische Falle verlassen?, durchschoss ihn panisch ein Gedanke. Der Verzweifelte versuchte hektisch in den Zugang zu krabbeln, aber egal, wie er sich verrenkte, er schaffte es nicht. „Hallo? Hilfe!“, rief er in seiner Not. Seine Stimme zitterte. Wo blieben nur die anderen? Sie hätten längst hier sein müssen.

Die Centuria war zurück gekrochen, hatte von der Höhle erzählt und meinte schließlich: „Lasst uns zuerst eine kleine Mahlzeit zu uns nehmen und ein wenig ausruhen, bevor wir alle in die Düsternis vordringen.“ Das ließen sich die Soldatinnen und die Leibeigenen nicht zwei Mal sagen. Erst nach geraumer Weile machten sie sich auf den Weg zu dem zurückgelassenen Sklaven, der in der Dunkelheit mittlerweile Panik, Platzangst und Furcht vor bösen Geistern durchlebte und am ganzen Leib schlotterte.

Als die drei Uniformierten und fünf anderen Kampfsklaven in dem Hohlraum endlich erschienen und ihn mit ihren Fackeln ausleuchteten, saß der Sklave in einer Ecke zusammengekauert und zitterte vor Angst. „Nicht mehr allein lassen, bitte…“, stammelte er. Eine brünette Schwertträgerin seufzte. „Sklavenpack! Keinen Schneid, keinen Charakter. Was für armselige Geschöpfe!“







145. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 29.05.21 16:02

Viele Meilen weiter im Osten saß Caduceus über eine Schale mit Kräutern und einem geheimnisvollen Sud gebeugt. Trotz Verbot seiner Herrin hatte er erneut die Dämpfe entzündet, die ihm Sehkraft schenkten. Der Alchimist sah Leda nur sehr verschwommen. Die Königin war noch immer als Magd irgendwo… gefangen? Er konnte es nicht genau erkennen. Der Nebel in seiner Vision war einfach zu undurchdringlich. Doch in seinen Bildern tauchte jäh die alte Tyrannin Megara auf. Sie saß nicht auf ihrem Thron sondern lief gehetzt und Hals über Kopf durch einen engen Gang… eine Höhle… Oder war es ein Minenschacht? Hunderte Leiber verfolgten sie… Was hatte das zu bedeuten?

Caduceus konnte sich keinen Reim auf die ominösen Erscheinungen machen. Dann verschwand die Vision und ein neues Bild erschien vor seinen Augen: Abas, der Königsgemahl saß neben Leda auf dem Thron. Die Beiden wurden vom Volk bejubelt. Warfen da große Ereignisse ihre Schatten voraus? Caduceus bekam rasende Kopfschmerzen, als würden kleine bösartige Zwerge mit Spitzhacken in seinem Schädel arbeiten. Er schüttelte das Haupt und verjagte alle Bilder. Hatte er die Vergangenheit gesehen? Oder gar die Zukunft? Würde Leda wieder den Thron des Reiches besteigen?

Der Alchimist war so aufgeregt, dass er sein Tintenfässchen umkippte. Hastig rettete er die Pergamente, die in der Nähe lagen, doch einige Schriften waren besudelt und nicht mehr zu gebrauchen. Das Gewerk von Stunden! Caduceus machte sich seufzend daran, sein Missgeschick zu beseitigen und die befleckten Seiten zu ersetzen. Aber seine Gedanken waren dabei forthin nicht den Buchstaben sondern Leda, Abas und Megara zugewandt.

Am folgenden Sonnenaufgang wachte er nicht von Vogelgezwitscher, sondern vom Klatschen der Peitsche auf. Er zog sich schnell sein zinnoberrotes Wams über und blickte aus dem kleinen, vergitterten Fenster seiner Kammer: Auf dem Innenhof wurde einer der Feldsklaven gezüchtigt. Die mit Knoten gespickte Geißel war gefürchtet und maßlos grausam. Caduceus eilte hinaus und blieb an dem überdachten Weg entlang des Gebäudes stehen, um einen Haussklaven zu fragen, warum der Leibeigene eine so schwere Strafe erhielt. Der Diener raunte: „Es geht das Gerücht, dass ein Troll aus der Metropole geflüchtet und Richtung Osten unterwegs sei. Er könnte sich hier irgendwo in den Wäldern aufhalten. Der Sklave hatte so große Bangigkeit, dass er zum Haupthaus geflüchtet ist und um eine andere Arbeit gebettelt hat. Aber die Verwalterin hat gesagt, die Peitsche bräche ihn zur Besinnung, so dass er die Scheu vor dem Troll verlöre.“

Caduceus tat der Mann leid, denn er hatte wahrlich aus Furcht gehandelt. Er schritt zu seiner Herrin, die er auf der gegenüberliegenden Seite des Hofes bemerkte, und bat höflich um Gnade für den Sklaven, der schon erschöpft über dem Strafbock hing wie ein nasser Sack. Womöglich hatte „Euer Großartigkeit“ ja ein Fünkchen Mitleid. Danach konnte sie sich im Glanz ihres Großmutes sonnen.

Die Gebieterin hörte dem Alchimisten gnädig aber auch gelangweilt zu. Kein anderer Sklave hätte es gewagt, sie ungefragt anzusprechen. Caduceus erbat sogar Erbarmen, brachte ungefragt eine Bitte vor. Das war tollkühn. Er hatte von dem schrecklichen Gerücht gehört, was mit einem Dienstboten geschehen war, der um eine Gefälligkeit gebeten hatte. Die Dame des Hauses hatte den Unglücklichen von kräftigen Knechten festhalten lassen und eine Schmiedezange gegriffen. Dann hatte sie das Instrument an den ersten Fingernagel angesetzt und wie bei einem Abzählreim Ja und Nein abgewechselt - nach jedem Finger. Da sie mit Ja angefangen hatte, endete der zehnte Fingernagel mit Nein. Somit war die Bitte abgelehnt. Eine kleine Lehrstunde ganz nach ihrem Geschmack.

Doch heute seufzte die Gebieterin lediglich und hob die Hand, worauf das Weib mit der Peitsche sofort die Züchtigung unterbrach. Caduceus sah erleichtert zu der Verwalterin des Hauses, die für die Bestrafungen zuständig war. Sie trug eng anliegende Hosen, die nach außen weit ausgestellt waren. Schwarze, kniehohe Lederstiefel bedeckten ihre Füße und Unterschenkel, ein weißes Seidenhemd mit Rüschen trug sie am Leib, über das sie eine feine Lederweste gestreift hatte. Die rechte Hand, die die Peitsche hielt, war in einen schwarzen Lederhandschuh gehüllt.

Die Zuchtmeisterin zog diesen nun aus und steckte ihn sich in den breiten Gürtel. Sie sah fragend zu der Hausherrin hinüber. Caduceus hatte sein Ziel tatsächlich erreicht. Mit einem Zeichen sorgte die oberste Dame des Hauses dafür, dass die Bestrafung beendet war. Ihre Verwalterin band den Sklaven mürrisch los, der kraftlos in den Staub fiel. Als sie ihn mit der Peitsche auf die Beine bringen wollte, rief die Lady über den Platz: „Gebietet Einhalt! Schafft ihn in seine Unterkunft und sorgt für einen Heilsud und einen Verband.“

Die garstige Verwalterin schaute, als habe sie gerade etwas Unerhörtes wahrgenommen. Sie hätte lieber den Peitschengriff als Knüppel verwendet, um das faule Pack vom Boden zu prügeln. Sie hätte ihm die Lederschnur um den Hals gewickelt wie eine Garotte und es hoch gezwungen. Rute und Strafe gab den Sklaven Weisheit und Manieren, so hieß es. Doch sie führte die Anweisungen gewissenhaft aus, schickte einen Diener mit der Kräuterzubereitung und einem Leinenverband, den er dem Delinquenten um die Hüfte wickelte, nachdem er ihm die kühlende Mixtur vorsichtig mit einem kleinen Spatel auf den Hinterbacken verteilt hatte.

Die Gebieterin wunderte sich wegen der rührenden Sorge um den erbärmlichen Angsthasen und ließ Caduceus später am Tage bei sich erscheinen, um ihn wegen der Sache zu befragen. Sie wusste selbst nicht so genau, warum sie dem Wunsch des Alchimisten entsprochen hatte. Caduceus erwähnte die verwirrenden Traumbilder, die er gehabt habe. Von Leda und Abas auf dem Thron und dem Untergang des Matriarchats. Die Herrin spottete: „Und daran glaubst du, Narr? Mannsbilder werden niemals die gleichen Rechte besitzen wie Damen. Welch Absurdität! Vergleichst du auch edle Rösser mit Gewürm? Also... schlag dir diese Flausen aus dem Kopf! Der Sklave hat die Züchtigung verdient. Und er hätte noch mehr Schläge bekommen. Ich lasse bereits schon viel zu viele Kapriolen durchgehen. Weißt du nicht, wie es in anderen Häusern zugeht?“

Sie grinste. Caduceus schaute sie verdutzt an. Die Lady erzählte von der Nachbarin, einer mondänen Großgrundbesitzerin mit hunderten Sklaven, die auf ihren Plantagen schufteten. „Dort ist das Spießrutenlaufen eine beliebte Unterhaltung. Auch die Herrin und alle weiblichen Angestellten beteiligen sich mit Freude und ganz nach Gutdünken daran. Wenn ein Sklave seinen Tagessoll nicht erreicht, läuft er mehrfach die Reihe auf einer Chaussee entlang…“ Und je mehr sie von den drakonischen Bestrafungen bei der Nachbarin erzählte, desto erleichterter war Caduceus bei seiner Edeldame zu leben, die zwar auch mit eiserner Rute regierte, doch gerecht waltete.

Am Nachmittag besuchte er den wunden Sklaven, der auf dem Bauch lag und stöhnte. „Wie geht es dir?“, fragte er mitfühlend. Der Liegende bedankte sich bei dem Alchimisten für seine Anteilnahme. Doch dann begann er zu weinen. Caduceus schaute ihn irritiert an. „Welch Unbill peinigt dich noch?“ Der Sklave ließ seinem Jammer freien Lauf. „Die Verwalterin war vorhin hier. Sie hat mir angedroht, Salz und Pfeffer auf meinem Arsche zu verreiben.“ Caduceus war entsetzt von solcher Grausamkeit. Aber was sollte er tun, solange niederträchtige Weiber alle Rechte und Herzen aus Stein hatten und die Schale ihres Zorns über hilflose Kreaturen ausgossen? Männer hatten sich zu fügen. Sie mussten ihr Schicksal begreifen und annehmen oder verzweifeln. Doch Caduceus erinnerte sich an seine Traumbilder. Vielleicht wurden die Visionen ja doch eines fernen Tages wahr.

Als die Centuria bei der Statthalterin vorsprach und erklären musste, dass die große Höhle eine Sackgasse war, zitterte ihre Stimme. Würde Helena sie dafür verantwortlich machen? Würde sie als Überbringerin der schlechten Nachricht bestraft werden? Doch glücklicherweise schritt Helena zu ihrem Prügelsklaven, um sich an diesem auszutoben, der nun tapfer sein Scherflein dazu beitragen durfte, damit die edle Dame sich wohler fühlte. Schwerer wurde ihr Arm, doch die Last des Ärgers fiel von ihr.

Hätte die Centuria kein Stirnband getragen, wäre ihr der Schweiß in die Augen gelaufen. Erleichtert und befreit von Unmut verließ sie die Residenz. Im Nachhinein musste sie über den Befehl zur Erforschung der Höhlengänge sogar schmunzeln. Auf dem Rückweg hatte sie noch Mal ihr Vergnügen gehabt. „Wie flink und emsig doch der fette Arsch des Sklaven durch den Gang gepasst hat, als ich ihn ein wenig mit dem Fackelstumpf angetrieben habe“, erinnerte sie sich amüsiert.

Helena sah die Lage weniger belustigt. Sie plagte, dass ihr Plan, Megaras Festung unterirdisch zu stürmen, misslungen war. Erzürnt ließ sie Abas vorführen. Die Palastwachen zwangen den Königsgemahl auf die Knie. „Rede!“, forderte die Statthalterin mit einer Stimme wie eine Klinge aus absoluter Dominanz und poliertem Schneid. „Wo ist der Zugang zu der Zitadelle? Die Höhle ist nicht mit den Minenschächten verbunden!“ Abas hob abwehrend die Hände: „Aber ich habe doch niemals behauptet, dass es einen direkten Durchgang gibt…“ Helena schnaubte zornig und spuckte ihm spritzend ins Gesicht. „Bringt ihn zurück in den Kerker. Und nehmt ihm die Kleider und schließt ihn in das Eisenbrett!“ Ihre geifernden Worte hallten in den Mauern nach und waren so schneidend, als wollten sie die Steinblöcke zu Staub zerbröseln.

Abas wurde hochgerissen und so schnell mitgenommen, dass er halb stolperte, halb über den Marmorboden schleifte. An der dicken Eichentür vor der Treppe in die Gefangenengewölbe waren alte Worte eingemeißelt: - Lass alle Hoffnung fahren. - Von Moosbewuchs und Dreck waren sie kaum noch leserlich. Niemand wusste, wer sie einst dort verewigt hatte. Helena erschien kurz darauf ein zweites Mal bei ihrem Prügelsklaven, der sich mit jämmerlichem Gesicht die blauen und roten Striemen auf seinem Hinterteil besah. Seine Augen quollen ihm fast aus dem Kopf, als die Statthalterin mit sauertöpfischer Miene erneut zur Gerte griff…

Während die unterdrückten Schreie des Prügelsklaven dumpf bis auf den Hof der Residenz drangen, öffnete sich dort ein schweres Holztor mit schweren Eisenbeschlägen: 24 Kampfsklaven aus einer Einheit im Westen marschierten in Reih und Glied hinein. Ihre rustikalen Rüstungsteile klapperten, die Schnürsandalen an ihren Füßen stampften im Gleichtakt. Mehrere Soldatinnen überwachten die kleine Parade. Als Nachhut folgten sechs Leibeigenen, die völlig nackt in Ketten versuchten, den marschierenden Vordermännern zu folgen.

Und das war gar nicht so einfach, denn die Sechs waren so verkettet, dass Fußgelenke und Gemächt der Leibeigenen mit einer kurzen Kette verbunden waren, die sie in die Hocke zwangen. Die Hände waren ihnen im Nacken an ihren Halsring gefesselt. „Was haben diese Exemplare sich zu schulden kommen lassen?“, wollte eine der Soldatinnen wissen. Ihre Nachbarin wusste: „Sie sind aus einer Schwefelmine desertiert. Haben wegen der Dämpfe nach Luft geschnappt und gejammert, sie ersticken. Die Bezirksduxa wird an ihnen ein Exempel statuieren. Man munkelt, sie sollen in eine Höhle gebracht werden…“

Die beiden Frauen betrachteten die sechs Gefangenen, wie sie in ihrem erzwungenen und schokanten Entengang noch mehrfach im Kreis über den Hof gejagt wurden. Eine andere, junge Soldatin mit geflochtenem Haar kicherte leise, als sie sah, wie einer der Leibeigenen sich dabei versehentlich immer wieder die Männlichkeit zerrte und quiekte. Ein anderer Sklave verlor das Gleichgewicht und kippte in den Staub. Sofort schlugen zwei blonde Wächterinnen mit dicken und breiten Lederstreifen gleichzeitig auf ihn ein. „Wirst du wohl deinen Arsch heben und weiterlaufen!?“, hieß es im Befehlston. Doch die geschwächte Kreatur kam in seiner Fesselung nicht mehr auf die Füße. Bei ihren hilflosen Versuchen strampelte sie, stöhnte verzweifelt und jammerte, doch dann schaffte sie es irgendwie doch noch, unter den auf sie einprasselnden Beschimpfungen, Hieben und Tritten in Position zu kommen und gedemütigt hinter den anderen so geschwind sie konnte herzuwatscheln. Elend und Mühsal hießen das täglich Brot eines Sklaven.

Nordwestlich der Metropole näherten sich einige Reiterinnen mit vier Männern. Honos und die drei ehemaligen Soldaten der Leda wankten erschöpft mit auf dem Rücken gebundenen Händen hinter den Berittenen her, die sie an einem Seil führten wie Kälber.
Honos konnte es immer noch nicht fassen, dass er diesen Furien alles geschildert hatte. Sie wussten nun, dass er Majordomus der Leda war, sie gemeutert hatten, auf einem fremden Kontinent gestrandet waren, nun wieder hier waren, und das Leda noch lebte. Was so eine kleine, scharfe Klinge an einem Gemächt nicht alles bewirkte! Vor allem, wenn es sein eigenes war!

Honos war sich klar, dass er nun nicht einfach als Leibeigener auf irgendeinem Sklavenmarkt verschachert, sondern als politische Geisel festgehalten wurde, falls Leda jemals wieder an die Macht zu kommen versuche. Ein lebenslanger Kerkeraufenthalt erwartete ihn. Diese Bürde hatten die Schicksalsgöttinnen für ihn ersponnen. Tartaros, der eigensinnige Schmied, hatte es da ja noch fein getroffen, ärgerte sich Honos. Der Kerl würde nun in den nördlichen Wäldern leben. Frei. Doch da irrte Honos gewaltig.

Tartaros war zunächst den vier ehemaligen Gefährten in einiger Entfernung gefolgt, hatte sich dann aber weiter im Osten abgesetzt. Am Abend hatte er ein Lager aufgeschlagen und war gerade dabei, vor seinem Lagerfeuer, das nur noch vor sich hin glühte, einzuschlummern, da wurde er auf ein Mal hellwach. „Was war das?“ Er wollte sein Schwert ziehen und musste zu seinem Schrecken merken, dass sein Gürtel leer war. Honos hatte ihm die Waffen genommen, erinnerte er sich entsetzt! Was sollte er nun tun? War das ein wildes Tier gewesen? Eine Art Brüllen. Halb menschlich, halb animalisch.

Tartaros tastete nach einem dicken Holzstück, das an seinem anderen Ende noch glühte und griff es mit seiner kräftigen Hand. Wer ihn überfallen wollte, der musste es mit ihm aufnehmen. Der wackere Tartaros spannte Zoll um Zoll seine starken Muskeln an. Nur wenige Recken konnten es in Körperkraft mit ihm aufnehmen. Und auch im Faustkampf war er geübt. Doch was sollte er gegen einen Bogenschützen unternehmen? Aber ein Bogenschütze stampfte nicht so laut daher und brüllte. Das musste ein großes Tier sein.

Tartaros lugte in die Dunkelheit. Er war bereit, den Knüppel auf den Gegner zu schmettern, dass sowohl Holz wie auch Schädel des Angreifers zersplitterten… Wieder das Brüllen. Nur noch lauter. Näher. Tartaros Herz raste. Zweige schoben sich zur Seite. Tartaros machte sich bereit. Er würde es notfalls mit einem Bären oder einem Panther aufnehmen… Jetzt bewegten sich nicht nur Zweige sondern ganze Äste zur Seite, knackten, brachen, stürzten zu Boden. Schließlich schien es sogar zwei junge Bäume auseinander zu reißen. Der Kopf des Schmiedes schob sich in den Nacken. Er sah mit offenem Mund nach oben.

Vor ihm stand eine über zwei Mann große Wand aus Fleisch, wie er sie nimmer für möglich gehalten hatte. Der Erstarrte wurde aschfahl und stieß ein tiefes Stöhnen aus, die Götter mögen diesen Kelch an ihm vorbei gehen lassen, aber der Troll war das Letzte, das Tartaros in seinem schnöden Leben sah. Einen Herzschlag später krachten die monströsen Pranken des Untiers auf sein Opfer nieder.

Als die Söldnerinnen bei Fama, der Siegreichen, vorsprechen wollten, wurden sie zunächst von den Gardistinnen barsch abgewiesen. „Kein Troll – kein Einlass – keine Belohnung!“, stellte die Uniformierte prägnant fest. Doch als die Anführerin der Kopfgeldjägerinnen von einem besonderen Fang berichtete, wurde die Gardistin hellhörig. Es dauerte nicht lange, bis die Frau mit Honos vor der ehrwürdigen Königin Fama stand. „Honos“, sagte die Regentin, und ihr Tonfall troff dabei vor Spott und Hohn. „Der Majordomus der Leda. Sieh an!“

Die Söldnerin wurde großzügig mit Goldmünzen aus einem ledernen Portefeuille bedacht und bedankte sich mit einer tiefen Verbeugung vor der Majestät. Sie verließ die Residenz und stolzierte die große Treppe des Anwesens hinab auf, vorbei an den Gardistinnen und zurück auf die gepflasterte Straße. Ihren Kameradinnen gab sie einen nur geringen Anteil der Belohnung ab. Mit den Worten „mehr war Honos nicht wert“ teilte sie jeder Jägerin drei Goldmünzen aus und ergänzte großzügig: „Nehmt die drei übrigen Sklaven. Mir bleiben als Anführerin ja fünf Goldmünzen. Da sollt ihr den Rest noch unter euch aufteilen dürfen.“

Damit verabschiedete sie sich samt ihrer angeblichen Großzügigkeit pfeilgeschwind. Unter ihrer Lederweste fühlte sich der Filzbeutel mit den 15 Goldmünzen, die ihr geblieben waren schwer und gut an. Zur Feier des Tages würde sie ein Lusthaus aufsuchen und sich von einem Sklaven verwöhnen lassen. Von Kopf bis Fuß…

146. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von AlfvM am 30.05.21 11:44

Klasse weiter so GLG ALF
147. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von sheeeep am 30.05.21 15:21

Ich schließe mich meinem Vorredner in jeder Weise an! Tolle Fortsetzung!
148. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 03.06.21 12:04

Danke für die Feedbacks!

Hier kommt die Fortsetzung:

Die anderen Söldnerinnen ahnten nichts davon, dass sie betrogen worden waren und waren mit den drei Goldmünzen recht zufrieden. Für die drei anderen Sklaven würde es zusammen nicht einmal einen Bruchteil dessen geben. Was konnte man für drei Goldmünzen alles erwerben?! Einen neuen Waffenrock, eine gute Klinge, feine Mahlzeiten in Tavernen und reichlich Wein, um sie hinunterzuspülen. Doch als erstes zog es sie in ein Lusthaus, um dem Fleische zu frönen. Nur eine einzige der Frauen bestand darauf, die Sklaven vorher auf einem Markt zu verhökern, um das Geschäft abzuschließen. Die Kameradinnen wollten sich nicht damit aufhalten und schenkten ihrer Waffenschwester kurzerhand die drei minderwertigen Subjekte.

Also zog die Söldnerin alleine mit ihnen los. Nur zwei Gassen weiter bemerkte sie schon eine kleine Bühne, auf der Dutzende Sklaven eng aneinandergereiht in Ketten standen und verschachert wurden. Die Sklavenhändlerinnen hatten es in dieser Zeit nicht einfach. Die Preise waren so tief wie der Westozean und entsprechend war die Gewinnspanne so niedrig, dass sich das Geschäft kaum noch lohnte.

Die Befürchtungen der Jägerin wurden wahr: Die Händlerin wollte die drei Sklaven nicht kaufen – höchstens beinahe geschenkt nehmen. Hinzu kam, dass die kläglichen Exemplare keine erzogenen Leibeigenen waren, in denen ein tiefer Gehorsam innewohnte und die Kommandos und bedingungslose Loyalität gelernt hatten. Sie würden bei der nächsten Gelegenheit weglaufen oder gar die Hand gegen ihre Gebieterin erheben. Das vergällte ihr die Freude an ihrem neuen Hab und Gut vollends.

„Vielleicht sollte ich sie einfach irgendwo anbinden und vergessen“, seufzte die Söldnerin, „und mich einer neuen gerüsteten Truppe anschließen, um den Troll doch noch zu finden“. Sie blickte ihr Trio vorwurfsvoll an, als habe es die Schuld an seiner Wertlosigkeit. Drei fette Schweine wären ihr lieber gewesen. Oder nur drei Hühner. Frustriert rieb sie sich über den Paspel ihres Wamses. Kein Wunder, dass ihre Kameradinnen ihr dieses Präsent gemacht hatten. Das Trio war nichtsnutzig.

In den Tiefen unter einer Trutzburg waren schwere Schritte von derben Stiefeln und das Klirren von Ketten zu hören. Honos wurde mit kurzen, schweren Fußketten in einen dreckigen, dunklen Kerkerraum gestoßen. Anschließend kamen die zwei Wächterinnen, die ihn hinab gebracht hatten, zu ihm und steckten seine Handgelenke in ein Eisenbrett, das über seinem Kopf an dem groben Mauerwerk eingesetzt war. Wenigstens war das Prangereisen so nah am Boden angebracht, dass er dabei sitzen konnte.

Als die Uniformierten den Kerker verließen, konnte Honos im Schummerlicht Umrisse von zwei vorgebeugten Gestalten sehen. Er hatte offenbar zwei Mitgefangene. Die Gefangenen kamen langsam näher. Sie sahen aus, als würden sie schon lange in diesem Kerker vegetieren. Ihre Kleider waren nur noch schmutzige Fetzen, die ihre dreckigen Leiber kaum bedeckten. Ihr Schopf fiel tief hinab und ein langer krauser Bart zierte die Brust der Männer.

Honos fragte: „Wer seid ihr? Ich heiße Honos. Ich… He da!“ Die Kerle zerrten an seiner Kleidung und rissen sie ihm vom Körper. „Was soll das? Finger weg! Das sind meine Sachen!“ Doch die Männer zogen, zerrten und rissen an dem Stoff, bis jeder von ihnen seinen Teil hatte und sich die Leinenstücke um den Körper wickelte oder knotete. Honos dagegen saß nun splitternackt in seiner Fesselung, die Arme noch über dem Kopf in Prangereisen gefangen. Fassungslos blickte er zu den dreisten Plünderern.

Lange Zeit später öffnete sich ein Schlitz in der Eisentür: Eine Wärterin schob drei Holzschalen mit Haferschleim hinein und dazu einen verbeulten Kübel mit abgestandenem Wasser. Die Männer fielen über das Essen her, wie hungrige Tiere. Honos hatte kein großes Verlangen nach dem unappetitlichen Brei, doch so langsam knurrte ihm der Magen vor Hunger. „He, da, seid so frei“, rief er den Mitgefangenen zu. „Bringet ihr mir meine Schüssel, bitte? Wie soll ich essen mit den Armen über dem Kopfe?“ Die Männer sahen kurz und gleichgültig auf, doch dann widmeten sie sich wieder ihren Näpfen. Einen Löffel hatten sie nicht zur Verfügung, daher mussten sie mit den Fingern den Brei in ihre Schlünde schaufeln.

Als ihre Schüsseln leer waren, teilten sie sich die dritte Portion. Honos sah hilflos zu. „Aber… Das ist doch meins…“ Die zwei Männer beachteten seine Einwände nicht und schaufelten Honos Anteil gierig in sich hinein. Hoffen und Harren machte eben so manchen zum Narren. Wenigstens hielten sie ihm den Kübel Wasser hin, der allerdings nur noch ein paar Schlucke enthielt, die er trinken konnte.

Einige dicke Steinmauern über dem Gefangenen wechselte ein Säckchen mit Goldmünzen die Besitzerin: Eine Wächterin nahm den kleinen Lederbeutel rasch aus jungen Händen entgegen. Aurora und Vesta blickten verstohlen um sich, dass sie niemand sah. Die gerüstete Frau winkte die beiden Edelfräuleins hinter sich her und schloss die knarrende, dicke Kerkertür auf. Eine lange Wendeltreppe mit ausgetretenen Stufen ging es hinab. Die Luft hier unten war unangenehm feucht und schwül. Die Uniformierte führte ihre zwei Gäste durch einen langen Gewölbekorridor, an dessen rohen, kahlen Wänden Fackeln leuchteten. Vesta und Aurora bekamen Beklemmungen in dieser trostlosen und engen, dunklen Umgebung.

Danach ging es durch eine Gittertür und einen weiteren Gang entlang. Links und rechts führten dicke Türen zu Verliesen. Es folgten einige Zellen mit Gitterwänden, die nur zum Teil bewohnt wurden. Vesta schrie schrill auf, als ein Gefangener aus der Dunkelheit hervor geschossen kam und ihr seine schmutzige Pranke entgegenstreckte: „Wasser, Herrin. Bitte habet Erbarmen mit einem armen, unbedeutenden Sünder…“ Ruckartig zog der Gefangene seine Hand zurück, als die Wächterin mit einer Rute danach schlug. „Kommt, weiter“, drängte sie die beiden Fräuleins und beschleunigte ihre Schritte, die in dem Gewölbe laut klackten. Aurora wäre gern noch verweilt, um den armen Tropf in seinem Kerker zu hänseln. Aber es gab wichtigeres zu tun.

Und endlich erreichten sie eine weitere dicke Tür, deren massige Eichenbohlen von außen mit schweren Eisennieten und Verschlägen verstärkt waren. Als die Tür aufschwang, winkte die Wächterin die beiden Damen hindurch. „Was immer ihr vorhabt, macht es flink, bevor meine Ablösung erscheint“, wies sie die jungen Frauen an. Vesta und Aurora schlüpften in die Zelle. Die Luft war furchtbar und beleidigte die verwöhnten Näschen der feinen Damen. Aber darüber verloren sie kein Wort. Sie sahen Amatio vor sich: Er lag in Ketten auf einem eisernen Dornenbett und stöhnte vor sich hin.

„Erkennst du uns?“, beugte sich Vesta über den Sklaven. „Wir kommen zu einem Anstandsbesuch.“ Amatio blickte sie nicht an. Seine Augen wirkten blind. Ob er es wirklich war, konnten die feinen Damen nicht sagen. Er trug einen schmutzigen Lendenschurz, sonst nichts. Aurora streckte ihre behandschuhten Finger aus und hob den dreckigen Stoff an, warf ihn nach oben auf Amatios Bauch und grinste böse. „Du wirst wohl kein Weib mehr beglücken!“ Vesta griff unter ihr langes, bauschiges Kleid und zog einen schmalen, langen Dolch aus einem rosenweißen Strumpfband. Sie richtete die Klinge auf Amatio und sprach kalt wie Eis: „Du bist schuld an unseren Keuschheitsgürteln. Dafür wirst du voll Harm dein Leben aushauchen!“

Theatralisch hob sie die Waffe, doch in diesem Moment öffnete sich hinter ihr die Tür und eine Stimme rief erbost: „Haltet ein!“ Vesta und Aurora drehten sich überrascht um: eine andere Wachfrau. Aurora zischte in einer Mischung aus unverhohlener Wut und Distinguiertheit: „Verschwindet! Wir sind noch nicht fertig!“ Doch die Uniformierte kam herein und schloss die Tür hinter sich. Dann zog sie ihr Schwert. „Ich habe genug gesehen und gehört. Ihr seid wahrlich Bestien. Ihr habt nichts als den Tod verdient!“

Die beiden Edeldamen sahen sich bestürzt an. „Ihr…. Gerra?“, japste Vesta nach Odem, als habe sie einen Tritt gegen die Rippen erhalten. Aurora wurde noch bleicher als ihr Antlitz sowieso schon war. Die Schmiedemeisterin! Sie lebte! Und sie war hier in der Metropole!? Gerra kam auf die beiden Fräuleins entschlossen zu. „Wenn ich Fama nicht töten kann, so soll wenigstens ihre verkommene Brut aus dieser Welt getilgt werden.“ Mit diesen Worten hob sie drohend ihre Klinge, bereits in Reichweite zu den verschreckten jungen Ladys, die in höchster Not zitterten wie Espenlaub. Ihre ganze Hybris war dahingeschmolzen wie Butter in einem Kupfertopf über dem Feuer.

Viele Meilen weiter westlich waren Helena und ihre Armee immer noch unschlüssig, wie sie die Festung der Megara stürmen könnten, in der sich die Tyrannin verbollwerkt hatte. Die Höhle war eine Sackgasse gewesen, doch Fama, die Siegreiche, drängte darauf, dass die alte Tyrannin endlich aus ihrem Bau zu holen sei. Die Sklavenhändlerin Ceres war längst zu einer maßgeblichen Beraterin geworden und in den Stand einer Duxa erhoben worden, was ihr sehr schmeichelte. Und gemeinsam mit der Statthalterin entwickelte sie bereits einen neuen perfiden Plan.

Sie musste erfahren, ob Abas die Wahrheit gesprochen hatte, oder ob es einen anderen Eingang zu dem Höhlensystem gab, der schließlich doch noch eine Verbindung zu Megaras Bastion fand. Aber dieses Mal nutzte sie nicht die Tortur sondern ging subtiler vor. Noch an diesem Tag erhielt der Königsgemahl einen Mitgefangenen. Erst, als der neue Zellenbewohner seine Filzkapuze lüftete, erkannte Abas überrascht: „Ein Weib? Wer seid Ihr? Warum hat man Euch zu mir gesteckt?“ Die Mitgefangene war schmutzig, als habe sie sich durch einen Kohlenkeller gerollt, doch wunderschön waren ihre Züge. „Ich heiße Ceres. Ich war Gardistin unter Königin Leda. Man hat mich im Westen gefangen genommen. Ich soll in diesem Kerker verrotten, weil ich weder Megara noch Fama die Treue schwören will.“

Abas war bass erstaunt. Eine Gefolgsgenossin? „Wisst Ihr etwas über Ledas Schicksal? Gibt es noch mehr Freie, die das Schreckensregime nicht anerkennen?“ Abas überhäufte Ceres mit Fragen und erkannte dann, dass er sie für eine Antwort auch zu Wort kommen lassen musste. Gebannt hing er ihr an den Lippen. Er war so von ihrer Erzählung verzaubert, dass ihm erst nach einer Weile auffiel, dass er nackt vor ihr stand – eingeschlossen in ein grausames Eisenbrett, das ihn in unnatürliche Haltung zwang. Doch in diesem Moment spürte er nur heiße Scham, ungeschützt vor den Augen des Weibes.

Doch Ceres schien seine Nacktheit gar nicht wahrzunehmen oder eine Bemerkung wert zu sein. Stattdessen holte sie ein Stück altes, trockenes Brot aus ihrem schmutzigen Rock hervor und reichte es dem hungrigen Abas. Seit die Soldatinnen in der Höhle nicht weiter hatten vordringen können, war Helenas Großzügigkeit dem Königsgemahl gegenüber wie weggeblasen gewesen. Wieder hungrig nahm er die Gabe der Samariterin gerne an und kaute auf der harten Rinde. Auch Wasser reichte Ceres ihm. In einer verbeulten Schale war genügend vorhanden.

Gegen Abend brachten die Wärterinnen dann sogar eine Mahlzeit, die für Kerkerhäftlinge recht annehmbar war und neben einer faden Suppe sogar Fleischreste enthielt. „Sagt mir, Abas. Wenn sich genügend Rebellen zusammenfinden… Können wir auch die Bastei der Megara stürmen? Gibt es eine Schwachstelle in den Mauern?“ Auf diese Frage hatte sie lange Zeit hingearbeitet, hatte von hehren Rebellen schwadroniert, die sich heimlich formierten und eine Revolte starten wollten, Fama und Megara und alle bösen Weiber entmachten würden.

Und hiernach führte Ceres sogar noch ein gestelztes Schauspiel auf, als die Wärterin plötzlich erschien und sie aus der Zelle schleifte und drohte: „Unsere Kampfsklaven rufen nach einem Weib. Und du bist die Auserwählte! Hoch mit dir in den Wonnegarten!“ Verächtlich lachend schubste die Uniformierte die Gefangene hinaus. Als die schwere Tür ins Schloss fiel, hörte Abas ihre verzweifelten Rufe und Laute, als werde sie geschlagen und den Gang entlang getrieben wie ein Schlachtvieh.

Doch das Schmierentheater war nur zu dem Zwecke aufgeführt, Abas Vertrauen zu gewinnen. Mit blauen Flecken und zerrissenem Rock und Hemd erschien Ceres eine Stunde später wieder, wurde grob in die Zelle geworfen und unter höhnischem Gespött zurückgelassen. Abas hätte sich nichts mehr gewünscht, als Ceres in die Arme nehmen und trösten zu können, doch in seiner Fesselung war dies nicht möglich. „Oh, Ceres, was haben dir diese Tiere nur angetan?“, erkundete er barmherzig.

Und dann staunte er, dass ihm der Mund offen stehen blieb, als Ceres sich kraftlos auf die Beine hob und mit zitternder Hand einen Schlüssel hochhob, dass Abas ihn sehen konnte. „Ich schließe dich jetzt aus dem Eisenbrett frei.“ Abas ließ es starr geschehen. Zum einen, weil seine Gelenke steif geworden waren, zum anderen weil er immer noch kaum glauben konnte, was da geschah. Woher hatte Ceres den Schlüssel? Und im nächsten Moment kam ihm der furchtbare Gedanke. „Oh, Ceres! Was musstest du dafür tun? Was hast du erlitten? Nur, um mir Linderung zu beschaffen?“

Ceres machte einen Knicks und verkündete wohldienerisch: „Majestät. Ihr seit für mich immer noch der Gemahl der Königin! Ich tat nur Recht und scheute keinen Feind, doch - so verzeiht - wird es der Preis dafür niemals über meine Zunge schaffen.“ Abas stöhnte, als er seine Glieder bewegte. Blitzartige Schmerzwellen durchschossen seinen Körper. Trotzdem nahm er Ceres in die Arme und bedankte sich unter Tränen bei ihr. Er fühlte sich in ihrer Schuld und würde dieses Opfer nimmer vergessen.

Spät in der Nacht drückten sich die beiden Gefangenen eng aneinander, um der Kälte des Gemäuers einigermaßen entgegenzuwirken, das sich bei Sonnenuntergang einstellte. Abas flüsterte: „Es gibt noch eine Besonderheit in der Außenmauer, die kaum jemand kennt. Vermutlich weiß selbst Megara selbst davon nichts.“ Ceres horchte auf. Sie versuchte nicht zu aufgeregt zu klingen, doch musste sie sofort fragen: „Was für eine Besonderheit?“

Abas erwiderte: „An einer Stelle sind vier Blöcke nur Blenden. Hinter den dünnen Platten besteht die Mauer nur aus einem Holzgerüst. Auf der Innenseite ist dies ebenfalls so. Es ist eine Art Notausgang, der von König Talos III. eingebaut worden ist, noch vor seiner Hochzeit mit Megara. Wozu er diente, das weiß ich nicht, aber er könnte die Achillesferse der Festung sein.“ Ceres Herz schlug ihr bis zum Hals. Sie hatte den Einfaltspinsel da, wo sie ihn haben wollte. Sie versuchte ruhig zu wirken, obwohl es in ihr brodelte. „Wo ist die Stelle?“ Ihre Stimme war ein wenig höher und lauter als sonst. Abas sah sie verwundert an. „Warum musst du das wissen? Die Erkenntnis wird diese Kerkermauern wohl niemals verlassen. Ich glaube nicht an einen Sieg der Rebellen.“

Verzweifelt seufzte Abas vor sich hin. Er war hoffnungslos und grämte sich. Auch Ceres seufzte. Doch aus einem anderen Grund. Am liebsten hätte sie Abas gerüttelt und geschüttelt, damit er die Stelle endlich nannte, aber sie musste sich mit dieser kargen Auskunft für heute zufrieden geben, wenn sie nicht verdächtig werden wollte. Sie kuschelte sich noch enger an den Königsgemahl und fühlte seine Männlichkeit. „Wenn ich es so nicht aus ihm herausbekomme, dann vielleicht mit den Waffen eines Weibes…“, überlegte sie und griff hinter ihren Rücken. Sie spürte, wie Abas Luststab in ihrer Hand wuchs und strich sanft darüber.

So ging es eine Weile. Sie fühlte, wie seine Lust sich Bahn verschaffen wollte, doch verweigerte sie ihm die Entladung und zog ihre Hand zurück, bevor Abas seinen Samen vergießen konnte. Aufstöhnend schlossen sich seine Arme enger und fester um den zierlichen Leib des Weibes, doch wagte er nicht, seine Erfüllung mit Worten einzufordern. Ceres hatte heute schon genug grobe Mannsbilder erdulden müssen.



149. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 06.06.21 13:13


Im Machtzentrum des Reiches, der Metropole, herrschte im Palast der Fama große Aufregung. Die Regentin eilte die Stufen in den Kerker hinab, um persönlich nachzuschauen, was dort geschehen war. Die Wächterin, die völlig aufgelöst und kurzatmig erschienen war, hatte etwas von Vesta und Aurora erzählt, die leblos in einer leeren Zelle gefunden worden seien. Und der Gefangene Amatio sei geflohen.

„Wie konnte das geschehen?“, brauste die Herrscherin auf und raffte ihr prunkvolles Kleid hoch, um nicht darüber zu stolpern. Die Gardistinnen, die polternd hinter ihr hereilten, konnten kaum Schritt halten. Fama, die Siegreiche, hetzte die ausgetretenden Stufen hinab in das feuchtkalte Gewölbe und ließ sich zu der Zelle des Amatio führen. Eine Heilerin, die mehrere geheimnisvolle Amulette um den Hals trug, kümmerte sich bereits um ihre Töchter. „Sprich! Was ist geschehen?“, wollte Fama wissen.

Eine Wächterin mit einem braunen Filzumhang tauchte auf und meldete salutierend: „Große Königin, es gab eine Verräterin in unseren Reihen. Zwei Wachfrauen sind niedergestochen worden und…“ Sie wurde von einer Gardistin unterbrochen, die keuchend auftauchte und klappernd die mit Metall beschlagenen Stiefel zusammenschlug: „Majestät! Wir haben die Flüchtigen gestellt. Gerra, die ehemalige Zunftmeisterin der Schmiede, hatte sich verkleidet als Wächterin eingeschmuggelt, wohl um ihren Liebsten…“ Sie unterbrach mitten im Satz und erglühte, als sie Famas Gesichtsausdruck bemerkte. „Ich meine, Euren untreuen Lustsklaven zu befreien.“

Fama sog zischend Luft durch die Nase ein. „Bringt dieses faulige Gewürm zu mir! Ich werde ihnen beiden die Haut…“ Die Gardistin verbeugte sich. „Verzeiht, Majestät. Doch die Bogenschützinnen haben ihre Leiber auf der Flucht durchsiebt.“ Fama schnaubte erbost. Gerra und Amatio hatten sich ihrer Bestrafung entzogen! In ihrer Hybris war das für sie reinste Blasphemie! Wie hatten sie es wagen können zu sterben? Schließlich fiel ihr Blick auf ihre Töchter, die am Boden lagen. Die Heilerin hatte bei Vesta zahlreiche Schröpfgläser angebracht während Aurora mit ausgestreckten Armen einen Aderlass über sich ergehen lassen musste.

„Was fehlt meinen Töchtern?“, fragte Fama. Die Heilerin tat kund: „Sie sind von Gerra niedergeschlagen worden. Ihr Geist ist verwirrt. Sie waren kurz bei Besinnung, doch sprachen sie nur Unfug. Dann fielen sie wieder in tiefen Schlaf.“ Die Frau rührte einen grünlich-braunen Schleim zusammen, den die beiden Damen wohl schlucken sollten, wenn sie wach würden. „Schafft sie nach oben in ihre Gemächer“, befahl Königin Fama und rümpfte die Nase. Stammte der Gestank von dem Sud oder dem Gemäuer? Sie wollte nur noch raus aus dieser gossenhaften Umgebung. Sie fühlte sich, als habe sie im übelsten Pfuhl gebadet.

Als die Regentin den Kerker verlassen und tief Luft geholt hatte, holte die Heilerin eine Tonschatulle hervor und öffnete sie: Zwei Wärterinnen drehten sich angewidert weg. So viele Blutegel auf einmal hatten sie noch nie gesehen. Als vier Sklaven mit Tragen kamen, um die beiden Edelfräuleins in ihre Gemächer zu bringen, ahnten sie nicht, wie verunstaltet Vesta und Aurora unter ihren Laken waren. Die Heilerin hatte sie entkleidet und die Egel auf ihren weißen Leibern verteilt.

Eine Gardistin ahnte, was sich hier abgespielt hatte: Vesta und Aurora hatten die Heilerin in der Vergangenheit zahllose Male mit unnützen Fragen für ihre Flausen ermüdet: Welche Medizin kann einem Sklaven welche Beschwerden verursachen? Welche Wirkung hat dies? Was ist jenes? Was geschieht, wenn man einem Sklaven von diesem Sud verabreicht? Oder es ihm in größeren Mengen einflößt? Oder es in seinen Arsch spült? Was brennt auf einem frisch gestriemten Arsch am schönsten?

Die Heilerin durfte die störenden Fräuleins nicht davonjagen, schließlich waren sie die Töchter der Statthalterin gewesen – und nun sogar Prinzessinnen. Aber solange sie besinnungslos waren, würde sie mit Freude an ihnen experimentieren und sich so ihre Genugtuung holen.

Bevor Fama in den prächtigen Thronsaal zurückkehrte, besuchte sie Honos in seiner Zelle in einem anderen Trakt des Kellergewölbes. Vier Wärterinnen banden zuvor die beiden Mitgefangenen fest und stülpten schwarze Hauben über ihre Köpfe. Die Augen der Königin durften nicht von den dummen Gesichtern der Männer beleidigt werden. Und ihren Anblick hatten sie in keiner Weise verdient. Fama näherte sich Honos und grinste ihn an. „Wie gefällt euch euer neues wohlfeiles Heim?“ Honos erwiderte schwächlich: „Habt Erbarmen mit mir. Ich habe Leda längst die Treue abgeschworen. Ich habe im Exil rebelliert und gehöre nicht zu ihr. Ihr habt keinen Vorteil durch mich.“

Fama hob ihre fein gezupften Augenbrauen: „So! Dann seit ihr also nichts wert?“ Sie winkte eine Wärterin herbei. „Bringt mir diesen Kopf heute Abend auf einem silbernen Tablett.“ Damit drehte sie sich um und verließ die Zelle,ohne ihren Gefangenen noch einmal zu mustern. Honos rief ihr verzweifelt hinterher: „Majestät! Haltet ein! Ich könnte Euch vielleicht den Aufenthaltsort der Leda benennen.“ Seine Stimme war schrill und voll Panik. Die Königin erschien erneut. „Hast du etwas gesagt?“

Honos wiederholte: „Ich weiß, wo sich Leda aufhält. Ich habe sie in einem Hafen der Westküste erblickt.“ Fama überlegte. Versuchte der Majordomus mit einer dreisten Lügengeschichte seinen Hals zu retten? Oder wusste er wirklich etwas? Leda! Sie war aus dem Exil zurück? Dieses Weib lebte noch und wagte es sogar ins „Reich der Fama“ zurückzukehren? Sie wies die Wärterin an: „Lasst ihn am Leben.“ Honos atmete auf. Dann ergänzte Fama: „Aber ich muss wissen, ob dieser Nichtsnutz die Wahrheit spricht. Bringt ihn später zur Befragerin!“ Honos ächzte. Befragerin? Er sollte gemartert werden! Nur das konnte dies bedeuten!

Als seine Mitgefangenen wieder von ihren Hauben und den Ketten befreit wurden und die Wachfrauen die Zelle verlassen hatten, erzählten die Männer Honos von den grausigen Befragungsmethoden, die sie selbst zwar noch nicht erlebt, aber von denen frühere Mitgefangene berichtet hatten. Dem Majordomus wurde speiübel. Er schlotterte am ganzen Leib und wäre zusammengesunken, wenn er nicht in das Eisenbrett gezwungen gewesen wäre. „Hört auf mit diesen Schauergeschichten!“, forderte er. Am liebsten hätte er sich die Ohren zugehalten, aber die Fesselung ließ dies nicht zu. Die Männer setzten ihre Erzählungen rücksichtslos fort und wussten auch von Amatios Schicksal und schmückten es so blumig wie möglich aus. „Wir haben seine animalischen Schreie gehört. Und das Gelächter der Frauen“, flüsterte der eine Mann. Der andere griff Honos ans Gemächt und zog es lang. „Und dann…“

Die Tür wurde erneut geöffnet und zwei Wärterinnen peitschten die Männer zur Seite, befreiten Honos aus seinem Eisenpranger und legten ihm neue Ketten an, mit denen er nur kleine Trippelschritte machen konnte. Seine Hände waren immer noch an ein Halseisen gebunden. „Sieh da, du bist schon fasernackt“, lachte eine der Uniformierten und versetzte Honos einen kräftigen Hieb über seine Hinterbacken. „Du kannst die Befragerin wohl kaum erwarten!“ Die Frauen lachten höhnisch und zerrten Honos aus der Zelle.

Einer der Männer rief ihnen hinterher: „Wann bekomme ich meine Freiheit wieder? Ich habe doch nur ein Stück Leder gestohlen weil meine Schuhe…“ „Schweige!“, gab eine der Wächterinnen zurück. „Du bleibst solange in deinem Loch, bis ich etwas anderes sage. Und das wird in diesem Leben nicht mehr geschehen!“ Sie knallte die schwere Tür zu.

Honos wurde in einen kahlen Gewölberaum gebracht, wo er von den Gerüsteten strauchelnd zu einer Steinsäule gestoßen wurde, vor der eine kleine Treppe aus Holz stand: „Hoch mit dir! Setz dich auf die Säule!“ Honos gehorchte und nahm auf dem etwa zwei Handbreit großen Sitz Platz. Die Wachfrauen entfernten die Treppe aus Holz, so dass Honos Füße in etwa einer Elle Höhe in der Luft hingen. Bequem war es hier nicht gerade. Eine Gestalt, komplett in ein schwarzes Gewand gekleidet, erschien: Die Befragerin.

Sie trug eine nachtschwarze Kapuze, die ihr Gesicht im Schatten hielt. Über den Leib hatte sie eine ebenso schwarze Pelerine gezogen. Sie kam näher und drückte Honos Schenkel auseinander. „Nein“, bettelte der Majordomus zitternd. Sollte es ihn schon sofort die Männlichkeit kosten? Doch die Befragerin griff nach einem eisernen Bügel, der an der Steinsäule befestigt war und zog nun Honos Gemächt lang, schob den Bügel hinüber und verschloss ihn. Honos sah entsetzt zwischen seine Beine. Was für eine perfide Fessel! So etwas konnte sich nur ein diabolisches Weib ausdenken! „Damit du nicht hinunterfällst“, erklärte sie nüchtern. „Morgen sehen wir uns wieder. Dann wirst du mir von Leda berichten.“ Mit diesen Worten schritt sie aus dem Raum. Bald schon verhallten ihre Stiefelschritte im Flur vor der Zelle.

Schon nach weniger als einer Stunde wurde die Säule ausgesprochen hart und klein. Honos konnte sich noch nicht einmal mit den Händen abstützen, denn die waren noch in den Eisenschellen an seinem Halsband angebracht. Die Füße taumelten hilf- und nutzlos in der Luft. Der Majordomus sah sich angestrengt in dem Raum um. Außer der Säule und der Holztreppe, die unerreichbar in eine Ecke geschoben worden war, gab es hier nichts zu entdecken. Das würde eine lange Nacht werden.

Am nächsten Morgen wachte Abas im Kerker unter der Residenz der Helena in der Alten Hauptstadt im Westen des Kontinents auf. Wie schön wären ein paar wärmende Sonnenstrahlen in seinem Gesicht gewesen, die ihn wach geküsst hätten, aber darauf musste er in diesem dunklen Kerker wohl verzichten. Doch er spürte die Wärme von Ceres, die eng an ihn geschlungen die Nacht verbracht hatte.

Sofort durchfloss Abas wieder Lust. Sein Stab war hart. Vielleicht war er deshalb aufgewacht. Was sollte er nur tun? In Gegenwart eines Weibes würde er sich nicht seiner Hände behelfen können. Und als hätte diese wunderbare Person die gleichen Gedanken, drehte sich Ceres zu ihm, küsste ihn und erforschte mit ihren Fingern Abas Leib und fand schon bald das scharfe Schwert. Wieder erglühten Abas Wangen. Die Nacktheit vor dem bekleideten Weib war erniedrigend. In diesem Moment kicherte sie verschämt. „Wo sind denn eigentlich deine Kleider?“

Abas pulsierte das Blut, und sein Kopf bis hinunter in den Nacken wurde puterrot. Er hätte Ceres Fingerchen verlegen von seinem Gemächt gedrückt, doch war seine Begierde so endlos groß, dass er nur noch in sie eintauchen wollte. Ceres beugte sich nun vor und küsste seine Männlichkeit. Abas stöhnte wohlig auf. Oh, hoffentlich war das nicht nur ein Traum und böser Streich der Alten Götter! Liebe Götter! Lasst es Wahrheit sein!

Und von Augenblick zu Augenblick war Abas klarer, dass dies kein Schabernack seiner Sinne, sondern die ganze Wahrheit war! Er zuckte vergnügt und lustvoll, als Ceres ihre Lippen öffnete, um seinen Dolch zu empfangen. Ihre kleinen Finger ergriffen und liebkosten sein volles Gemächt. Abas atmete flach und schnell, seine Muskeln verkrampften. Er gab Laute von sich, die er noch gar nicht gekannt hatte. Und dann war der Zeitpunkt gekommen, an dem er seinen Samen vergießen wollte.

Die Berührungen hörten abrupt auf. Ceres verweigerte ihm jegliche weitere Liebkosung. „Liebster, willst du in mich tauchen?“, hauchte sie. Abas nickte wild und wollte sich mit pochendem Schwert auf sie stürzen, doch Ceres knöpfte und band grausam langsam ihre Stoffe auf. Der ungeduldige Abas wurde fast verrückt vor Geilheit. „Nimm mich, mein Ritter“, flüsterte sie und legte sich auf den Rücken. Als ihre Schenkel endlich unbedeckt waren, öffnete Ceres ihre Beine und zog Abas, ihre Hände in seinen Nacken gehakt, zu sich, über sie, auf sie, in sie.

Abas stöhnte wild auf, als sein Schwert in ihrer feuchten Weiblichkeit versank wie eine heiße Klinge in Butter. Zwei Stöße reichten aus, um seinen Samen zu entladen. Abas klammerte sich an Ceres fest. Dieses wunderbare, weiche und warme Weib! Er knabberte an ihren unverhüllten Brüsten, deren Warzen sich keck aufgerichtet hatten. Ceres war gegen ihren Willen selbst stark erregt und rieb ihre Finger nun an ihrer Scham und genoss die Berührungen des Königsgemahls, der an ihren Brüsten, ihrem Nacken und ihren Ohrläppchen knabberte.

Bald schrie sie heiser vor Ekstase. Dieser Abas wäre ein hervorragender Lustsklave, dachte Ceres, als durch ihren Leib Wellen der Lust und des Vergnügens schwemmten.
Sobald sie aus diesem stinkenden Loch raus war, würde sie von ihrem Liebessklaven Aphron von den sinnlichen Künsten des Abas erzählen und sie von ihm einfordern! Aber nun musste sie sich wieder auf ihre Mission konzentrieren. Bald würde sie Abas so weit haben, dass er aus dem Nähkästchen plaudern würde. Vielleicht verliebte er sich gar in sie. Er wäre nicht das erste Mannsbild! Und hoffentlich bald, dachte sie bei sich, denn sie wollte wieder aus diesen dreckigen Fetzen und diesem feuchten Gemäuer entkommen.

Wenigstens würde sie jeden Tag für ein paar Stunden dieser Unterwelt den Rücken kehren können. Sie hatte mit den Wachfrauen ausgemacht, dass sie täglich für „Verhöre“ weggebracht würde. In dieser Zeit genoss Ceres ein frisches Bad, duftende Kleider und ein leckeres Essen sowie einen weichen Diwan, um ihre Glieder zu strecken. Allerdings nur, um wenige Stunden später mutwillig wieder Schutz und Dreck an ihren Leib zu wischen und die stinkenden Fetzen anzuziehen, die ihr bereits verhasst waren wie nichts zuvor in ihrem Leben.

Was sie nicht alles für die Statthalterin Helena tat! Sie sah schon die Kisten voll Geschmeide und Goldmünzen, Perlen und Bernstein, die sie eingedenk der entscheidenden Information erhalten sollte. Bald würde Abas sein Schweigen brechen. Dann war es endlich aus mit der Scharade.

Honos war trotz seines schmerzenden Arsches mehrfach kurz eingenickt, aber jedes Mal, wenn sein Kopf auf seine Brust hinab gefallen war, sofort wieder aufgeschreckt, hatte wild mit den Unterschenkeln versucht sich an der Säule festzuklemmen, und den Oberkörper wieder in die Senkrechte zu bekommen, um nicht mit seinem gesamten Gewicht an seinem Gemächt aufgehängt zu werden. Endlich hörte er die schwere Tür: Eine Wächterin mit unergründlichen, großen, grünen Augen sah hinein und ein Schmunzeln stahl sich auf ihre Lippen. „Na? Wohlfein geschlafen, der Herr?“ Honos konnte kaum erwarten, die Befragerin endlich zu sehen und ihr alles zu erzählen, so dass er endlich sein geschundenes Sitzfleisch von diesem harten Stein heben konnte. Doch zu seinem Schrecken musste er hören, wie die Wächterin ihm mitteilte: „Die Befragerin sitzt noch zu Tisch. Es wird ein Weilchen später werden. Doch bis die Sonne im Zenit steht wird sie gewiss erscheinen.“

Damit war die Wächterin auch schon wieder verschwunden. Honos glaubte seinen Ohren nicht und seufzte laut auf. Wer holte ihn endlich von diesem Marterpfahl? „Sie soll sich beeilen!“, rief er der Uniformierten ungeduldig hinterher. Im gleichen Atemzug bedauerte er sein vorlautes Maul. Die Wächterin grinste im Flur nur und murmelte: „Ich glaube nicht, dass er sich wünscht, dass die Befragerin sich beeilt.“

Die Andeutungen der Wächterin sollte sich bewahrheiten, denn kaum war die Befragerin in ihrer schwarzen Gewandung mit der Kapuze erschienen, gab sie einem mit Muskeln bepackten großen Sklaven einen Wink, worauf dieser gehorsam an einer Kette zog, die durch eine Öse in der Wand verschwand. Durch einen Mechanismus hob sich der Steinboden in einem Durchmesser von vielleicht vier Ellen um die Säule herum mit kreischenden Geräuschen nach oben. Kurz darauf ertasteten Honos nackte Fußsohlen endlich Boden und entlasteten seinen Hintern. Aufstehen konnte er zwar wegen des Eisenbügels um sein Gemächt nicht, doch die Entlastung tat unendlich gut.

Im ersten Moment schmerzte es sogar noch mehr wegen der ungewohnten Bewegung nach einer ganzen Nacht in gleicher Position, aber dann genoss Honos den Druck auf den Füßen. Die Alten Götter hatten seine Gebete erhört! Er wollte sich in seinem ganzen Leben nie wieder freiwillig hinsetzen! Die Befragerin forderte ihn auf, alles zu berichten, was er über Leda wisse. Und Honos folgte ihrer Aufforderung. Als er ihr den Ort des Fischerhafens genannt und auch von einigen ihrer Begleiter erzählt hatte, hoffte er darauf, nun von dieser grausamen Steinsäule befreit zu werden. Doch auf einen Wink der Befragerin erschienen zwei andere Sklaven, die eine Eisenwanne mit glühenden Kohlen trugen und diese auf der erhöhten runden Plattform um die Säule ausschütteten.

Schlagartig zog Honos seine Knie weit nach oben. Wieder dieser grausame Druck auf seinem Arsch! Er machte ein schmerzverzerrtes Gesicht. Jetzt war alles noch schlimmer als heute Morgen. Die Befragerin sah gefühllos und kalt wie ein Reptil zu und verkündete: „Heute Mittag wirst du mir erneut berichten, worüber du im Bilde bist. Wisse: Ich habe noch jede Zunge gelockert.“ Mit diesen dicktuerischen Worten verließ sie den Raum, und die Sklaven folgten ihr.

Honos sah ihnen ungläubig hinterher. Dann stierte er auf die Kohlen. Er versuchte die Oberschenkel abzusenken, doch dann würde er die Füße in die Glut stellen müssen. Irgendwie verrenkte er sich so, dass er die Knie zwar absenken, aber dann die Unterschenkel anwinkeln musste. Nach kurzer Zeit bekam er einen Krampf und drehte die Beine wieder nach vorne und zog die Knie an. Bald schon brannten die Muskeln seines Oberschenkels vor Erschöpfung. Das Brennen wurde immer heißer, dann begannen die Beine auch noch unkontrolliert zu zittern. Endlich näherten sich seine Füße der Glut. Schlimmer konnte die Hitze auch nicht sein… Doch! Mit einem hellen Schrei zuckte er beflügelt vom Schmerz wieder hoch. Die kurze Berührung hatte ihn eines Besseren gelehrt.

150. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 13.06.21 13:43


Nach gefühlt ewiger Zeit sackten die zitternden Beine wieder tiefer und tiefer. Honos starrte panisch auf seine Füße. Sie sanken gegen seinen Willen. Seine Kräfte waren einfach aufgezehrt. Als seine Sohlen die Kohlen erreichten, zuckte er doch wieder hoch. Jählings hörte er hinter sich prustendes und glucksendes Gelächter. Er drehte sich, soweit es ging und sah zwei Wachfrauen, die sich in den Raum wohl hineingeschlichen haben mussten. „Heiß, die Kohle?“, gackerte die eine Frau. „Bitte schiebt sie weg oder löscht sie aus. Ich kann meine Beine nicht mehr halten“, flehte Honos. Und sein Unterkörper zitterte und bebte in der Tat unkontrolliert, so dass er hin und wieder ungewollt erneut die glühenden Stücke berührte.

Doch die Wachfrauen lachten stattdessen nur schadenfroh und grinsten ihn an. „Was haben wir denn da?“, wollte die eine Uniformierte wissen und zeigte mit ihrem Peitschengriff auf Honos Schritt. Dann ließ sie ihn mit einem ploppenden Laut wie einen Knüppel auf die gefangenen Kronjuwelen niedersausen. Der Majordomus grunzte gepeinigt auf. „Wenn ich dir deine Klöten abschlage, kannst du aufstehen und bist frei“, schlug die Wächterin vergnügt vor. Die andere hieb Honos beherzt auf die Schultern, so dass er fast das Gleichgewicht verloren hätte.

„Schau dir dieses Schweinchen an!“, zeigte ihre Kameradin auf Honos Schritt. Über dem Eisenbügel stand wie eine Standartenlanze sein Liebesschwert, hart und steif in die Höhe. „Es scheint ihm sogar zu gefallen“, grinste sie und tippte den Luststab mit dem Peitschengriff an, so dass er lebendig wurde und zuckte und hoch und runter wippte. Honos wurde rot vor Scham. Er wäre am liebsten im Erdboden versunken. Aber er saß wie auf einem Präsentierteller.

„Macht dem ein Ende! Raus hier!“, schallte es jäh streng durch den Raum. Die Befragerin war erschienen. Die Wächterinnen machten eiligst, dass sie wegkamen. Ihre Anwesenheit war ihnen vermutlich gar nicht erlaubt gewesen. Im Flur wisperte die Wachfrau ihrer Kameradin pikiert zu: „Wir haben doch gar nichts gemacht!“ „Ja“, bestätigte diese blasiert, „der Malefikant soll doch froh sein, dass wir nicht das Dornenkissen unter seinen Arsch gelegt haben“.

Die Befragerin widmete sich in aller Ruhe ihrem Delinquenten. „Erzähle mir, was du weißt. Wo befindet sich Leda? Wie ist sie dorthin gekommen? Wann war das?“ Honos ratterte schnabelschnell alles herunter, was er schon heute Morgen geschildert hatte. Die Ermittlerin ließ ihn noch zwei Mal alles wiederholen. Dann endlich zog ihr Hilfssklave wieder an der Kette. Dieses Mal bewegte sich das Steinrund wieder Richtung Boden. Endlich konnte Honos seine Beine hängen lassen. Trotzdem zitterten und zuckten sie noch willkürlich, als hätten sie ein Eigenleben.

Aus Honos Mund tropfte Speichel. Die Befragerin winkte den Sklaven herbei. Der Mann löste Honos aus dem Eisenbügel. Von ganz alleine sackte Honos entkräftet zur Seite und landete unsanft auf dem Steinboden neben der Säule. Die Untersucherin erläuterte: „Ich werde dich heute Abend erneut befragen. Dann werden dir meine Fragen mit Peitschenhieben ins Fleisch getrieben.“ Honos lag noch auf dem Boden. Er hatte keine Ahnung, wie er seine Glieder halten oder anwinkeln sollte. Egal, wie er sich bewegte, tat alles weh, als sei er aufs Rad gespannt gewesen und kein Knochen mehr heil. Wie lange sollte dieses Verhör noch weiter gehen? Er hatte doch alles erzählt!

Für Cain war der Weg aufs Feld, wo er jüngst arbeitete, stets ein Spießrutenlaufen. Seine Hörigkeit gegenüber Kerbera hatte sich herumgesprochen und sämtliche Mägde, Knechte und Burschen zogen ihn damit auf, sobald er nur in Sicht kam. Einmal hatte eine Magd ihre Bluse tiefer gezogen, ihre Brüste gezeigt und gerufen: „Komm doch her, wenn du Verlangen danach hast. Aber frage vorher Kerbera, ob sie es dir erlaubt!“ Um sie herum hatte ein halbes Dutzend Mägde laut gackernd gelacht. Verschämt war Cain ob der Spöttelei weitergeeilt. Ein anderes Mal hatten ihn der Stallbursche und seine Freunde aus den Nachbargehöften mit Mist beworfen und verhöhnt. Cain war weggelaufen, doch die Jünglinge hatten ihn eingeholt und seine Beinkleider zerrissen.

Cain war immer noch verwirrt über diese bizarre Erfahrung. Vier Jünglinge hatten ihn auf den Bauch gelegt und seine Beine gespreizt. Der Anführer der Bande hatte einen Rettich aus der Bauchtasche seines Wamses gezogen. Cains Gefühlswelt spielte verrückt. Dieser unglaublich erniedrigende und auch schmerzhafte Moment hatte ihm jedoch im nächsten Augenblick eine seltsame Art von Lust bereitet. Und als die Jünglinge lachend ihrer Wege gegangen waren, hatte Cain bemerkt, wie sein Samen aus ihm gelaufen war.

Jetzt hatte er den mutigen Entschluss gefasst, Kerbera zu verlassen und seiner Wege zu ziehen. Noch heute wollte er das Gehöft verlassen und zurück an die Westküste zu reisen, um als Fischer sein Glück zu versuchen. Als er in dieser dunklen Nacht seine wenigen Habseligkeiten in eine Lederrolle bündelte und ein wenig Proviant einpackte, beobachtete ihn Hagbard. Er sprach ihn darauf an, ob er verreisen wolle, und Cain stritt alles ab, doch wurden seine Ohren rot beim Lügen und er verstrickte sich schnell in Ungereimtheiten. Hagbard war nicht auf den Kopf gefallen. Er wusste gleich, wo der Hase lief. „Du willst uns verlassen? Ist es das?“

Cain brach der Angstschweiß aus. Würde Hagbard ihn nun verraten? Doch der Mann legte ihm kameradschaftlich eine Hand auf die Schulter und sagte mitfühlend: „Ich verstehe dich. Du musstest bei Kerbera viel erdulden. Das hält kein Mann lange aus. Geh nur. Ich werde niemandem davon erzählen. Die Edeldame muss nun ohne ihren Sklaven auskommen.“ Cain dankte Hagbard erleichtert und ging in den Stall, um ein Ross zu satteln. Er hatte die Falle, die Hagbard ihm gestellt hatte, gar nicht bemerkt. Hagbard grinste spitzbübisch und murmelte: „Leda hatte also Recht. Kerbera ist ein Adelsfräulein aus dem Frauenreich. Vielleicht sogar eine bedeutende Person. Und Cain ist ihr Sklave.“

Kurz darauf, Hagbard hackte gerade Holzscheite für den Ofen, denn das Feuer in der Küche der Bäuerin war am Abend ausgegangen, hörte er Pferdegetrappel. „Mach es gut, Cain“, sprach er zu sich selbst. Anschließend ging er zu Leda, um von den Neuigkeiten zu berichten. Leda nickte nachdenklich. „Damit ist es bewiesen. Sie ist enttarnt. Entlarvt. Aber warum ist eine Edeldame aus Megaras Kreisen freiwillig im Westen und arbeitet als einfache Magd?“ Sie runzelte die Stirn und dachte nach. Plötzlich kam ihr der Gedanke: „Das ist es! Sie ist eben nicht freiwillig hier. Sie ist fahnenflüchtig. Fragt sich nur, warum.“ „Weil ich Megara vom Thron stoßen wollte und mein Plan missglückt ist“, schrillte jäh eine vor Gift triefende Stimme hinter ihnen.

Hagbard und Leda wirbelten herum: Kerbera stand vor ihnen. „Deshalb!“ Leda fragte unsicher: „Du bist auf der Seite der Gerechtigkeit? Du wolltest die Tyrannin und ihr Regime stürzen?“ Kerbera lachte aus vollem Hals. Und in diesem Moment flog ein Käuzchen über sie hinweg und rief. In den Ohren von Leda und Hagbard hörten sich die Laute des Vogels an wie Hohngelächter. Kerbera zeigte ein Grinsen, das eher einem Zähnefletschen ähnelte. „Aber doch nicht uneigennützig, mein dummes Kind! Ich wollte die neue Herrscherin sein! Ich wollte die goldene Widderkrone tragen! Ich wollte die Armee aus Kampfsklaven anführen und die Macht über den ganzen Kontinent besitzen!“

Leda meinte enttäuscht: „Du bist keinen Deut besser als Megara.“ Auf einmal zog Kerbera einen blitzenden Dolch unter ihrer Schürze hervor und kam bedrohlich auf Leda zu. „Ihr werdet mich nicht an dieses einfältige Bauerngesinde verraten! Dieser närrische Pöbel! Dieses elende Pack! Und anschließend werde ich mit derselben Klinge diesen treulosen Cain von seinem Sklavenleiden erlösen.“ Sie hob ihren Arm und war bereit zum Todesstoß. Leda hatte keine Chance. Sie konnte nicht mehr ausweichen. Sie hob beide Arme, um sich vor der Klinge zu schützen, doch würde sie das nicht retten. Das war ihr bewusst.

Maia und Boreas hatten sich in dieser wundervollen Sommernacht im Stroh ausgiebig geliebt. Obwohl er anschließend wieder mit einem Keuschheitsgürtel verschlossen wurde, so fühlte Boreas sich bei Maia wohl und gut aufgehoben. Er malte sich bereits die Zukunft mit diesem Prachtweib in den schönsten Farben aus. Zärtlich streichelte er über ihren venushaften Leib, umkreiste ihre harten Knospen, zeichnete die femininen Linien ihres Körpers nach. Längst war er kein höriger Sklave mehr. Er würde alles für Maia tun – sogar sein Leben geben. Doch aus freien Stücken. Er liebte dieses Weib mehr als alles andere auf dieser Welt.

Ihre nackten Leiber waren mit einem feinen Schweißfilm überzogen. Maia streifte sich ihr Wams über und stieg in ihren Rock, den sie auf einer Kalesche abgelegt hatte. „Ich werde mich ein wenig unter dem Sternenzelt frisch machen. Bleib nur liegen, Boreas.“ Sie entglitt seinen Blicken und lief barfuß davon. Boreas streckte sich im Stroh, rekelte sich auf der Unterlage, auf der sie sich geliebt hatten. Das Leben konnte so schön sein!

Maia folgte einem Trampelpfad zu einem kleinen Weiher, um sich eine Hand voll Wasser ins Gesicht zu schütten. Da horchte sie auf: War da Pferdegetrappel zu vernehmen? Maia runzelte die Stirn. Sie musste sich getäuscht haben. Am dunklen Himmel leuchteten unzählige Sterne. Maia fühlte eine tiefe Zufriedenheit. Sie genoss die Ruhe und Friedlichkeit der Nacht. In der Ferne hörte sie ein Käuzchen rufen.

Sie schlenderte zum Gehöft zurück und hörte dumpfe Stimmen in der Nacht. „Zu dieser Zeit?“, fragte sich Maia. „Wer ist denn da noch wach?“ Sie schritt zu der alten Scheune, in der Lina und Hagbard ihr Ruhelager hatten. Aber war da nicht die laute und aufgeregte Stimme von Kerbera gewesen? Die Neugierde trieb sie an das einen Spalt aufstehende Tor. Plötzlich wurden ihre Augen groß vor Schreck. Kerbera lief mit erhobener Blankwaffe auf Lina zu, die hilflos ihre Arme als Schutzschild hob.

Viele Meilen entfernt lagen Mann und Weib beisammen. Ceres versprach Abas die ewige Liebe und liebkoste seine Brust. Der Königsgemahl las in Ceres wunderschönen Augen: „Holde, was für ein edler Götterbote hat dich mir geschickt? Jetzt, im dunkelsten Kapitel meines Lebens! Zumindest kann ich mit der Gewissheit sterben, dass ich die wahre Liebe gefunden habe.“ Seine Wangen flammten auf, als er seine Worte der Liebsten schenkte. Ceres streichelte ihn und säuselte ihm süße Verheißung ins Ohr. „Vielleicht gibt es doch noch Verbündete, von denen wir nichts wissen. Auch eine Fama, geschweige denn Helena, ist nicht unbesiegbar! Vielleicht kann ich eine Wachfrau dazu überreden, uns aus dem Kerker fliehen zu lassen…“ Abas seufzte. „Zu schön, um wahr zu sein! Aber wenigstens wird auch die tyrannische Megara nicht aus ihrem goldenen Käfig entkommen.“

Ceres nahm einen neuen Anlauf, um ihm das Geheimnis um die Schwachstelle in der Festungsmauer zu entlocken. „Sag, mein Herzblatt, angenommen, wir würden das Reich regieren… Es wäre ein gerechtes Land. Oh, ja! Ganz in der Tradition von König Talos III. Und alle sadistischen Furien wie Megara, Fama und Helena würden für alle Zeiten in den Tiefen eines Verlieses verschwinden. Wie würdest du deine Mannen die Bastion der alten Despotin erstürmen lassen? Du sprachst von einem geheimen Durchlass in der Befestigung?“ Abas lächelte. „Dieses Wissen wird uns niemals etwas nützen. Was soll ich Helena davon berichten? Es ist doch sinnlos, solange es noch grausame Weiber gibt, die der Herrschsucht verfallen sind. Damit ersetzen wir nur die Pest durch Fleckenfieber oder Pocken durch Ruhr. Was ist der Sinn, frage ich dich, mein Augenstern?“

Seine Augen schauten Ceres traurig an. Sie lächelte ihm aufmunternd zu und lobhudelte: „In meinen Gedanken bist du bereits König des Alten Kontinents, Liebster. Du hast den Thron verdient. Niemand sonst! Und ich werde stets treu an deiner Seite sein, solange du lebst. Sag mir, weißt du wahrhaftig, wo sich dieser Durchlass befindet?“ Abas antwortete: „An der Südmauer stehen zwei Wachtürme, die wie Erker vorstehen und mit Moos bewachsen und nicht weit von einem Birkenhain entfernt sind. Geht man 25 Schritt vom Hain auf die Mauer genau zwischen den Türmen zu und hält sich dann fünf Schritt weit nach links, so erreicht man einen Bereich der Mauer, der durch besonders große Steine auffällt. Doch der Größte ist nur Schein. Dort befindet sich die besagte Platte, so dünn, dass sie mit wenigen Rammschlägen zu zermalmen ist.“

Ceres Augen blitzten freudig auf. Sie hatte Abas das Geheimnis entlockt! Eine reiche Belohnung war ihr sicher. Die Stunden, bis sie endlich wieder von den Wächterinnen aus der Zelle geholt wurde, kamen ihr vor wie die Ewigkeit. Wie ekelte sie dieser ganze Dreck hier an! Die Dunkelheit! Die Feuchte! Die Kälte! Der Schmutz auf ihrer Haut! Die stinkenden Fetzen, die sie trug! Und endlich musste sie nicht mehr das Liebchen des Gefangenen spielen!

„Was ist mit dir?“, fragte Abas verwundert, als er merkte, dass sie sich von ihm abwandte. „Nichts“, erwiderte sie eisig, und auch ihr Antlitz wirkte kalt wie mit Frost überzogen. Abas fühlte einen Schauder den Rücken hinunterlaufen. Was war mit Ceres nur geschehen? Hatte er sie bedrängt? Er zog sich vorsichtig zurück. Ceres hatte so unendlich viele Grausamkeiten erlebt! Kein Wunder, dass sie sich in sich zurückzog. Wenigstens hatte er ihr nun etwas zum Träumen gegeben.

Als sie dieses Mal von den Wachfrauen aus der Zelle geholt wurde, hatte sie sich scheinbar in ihr Schicksal ergeben, denn sie jammerte nicht und wehrte sich auch nicht mehr. Abas sah ihr mitleidig nach. Was würden die gemeinen Soldatinnen nur mit ihr tun? Würde sie wieder zu lüsternen Kampfsklaven gebracht? Oder hatten die uniformierten Frauen vor, sich selbst mit der Ärmsten zu vergnügen? „Oh, Ihr Alten Götter“, betete Abas, „bitte schützt Ceres vor allzu großer Pein!“

An diesem Tag kehrte Ceres nicht zurück in den Kerker. Abas fragte eine Gerüstete, als diese ihm eine Schale mit dampfendem Brei in die Zelle schob, aber diese ignorierte sein Ansinnen hochnäsig. Was war mit Ceres geschehen? Lebte sie noch? Abas sank unglücklich auf dem alten Stroh zusammen und rührte trotz knurrendem Magen den Brei nicht an. Er hatte Leda nicht beschützen können. Und nun war ihm auch noch Ceres genommen. Welche Schmach! Eine fiese Scham brannte lichterloh in seinem Herzen. Was war er nur für ein Versager?

Im Kerker der Metropole unter Famas Palast bot sich kein glücklicheres Bild als in den Verliesen der Helena: Auch dort vegetierten Gefangene in schmutzigen, dunklen Zellen dahin. Die Sklaven waren Fama vollkommen gleichgültig. Einige von ihnen saßen bereits seit langer Zeit auf Strafstühlen, andere knieten in einem Pranger in ihrer Zelle, einige waren an Wände gekettet und würden dort bis zum Ende ihres Lebens verbleiben. Manch einer der Männer hatte sich nur eine Bagatelle zu schulden kommen lassen, manch einer war sogar völlig zu unrecht festgenommen worden. Doch wer sich beschwerte oder um Gnade flehte, dem schenkten die Wärterinnen bestenfalls ein paar Hiebe mit der Lederpeitsche.

Nicht wenige der Sklaven waren im Schnellverfahren vor einer gelangweilten Strafrichterin zu lebenslanger Kerkerhaft verurteilt worden, andere warteten noch auf ein Urteil, das nie kommen würde. Doch einer der armen Kreaturen war den Damen des Reiches wichtig: Honos, der ehemalige Majordomus der Leda. Er wusste vom Aufenthaltsort der Ex-Königin. Die Befragerin hatte ihm alle Erkenntnisse entlockt. In mehreren Verhören hatte sie ihn ausgequetscht wie eine Zitrone. Begonnen hatte alles mit dem Sitzpfahl. Doch am nächsten Tag waren beißende Brustklemmen und Gewichte an seinem Gemächt dazugekommen.

Endlich war die sonst so miesepetrige Befragerin sicher, dass Honos die ganze Wahrheit sprach und hatte zufrieden von ihm abgelassen. Fama, die Siegreiche, war hochzufrieden. Die Rechtsgehilfin wurde nicht nur mit einem Orden und einem Beutel Goldmünzen für ihre ausgezeichnete Arbeit belohnt, sondern sie erhielt auch gleichzeitig den Status einer Senatorin. Nur wenige Personen hatten die Befragerin jemals ohne ihre Kapuze gesehen, so dass sie niemand im Senat erkennen würde. Nur Fama selbst war selbstverständlich eingeweiht.

„Schafft ihn zu den anderen Sklaven in die Minen. Er ist nun ohne Bedeutung für mich“, wies Fama mit einem süffisanten Lächeln an. Noch am selben Tag brachten Wachfrauen den Gefangenen zu den Kupferminen im Umland der Metropole. Dort würde er sein wohl nicht mehr langes Leben in gähnender Tiefe unter dem Alten Kontinent fristen. „Aber man hat mir die Freiheit versprochen!“, schrie er, als er schleifend abgeführt wurde und von seiner düsteren Zukunft erfuhr. Die Uniformierten lachten hämisch. Eine Wächterin sagte: „Aber natürlich bist du frei! Frei, für unsere Herrscherin in den Minen zu arbeiten. Sei froh, dass deine Rippen nicht unseren Stahl schmecken!“ Honos kreischte und brüllte aufmüpfig. Doch seine Tobsucht führte nur dazu, dass die Frauen nicht gerade sanft mit ihm umgingen. Schließlich musste er sich unter den Hieben der Wachfrauen geschlagen geben. Verbittert reihte er sich in die Schlangen der Arbeitssklaven ein und wurde mit ihnen durch Fußketten verbunden.

Seine Gegenwehr hatten die Wächterinnen nicht vergessen. In der Sklavenkolonne angekommen, rissen sie ihm die letzten Kleider vom Leib und lachten höhnisch. „Die braucht er in den Minen nicht. Da ist es warm genug!“ Und so kam es, dass Honos als einziger Sklave völlig unbekleidet arbeiten und sich regelmäßig den Spott der Antreiberinnen gefallen lassen musste, die ihn als „possierlichen Minordomus“ betitelten.

Leda hatte indes mit ihrem Leben abgeschlossen. Kerbera kam mit erhobenem Arm auf sie zu. In ihrer Faust blitzte die Klinge ihres Dolches, in ihren Augen schien ein tollwütiges Fieber. Auch Hagbard, der den Angriff miterleben musste, konnte sie nicht mehr retten, denn er stand zu weit entfernt. In diesem Wimpernschlag erschien auch Maia von ihrem Spaziergang zum Weiher und sah Kerbera bei ihrer Attacke. „Nein!“, rief sie und erfasste die Situation sofort. Kerbera schleuderte herum und giftete sie an: „Mischt Euch da nicht ein, Soldatin!“
151. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 20.06.21 16:12

Maia erstarrte. Was hatte sie gesagt? Soldatin? Wer war diese Kerbera wirklich? Woher wusste oder ahnte sie zumindest, dass sie Soldatin gewesen war? Sie hatte nichts dergleichen erwähnt. Kerbera nickte: „Ja! Da staunt das dummes Ding! Ich weiß alles!“ „Sie ist eine Senatorin der Megara!“, rief Hagbard aufgeregt. Maia hörte bestürzt, wen sie da vor sich hatte. In diesem Moment schleuderte Kerbera wieder herum und stach mit dem Dolch nach Leda, die nun aufschrie.

Boreas stand zu dieser Zeit von seiner Ruhestätte auf und fragte sich, wo Maia blieb. Er schlüpfte in sein Wams und Beinkleid und machte sich auf die Suche nach seiner geliebten Herrin – denn eine Gebieterin würde sie wohl immer für ihn bleiben. Wenn er gewusst hätte, was gerade jetzt in der nahen Scheune geschah, wäre er wohl so hastig wie möglich dorthin geeilt, doch unwissend gähnte er und verließ gemächlich sein Strohbett, um draußen nach Maia Ausschau zu halten. Die Luft war kühl und erfrischend. Ob Maia beim Weiher war? Doch was war das? Boreas hatte einen verzweifelten Schrei gehört! Wo war der hergekommen? Aus der alten Scheune, wo Lina und Hagbard schliefen…

Gleichzeitig wischte Maia aus ihrer Schürze in einer blitzartigen Bewegung seitlich ein Messer hervor und jagte es durch den Raum. Noch bevor Kerbera den spitzen Dolch in Ledas Leib versenken konnte, zischte Maias Klinge und bohrte sich mit einem schlürfenden und schmatzenden Geräusch in ihr Ziel. Kerbera sackte wie vom Blitz getroffen zusammen. Noch immer hielt sie ihren Dolch in der Faust, doch ihr Blick war starr zur Decke gerichtet. Ihre Lippen zitterten. Leda hörte, wie sie den Namen ihres Gemahls aussprach: „…Abas… wird… sterben… Du… Hexe…“

Hagbard stürzte zu Leda und nahm sie schützend in den Arm. Nun erschien auch Boreas, der zur Scheune gelaufen war, als er den Schrei gehört hatte. „Wir müssen sie verschwinden lassen, bevor das andere Gesinde oder die Bäuerin etwas erfährt“, schlug Leda vor, die den gröbsten Schock überwunden hatte. Boreas und Hagbard kümmerten sich darum und trugen Kerbera zum Weiher. Leda und Maia gingen zu Nike und Zelos und berichteten ihnen von dem nächtlichen Angriff. Und noch lange saß Leda wach und dachte darüber nach, was Kerbera mit ihren letzten Atemzügen gesagt hatte. Abas lebte. Noch.

Für den nächsten Morgen ließen sie sich eine Geschichte einfallen, warum Kerbera und Cain nicht mehr da waren: Sie hatten angeblich ein Ross gestohlen, um damit zu verschwinden. Die Bäuerin war aufgebracht, ihr Blick war düster, als würde ein Sturm aufziehen, und sie schickte zwei Knechte mit schnellen Pferden hinterher, um die flüchtigen Diebe zu jagen, doch wie zu erwarten mussten die Männer erfolglos zurückkehren, weil Cains Vorsprung schon zu groß war und sich die Spuren verloren hatten.

Leda hatte einen Entschluss gefasst: Sie musste in die Hauptstadt zurückkehren und Abas aus den Fängen der Megara befreien! Hagbard, Zelos und Nike wollten ihr dieses Himmelfahrtskommando ausreden, doch nichts hielt die Königin davon ab. Dann wandte sie sich an Maia und Boreas: „Ihr gehörtet zu Megaras Truppen?“ Maia schüttelte den Kopf. „Nein, ich war Soldatin der Fama. Megara ist nur noch ein Schatten ihrer selbst in ihrer Zitadelle. Die wahre Herrscherin über den Alten Kontinent ist Fama, die Siegreiche.“
Dann zeigte Maia auf ihren Begleiter. „Boreas war Kampfsklave. Ich habe ihn freigekauft.“ Leda nickte langsam und bestätigte der Exsoldatin nun auch ihre eigene und wahre Gestalt. „Mein Name ist nicht Lina, wie du wohl inzwischen argwöhnst.“

Am nächsten Tag beschloss die Gruppe, das Gehöft zu verlassen und trotz aller Gefahren in Richtung Osten in die Hauptstadt zu reisen. Alle wollten Leda helfen, ihren Abas wieder zu sehen. Auch, wenn es ihre letzte Reise werden würde. Sie kauften nur zwei Tage später der überraschten Bäuerin mit dem ersparten Lohn sechs Rösser ab, so dass jeder einen Sattel und vier kräftige Beine unter sich hatte. Als sie aufbrachen, tauchte plötzlich der Jäger Arcanum auf, der sie damals zu dem Hof geführt hatte. „Ihr seit Königin Leda, nicht wahr?“, fragte er unverblümt und deutete eine Verbeugung an. „Ich habe es von Anbeginn geahnt. Gebt mir die Ehre, Euch zu begleiten, wohin auch immer es Euch zieht.“ Leda nickte dem Jäger anerkennend zu. „Ihr seit sehr mutig, dass Ihr uns begleiten wollt. So seit willkommen in unseren Reihen.“

Und so machten sich sieben Gefährten auf nach Osten, ohne zu wissen, was genau sie dort erwartete. Je weiter sie in Richtung der aufgehenden Sonne ritten, desto mehr Einfluss hatte das Matriarchat. Männer wurden in ihren Rechten verstümmelt, erledigten niedrige Arbeiten und fügten sich unter ihre Eheherrinnen. Bald schon erreichten sie eine Region, in der es nicht üblich war, dass ein Mann frei lebte. Die Gefährten beschlossen also, um nicht aufzufallen, vier Rösser zu verkaufen und Arcanum, Hagbard, Zelos und Boreas marschieren zu lassen. Auch mussten sie ihre Kleidung gegen fadenscheinige, alte Tücher eintauschen.

Nike nahm schmunzelnd zur Kenntnis, wie sehr Arcanum, Hagbard und Zelos sich über ihren erzwungenen Fußmarsch ärgerten, brummten und grummelten. Nur der ehemalige Kampfsklave Boreas nahm dies gelassen hin. Er war Schlimmeres gewohnt. Und so setzte die kleine Gruppe ihre Reise in langsamerem Tempo fort, während die Damen ihren Po im Sattel positioniert hatten, die Kerle jedoch bald schon über Blasen an den Sohlen klagten.

Als die Gemeinschaft an einem Gehöft mit Schmiede vorbeikam, entschloss sich Leda dazu, den Männern zur Tarnung Eisenhalsbänder umlegen zu lassen. Hagbard und Arcanum stöhnten, doch rissen sie sich zusammen, um nicht aufzufallen, und ließen die Prozedur zähneknirschend über sich ergehen. Die Schmiedefrau schlug vor: „Wie wäre es mit Brandeisen für die Sklaven? Falls sie mal verloren gehen, sind sie so leichter wieder zu finden.“ Die Männer schauten entsetzt zu Leda. Zu ihrer unendlichen Erleichterung lehnte sie freundlich ab. „Das wäre ergötzlich, aber nein, nicht nötig. Sie sind vollkommen hörig.“ Damit schlug sie Hagbard mit dem Griff ihrer Reitpeitsche herzhaft über den Hintern, dass er aufzuckte. Nike musste ihre Lippen zusammenpressen, um nicht lauthals loszuprusten. Arcanum stöhnte innerlich. „Worauf habe ich mich da nur eingelassen!?“

Doch es sollte noch nicht der letzte Schreck gewesen sein, denn die Schmiedefrau stellte fest: „Warum trägt denn nur einer der Sklaven einen Keuschheitsgürtel? Ich habe welche da. Ganz günstig würde ich sie Euch vermachen.“ Zelos, Arcanum und Hagbard schüttelten den Kopf, doch schnell merkten sie, dass sie als Mannbilder nur zu gehorchen hatten. Leda fragte Nike: „Was meinst du? Keuschheitsgürtel sind eine bewährte Tradition.“ Nike grinste Zelos diabolisch an. „Ja. Ich denke, wir sollten sie nehmen.“ Zelos stierte sie ungläubig an. Auch Arcanum und Hagbard glaubten, ihren Ohren nicht trauen zu dürfen. Doch schon bald wurden sie eines Besseren belehrt: Die Schmiedin schloss ihre Männlichkeiten kurzerhand ein und verlangte ein paar Kupfermünzen für die Schlüssel. Sie zwinkerte Leda, Nike und Maia zu und meinte: „Ich habe die Röhren schön eng gemacht. So können die schlafenden Tiger ohne Erlaubnis nichts Böses anstellen.“ Dann lachte sie amüsiert, und die Damen fielen mit ein.

Als die Gefährten weiter geritten waren, empfahl Hagbard: „Wir sollten die Keuschheitsgürtel nun wieder ablegen.“ Leda war anderer Meinung. „Nein, die bleiben schön dran. Wir wollen doch kein Risiko eingehen.“ Mit diesen Worten gingen die Pferde in einen leichten Trab über, und die Männer mussten sich beeilen, um den Anschluss nicht zu verlieren. Keuchend und leise in sich hinein fluchend liefen sie hinter den Rössern her.

Einige Duxas der Helena griffen die Festung der Megara von Norden an – Scheinangriffe, die eine Kampfeinheit am Südwall decken sollten. Mit einem gewaltigen Rammbock tauchten unerwartet zwölf Kampfsklaven - sechs an jeder Seite – auf und jagten auf eine Stelle der südlichen Mauer zu. Am vorderen Ende war der Stamm mit Eisen beschlagen. Bogenschützinnen gaben ihnen Deckung, so gut es ging. Die meisten Wachen hatte Megara zur Nordwand abberufen, denn dort erwartete sie einen Großangriff des Feindes. Ceres beobachtete gespannt von dem kleinen Hain aus, wie die Ramme durch die Steinplatte brach.

Beinahe wären die Kampfsklaven gestürzt, doch behielten sie das Gleichgewicht, holten erneut Anlauf und schossen mit ihrem verstärkten Balken auch durch die Innenverkleidung der Mauer. Auf ein Kommando von Ceres spurteten weitere Kämpen auf die Südmauer zu und betraten die Festung der Megara. Alles ging blitzartig von statten. Mehr und mehr Kämpfer stürmten eilig aber leise in das Innenleben der Bastion. Abas hatte die Wahrheit gesagt, freute sich Ceres. Sie hatten die Schwachstelle der Zitadelle gefunden, die als uneinnehmbar galt – bisher.

Als endlich innerhalb der Mauern Alarm ertönte, war es bereits zu spät: Dutzende Wachen waren ausgeschaltet, Hunderte Kampfsklaven und Soldatinnen der Helena hatten große Bereiche der Burganlage unter Kontrolle gebracht. Megara erfuhr erst davon, dass sie überrumpelt worden war, als nur noch der Burgfried und wenige Gemäuer im Innern der Bastei verteidigt wurden. Hunderte Kämpfer der Tyrannin hatten sich dem Feind ergeben, darunter auch Dutzende Soldatinnen bis hinauf in die obersten Duxa-Ränge.

Auch die wilden Kämpfe am Nordtor wurden eingestellt. Das gewaltige Fallgitter und schwere mit Eisendornen gespickte Haupttor öffnete sich von innen. Acht Kolosse von Sklaven drehten das imposante Rad, das die dicke Kette aufdrehte, um den Eingang in die Festung zu gewähren. Die letzten Kämpfer kamen ergeben von den Verteidigungswehren hinab und legten kleinlaut ihre Waffen ab, die sich auf riesigen Haufen scheppernd ansammelten.

Als Helena in ihrer Residenz das Horn mit dem vereinbaren Signal hörte, schlich sich ein tiefes Triumphgefühl in ihr Gesicht. Was für ein honigsüßer Klang erreichte da ihr Ohr! Megaras Niederlage stand kurz bevor! Die letzten Rückzugsmöglichkeiten würden ebenfalls bald zerstört werden. Die Despotin scharte nur noch wenige Loyale um sich. Einige Leibeigene und Gardistinnen waren die letzten Personen, die wohl kaum noch zu großer Gegenwehr fähig waren. Vielleicht zogen sie sich zurück und verschanzten sich, doch ihr Proviant würde bald aufgebraucht sein und sie müssten ihre Gürtel enger schnallen.

„Ich werde in dieser Zitadelle regieren“, freute sich Helena und strich sich zufrieden über ihren Kamisol. „Soll Fama doch in der Metropole glauben, sie sei die absolute Königin… Die westliche Region wird unter meiner Macht stehen.“ Duxa Ceres verneigte sich vornehm vor der Statthalterin und verkündete die Einnahme des Bollwerks. „Wir könnten sie nun leicht ausräuchern, wenn Ihr dies möchtet, werte Helena“, schlug Ceres vor. Doch davon wollte Helena nichts wissen. „Nein, ich will sie gedemütigt sehen! Ich will, dass Megara von ganz alleine aus ihrem Loch gekrochen kommt! Abgezehrt und mit vertrocknetem Gaumen! Dass sie um Gnade bettelt!“ Ceres nickte erhaben. „Meine Truppen sind dabei, die Burg für Euch herzurichten, werte Helena.“

Die Statthalterin lächelte. „Informiert mich über jede Neuigkeit, was Megara und ihre Brut angeht“, wies sie an. „Und nun geht hinfort und lasst mich allein.“ Sie leerte ihren Silberpokal mit dem kühlen Trunk in einem Zug und wischte sich unfein die Lippen mit dem Handrücken ab. Als Ceres mit fliegendem Umhang und stolzen Stiefelschritten gegangen war, klatschte Helena zwei Mal in die Hände. Sofort erschien ihr Leibsklave: Der Mann trug ein goldbewebtes Tuch um die Hüften und ein goldenes Halsband sowie klingelnde Glöckchen an den Brustwarzen. „Herrin? Ihr habt mich gerufen?“, fragte er und fiel vor Helena auf die Knie, das Gesicht zu Boden gesenkt. „Besorgt Uns Trauben und Rotwein. Und Nüsse mit Honig. Und zwei ergötzliche Lustsklaven, die Uns unterhalten. Und du, du tanzt ein wenig für Uns.“

Der Leibsklave senkte sein Haupt bis zum marmornen Boden: „Sehr wohl, Gebieterin.“ Wie von der Tarantel gestochen sprang er auf und eilte davon, um die Wünsche der Statthalterin zu erfüllen. Denn er wusste, was geschah, wenn Helena ungnädig wurde. Doch heute schien sie frohsinnig zu sein. Der Leibsklave würde alles tun, damit dies auch so bliebe. Stumm und gehorsam musste er sein, damit sein Haupt nicht im Korb des Henkers landete.

An anderem Orte herrschte Trübsal und Wut. Megara atmete schwer und drückte beide Hände auf ihr Herz. „Wie konnte das geschehen? Wie sind die Rebellen in meine Burg gekommen?“ Eine Gardistin antwortete: „Höchste Göttin, es…“ Doch Megara unterbrach sie barsch: „Ruhe! Hör auf mit diesem Göttergeplänkel! Bin ich eine Göttin? Wenn ich eine wäre“, sagte sie in leidendem Tonfall und ließ sich kraftlos auf einen Stuhl fallen, „dann wäre ich wohl nicht verraten worden. Dann würde ich nicht hier im Turm hocken, niedergestreckt von Unwürdigen…“

„Majestät“, versuchte es die Gardistin ein zweites Mal, „es war ein böser Hinterhalt. Es gab eine Lücke in der Mauer. Eine geheime Schwachstelle. Niemand wusste davon.“ Megara presste den Rotweinkelch aus Gold so feste in ihre Hand, dass sich ihre Fingerknöchel weiß färbten. „Niemand! Niemand! Aber eine Person musste es doch wissen! Wer? Wer frage ich?“ Die Gardistin wusste keine Antwort und schluckte die Stille hinunter. „Können wir den Burgfried und die innere Wehranlage halten?“, fragte die gestürzte Despotin. „Sagt die Wahrheit!“ Die Gardistin erwiderte: „Majestät, ich kann Euch darauf keine Antwort…“ Megara winkte angewidert mit ihrem Handrücken: „Dann geht! Verschwinde, Weib! Mach, dass du mir aus den Augen kommst! Alle haben sich gegen mich verschworen! - Was ist mit den Minen? Haben die nichtsnutzigen Sklaven endlich einen Ausgang zu den Höhlen gegraben?“ Die Gardistin nahm steif Haltung an. „Majestät, leider befinden sich die Zugänge zu den Stollen im südlichen Bereich der Festung, die der Feind kontrolliert. Selbst wenn es einen solchen Durchgang geben würde…“ Weiter kam sie nicht, denn Megara warf den Kelch nach ihr und schrie: „Hinaus!“

Die Herrscherin stieg in das Kellergewölbe des Burgfriedes hinab. Sie wusste von einem Gang, der zu den Minen führte. Ihr Gatte, König Talos III., hatte ihn damals unter strenger Geheimhaltung bauen lassen und danach dafür gesorgt, dass die Tunnelanlage ein Geheimnis blieb. Megara traute niemandem ihrer wenigen verbliebenen Gefährtinnen über den Weg. Deshalb machte sie sich selbst auf, um zu prüfen, wohin sie der Gang führen würde.

Sie steckte sich mit einem Fidibus eine Fackel an und schob im dunklen Gewölbe einen Stein im Mauerwerk zur Seite, der nur locker in der Wand steckte. Ein rostiger Eisenring erschien, an dem sie zog. Durch einen Mechanismus öffnete sich die Mauer mit einem kreischenden Schaben einen Spalt. Megara schlüpfte hindurch, erpicht ihre Robe nicht zu beschmutzen, und betrat den niedrigen Stollen. Zu ihrer Enttäuschung endete der Weg schon bald, als sei er nicht zu Ende gegraben worden.

Megara pochte gegen den Fels. Hörte es sich hohl an? Die Imperatorin klopfte erneut. Ja, nun war sie sich gewiss. Sie nahm ihren Schmuckdolch und schlug mit dem Griffende gegen die Stelle. Wieder und wieder. Und als sie schon aufgeben wollte, brach jäh der Fels ein. Ein kleines Loch war entstanden. Megara schien mit der Fackel hindurch. Dahinter befand sich ein Hohlraum. Vielleicht war ihr der Durchbruch zu den Höhlen gelungen? Ein Fluchtweg? Megaras Herz klopfte bis zum Hals. Doch nun musste sie zurück, bevor ihre Abwesenheit bemerkt wurde. Eilig kehrte sie um und klopfte sich den verräterischen Staub von ihrem prunkvollen Kleid.

„Sprich: Wie viel Tage reicht unser Proviant noch?“, wollte Megara von einer Duxa wissen. Die Soldatin schätzte: „Es kommt darauf an, ob wir rationieren. Wasser haben wir genug durch den Brunnen. Aber die Mahlzeiten könnten…“ Megara unterbrach unwirsch: „Wie lange?“ Die Duxa erwiderte: „Vielleicht drei oder vier Wochen.“ Megara hob stolz ihr Kinn: „Wir werden niemals kapitulieren! Wir werden kämpfen bis zum Tode!“ Die Duxa verneigte sich: „Sehr wohl, Majestät.“
152. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von AlfvM am 27.06.21 19:26

Tolle Geschichte. Viele Veränderungen im Vergleich zur ursprünglichen Versiion. Super.
VG Alf
153. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 04.07.21 12:36

Ein halbes Dutzend Briefraben brachten die frohe Kunde hurtig nach Osten in die Metropole. Eiligst hatte die Falknerin einem schwarzen, krächzenden Vogel die kleine Lederröhre abgebunden und das Pergament entfaltet. Sofort war eine Gardistin mit der Botschaft zur Herrscherin geeilt. Fama, die Siegreiche, frohlockte. „Famos! Bald rutscht Megara auf den Knien vor mir!“ Euphorisch tanzte sie durch den Palast.

Ihren Töchtern Aurora und Vesta war weniger zum Feiern zu mute. Immer noch steckten sie in Keuschheitsgürteln, die ihre Mutter ihnen wegen ihrer diversen Eskapaden hatte anlegen lassen. Doch Fama ließ sich nicht von der schlechten Laune ihrer Töchter anstecken und ließ zahlreiche Feste veranstalten, Musikanten mit Mandolinen, Schellen, Fideln, Schalmeien und Trommeln auftreten und zu dekadenten Banketten für die Edeldamen einladen.

Diese Feierlichkeiten arteten flink zu Orgien aus. Aurora und Vesta wurden gelb vor Neid, als sie das vergnügliche Treiben der anderen Edelfräuleins erlebten und genau wussten, wie die Schäkereien mit den Lustsklaven später in Separees ihren Höhepunkt finden würden. Harfenspieler sorgten für die unschuldig klingende Untermalung des sündhaften Treibens. Diese geilen Weiber waren disziplinlos und verkommen!

Vesta schüttete einem Jüngling ein Pulver in den Kelch, das seine Manneskraft für mindestens drei Tage völlig tötete. Als sie dann später an der Nische vorbei schlich, um sich an ihrem Streich zu erfreuen, hörte sie statt einer frustrierten Frau höchst erregte Lustgeräusche und Gestöhne und lugte überrascht um die Ecke: Das Edelfräulein ließ sich von der fehlenden Standhaftigkeit des Lustsklaven nicht entmutigen und vergnügte sich mit dessen Zunge. Vesta wäre am liebten mit ihrem kleinen Zierdolch herbeigestürmt und hätte dem Sklaven auch diese Möglichkeit genommen. Und das unbeherrschte Weibstück hätte auch Federn lassen müssen. Aber das hätte ihr nur neuen Ärger eingebracht. So musste sie ihre Wut und den bissigen Neid herunterschlucken wie bitterste Galle, obwohl sie fast daran zerplatzte.

Aurora dagegen hatte das Fest so bald verlassen, wie sie die Wächterinnen sie aus dem Saal hinausgelassen hatten und sich in die privaten Gemächer ihrer Mutter geschlichen. Fama trug die Schlüssel zu den Keuschheitsgürteln ihres Nachwuchses nicht bei sich, also mussten sie irgendwo versteckt sein. Die Tochter der Herrscherin schickte alle Bediensteten aus den Räumen und drohte: „Wenn meine Mutter davon erfährt, dass ich hier war, werde ich euch alle ohne Ausnahme peitschen lassen, bis…“ Der Rest des Satzes war nicht zu verstehen, denn in ihrer Wut presste sie die Zähne zusammen und gab eher Knurrgeräusche wie ein Isegrim von sich als eine junge Lady von Hofe.

Sie suchte und kramte und eilte in den Räumen umher, doch kein Schlüssel war zu finden. Aurora war Schweiß gebadet, doch gab sie nicht auf. In ihrem Eifer bemerkte sie zu spät, dass Fama das Fest verlassen hatte und unerwartet in der Tür stand: „Aurora! Was tust du da?“ Die Tochter erschrak so sehr, dass sie eine Schatulle mit Schmuck fallen ließ. Eine Perlenkette zerplatzte, filigraner Goldschmuck und Ringe mit diversen Edelsteinen schlugen auf dem Boden auf und verteilten sich auf den Marmorplatten. „Oh!“, gab Aurora von sich und bückte sich nach dem Schmuck. „Verzeiht, Mutter, ich wollte nur ein wenig Geschmeide von Euch leihen, um hübsch für Euch auszusehen.“

Fama runzelte die Stirn. „Mitten in der Nacht? Wohl eher für euren Spiegel! Nun, so sei es. Such dir etwas aus und lass mich dann allein.“ Aurora wählte eine Brosche mit Saphiren und einen passenden Ring und verließ das Gemach der Herrscherin. Mit dem Geschmeide lief sie in ihre Kammer. Ihre nächtliche Aktion war von keinem Erfolg gekrönt gewesen. Aber sie musste den Schlüssel einfach bekommen! Nur wie?

Als Aurora sich so wütend in ihr Bett warf, dass ihr die Tränen kamen, klopfte es. „Wer stört?“, blaffte sie. Ein Dienstsklave erschien unterwürfig und entschuldigte sich vielmals für die Störung der Nachtruhe, doch er sei in einer äußerst wichtigen Angelegenheit da. Aurora kniff die Augen zusammen: „Das hoffe ich für dich – und deinen Arsch!“ Ihre Oberlippe hob sich ordinär, als sie die Drohung aussprach. Der Sklave kam ihr gerade recht! An ihm würde sie ihren Frust auslassen! Der Dienstbote verneigte sich so tief er konnte und sprach so leise, dass Aurora ihre Ohren spitzen musste, um ihn zu verstehen. „Ich habe Euch eine wertvolle Nachricht zu bringen, höchstwerte Aurora. - Ich weiß, wo sich der Schlüssel zu Eurem Keuschheitsgürtel befindet.“

Aurora fielen fast die Augen aus ihrem süßen Gesichtchen. „Du weißt was...?“ Der Sklave wiederholte noch leiser und eindringlicher seine Botschaft. Aurora kam auf den Leibeigenen zu, der auf die Knie fiel. Das Edelfräulein kniete sich zu ihm nieder. „Dann sprecht!“ Langsam hob der junge Mann sein Gesicht und wagte einen Blick in Auroras Augen. Ein schelmischer Ausdruck erschien auf seinem Mund. „Ich möchte dafür etwas von Euch.“ Auroras Miene vereiste.

Am nächsten Tag sah es im Palast der Fama aus, als hätten Hundertschaften Vandalen gewütet. Dass Saufen und Huren keine Domäne der Mannsbilder war, zeigte sich in Famas Residenz, denn die „feinen“ Damen hatten ein sprichwörtliches Trümmerfeld hinterlassen. Sogar ein Kunstwerk eines Kupferstechers war demoliert worden. Ziemlich war das Verhalten der Gesellschaft nicht gewesen. Der Ruch der Ladys war augenscheinlich.

So mancher Sklavenarsch war bei den Verlustierungen malträtiert oder gedehnt worden und neben dem Aufräumlärm – Tische und Bänke wurden geschoben, Geschirr klirrte auf großen Tabletts, Dienstboten mit Wischlappen schrubbten die Böden – ertönten in einigen Ecken noch stöhnende Lustsklaven, die teils noch in ihren Fesselungen hingen, teils steckte ihnen noch ein Luststab aus Holz oder eine Kerze an empfindlicher Stelle, teils versuchten sie auch erst wieder zur Besinnung zu kommen, denn manche Edelfräuleins kannten lustige Trinkspiele, bei denen sich die Leibeigenen zum Vergnügen der Damen gegenseitig übertrumpfen mussten.

Während die meisten der adligen Frauen noch in ihren großen Himmelbetten lagen – allein oder mit ein oder zwei Lustsklaven an ihrer Seite – waren die Dienstsklaven bereits längst wieder damit beschäftigt, die Unordnung des Vortages zu beseitigen. Eine Wächterin wunderte sich, dass bereits am Vormittag eine Tochter der Herrscherin durch die Gänge eilte. Gewöhnlich ließen die beiden verwöhnten gerade dem Görenalter entwachsenen Damen den Tag erst gegen Mittag einläuten. Doch dann schmunzelte die Wachfrau: Aurora hatte wohl wie so viele andere Ladys einige Kelche zu viel gezecht. Denn ihrem Gesichtsausdruck nach hatte die feine Dame es so eilig, weil sie ihr Frühstück wieder hergeben wollte. Und ihren Kopfputz hatte sie offenbar auch schon verloren.

Und bald darauf sah die Uniformierte Aurora wie zur Bestätigung sich mit einem weißen Tuch über den Mund wischen, husten und nach einem Becher Wasser greifen. Doch auch diesen Inhalt behielt sie nicht lange bei sich. Die Wächterin sah diszipliniert zu Seite, doch musste sie all ihre Kraft zusammen nehmen, um nicht zu kichern. Die Götter hatten Humor.

Die Schwester Vesta lag noch in ihren Federn und seufzte verzweifelt: „Wie lange soll ich denn nur noch in dem vermaledeiten Keuschheitsgürtel leiden?“ Sie klingelte nach einem Dienstsklaven, der ihr ein Morgenmahl und frisches Wasser besorgen sollte. „Zieh dich gefälligst angemessen züchtig an, du Unhold!“, schimpfte sie. Der Diener verneigte sich voller Elan und entschuldigte sich vielmals. Er trug einen Lendenschurz und eine Art Brustgeschirr aus Leder, wie es für die Dienstboten der Fama vorgeschrieben war. Was sollte er nun unternehmen? Was erwartete die junge Lady von ihm? Woher sollte er plötzlich ein Wams oder gar Beinkleider bekommen? Und würde Fama dies erlauben?

Vesta starrte dem Sklaven auf seine halb bloßgelegten Pobacken, als er das Gemach verließ. „Überall sündige Versuchungen…“, stöhnte Vesta innerlich. Als ihr Blick an die Kuppel genau über ihrem Bett fiel und sie die Fresken sah, die Frauen in einem Sklavenharem darstellten, schloss sie abrupt die Augen. War sie verflucht? Überall gab es nur Unzucht! Was war das für eine verkommene Welt voller Hurerei?

Als der Diener mit dem Befohlenen zurückkehrte, trug er ein dünnes Wollwams und eine knarzende Lederhose. Er stellte alles ab und verließ die Tochter der Herrscherin. Hastig lief der Sklave anschließend zurück zu dem Besitzer des Beinkleids, der sich währenddessen ängstlich hinter einem dunklen Mauervorsprung des Palastes herumgetrieben hatte. „Endlich! Denk daran, ich habe etwas gut bei dir! Heute Nacht!“, flüsterte der Mann. Der Dienstbote entledigte sich der Hose und seufzte. „Ja, ich fürchte es. Und wenn ich dir stattdessen ein paar Kupfermünzen gebe? Alles, was ich in diesem Mond gespart habe?“ Doch der Mann verneinte und grinste obszön. „Ich will dein williges Fleisch!“

Hurtig eilte der Dienstbote zurück in den Palast. Wenn entdeckt würde, dass er seinen Platz verlassen hatte, würde er ohnehin eine saftige Prügelstrafe erhalten. Aber wäre er Vesta ohne Hose unter die Augen gekommen, hätte er sich ihren Zorn zugezogen. Zum Glück würde er ab heute im Stall arbeiten, so dass er mit Vesta so bald nicht mehr in Berührung kam. Leider hatte er nun einen gar hohen Preis zu zahlen. Doch er war sich gewiss: Er hatte das kleinere Übel gewählt.

Aurora stöhnte auf ihrem Bett vor Lust. Ihr Leib rekelte sich. Halb entblößt. Ihr Luxuskörper genoss die Berührungen, mit denen sie sich selbst verwöhnte. Wie hatte sie das vermisst! Oh, die süße Lust! Als ihr Verlangen explodierte drückte sie ihren Rücken weit durch und presste ihre Lippen zusammen, um nicht zu laut zu sein. Der geöffnete Keuschheitsgürtel lag neben ihr, als hätte er sie nie gefangen gehalten. Die junge Dame hatte die Augen geschlossen, ihre Lider flatterten vor Vergnügen. Heiße Erregung und Befriedigung durchströmte sie wie glühende Lava, die aus einem Vulkan leuchtend zu Tal floss. Erdbeben gleich durchzuckte es ihren Leib. Oh, wie hatte sie das herbeigesehnt!

Doch als ihre Lust langsam verebbte spürte sie die Worte des Sklaven neben sich wie einen Schwall eiskalten Wassers aus einem Nachttopf: „So! Nun werden wir die edle Lady wieder verschließen. Und das nächste Mal tauche ich meinen Luststab in Eure holde Weiblichkeit!“ Aurora knirschte mit den Zähnen, als der junge Mann sie in die eiserne Fessel band und den Schlüssel abzog und pfeifend in die Luft warf, auffing und wegsteckte. Aurora brummelte leise: „Am liebsten würde ich dich peitschen lassen, bis du weißt, wie man sich einer honetten Lady gegenüber gebührlich benimmt! Und deinen Schwanz würdest du nie wieder sehen, wie es sich für solch Sünder geziemt!“ Der Bursche lachte glucksend: „Ja, aber dann würde Eure werte Mutter erfahren, wie ihr sie äußerst unschicklich hintergeht.“ Mit diesen dreisten Worten war er verschwunden.

Doch dann tauchte sein Kopf kurz erneut in der Tür auf. Ein feistes Grinsen im Gesicht bewegte er seine Zunge obszön in seinem Mund an der Wange entlang und kicherte: „Ich dachte immer, Ihr seid ein verwöhntes, unnützes Gör. Doch Ihr seid doch zu etwas gut.“ Aurora schleuderte eine Schale nach ihm, doch die Tür war bereits geschlossen, als sie scheppernd gegen die Holzwand mit den kunstvollen Verzierungen knallte. Stille folgte, die nur irgendwann von einem leisen Geläut einer fernen Glocke unterbrochen wurde, doch das Fräulein dann wieder einsam zurückließ.

Die Sonne war schon weiter über den Himmel gewandert, als eine Richterin in schwarzer Robe mit einem kleinen Bronzehammer gegen einen ebenso bronzenen Gong hämmerte, der auf ihrem Tisch stand. Neben ihr saß die Protokollantin. Links und rechts vom Richtertisch standen Wächterinnen in dicken Lederwesten, hohen Stiefeln und bewaffnet mit Säbel, Dolch und Hellebarde. Ihre Gesichter waren völlig ausdruckslos. Zwei weitere Wachfrauen erschienen in der großen, zweiflügeligen Tür auf der gegenüberliegenden Seite des langen Raumes und brachten den ersten Angeklagten.

Der nackte Mann schlurfte mit Fußeisen zwischen den Wächterinnen her auf den Richtertisch zu bis zu einer Linie auf dem Boden. Seine Hände und sein Kopf waren in einem klobigen Holzbrett fixiert. Die Uniformierten hatten kurze, dicke Lederruten in den behandschuhten Händen, mit denen sie dem Angeklagten auf das Gesäß schlugen: „Auf die Knie mit dir, du Wurm, vor der ehrwürdigen Richterin!“ Gern hätte sie ihm ein ganzes Dutzend geschenkt, doch dafür war keine Zeit.

Links vom Richtertisch stand ein weiteres Möbel, hinter dem die Anklägerin saß und verlas: „Der Angeklagte wird beschuldigt, einer Edeldame ungehörig nahe gekommen zu sein.“ Die Richterin las sich das Pergament durch. „Ich sehe. Angeblich hat ihm jemand ein Bein gestellt, so dass er der Geschädigten so vor die Füße gefallen ist, dass er ihr Kleid besudelt hat…“ Im Gesicht des Angeklagten herrschte größte Anspannung. Seine Augen rasten von links nach rechts, hin und her, unstet, so rasend, wie ihm auch das Herz schlug. Sein Mund war verzerrt. Doch war es bei schärfster Strafe verboten, bei Gericht zu sprechen. Und so blieb er stumm.

Die Richterin warf das Dokument der Protokollantin gelangweilt hin und meinte: „Müßig, die Einzelheiten zusammenzusuchen. Der Angeklagte bekommt Kerkerhaft in einer Sammelzelle. Er bleibt für seine Zeit im Brett verschlossen.“ Dann murmelte sie so leise, dass selbst die Protokollantin es kaum hörte: „Mögen seine Mitgefangenen ihn füttern.“ Schließlich fügte sie hinzu: „Bei guter Führung mag er in 50 Tagen um Gnade ersuchen. Der Nächste!“ Der Mann wurde abgeführt. Hilfe suchend drehte sich der Verurteilte zur Richterin um, doch die beachtete ihn nicht mehr.

Auf dem Flur kam ihm der nächste Gefangene entgegen. Das entsetzte Gesicht des Abgeführten steigerte die Angst des neuen Angeklagten nur noch. So fertigte die Richterin in der kommenden Zeit über hundert Männer ab. Etwa jeder Dritte war ein „Prügelsklave“, der die Strafe für seine Herrin antrat, die das Gesetz gebrochen hatte. Manche der Männer erhielten Züchtigungen, andere Kerkerhaft. Schließlich gähnte die Richterin: „Es ermüdet mich. Die Anderen sollen morgen vorgeführt werden.“

Die Protokollantin wies darauf hin, dass noch neun Fälle auf Gnade ausstanden. Alle Männer hätten sich gut geführt während ihrer Kerkerzeit. Die Richterin winkte blasiert ab. „Mich überkommt langsam Hunger. Ich lehne pauschal alle Begnadigungsgesuche ab. Sollen sie erneut nachfragen.“ Die Protokollantin nickte und vermerkte bei drei Männern, dass diese in 50 Tagen wieder vorsprechen könnten. Bei vier Gefangenen würde ein neues Gnadengesuch allerdings erst in 150 Tagen möglich sein. Und bei zwei Männern würde jeweils ein Jahr verstreichen.

Die Richterin eilte mit der Anklägerin geschäftig schwatzend zu Tisch. Die Protokollantin runzelte die Stirn, als sie einen der Namen las. War der Mann nicht vergangenes Jahr auch schon hoffnungsvoll gewesen, was ein Gnadengesuch anging? Er saß nun schon vier Jahre länger als das ursprünglich vollstreckte eine Jahr. Wegen irgendeiner Lappalie. Nur weil es aus der Küche so lecker nach Karkassen und feinem Wildbret über dem Bratrost roch… Die Protokollantin zuckte mit den Achseln. So ein Pechvogel. Wer konnte bei diesem verführerischen Duft widerstehen, wenn er Hunger litt? Na, im Kerker würde er nicht mehr in Versuchung geraten.

Die Protokollantin schüttelte ihr langes blondes Haar, nachdem sie die Robe abgelegt hatte und das Gericht verließ, um mit ihrer Kutsche nach Hause zu fahren. Sie liebte ihre Tätigkeit. Jeden Tag gab es neue Strafen. Und die Gesichter der Verurteilten waren so verschieden: Angst, Verzweiflung, aufkeimende oder sterbende Hoffnung, Pein, Flehen… Sie konnte mittlerweile jedes Gesicht lesen wie ein Buch. Sie freute sich schon auf den morgigen Tag. Ein Angeklagter war der Unzucht beschuldigt. Ihn würde die Richterin vor die Wahl stellen: zehn Jahre Kerker oder lebenslang Keuschheitsgürtel. Was würde der Mann wohl wählen?

Zu Hause angekommen, hieß ihr Privatsklave sie willkommen und half ihr aus den engen Stiefeln. Die Protokollantin grinste, als sie ihren rechten Stiefel gegen den Arsch des Sklaven drückte, als dieser den Linken von ihrem Fuß zog. „Ich habe mir die ganze Zeit eine Frage gestellt“, sagte sie zuckersüß. „Wenn ich dich vor die Wahl stellen würde…“ Sie berichtete ihrem Sklaven von der morgigen Verhandlung. Der Sklave stöhnte erschrocken und meinte nach reiflicher Überlegung: „Ich würde zehn Jahre im Kerker warten.“

Die Protokollantin dachte nach. Vielleicht sollte sie der Richterin vorschlagen, ihr Strafmaß zu erhöhen. Es wäre doch interessant, ab welcher Kerkerzeit ein Mann lieber lebenslang verschlossen werden wollte. Oder man verschärfte die Kerkerhaft mit regelmäßiger Züchtigung. Ach, es gab so viele schöne Dinge. Vielleicht könnte sie ja mit ihren Freundinnen Wetten abschließen, was der Angeklagte morgen wählen würde…

154. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 14.07.21 18:39

Weitere Wochen verstrichen, und der Proviant in Megaras Burgfried wurde knapp. Die loyalsten Gardistinnen der Tyrannin mussten mit Waffengewalt dafür sorgen, dass nicht auch die letzten Untertanen Megaras sich in die Arme des Feindes ergaben. Wer wollte schon sterben für eine Regentin, die längst entmachtet war? In wenigen Tagen würden die letzten Rationen aufgezehrt sein. Auch der Geblendetste würde anfangen zu denken: Wie sollte das hier enden? Wovon wollte man leben? Oder wollte man todesmutig in die Reihen tausender Kampfsklaven reiten und mit dem eigenen Lebenssaft den Boden tränken? Oder hatte Megara vor, den Freitod zu wählen? Was blieben für Möglichkeiten? Auch Megara spürte, wie sie die Loyalität selbst ihrer Sondergarde verlor.

Helena und Ceres wussten von Überläuferinnen, wie lange der Vorrat im Burgfried reichen würde. Zufrieden rechneten sie nun jeden Tag damit, dass sich auch die letzten von Megaras Untertanen ergaben. Die wenigen Kampfsklaven, über die die Tyrannin noch verfügte, waren sicherheitshalber entwaffnet worden. Doch es stellte sich heraus, dass eine größere Gefahr von den Duxas und Soldatinnen ausging, denn diese erschienen eines Morgens bei Megara und verkündeten das Ende ihres Treueschwurs.

Um nicht irrtümlich erschossen zu werden, schickten sie einen Kampfsklaven mit einer weißen Fahne vor, um die Kapitulation zu verkünden. Der Mann litt panische Angst, doch bis auf einen nassen Lendenschurz erlitt er keinen Schaden. Megara hatte sich in ihr Schicksal ergeben. Was sollte sie auch noch tun?

Als die schwere Eisentür zu der inneren Wehranlage geöffnet wurde, erschienen die Frauen unbewaffnet und mit den Händen hinter den Köpfen in einer Reihe und marschierten langsam in einen weiteren Hof der Festung. Von allen Seiten zielten Dutzende Bogenschützinnen der Helena auf die Gefangenen. Was mit ihnen zu geschehen hatte, darüber war sich die Statthalterin noch nicht einig.

Als zweiter Zug folgten die meisten der Kampfsklaven. Sie würde ein hartes Leben in den Minen erwarten. Schließlich waren es Kriegsgefangene. Sie mussten – im Gegensatz zu den Soldatinnen – auf den Knien vorwärts kriechen, die Hände ebenfalls an ihren Köpfen. Ein besonders kräftiger Sklave mit einem tätowierten Gesicht verzog seine kräftigen Kiefer zu einem grimmigen Ausdruck, wie eine junge Bogenschützin fand. Sie erwischte sich bei dem Gedanken, dem stolzen Krieger ihren Pfeil in den Allerwertesten zu schießen, doch wollte sie keinen Ärger mit ihrer Centuria riskieren. Es würde noch genügend Gelegenheiten geben, dem Koloss seinen Stolz auszutreiben…

Helena und Ceres jubelten innerlich und inspizierten die innere Wehranlage des Bollwerks. Doch noch immer war ein einzelner Turm, der Burgfried, verschlossen und unzugänglich. Megara befand sich dort, allein zurückgelassen von ihren wortbrüchigen Untertanen, mit sieben letzten Sklaven, die niemand gefragt hatte, ob sie hatten bleiben wollen. Die Diktatorin wusste längst, dass ihre Zeit vorbei war, aber dieses letzte Refugium gab sie noch nicht auf. Sie hörte weibliche Stimmen von außerhalb ihres Turms, die sie verspotteten. Die Imperatorin ballte ihre kleinen Fäuste und schluckte eine scharfe Antwort hinunter. Es würde die uniformierten Rebellinnen nur noch mehr anstacheln, wenn sie ihnen auf ihre Unverschämtheiten und Provokationen etwas erwiderte. Diese Missgeburten, die sich aufbliesen wie Kröten, würden eines Tages ihre verdiente Ernte einfahren.

Stattdessen schritt sie in das Gewölbe unter dem Burgfried und befahl ihren Sklaven oben zu bleiben. Den schweren Riegel zum Außentor des Turms hatte sie mit einer Kette verschließen lassen. Den Schlüssel trug sie stets bei sich. Selbst zu ihren letzten sieben Sklaven hatte sie kein Vertrauen mehr. Die ehemalige Herrscherin steckte sich eine Fackel an und begab sich mit dem tanzenden Lichtschein wieder zu der Geheimtür an dem groben Mauerwerk, öffnete den versteckten Durchlass und schlüpfte in den Gang dahinter bis zu der Stelle, an der sie den kleinen Durchbruch zu den Höhlen – oder war es ein Minengang? – gebrochen hatte. Sie vergrößerte ihn mühsam mit dem Schaft ihres Dolchs, schlug mit ihrer ganzen Verzweiflung und unterdrückten Wut auf die Ränder des Lochs ein, um es zu vergrößern.

Als ihr der Schweiß den Körper in Strömen hinab lief, fragte sie sich, warum sie nicht ihre Sklaven die Schufterei machen ließ. Wozu noch die Geheimniskrämerei? Sie stieg also wieder empor und befahl zwei der Leibeigenen hinab, die die Arbeit staunend aufnahmen. Mit der Geheimtür hatten sie nicht gerechnet. Megara erblickte sich in einem halbblinden Spiegel und riss ihre Augen auf: Ihr Kleid klebte ihr durch die Ströme Schweiß eng am Körper und zeigte jede Gestalt, jede Linie ihres göttlichen Leibes! Sogar die aufgestellten Brustwarzen ihres edlen Busens. Die Tyrannin stöhnte ob des grausigen Abbildes ihrer Selbst auf und sah sich verstohlen nach den Sklaven um. Wagte da etwa einer, sein Auge auf ihren kostbaren Leib zu werfen? Sie würde dafür sorgen, dass es seine letzte Sünde war!

Doch die Sklaven waren teilweise im Gewölbekeller, um an dem Durchschlupf zu ackern, andere hatten sich auf das Flachdach hinter die Zinnen gelegt, um an der frischen Luft ein wenig zu verschnaufen. Megara rümpfte ihr Näschen. Keinem war sie ein Blick wert! Diese unkultivierten Grobiane! Sie wurde nicht beachtet. Sie wurde ignoriert! Das war Insubordination! Oder Blasphemie! Schnaufend stieg sie die Wendeltreppe zur Dachluke hoch und jagte fünf Leibeigene hoch: „Kniet nieder vor eurer Gött… Vor eurer Königin! Vor eurer Majestät!“

Die Sklaven gehorchten. Doch erkannte Megara da erste Zeichen von Widerwillen? Was war in den Augen zu erblicken? Lustlosigkeit? Zweifel? Resistenz? Die Tyrannin griff nach einem Stock, der an der Wand lehnte und prügelte auf die Männer ein, die Schutz suchend die Wendeltreppe hinab liefen. Sie schrie ihnen hinterher: „Ihr seid es nicht wert, zu den letzten Bewohnern von Megaria zu gehören! Ihr seid nur Dreck! Dreck! Dreck! Dreck! Dreck!“ Megara schlug sich immer mehr in Rage, bis sie jäh einen festen Griff an ihrem Handgelenk spürte. Die Despotin öffnete verdutzt den Mund. Ihre Augen quollen ihr fast aus den Höhlen. Wagte es ein Sklave Hand an seine Gebieterin zu legen? War das möglich? War das vorstellbar?

Sie schaute auf die Pranke, die sie zwar nicht so stark hielt, dass es schmerzte, doch spürte sie die mächtige Gewalt, die dahinter steckte. „Nicht mehr schlagen… bitte“, sprach der muskulöse Mann in seinem Lendenschurz. Megara war völlig konsterniert, ließ den Stock fallen und sackte in sitzende Position zusammen. Ihre Augen blickten ins Leere. So weit war es also gekommen! Morgen würde der Fluchtweg frei sein. Dann würde sie verschwinden wie ein geprügelter Hund. Die Geheimtür würde sie von innen verriegeln. Sollten die Sklaven doch entweder im Burgfried ihr Schicksal erfüllen oder als Kriegsgefangene der Fama ein noch schlimmeres Übel erleiden. Wen juckte das?!

Nach zwei Stunden wurden die erschöpften Sklaven im Gewölbe von zwei anderen abgelöst. So schafften die Männer durch viel Fleiß innerhalb eines Tages einen Durchgang, durch den sich selbst ein Sklave zwängen könnte. Die letzte Zeit vor der Morgendämmerung wurde es ruhig im Burgfried. Alles schien zu schlafen. Als Megara am Morgen durch die wenigen Sonnenstrahlen aufwachte, die durch die Schießscharten des Turms hereinbrachen wie Lanzen aus Licht, stellte sie fest, dass sie allein war. Als erstes führte ihr Griff panisch zu ihrer Brust, um die sie den Schlüssel zur Türkette gebunden hatte: Er war noch da!

Erleichtert machte sie sich auf die Suche nach ihren Leibeigenen. Sie griff nach dem Stock. Was hatte sie für eine Lust, diesen Sklaven ihre Ärsche wund zu schlagen! Doch weder in den Obergeschossen des Turms noch im Kellergewölbe waren sie anzutreffen. Es blieb nur eine bittere Schlussfolgerung: Die Treulosen hatten durch den Fluchttunnel das Hasenpanier ergriffen. „Dieses Gewürm werde ich…“ - Megara konnte vor Wut nicht weiter sprechen. Sie würgte fast vor Zorn. Ihr gesamter Körper zitterte. Sie wollte schreien, doch hielt sie sich im letzten Augenblick zurück. Sie durfte jetzt kein Aufsehen erregen.

ALs nächstes stellte sie fest, dass die Sklaven die Schlüssel zu ihren Keuschheitsgürteln gefunden hatten. Megara brachte einen weiteren Seufzer hervor, der so tief schien wie der Burgbrunnen. Aber sie musste sich jetzt auf sich und ihr Leben konzentrieren. In einem Anflug von Wahn öffnete sie mucksmäuschenstill die Kette zum Eingang und entfernte die schweren Riegel. Dann lauschte sie an dem Tor. Jetzt bräuchte das verräterische Volk nur einzutreten! Aber bis dahin würde sie bereits im Geheimgang stecken. Sie packte die letzten Vorräte zusammen, darunter einen Lederschlauch mit Wasser, und dann stieg sie hinab in das Kellergewölbe, um ebenfalls durch den Tunnel zu entkommen und der Meute nachzujagen.

Beim Durchstieg riss eine scharfe Kante des Felsens ihr das Kleid bis zur Hüfte hoch auf, doch das war ihr jetzt gleichgültig. Als Bewaffnung hatte sie nur einen Dolch dabei. Alles andere war zu sperrig und schwer. Megara kämpfte sich durch den engen Gang. Er war sehr abschüssig, so dass sie mehrfach ausrutschte, und bald war ihr Haar voll mit Spinnweben und Dreck, ihre Hände und ihr Gesicht zeigten dunkle Spuren vom Staub und Schmutz der Tiefe. Die Fackel war ihr einziger Begleiter in dieser Einsamkeit unter der Oberfläche. Der Gang reichte weiter und weiter, wurde wieder enger und grober.

Megara stöhnte und ächzte. Ein Zurück gab es nicht. Sie musste weiter in die Ungewissheit. Wo würde sie auskommen? Wohin führte dieser Stollen? Landete sie in den Minen oder den Höhlen? Welches Schicksal hatten die Alten Götter für sie vorbestimmt? Der Tunnel schien geradewegs in die Unterwelt zu führen. Megara stolperte voran und eilte gehetzt weiter, als erwarte sie hinter sich nicht nur den Feind sondern auch die Dämonen des Todesreiches. Ihre Fackel brannte wild lodernd. Noch. Doch bald schon würde sie schwächer werden und schließlich versiegen. Die entmachtete Herrscherin wagte kaum daran zu denken, was dies bedeuten würde! Allein in der Finsternis und irgendwo in der unendlichen Einsamkeit der Höhlen!

Megara stolperte weiter über Fels und Gestein, bückte sich, um einigen spitzen Stalaktiten auszuweichen, die von der Decke herabhingen. Dann lief sie wankend weiter, gehetzt, mittlerweile erschöpft. Doch sie wollte so flink wie möglich wieder aus diesem grauenhaften Stollen hinaus. Irgendwo in der Dunkelheit tropfte es. Ihre Schritte hallten an den steinigen Wänden wieder. Doch was war, wenn sie ihr Weg nur in einen Minenschacht führte, in dem Arbeitssklaven schufteten? Dort würden auch Wachen sein. Famas Untertanen. Megara betete zu den Alten Göttern, dass sie den Zugang zu den Höhlen fand. Ihre gemurmelten Gebete verstummten abrupt, als ihr bewusst wurde, dass sie sich vor nicht allzu langer Zeit selbst als Göttin proklamiert hatte. Wie Hohn musste ihr Bittgesuch an die Alten Götter auf diese wirken.

Als Leda, Hagbard, Nike, Zelos, Arcanum, Maia und Boreas die Stadtmauern der alten Hauptstadt erreichten, schärfte Leda ihren Gefährten ein: „Denkt daran, dass wir nur Reisende sind. Wir dürfen uns auf keinen Fall verdächtig machen. Nike und Maia: Nehmt die Männer ruhig hart ran. Es sind nur Sklaven! Wahrt den Schein!“ Maia und Nike grinsten. Den Männern dagegen war ein wenig mulmig zumute.

Ledas Plan, sich als Wachfrau in den Kerker einzuschmuggeln, konnte sie bald vergessen. Der Vorfall in der Metropole mit der Schmiedemeisterin Gerra hatte sich bis zur Hauptstadt herumgesprochen, und nun herrschten besonders strenge Auswahlkriterien beim Personal. Trotzdem gab es auch in der großen Festung einige Soldatinnen, die sich für bare Münze gern ausfragen ließen. Und so erfuhr Leda, dass Abas noch lebte und in einem Kerker tief unter der großen Burg dahinvegetierte. Leda spürte einen Stich durch ihr Herz. „Oh, Geliebter! So nah – und doch so fern!“ Sie musste ihn sehen!

Da kam ihr ein Tumult zu Hilfe: „Alarm! Die Despotin ist geflohen!“ hieß es in den Straßen und Gassen. Aufgeregte Soldatinnen liefen umher, vor und hinter ihnen Kampfsklaven in voller Montur und Bewaffnung. Es schepperte, als sie in kleinen Trupps über die Wege stampften. Leda fragte eine Frau, die an einem Torbogen stand, was los sei. „Fama? Wieso geflohen?“ Die Frau sah Leda verständnislos an. „Nein, nein! Megara! Die alte Tyrannin ist aus ihrem Burgfried verschwunden!“

Die sonst so streng bewachte Zitadelle war nun frei zugänglich. Überall liefen Wachen umher, doch niemand schien sich für Leda zu interessieren. Alle suchten nur nach der Despotin, die wie durch Magie aus dem Burgfried verschwunden war. Niemand konnte es sich erklären. Auch die sieben Sklaven waren wie druch böse Magie in Luft aufgelöst. Durch eine Windböe war das Tor zum Burgfried wie durch Zauberhand aufgeschlagen. Im ersten Moment hatten die Soldatinnen ihre Bögen gespannt. Wollte Megara mit ihren sieben Sklaven in den Tod laufen? Oder kamen sie kleinlaut auf Knien heraus, um um Gnade und ihr Leben zu betteln? Doch schnell fanden sie heraus, dass von Megara weit und breit keine Spur war.

Leda konnte einfach so durch ein offenes Fallgitter mit gefährlich aussehenden Spitzen spazieren und die Festungsanlage betreten. Es war ein sehr merkwürdiges Gefühl nun inkognito in ihre ehemalige Residenz zurückzukehren. Irgendwie waren ihr die Gemäuer vertraut, und doch war alles so fremd. Vieles hatte sich geändert, war pompös verziert, eine ganze Reihe mit Strafprangern stand am Rand des Innenhofes, ein überdimensioniertes Mosaik zeigte Attribute des Matriarchats: kniende Männer vor Herrinnen, die Peitschen und andere Symbole der Macht in Händen hielten. Einige der dargestellten Frauen hatten einen Fuß auf den Rücken der Sklaven gestellt, die ihnen den anderen Stiefel küssten.

Der Kerkerflügel war leider doch noch bewacht. Leda kannte sich gut in der Burg aus, denn schließlich hatte sie hier als Regentin gelebt. Sie nutzte das allgemeine Durcheinander und wartete ab, bis gerade niemand in der Nähe einer alleine postierten Wächterin war. Dann ging alles blitzschnell: Sie überwältigte die Uniformierte, schleppte sie in eine dunkle Nische eines Mauervorsprungs, verkleidete sich und schritt selbstbewusst durch die langen Flure, ohne aufgehalten zu werden.

Schließlich erreichte sie ein Gelass, von dem aus eine Geheimtür zum Innenhof führte. Von dort wiederum gelangte sie zumindest schon in die Nähe der Kerker. „Wer da?“, hörte sie plötzlich eine strenge Stimme hinter sich. Leda wirbelte herum. „Wer seid ihr?“, fragte Leda zurück. Die Frau, die vor ihr stand, trug Reiterhosen der Soldatinnen und hohe Stiefel mit spitzen Sporen aus Metall. An ihrem Gürtel hing ein Säbel. „Ich bin Ceres, höchste Duxa und Senatorin der Statthalterin Helena. Und du? Ich hoffe, du hast eine gute Entschuldigung dafür, dass…“ Weiter kam sie nicht.

Leda hatte den Namen vernommen. Im ganzen Land war mittlerweile die Geschichte darum bekannt, wie Helenas Truppen Megaras Bollwerk stürmen konnten und wer das Geheimnis auf welche Art und Weise dem Königsgemahl Abas entlockt hatte. Einen kurzen Wimpernschlag später hatte Leda ihr Schwert blank gezogen und war auf Ceres eingestürmt. Als ehemalige Sklavenhändlerin war sie in der Waffenkunde nicht so geübt wie eine Soldatin, doch Ceres beherrschte ihre Klinge trotzdem ungewöhnlich gut und parierte die überraschende Attacke mit ihrem Säbel.

Die beiden Frauen fochten und schlugen aufeinander ein, drehten Pirouetten, hüpften durch den Gang, duellierten sich auf einer Treppe, gerieten beide in engem Gegeneinander auf eine Tischreihe und kämpften weiter, während unter ihren Stiefeln Schüsseln, Becher, Kelche und Schalen zersprangen, zu Boden klirrten. Ein Gemälde wurde zerfetzt, als Ceres mit ihrer Klinge weit bogenförmig ausholte und Leda unter dem tödlichen Hieb der scharfen Klinge wegtauchte. Das gemalte Bild zeigte Helena, wie sie, nun kopflos, stolz von einer Balustrade in die Ferne blickte. Ein ähnliches Schicksal erlitt eine kleine Statue aus weißem Marmor, die der Wucht von Ceres Schneide nicht gewachsen war.

Dann bot sich Leda endlich die Möglichkeit zu einem blitzartigen Vorstoß. Sie stieß ihr kurzes Schwert nach vorne und landete in einem weiten Ausfallschritt, doch Ceres konnte sich gerade noch zur Seite drehen, um dem Todesengel zu entkommen. Nun steckte die Spitze von Ledas Klinge fest in einem Wappenschild aus Holz. Auf Ceres grimmigem Gesicht zeigte sich ein grausames Lächeln. Sie hob ihre Waffe und holte auf die nun ungeschützte Leda aus. Die ehemalige Königin duckte sich weg, bekam Ceres Arm zu fassen und drückte ihn mit aller Kraft zur Seite und nagelte ihn förmlich gegen die Wand. Aus dem Augenwinkel bemerkte Leda, wie Ceres ihre linke Hand hinter dem Rücken verschwinden ließ. Einen Bruchteil des Moments später blitzte eine kurze kleine Klinge in der Hand der Duxa auf. Der spitze Dolch suchte sich den tödlichen Weg in Ledas Herz.
155. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von AlfvM am 14.07.21 20:54

Weiterhin eine spannende Geschichte. Ich bin gespannt wie es mit Leda ausgeht. Lass uns nicht so lange warten.
VG Alf
156. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 24.07.21 13:15

Doch er fand ihn nicht. Rasend schnell hatte Leda die Gefahr erkannt und das Handgelenk der Duxa weggeknickt. Durch den Schwung wurde Ceres mitgedreht und verlor für einen Augenblick das Gleichgewicht, stürzte aufkeuchend zu Boden und fiel mit dem Gesicht voran auf den nackten Marmor. Der hinterhältige Angriff war abgewehrt.

Leda bemerkte erst nach weiteren bangen Lidschlägen, dass Ceres sich nicht mehr rührte. War jene Widersacherin so unglücklich gefallen, dass sie bewusstlos geworden war? Es könnte auch eine Finte sein, argwöhnte Leda und stieß die Leblose mit der Stiefelspitze vorsichtig an, doch sie rührte sich nicht. Leda griff nach dem Säbel der Gegnerin und presste die Spitze gegen Ceres Rücken: „Steht auf, Weib! Oder ich durchbohre Euren sündigen Leib!“ Doch nichts tat sich.

Leda kniete sich hin und drehte Ceres auf den Rücken, immer auf der Hut vor einem tückischen Angriff. Doch die Duxa sah leblos wie eine Puppe an die hohe Decke. Ihr Blick war gebrochen. Ceres war tot. Leda bemerkte den Dolch: Ceres hatte sich selbst unglücklich beim Sturz ihre Klinge in den Leib gerammt. Ihre Heimtücke war ihr zum Verhängnis geworden.

Leda zwang sich, ihren Blick von der verhassten Duxa zu lösen. Sie musste Abas finden! Da kam sie auf eine Idee: Sie entkleidete Ceres und verwendete deren Insignien, um sich selbst als Duxa auszuweisen. Das würde ihr den Zugang zum Kerker öffnen. An zwei weiteren Posten kam sie vorbei, die zackig salutierten als sie die scheinbare Duxa bemerkten. Leda erinnerte sich: Noch diesen Gang entlang und dann durch die Pforte. Dort war der Eingang zum Kerkergewölbe, dem sie sich selbstbewusst mit der Autorität, die ihr die Uniform verlieh, mit strammen Schritte näherte.

Helena ahnte nichts von Ledas Anwesenheit. Sie schritt ungeduldig in ihrem Regierungssaal umher. Ihr Seidenumhang wehte hinter ihr her. „Wie hat diese Hexe es geschafft unbemerkt aus dem Burgfried zu entkommen? Ich glaube nicht an schwarze Magie! Und die sieben Sklaven? Wo sind die? Acht Personen einfach verschwunden! Das gibt es doch nicht!“ Sie öffnete das Fenster mit den Butzenscheiben, als würde sie hoffen, Megara auf wundersame Weise vor dem Palast zu entdecken. Doch nur zwei Männer mit vier Rössern standen dort, als warteten sie auf besseres Wetter.

Helena räusperte sich. Sklaven, die dumm herumstanden! Vor ihrer Residenz! Wer hatte ihnen das wohl befohlen? Gab es nichts zu tun? Warum vertrieben ihre Wachen dieses Gesindel nicht? Aber die Statthalterin hatte gerade andere Sorgen, als sich über zwei unbedeutende Leibeigene zu ärgern, die sich in der Hitze zu sonnen schienen. „Bringt Duxa Ceres herbei! Ich will wissen, was sie zu tun gedenkt! Sie ist schließlich meine Beraterin!“ Eine Gardistin eilte pflichtschuldig los. Helena seufzte. Wenn Fama, die Siegreiche, davon erfuhr, dass ihr Megara ihr abhanden gekommen war, dann würde ihr Kopf über den Marktplatz rollen.

Sie murmelte: „Die Wachen müssen gepennt haben! Sie haben sich betrunken und so fest geschlafen…“ Die Statthalterin wollte schon Befehl geben, sämtliche Soldatinnen samt Kampfsklaven, die um den Burgfried herum postiert waren, vor ein Scharfgericht zu stellen, doch dann wurde ihr klar, dass Schlamperei nicht der Grund der unentdeckten Flucht sein konnte. Es waren einfach zu viele Truppen um den Burgfried postiert. Da hätten ganze Hundertschaften schlafen müssen. „Aber wie ist das möglich?“, sprach sie zu sich selbst und grübelte darüber nach.

Die beiden Sklaven vor dem Palast hatte sie längst wieder vergessen. Sie hätte ihnen mehr Aufmerksamkeit gewidmet, wenn sie gewusst hätte, dass Boreas und Zelos dort auf Leda warteten. Auf Leda und, wie sie hofften, auch auf Abas. Obwohl sie skeptisch waren, ob Leda der gewagte Coup gelingen mochte. Nach außen wirkten die beiden Sklaven wie ein gelangweiltes Duo, doch innerlich bebten sie vor Aufregung. Statt sich etwas anmerken zu lassen, dösten sie scheinbar im Stehen vor sich hin und beäugten das Treiben auf der breiten Pflasterstraße, die zum Palast führte, und an deren Rand einige Stände mit Handelsgütern positioniert waren. An nichts mangelte es: Fisch, Fleisch, Obst, Gemüse, Gewandungen, Rüstzeug, Kohle, Gewürze und sogar Schnitzereien und Schmuckwerk boten die Kaufleute feil.

Auf einem Holzpodest waren fünf kräftige Sklaven in Hand- und Fußketten an Pfosten gebunden. Eine Händlerin in schwarzer Lederhose, karmesinrotem Kurzmantel mit silbernen Knöpfen und hohen schwarzen Stiefeln spazierte vor dem Podest hin und her und versuchte die vorbeieilenden Damen von einem Erwerb zu überzeugen. Die Leibeigenen trug nur einen Lendenschurz.

Manche potentielle Käuferin wollte die Männlichkeit betrachten, bevor sie „die Katze im Sack“ erstand. Mit einem Ruck zog die Händlerin die fünf Leinenfetzen beiseite. Die Männer wanden sich vor Scham an ihren Pfählen. Das war ein gutes Zeichen. Sie waren es noch nicht gewohnt. Frischfleisch war beliebt. Doch musste es auch zunächst noch erzogen werden. Aber das gefiel einigen Edelfräuleins gut, und daher achteten sie beim Kauf gewöhnlich darauf, dass die Sklaven noch nicht gezähmt waren.

Einer der Kreaturen war von der Natur in den Lenden nicht gerade vortrefflich ausgestattet worden. Er musste den Spott zahlreicher Zaungäste ertragen, ob er nicht lieber eine Maid sein wollte. Auch amüsierten sich einige Damen tuschelnd darüber, dass ausgerechnet der Sklave mit der magersten Gestalt den größten Phallus von allen hatte. Aber alles Interesse reichte nicht, um die Ware an die Frau zu bringen. Die Händlerin musste feststellen, dass keiner der Fünf eine neue Besitzerin finden würde, obwohl sie die Preise schon schmerzhaft gesenkt hatte. Es waren schwere Zeiten. Sie hob verärgert die Peitsche und versetzte allen Fünfen ein paar Streiche. „Ihr bringt mir kein Glück! Ihr Nichtsnutze! Niemand will euch haben.“

Sie sinnierte. Morgen würde sie ein Schild aufstellen: Zwei Sklaven zum Preis von einem! Und sie würde gegen eine Schutzgebühr einen Sklaven für eine Woche auf Probe mitgeben. Die Kundin konnte dann bei Nichtgefallen die Ware zurückgeben und ihre Münzen erstattet bekommen - wenn am Sklaven keine groben Schäden entstanden waren. Plötzlich tauchte eine Dame auf und fragte nach dem kräftigsten Mann. Sie zeigte auf den Sklaven. Die Händlerin löste ihn sofort vom Pfosten und befahl: „Los! Mach Kniebeugen! Zeig deine Beinkraft! Schneller! Oder willst du die Peitsche?“ Der Mann sank in die tiefe Hocke und streckte seine Beine wieder durch, wieder und wieder.

Die Handelstreibende zeigte begeistert auf den schwitzenden nackten Mann. „Er ist so stark wie zwei. Ihr könnt ihn vor einen Pflug schnallen und das Feld bestellen.“ Die Interessierte hielt skeptisch den Kopf schief. Die Geschäftsfrau band einen weiteren Sklaven los und ließ ihn sich auf die Schultern des Kraftpaketes setzen. „Seht Ihr? Er ist stark wie ein Bär!“ Die Dame fragte nach dem Preis. Nach einem kurzen Feilschen reichte sie ein Säckchen mit den geforderten Münzen herüber und nahm ihren Neuerwerb in Empfang. Das Fräulein reichte dem muskulösen Sklaven nur bis zur Brust. Die Arm- und Fußketten würde sie zu Hause entfernen lassen. Die Händlerin reichte ihr den Lendenschurz, aber die Dame winkte ab. Sie lächelte verschmitzt. „So ein prachtvolles Gemächt muss er doch nicht verstecken.“ Sie strich gedankenverloren über den glänzenden Körper des Mannes. Dann verschwanden sie im Trubel der Menge.

Kurz darauf gab es eine weitere Anfrage an die Sklavenverkäuferin. Eine Dame in Reiterhosen und weißer Rüschenbluse war vor dem Podest stehen geblieben. „Sagt, können Eure Geschöpfe auch kämpfen?“ Die Geschäftsfrau nickte. „Ich habe die besten Kämpfer des Landes.“ Sie löste zwei der vier restlichen Männer von ihren Pfählen und befahl: „Zeigt der Lady, was ihr könnt! Wer zuerst den Gegner auf den Rücken bringt, hat gewonnen. Der Verlierer bekommt die Dornenhose.“ Die Nennung des respektablen Strafgerätes reichte aus, um die Sklaven zu einem ambitionierten Ringkampf zu ermutigen.

Im Kerker unterhalb der Bastei lief eine Duxa die dunklen Gänge entlang, die nur durch einige wenige Fackeln in ein trübes Dämmerlicht getaucht wurden. Leda fragte eine Wächterin nach der Zelle des Königsgemahls und eilte weiter. Die Uniformierte zeigte ihr den Weg und blieb eine Weile später vor einer dicken Tür stehen, die mit Eisen ummantelt war. „Lasst mich ein!“, befahl Leda. Als die Wachfrau das Schloss geöffnet hatte, versetzte Leda ihr einen Hieb auf den Hinterkopf, der sie sofort in das Reich Morpheus schickte und auf den Steinboden zusammensinken ließ.

Leda schaute voller Hoffnung und Erwartung in die Zelle: Sie sah dort, in ein Eisenbrett gespannt, einen abgemagerten, alten Mann. „Habt ihr den Königsgemahl geseh…“, begann sie, da erkannte Leda ihren ausgemergelten Gatten. „Abas!“ Sie eilte zu ihm und fiel auf die Knie. „Oh, Abas! Mein Geliebter! Oh, Abas!!“ Der Gefangene trug einen Vollbart, wirre Locken auf dem Schopf und hob nur langsam den Kopf, als habe er kaum Kraft und außerdem starke Schmerzen bei jeder Bewegung. „Leda?“ Seine Frage hörte sich an, als glaube er nicht wirklich daran, dass sie vor ihm stand. „Ja, Abas, ich bin es. Ich hole dich hier raus!“ Leda strich ihm sanft über den Kopf. Abas kicherte leise: „Oh, Leda, du erscheinst mir wieder. Wie so oft. Dein Geist, er ist…“ Sie unterbrach ihn: „Nein, Abas. Ich bin es wahrhaftig! Schau her!“ Sie griff sein Kinn und hob den Kopf. Abas ächzte. Angst erschien in seinen Augen. Er litt keinen Trug?

Leda suchte fieberhaft nach den Schlüsseln zu seinem Eisenpranger, fand sie am Gurtgehänge der bewusstlosen Wachfrau, schloss Abas auf, der kaum laufen konnte, und stützte ihn. „Komm mit, wir müssen eilen!“ Nun kam der knifflige Part: Unbemerkt mussten sie aus der Festung entkommen. Dazu benötigte Abas eine Verkleidung. Und nun kamen ihre Gefährten mit ins Spiel.

Nike und Maia täuschten die Sklaventreiberinnen vor, die den scheinbaren Leibeigenen Hagbard in die Zitadelle trieben. Hin und wieder wünschte sich der ehemalige Berater von Königin Leda, dass er Arcanum mit dieser Rolle beauftragt hätte, denn die beiden Damen waren sehr überzeugend und jagten den in Ketten gelegten Sklaven vor sich her.

Maia hieb mit einem Lederknüppel zu, Nike hatte eine mehrschwänzige Peitsche, die sie auf Hagbard niederknallen ließ. Aus dem Handgelenk heraus nahm sie Schwung und peitschte die Striemen seitlich auf den Arsch des Sklaven, der jedes Mal, wenn er getroffen wurde, einen kleinen Sprung nach vorne machte und gerade so ein quiekendes Jammern unterdrücken konnte. „Los! Du Wurm! Ich mache dir Beine, wenn du deinen faulen Arsch nicht bald ein wenig behänder schwingst!“ Hagbard mühte sich in seinen Fußketten ab, doch mehr als Trippelschrittchen waren damit nicht möglich.

Als sie den Innenhof erreichten, hielt eine Wachfrau das Trio mit ausgestrecktem Arm auf. „Was ist Euer Begehr im herrschaftlichen Palast?“ Maia antwortete im Brustton aus Selbstbewusstsein: „Bringt uns zum Kerker. Wir haben einen Angeklagten, der der Richterin morgen vorgestellt werden soll.“ Die Wachfrau nickte zackig und führte die beiden Frauen mitsamt ihrem Sklaven in Richtung Kerker. Sobald sie durch einen Säulenbogen gegangen waren, sah sich Maia um: keine Zeugen weit und breit. Sie gab Nike ein Zeichen. In Windeseile war die Wache überwältigt und Hagbard aus seinen Ketten befreit. Maia zog sich die Uniform der Wächterin an und befahl vier Kampfsklaven, die in der Nähe Wasser aus einem Brunnen schöpften, eine kleine Sänfte zu besorgen.

Bald darauf erschienen die Männer mit dem gewünschten Transportmittel. Im nächsten Moment tauchten Leda und der hinkende Abas auf, der wirkte, als würde er fast zusammenbrechen. Nike winkte ihnen zu. Sie setzten Abas in die Sänfte und zogen die Vorhänge zu. Die Kampfsklaven schauten verwundert, wagten aber der Uniformierten gegenüber keine Fragen zu stellen oder gar Befehle zu verweigern. Hagbard schlüpfte mit in die Sänfte, was die Träger zwar ordentlich ins Schwitzen brachte, doch verfügten die mit Muskeln bepackten großen Kolosse über unglaubliche Kräfte und stampften mit ihren Schnürsandalen über den staubigen Hof Richtung Ausgangstor.

Schließlich erschienen Gardistinnen, die nicht so leicht zu täuschen wären. Also musste auch Nike noch in die Sänfte schlüpfen, was das ganze Tragegerät ein wenig zum Schwanken brachte. Doch die Träger gaben nicht auf und schleppten das hohe Gewicht weiter, während Maia in Wachuniform voranmarschierte. Trotzdem stoppte eine misstrauische Gardistin den kleinen Zug. „Wer seid Ihr? Wohin des Wegs?“

Da erschien Leda in ihrer Duxagewandung, die sie Ceres abgenommen hatte. „Lasst sie durch! Wollt ihr etwa die herrschaftliche Helena aufhalten?“ Die Gardistin nahm Habachtstellung an. „Ich wusste nicht…“ Sie winkte den anderen Wachen hastig, dass die Sänfte passieren dürfe. Als der kleine Zug in der Gasse vor der Palastmauer verschwunden war, kratzte sich die Gardistin am Kopf. Helena in so einer kleinen Sänfte? Und ohne Leibgarde? Und warum lief eine Duxa zu Fuß hinterher? Seit Megara aus dem Burgfried entkommen war, spielten alle verrückt.

Bei Boreas und Zelos angekommen, ließen sie die Läufer mit ihrer Sänfte zurück und teilten sich die vier Rösser. „Wir müssen so rasch wie möglich die Stadt verlassen!“, forderte Leda, die ihren Abas vor sich auf dem Sattel hielt und aufpassen musste, dass der Entkräftete nicht hinab fiel. Dann ging es im rasanten Galopp Richtung Westen, so weit wie möglich aus dem Machtbereich der Helena hinfort.

Dass die Gruppe keinen Moment zu früh aufgebrochen war, hörte sie hinter sich, als bereits Alarmhörner den Ausbruch signalisierten, so vermutete Leda. Doch in Wahrheit war Abas Flucht noch gar nicht entdeckt worden. Stattdessen hatte man Ceres gefunden. Helena tobte in der Zitadelle. „Seit wir diesen Königsgemahl in unseren Händen haben, verfolgt uns das Pech! Er ist verhext. Gardistin! Bringt mit seine Männlichkeit! Jetzt! Ich will sie unter meiner Stiefelsohle…“

Die Wache schickte sofort zwei Soldatinnen in den Kerker, den Gefangenen zu holen, und als sie erfuhr, dass er geflüchtet war, riss sie die Augen auf. Sie gab der Wortführerin eine schallende Backpfeife und stapfte davon. Als die Uniformierte dann mit der schlechten Nachricht zu Helena zurückkam, dass die Zelle des Abas leer sei, spielte die Stadtoberste mit dem Gedanken, das erstbeste Opfer, das ihr über den Weg lief, ihre Stahlklinge kosten zu lassen, doch sie riss sich zusammen, wie es sich für eine Statthalterin gehörte.

Helena warf alle Wachen und Dienstsklaven hinaus, goss sich einen Kelch voll Rotwein ein, trank ihn in einem Zuge leer und stierte gegen eine Wand, an der ein Gemälde mit Famas Antlitz hing. Sie zeigte mit dem Finger drohend auf das Portrait: „Ihr werdet mich nicht meines Amtes entheben! Eher werde ich rebellieren und meinen eigenen Stadtstaat ausrufen! Die Macht nimmt mir niemand mehr!“ Helena würde auch in Zukunft die Geschicke der Alten Hauptstadt lenken. Das nahm sie sich fest vor.

Als die Gardistinnen herausgefunden hatten, mit welchem Trick Abas befreit worden war, schickten sie die Träger der Sänfte in den Kerker. Sie würden in den nächsten Tagen der Richterin vorgeführt werden und ihre Strafe erhalten. Schließlich waren sie bei der Flucht beteiligt gewesen. Sie konnten froh sein, wenn sie nur mit blauen Hintern zur Zwangsarbeit in die Salz- oder Kupferminen geschickt wurden. Doch zu einem besseren Schicksal würde es nicht reichen. Das Gericht wusste, was die Herrscherin erwartete und würde ein Exempel statuieren.

Trotz der zahlreichen Söldnerinnen und Kampfsklaven, die von Helena auf die Flüchtenden gehetzt wurden, entkamen die Gefährten nach Westen. Denn nur wenige Meilen außerhalb der Stadtmauern gab es nur noch selten Menschen, die der Helena treu ergeben waren. Im Gegenteil: Je weiter die Jägerinnen nach Westen kamen, desto misstrauischer und feindseliger wurden sie von der Bevölkerung empfangen. Niemand gab ihnen Hinweise, wo sich die Gesuchten aufhielten. Ihre Spur versandete im Nirgendwo.

Schließlich mussten sie umkehren, weil sie ihre Beute endgültig verloren hatten und ein weiteres Vordringen nach Westen zu gefährlich gewesen wäre. Ledas kleine Reisegruppe dagegen wurde überall herzlich willkommen geheißen, gastfreundschaftlich begrüßt, versorgt und unterstützt. In den Siedlungen an der Westküste war ihre Reputation so groß, dass sie lauthals und begeistert bejubelt wurde. An ihrer Seite erhielt auch Abas, der sich inzwischen ein wenig erholt und sein Gesicht rasiert hatte, den gleichen Respekt entgegengebracht. Leda war den Tränen nahe, dass das Volk sie noch so sehr verehrte und als Königin anerkannte.
157. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 31.07.21 15:47

Leda, Abas, Maia, Nike, Arcanum, Hagbard und Zelos hatten nach wenigen Wochen eine ganze Schar von treuen Mitstreitern um sich versammelt. Vielen Menschen aus den westlichen Landen gefielen die neuen Gesetze der Fama genauso wenig wie die alten der Megara. Sie wünschten sich ein unabhängiges Königreich. Eine Protektorin, die ihnen die Freiheit garantierte. Zwar waren es vorerst nur etwa zweihundert Taugliche für den Kriegsdienst, doch auch in anderen Landstrichen stellten sich die Bevölkerung gegen die Machthaberin Fama.

Erste Nachrichten zu Aufständischen erreichte die Statthalterin Helena in diesen Tagen und ließ sie aufbrausend reagieren: „Schickt eine Truppeneinheit Kampfsklaven in die Dörfer und fackelt sie nieder! Jeder, der sich Fama nicht unterwirft, soll brennen!“ Die letzten Worte keifte sie laut wie Peitschenschläge. Natürlich sah auch Helena ihre eigene Macht schwinden, sollte es im Westen zu eigenständigen kleinen Königreichen kommen. Doch die Entwicklung war kaum aufzuhalten: Immer mehr Soldatinnen desertierten und tauchten in den kommenden Wochen unter. Sogar einige Sklaven vergaßen ihre Stellung in der Gesellschaft und flüchteten entweder nach Norden in die unberührten Wälder oder begehrten sogar offen gegen die Damen des Matriarchats auf.

Zwei Soldatinnen unterhielten sich eines Abends am Lagerfeuer über ihren Dienst, der sie bald für mehrere Tage als Aufpasserinnen der Sklaven in die Minen schicken würde. Eine Schwarzhaarige mit mandelförmigen Augen in einer Hirschlederuniform meinte: „Hast du von dem Sklavenaufstand in den alten Schächten gehört?“ Ihre brünette Kameradin nagte gerade an einem würzigen Fleischspieß, schüttelte den Kopf und hörte gebannt zu, wie die Kameradin erzählte, dass vor einiger Zeit dort unten eine ganze Kolonne Sklaven von Unbekannten befreit worden sei. Mit einer Hand griff die Zuhörerin in eine Schale mit Reis, der durch Safran ganz gelb gefärbt war. „Mindestens drei Dutzend Sklaven waren einfach verschwunden. Allerdings hat man alle nach drei Tagen wieder gefunden. Und es waren unerwartet sieben Männer mehr als vorher. Man munkelt, es handele sich um die letzten Begleiter der Megara. Aber genau weiß es niemand.“

Dann beugte sich die Schwarzhaarige vor und flüsterte: „Keiner der Männer trug mehr seinen Keuschheitsgürtel. Wer weiß, was da unten in den Stollen geschehen ist. Womöglich sind die Wilden übereinander hergefallen.“ Die Brünette, deren Mund und Nase mit Bratensaft verschmiert war, kicherte: „Nach so langer Abstinenz von aller Lust kein Wunder, oder?“ Sie warf den halb abgenagten Spieß weit hinter sich und hörte Kettenrasseln. Der schnellste Sklave würde sich den fettigen Leckerbissen schnappen – und der stärkste von ihnen würde ihn verspeisen.

Unsichere Zeiten zogen auf. Bei kleineren Scharmützeln überall im Lande und auch in den Städten zogen die meisten der Aufrührer zwar den Kürzeren und mussten mit empfindlichen Strafen rechnen; doch obwohl die Ladyschaften hart und unerbittlich gegen jede Form von Befehlsverweigerung oder Flucht vorgingen, zerfiel das Vereinte Imperium in kürzester Zeit in zahlreiche kleine autarke Herrschaftsgebiete, von denen sich die meisten als Königreiche ausriefen. Die Landkarte zerbröselte in zahllose Herrschaftsgebiete.

Einige Duxas, denen ihre Einheiten treu folgten, setzten sich ab und annektierten einen Landstrich; reiche Edeldamen beanspruchten eine Region für sich und verfügten über genügend hörige Sklaven und Mitstreiterinnen, so dass sie ein kleines Reich bildeten. Mit ihrer Privatarmee konnten sie ihr Anwesen samt kleiner Siedlung und den umliegenden Feldern gegen jegliche Eindringlinge verteidigen. Der Wille der Gebieterin war Gesetz. Doch außerhalb dieser Mauern galten wieder andere Regeln, so dass die Kleinreiche stets zwischen Krieg und Handel abwägen mussten, um ihre Überleben zu sichern. Die Koexistenz mit rivalisierenden Reichen war notwendig, denn kein Staat war völlig autark.

Aber auch ehemalige Sklaven brachten es bis zum Machthaber. Es gab Mannsbilder, die so viel Charisma ausstrahlten, dass ihnen hunderte flüchtige Leibeigene folgten, und die auch die Bevölkerung hinter sich brachten, die froh war, dass sie in den unsicheren Zeiten einen Führer hatte, der sie beschützte. Einen männlichen Protektor, der sie vor dem Matriarchat absicherte. Wie Jünger folgten sie einem dieser Männer freiwillig und glaubten an die Allmacht ihres Idols. Die fleischliche Lust sollte jeder mit jedem frönen, so sein Dogma. Polygamie war für die Gruppe natürlich und normal. Doch die Orgien, die beinahe täglich stattfanden, führten auch zu Streit und Eifersucht, so dass sich vereinzelt Paare abspalteten und alleine ihr Glück in den Wäldern suchten.

Helena sagte sich von Fama los und rief sich schließlich zur unabhängigen Königin aus, doch viel mehr als ein – wenn auch reicher – Stadtstaat war ihr Reich nicht. Dafür residierte Helena im größten Palast des Alten Kontinents. Und sie trug wohl auch die pompöseste Krone von allen Herrscherinnen, denn sie hatte Megaras goldenen Widderkopf mit den großen Rubinen für sich entdeckt. Sie liebte es, wenn ihre Dienstsklaven und Untergebenen vor Angst schlotterten, wenn sie vor ihren Thron gebracht wurden.

Helena, die Widderkönigin, so nannte sie ihr Volk bald. Und ihre Strafen waren gefürchtet. Nicht nur die Peitsche regierte, sondern Helena hatte Schandmasken aus schwerem Schmiedeeisen herstellen lassen, die der Widderkrone ähnelten, aber einen halben Zentner wogen. Sie waren mit dem Kopf des Delinquenten verbunden und absperrbar. Manche Verurteilten mussten damit von Sonnenauf- bis untergang auf dem Marktplatz stehen. Andere ließ sie ihm Kerker des Palastes damit an die Wand ketten.

Der Liebessklave der erstochenen Ceres, Aphron, wurde zu Helenas privatem Harem gesteckt. Doch hatte Helena nicht vor, den Lustsklaven jemals wieder aus seinem Keuschheitsgürtel zu erlösen. Er galt ihr eher als eine Art Trophäe, ein Erinnerungsstück an ihre Duxa, die durch eine List Megaras Bollwerk erobert hatte. Das einzige Präsent, das er von ihr hin und wieder erhielt, war eine rote Blume, die auf seinem Arsch aufblühte, wenn sie lustvoll eine kurze Geißel mit ledernen Knoten schwang, um sich an dem Quieken des Empfängers zu weiden. Danach fragte sie ihn, ob er gern aus dem Keuschheitsgürtel erlöst werden wollte, und nachdem er dies sehnlichst bejaht hatte, lachte sie ihn hämisch aus und griff sich einen anderen Liebessklaven, um mit ihm vor den Augen des Abgewiesenen der Lust zu frönen.

Die Monarchin Fama verfügte neben der Metropole nur noch über einen Teil der östlichen Lande. Überall auf dem Alten Kontinent entstanden kleine autonome Herrschaftsgebiete, über die sie keinen Einfluss mehr geltend machen konnte. In der Metropole allerdings führte sie weiterhin ein strenges und unnachgiebiges Regiment nach ihren Regeln und Gesetzen. Die Stadtmauern wurden verstärkt, so dass keine Feinde die reiche Stadt überfallen könne, so hieß es. Sie war nun uneinnehmbar.

Doch war der wahre Grund wohl eher, dass Fama Sorge haben musste, dass noch weitere Einwohner ihr geliebtes Reich verlassen würden. Und Sklaven, die es erst bis außerhalb der Stadtgrenzen geschafft hatten, würden in der Umgebung bald Unterschlupf bei anderen Machthabern finden – einigen Leibeigenen gelang dies, einige wurden Fänge der ausrückenden Soldatinnen und mussten mit den Konsequenzen leben, die meist sehr schmerzhaft und erniedrigend waren. Da stand sie Megara in nichts nach.

Fama schickte in dieser Zeit mehrmals einige Kuriere ins Umland, um Menschen, die sich ihr anschließen wollten, freies Geleit und Amnestie zu gewähren, falls sie sie verraten und sich dem Feind angeschlossen hatten. Doch diese Versuche, ihr Reich zu mehren, blieben meist erfolglos. Manch Bote kam nicht mehr zurück. Und die, die mit leeren Händen erschienen, ließ Fama für ihr Scheitern auf dem Markt nackt in den Pranger stellen und der Willkür ihrer Untergebenen aussetzen.

Dabei war dies noch eine moderate Bestrafung. Unter Famas harscher Herrschaft gab es für besondere Vergehen die „Honigstrafe“. Der Delinquent wurde zwischen vier Pflöcke am Boden gespannt. Dann schmierten ihm die Schergen der Autokratin die Lenden mit Honig ein. Den Rest übernahm die Natur. Bei der Honigstrafe waren Dutzende Zaungäste garantiert und erfreuten sich an dem Spektakel. Damit schlug Fama zwei Fliegen mit einer Klappe: Sie sorgte für abschreckende Beispiele, und zugleich stieg ihre Beliebtheit im Volk für diese Schauspiele, denen viele Damen als Zeitvertreib sehr gern frönten.

Der ehemalige Majordomus der Leda, Honos, hatte Pech: Er musste auch weiterhin als Kettensklave in den Kupferminen schuften, denn der Schacht lag noch innerhalb der Stadtgrenzen der Metropole. Er hatte die Hoffnung auf eine Befreiung längst aufgegeben und sich mit seinem düsteren Schicksal abgefunden. Er buckelte sich krumm und würde eines Tages in seinen Ketten in irgendeinem dunklen Stollen zu Boden sinken und die Augen schließen. Die Sklaven, die in einer benachbarten Mine tätig waren, hatten dagegen Glück, denn sie wurden von rebellischen Leibeigenen befreit und schlossen sich einem kühnen Recken an, der sie nach Norden in die Freiheit führte, wo kein Mensch ein Sklave war und jeder für den eigenen Münzbeutel arbeitete.

Famas Töchter Aurora und Vesta profitierten von den politischen Wirren. Die Königin hatte keine Nerven mehr übrig, sich das ständige Gejammer ihrer missratenen Brut anzuhören und entließ sie aus ihren Keuschheitsgürteln. Die beiden Gören hatten nichts Besseres zu tun, als ihre neue Freiheit ausgiebig mit einem undamenhaften Zechgelage zu feiern, zu dem auch mehrere Dienstsklaven genötigt wurden. Aurora und Vesta glänzten dabei nicht gerade mit Bescheidenheit, was ihre lüsternen Wünsche und Triebhaftigkeit angingen. Den Leibeigenen im Hause der Fama wurde klar: Böse Zeiten waren angebrochen. Die gefürchteten Prinzessinnen kannten keine Grenzen in ihren bösen Streichen und sadistischen Spielen.

Ein Tag später wurde ein bestimmter Dienstsklave nackt und mit gestriemtem Hintern in eine Kerkerzelle gebracht. Aurora beobachtete, wie er von Wächterinnen grob hineingestoßen wurde. Kurz darauf folgten drei riesige Kampfsklaven, die dem Gefangenen in dieser und den nächsten Nächten Gesellschaft leisten würden. Aurora blieb noch über eine Stunde auf ihrem Beobachtungsposten stehen und naschte dabei genüsslich Honigmaronen. Befriedigt und mit maliziösem Grinsen verfolgte sie fasziniert das grausige Geschehen in der Zelle wie in einem Theaterstück und lauschte dem eindringlichen Flehen und würdelosen Jammern des Sklaven, der sie auf so schändliche Weise erpresst hatte. Dafür würde er nun teuer bezahlen. Wieder und wieder und wieder. Später wollte sie noch das Brandeisen schwingen, um dem Geschehen ein befriedigendes Ende zu setzen.

Vesta war derweil in einem weißen Seidenkleid im Lustgarten und herrschte zwei Sklaven an, die damit beschäftigt waren, ein Blumenbeet aus Amaryllis anzulegen. Einer von beiden hatte eine der weiß-roten Blüten gepflückt, stellte die Prinzessin fest. Beide verneinten vehement. Vesta befahl den beiden, sich abwechselnd Backpfeifen zu geben, bis einer gestehen würde der Schuldige zu sein. Die Hände klatschten ins Gesicht des Gegenübers, wieder und wieder.

Es dauerte eine ganze Weile, und beide Wangen waren dunkelrot gefärbt, bis einer aufgab und sich trotz seiner Unschuld bekannte, weil er keine andere Möglichkeit sah. Vesta freute sich diebisch. Sie ließ den Täter entkleidet über ein liegendes Fass binden und strich fast liebevoll über eine lange Rute in ihrer Hand. Sie würde die Hinterbacken des jungen Mannes der Farbe seiner Wangen anpassen. Bald schon schluchzte der Jüngling, der nur wenige Jahre älter als die Prinzessin war, herzzerreißend. Doch das stachelte Vesta nur noch mehr an. Je weiter die Züchtigung voranschritt, desto mehr spürte sie unter dem Kleid ihre Venus wohlig kribbeln, die vor lauter Erregung Freudentränen vergoss.

Der Sklave winselte und schwor, die Blume nicht gepflückt zu haben. „Ich habe es nur gesagt, damit die Backpfeifen aufhören...“ Vesta atmete empört aus. „Du hast deine Prinzessin angelogen?! Na, dir werde ich deine Lügenmärchen austreiben!“ Der Sklave sollte es büßen mit unwahrer Zunge gesprochen zu haben. Das zierliche Fräulein tänzelte hinter dem Mann und schlug erneut herzhaft zu. Wieder und wieder auf das geschundene Sitzfleisch. Sie hieb sich in einen regelrechten Rausch.

Als sie ihre Kräfte verließen stolzierte sie zum Kopf des Leibeigenen und ging in die Hocke, um ihm ins Antlitz schauen zu können. „Ich vergebe dir.“ Der Jüngling schluchzte und stammelte dankbare Worte. Tränen liefen ihm über die Wangen und tropften vom Kinn. Vesta stand auf und ging zur Tür. Die Wache wies sie an, den Sklaven über die Tonne gebunden zu lassen. „Er erhält alle volle Stunde zehn Hiebe mit dem Stock bis zur Morgenröte.“ Die Uniformierte salutierte. „Jawohl, hochgeehrte Prinzessin.“ Frohlockend kehrte Vesta in ihre Kammer zurück. Sie winkte einen Diener herbei. „Bringe mir einen Tiegel Salz.“ Den würde sie morgen benötigen. Doch zunächst brauchte sie ihren erholsamen Schlaf in den Seidenkissen ihres Nachtlagers, in das sie ihren königlichen Leib samt zartem Po bettete.

Die Umwälzungen in den Machtverhältnissen sorgten für völlig neue Konstellationen.
Sogar eine alte Weggefährtin der Fama nutzten die Gunst der Stunde nach den Kriegswirren und rief ein eigenes Königreich aus: Cassandra, eine Großgrundbesitzerin mit Zuckerrohrplantagen und tausenden Sklaven ließ von Söldnerinnen ihren Grund und Boden sichern und erschuf ein Männer verachtendes und absolutistisches Regime, gegen dass das alte Matriarchat der Fama oder der Megara noch als tolerant zu bezeichnen war. Das Reich dieser Imperatorin war neben Famas und Helenas eines der mächtigsten Gebiete.

Die Leibeigenen, die in ihrem Besitz schufteten, wussten nur vom Hörensagen, dass einige andere Mannsbilder in der Umgebung frei lebten. Ihre Ketten und die schweren Hals-, Arm- und Fußbänder ließ ihnen keine Wahl. Sie mussten ihr Schicksal annehmen, sich den ganzen Tag zu schinden, damit die Ladys der Gesellschaft in Saus und Braus feiern und sich verlustieren konnten. Für sie gab es nur die Arbeit, zwei karge Mahlzeiten und den kurzen Schlaf. Und selbst der wurde oft noch durch die nächtlichen und lauten Feierlichkeiten der lachenden Damen gestört.

Das Leben der Sklaven unter Cassandra war eher ein Dahinvegetieren. Doch wer eine Regel missachtete oder einer Lady aus anderem Grund missfiel, der musste mit drakonischen Strafen rechnen. Regelmäßig wurden mit Fett eingeriebene Pfähle aufgestellt, auf die Angeklagte gespießt wurden. Die Höhe der Holzstäbe war so gewählt, dass der Leibeigene sich nicht ernsthaft verletzte, wenn er auf den Zehen stand, doch sich von alleine nicht mehr von dieser perfiden Fixierung lösen konnte. Hände und Kopf waren in einem Brett positioniert, das er auf den Schultern trug. Manche waren stattdessen vom Hals bis zur Taille mit einem langen Hanfseil eingewickelt. Die Häscher der Cassandra in ihren hautengen Lederuniformen und den gebogenen Klingen ihrer Blankwaffen, die an eine übergroße Sichel erinnerten, ließen sich immer wieder neue Gemeinheiten einfallen. Aber Zucht und Ordnung waren wichtig.

Da hatten es die Kutschensklaven noch vergleichsweise gut. Vier in einer Reihe, drei Reihen voreinander, zogen sie die edlen Wagen der Ladys aus Cassandras direktem Umfeld. Oft nutzten die reichen Fräuleins das schöne Wetter, um Lustfahrten mit ihren Fahrzeugen zu unternehmen. Manche hatte ein Dutzend Sklaven hinter die Kutsche gebunden, die zur Ablösung der erschöpften eingespannten Zugkreaturen dienen sollten.

Die Zweibeiner trugen ein Brustgeschirr, einen Hüftriemen und eine Armfessel auf dem Rücken. Die Deichsel war mit dem Zaumzeug an Brust und Hüfte verbunden. Leinen führten von der Kutscherin zu den Kandaren der Läufer. Als Kopfschmuck diente eine Haube oder ein Kopfriemengeflecht mit einem senkrechten Federbusch auf dem Haupt. Außerdem verliefen am Kopfzeug Schlaufzügel, die die Zweibeiner zwangen, den Kopf tief auf die Brust zu drücken. Dazu trugen sie dicke Stiefel aus hartem Leder und natürlich ihre Keuschheitsgürtel - wie jedes Mannsbild. Manche Edeldamen fanden es schick, den Sklaven Holzzapfen mit einem hübschen Schweif in den Anus zu bohren, um sie mehr wie Pferde aussehen zu lassen.

Damit sich die Lady während der Fahrt ganz entspannt in ihrem Plüschsessel der Landschaft und vielleicht einem süßen Küchlein und einem guten Tropfen widmen konnte, saß auf der Pritsche gewöhnlich eine Kutscherin mit Peitsche, die das Gefährt steuerte. Es gab aber auch einige Fräuleins, die lieber persönlich die Geißel schwangen und die Zweibeiner antrieben, bis diese strauchelten und zusammenbrachen. Besonders gefürchtet war unter den Kutschensklaven eine Strecke, die einen langen Hügel hinaufführte, der so steil war, dass er üblicherweise nur unter immensem Einsatz der Peitsche bewältigt werden konnte.

Die Arbeit als Kutschensklave war hart und sehr anstrengend, doch die Männer erhielten reichlich zu essen, um bei Kräften zu bleiben. Man erkannte diese Leibeigenen schon an ihren dicken Oberschenkelmuskeln und den ausgeprägten Waden, allerdings auch an den geschundenen knackigen Hinterteilen, die regelmäßig von einer langen Peitsche geküsst wurden. Waren die Edeldame und die Kutscherin zufrieden mit der Laufleistung, so erhielten die zweibeinigen Pferde eine weiche Ruhestätte aus Stroh und genug Haferbrei; doch wenn das nicht der Fall war, halfen Einzelunterricht und die Peitsche weiter. Es gab auch hin und wieder Ausschussware, denn wer konnte humpelnd eine Kutsche ziehen? Die ging dann in die Minen oder auf die Felder, um noch für etwas nützlich zu sein.

Die Feldarbeiter, die am frühen Morgen in Kolonnen in ihren Ketten an den Strafpfählen vorbeizogen, hatten sich an den Anblick der mitleiderregenden Kreaturen gewöhnt. Sie gehörten zum Landschaftsbild wie die Dornensträucher und Olivenbäume der Region. Hin und wieder machten sich Wachfrauen der Cassandra eine Gaudi und gaben den nach Wasser lechzenden Leidenden einen Schlauch mit Wein zu trinken, um sich anschließend über deren Trunkenheit lustig zu machen und weitere böse Scherze zu treiben.

Im Westen des Kontinents wurde die von Megara gestürzte Königin Leda wenige Monde später als neue Regentin gefeiert: Ledanien nannte sie den Küstenstrich, der nach und nach immer mehr Einfluss in der Region gewann. Ihr kleines Reich sollte ganz in der Tradition von Talos III. geführt werden, bevor Megara den Geist des Herrschers vergiftet hatte. Inzwischen hatte Leda tausende Anhänger, eine kleine, aber gut gerüstete Armee und zahlreiche Untertanen, die ihrer Königin zujubelten und für sie durchs Feuer gehen würden.

Hagbard war ihr Majordomus und wichtigster Berater geworden, Zelos oberster Gardist. Abas, ihr Gemahl, teilte sich mit Leda die Macht, doch folgte er in erster Linie den Wünschen seiner Retterin. Zu Anfang war es hart für Abas, seine Eifersucht im Zaume zu halten, denn er hatte nun davon erfahren, dass Leda auch mit Hagbard und anderen Recken das Bett geteilt hatte. Doch mit der Zeit akzeptierte er es. Schließlich hatte er selbst auch so mancher weiblichen Schürze nicht nur hinterher gegafft. Wenn er bedachte, dass er vor einer scheinbaren Ewigkeit als Jüngling in die Hauptstadt gereist war, weil die Königin Megara auf Bräutigamschau war, hatten die Schicksalsspinnerinnen so einiges mehr für ihn ausgedacht, als er je für möglich gehalten hätte. Wie naiv er damals gewesen war! Abas schüttelte seinen blonden Kopf, der mittlerweile schon erste graue Strähnen aufwies.

Aber ansonsten hätte ich niemals das wunderbarste Weib der Welt kennen und lieben gelernt, bedachte er. Das Schicksal hatte die Soldatin Leda und den Goldschopf Abas zusammengeführt und wieder getrennt. Doch keine Macht konnte ihre Wiedervereinigung verhindern. Selbst, wenn Abas beinahe der hinterhältigen Ceres verfallen wäre, die ihre teuflischen Verführungskünste wie Gift verspritzt hatte. Nun waren die Liebenden wieder beisammen und wollten es ewig bleiben.
158. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von sheeeep am 31.07.21 22:14

Ganz prima Kapitel...ohne wenn und aber...wenn ich nur an die Kutschsklaven denke.....Kopfkino! Herzlichen Dank dafür!



Liebe Grüsse
159. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 08.08.21 13:43

Maia und Boreas lebten in einer schmucken Kate, die sie mithilfe von einigen rechtschaffenen Knechten und emsigen Mägden bewirtschafteten. Sie brachten es bald zu ordentlichem Wohlstand, denn die fruchtbaren Böden erzeugten so viel Ernte, dass sie die Wochenmärkte der ganzen Region beschicken konnten. Eigens dafür angeschaffte Ochsenkarren brachten die Kisten mit dem frischen Gemüse und Getreide über die langen Wege in die Siedlungen an der Küste.

Ob Boreas noch oder wieder einen Keuschheitsgürtel trug - das blieb das Geheimnis der Beiden. Doch man munkelte, Maia trüge unter ihrem Kleid ein Lederhalsband mit einem Schlüssel daran. Jedoch wuchsen niemals Gerüchte, sie sei ihrem Recken nicht treu. Ein jeder Galan, der sich herausputzte, um sie zu beeindrucken, erhielt einen Korb. Und so lebte das Paar zufrieden in ihrem geräumigen Bauernhaus, das mit feinstem Fachwerk verziert war.

Cain, der ehemalige Liebessklave der Senatorin Kerbera, hatte sein Glück an der Küste als Fischer gefunden und erfuhr zu seiner Zufriedenheit, dass der Landstrich unter dem Schutz einer gewissen Leda stand, die das Reich Ledanien ausgerufen hatte. Vielleicht würde er seine Majestät eines Tages besuchen, der er sein neues Leben zu verdanken hatte, und ihr die Treue schwören, sollten Soldaten benötigt werden. Doch vorerst widmete er sich den Küstengewässern und fuhr mit Kameraden über die Wellen, um die Netze auszuwerfen und am Abend mit reicher Beute in den Hafen zurückzukehren.

Von Weibern hatte er genug und blieb lieber für sich in einer kleinen Hütte in den Hügeln an den Dünen, die über einen hölzernen Weg zum Strand führten. Manche Leute erzählten sich, Cain sei auf einem seiner Fischzüge von einer betörenden Meerjungfrau verhext und seiner Männlichkeit beraubt worden. Auch Cain hatte davon flüstern hören, doch darüber konnte er nur schmunzeln. In seiner Hütte war zwar kein Platz für ein Weib, doch seine Lust wusste er auf andere Weise zu sättigen.

Arcanum ließ sich in der Umgebung als Jäger nieder und lernte bald ein treues Weib kennen, das nicht nur sein Bett sondern auch seine Jagdleidenschaft teilte. Die Beiden waren gern gesehene Gäste von Maia und Boreas, wenn sie ein Ausflug in die Nähe des Gehöfts verschlug, denn sie brachten meist leckeres Wildbret mit zu Tisch, das dann über dem Feuer knusprig gebraten wurde. An solchen Tagen saßen die Gefährten noch bis tief in die Nacht zusammen und erzählten von früheren Erlebnissen während sie aus Tonbechern durstig trefflichen Wein oder Met süffelten.

Nike trat wieder als Gardistin in Ledas Dienste und musste sich zunächst daran gewöhnen, dass sie nun Zelos, dem ehemaligen Stallburschen, zu gehorchen hatte, wenn dieser einen Befehl gab. Anfangs ließ er sie deutlich spüren, dass er nun das Heft in der Hand trug, doch kurz darauf verloren sich seine kleinen Sticheleien. Vielleicht wären die beiden sich sogar näher gekommen, wäre da nicht das dienstliche Verhältnis im Wege gewesen. Aber eine unschickliche Liebelei zwischen Gardistin und Gardistenführer wäre unsittlich und ungehörig gewesen.

Doch als alte Jungfer wollte Nike nicht enden, so dass sie bald schon mit dem hübschen sommersprossigen Küchengesellen gesehen wurde, was ihr zunächst den einen oder anderen Spott der anderen Gardistinnen und Gardisten einbrachte. Aber Nike schien sich nicht darum zu scheren. Einige Zeit später präsentierte sie den staunenden Kameraden und Kameradinnen sogar einen ominösen Schlüssel, den sie um ihren Hals trug. „Dies ist der Schlüssel zu meinem Liebsten“, erzählte sie mit einem verschmitzten Lächeln. Doch sie ließ ihre Zuhörer im Unklaren, was genau sie damit meinte.

Nur wenige Eingeweihte wussten die Worte richtig zu deuten. Ob Nike jedoch ihrem Liebsten treu war, wie er ihr, das blieb ihr Geheimnis. Zumindest gab es auf Ledas Sitz so manche feschen Burschen zu finden, sei es im königlichen Stall oder Boten in der Burg, Diener oder Lehrlinge in Schmiede, Bäckerei und Tischlerei sowie Lakaien. Und eine Liaison mit einem Gardisten wurde ihr nachgesagt, der sich später damit brüstete. Forthin musste der Küchengeselle sich dem Spott eines gehörnten Liebhabers aussetzen, was er jedoch stoisch mit gesenktem Kopf ertrug.

Eines Abends saß Leda mit Abas zu Tisch in ihrer kleinen Burg, die die Bevölkerung für sie gebaut hatte, und hielt Abas die Hand. Die Festung war gewiss winzig zu nennen, wenn man sie mit dem gigantischen Bau in der ehemaligen Hauptstadt verglich, und sie war zur Hälfte aus Holzpalisaden gezimmert, doch wehte auf ihren Türmen nicht weniger stolz die Wappenfahne von Ledanien: eine aufrechte Löwin mit einem Schwert in der mit Krallen bewehrten Pranke.

Im Hintergrund flackerten Kandelaber leise knisternd und auf dem rustikalen Eichentisch standen zusätzliche Wachskerzen. Eine weiße, schlichte Decke aus Leinen lag unter dem Zinngeschirr, von dem sie aßen. Leda verzichtete auf Pomp. Lieber teilte sie ihr Gold mit ihren Untertanen, die ihr ihre Güte mit großer Treue dankten. Es gab nur geringe Abgaben, die nach Vermögen gestaffelt waren, und Mittellose mussten gar keine Steuern zahlen. Im Gegenteil: Leda ließ an die Ärmsten kostenlos Suppe austeilen. Auch auf Krone und Zepter als Machtinsignien verzichtete sie. Nur ein kleines Diadem aus Gold und mit eingefassten Blautopassteinen in ihrem Haar demonstrierte ihre Vormachtstellung als Regentin. Und Abas trug als Königsgemahl lediglich einen goldenen Siegelring mit dem Wappen von Ledanien am Finger.

„Ist es nicht eine Ironie des Schicksals, dass nur Megaras Flucht deine Befreiung möglich gemacht hat? Ohne das Durcheinander der Wachen wäre ich niemals bis in den Kerker vorgedrungen.“ Die Regentin sprach nicht aus: „Ich wäre schon irgendwie zu dir gekommen. Doch wohl nicht wieder hinaus…“ Abas nickte: „Ja, Liebste.“ Eine kurze Pause entstand, in der nur das Surren der Zikaden durch das offene Fenster zu hören war. Dann fragte Abas: „Was glaubst du, was mit Megara geschehen ist?“ Leda zuckte mit den Schultern. „Wir werden es vielleicht niemals erfahren. Aber eines ist sicher: Die Ära der Megara ist endgültig vorbei.“ Abas beugte sich näher zu Leda und nahm seine Königin zärtlich in den Arm. Dann küssten sich beide innig. Ihre Augen lächelten sich liebevoll an, als wollten sie sich sagen: Ich liebe dich.

Viele Meilen weiter ostwärts in einem kleinen Königreich am Ostmeer: Ein Mann in einem obsidianfarbenen, langen Gewand entzündete einen Sud aus Kräutern und geheimen Ingredienzien. Vor wenigen Monden hatte er sich während der großen politischen Wirren als Haussklave seiner Gebieterin nach Osten abgesetzt. Nun lebte er als Seher und Heiler in einem Landstrich, in dem die männliche Bevölkerung von Weibern nicht unterdrückt wurde. Caduceus sah erst undeutliche Schemen, dann entstand vor ihm das Bild einer dunklen Mine…

Schreie.
Panik.
Schritte.
Schnaufen.
Eine Lichtkugel erlischt.
Von Rauch geschwängerte Luft.
Höhlen mit spitzen Stalaktiten und Stalagmiten.
Scharfe Felsränder.
Dann jähe Rufe.
Animalisches Brüllen.
Spitze Schreie.

Caduceus griff sich verkrampft an die Schläfen. Er hatte das Gefühl, dass sein Schädel platzte, doch er wollte die Vision nicht gehen lassen. Er wollte begreifen, was er da sah!

Ausgestreckte Hände.
Pranken.
Sie packen zu.
Greifen nach lebendigem Fleisch.
Kämpfen und streiten chaotisch darum.
Zerren und kneten.
Seide reißt.
Fetzen fallen auf den dunklen Steinboden.
Kreischen schallt ohrenbetäubend durch die Höhlen.
Wilde Echos hallen von den Wänden zurück.

Jetzt entzünden sich Lichter.
Rußende Fackeln.
Das Fleisch ist umringt.
Der Kreis verengt sich, Leiber nähern sich.
Nun geht es geordneter zu.
Geordneter, doch nicht gesitteter…

Caduceus spürte männliche Triebe und Wut.

Macht.
Zorn.
Animalische Instinkte.
Lechzen nach Befriedigung.
Dutzende Mannsbilder drängen sich um ihre Beute.
Um das Ziel ihres Verlangens, ihres unbändigen Begehrs.
Schmerz.
Geilheit.
Qual.
Lachen.
Demütigung.
Grunzen.
Befriedigung.
Pein.

Caduceus brach mit einem Stöhnen die Vision ab. Zu grausam. Zu unvorstellbar. Der Seher rieb sich die Schläfen, die schmerzten, als bohrte ihm ein böser Gnom Eisennägel hinein. Ihn schauderte. Hatte er einen Blick in die Abgründe der Unterwelt getan? Fix schüttete er den rauchenden Sud fort. Vielleicht sollte er fortan nur noch als Heiler arbeiten und sich auf Krankheiten des Fleisches beschränken.

Fern vom Alten Kontinent, jenseits des Westozeans, lag ein anderer Medikus im Sterben. Er hatte eine ihm unbekannte Frucht gegessen und zunächst über Bauchschmerzen geklagt. Später war ein hohes Fieber ausgebrochen. Keines seiner Arzneien oder Heilmethoden half ihm. An seinem Bett standen seine Gefährten Thrym, Gladius, Ajax, Pan sowie das Weib Ate. In der letzten Stunde waren sie bei ihm. Thrym schloss dem Medikus schließlich die Augen. Dann beteten sie für ihn zu den Alten Göttern und begruben ihn in der Nähe ihrer Hütten.

Noch lange standen sie an dem Grab ihres Kameraden. Pan zog sich als erster zurück. Er trug noch immer einen Keuschheitsgürtel als Strafe dafür, dass er Gladius vor vielen Monden angegriffen hatte. Bisher hatte keiner seiner Gefährten ihm signalisiert, dass die Strafe bald zu Ende sei. Schon mehrfach war Pan die Geduld gerissen. Er hatte die anderen beschimpft und verlangt endlich freigelassen zu werden. Doch sein aufmüpfiges Verhalten sorgte nicht gerade dafür, dass der Tag seiner Befreiung näher rückte. Ate genoss es sogar, ihn wegen seiner eingeschlossenen Männlichkeit zu verspotten, zu tändeln und zu necken.

Pan war kein Kind von Traurigkeit gewesen, als Ajax noch im Keuschheitsgürtel statt seiner gefangen war. Daher hatte nun auch niemand Mitleid mit dem Eingesperrten. Zugegeben: Ate schlug sich opportunistisch stets auf die Seite des Mannes, der keinen Keuschheitsgürtel trug. Pan hegte einen tiefen Groll gegen seine Gefährten. Obwohl er sich fest vorgenommen hatte, seinen Ärger herunterzuschlucken und das Abbild eines liebenswürdigen und vor allem reuigen Mannes abzugeben, gelang ihm dies nicht oft.

Eines Morgens holte er am Bach für die Gemeinschaft Wasser mit einem Holzkübel, den er selbst gefertigt hatte. Als er sich vorbeugte, um das kühle Nass zu schöpfen, spiegelte sich sein Gesicht im Wasser. Sein Gesicht? Pan zuckte und schaute auf: Ein Fremder stand auf der anderen Bachseite! Beinahe hätte Pan den Kübel fallen und wegtreiben lassen. „Wer…?“, begann er. Der Mann trug seltsame Kleidung: weiße Hosen, schwarze Schnallenschuhe und eine rote, lange Jacke mit weißen Bändern, die er über die Brust gekreuzt trug und wie Schärpen aussahen. Goldene Schulterstücke schmückten diese ungewöhnliche Gewandung. Auf dem Haupt saß ein dreieckiger Hut, wie Pan ihn noch nie gesehen hatte. Ein Kämpe vom Westvolk!

Die Fremden hatten die Gefährten aufgespürt. Und dieser Krieger trug einen ähnlichen Donnerstab wie der von Gladius. Nur, dass der Fremde vorne noch eine Art Dolch angebracht hatte. Pan starrte den Fremden verwirrt an. Kam er als Freund oder Feind? Und dann erschienen plötzlich vier, fünf… nein, es war über ein Dutzend… noch mehr! Eine ganze Truppe dieser rot-weiß-gewandeten Männer. Sie alle trugen Donnerstäbe mit Klingen an dem vorderen Ende. Pan sah einen der Männer mit einem gezogenen Schwert mit dünner Klinge. Er war wohl ihr Anführer, überlegte er, denn seine Uniform war reichlicher verziert als die der anderen. Der Mann, der ein auffälliges pockennarbiges Gesicht hatte, riss das schmale Schwert hoch und ließ es anschließend wieder hinabsausen. „Feuer!“, kommandierte er.

Pan stutzte. Feuer? Wo brannte es denn? Aus sämtlichen Donnerstäben knallte es laut und schwarzer Rauch wehte zur Seite weg. Pan wurde jäh übel. Irgendetwas hatte ihn getroffen, kraftvoll wie Prankenschlag eines Drachen. Er sah verdutzt auf seinen Bauch. Er fühlte sich so schwach. Dann brachen ihm die Beine weg und er platschte mit dem Gesicht nach unten ins Wasser.

Die uniformierte Truppe watete durch den Bach und bewegte sich auf die kleine Siedlung von Thrym, Ajax, Gladius und Ate zu. Nur wenig Gegenwehr wagten die Vier, denn die fremden Soldaten zielten drohend mit ihren Donnerstäben auf sie. Es dauerte nur wenige Augenblicke, bis sich die Gefährten ergaben und in schweren Ketten abgeführt wurden. Nach einer meilenlangen Wegstrecke, die die Soldaten auf ihren Rössern, die Gefangenen jedoch marschierend zurücklegen mussten, wurden sie einem offenbar höherrangigen Soldaten vorgeführt. Er schritt vor ihnen auf und ab. „Sprecht ihr unsere Sprache?“, fragte er forsch mit einem seltsamen Akzent. Thrym bejahte kurz angebunden.

Der Mann schob seinen Kopf in den Nacken und sah den Gefangenen, der ihn fast um Kopfgröße überragte, hämisch an. „Gut. Beantwortet meine Frage: Woher seit ihr?“ Thrym verlangte Wasser, denn seine Zunge klebte ihm am Gaumen vor Durst. Doch als Antwort erhielt er einen kräftigen Stoß mit dem dicken Ende des Donnerstabes eines Soldaten in seinen Magen. Ate sagte eilig, um die Gemüter zu beruhigen: „Wir sind von einem fernen Kontinent im Osten des Ozeans.“

Der Uniformierte kam auf sie zugeschritten und stellte sich genau vor die Frau. Ungeduldig wippte er auf seinen Fußballen, die Arme hielt er hinter dem Rücken verschränkt. Ate zwang sich, dem Mann nicht auf sein Gemächt zu starren. In den engen, weißen Hosen sah sie die Ausbuchtungen ganz genau. Sie fühlte sich belustigt, doch blieb ihr Mund ein gerader Strich. Scharf knallte er ihr seine Fragen vor die Füße: „Gibt es dort Rohstoffe? Gold? Seide? Gewürze? Edelsteine?“ Seine Augen waren klein und wirkten verschlagen. „Antworte!“, verlangte er mit schneidender und leicht lispelnder Stimme. Ate nickte. „Ja. Natürlich.“ Der Mann lächelte. Seine weißen Zähne wirkten dabei eher einem Fletschen. Seine Augen glänzten. „Mal mir den Seeweg auf! Kannst du das?“

Ein Mond später stach eine Armada von Schiffen in See Richtung Osten. Die großen Segler waren gespickt mit den größten Donnerstäben, die die Vier je gesehen hatten. Auch Ate, Thrym, Ajax und Gladius wurden an Bord eines der Schiffe gebracht. Es waren gewaltige Schiffe mit riesigen Segeln, über die das Westvolk verfügte. Die unfreiwilligen Passagiere hatten nicht viel erfahren. Sie wussten nur, dass es wieder in die Heimat ging.

Die gewaltige Flotte kämpfte sich in den kommenden Wochen durch das unruhige Wasser des großen Meeres und pflügte durch die graublauen Wellen, die an manchen Tagen wütend heranrollten und den Schiffen ihre Macht präsentierten. „Kapitän“, sprach ein Offizier mit weißer, gepuderter Perücke und schwarzem Dreispitz den Kommandanten auf dem Achterdeck an. „Ein Sturm kommt auf.“ Besorgt zog der bärtige Kapitän mit einer ruckartigen Bewegung sein Fernrohr aus Messing aus und blickte zu den pechschwarzen Wolken, die sich am östlichen Horizont auftürmten, als wollten sie den Weltuntergang ankündigen. „Verschalkt die Luken und verzurrt die Kanonen! Refft die Segel! Da kommt ein Kaventsmann auf uns zu. Und nicht nur einer!“

Noch blitzten goldene Litzen auf seiner Jacke, doch schon bald würde die Sonne hinter den Wolken verschwinden und alles in ein graues Dämmerlicht tauchen. Dann würde die See langsam Schaumköpfe bilden, die ganze Flächen ausfüllen würden. Schließlich würde die See hohe Brecher gegen den Rumpf der Schiffe rollen, Berge schwarzen Wassers, die auf die Flotte einprügeln würden, zischende und pfeifende mit Gischt gefüllte Luft verhinderte dann jede Sicht. Selbst das Atmen würde schwer fallen. Und das wäre erst der Anfang der wütenden Urkräfte, die die Schiffe am liebsten auf dem Grund des Meeres sähen.

Tausende Meilen entfernt lag Caduceus in unruhigem Schlaf. Schweißüberströmt wachte er abrupt mit einem Schrei auf und saß senkrecht im Bett. Schwer atmend entzündete er eine kleine Kerze in einem tönernen Ständer, der sich neben seinem Bett stets in Griffweite befand. Mit einem Laken tupfte er sich über das Gesicht. Er fühlte sich, als habe er Fieber. Draußen rief ein Uhu. Der Vollmond schien schwach und silbrig durch eine Dachluke in seine Kammer. Caduceus stöhnt: „Was für ein Alptraum!“ Er hatte die schrecklichen Bilder noch genau vor Augen: Eine mächtige Kriegsflotte versinkt in einem gewaltigen Sturm in den Tiefen des Westozeans. Hunderte oder vielleicht tausende Soldaten werden Futter für die Fische auf dem Grund des gnadenlosen Meeres. Caduceus schloss wieder die Augen. „Nur ein böser Traum…“, murmelte er und war wieder eingeschlafen.

Am Strand der Westküste des Alten Kontinents fanden Fischer am nächsten Morgen einen leblosen Körper. Er war angespült worden, als die Wellen noch hoch und kräftig gegen das Land gebrochen waren. Jetzt deutete nur noch einiges an Strandgut auf das Unwetter hin. Das Wasser war an diesem Morgen spiegelglatt. Als die Fischer feststellten, dass der Mann noch lebte, brachten sie ihn in ihr Dorf und versorgten ihn. Sie zogen ihm die zerfetzte, sandige und nasse Kleidung vom Leib und wickelten ihn in ein Laken. Ein Medikus erschien und flößte ihm eine Tinktur ein. Der Fremde war auch nach Stunden noch so erschöpft, dass er nur seinen Namen hauchen konnte: Gladius.
160. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von AlfvM am 10.08.21 10:55

Toll
161. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 20.08.21 17:00

IV.



Das Reich der Cassandra war eines der vielen Kleinstaaten, die sich nach dem Zerfall der Megara-Diktatur auf dem Alten Kontinent gebildet hatten. Sie ähnelten Fürstentümern, nur dass ein übergeordneter Herrscher, der alle einte, fehlte. Cassandra war schon immer Großgrund- und Plantagenbesitzerin gewesen. Schon während Megaras Regierungszeit verfügte sie über tausende Sklaven, die großteils auf ihren riesigen Rohrzuckerfeldern schufteten. Aber auch Minen und Tabak- und Getreidefelder gehörten zu ihrem Besitz. Seit sie sich selbst zu einer Königin ausgerufen hatte, waren auch Kampfsklaven für sie im Einsatz. Die Grenzen ihres Reiches wurden scharf bewacht. Besonders in der heutigen Zeit konnte ein Leibeigener schnell auf den tollkühnen Gedanken kommen, zu flüchten, denn wer wusste schon, ob er im nächsten Land nicht als freier Bürger leben konnte?

Es gab Fälle, in denen elenden Sklaven eine Flucht gelungen waren, die heute als freie Fischer, Bauern, Jäger oder Handwerker lebten – manche von ihnen in gewissem Wohlstand. Doch es gab auch Pechvögel, die vom Regen in die Traufe gerieten: So gab es den Vorfall, dass zwei Sklaven aus dem Stadtstaat der Fama flüchteten und es bis an die Grenzen der Cassandra schafften. Natürlich hatten sie die Hoffnung, dort einen freien Staat zu finden, in dem Recken und Weiber gleichberechtigt beieinander lebten. Cassandra ließ sie tüchtig durchpeitschen und an Prangern auf dem Marktplatz ausstellen. „Feige Flüchtlinge“ wurden sie beschimpft und von jungen Fräuleins angespuckt. Drei Tage verbrachten sie im Pranger. Dann verschwanden die lästig gefallenen Kreaturen.

Später munkelte man, die Sklaven seien in die tiefsten Verliese unter dem herrschaftlichen Anwesen der Cassandra gesteckt worden und würden dort für immer dahinschmachten. Andere behaupteten, sie wüssten, dass den Männern neben ihrer Ehre auch noch etwas anderes genommen worden war und sie dann bis zu ihrem Tode in einer finsteren Mine schuften mussten, da Cassandra ihnen in ihrer unendlichen Güte das Leben schenkte. Wieder andere berichteten, dass die Verurteilten nach einer weiteren tüchtigen Züchtigung streng gebunden wie ein Paket zurück an ihre Herrinnen gebracht worden seien, wo sie weitere Strafen erwarteten. Auch die dümmste Kreatur besaß eine gewisse Unterhaltungsgabe, wenn sich die Damen an ihr verlustierten.

Besonders die jungen Edelfräuleins des Reiches liebten gefällige Schauergeschichten um das Schicksal von Sklaven. Gern erinnerten sie ihre eigenen Leibeigenen dann daran, wenn diese gezüchtigt wurden, wie gut sie es im Gegensatz zu einigen Unglücklichen hätten. Ganz ohne schwächlicher Sentimentalität zu erliegen, genossen sie die Früchte ihrer Erziehungsmethoden und erwarteten ergebenen Dank der Gemaßregelten. Ganz neue Schlaginstrumente, Stöcke, Peitschen und Klatschen wurden entwickelt. Die Auswahl war schier grenzenlos - wie die Begeisterung der Damen.

Die Sklaven, die ursprünglich vom wilden Ostkontinent kamen, hatten eine grausame Zeit hinter sich und waren trotz allem erleichtert, es bis zu einer Herrin geschafft zu haben. Die Reise per Schiff und die Märsche durch die Steppen war brutal. Die Sklavenhändlerinnen nutzten teilweise schwere Schmiedehalseisen mit langen Innendornen, um einige der Männer zu bändigen. Sie litten alle an schrecklichem Durst und unter den gemeinen Späßen der Reiterinnen.

So konnte sich der Lieblingssklave von Cassandras Leibgardenführerin noch gut an die lange Reise erinnern, die ihn mit 50 Gleichgestellten durch eine heiße und trockene Ebene geführt hatte. Jeder Tropfen Wasser stellte eine Kostbarkeit dar, und die Wachfrauen geizten damit, obwohl sie genug davon in ihren Lederschläuchen mitführten. Er hatte noch die Stimme einer Wächterin im Ohr, die amüsiert zu ihrer Kameradin meinte: „Nie sind die Sklaven zufrieden. Mal schreien sie nach Wasser, mal ist es ihnen zu viel. Weißt du noch letzten Winter im Burghof? Der Wasserkäfig?“

Und dann war da die Begebenheit mit dem versumpften Flusslauf: Die Sklaven mussten bis zum Hals in dem Morast stehen und eine Reihe bilden, Bretter auf den Schultern, damit die Damen ohne Spritzer an ihren Stiefeln den Sumpf überqueren konnten. Der Leibeigene sackte immer tiefer und spürte den Matsch schon am Kinn. Er erinnerte sich noch heute an die aufkommende Panik. Letztlich hatten die Händlerinnen drei Männer verloren, weil es zu lange gedauert hätte, sie herauszuziehen. Eine der Frauen hatte mit den Achseln gezuckt. „Mich dünkt, wir müssen weiter. Sonst zerstechen uns die Mücken hier noch ganz und gar. Wir haben ja in weiser Voraussicht ein paar Exemplare mehr als bestellt dabei, weil Schwund immer mit eingerechnet ist.“

Ein anderes Mal rastete die Kolonne in der brütenden Hitze einer Steinsteppe. Die Damen saßen im einzigen Schatten, der eine Felswand schenkte. Plötzlich kam eine Wächterin und separierte drei Männer, darunter ihn, den späteren Leibeigenen der Leibgardenführerin. Die Kreaturen erhielten einen Strick um ihren Samenbeutel, dessen anderes Ende an einem großen Felsbrocken befestigt wurde. Dann neckten die Wachfrauen die Angebundenen und warfen Apfelkitschen vor sie, doch weit genug weg, dass die Männer trotz aller Anstrengungen das so ersehnte Mahl nicht erreichten. Mit dem Stiefel schob eine der Weiber die Kitschen eine Unterarmlänge vor. Die Sklaven grunzten vor Schmerz, als das Seil fest wie auf einer Armbrust gespannt ihre Männlichkeit in die Länge zog, und tatsächlich erreichten zwei von drei das saftige Stück Obst und schlangen es gierig hinab, während die Wachen belustigt kicherten.

Kurz darauf ging der Gewaltmarsch weiter. Ja, ihm ging es im Vergleich zu dieser Zeit nun besser bei seiner Herrin. Er trug einfache Wollhosen und ein Leinenhemd, war für sämtliche Tätigkeiten und Handreichungen zuständig und wurde nur selten gezüchtigt. An die Zeit, als er auf dem Ostkontinent frei aufgewachsen war, konnte er sich kaum noch erinnern. Sie war wie aus einem anderen Leben.

Cassandra reichte bescheiden die Krone ihres neu ernannten Volkes. Sie wollte sich nicht auf Stufe einer Göttin stellen, wie Megara es zu ihrer Zeit getan hatte, doch erlaubte sie nur weibliche Göttinnen und weibliche Priesterinnen. Männer hatten grundsätzlich so gut wie keine Rechte und waren alle Vasallen von Damen oder deren Leibeigene und damit rechtlos.

Schon nach wenigen Jahren, die das Reich der Cassandra in seiner autarken Form existierte, entwickelte sich unter den obwaltenden Umständen der „Maluskult“. Einige Priesterinnen behaupteten, dass es Männer gebe, die „das Böse“ in sich trügen. Die in schwarz gemantelten Frauen erkannten angeblich durch eine Zeremonie, ob der Betreffende das Böse in sich trug oder nicht. Regelmäßig mussten Sklaven den Ritus über sich ergehen lassen, denn es wurde Usus, dass Herrinnen ihre Leibeigenen zu den Priesterinnen des Maluskultes brachten und sie prüfen ließen.

Der Ritus „wusch“ die Sklaven von ihrem sündigen Fleisch rein, falls sie noch zu retten waren. Es gab viele Varianten: Ausgewählte Peitschen säuberten das männliche Wesen und vertrieben die inneren Dämonen, aber auch diverse Zangen und andere Gerätschaften verwendeten die Priesterinnen kunstvoll an ihren „Kranken“.

Einige Unglückliche dagegen waren „unheilbar“ vom Bösen beseelt und konnten nur dem „Gang zu den Göttern“ entkommen, wenn sie die „Nacht der Entscheidungen“ mannhaft überstanden. Diese rituelle Nacht bestand aus sieben Prüfungen, die der Sklave über sich ergehen lassen musste. Als erstes stand er vor der Wahl, seine Männlichkeit für immer fest verschmiedet hinter einer Eisenkugel wegschließen zu lassen, oder er kämpfte drei Stunden gegen die Verlockungen der Fleischeslust an. Widerstand er dieser süßen und zugleich grausamen Versuchung, so waren einige seiner Dämonen vernichtet, bestand er sie aber nicht, so war er verloren.

Schon mancher Sklave hatte seine Willenskraft überschätzt, denn die züchtig gewandeten Priesterinnen wurden zu wahren Sexgöttinnen mit Verführungskünsten, wie sie sich die wenigsten Sklaven auch in ihren wildesten Fantasien nicht vorstellen konnten. Bisher war es noch keinem einzigen Leibeigenen geglückt, den süßen Reizen der Damen zu widerstehen und mussten ihrer fatalen Zukunft in die Augen sehen.

Diejenigen, die geneigt waren, ihre Dämonen einsperren zu lassen, waren dem Ziel ihrer Reinigung ein Stückchen näher gekommen. Die zweite Prüfung führte die Männer auf den Altar der Priesterinnen. Die Frauen ketteten ihr Opfer nackt auf dem marmornen Steintisch fest und sprachen im Chor geheime Formeln, die den Leibeigenen reinigen sollten. Die Hohepriesterin goss dabei mit einer Kerze Wachs über den Leib des Liegenden. Wenn der Mann einen Laut von sich gab, so war er unrettbar dem Bösen verfallen, denn nicht er selbst, sondern die Dämonen in seinem Leib schrien gequält auf und wehrten sich gegen die Reinigung. In diesem Fall zogen alle sieben Priesterinnen ihre Dolche aus ihren kunstvoll verzierten Scheiden, die sie unter den schwarzen Roben trugen, und machten dem Elend ein Ende.

Blieb der Sklave jedoch stumm, war er noch nicht verloren und durfte sich bei der dritten Prüfung bewähren. Der eigentliche Sitz des Bösen war in der Vorstellung des Maluskultes das Gesäß. Und so war die zweite Prüfung nur ein „Vorgeplänkel“ der dritten Austreibung: Der Delinquent wurde auf einen eisernen Stab gesetzt, deren Ende wie eine Birne geformt war. Dazu stand der „Kranke“ in einem Standpranger. Durch einen Kurbelmechanismus wurde die Eisenbirne dem Mann in den Hintereingang gepresst.

Die Technik war vor einigen Jahren von Prinz Talos, dem Sohn der Megara, zu Belustigungszwecken entwickelt worden und von Cassandra und den Priesterinnen des Maluskultes begeistert übernommen worden. Doch das war erst die Vorbereitung für die eigentliche Prüfung. Die Stange bog sich auf dem Boden zur Seite und endete in einem Kohlebecken. Wurden die Kohlen nun von einer Priesterin durch Fidibus und Blasebalg zum Glühen gebracht, erhitzte sich das Eisen langsam und fügte den Dämonen unerträgliche Pein zu.

„Weicht aus dem Leibe!“, beteten die Priesterinnen im Chor während dieses Reinigungsrituals immer wieder formelhaft vor sich hin. Der Leibeigene konnte die Behandlung jederzeit abbrechen und sich den inneren Teufelsfratzen geschlagen geben, doch musste er dann auch mit den Konsequenzen leben. Nur wenige Besitzerinnen akzeptierten unreine Sklaven in ihrem Haus, die von Nachtalben und anderen Bestien beseelt waren.

Schließlich entfernten die Klerikerinnen die heiße Birne aus dem Hintern des Leibeigenen und befreiten ihn aus dem Stehpranger. Es folgte die vierte Prüfung: Dem Sklaven wurde durch einen Schlauch aus Darm der Inhalt einer Schweinsblase in den Arsch gefüllt. Die Ingredienzien waren geheim und wurden von der Hohepriesterin zubereitet. Es war nur bekannt, dass diese stark abführend wirkten. War der Bauch des Sklaven aufgedunsen, so zogen ihn die Prüferinnen mit einem Seilzug an den Armen in die Höhe; anschließend fixierten die Frauen die Beine gespreizt an zwei weiteren Seilen am Boden oder den Wänden. Die Priesterinnen murmelten in einem Singsang ein Mantra, um die letzten schlechten Geister aus dem Leib des Mannes zu vertreiben.

Einige Frauen bevorzugten es, die Pobacken des „Erkrankten“ zu peitschen, um die Dämonen zu verängstigen, andere Priesterinnen zogen an der Keuschheitskugel, um den Delinquenten von den Qualen in seinem Inneren abzulenken, wieder andere Damen kitzelten die Füße des Mannes, um den Leib in vehemente Bewegungen zu bringen, was die bösen Wesen verunsichern sollte, wenn sich der Sklave unter den Beschwörungen der Frauen wandte. Wichtig war dabei, dass der Kranke die Flüssigkeit gänzlich in sich hielt, denn nur so konnten die schmählichen Mächte in ihm ertrinken und vergiften.

Versagte der Leibeigene dabei, so hatte er die Prüfung nicht bestanden und galt als Verlorener. Hielt er jedoch fügsam die Flüssigkeit in sich, so erlösten die Priesterinnen den Mann schließlich, damit er sich erleichtern konnte. Viele der Männer flehten kläglich darum, dass sie bei ihrer Verrichtung allein sein dürften, doch die Priesterinnen bildeten einen Kreis um den Eimer, auf dem der sich grausig schämende Sklave saß und warteten einfach ab. Denn kein Dämon sollte unbemerkt entkommen.

Leibeigene, die die vierte Prüfung hinter sich hatten, waren meist rot vor Verlegenheit und Erniedrigung, doch stand ihnen direkt im Anschluss die fünfte Behandlung bevor. „Unterwirf dich der holden Weiblichkeit!“, beteten die Priesterinnen voller Inbrunst und fixierten den Nackten liegend auf einer niedrigen Bank. Er erhielt eine schwarze Augenbinde. Blind hörte er immer wieder in einem Singsang den Ausspruch: „Unterwirf dich der holden Weiblichkeit!“ Wieder und wieder.

Der „Befallene“ wurde durch eine Jungfrau von seinen Sünden gereinigt, blieb selbst für immer keusch und unterwarf sich der weiblichen Macht – so war es geschrieben. Er spürte plötzlich etwas Feuchtes über seinem Gesicht. Er roch die Weiblichkeit und durfte diese schmecken. Geradezu gierig leckte, saugte und züngelte er nach dem süßen Fleisch. Nie erfuhr ein Sklave, was mit ihm genau geschah, doch munkelte man, die Priesterinnen selbst würden sich bei diesem Ritual ihrer dunkelsten Trieben ergeben.

Die fünfte Prüfung war langwierig. So mancher „Erkrankte“, der es bis zu diesem Punkt geschafft hatte, gab nach Stunden auf, weil seine Zunge krampfte oder taub geworden war. Einige Geschichten erzählten auch von „weiblichem Trunk“, die den Sklaven nährte: ein geheimnisvoller Schleim, der so intensiv nach Weiblichkeit schmeckte, dass die Keuschheitskugeln zu eng für die Männlichkeit wurde. Andere Darstellungen schilderten von Sklaven, die beim Liebesritt der Jungfrauen keine Luft bekamen und ins Reich der Göttinnen schwebten, um ihnen dort zu dienen.

War auch diese Behandlung bestanden, so war die Reinigung des Sklaven jedoch noch nicht abgeschlossen. Noch zwei weitere Prüfungen musste er vor dem Heilerinnen-Komitee bestehen. Und es waren die schwersten Entscheidungen für den Leibeigenen.
Zunächst banden die Priesterinnen ihn auf ihrem Altar breitbeinig fest und befeuerten ein Kohlebecken. Die Keuschheitskugel war recht groß und behinderte den Sklaven bei seinen Bewegungen. Da er später aber ein effektiver Arbeiter sein sollte, so wurde die Kugel nun auf ein kleineres Maß verbogen und in Form gehämmert.

Eine Schmiedin arbeitete alle Kugeln gleich, so dass sie fast ein Abbild des männlichen Geschlechts zeigte. Allerdings ging sie dabei nach einer Schablone vor, so dass das Resultat immer die gleiche Größe hatte. Ein Mann mit besonders großem Geschlecht war in Gefahr, dass ihm sein Gemächt in dem Eisen zerdrückt wurde. Doch nur selten kam dies vor, da die Maße großzügig bemessen waren. Einige Männer jammerten zwar, dass sie das Eisen drücke, doch die Priesterinnen des Maluskultes beschwichtigten die Betroffenen damit, dass die Schmerzen ihre letzten Dämonen verscheuchen würden. Außerdem würden sie sich mit den Jahren an das Gefühl der Enge gewöhnen.

Ein kleines Löchlein ließ dem Eingeschlossenen die Möglichkeit Wasser zu lassen. Zwar nur sehr langsam, doch es würde genügen müssen. Und noch bevor der Schreck oder der Jammer über die enge „Rüstung“ vergangen war, standen die Sklaven vor der schwersten Entscheidung ihres Lebens. Die sechste Prüfung verlangte von ihnen, dass sie den Beweis antreten mussten, gern für das höhere Geschlecht ihr Leben zu geben. Dazu musste der Sklave in die Mitte des Ritualgewölbes treten.

Auf einer Plattform aus Marmor befanden sich zwei Falltüren, die sich durch das Gewicht des Mannes öffnen konnten. Die eine führte, so erklärten die Priesterinnen dem Leibeigenen, über eine lange Röhre in einen unterirdischen See aus flüssiger Lava. Wählte der Leibeigene die andere Falltür, so führte ihn eine Röhre in die Freiheit. Er würde auf ein Höhlensystem stoßen, das in der Freiheit außerhalb der Ländereien von Cassandra endete.

Damit prüften die Priesterinnen den unbedingten Gehorsam des „Kranken“. Die Hohepriesterin wies den Sklaven nun an, sich genau zwischen die beiden Falltüren zu stellen. Dann befahl sie mit erhobener Stimme und zeigte dabei mit ihrem weiten schwarzen Ärmel ihrer Robe auf die linke Tür: „Stelle dich auf diese Seite! Das Malustribunal hat entschieden, dass du unwürdig bist und damit dem Feuer übergeben wirst!“

In diesem Moment war der Leibeigene so angespannt, dass er nicht bemerkte, dass etwas an dem Schiedsspruch nicht stimmen konnte. Denn wäre es wirklich so gewesen, dass die eine Tür den Tod des Sklaven verursachte, die andere ihn jedoch in die Freiheit schickte, so würde niemals ein Sklave vom Maluskult geheilt und seiner Besitzerin zurückgegeben werden können.
162. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von M A G N U S am 21.08.21 05:19

Die Phantasie unseres Poetae scheint unermeßlich zu sein, ich muß eingestehen, daß ich nicht gedacht hätte, nach reichlicher Darstellung von Lust und Qual nun auch eine spirituelle Komponente vor Augen geführt zu erhalten; die mystische Zahl 7 begleitet uns im "Maluskult" in Form von sieben Prüfungen, ausgeführt von sieben Priesterinnen, spontan kommt mir der Gedanke, ob es wohl auch ihrer sieben Prüfungen bedurfte, welche die angehenden Priesterinnen durchlaufen mußten, um schließlich als solche geweiht worden zu sein: Ewig keusch, ewig rein, ganz dem Willen der Göttinnen ergeben...
163. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von sheeeep am 22.08.21 20:25

Einfach Klasse !!!!
164. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 28.08.21 13:32

Nur einer von fünf Männern wählte die vermeintliche Freiheit und landete in einem unterirdischen Kerker. Diesen armen Kreaturen war nicht zu helfen, so der Kanon der ehrwürdigen Maluspriesterinnen. Daher verblieben diese schändlichen Sklaven dort, bis der Kerker übervoll mit Leibern war. Selbst Königin Cassandra wusste nicht genau, was mit diesen Verlorenen geschah. Niemand sah sie jemals wieder. Doch ein Gerücht ging um, dass die spirituellen Damen in unterirdischen Tempelanlagen diese Sklaven zu willenlosen Liebessklaven erzogen.

Wählte der Mann jedoch in Selbstverleugnung die Tür zum vermeintlichen Feuertod, so landete er lediglich zwei Schritt tiefer in einem morastigen Sumpf, der ihm etwa bis zum Hals reichte. Die Priesterinnen sprachen geheime Schutzzauber, während die Hohepriesterin einen Mechanismus in Gang setzte: Die Falltür schloss sich wieder, so dass der Sklave im Dunkeln in dem Moder stand. Mit einem leicht schabenden Geräusch senkte sich die schwere Falltür nun dem Sklaven entgegen. Nach einigen Augenblicken war der Mann gezwungen im Moor abzutauchen.

Nach für den Leibeigenen endloser Zeit öffnete sich die Seite der Plattform und entließ den nach Luft schnappenden Mann mitsamt dem Schlamm in einem Schwall in ein Becken. „Die Neugeburt“ nannten die Priesterinnen dieses Ritual. Die sechste Prüfung war abgeschlossen, als der Sklave auf Knien bei seinem Leben schwor, das Geheimnis der zwei Falltüren für sich zu behalten. Die Malusfrauen sangen einen geheimen magischen Bannspruch, der dafür sorgen würde, dass dem Manne die Zunge abfiele, noch bevor er ein Wort ausgeplaudert hätte. Der Leibeigene durfte in ein anderes Becken steigen und sich von dem Schlick reinwaschen, der auf der Haut brannte wie Feuer.

Nun sollte die letzte Prüfung anstehen. Für die bedingungslos Hörigen war dies nur noch eine Formalie, für die Priesterinnen jedoch ein Schmaus der Sinne. Während die Damen die magischen Worte „Zeichne dich für deine Herrin!“ wieder und wieder sprachen, dabei den Sklaven mit einer geheimen Substanz bespritzten und die Alten Göttinnen anriefen, schritt der Nackte rückwärts bis zu einer eisernen Platte, die an einer Wand hing. Daran war ein Brandeisen befestigt, dass die kunstfertigen, geschwungenen Initialen seiner Eigentümerin aufwiesen. Die Schwierigkeit an der siebten Prüfung war, dass der Sklave sein Gesäß selbstständig gegen das glühende Eisen drücken musste.

Waren die Initialen später nicht deutlich zu lesen, so hatte der Leibeigene versagt. Doch den meisten Männern gelang diese letzte Prüfung, wenn auch nur unter lautem Schreien, wenn das Orange sich zischend in das Fleisch grub. Zumindest konnte sich keine der Priesterinnen des Maluskultes daran erinnern, dass ein Sklave stumm geblieben war – zumindest niemand, der noch im Besitz seiner Zunge war.

Auch heute überbrachten die ehrwürdigen Frauen wieder einen „geheilten“ Sklaven seiner Herrin. Schluchzend vor Freude fiel der Mann seiner Gebieterin vor die Füße und küsste ihre Stiefelspitzen. Ein Beutel mit Goldmünzen wechselte die Besitzerin. Die Hohepriesterin steckte das kleine Samtsäckchen unter ihre weite, schwarze Robe und lächelte ehrwürdig, denn sie hatte wieder einen Sklaven von seinen bösen Dämonen befreit. Und die stolze Herrin legte ihrem Sklaven ein Halsband um und führte ihn an einer Leine aus dem Tempel der Maluspriesterinnen.

Einige Meilen entfernt in der Metropole, einem der mächtigsten Kleinstaaten des Alten Kontinents, herrschte Fama, die Siegreiche. Zwar hatte sie kurzzeitig die Herrschaft über den gesamten Kontinent gehabt, doch war ihr Königreich schnell in viele kleine Fürstentümer zerfallen. Die Metropole und einige umliegende Ländereien kontrollierte sie weiterhin und herrschte über die Einwohner der Stadt und die Landbevölkerung mit harter Hand.

Aurora, eine ihrer zwei Töchter, ritt auf einem Sklaven durch den Lustgarten. Auf allen Vieren krabbelte der bis auf einen Lendenschurz unbekleidete Mann so schnell er konnte über die Wege und wurde von Aurora mit einer kurzen Gerte angetrieben. „Schneller, du fauler alter Esel! Schneller, oder ich heiz dir deinen Arsch ein, dass du denkst, du sitzt in glühenden Kohlen!“ Zwischen den Hinterbacken verlief nur ein Lederriemen, der den Sichtschutz für das Gemächt fixierte. Großflächig waren bereits Striemen über das Fleisch verteilt. Während das unfreiwillige „Reittier“ mit Schweiß überströmt die Wege entlang eilte, kicherte Aurora auf seinem Rücken und ließ die Gerte immer wieder auf sein Gesäß knallen, als sei dies die beste Unterhaltung, die sie sich vorstellen könne.

Ihre Schwester Vesta vergnügte sich lieber mit echten Pferden und war gerade dabei, einen edlen Rappen aus dem Stall zu führen. Der Stallbursche folgte ihr nervös. „Edle Dame, darf ich Euch nicht doch begleiten? Mir wurde streng verboten, Euch alleine ausreiten zu lassen.“ Vesta drehte sich ungeduldig zu dem Jüngling um. „Verschwindet endlich. Ich reite allein! Und damit basta!“ Sie spuckte ihm ins Gesicht und stieg auf das feine Vollblut, dessen Fell schwarz glänzte wie frisch geputzter Onyx.

Der Stallbursche war in einem Dilemma. Würde er weiterhin das Fräulein verärgern, würde diese dafür sorgen, dass der Bambusstock auf seinem Hintern tanzte. Würde jedoch die Regentin Fama davon erfahren, dass er ihren Befehl nicht befolgt hatte, so war die Prügel wohl noch die wünschenswerte Option. Noch ein einziges Mal flehte er Vesta geradezu an, dass er sie begleiten dürfe, obwohl er die Hoffnung schon aufgegeben hatte. Doch zu seiner großen Überraschung stimmte sie letztlich zu. „Also gut. Dein Wunsch sei dir erfüllt“, sagte sie, stieg wieder ab und reichte ihm ein Lasso, das am Sattel des Rosses hing. „Binde dir das Ende um dein Gemächt!“ Der Stallbursche glaubte seinen Ohren nicht zu trauen zu dürfen, doch das Edelfräulein zeigte ungeniert auf seinen Schritt. „Die Beinkleider musst du wohl hier lassen“, lachte sie.

Der Jüngling stieg aus seinen groben Wollhosen und knotete sich das Seil um seine Männlichkeit. Mit puterrotem Kopf stand er nun da und war froh, dass sein Wams wenigstens so lang war, dass er seine Scham mehr oder weniger bedeckte. Vesta grinste zufrieden und sprang zurück in den Sattel, machte das andere Ende des Seiles fest und führte das Pferd im Schritt ein Stück weit vom Palast der Fama hinaus in die Stadt. Der Stallbursche trottete brav hinterher und versuchte die schadenfrohen und gehässigen Rufe und das überdrehte Gejohle, das amüsierte Gelächter und die beißenden Spottrufe zu überhören, die sie begleiteten.

Schließlich fiel Vesta in einen leichten Trab, und der Jüngling folgte dem Vierbeiner zügiger, immer darauf bedacht, dass das Lasso sich nicht spannte. Sorgfältig achtete der Pferdeknecht auch auf den Untergrund, denn es wäre nicht auszudenken gewesen, würde er stolpern! Es dauerte nicht allzu lange, da war der Jüngling nassgeschwitzt und keuchte laut vor Anstrengung und Erschöpfung. Doch die Edeldame dachte nicht daran, ihr Ross langsamer werden zu lassen oder gar zu rasten. Nur zwei oder drei Mal fiel sie kurz in den Schritt, um aus einem ledernen Wasserschlauch zu trinken, doch dann versetzte sie ihr Pferd wieder in Trab.

Dem Jüngling brannten die inzwischen wacklig gewordenen Beine, seine Kehle und sein Mund waren ausgedörrt. Keuchend lief er brav hinter dem Vierbeiner her. Endlich blieb Vesta stehen und sprang aus dem Sattel. Sie nahm erneut den Lederschlauch und trank das kühle, erfrischende Nass. Sehnsüchtig sah der Stallbursche, wie das erquickende Wasser in ihre Kehle rann und ihre Lippen benetzte. Undamenhaft wischte sie sich mit dem Handrücken über den Mund und seufzte. „Hast du auch Durst?“, fragte sie mit einem schelmischen Funkeln in den Augen und zuckenden Mundwinkeln.

Der Bursche nickte eifrig und antwortete: „Ja, hohes Fräulein Vesta. Sehr.“ Die Edeldame kicherte und drehte den Schlauch um, so dass sich der Rest des Inhalts im Staub verteilte und versickerte. „Leider nichts mehr da“, meinte Vesta. Sie kam zu dem Burschen und tätschelte ihm die Wange. „Armer! Wärst du doch im Stall geblieben. Da gäbe es genug Wasser.“ Vesta stieg in den Sattel und trieb den Rappen erneut im Tab an, den Gefesselten hinter sich her zerrend.

In Ledanien herrschte Frieden unter den Menschen. Recken und Weiber waren in den meisten Dingen gleichgestellt. Gladius begutachtete die glänzende Rüstung mit den feinen Ziselierungen. „Eine wunderbare Arbeit“, lobte er den Schmied, der filigrane Lilienmuster und das Wappen der Leda – eine aufrechte Löwin mit einem Schwert in der Pranke - in die Rüstung gezaubert hatte. Der Handwerksmeister verneigte sich vor dem Schultheiß und nahm dankend einen Beutel mit Goldmünzen in Empfang. Gladius, in ein edles Seidenwams und Hosen aus feinstem Stoff gewandet, rief nach seinem Schreiber. „Stehen heute richterliche Geschäfte an?“ „Nein, Euer Ehren“, antwortete der Actuarius. „Und auch die Steuereinnahmen für diesen Mond sind erledigt.“ Gladius reckte sich und gähnte. „Das ist gut. Dann werde ich heute auf die Fasanen-Jagd gehen.“

Seit der ehemalige Soldat wieder in Ledas Diensten war, genoss er seine wenige freie Zeit. Als Schultheiß hatte er viele Regierungsgeschäfte abzuwickeln. Die verantwortungsvolle Aufgabe war ihm eine hohe Ehre, seit Leda sie ihm übergeben hatte. Die Regentin hatte ihn freudig umarmt, als er in ihrem kleinen Königreich vor einiger Zeit völlig unerwartet aufgetaucht war. Als einziger Überlebender der untergegangenen Armada des Westvolkes hatte er seiner Majestät eine Menge zu erzählen gehabt.

Thrym, Ajax und die schöne Ate hatten ihn auf dem gewaltigen Schiff der Westler begleitet. Zu spät war ihnen bewusst geworden, dass das Volk aufgebrochen war, um den Alten Kontinent zu unterjochen. Und fast waren sie die weite Strecke über den großen Ozean gesegelt, da war ein schwerer Sturm aufgekommen: Gladius berichtete von riesigen Kraken, die sich aus Strudeln aus dem schäumenden Meer erhoben und die Schiffe mit ihren gigantischen Armen in tödlicher Umarmung in die Tiefe zogen; er erzählte von wirbelnden Säulen, die sich hoch in den Himmel erhoben und alles unter sich zersplittern ließen und in die Lüfte schleuderten.

Die Erinnerung des Ex-Soldaten verschwamm, denn eine Rah war hinab an Deck gestürzt und hatte Gladius mit dem Ende am Kopf getroffen und niedergestreckt. Taumelnd war er umhergeirrt, die zischenden Winde um sich herum, das brodelnde Meer unter sich, Segel knallten und rissen unter dem Druck, Seile peitschten über Deck wie lebendig gewordene Schlangen der Unterwelt. Über seinem Kopf schossen die Alten Götter zornig mit Blitzen. Dann war es schwarz um ihn herum geworden.

Irgendwann war er erschöpft mit pochenden Kopfschmerz, ausgetrockneter Kehle und wunder Haut wach geworden: auf Überresten des Decks schwimmend und sich krampfhaft festhaltend. Hatte er die meisten seiner Eindrücke als Trugbilder eines Fiebertraumes erlebt? Oder waren sie Wirklichkeit gewesen? Seine Müdigkeit ließ ihn bald wieder in einen gnädigen Schlaf sinken. Schließlich war er in den Händen von Fischern der Westküste wieder zu sich gekommen, die ihn völlig entkräftet und besinnungslos am Strand gefunden hatten. Er musste erfahren, dass seine Kameraden wohl ertrunken und die Flotte vernichtet waren, aber auch, dass Leda über eine kleine Monarchie in diesem Landstrich der Westküste herrschte.

Auch, wenn Leda nach dieser schweren Niederlage des Feindes nicht damit rechnete, dass das Westvolk so bald eine weitere Invasion plante, hatte sie hohe Wachtürme aus Stein und Holz an den Klippen ihres Reiches aufstellen lassen, die jedes Schiff bereits frühzeitig ankündigen konnte. Gladius ärgerte sich noch immer, dass es ihm nicht gelungen war, das geheimnisvolle „Schwarzpulver“ herzustellen, über das das Westvolk mit ihren spuckenden Feuerstäben verfügte. Doch insgesamt dankte er dem Schicksal dafür, dass er die gefährliche Überfahrt überlebt und sogar zu seiner Majestät zurückgefunden hatte.

Gladius war bei allen beliebt. Er war kein Schultheiß, der nur vom Schreibtisch aus regierte, sondern er war sich nicht zu schade, mit dem Volk zu sprechen, durch die Ländereien zu reiten, den Soldaten einige Techniken mit dem Schwert vorzuführen oder sich bei Untergebenen für geleistete Arbeit zu bedanken. Lediglich Abas, der Gemahl der Leda, fühlte tief in sich ein unbeschreibliches Gefühl, das ihn Gladius gegenüber ein wenig reserviert bleiben ließ. Was es wohl war, das ihn an dem Exsoldat störte? Leda hatte nie darüber gesprochen, dass sie Gladius auf dem Westkontinent an ihr Nachtlager gebeten hatte, und doch war da so ein diffuses Gefühl in seinen Eingeweiden.

Abas schritt die steinernen Stiegen des kleinen Turms hoch, der zu Ledas Festung gehörte, und betrat das Flachdach, das von roten Zinnen gesäumt war und einen guten Rundblick lieferte. Gerade öffnete sich ratternd das eiserne Zuggitter und die Zugbrücke wurde quietschend und knarrend mit einer großen Winde über den Wassergraben herabgelassen. Kurz darauf sah Abas, dessen Umhang im Wind wehte, tief unter sich eine kleine Reiterschar die Burg verlassen. An dem schwarzweißen Federbusch auf dem Helm erkannte er den Schultheiß. Nachdenklich sah Abas dem Trupp nach, wie er im Wald verschwand.

Plötzlich schoss ein stechender Schmerz durch Abas Rücken. Vor Pein zuckte er zusammen und stützte sich auf dem steinernen Geländer ab. Das Erbe der Megara - Die lange Kerkerhaft und die vielen Verhöre der Tyrannin hatten den Königsgemahl zu einem körperlichen Wrack gemacht. Und auch seine Manneskraft war ihm genommen worden, wurde er peinvoll immer wieder erinnert. So sehr er und Leda sich bemüht hatten, so war es ihnen nicht mehr möglich, sich wie Mann und Weib zu lieben. Doch Leda hielt in ihrer tiefen Liebe zu Abas und jagte ihn nicht aus ihrem Bett. Im Gegenteil: Anfangs hatte sich Abas verschämt zurückgezogen, doch Leda war ihm nachgegangen und hatte eine ganze Nacht mit ihm auf dem nackten Boden verbracht, sie hatten sich gegenseitig umarmend, küssend, tröstend.

Inzwischen war es für die Beiden fast normal, dass Abas seine Königin mit seiner Zunge verwöhnte. Und auch die langen Streicheleinheiten befriedigten Leda offenbar sehr. Der königliche Liebesstab jedoch blieb schlaff und müde, obwohl Abas noch Lust empfand. Doch nur mit viel Mühe konnte er seinen Samen verströmen, was er jedes Mal als einen demütigenden Zwang empfand. In die Weiblichkeit einzutauchen, dazu war er nicht mehr in der Lage.

In diesen Tagen erwischte sich die Regentin erschrocken dabei, wie sie an Gladius dachte. An die Nacht voller Leidenschaft und Verlangen. Heiß durchströmte sie die Erinnerung, und sie träumte sich in die bezaubernde Zeit zurück. Erst, als sie zuckend ihrer Lust nachgab, bemerkte sie, wie sie sich in diesen Tagtraum hinein gelebt hatte. „Oh, wie konnte ich nur!“, schalt sie sich. Glücklicherweise war sie allein. Ihre Zofen waren nicht anwesend. Die jungen Frauen wussten sowieso schon viel zu viel, vermutete Leda. Oft hatte sie das Schmunzeln aus dem Augenwinkel beobachtet, wenn Abas sie küsste oder sich abends bereit zur Nachtruhe machte. Als wüssten sie etwas. Etwas zu viel.

Majordomus und Berater der Königin von Ledanien war ihr alter Weggefährte Hagbard. Leda saß mit ihm und dem obersten Gardisten Zelos im Fahnensaal beisammen, um neue Maßnahmen zu besprechen, die Grenze sicherer zu machen. Leda betrachtete den Uniformierten: Was hatte sich Zelos entwickelt! Aus einem einfachen Stallknecht war der höchste Soldat des Staates geworden. Stolz und aufrecht saß er dort, hatte den Respekt und die Autorität von seinen Untergebenen und war ein so wichtiger Ratgeber in kriegerischen Angelegenheiten, als würde er bereits seit Dekaden ganze Armeen führen.

Zelos griff nach einem Kelch mit Rotwein und nippte an dem kühlen Getränk. Ein dicker Siegelring aus Gold prangte an seinem Finger. Der Gardistenführer stellte selbstbewusst seine Planung der Heerverteilung vor, schlug einen Schutzwall mit Wachtürmen vor und Katapulte, die die Grenze armierten. Hagbard tippte die Fingerkuppen seiner Hände gegeneinander und meinte bedächtig: „Das wird sehr viel kosten. Woher soll Majestät das Gold nehmen, um Waffen, Material und Arbeiter zu bezahlen?“

Der Majordomus streckte seinen Arm über dem kunstfertigen Diorama des Alten Kontinents aus, dass die ihnen bekannten Reiche darstellte, die sich nach Megaras und Famas Sturz gebildet hatten. „Hier“, er wies auf die Ostgrenze von Ledanien, „muss die Grenze besonders gefestigt sein, denn unsere Nachbarn sind uns nicht besonders wohl gesonnen. Im Norden und Süden finden wir eher Verbündete, so dass dort ein einfacher Schlagbaum mit einem Grenzposten reichen sollte. Wenn wir die Kräfte bündeln, kann die Ostgrenze in wenigen Monaten errichtet werden. Unser Volk liebt Euer Majestät. Es wird mit Freude am Aufbau eines Walles mitwirken.“

Hagbard dachte nach. Dieser ehemalige Stallbursche hatte Recht. Leda spitzte ihre Lippen und nickte. „Bringt die Karte mit größerem Maßstab“, hallte ihre Stimme durch den Saal. Ein Gardist zog aus einem Regal eine Lederrolle und schlug diese schwungvoll auf dem Nachbartisch auf. Die Anwesenden schauten nun auf Ledanien mit den angrenzenden Landstrichen. „Der Untergrund im Osten ist felsig“, stellte die Regentin fest. „Wollt Ihr da einen Erdwall errichten?“ Zelos schüttelte den Kopf. Er zog aus seinem Gürtel einen kleinen Dolch mit schmaler Klinge und verwendete ihn als Zeigestab auf der Karte. „Hier und hier sind Felsformationen. Dort können wir eine Art Mauer auftürmen. Weiter im Norden gibt es genug Lehmboden, um einen Wall zu errichten. Ich sehe da kein Problem, Majestät.“

Leda bestimmte: „Lasst überall verkünden, dass wir Freiwillige benötigen. Jeder, der sich meldet, muss für die Zeit seines Einsatzes keine Steuern zahlen und erhält einen großzügigen Lohn.“ Der Gardist salutierte und verschwand, um Herolden den königlichen Auftrag zu überbringen. Zelos stach mit seinem Dolch in eine Aprikose, die in einer Zinnschale mit diversem Obst lag, teilte sie flink in zwei Hälften, um den Stein zu entfernen, und steckte sie sich nacheinander in den Mund. Sein Plan sollte in die Tat umgesetzt werden. Stolz kaute er auf der saftigen Frucht.
165. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 05.09.21 13:00

Abas hatte sich nach der Kerkerhaft nie wieder gern unter Ansammlungen von Menschen gewagt. Und aus Regierungsgeschäften hatte er sich zurückgezogen. Auch jetzt schlich er wie ein Burggeist durch die Gänge der kleinen Festung an den Wänden vorbei, die mit zahlreichen Schilden und Wappen geschmückt waren. Abas zog sich in sein Gemach zurück und scheuchte die Zofe hinaus, die an einem Tisch an einem Lederharnisch genäht hatte.

Der Königsgemahl griff sich an ein silbernes Amulett, das er um den Hals trug, und betete zu den Alten Göttern, dass sie ihm seine Manneskraft zurückgeben mochten. Leider waren etliche Gebete bisher ungehört geblieben. Später stieg er eine Wendeltreppe empor, die zum Baderaum der Burg führte. Abas musste sich am geflochtenen Seil des Handlaufs gut festhalten, um das Gleichgewicht zu halten. Die Kerkerhaft hatte seinen Gelenken nicht gut getan. Das dicke Tau war für Abas angebracht worden. Der Königsgemahl fühlte sich jedes Mal gedemütigt, wenn er es sah und verwendete. „Ich bin ein wertloser Krüppel“, seufzte er voller Selbstmitleid.

Im Baderaum fand er einen Dienstboten vor, den er anwies, heißes Wasser für den großen Zuber zu bringen. Seit seiner Gefangenschaft fühlte er sich ständig schmutzig. Als das Becken gefüllt war, stieg er in das dampfende Nass und rieb sich den Leib, als wolle er eine Dreckschicht loswerden, die nicht vorhanden war.

Am Abend begab sich Abas zu Bett und starrte in die kleine, flackernde Flamme einer kleinen Laterne neben sich. Wo blieb Leda nur? In Gedanken sah er sie in den Armen von Gladius liegen, zu ihm begehrend aufschauend, die Münder näherten sich und dann trafen sich ihre Lippen in heißer Leidenschaft… Abas sprang aus dem Bettlager und griff nach einem schweren Samtumhang, den er sich umwickelte. Mit der Laterne in der Hand ging er zur großen Tür des Schlafgemachs und öffnete sie. Im Gang stand ein Gardist, der salutierte, als er den Königsgemahl sah. „Habt Ihr die Majestät gesehen?“, fragte Abas. Der Mann verneinte höflich.

Abas schritt den Gang entlang. In ihrer Ankleidekammer war sie auch nicht. Schließlich stieg er mühsam die Wendeltreppe hinab zum Thronsaal. Aber auch hier brannten nur die Fackeln in den eisernen Wandhalterungen. Abas lief einen weiteren Gang entlang und fand sich vor der Tür zu Gladius´ Gemach wieder. Wie mit magischer Kraft hatte sie ihn angezogen. Sollte er klopfen? Würde er sich zum Narren machen? Abas stöhnte seufzend auf. Die Faust war schon gehoben, doch dann hielt er inne und trat näher. Er legte ein Ohr an die Tür und lauschte. Hatte er Liebesgeräusche vernommen? Abas Herz schlug ihm bis zum Hals. Er griff zu seiner Hüfte, um seinen Dolch zu ziehen, doch er war unter dem Umhang nur mit einem leinenen Leibhöschen bedeckt.

Er sah eine Hellebarde an der Wand und riss sie von ihrer Halterung. Mit einem Krachen drückte er zitternd vor Wut und Eifersucht die Tür von Gladius´ Kammer auf und stürmte mit der langen Waffe hinein. Er würde dem Verräter, der ihm Hörner aufsetzte, das Eisen schmecken lassen. Er würde dafür sorgen, dass der niemals wieder bei einem fremden Weibe liegen konnte.

Gladius sah ihn mit großen, aufgerissenen Augen an. Er stand hinter seinem Bett und rammte seinen Liebesstab in ein nacktes Hinterteil. Die linke Hand packte die langen Haare vor sich und drückte den Rücken der zarten Person durch und deren Kopf in ihren Nacken. Die rechte Hand hielt eine kurze Gerte, die offenbar schon mehrfach das zarte Sitzfleisch gestriemt hatte. Klappernd fiel sie auf den Boden. Seine linke Hand löste sich aus der Mähne. Das nackte Weib riss sich schreiend ein Laken vor den entblößten Körper.

Abas war erstarrt. Was machte denn die Dienerin hier bei Gladius mitten in der Nacht? Im nächsten Augenblick wurde ihm bewusst, wie töricht diese Frage war. Langsam ging er rückwärts aus dem Zimmer. „Verzeiht, mein lieber Schultheiß! Ich… habe mich in der Tür geirrt.“ Abas schloss den Zugang des Raumes und hing die Hellebarde wieder an seinen Platz, als sei nichts geschehen. Doch sein Herz pochte ihm wild gegen die Rippen. Dann eilte er zurück in das königliche Schlafgemach. „Oh, welche Schmach!“, murmelte er vor sich her. „Welche Schmach!“

Als er sein Ziel erreichte, fand er Leda unter den Laken. „Wo warst du, Abas? Ich dachte, du wärest bereits zu Bette gegangen?“ Abas seufzte. Er fiel Leda in die Arme. Über ihren festen Brüsten funkelte ein Collier aus Edelsteinen. In dieser Nacht versank Abas´ Kopf mit besonderer Inbrunst zwischen den heißen Schenkeln seiner Gemahlin, so dass beide später in einen tiefen Schlaf fielen und ruhten, bis sie von der kitzelnden Sonne und dem Vogelgezwitscher des nächsten Tages aufwachten.

Im Reich der Cassandra spielten drei Edelfräuleins mit einem Lustsklaven im Garten. Der nackte Leibeigene stand mit nach oben gestreckten Armen gefesselt unter einem Querbalken. Seine Beine waren durch zwei weitere Seile breit gespreizt auseinander gezogen. Um sein Gemächt war eine Schnur gebunden. Ein Holzkübel hing dem Mann zwischen den Beinen und zog seine Juwelen straff gen Boden.

Vor den Edelfräuleins stand eine große mit Nieten beschlagene Schatulle mit Schmuck, den Cassandra für dieses Amüsement gespendet hatte. Nun warfen die jungen Damen nacheinander Schmuckstücke aus fünf Schritten Entfernung in den Kübel. Das Spiel nannten sie „die Goldwaage“. Für die Ladys war dies ein bedeutender Tag, denn sie waren endlich volljährig geworden. Cassandra hatte das Initialritual der Goldwaage eingeführt. Es ging darum, so viel Schmuck wie möglich in den Kübel zu werfen. Wer dabei den Bottich nicht traf, schied aus. Wer übrig blieb, erhielt den gesamten Schmuck, der im Gefäß gelandet war.

Die Gewinnerin konnte ihre „Beute“ noch erhöhen, indem sie weitere Schmuckstücke hineinwarf. Verfehlte sie ein einziges Mal, so wurde ihr der Sieg jedoch wieder aberkannt. Viele der Sklaven bettelten darum, das Gewicht nicht noch weiter zu erhöhen, doch nur selten bewirkte dies, dass ein Fräulein sich mit der Menge Schmuckwerk begnügte, sondern sie warf weiter, bis der Kübel überzulaufen drohte. Vielleicht lag es aber auch daran, dass die Leibeigenen sich sehr bemühten, bei der Goldwaage nicht zu jammern und die Pein tapfer ertrugen; denn nicht selten wurde ihnen von einer Aufseherin zuvor die Freiheit versprochen, würde kein Jammerlaut über ihre Lippen wandern. Natürlich konnte sich anschließend niemand an ein solches Versprechen erinnern, und die Aufseherin hatte einen guten Grund, den Sklaven für diese freche Behauptung zu züchtigen.

Hin und wieder kam es vor, dass ein Leibeigener vor Angst, entmannt zu werden, laut aufschrie, doch der Kübel war von den erfahrenen Aufseherinnen genau so gewählt, dass er gefüllt mit Edelmetallen und wertvollen Steinen nicht ausreichte, um die „Juwelen“ des Leibeigenen ernstlich zu verletzen – schließlich hatte der Sklave auch einen Wert und sollte nicht beschädigt werden.

Eine blond gelockte junge Dame in feinstem Seidenkleid warf geschickt aus dem Handgelenk ein Diadem mit funkelnden Smaragden in den überquellenden Eimer. Es verhakte sich und steckte fest. „Juchhu!“, jubelte sie und warf ihre Händchen in die Höhe. „Jetzt ist aber Schluss! Mehr passt nicht rein.“ Der volle Kübel schaukelte leicht zwischen den Beinen des Sklaven, der einen erstickten Laut von sich gab. Als Abschluss des Rituals musste das Fräulein nun mit einem scharfen Degen das Seil des Behälters zerschlagen. Danach durfte sie das Geschmeide ihr Eigen nennen.

Sie griff nach der scharfen Ritusklinge, die für diesen Zweck geschmiedet worden war. Doch ihre Freundinnen sahen schon in der Art, wie sie die Waffe hielt, dass sie keinerlei Erfahrungen damit hatte. Die junge Lady fuchtelte damit in der Luft umher, knickte dabei ihr Handgelenk ab und hätte die Klinge fast fallen lassen und sie sich in den Fuß gebohrt. „Wie hole ich denn damit aus? Der dumme Sklave hat ja seine Beine im Weg!“ Eine Lady mit schwarzen, glänzenden, glatten Haaren in einem roten, bestickten Kleid erklärte ihr, wie sie den Degen halten sollte. In ihrer Familie gab es zwei berühmte Fechterinnen, und so hatte auch sie bereits in frühen Jahren Unterricht erhalten und offenbarte mittlerweile ein beachtenswertes Talent mit der Klinge.

Die Siegerin ahmte die Bewegung nach und probte sie einige Male. Dann schritt sie zu dem Sklaven, der ängstlich die Augen schloss. Seine Lippen schienen lautlos zu plappern.
Das Fräulein holte seitlich aus und jagte die Klinge mit aller Kraft vorwärts gegen das Seil, um es durchzutrennen. Doch der Degen knallte gegen den Kübel, der in Bewegung geriet und zwischen den Schenkeln des Sklaven schaukelte. „Au! Au! Au!“, zitterte der Leibeigene. Das Fräulein zog einen Schmollmund. So schwer hatte sie sich das Zielen gar nicht vorgestellt.

Also erneut! Wieder schoss die Klinge hervor und traf dieses Mal auch das Seil. Allerdings mit der flachen Seite der Schneide. Die Schnur vibrierte wild und ließ den Kübel ruckartig anheben und absacken. „Uaaahhh!“, jammerte jetzt der Gefesselte. Dann weinte er vor Enttäuschung, weil ihm bewusst war, dass er gerade durch seine Laute seine vermeintliche Freiheit verschenkt hatte.

Beim dritten Versuch durchtrennte die scharfe Klinge das Seil, als wäre es aus Butter gewesen. Der Kübel rasselte laut auf den Boden. Wieder jubelte das Fräulein, und ihre Freundinnen gratulierten ihr zu dem kostbaren Inhalt. Die blonde Dame pfiff einen Sklaven herbei, der ihr den neuen Besitz in ihr Gemach trug, damit sie es gleich anprobieren könne. Sie summte und sang eine fröhliche Melodie, während sie vor dem großen Kristallspiegel stand und sich mit dem Geschmeide betrachtete. Die Peitschenhiebe, die irgendwo im Hof auf nackte Haut klatschten, nahm sie gar nicht wahr.

Als sie alle Kostbarkeiten einmal angelegt hatte, kam ihr ein düsterer Gedanke. „Wenn der Sklavenwurm mit dem Kübel nicht so gewackelt hätte, hätte ich vielleicht noch mehr Schmuck sicher hineinwerfen können…“ Abrupt war ihre gute Laune dahin. Sie stiefelte mit gerafftem Kleid und weiten Schritten nach draußen und sah den Sklaven immer noch gefesselt in der breit gespreizten Position hängen. Es hatte sich wohl noch niemand genötigt gefühlt, ihn abzubinden. Das Fräulein ging zu dem Leibeigenen. „Warum hast du so gewackelt?“, wollte sie vorwurfsvoll wissen. Auf ihrer zarten Stirn bildete sich eine Zornesfalte.

„Soldatin!“, rief sie einer Uniformierten zu. Die Frau salutierte vor der jungen Edeldame. Das Fräulein zeigte auf den nackten Sklaven und forderte: „Sorgt dafür, dass er erst auf meine Erlaubnis abgebunden wird!“ Dann rief das Fräulein zwei Sklaven herbei, die als Lakaien Dienst taten. Sie tuschelte ihnen etwas ins Ohr. Die Männer wurden rot, doch hastig nickten sie und liefen fort, das Gewünschte zu besorgen.

Das Fräulein schlug ihren Seidenfächer auf, um sich frische Luft zuzufächeln und wartete. Schließlich kamen die Lakaien zurück: Ein Zuber mit Wasser, eine Schweinsblase und ein daran angebrachtes kurzes Rohr aus Bambus. Amüsiert beobachtete das Edelfräulein nun, wie die Lakaien dem Sklaven das Rohr in den Hintern steckten und die mit Wasser gefüllte Schweinsblase ausdrückten, so dass sich der Inhalt in den Sklaven ergoss. Wieder und wieder füllten sie die Blase, bis schließlich der Zuber leer war, der Bauch des Leibeigenen dafür so voll und aufgedunsen wie bei einer Gebärenden.

Sardonisch spöttelte sie: „Jetzt hast du wahrlich endlich Grund, um zu wackeln! Ich werde in einer Stunde oder vielleicht auch später zurückkehren und prüfen, ob du auch brav alles in dir gehalten hast. Und wage es nicht, auch nur einen Tropfen zu verlieren! Denn dann werde ich dafür sorgen, dass du auch noch etwas anderes verlierst!“ Hell und laut lachend klatschte das Edelfräulein dem Sklaven auf den Hintern und spazierte von dannen. Die Lakaien packten verlegen ihre Utensilien zusammen; die Soldatin nahm in der Nähe Aufstellung. Der Sklave stöhnte und gab grunzende, angestrengte Geräusche von sich. Schon jetzt hatte er das dringende Gefühl, sich entleeren zu müssen und kniff seine Muskeln zusammen. Doch wie lange würde das gut gehen?

Maia und Boreas saßen um den Kamin in ihrer Wohnstube und löffelten aus Holzschüsseln eine schmackhafte, dampfende Suppe. Boreas stand auf und legte ein Scheit Buche ins Feuer, das auszugehen drohte. „Wie fein es uns geht in Ledanien auf unserer eigenen Kate“, schwärmte Boreas und trat von hinten an Maia an, strich ihr Haar zur Seite und gab ihr einen Kuss in den zarten Nacken. Plötzlich klopfte es laut an der groben Holztür der Kammer. „Herein!“, rief Maia. Ein Knecht erschien aufgeregt und berichtete: „Herrschaften! Wir haben eine Diebin auf frischer Tat ertappt!“

Maia stand auf. „Eine Diebin? Erzählt!“ Der Knecht zeigte hinter sich: „Wir haben sie in der Scheune eingesperrt. Es ist die neue Magd. Sie hatte sich einen Sack Steinsalz aus der Speisekammer genommen und wollte ihre Beute auf dem Markt im Hafen verkaufen – über hundert Unzen!“ Maia fragte: „Wer? Die Neue?“ Der große Knecht nickte. „Ja, Luna. Was soll mit ihr geschehen?“ Maia griff nach ihrem Umhang, den sie über einen Schemel gelegt hatte. „Komm, Boreas! Lass uns nach ihr sehen.“ Maia knöpfte die Brosche des Umhangs zu und band sich flugs die langen Haare zusammen.

Die Drei liefen über den Hof zur Scheune. Ein Dutzend des Gesindes lungerte in der Nähe herum, um zu erfahren, was da vor sich ging. Maia und Boreas sahen die Magd in der Scheune an Händen und Füßen gebunden auf dem Boden liegen. Das Corpus Delicti lag auf einer Truhe, in der Dreschflegel aufbewahrt wurden. Der Knecht gesellte sich zum Stallburschen. Beide Männer verschränkten ihre Arme vor der kräftigen Brust und blickten streng auf die Gefesselte nieder.

Die Männer hätte es nicht verwundert, wenn Maia oder Boreas nun einen breiten Lederriemen gepackt und der Magd damit den blanken Hintern verdroschen hätten, doch zu ihrer Überraschung kniete sich Maia zu Luna hinab und fragte sie sanft: „Warum hast du das getan? Zahle ich dir nicht genug?“ Die Magd sah zu ihrer Herrin auf. In ihrer Miene lag eine Melange aus Trotz und schlechtem Gewissen. „Daran liegt es nicht. Aber die Leute erzählen, dass Ihr früher eine Soldatin der Megara gewesen seid. Sie sagen, Ihr gehört in den Kerker oder auf den Markt in einen Pranger!“ „Schweig, du unverschämtes Weib!“, grollte Boreas. „Wie kannst du es wagen!?“

Maia hob huldvoll die Hand, um Boreas zurückzuhalten, und fragte: „Ich habe mich schon vor langer Zeit von der Tyrannin abgewandt und bin eine treue Untertanin von Königin Leda. Wenn du deine Tat bereust, so will ich Milde walten lassen.“ Luna spuckte Maia vor die Füße und antwortete aufsässig: „Niemals!“ Der Knecht und der Stallbursche sogen laut die Luft ein. Maia stand ruhig auf und erklärte: „So sei es. Bindet sie gut. Wir wollen beraten, was mit ihr zu geschehen hat. Morgen soll das Urteil fallen.“ Damit verließen Maia und Boreas die Scheune.

Das Gesinde zog die Magd unsanft an einen Balken, um sie dort mit einem weiteren Strick um die Taille zu binden. Zufrieden und gewiss, dass die Strafe die Widerspenstigkeit des Weibes vertreiben würde, sahen die Männer auf ihre Gefangene hinab, dann verließen auch sie die Scheune und versperrten das Tor mit einem dicken Riegel.

Luna blinzelte nach oben, wo durch einen Spalt im Dach die Sonne einen schmalen Strahl zu ihr hinab schickte. Später hörte sie den Riegel und der Stallbursche kam zu ihr mit einer Schüssel Haferschleim und einem Krug Wasser. Er band ihr nur die rechte Hand los und band die andere am Balken fest. Luna löffelte die Schüssel aus und trank ein paar Schluck aus dem Krug. Dann wischte sie sich mit dem Handrücken den Mund ab und fragte: „Weißt du, welche Strafe ich bekommen soll?“ Der Stallbursche schüttelte den Kopf.

Luna bemerkte, dass der Jüngling seinen Blick verlegen senkte, nachdem er erschrocken festgestellt hatte, dass er der Magd auf die Brüste gestarrt hatte. Luna reckte nun ihren Busen provozierend hervor und fragte: „Du hast bisher wohl noch bei keinem Weib gelegen?“ An den roten Wangen des jungen Mannes erkannte Luna, dass sie richtig geraten hatte. „Wenn du willst, darfst du sie mal anfassen.“ Der Stallbursche sah sie mit großen Augen an, senkte den Blick auf die Brüste, die Luna ihm keck entgegenstreckte. Sein Mund stand offen, ohne, dass er dies bemerkte. Seine Hände näherten sich unsicher dem weichen und gleichzeitig festen Fleisch des verführerischen Weibes.

Schließlich hielt er die warmen Kugeln in der Hand. Vorsichtig drückte er sie und strich darüber. „Hol sie heraus“, hauchte Luna fordernd. Ihre Augenlider flatterten erregt. Der Stallbursche kniete sich noch näher zu ihr und griff mit Fingerspitzen an den Stoff ihres Kleides. Zwischen den Brüsten verlief eine geflochtene Schnur, die das Leinen zusammen hielt. Er öffnete es und griff nach der nackten, warmen Weiblichkeit. In seinen Beinkleidern wölbte sich seine Manneskraft. Auch die bemerkte Luna. Sie flüsterte verschwörerisch: „Binde mich los. Dann zeige ich dir, wie ein Mann Liebe mit einem Weib macht. Du wirst es nicht bereuen.“

Fast war der Stallbursche gewillt, ihren Anweisungen zu folgen, doch dann erinnerte er sich daran, dass es ihm strengstens verboten war, Luna von den Stricken zu lösen. „Nein“, sagte er enttäuscht, „das darf ich nicht.“ Lunas scheinbar verliebter Blick wechselte ruckartig zu einem bösen Funkeln. „Hilfe! Hilfe! Ich werde geschändet! Zur Hilfe!“, kreischte sie, als sei sie in größter Not. „So helft mir doch!“
166. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 12.09.21 13:33

Das Scheunentor wurde aufgedrückt und zwei Knechte erschienen, liefen zu dem verdatterten Pferdejungen und zerrten ihn von der Gefesselten weg. „Er wollte sich an mir vergehen!“, schrie Luna, deren Haar durch ihre wilden Bewegungen mit dem Kopf zerzaust war. Der Jüngling wusste gar nicht, wie ihm geschah. Er stotterte: „Nein… ich…ich…es ist nicht wahr…“ Die beiden Knechte waren kaum über den Hof gelaufen, um den Stallburschen zur Herrschaft zu bringen, da kam ihnen Maia schon entgegen. „Was ist hier los?“, wollte sie wissen. Die Männer berichteten ihr von dem angeblichen Geschehnis.

Der Stallbursche stritt alles vehement ab, doch Maia packte den Jüngling derb in den Schritt und fühlte die gewachsene Männlichkeit. „Und was ist das?“ Der junge Mann schluchzte. „Aber sie hat mich verführt! Es war keine Notzucht! Ich schwöre es bei allen Göttern! Sie wollte, dass ich…“ Doch die Knechte unterbrachen ihn und teilten Maia mit, dass das Kleid der Magd aufgerissen und ihr Haar wirr sei. „Bringt den Lümmel in seine Kammer und bindet ihn dort“, befahl die Bäuerin. Was für ein Tag! Gleich zwei Schuldige auf ihrem Hof! So eine Disziplinlosigkeit hätte sie ihrem Stallburschen nicht zugetraut.

Als der Überführte in seiner Kammer gefesselt zurückgelassen wurde, murmelte er verbittert: „Diese falsche Dirne! Sie hat mich genarrt!“ Vor Wut über seine Hilflosigkeit rann dem jungen Mann eine Träne über seine Wange. Die Beratung über Luna und den Stallburschen wurden von einem Kutscher eines Eselkarrens unterbrochen, der mit einer Glocke laut schellte. „Werte Herrschaft! Habt auch Ihr eine Spende für die fleißigen Helfer des Schutzwalles von Ledanien. Die Königin bittet alle Bauern und Bäuerinnen um eine Gabe, damit schon bald die Palisaden vor dem Feind schützen.“

Zunächst ließ sich die Bäuerin die königliche Urkunde zeigen – schließlich konnten auch leicht Spitzbuben umher streichen, die auf diese Art absahnen wollten. Maia gab Anweisung, dem Mann einige dicke Schinken und einen Sack mit Hafer zu geben. Zwei Knechte brachten das Gewünschte. Auf dem Karren sah Maia bereits mehrere ausgeweidete Hasen und zwei Wildschweine sowie ein Reh. „Habt Ihr das von Arcanum bekommen?“, wollte sie erfahren. Der Kutscher nickte, so dass sein langer Bart zuckte. „Ja, unser Jäger ist ein wahrlich großzügiger Mann. Königin Leda wird die Weitherzigkeit sicherlich zu würdigen wissen. Und Eure natürlich auch.“ Leda nickte. „Das weiß ich. Drei meiner Knechte sind am Ostwall beschäftigt.“

Einer der in der Nähe stehenden Knechte murmelte brummelnd: „Und wegen der Fronarbeit müssen wir hier nun doppelt schuften, weil kräftige Hände fehlen!“ Erschrocken fuhr er herum, als er die tiefe Stimme des Bauern Boreas hinter sich hörte: „Dafür werdet ihr auch gut entlohnt, Kerl. Oder meinst du, du bekommst woanders mehr?“ Der Knecht entschuldigte sich verlegen für seine Worte. Boreas betonte: „Außerdem handelt es sich bei den Arbeitern am Palisadenzaun und der Grenzmauer nicht um Fronarbeit. Jeder, der an diesem Verteidigungswall Hand anlegt, ist freiwillig und voller Stolz dabei. Für ein freies Ledanien!“ Der Knecht räumte kleinlaut ein: „Das habe ich nicht bedacht.“ Boreas verzog streng seine Züge: „Und deshalb wirst du in dieser Woche ganz alleine den Latrinendienst übernehmen!“

Später setzten sich Maia und Boreas wieder zusammen in die Stube, um über die Übeltäter zu beratschlagen. Boreas grunzte. „Sie können froh sein, dass nicht mehr die Gesetze der Megara gelten. Ein Übergriff auf ein Weib! Nicht auszudenken!“ Maia stimmte zu, doch gab sie zu bedenken: „Wenn wir sie der Gerichtsbarkeit übergeben würden, so müsste Luna auch in Ledanien wegen Diebstahls mit einer langjährigen Kerkerhaft rechnen. Und unser Stallbursche ebenfalls. Dabei kann er sich noch glücklich schätzen, dass er nicht in einem anderen Reich lebt, denn in vielen Staaten wird ihm dafür…“ Boreas unterbrach seine Gemahlin aufstöhnend: „Ja, ich weiß. Du brauchst es mir nicht zu erzählen. Das ist barbarisch!“ Maia schmunzelte. „Es gäbe da noch einen Mittelweg…“ Boreas runzelte die Stirn. „Und der wäre?“ Maia hatte eine Lösung parat. „Ein Keuschheitsgürtel. Vielleicht nur für einige Jahre. Damit würde er seine Lektion lernen!“

Boreas blies seine Wangen auf. „Eine harte Strafe! Aber so kommt er vermutlich leichter weg, als wenn wir ihm der Gerichtsbarkeit übergeben.“ Maia nickte überzeugt. „Und Luna werde ich vorschlagen, dass sie ihre Sünde mit einer Tracht Prügel ableisten kann.“ Boreas strahlte über das ganze Gesicht. „Das ist großzügig, mein Engel.“ Maia machte eine ernste Miene. „Lass uns noch darüber schlafen und die Urteile morgen verkünden.“

Der Recke griff Maia um die Taille. „So gefällst du mir am besten, Weib!“ Sie schrie lustvoll auf. „Trag mich ins Bett!“ Und schon hüpfte sie Boreas auf die Arme, der sie auf dem schnellsten Wege ins Schlafgemach entführte, seine Sandalen von den Füßen streifte und seinen Schatz in die Federn ablegte. Maias Mundwinkel zuckten erfreut nach oben, als sie unter Boreas Beinkleidern die deutliche Beule sah, die ihr für die nächste Zeit größtes Vergnügen und stürmische Zärtlichkeiten versprach.

Fama, die Siegreiche, grübelte über Kriegsplänen, die ihre Beraterinnen ihr vorgeschlagen hatten. „Nein, nein, nein und nochmals nein! Egal, welches Bündnis wir eingehen, gibt es immer Allianzen, die uns unterjochen könnten. Die vielen Kleinstaaten machen die Unterwerfung des Kontinents fast unmöglich!“ Sie seufzte. Sollte sie für alle Zeit die Königin eines erbärmlichen Stadtstaates bleiben? Für einen großen Feldzug waren ihr einfach nicht genügend Kriegssklaven geblieben.

Gelangweilt sah sie auf die beiden Hofnarren vor ihrem Thron, die sich gegenseitig pikten: Einer der Spaßmacher streckte seinen langen Spieß hervor und stach ihn gegen den nackten Hintern des anderen Possenreißers, der sein nacktes Gesäß herausgestreckt hatte. Aufquiekend sprang dieser hoch. Dann drehten sich beide Narren herum und wechselten ihre Rolle. Das Quieken ging nun schon eine ganze Weile so, und Fama hatte längst das Interesse an dem tumben Klamauk verloren. „Schluss jetzt!“, rief sie genervt und klatschte in die Hände.

Augenblicklich sahen die Hofnarren ihre Königin erwartungsvoll an. Fama seufzte. „Verschwindet, sonst nehme ich persönlich mal den Spieß. Und glaubt mir: Mir reicht ein Stoß aus, um euch wie zwei Spanferkel auf die Stange zu stecken!“ Schon das dämliche Drehspiel hatte sie genervt, als die Narren versucht hatten, sich gegenseitig in den nackten Hintern zu treten, nachdem sie durch Drehbewegungen so sehr das Gleichgewicht verloren hatten, dass sie nicht mehr geradeaus laufen konnten. Die Trottel eilten aus dem Thronsaal. Kleine Glöckchen an ihren Kappen, den Filzpantoffeln und ihrem Halsband klingelten wild durcheinander. Am Türbogen machte einer der Hofnarren noch einen Luftsprung und schlug im Flug die Füße zusammen, der andere Spaßvogel entschwand mit einer Rolle vorwärts.

Fama zog eine in Honig gegrillte Dattel von einem metallenen Spieß und griff anschließend nach einem silbernen Pokal und stürzte den schweren Rotwein in einem Zug die Kehle hinab. Das Regieren war eine anstrengende Pflicht! Und ihre Töchter machten ihr noch zusätzlich Ärger. Aurora war mit einem Lustsklaven durch die Blumenbeete und den Kräutergarten geritten und hatte sämtliche Pflanzen zerdrückt. Dafür hatte die Königstochter eine strenge Schimpfkanonade erhalten. Ihr Prügelsklave konnte später genauso schlecht laufen, wie der Lustsklave, den Aurora mit der Gerte angetrieben hatte.

Und Vesta war unerlaubterweise alleine mit dem Ross durch die Lande geritten. Die Ausrede, der Stallbursche sei ja dabei gewesen, ließ Fama nicht gelten. Auch Vesta bekam ernste Worte zu hören, und auch ihr Prügelsklave erhielt ebenfalls eine ordentliche Tracht mit dem Weidenstock. Und schließlich ging auch der schuldige Stallbursche nicht leer aus, der Vesta den Ritt erlaubt hatte.

Fama stand vom Thron auf und wankte in ihr Badegemach. „Bringt heißes Wasser!“, rief sie einem Kammersklaven zu. Die Regentin sehnte sich nach einem Bad und den damit verbundenen Wohlgerüchen der Blumen und Kräuter. Sie konnte es kaum erwarten, ihren nackten Leib in das erfrischende und wohltuende Wasser zu senken und sich mit den weichen Schwämmen zu streicheln.

Am Abend stand bereits wieder ein Festbankett mit Dutzenden Edeldamen an. Fama schnaubte. Diese Fress- und Sauforgien waren ihr über, doch gab es den einflussreichen Ladys des Reiches die Möglichkeit, ihre neuesten Kleider und Geschmeide auszuführen. Sehen und gesehen werden – so hieß das Motto dieser dekadenten Abende. Wer trug den größten Edelstein, wer das kostbarste Kleid? Wer hatte die amüsantesten Geschichten von der Sklavenjagd oder den heiteren Spielen der Edelfräuleins zu erzählen? Und welcher Leibsklave trug wohl den auffälligsten Strecker für sein Gemächt?

Die Damen wollten sich ständig darin übertrumpfen, bis sie die Grenzen des Möglichen an Gewicht und Größe des intimen Schmuckes erreicht hatten. Und ab diesem Zeitpunkt ging es darum, den Strecker aus ungewöhnlichen Materialien, in bizarren Formen oder mit Stacheln auszustatten. Die Fantasie der Herrinnen war schier unbegrenzt. Eine reiche Lady trug im Gegensatz zu den meisten Damen, die voluminöse Seidenkleider zur Schau stellten, einen bestickten Brokatrock, der eher einem Edelmann gestanden hätte. Doch zu dieser Lady passte er irgendwie, erschien sie insgesamt wenig damenhaft. Zwar war ihr Leib durchaus hübsch zu nennen, doch hatte sie ein eher jungenhaftes Benehmen und ihrem Körperbau fehlten die ausladenden Hüften und die weiblichen Rundungen der Brüste.

Eine andere Dame, in ein bauschiges Kleid mit Schleppe aus reinster Spitze gewandet, griff sich verlegen in ihre Turmfrisur, die von zahlreichen Silbernadeln gehalten wurde, und wedelte sich mit einem kleinen seidenen und kunstvoll verzierten Fächer affektiert Luft zu. Das burschikose Augenzwinkern der Dame in Brokat war nicht wenigen Fräuleins aufgefallen und sorgte für eine heiße Röte im Gesicht der Adressatin. An Famas Hofe munkelten die Adelsdamen schon seit einiger Zeit, dass die beiden Ladys nicht nur befreundet waren sondern auch ihr Nachtlager miteinander teilten. So war auch zu erklären, dass sie kein Männerharem besaßen, obwohl sie beileibe genug Reichtum für Dutzende Liebessklaven hatten.

Als Fama ihr erfrischendes Bad nach Veilchenblüten duftend beendet hatte, spazierte sie in einem leichten Seidengewand über einen kleinen Palasthof, auf dem nur wenige Personen Zutritt hatten, und genoss die kühle Abendluft. Sie ging an mehreren weißen Marmorstatuen vorbei, die die Alten Göttinnen darstellten, an einer Zisterne und dem Wasserspiel eines Brunnens entlang und war ganz in Gedanken versunken.

Sollte sie sich für heute Abend entschuldigen lassen und dem Bankett fernbleiben? Langsam mussten ihre missratenen Töchter Aurora und Vesta in die Regierungsgeschäfte eingeführt werden – auch, wenn Fama noch mit Grauen daran dachte; denn die beiden jungen Damen waren verzogen, selbstsüchtig, albern, verdorben, verzärtelt, habgierig, verschlagen, anmaßend, faul, verlogen, hinterhältig, undiszipliniert, arrogant, intrigant… Fama hätte diese Liste ohne Probleme noch endlos weiterführen können, doch wäre kein einziger positiver Charakterzug dabei gewesen.

Sie musste unbedingt dafür sorgen, die Macht als Königin der Metropole zu behalten. Nach ihrer Zeit sollte sich ihre Brut um den Thron zanken. Möge die Bessere gewinnen, grummelte Fama. Aber trotz all der Sorgen blieb der Regentin keine Wahl. Wenn sie von den unbeliebten Pflichten des Herrscherhauses entlastet werden wollte, musste sie Aurora und Vesta schon bald mit ins Boot holen. „Die Beiden haben vor lauter Langeweile und Übermut nur Unsinn in ihren hübschen Köpfchen. Da sollten sie wirklich endlich Verantwortung übernehmen“, murmelte Fama vor sich hin. Ihre Majordoma sollte alles in die Wege leiten.

Doch beide Töchter gleichzeitig mit Führungsaufgaben zu betrauen, das würde nur Mord und Totschlag geben. Eine Tochter sollte ihre Nachfolgerin werden. Doch welche? Und was würde aus der anderen? Nach ihrem Tod wäre es ihr ja gleichgültig, welche Kriege um den Thron stattfinden würden, doch zurzeit wollte Fama Frieden in ihrem Stadtstaat. Und da war eine Tochter zu viel im Palast! Eine wahrlich schwere Entscheidung stand ihr bevor.

Am nächsten Tag ritt Abas an den Grenzwall von Ledanien und inspizierte die Arbeiten. Zufrieden stellte er fest, wie schnell die Freiwilligen mit dem Gewerke vorankamen. Einige Teilbereiche waren bereits fertig gestellt. Links und rechts der Hauptverbindungsstraße nach Osten türmte sich eine schützende Mauer und prangten Ledaniens Wappen im Stein. An einem hohen Holzpfahl wehte stolz die Fahne des kleinen Reiches im Wind.

Die Arbeiter grüßten Abas freundlich, doch der Königsgemahl grämte sich doch, denn die Menschen gingen ihm nicht wie Untertanen entgegen, respektierten ihn nicht wie einen Regenten. Er hatte das Gefühl nutzlos zu sein. Er war kein richtiger König, kein richtiger Liebhaber… Er war ein Nichts! Betrübt ritt er zurück in die kleine Burg und fühlte sich doch wie ein Aussätziger. Wie Gelumpe aus der Gosse.

Am Abend sollte eine Feier im Saal der Festung stattfinden. Das östliche Haupttor war fertig gestellt. Leda hatte viele der Handwerker eingeladen zu einem festlichen Bankett und keine Mühen oder Kosten gescheut. Während alle Anwesenden in Hochstimmung feierten, grübelte Abas deprimiert über sein Schicksal nach. Er verschmähte sogar den duftenden Wildschweinbraten mit Äpfeln und Mandeln, eines seiner Lieblingsgerichte. Doch den Tiefpunkt seiner Stimmung erreichte er erst, als einige bunt gewandete Musiker mit Flöten und Tamburinen zur Farandole aufspielten und zum unbeschwerten Tanz einluden.

Abas, seit seiner Kerkerhaft nicht mehr gut zu Fuß, verblieb auf seinem Sessel aus geschnitztem Holz und Pelzbezug, während nicht nur die meisten Feiernden in langen Reihen tanzten sondern auch Leda selbst in den Reigen eintauchte. Später wechselte die Musik zu einer fröhlichen Quadrille, bei der ausgerechnet Gladius ständig die Nähe zur Majestät suchte. Abas verfolgte die beiden mit seinen eifersüchtigen Blicken. Jede Berührung der beiden spürte er wie einen Messerstich ins Herz. Die gleitenden Finger dieses blasierten Gecken!

Abas sah die stille Lust, das Verlangen, die schmachtenden Blicke Ledas und die schmierige und sündige Begierde des Schultheißen. Hatte er etwa das Feuer in Ledas Herz entfacht? Das höfische Treiben steigerte sich von Stunde zu Stunde. Und während die Menschen immer ausgelassener feierten, leerte Abas einen Pokal Wein nach dem anderen. Schlaff auf seinem Sessel hängend sah er mit verschwommener Sicht in seinen Kelch. Der Trunk schwappte blutrot darin, als habe er dort sein Herzblut aufgefangen. Langsam sank sein Arm an der Seite hinab, dann entglitt ihm der Kelch und Abas versank in einen tiefen Rausch.

Als er erwachte, schmerzte ihm der Kopf, als hämmerten dort tausend kleine Teufel umher. Immer noch hing er in seinem Sessel wie dahin gegossen. Alle Gäste waren fort, und Diener und Mägde räumten die Reste der Speisen und Getränke auf großen Tabletts in die Küche. Einige Bedienstete wischten über die langen Tische und Bänke oder kehrten Unrat vom Boden. Abas richtete sich umständlich auf. Wo war Leda? Der Königsgemahl mühte sich hoch und brach sofort ungeschickt auf dem Boden zusammen. Augenblicklich eilten zwei Dienstboten zu ihm und zogen ihn an den Achseln wieder hoch. „Lasst das!“, murrte Abas abwehrend. „Ich kann alleine gehen!“ Die Bediensteten sahen skeptisch zu, wie Ledas Gatte hin und her wankte und in einer ausgeprägten Schlangenlinie torkelnd den Saal verließ.

Abas taumelte über den Gang und schlug dabei zwei Vasen von einer Truhe, riss eine Fackel von der Wand und hätte sich dabei in Brand gesetzt, wäre die schmiedeeiserne Halterung nicht zufälligerweise genau in die entgegen gesetzter Richtung gefallen und die Flamme auf dem Steinboden erloschen. Sein Ziel war das Schlafgemach, wo er sein Weib vorzufinden hoffte, doch das königliche Bett war unberührt. Wut und Hitze durchströmten Abas. Sie konnte nur in den verräterischen Armen von Gladius liegen!

Schwankend machte sich Abas auf, den Raum des Schultheißen zu erreichen. Er würde ihn eigenhändig erwürgen, sollte er sich an Leda vergehen. Die Vorstellung, seine Gattin würde sich dem Schultheiß hingeben, war unerträglich. Strauchelnd wackelte er über die Flure der Festung. Als Abas die schwere Tür vor Gladius Gemach erreichte und hineinstürmen wollte wie ein tollwütiger Stier, kam er zur Besinnung: Was war, wenn er sich ein zweites Mal zum Narren machte? Nicht auszudenken! Er musste dieses Mal sicher sein.

Abas lauschte, doch vernahm er keine Geräusche. Vielleicht waren sie woanders: im Stall, in der Speisekammer, auf dem Turm, im Weinkeller, im Bergfried, gar im Kerker? Oder waren sie ausgeritten, um es in der Lichtung eines Eichenwaldes auf einem weichen Moosteppich zu treiben? Abas sah vor seinem inneren Auge die verschlungenen, nackten Leiber im fahlen Mondlicht, die sich auf dem Bett aus Flechten rekelten und aneinander rieben. Wie die Lockungen des Fleisches riefen und das heimliche Liebesnest zum Sündenpfuhl werden ließen.

Leise öffnete Abas die Tür. Sollte Gladius alleine schlafen, so würde er den ungebetenen Besuch nicht bemerken. Als Abas durch einen Spalt lugen konnte, blakten einsame Flammen dreier Stumpenkerzen neben dem Bett. Doch in den Federn lag kein Schultheiß. Auch dieses Nachtlager war unberührt. Wo war Leda? Und wo war Gladius? Wo waren sie?
167. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 25.09.21 13:05

Fieberhaft suchte Abas, immer noch wankend, die Burg ab – ohne Erfolg. Und niemand konnte ihm über den Verbleib der Majestät etwas sagen. Dann traf er auf den königlichen Majordomus Hagbard, der noch nicht zur Ruhe gegangen war sondern in der Schriftenkammer auf einem Pergament einige Urkunden unterzeichnete. „Was ist Euer Begehr, Abas?“, fragte er überrascht und tunkte gerade seinen Federkiel in ein Tintenfässchen. Der Königsgemahl machte keinen besonders würdigen Eindruck, denn ein großer Rotweinfleck hatte sein Wams verunstaltet, sein Haar stand wirr vom Kopf und auf seiner Wange zeigten sich Druckstellen der Sessellehne, auf der er eingeschlafen war. „Leda ist verschwunden. Niemand weiß, wo…“ Hagbard unterbrach ihn: „Oh, macht Euch keine Sorgen! Majestät ist mit einer kleinen Gruppe Gardisten ausgeritten.“

Abas sah erstaunt drein. „Mitten in der Nacht?“ Hagbard nickte. „Natürlich. Schwarzwild.“ Abas erwiderte: „Aber Leda jagt gewöhnlich nicht nachts.“ Hagbard hob die Augenbrauen. „Heute schon.“ Abas fragte argwöhnisch: „Wer ist bei ihr?“ Hagbard zuckte mit den Schultern. „Sechs Gardisten, darunter Zelos, der Oberste. Und der Schultheiß ist ebenfalls mit geritten.“ Abas ächzte, als ihm die Konsequenz dessen Gewahr wurde. „Gladius!“ Hagbard sah den Königsgemahl fragend an, aber er erhielt keine Antwort.

Abas wankte zum Pferdestall. „Bereitet mir ein Ross. Zügig!“, wies er einen Knecht an. Kurz darauf galoppierte der Königsgemahl über die Zugbrücke hinaus auf das offene Feld, hinter dem der alte Eichenwald lag. Sein Gesicht war zu einer zornigen Fratze verzerrt. Er peitschte das Ross mit den Zügeln links und rechts und konnte gar nicht schnell genug dem tiefen Wald entgegenkommen. Die Dunkelheit zwang ihn schließlich zu langsamem Ritt, denn so manche knorrige Wurzel bildete gefährliche Stolperfallen.

Bald schon erkannte er in der Ferne zwischen den dicken Stämmen der großen Bäume einige Fackeln. Abas ritt auf die bewegten Lichtpunkte zu: Fünf Gardisten kamen mit fetter Beute von der Jagd zurück. „Hoheit“, wunderte sich einer der Männer, „was tut Ihr hier allein im Wald?“ Abas fragte barsch: „Wo ist die Königin?“ Der Mann antwortete: „Majestät schickte uns vor. Sie reitet später nach.“ Abas rief entrüstet: „Ihr habt sie alleine gelassen? Die Königin nachts im Wald?“ Der Jäger beschwichtigte: „Habt keine Sorge, Hoheit. Die Majestät ist sicher. Die Grenze von Ledanien wird gut bewacht. In diesem Wald gibt es weder Feinde noch Räuber oder Unholde.“

Abas stöhnte: „Und der Schultheiß? Ist er bei der Königin?“ Der Gardist nickte: „Jawohl. Sie ist nicht allein. Sorgt Euch nicht, Herr.“ Abas schnaufte. „Wo finde ich sie?“ Der Mann zeigte schräg hinter sich: „Den Pfad eine Meile entlang. Dann haltet Euch links, den Erdhügel hinab durch einen kleinen Birkenhain. Dort befindet sich eine kleine Lichtung, wo wir gerastet haben. Majestät ruht dort noch.“ Abas keuchte leise. Eine Lichtung im Wald! Wie in seinen Schreckensvisionen!

Der Königsgemahl gab dem Ross die Sporen und ritt los. Mit jeder Armlänge, die er zurücklegte, schlug sein Herz lauter. Auf frischer Tat würde er die beiden erwischen! Der Schweiß hatte sein dünnes Wams durchnässt. Als er an dem Erdhügel ankam, stieg er von seinem Tier und band es an einer Birke fest. Dann schlich er das letzte Stück bis zur Lichtung in duckender Stellung weiter. Er machte sich auf das Furchtbarste gefasst.

Abas war nur noch wenige Schritte von der Lichtung entfernt. Er hörte ein Ross leise schnauben. Und dann sah er Hinterkopf und Rücken von Gladius. Abas erhob sich ein wenig aus seiner versteckten Haltung und erkannte, dass der Schultheiß seine Beinkleider herabgelassen hatte. Schon wieder der nackte Arsch dieses Recken! Abas verfluchte ihn! In seiner Vorstellung kniete Leda vor Gladius und saugte liederlich und ordinär am Liebesstab des Mannes. Abas hielt die glühend heiße Eifersucht nicht länger aus und sprang aus seinem Schlupfwinkel. In seiner Aufregung hatte er keine Blankwaffe mitgenommen, doch war genug Wut und Enttäuschung in ihm, dass er sich zutraute den viel kräftigeren Ex-Soldaten zu erwürgen, seinen Kopf an einem Baumstamm zu zerschmettern, seine Glieder zu keulen, sein heimtückisches Herz aus dem Leib zu reißen, auf dem Boden zu zerstampfen und…

Als sich Gladius umdrehte und seine Männlichkeit in der Hose verstaute, fragte er überrascht: „Hoheit? Was macht Ihr hier im Wald?“ Abas bremste seinen Sprint ab und spürte einen scharfen Schmerz in seinem rechten Knöchel, seiner Hüfte und auch noch im unteren Rücken. Ruckartige Bewegungen taten ihm nicht gut. Ein böses Erbe der Haft unter Megara. „Gladius“, krächzte der Königsgemahl mit rauer Stimme. Der Schultheiß hatte sich offenbar gerade gegen einen Baum erleichtert. „Wo ist die Königin?“, wollte Abas verwirrt wissen. Gladius rückte seinen Jagdrock zurecht. „Sie kommt nach. Aber seid ohne Sorge! Der Oberste ist bei ihr. Zelos wird sie vor allen Gefahren beschützen.“

Abas kam sich wie ein Tor vor. Wieder hatte er Gladius fälschlicherweise verdächtigt. Der Schultheiß begleitete den Königsgemahl zu seinem Wallach, und dann ritten beide zurück zur Burg. „Habt Ihr Majestät so sehr vermisst?“, fragte Gladius freundlich. Abas seufzte. „Ach, wenn Ihr wüsstet… Sie war nirgends zu finden. Und ich habe mir Sorgen gemacht.“ Gladius lächelte, doch empfand er das Gebaren des Königsgemahls ein wenig seltsam.

Abas legte sich ins königliche Bett und wartete auf seine Vermählte. Neben dem Nachtlager stand eine Sanduhr, die Abas herumdrehte und beobachtete, wie der Sand Korn für Korn in das untere Glas rieselte. Als das obere Gefäß leer war, drehte er die Sanduhr herum und wartete erneut. Seine Ungeduld wuchs. Aber er zwang sich zur Ruhe. Er würde sich nicht ein drittes Mal zum Narren machen!

Nach scheinbar unendlicher Zeitspanne erschien Leda endlich im Schlafgemach. Abas erzählte ihr von seinen Sorgen, erwähnte aber nicht, dass er eifersüchtig ihre Treue bezweifelt hatte. Er war einfach nur froh und erleichtert, dass sie wieder da war. Leda beruhigte ihn. „Der Wald birgt keine Gefahren. Du hättest ruhig schon schlafen können, Liebster.“ Abas erwähnte zur Ablenkung die alte Sage über den nahen Weiher. Dort sollte ein Jüngling hausen und Weiber vom Ufer in die Tiefe ziehen, wenn sie alleine dort wandelten.

Es hatte sich der Überlieferung nach vor langer Zeit zugetragen, dass ein Bursche dort eine Magd unsittlich berührt, ja, Unzucht getrieben hätte. Das Gör lief weinend zu ihrem Vater. Der Bursche beteuerte seine Unschuld. Er habe der Magd sogar einen Korb gegeben, als diese ihn verführen wollte. Doch man glaubte ihm nicht. So kam der Jüngling kurzerhand an den Pranger und erlitt die Rettichstrafe. Das Gör soll triumphierend gegrinst haben, als der junge Mann vor Schmerz und Scham unerträgliche Qualen litt. Und schon bald sah man die Maid mit einem anderen Jüngling flachsen und feixen. Doch der bestrafte Bursche war aus dem Dorf verschwunden. Nie wurde er gefunden, doch hatte ein Fischer an einem nebeligen Morgen im nahen Weiher seine Gestalt über dem Wasser schweben sehen.

Leda ließ sich jedoch von dem Einwand zum Weihergeist nicht beeindrucken. Sie küsste ihn zärtlich auf die Stirn und kuschelte sich an ihn. Als sie den großen, verwischten Rotweinfleck auf seinem Wams bemerkte, strich sie ihm über den Schopf wie einem kleinen Bub, und meinte: „Hast du nicht bemerkt, dass du dich bekleckert hast?“ Abas wurde zornig. Warum musste sie ihn stets wie ein Blag behandeln? Doch ihr warmer, weicher Leib besänftigte ihn. Bald war sie in süße Träume gesunken.

Ihr Gatte lag noch einige Zeit wach. Er fragte sich, ob Leda ihn anders geküsst hätte, wenn seine Manneskraft noch lebendig gewesen wäre. Als er schon im Halbschlaf lag, verschwammen seine Gedanken in einem wirren Nebel. Roch Leda nur nach ihrem betörenden, süßen Duftwasser oder war da noch ein fremdes, maskulines Aroma an ihr? Doch bevor er die Frage klären konnte, war er ebenfalls eingeschlafen.

In der ehemaligen Hauptstadt von Megaria herrschte Helena, ehemals Duxa der Fama und inzwischen autarke Regentin des Stadtstaates, der früher das Zentrum der Macht über den Alten Kontinent bildete. Der gewaltige Palast, den einst Megara bewohnt hatte, war eine gigantische Festungsanlage, in der Helena thronte. Die Regentin ging stolzen Schrittes über den langen marmornen Gang, an dessen Decke kunstvolles Stuck und Blattgold allerhand Göttergestalten, Schlachten und auch Helenas Antlitz darstellten. Peinlich genau hatten Bedienstete jede Handbreit der Decke abgesucht, um jegliche Fratze der Megara zu entfernen, die sich fast überall hatte verewigen lassen.

Später waren einige Fama-Abbildungen dazugekommen, die ebenfalls übermalt werden mussten. Helena konnte sicher sein, niemals wieder irgendwo im Palast eine Abbildung oder Skulptur der Megara zu finden, denn sie hatte den Verantwortlichen versprochen, sie von ihren „kranken Augen zu befreien“, falls sie sich als so unscharf herausstellten, dass sie eine Megaradarstellung übersehen hätten. Was immer das hieß, die meisten Bediensteten hatten bei der Vorstellung ein glühendes Eisen vor Augen – im wahrsten Sinne des Wortes.

Helena blickte aus einem schartenförmigen Fenster in einen gepflegten Innenhof, wo zwei junge Soldatinnen miteinander fochten. Die mittlerweile in Mode gekommenen dünnen, feinen Blankwaffen waren viel schneller und einfacher zu handhaben als schwere Schwertklingen, die den Kampfsklaven überlassen waren. Die selbst ernannte Königin hatte aus der großteils zerstörten Stadt wieder eine blühende urbane Welt erschaffen. Die Stadtmauern waren hoch und dick wie eh und je. Soldatinnen gingen Patrouille auf den hölzernen Stegen hinter den Zinnen und hielten nach Feinden Ausschau; innerhalb der Stadt lebten Helenas Untertanen in einer von Frauen dominierten Gesellschaft, wie sie es auch unter Fama, der Siegreichen, gewohnt waren.

Längst nicht alle Männer waren reine Sklaven, doch hatten sie faktisch kaum Rechte und durften nur bestimmte Berufe ausüben: Tätigkeiten, die schwere körperliche Kraft erforderten oder beispielsweise die Beschäftigung als Dienstbote, Spaßmacher, Gaukler und Soldat auf unterstem Rang, Stallbursche oder Gehilfe waren die gewöhnlichen Aufgaben eines Mannes.

Helena führte mit einem kleinen Kreis von Senatorinnen die Regierung des Stadtstaates. Verglichen mit Famas Metropole oder gar Cassandras Reich war die Politik liberal. So gab es keine Prügelsklaven, die ihren Hintern für Untaten feiner Damen hinhalten mussten, sondern eine Strafgesetzrolle enthielt genaue Angaben zu angemessenen Strafen für diverse Vergehen. Wurde eine Frau eines schweren Verbrechens überführt, konnte sie sogar in Kerkerhaft kommen. Gewalt gegen Männer war jedoch grundsätzlich straffrei. Lediglich wegen Beschädigung konnte eine Dame eine andere Person anzeigen, falls diese einen Sklaven misshandelt hatte, so dass dieser in der Ausübung seiner Arbeit beeinträchtigt war.

Zu einer Vorschrift für Keuschheitsgürteln hatte der Senat sich nicht einigen können, so dass Helena entschieden hatte, dass sie zwar für Männer in der Öffentlichkeit verpflichtend seien, doch jede Besitzerin konnte in ihren Privatgemächen tun, was sie wollte. Üblich waren regelmäßige Aufschlüsse. Nur bei kleinen Vergehen ließen einige Ladys ihre Recken gern einige Wochen schmoren. Mannsbilder, die frei waren und sich noch keiner Dame angeschlossen hatten, durften den Schlüssel zu ihrem Keuschheitsgürtel sogar selbst verwalten. Das hatte anfangs einen Aufschrei der konservativen Ladys gegeben, doch die Regentin hatte sich im Senat durchgesetzt. Erst bei Leibeigenschaft oder Hochzeit musste der Mann seinen Schlüssel an die Herrin abgeben.

Helena klatschte mit ihren beringten Fingern, und eilfertig erschien ein Dienstbote mit einer silbernen Karaffe Tee. Zu dieser Zeit nahm die Königin stets ein Tässchen Pfefferminztrunk zu sich. Der Diener balancierte auf einem kleinen Tablett zwei Tassen, denn Helena bevorzugte die „Giftprobe“ vor jeder Mahlzeit und jedem Getränk. Der Dienstbote goss beide Tassen ein und trank dann als erstes sein filigranes Gefäß leer. Nach einigen Augenblicken ließ sich Helena dazu herab, vom Ergebnis Kenntnis zu nehmen: Der Diener lebte noch.

Als Helena ihren Tee genossen hatte, verließ sie den kühlen Palast und schlenderte durch den Lustgarten, dessen Blumen herrlich grün, blau, rot, gelb, orange und violett blühten. In einem Teich schwammen Seerosen, Vögel zwitscherten fröhliche Lieder. Ihre seidige Robe rauschte, als eine kleine Windböe den leichten Stoff bewegte. Der blaue Himmel zeigte keine einzige Wolke. Und doch gebar sich die Sonne heute nicht ganz so stechend wie sonst.

Ein Dienstbote in einer knappen Baumwoll-Tunika verbeugte sich tief, der ihren Weg kreuzte. Er trug einige lange Stelzen in der Hand, die er vom Markt mitgebracht hatte. Am Abend würden zwei Recken dem Senat auf den Holzstangen eine Tanzdarbietung in langen Gewändern vorführen. Einige der Senatorinnen waren ganz begeistert von dieser Art der Kunst. Helena konnte dem weniger abgewinnen. Sie freute sich mehr auf das anschließende Marionettentheater, in dem ihre Krönung aufgeführt wurde.

Allerdings hatte sie die Geschichte nach ihrem Geschmack umschreiben lassen: In dem Stück besiegte sie sowohl Fama wie auch Megara in grandiosen Schlachten und ließ sie letztendlich in einer prachtvollen, feierlichen Hinrichtung köpfen – die Wahrheit sah etwas anders aus, aber das war ihr einerlei. Helena setzte sich unter ein weißes Sonnensegel aus Leinen und betrachtete ein Schachbrett aus Marmor mit kunstvoll verzierten Spielfiguren aus gediegenem Onyx und reinem Alabaster. Hier saß sie gewöhnlich gern und maß sich mit anderen Edelfräuleins oder Senatorinnen in dem strategischen Wettkampf.

Doch heute war ihr nicht danach. Beim Anblick wurde Helena ein wenig schwermütig. Innerhalb des Palastes hatte sie alles nur Denkbare für Kurzweil und Zerstreuung, aber sie sehnte sich nach den langen Jagdausflügen in den weiten Ebenen und Wäldern des Alten Kontinents. Zu ihrem Leidwesen war dies zu gefährlich, seit Megaria in viele Kleinstaaten zerfallen war und ein Durchritt auf fremdem Land bereits einer Kriegserklärung gleichkam. Die wenigen Wälder, die zu dem Stadtstaat gehörten, waren für Helena langweilig geworden.

Auch war dort kaum noch Wild heimisch. Das meiste Fleisch kam von Zuchttieren. Wild galt als Delikatesse, die sich nur wenige Personen leisten konnten. Einige der Tiere mussten aus den so genannten „Freien Ländereien“ teuer importiert werden. Nur besonders waghalsige und mutige Jägerinnen ritten in diese rechtsfreien Landstriche des Alten Kontinents, die bisher noch kein Staat für sich beanspruchen konnte und eine Art Pufferzone zwischen einigen Königreichen bildeten.

Helena träumte von einem größeren Reich. Sie hatte es so weit gebracht. Jetzt wollte sie noch den Gipfel aller Macht: Die Herrschaft über den gesamten Kontinent! Von der Abtrünnigen war sie bei Fama bis zur Duxa und schließlich zur Stadthalterin aufgestiegen. Nun herrschte sie über ein eigenes Königreich. Warum sollte sie also nicht nach den Sternen greifen? Warum sollte ihr das Schicksal den Alten Kontinent vorenthalten? „Eines Tages…“, schwärmte sie von einer goldenen Zukunft, die ihr bereits einige Wahrsagerinnen prophezeit hatten. Doch skeptisch ahnte sie, dass die Kartenleserinnen ihr nur das erzählt hatten, was sie hatte hören wollen.

Ihr Misstrauen gegen alles und jeden steigerte sich krankhaft: Helena umgab sich nicht nur von hünenhaften Leibwächtern, besaß mehrere Vorkoster und trug meist selbst einen kleinen Dolch, versteckt in ihrem Gewand an einem Band um ihren Schenkel, sie ließ auch die Senatorinnen heimlich überwachen, hatte überall ihre „Ohren“ und sorgte für ein kompliziertes Netz aus Personen, die sich gegenseitig überwachten und kontrollierten. Spitzel und Spion konnte jeder sein – angefangen vom Reitknecht bis zur Senatorin.

Missgunst und Misstrauen sorgten daher in Helenas Umfeld und im gesamten Führungskader der Armee für eine angespannte Lage. Niemand wagte es, seine Gedanken offen zu sagen oder gar Helena zu kritisieren. Selbst die Senatorinnen hielten sich in ihrem Gremium stark zurück und versuchten der Königin nach dem Mund zu sprechen. Dass sich die Regentin damit immer mehr isolierte, bemerkte sie nicht.

Trotz der rigorosen Zensur brodelte im Hintergrund der Unmut und die erste Gelegenheit, Helena zu stürzen, würde am Schopfe gepackt, doch noch hatte sich keine Dame als Führerin eines Putsches benannt. Niemand wollte sich in die Nesseln setzen, falls der Umsturz misslang, denn Hochverrat hatte den Henkersblock zur Folge. Keine Duxa hatte den Mumm, die Zügel in die Hand zu nehmen - zumindest nicht, solange noch manche Duxas und Senatorinnen ihre Loyalität Helenas gegenüber behielten.

Helena schlenderte einen Weg entlang und stieg dann zwei perlweiße Stufen hinauf und durchschritt ein großes Portal mit hohen Marmorsäulen. Zwei gerüstete Palastwachen salutierten, als die Herrscherin an ihnen vorbei schritt. Selbst hier, im Schutze ihrer treuesten Garde, sah sie sich misstrauisch um, ob nicht einer der Männer ihr sein Kurzschwert in den Rücken rammen wollte. Erleichtert, weil sich dieses Trugbild in ihrem Kopf nicht bewahrheitete, lustwandelte sie wieder entspannter weiter durch den folgenden Gang.

Links und rechts an den Wänden waren prächtige Mosaiken aus glitzerndem Gestein angebracht. Die Decke war gewölbt und an den Wänden mit Pfeilern gestützt, die sich an der Decke netzartig fortsetzten. Helenas Ziel war eine hohe, zweiflügelige Pforte am Ende des Flures, die zu ihrem Sklavenharem führte. Trotz des hohen Gewichts und der Größe der massiven Türe, benötigte Helena nur eine sanfte Handbewegung, um einen Flügel zu öffnen. Geräuschlos bewegte sich das mit zahlreichen Nieten besetzte Eichenholz in dem geölten Scharnier zur Seite, so dass die Herrscherin in den Raum eintreten konnte, der für alle anderen weiblichen Personen strengstens verboten war.
168. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 03.10.21 13:21

Ein edler Duft von Vanille, Süßholz und Jasmin wehte ihr entgegen. Sie schritt auf einen Vorhang mit eingewebten Goldfäden zu, den sie zur Seite schob: Sechs junge Männer lächelten ihr lieblich entgegen. Einer von ihnen lag auf einem karmesinroten Diwan, einer stand ihr direkt gegenüber und verneigte sich demütig, zwei von ihnen saßen auf Holzstühlen und spielten Schach, zwei weitere unterbrachen ihre Turnübungen, die sie an einem Holzbarren vollführten.

Der Anblick der hübschen Mannsbilder zauberte Helena ein freudiges Lächeln ins Antlitz. Unter tausenden Recken hatte ihre Garde die schönsten Exemplare für sie zusammengestellt und sie in der Kunst der Liebe unterwiesen. Die Auserwählten lebten nun im Harem der Herrscherin, ihr zu Diensten. Die seidenen, weißen Tücher, die sie um die Hüften geschlungen hatten, verbargen die Keuschheitsgürtel. Helena betrachtete die glatt rasierten und wohlgeformten Leiber, die von dem Öl glänzten. Die Brust, wie meißelt, die Arme drahtig und maskulin, der Bauch flach und trainiert. Allein ihr Anblick ließ die Königin wohlig erschaudern.

Mit einer sanften Bewegung streifte Helena ihren kostbaren Umhang ab, indem sie die goldene Brosche unter ihrem Hals löste. Dann ließ sie sich von ihren Lustsklaven auf eine mit Samt bezogene Liege führen und sinnlich mit massierenden Fingern verwöhnen. Schon bald hatte Helena das unbändige Bedürfnis, auch den Rest ihrer Stoffe abzulegen. In einem kleinen Lederbeutel, den sie an ihren breiten Gürtel geknotet hatte, befanden sich sechs Schlüssel. Sie hatte die Qual der Wahl.

Helena stöhnte zufrieden, als sich zwölf Hände ihres königlichen Leibes annahmen. Die Regentin wies fünf der jungen Männer schließlich mit einer hochnäsigen Geste zur Seite und öffnete den Keuschheitsgürtel des sechsten, stieß ihn temperamentvoll in die Kissen, legte sich mit leicht gespreizten Schenkeln auf ihn und ließ ihn in sich gleiten. Ihre Feuchte sorgte dafür, dass sein praller Stab ohne Schwierigkeiten in sie hinein sank. Langsam rieb sich Helena an ihrem Lustsklaven und gab leise Laute der Wollust von sich.

Mit zunehmender Erregung erhob sich die Herrin, entschwand dem Mann, der frustriert aufstöhnte, doch winkte sie ihn sofort wieder zu sich. Sie ließ sich nach hinten auf den Rücken fallen, zog die Oberschenkel bis zu den wunderschönen Brüsten hoch und genoss es, wie der Lustsklave sich auf die Knie erhob und sich eng an ihre Weiblichkeit presste, um erneut in das majestätische Paradies zu tauchen. Tiefer und schneller wurden die Stöße des Mannes. Und Helena hauchte: „Komm her!“

Der Leibeigene beugte sich nun über den erhitzten königlichen Leib und nahm die Herrscherin, die ihre Beine angewinkelt weit nach außen spreizte. Die langen Haare des Haremdieners kitzelten Helenas Gesicht, doch war sie von seiner Liebeskunst so verzaubert, dass sie dies kaum bemerkte. Und so kamen beide Liebenden schließlich zu einem lauten und intensiven Höhepunkt. Der Lustsklave entlud sich in der Monarchin, deren Leib vor Lust und wilder Erregung bebte.

Helena verschloss den jungen Mann und winkte einen anderen herbei. Im Gegensatz zum ersten Liebhaber war dieser Sklave kahl. Helena strich ihm über den frisch rasierten Schädel, während sie ihn küsste. Eng umschlungen liebkosten sie sich. Und bald schloss die Herrscherin den Keuschheitsgürtel auf, der den Liebesstab des Recken kaum noch bändigen konnte.

Zu Anfang durfte der Sklave ihre holde Weiblichkeit mit seiner Zunge verwöhnen, und dann auf ein Signal der Königin mit seinem Prügel in sie eintauchen. Dabei ruhte sie auf ihren Ellenbogen, zog ein Bein an, der Jüngling beugte sich über sie, indem er sich mit den Armen abstützte. Das Liebesspiel nahm seinen Lauf und brachte den Sklaven vor Geilheit fast um den Verstand, denn er durfte seinen Samen erst verströmen, wenn er die königliche Erlaubnis erhielt.

Helena genoss die sanften Stöße und hörte das unterdrückte Jammern des Mannes, der nach der Erlösung lechzte. Doch bevor die Lust des Leibeigenen endlich ausfließen durfte, wechselte Helena ihre Stellung: Ihr Spielzeug befahl sie in den Lotussitz und nahm dann auf ihm Platz. Als der Jüngling so weit war, dass er sich jeden Wimpernschlag entladen konnte, stand die Herrin auf und erfreute sich an dem entsetzten und gequälten Ausdruck seines Gesichtes.

Sie ließ sich zu einem weiteren Gipfel der Lust mit seiner Zunge verwöhnen, legte sich dazu auf den Bauch und streckte ihr edles Hinterteil in die Luft. Ausgiebig leckte der Kahlköpfige die Venus. Auf ein Zeichen durfte er wieder in sie tauchen. Der Mann hob die Hüfte der Machthaberin ein Stückchen höher und stieß sanft, fast ehrfurchtsvoll, von hinten in sie ein. - Aber dann gab es keine Zurückhaltung mehr. Wie ein Stier rammte der Mann in unendlicher Gier den Leib, der sich die grobe Behandlung gern gefallen ließ, denn auch Helena war wieder kurz vor einem Höhepunkt der Freude und gab leise, heisere Laute von sich. Schließlich erbebten beide Körper eng umschlungen, und Helena spürte den pulsierenden und pumpenden Liebesdiener tief in sich.

Die vier Lustsklaven, die zu Zuschauern des Spektakels verflucht waren, starrten eifersüchtig und neidvoll auf das räkelnde nackte Paar in den Kissen. Für sie würde es heute keinen Aufschluss aus ihren eisernen Hosen geben. Helena winkte einen von ihnen herbei, um sich die Füße küssen und massieren zu lassen. Sie wusste genau, wie das diesen Leibeigenen erregte. Gierig, lüstern und unbeherrscht saugte er an den kleinen Zehen, bedeckte die Füße mit Küssen, massierte die königlichen Sohlen und sog den herrlichen Duft des zarten Leibes ein.

Helena schwelgte eine ganze Weile in süßen Tagträumen, während der Sklave sich redlich bemühte, seine Imperatorin zufrieden zu stellen. Als sie sich aus dem Harem zurückzog, ohne ihn aufgeschlossen zu haben, bebten seine Lippen vor Enttäuschung. Seine Augen sahen die Herrin groß und bettelnd an. Dieses grausame Spiel trieb Helena nun schon seit vielen Wochen mit ihm. Und jedes Mal zerplatzte seine Hoffnung, endlich aus dem Keuschheitsgürtel erlöst zu werden.

Die Dispotin, die inzwischen den langen Marmorgang zurück zum Lustgarten entlang schritt, kicherte bei dem Gedanken in sich hinein, den Sklaven unter seinem Druck leiden zu lassen. Warum sollte sie ihn jemals befreien? Seine Männlichkeit war ihr zu klein. Und außerdem war es eine herrliche Belustigung, ihn so gequält zu sehen. Gut gelaunt und entspannt visierte sie ihr Kleidergemach an, um sich umzuziehen.

Vor der dicken Tür, die in ihr Ankleidezimmer führte, standen zwei Leibwachen. Die Hünen waren mit kräftigen Muskeln ausgestattet und trugen eine besondere Rüstung aus einer festen Lederschicht und Metallstücken, die mit Nieten befestigt waren. Die breiten Schulterstücke waren mit scharfen klingenartigen Spitzen besetzt. Im Gürtel steckte ein schweres Kurzschwert. In den Händen trugen sie eine Waffe, die ausschließlich der Leibwache vorbehalten war: eine Art Dreschflegel aus Metall, dessen kürzeres Ende aus vier ineinander gewinkelten Klingen bestand. Wer diese tödliche Waffe beherrschte, war im Nahkampf schier unbesiegbar. An den Füßen trugen die hoch gewachsenen Kämpen dicke Stiefel, die am Schienbein und der vorderen Spitze sowie an den Hacken metallene Dornen aufwiesen.

Helena waren nur die besten Kämpfer gut genug, um ihre persönliche Leibwache zu bilden. Zu ausgeprägt war ihre Angst vor einer Palastrevolte von einigen nach Macht gierenden Duxas oder Senatorinnen. Die Königin zog sich ein anderes kostbares Gewand an, das am Hals hochgeschlossen war. Darüber trug sie eine dicke, lange Kette mit ihren Insignien aus purem Gold. Sie türmte ihre Haarmähne zu einem hohen Konstrukt hoch, durchbohrte es mit mehreren Haarnadeln und betrachtete sich in einem mannshohen Spiegel, um sich ehrwürdig zuzunicken. Nun würde sie sich einigen Bittstellern im Thronsaal widmen. Sicherlich würde wieder „Freivolk“, also freie Männer, dabei sein, das sich ungerecht behandelt fühlte.

Helena musste grinsen. Vergangene Woche hatte ein Recke vorgesprochen, dem eine Soldatin angeblich seine Ersparnisse und allen Besitz geraubt hatte. Helena hatte ihn von oben bis unten angeschaut und höhnend gemeint: „Aber du hast doch noch deine Lumpen! Die hat dir die Soldatin anscheinend gelassen.“ Der Mann hatte geschluckt und kleinlaut geantwortet: „Jawohl, hohe Majestät. Das hat sie wohl.“ Helena hatte wohlgemut vorgeschlagen: „Entkleide dich, damit wir sehen können, dass du deine Münzen nicht versteckt bei dir trägst.“

Der Untertan hatte sich mit puterrotem Kopf vor der Königin, der Schreiberin, der Palastgarde und drei anwesenden Edeldamen entblößt. Gekicher war durch den Thronsaal getönt. Schließlich war Helena süffisant zu dem Schluss gekommen: „Du bist wirklich ein armer Wicht! Aber du bist den Beweis schuldig geblieben, dass du von der Beschuldigten beraubt worden bist. Vielleicht hast du selbst alles durchgebracht und versoffen oder verspielt?“

Der Mann hatte vehement den Kopf geschüttelt. „Nein, hohe Majestät. Niemals würde ich…“ Helenas dünkelhafte Stimme hatte ihn unterbrochen: „Schweig still, du Wurm! Du hast eine Soldatin meiner Armee eines Verbrechens beschuldigt. Ich komme zu dem Schluss, dass du dich einer Verleumdung schuldig gemacht hast! Garde! Bringt den Lügenbold an den Pranger. Er soll über seine Lügengeschichten nachdenken!“ Damit war der Kerl herausgeführt worden. Er hatte es nicht gewagt, zu protestieren und hatte seine Strafe stumm ertragen.

Bevor nun der erste Bittsteller des Tages hereingelassen wurde, fragte Helena die Schreiberin, was aus dem Verleumder geworden war. Die Schreiberin sah auf ihrer Pergamentrolle nach und antwortete: „Der Delinquent war im Pranger auf dem Markt für drei Tage eingeschlossen. Danach ist er seiner Wege gehumpelt.“ Helena bemerkte das spitzbübische Grinsen der Schreiberin und erhob fragend eine Augenbraue.

Die Protokollantin flüsterte: „Die Soldatinnen haben ihn am Pranger entblößt und seinen Hintern gegeißelt. Wie man erzählt, ist er von einem Pulk nach den drei Tagen unbedeckt aus der Stadt gejagt worden. Es muss ein entzückender Klamauk gewesen sein.“ Sie seufzte. Leider hatte sie das verpasst. Aber vielleicht verurteilte die Königin heute ja wieder einen Unglücklichen.

Zwei Fanfaren ertönten als Zeichen, dass die Audienz beginnen möge. Helena empfing den ersten Fürbitter: Ein einfacher Arbeiter, der trotz offiziellen Verbots bereits schon mehrfach von seiner Herrschaft gepeitscht worden sei. Für „Freivolk“ war Prügel unzulässig. Helena ließ sich den gestriemten Hintern zeigen. Gekicher der Anwesenden demütigte den Mann, der sich die Beinkleider wieder hochzog und versuchte einigermaßen würdevoll zu Boden zu blicken – die Königin anzusehen war strengstens verboten.

Helena war nach dem wohltuenden Haremsbesuch in guter Stimmung und verkündete großzügig: „Die Herrschaft des Mannes soll einen königlichen Verweis erhalten. Zehn Goldmünzen sollen als Strafe reichen.“ Der Mann bedankte sich für dieses Zeichen von Gerechtigkeit überschwänglich und wurde von den Wachen hinausgeführt. Die Schreiberin flüsterte: „Hohe Majestät! Es steht mir nicht zu, Euch zu kritisieren, aber wird dem Arbeiter der Verlust nicht vermutlich von seinem Lohn abgezogen?“ Helena lachte kurz auf. „Zehn Goldmünzen? Wie das? Da müsste er ja für die nächsten zwanzig Jahre umsonst schuften.“ Die Schreiberin verneigte sich höflich: „Ihr seid so weise, Majestät.“

Sie fragte sich, ob Helena die Frage falsch verstanden oder absichtlich so geantwortet hatte. Auf jeden Fall würde der Arbeiter seines Lebens nicht mehr froh werden, sollte er bei der Herrschaft bleiben. Und ein Mann, der kein gutes Zeugnis erhielt, würde nirgends eine „freie“ Anstellung finden und sich letztlich als Leibeigener verdingen müssen – mit der Option, sich nach vielen Jahren Schwerstarbeit freikaufen zu können.

Die Protokollantin erinnerte sich an einen Sklaven ihrer Base, der sich nach Jahren harten Frondienstes freikaufen wollte. Doch seine Herrin wollte nicht auf den Leibeigenen verzichten und berechnete ihm am Tage seiner erhofften Entlassung rückwirkend für Kost und Logis einen Wucherpreis, so dass der Arme noch heute für seine Befreiung schuftete. Und so sollte es bis zum Nimmerleinstag wohl bleiben. Vermutlich war er inzwischen verzweifelt und hoffnungslos. Das Arbeitssoll blieb ihm trotzdem erhalten. Sonst gab es die Peitsche. Für Leibeigene war die Züchtigung gute Gepflogenheit und Brauch.

Die Protokollführerin besaß selbst nur einen einzigen Leibeigenen, der ihr Diener, Lustsklave und Wächter in einer Person war. Hin und wieder erhielt er von ihr die Rute auf das nackte Gesäß, wenn die Wohnung nicht sauber oder das Essen nicht gut genug war. In letzter Zeit musste die Schreiberin sich selbst eingestehen, dass sie dem Jüngling auch gerne unter einem fadenscheinigen Vorwand einige Hiebe versetzte und ihn anschließend erregt in ihr Nachtlager befahl. Doch wenn sie sich richtig an den steifen Luststab erinnerte, so schien ihm das durchaus zu gefallen.

Als eine kostbar gewandete Dame den Saal betrat, schaute Helena interessiert auf. Auch die Frau mit dem Federkiel wachte aus ihren Gedanken auf, als zwei Gardisten in ihren schweren Rüstungen scheppernd die Bittstellerin herbeiführten. Die Dame war schon einmal da gewesen. Helena hatte mehrere hundert Sklaven der Großbesitzerin beschlagnahmt, um genügend Arbeiter an den Stadtmauern einsetzen zu können. Zwar waren die Wälle bereits jetzt unüberwindlich, doch sorgte sich die Monarchin wegen möglicher Angriffe feindlicher Reiche und Marodeure.

Die Lady hatte sich beim ersten Mal bitterlich beim Senat beschwert und einen Schadensersatz erstritten. Doch nun erschien sie vor Helena und verlangte neben dem erhaltenen Gold auch noch augenblicklich einen Teil der Sklaven zurück. „Die Arbeit auf meinen Plantagen ist mit den wenigen Kräften nicht zu schaffen. Die Aufseherinnen peitschen den lieben langen Tag bis ihre Arme lahm sind, aber die Leistungen sind nicht weiter zu steigern. Ich habe Verluste…“, jammerte die Frau, als hänge ihr Leben davon ab, und sie würde am Hungertuch nagen. Dabei blinkten dicke Ringe mit Saphiren, Rubinen und Diamanten an ihren Fingern auf, und an ihrem Hals strahlte eine Brosche aus Gold mit einem imposanten Smaragden.

Helena lehnte den Antrag mit einer überheblichen Geste ab. „Seid gefälligst stolz, dass Eure Sklaven an der königlichen Mauer werkeln! Und nun geht von Dannen, oder ich ziehe das Gold wieder ein!“ Die Frau schnaufte wütend, doch hatte sie sich gerade noch im Griff und knickste stumm mit gesenktem Haupte, um dann rückwärts den Thronsaal unter weiteren Verneigungen zu verlassen. Helena grummelte: „Diese alte Vettel! Was glaubt sie, wer sie ist!?“

Hoffentlich war die Audienz des Pöbels bald beendet. Die schwere Widderkrone drückte ihr auf das Haupt. Helena betastete ihre Schläfen und seufzte. Vielleicht hatte sie ihrem Volk doch zu viele Rechte gegeben. Einige Senatorinnen hatten dies immer bemängelt. Im Senat wurde seit geraumer Zeit ein neuer Paragraf im Gesetzbuch diskutiert: Die Prügelstrafe für Freivolk war zwar abgeschafft, aber die Beschlagnahme des Schlüssels zu ihrem Keuschheitsgürtel würde eine empfindliche Strafe darstellen.

Konservative Senatorinnen befürworteten diese Regelung. Helena war sich noch nicht einig. „Eigentlich eine einfache und effektive Buße für sündige Männer“, überlegte sie. Wohl würde sie dem Vorschlag in der nächsten Senatssitzung zustimmen. „Wie viele kommen noch?“, fragte die Königin die Protokollfrau gelangweilt. „Die Schlange ist lang, Hohe Majestät. Aber sobald die Sanduhr abgelaufen ist“, dabei zeigte sie vor sich auf den Tisch, wo die kleinen Körnchen unermüdlich ins untere Glas rieselten, „schicken wir den Rest wieder nach Hause.“

Helena stöhnte theatralisch auf. Diese Empfänge waren nicht nur anstrengend sondern in ihren Augen auch gefährlich. Eines Tages würde ihr Mörder vor ihr stehen, war sie sich sicher und tastete nach dem scharfen, kleinen Dolch unter ihrem Gewand. Womöglich sollte sie eine Gitterwand errichten lassen, die den Thron von den Bittstellern abtrennte. Aber was, wenn ihr eine Leibwache oder gar die Schreiberin eine vergiftete Klinge in den Leib rammte? Misstrauisch beobachtete Helena die Anwesenden aus den Augenwinkeln. „Sie dürfen nicht merken, dass ich sie durchschaut habe“, sinnierte sie mit zu Schlitzen gezogenen Augen und setzte dann ein erhabenes, entspanntes Gesicht auf.

169. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von sheeeep am 04.10.21 13:01

Prima! Zu gerne würde ich einen ausführlichen Bericht lesen,wie es auf der Plantage der grausamen reichen Dame -die vielleicht 2 genauso verdorbene Töchter hat - so zu geht.....Herzlichen Dank wieder einmal...
170. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von AlfvM am 04.10.21 19:57

Super Geschichte weiter so
171. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 10.10.21 16:16


Die Magd Luna ging einen schweren Gang. Ihre Lippen hatte sie zusammengepresst. Ihr Blick war starr zu Boden gerichtet. Auch ohne, dass sie hinsah, wusste sie, dass von überall das Gesinde zuschaute. Luna näherte sich auf dem Hof Maia und Boreas, die an einem Holzgatter standen. Maia stellte sich vor die junge Frau. „Dein Diebstahl wird dich zwei Dutzend Hiebe mit dem Rohrstock kosten. Doch dann sei dir vergeben.“ Luna nickte, sagte aber nichts. Boreas zeigte zum Gatter: „Beuge dich hinüber, Weib.“

Luna gehorchte. Boreas band ihre Handgelenke mit Hanfstricken an ihre Fußknöchel. Zwischen ihrem Oberkörper und den Beinen war nun das Holzgatter. Boreas hob die Röcke der Magd hoch und streifte sie über ihren Kopf. Zu ihrer größten Scham wurde ihr die Leibhose heruntergezogen. Nun war Lunas blankes Gesäß in die Höhe gerichtet und allen neugierigen Blicken des Gesindes hilflos ausgeliefert. Besonders die Knechte, die sich hinter Strohballen, an die Scheunenecke und hinter eine Kutsche gestellt hatten, starrten hinüber, um etwas von Lunas Weiblichkeit zu erhaschen und ihrer Züchtigung beizuwohnen.

Maia wollte gemeinsam mit Boreas die Streiche verteilen. Im Wechsel würden sie ihre Stöcke auf dem Hinterteil der Diebin tanzen lassen. Boreas begann, und Luna bäumte sich bereits nach dem ersten Schlag auf, doch war ihre Bewegungsfreiheit stark eingeschränkt, und so konnte sie nur an den Fesseln rucken. Der zweite Hieb brachte sie zum Stöhnen. Der dritte sorgte für ein unterdrücktes Ächzen. Und dann schrie sie ungehemmt.

Boreas unterbrach die Prügel. „Du weißt, dass du den Hof auch verlassen kannst. Wenn du fortgehst, bleiben dir die restlichen Hiebe erspart.“ Lunas Antwort kam gepresst aus ihrem Munde. „Nein. Ich möchte gern Eure Magd bleiben. Bitte schlagt mich weiter, Herr. Ich habe es verdient.“ Auch die nächsten Hiebe ließen die Magd gellend ihre Schmerzen kundtun. Ihre langen Haare flogen umher, wischten ihr durch das Gesicht, peitschten durch die Luft, verklebten sich mit dem Schweiß in ihrem Nacken. Schließlich stiegen ihr die Tränen in die Augen und wimmernd nahm sie auch den Rest der Strafe hin.

Zu ihrer Überraschung schien Maia mit mehr Kraft zuzuschlagen als der starke Boreas. Aber das wurde ihr erst später klar, als sie die Striemen auf den Pobacken verglich. Unter dem Einfluss der Züchtigung betete sie nur noch darum, dass es endlich vorüber sein möge. Und als sie endlich losgebunden wurde und ihr brennendes, rotes Gesäß bedeckten, stolperte sie in ihre Kammer, von den Tränen in den Augen fast blind.

Nun kümmerten sich Boreas und Maia um den Stallburschen, der mit der gefesselten Luna Notzucht hatte treiben wollte. Der junge Mann bettelte und flehte, als er von dem strengen Urteil hörte, man werde ihn zur Läuterung für fünf Jahre in einen Keuschheitsgürtel stecken. Aber all sein Gezeter, Gewinsel und Gejammer brachte ihn keinen Deut um seine Strafe. Er rutschte vor den Herrschaften herum und wimmerte kläglich, aber Boreas nahm unbeeindruckt einen Keuschheitsgürtel und schloss ihn mit einem schweren Schmiedehammer um die Männlichkeit des Jünglings. Der Stallbursche brach flennend zusammen, fiel auf die Knie und schluchzte bitterlich. Doch die Herrschaft und Zaungäste gingen ungerührt wieder an ihre Gewerke.

Am Abend saßen Boreas und sein Weib um den Küchentisch und löffelten eine Kartoffelsuppe. Er kratzte sich am Kopf. „Sag, wollen wir ihn wirklich fünf Jahre eingesperrt lassen?“ In Maias Gesicht zuckten die Schatten der Kerze, die über dem Tisch hing. „Wir können ihm eine Bewährung zugestehen. Aber ich denke, dass drei Monate angemessen sind, in denen wir auch nichts von seiner frühzeitigen Befreiung erwähnen sollten.“ Boreas atmete auf. Sein Weib war doch kein Unmensch. Maia schränkte ihre Entscheidung allerdings ein: „Sollte er sich nur das Geringste zu schulden kommen lassen…“ Boreas nickte besonnen. Jetzt lag alles am Verhalten des Stallburschen.

Noch in der gleichen Stunde klopfte es an der Tür zur Guten Stube der Herrschaft: Der Stallbursche stand draußen mit verquollenen Augen. „Herr Bauer, Frau Bäuerin. Darf ich eintreten? Ich habe eine Bitte.“ Boreas lud ihn mit einer jovialen Handbewegung hinein. Die beiden Männer setzten sich vor den Kamin, in dem ein kleines Feuer prasselte. Maia stellte sich hinter Boreas und legte ihm die Hand auf die Schulter. Wollte der Stallbursche etwa schon wieder um Gnade betteln? Maia nahm sich vor, dass sie in diesem Fall die Verschlusszeit verdoppeln würde. Wenn sie eines hasste, dann waren es verweichlichte, egoistische Jünglinge. „Was führt dich in unsere Stube?“, wollte Boreas wissen.

Dem Pferdeknecht kamen die Worte nur sehr schwer über die Lippen. „Ich möchte der Herrschaft einen Vorschlag machen.“ Maia hob eine Augenbraue. „Wir sind ganz Ohr.“ Doch nicht ein Gnadengesuch führte den jungen Bengel her, wie Maia vermutet hatte. Im Gegenteil: Er sah seine Schuld ein und berichtete, dass er sich bereits bei der Magd Luna entschuldigt habe. Nun würde er es nur gerecht finden, wenn Luna den Schlüssel zu seinem Keuschheitsgürtel erhielte und selbst entscheiden würde, ob er nach fünf Jahren wieder daraus befreit würde oder nicht.

Maias Gesicht zeigte eine misstrauische Miene. „Oder hoffst du, dass sie dich früher herauslässt?“ Dem Stallburschen war anzusehen, dass er ertappt worden war. Schließlich schlug er die Augen nieder und beichtete mit schwacher Stimme: „Luna hat mir schon versprochen, dass sie mich nach einem Jahr frei lassen will. Aber die Genugtuung, meinen Schlüssel in Händen zu haben, sei es ihr wert, so versicherte sie mir.“

Maia und Boreas sahen sich erstaunt an. Und bevor der Bauer etwas antworten konnte, sprach Maia: „Wir sind einverstanden mit deinem Vorschlag, nicht wahr?“ Boreas sah überrascht zu seinem Weibe, nickte aber. Dem Jüngling fiel ein Stein vom Herzen. Unter wiederholten Dankesworten verließ er das Herrenhaus und lief zu Luna, um ihr die Neuigkeit zu berichten.

Maia grinste. „So schnell werden aus drei Monaten mindestens zwölf.“ Boreas sinnierte. „Meinst du, Luna wird ihn nicht schon früher erlösen?“ Maia lachte humorlos auf. „Sie wird sich noch lange an den heutigen Tag erinnern, selbst dann noch, wenn das Muster auf ihrem Arsch längst verblasst ist.“ Boreas zog die Stirn kraus. „Vermutlich hast du Recht, meine Liebe.“

Am nächsten Tag übergab Maia ihrer Magd Luna den Schlüssel für den Keuschheitsgürtel des reuigen Burschen. Luna nahm ihn lächelnd an sich und steckte ihn ein. Sie spürte ihr Hinterteil noch bei jeder Bewegung. Und sie schwor sich, dass der Knecht keinen Tag früher aus dem Keuschheitsgürtel aufgeschlossen würde, bevor der nächste Sommer vergangen sein würde. Allerdings sollte sich der Jüngling ruhig bemühen, sie in gute Stimmung zu bringen. Und da hatte sie auch schon ein paar unzüchtige Ideen. Doch dieses Mal würde sie dafür sorgen, dass niemand ihre Zweisamkeit störte.

Boreas ließ von dem jungen Mann ein scheckiges Ross satteln und machte sich auf den Weg zur Burg der Königin Leda. Es war Zeit für die Steuer, die in Ledanien nur von privilegierten Untertanen geleistet werden musste, die über Land und einen Hof verfügten, ein Fischerschiff besaßen oder sonstiges Vermögen hatten.

Boreas und Maia verdienten mit ihrer Kate gut und gaben auch gern ihren Obolus, weil sie wussten, dass Leda die Münzen nicht für ihre Schatulle und Geschmeide oder dekadente Feste sondern zum Wohle des kleinen Reiches einsetzte. Beispielsweise entlohnte sie großzügig die freiwilligen Helfer an den Schutzwällen der Grenze.

Die Hufe von Boreas Schecken klapperten über die Zugbrücke, der Reiter stieg aus dem Sattel und führte sein schnaubendes Tier in den Innenhof der kleinen Festung, wo er es mit den Zügeln an einem Balken so festband, dass es aus einer Tränke saufen konnte.
Boreas gab in der königlichen Burganlage sein Säckchen Münzen ab und traf dabei auf die Gardistin Nike.

Die anderen Soldaten wunderten sich, als die Uniformierte den Bauern herzlich umarmte. Woher sie wohl einen Bauern kannte?, fragten sie sich. Die beiden setzten sich eine Weile an einen rustikalen Tisch und erzählten bei einem Becher Met aus alten Tagen und erinnerten sich an die abenteuerliche Befreiung von Abas aus der Kerkeranlage der Tyrannin Helena.

„Der Königsgemahl ist ein wenig seltsam geworden“, meinte die Gardistin. Boreas fragte, was sie damit meine. Nike erwähnte die große Eifersucht. „Überall wird gemunkelt, Abas werde von Leda auf die Hörner genommen.“ Boreas wollte das nicht glauben. „Die Majestät würde niemals… Sie hat ihr Leben für Abas Befreiung riskiert!“ Nike nickte. „Ja, doch hatte sie auch schon ein Auge auf Gladius geworfen, als wir auf dem Westkontinent waren. Und auch auf Zelos… - Nun, ich will keine Gerüchte verbreiten. Lass uns lieber noch einen Becher trinken. Auf die Königin!“ Boreas hob sein Gefäß und stieß mit Nike an: „Auf die Königin!“

Auf dem Heimweg wich Boreas von der Straße ab, um sich die Arbeiten am Schutzwall anzuschauen, die nur wenige Meilen entfernt stattfanden. Beeindruckt stellte er fest, wie weit die Mauern, Gräben und Wälle bereits gediehen waren. Die Grenze war sicher, da brauchte er keine Sorge vor brandschatzenden Marodeuren aus dem „Freien Ländereien“ - rechtsfreien Landstrichen zwischen den Kleinstaaten - zu haben, die womöglich eines bösen Tages nach Ledanien eindrangen, um die Höfe der Bauern zu plündern. Eine weitere und vermutlich noch größere Gefahr war ein Kriegszug einer feindlichen Armee. Beispielsweise war der Stadtstaat der Helena nicht allzu weit entfernt. Doch selbst vor einem Heer Soldaten würde die Grenze standhalten.

Abas hinkte, auf einen Stock mit einer silbernen Kugel als Griff gestützt, durch den kühlen Gang der Burg. Durch die hohen schmalen Fenster fiel fahles Licht, so dass die Kupferstiche an den Wänden kaum zu erkennen waren. Er klopfte beim Obersten an, dem Führer der Gardisten. „Seid willkommen in meinem Gemach“, begrüßte Zelos den gebrechlichen Königsgemahl höflich. „Was kann ich für Euch tun, werte Hoheit?“ Abas nahm ächzend auf einem Lehnstuhl Platz, der unter ihm knarrte. „Nun… Wie soll ich es sagen? Ihr wisst vielleicht, dass die Majestät sehr viel Zeit mit dem Schultheiß verbringt. Ich hege… Nein, zunächst müsst Ihr mir strengstes Stillschweigen schwören!“

Zelos versteifte sich: „Alles, was Ihr befiehlt, werte Hoheit!“ Mit einem Handzeichen winkte er zwei Gardisten hinaus, damit die Männer alleine waren. Abas druckste herum. Es war schwerer, als er dachte, die unsäglichen Worte über die Lippen zu bekommen. „Ich hege die Vermutung… den schrecklichen Verdacht…“ Zelos blinzelte den Königsgemahl abwartend an. Abas seufzte tief. „Meine Königin war… oder ist mir vielleicht nicht… treu.“ Jetzt war es raus!

Der Gardistenführer schwieg. Wusste er etwa schon davon? Diese Schmach! Abas wagte kaum, dem Obersten in die Augen zu blicken. „Ich bitte Euch, mir vertraulich Bericht zu erstatten. Notfalls dürft Ihr auch einige Gardisten beauftragen, um Gladius zu observieren. Doch es darf niemand wissen, wozu!“ Zelos verneigte sich leicht. „Selbstverständlich, werte Hoheit! So sei es. Ich werde alles zu Eurer vollsten Zufriedenheit erledigen. Bald werdet Ihr Gewissheit haben.“ Abas stöhnte erleichtert auf. „Gut, Oberster. Danke. Ich erwarte Euren Bericht.“

Der Königsgemahl erhob sich ächzend unter Schmerzen und stemmte sich auf seinen Stock. Zelos sprang von seinem Sitz hoch und verneigte sich erneut. Hinkend verließ Abas den Raum. Der Gardist kraulte nachdenklich seinen Bart und sinnierte noch eine Weile über seinen Geheimauftrag.

Königin Fama in der weit entfernt im Osten liegenden Metropole war zu einem Entschluss gekommen: Ihre Tochter Vesta sollte einen Teil der Regierungsgeschäfte übernehmen. Und sie hatte auch schon einen Plan, wie sie ihren zweiten Spross zufrieden stellte. Sie ließ zunächst nach Aurora schicken. „Geliebte Tochter“, begrüßte sie Aurora süßlich, die argwöhnisch zur Königin Mutter schaute. „Was wollt Ihr, Mutter?“, begehrte sie zu erfahren. Fama lächelte sie warmherzig an – zumindest glaubte sie, dass es so wirkte. „Ich habe eine große freudige Überraschung für dich.“

Aurora hielt den Atem erwartungsvoll an. „Was ist es, Mutter? Ein kostbares Geschmeide mit prachtvollen Edelsteinen?“ Ihr war zwar mehr nach einem Lustsklaven mit besonders prachtvoller Männlichkeit, doch den würde ihr ihre Mutter wahrlich nicht schenken. Fama lächelte noch immer breit und hatte das Gefühl, als seien ihre Mundwinkel eingefroren. „Nein, ich habe Boten ins Reich der Cassandra geschickt. Und stell dir vor: Die gute Cassandra möchte mit uns ein festes Band knüpfen. Mit geeinter Streitmacht werden wir weitere Ländereien erobern können. Und du darfst sogar eine wichtige Rolle dabei spielen.“ Aurora sah ihre Mutter unverständlich an. Fama verkündete frohlockend: „Du wirst einen edlen Mann aus dem Reich der Cassandra heiraten!“

Der Adelstochter fiel der Unterkiefer herab. Sie war sprachlos. Dann stammelte sie ungläubig: „Du verschacherst mich an irgendeinen dicken, fetten…“ Fama fuchtelte abwehrend mit den Händen durch die Luft. „Nein, nein, nein! Aber nicht doch! Im Gegenteil: Cassandra hat dir den edelsten, schönsten und gut gebautesten Lustsklaven reserviert. Die Hochzeit ist ja nur als notwendiges Ritual zu verstehen, damit unsere Reiche zusammenwachsen. Ein Symbol der Vereinigung. Selbstverständlich wird dir dein Gatte hörig sein. Und ich verspreche dir, dass er dir sehr gefallen wird.“

Aurora spitzte ihre Lippen. Das hörte sich schon anders an. Cassandra war bekannt für ihre ausgebildeten Sklaven. Die Königstochter sah schon einen Traumprinzen vor sich, nackt und willig und ihr verfallen. „Also gut, Mutter. Euer Wille geschehe.“ Fama machte ein zufriedenes Gesicht. „Gut, Kind. Das ist gut. Geh nun. Aber sage deiner Schwester nichts davon, das du die Auserwählte bist.“ Aurora lächelte verschwörerisch: „Keine Sorge, Mutter. Ich werde es für mich behalten. Es bleibt unser Geheimnis.“ Hüpfend wie ein kleines Mädchen tanzte sie durch den Gang des Palastes und ließ sich in ihrem Gemach vor lauter Verzückung mit ausgebreiteten Gliedern in die weichen Federn fallen. Hoffentlich ging die Reise ins Reich der Cassandra bald los!

Kurz darauf rief Fama ihre andere Tochter zu sich. „Vesta, mein Herz. Ich habe dir eine sehr wichtige Entscheidung zu verkünden. Aber deine Schwester darf nichts davon erfahren!“ Vesta sah so neugierig und fragend aus, wie wenige Augenblicke zuvor noch ihre Schwester. Fama sprach feierlich und würdevoll: „Du sollst meine Nachfolgerin werden. Vesta, du sollst meine Krone erben.“ Sie hob ihren Zeigefinger, an dem ein dicker Saphirring steckte: „Doch muss das vorerst unser Geheimnis bleiben. Ich schicke deine Schwester fort ins Reich der Cassandra. Du weißt, was geschieht, wenn sie von deiner Erwählung erfährt!“ Vesta schluckte und nickte. „Ja, Mutter, ich werde stillschweigen wie ein Grab. Ich danke Euch für Euer Vertrauen in mich und werde Euch nicht enttäuschen.“

Als die Herrscherin wieder alleine war, gratulierte sie sich zu ihrem ausgefuchsten Plan. Sie war die Narreteien ihrer Ausgeburt satt. Nun würde Aurora in der Ferne weilen, und Vesta war mit anstrengenden, repräsentativen Pflichten beschäftigt. Fama konnte sich dem süßen Leben widmen und hatte trotzdem noch alle Macht in der Hand. Mit einem Fingerschnippen ließ sie einen Diener herbeieilen und ihr einen Kelch mit Wein einschenken. Das musste gefeiert werden.

Nur wenige Tage später reiste Aurora mit einer Abordnung von Soldatinnen und Kampfsklaven ab. Ihrer Schwester heuchelte sie eine Lustreise vor. Vesta und Aurora gaben sich falsche Abschiedsküsschen und umarmten sich heuchlerisch. Dann setzte sich der stark bewaffnete Tross in Bewegung. Aurora reiste in einer edlen Kutsche und winkte aus der Tür Vesta und ihrer Mutter zum Abschied zu.

Schon bald stellte Vesta zu ihrem tiefen Missbehagen fest, dass das Erbe der Krone eine mühsame Sache war. Die vielen Sitzungen, Besprechungen, Verfügungen, Anhörungen… Vesta hatte kaum noch Zeit für ihre kurzweiligen Spiele und Späße. Und abends war sie an einigen Tagen sogar zu müde, um sich einen Lustsklaven ins Nachtlager zu rufen. Und als wäre das nicht arg genug: Es dauerte nicht mehr lange, da musste sie feststellen, dass alle wichtigen Entscheidungen noch von ihrer Mutter getroffen wurden. Vesta war lediglich die Marionette, die die Arbeit für Fama erledigte.

Als die Tochter dies begriff, schwor sie sich, die Krone so schnell wie möglich ganz an sich zu reißen. So konnte es nicht noch Dutzende Sommer weitergehen! Wenn Mutter einen Unfall erleiden würde oder einem Anschlag zum Opfer fiele…, grübelte sie. Leider schützte Fama sich durch eine unbestechliche Leibgarde und war eine sehr misstrauische und vorsichtige Person.

Ob ein tödliches Gift vielleicht die vorzeitige Krönung sicherstellte? Aber woher sollte sie die teuflische Substanz nehmen? Wenn sie eine Alchimistin darum bat, öffnete sie Tür und Tor zu einer Erpressung, denn der Kräuterfrau würde ein böser Verdacht kommen, wenn Fama plötzlich auf mysteriöse Art das Zeitige segnen würde. Vesta musste das Mittel außerhalb des Palastes besorgen. Verkleidet. Ja, lächelte sie. Die Krone war so nah wie nie zuvor. Sie musste nur noch zugreifen.

Derweil ruckelte die Kutsche mit Aurora über staubige Pfade durch die Freien Ländereien. Die Gardistinnen ritten auf kräftigen Streitrössern, die Kampfsklaven marschierten in ihren Ledersandalen. Die Führung der Einheit war auf der Hut. Jederzeit konnten Räuber und Strauchdiebe erscheinen. Niemand wusste genau, wer in diesen einsamen Landstrichen lebte. Nur selten waren hier Reisende unterwegs. Umso gieriger würden dunkle Gestalten ihre Opfer jagen. Ob sich allerdings einige vereinzelte Gesetzlose an einer armierten und gerüsteten Truppe aus Soldatinnen und Kampfsklaven blutige Nasen holen wollten, war zu bezweifeln.

Und so ließ sich wie vermutet niemand blicken. Am Abend rastete die Gruppe in der Nähe eines kleinen Baches, um die Pferde zu tränken. Zwei Lagerfeuer wurden entzündet: eines für Aurora und die Centurias, das andere für die einfachen Soldatinnen und die Kampfsklaven. Für die Königstochter bauten die Sklaven ein weißes Zelt auf. Nachdem Aurora allerlei delikate Köstlichkeiten in sich hineingestopft und alles mit einem großen Kelch Wein hinuntergespült hatte, wurde sie schläfrig und nickte bald auf weichen Kissen ein.

Am nächsten Morgen wurde ihr ein reichhaltiges Frühstück kredenzt. Anschließend verließ sie das Zelt und genoss die warmen Sonnenstrahlen in ihrem Gesicht. „Gardistin!“, rief sie eine Gerüstete an. „Wann geht es weiter?“ Die Uniformierte erwiderte: „Hohes Fräulein! Wir haben einen Spähtrupp vorausgeschickt. Diese Region gilt als sehr unsicher. Wir wollen nicht, dass uns irgendwelches zwielichtige Gesindel auflauert.“ Aurora verzog missmutig den Mund. „Wie lange soll ich denn hier noch in der Einöde warten?“ Die Gardistin sah bekümmert aus. Eine schlecht gelaunte Lady konnte sie gar nicht gebrauchen. „Es tut mir sehr Leid, werte Lady, doch leider ist es nötig, dass wir auf die Rückkehr…“ „Wie lange?“, rief Aurora ungeduldig und aufgebracht. Die Gardistin seufzte und schätzte: „Etwa einen halben Tag wird es dauern.“

Aurora machte einen Schmollmund wie ein beleidigtes Mädchen. „Was soll ich denn die ganze Zeit tun?“ Es klang wie ein bitterer Vorwurf. Die Gardistin verließ die schlecht gelaunte junge Lady hastig, um nicht ihr Blitzableiter zu werden. Aurora blies die Wangen auf und sah sich um. Wie sollte sie die Langeweile besiegen? Sie spazierte umher und schlüpfte in einem unbeobachteten Moment zwischen einigen Büschen hindurch, um ohne ungewollte und nervende Begleitung ein wenig in der Umgebung herumzulaufen.

Sie legte sich in die wärmenden Sonnenstrahlen mitten auf eine blühende, bunte Blumenwiese, atmete genießerisch die Düfte und feinen Aromen ein und schloss die Augen. Wie würde ihr zukünftiger Ehesklave wohl aussehen? Ihr war ein Adonis versprochen worden, der keine Wünsche übrig ließ. Die junge Lady träumte von dem Liebhaber, der sie zu wilden Betteskapaden treiben würde. Er würde alles beherrschen, was sie sich nur vorstellen konnte. Seine Männlichkeit – groß und schön geformt – konnte mit ihren Liebesstäben aus Jade mithalten, und seine Zungenfertigkeit würde sie so sehr verwöhnen, dass sie von einer Ekstase und nächsten flog.

Bei ihren Fantasien über den Meister der Liebeskunst bemerkte Aurora erst spät, dass sie längst an ihrer Weiblichkeit spielte und in immer höhere Erregung geriet. Ihre Schenkel waren leicht gespreizt und durchgestreckt. Ihre Hände hatte sie auf ihre Knospe gelegt, die nach mehr Berührungen gierte. Ein Finger war etwas tiefer gerutscht und bohrte sich sanft aber forsch und beherzt in ihre intimsten Winkel.

Als sie ins Lager zurückkehrte, kam ihr eine Offizierin aufgeregt entgegen: „Hohes Fräulein! Wo ward Ihr? Wir haben uns große Sorgen um Euer Wohlergehen gemacht.“ Auroras Tonfall war schnippisch. „Spazieren. Was soll ich sonst hier tun?“ Die Gardistin war immer noch entsetzt. „Die eingeteilte Wache hat nicht aufgepasst! Sie hätte Euch Geleit geben müssen!“ Die Uniformierte gab kurze Befehle. Schon kurze Zeit später erschien eine Soldatin schuldbewusst, aber mit erhobenem Kinn und bestätigte: „Ich habe nicht aufgepasst. Das Hohe Fräulein hätte nicht alleine das Lager verlassen können dürfen. Ich nehme die Schuld auf mich und die eingeteilten Kampfsklaven.“

Die Offizierin nickte knapp und befahl zwei anderen Gardistinnen: „Sucht einen der betroffenen Kampfsklaven aus, um an ihm ein Exempel zu statuieren! 50 Peitschenhiebe auf sein Gesäß! Des Weiteren werde ich einen Tadel in die Diensturkunde eintragen.“ Die Soldatin erschrak. Mit einem Tadel würde sie mindestens noch weitere drei Jahre als einfache Soldatin dienen müssen, bevor sie befördert werden konnte. Die Soldatinnen salutierten und suchten die Kampfsklavenunterkunft auf. Vier Männer kamen in Frage für die Züchtigung. Eine Soldatin tippte ihre Kameradin an und zeigte auf einen bestimmten Krieger. „Der da!“ Die Kameradin hob eine Augenbraue. „Warum der?“ Die Soldatin zuckte mit den Achseln. „Ich würde gerne wissen, wie er schreit oder ob er weint, ob er wimmert oder die Strafe erträgt wie es ein Mann sollte.“

172. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage), Kommentar:

geschrieben von M A G N U S am 11.10.21 22:28

Durch die willkommen geheißene Aufforderung ermuntert, wage ich zu kommentieren, daß es mir zwar bisweilen nicht recht gelingen mag, mich beim Lesen der phantasievoll geschriebenen Episoden in einer tiefgreifenden Erregung wiederzufinden, ich mich indes dank des guten Erzählstils auf jede der regelmäßig erscheinenden Fortsetzungen freue, für welche ich mich hier ausdrücklich bedanken möchte!
Magnus.
173. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 16.10.21 16:11

Die Kameradin nickte. „Gute Idee.“ Sie trat einen Schritt vor und hob ihre Gerte, um auf den Auserwählten zu zeigen. „Du! Komm mit!“ Unterwegs erzählten die Frauen ihm, was ihn erwartete. In seinem Gesicht war genau abzulesen, wie die Sorge in nackte Angst und schließlich in Panik und Verzweiflung umschlug. Die Uniformierten gefiel es, ihr Opfer in Angst und Schrecken zu versetzen und sponnen noch laut Geschichten über die grausamsten Qualen hinzu, die ihn womöglich erwarteten.

Nach den Garde-Statuten war es nur in ganz besonderen Ausnahmefällen erlaubt, eine Soldatin zu züchtigen. Daher wurde die Verantwortung meistens auf die Kampfsklaven der entsprechenden Einheit oder Person abgewälzt. Und so auch dieses Mal: Das Subjekt wurde nackt ausgezogen und über ein liegendes Fass gebunden. Die Soldatinnen versammelten sich in Aufstellung an den Seiten. Zwei von ihnen trugen Lederpeitschen, mit denen sie abwechselnd das Gesäß des Sklaven malträtieren würden.

Aurora näherte sich interessiert dem Geschehen und freute sich über die willkommene Abwechslung. Die Gardistin verlas kurz das Urteil und gab das Anfangszeichen. Sofort knallte die Lederpeitsche auf das freie Gesäß. Der Mann versuchte sich aufzubäumen, doch Stricke hielten ihn fest in Position. Nun schlug die andere Soldatin zu: ein eher zierliches Weib, doch offenbar eine Meisterin der Peitsche und voll Groll. Die Hiebe erzeugten sofort sichtbare Striemen auf dem Hintern des Mannes, der unterdrückt aufstöhnte. Doch schon bald würde er die Pein schamlos hinausschreien und den Rest seiner Würde verlieren, wenn er um Gnade winselte.

Die Edeldame sah mit wachsender Wonne zu. Was gab es Schöneres als eine Geißelung? Das gemarterte Wesen über dem Fass wand sich unter den Hieben. Aurora spürte, wie ihre Weiblichkeit bereits wieder feucht wurde. Der knackige Hintern des Sklaven zitterte und verfärbte sich mehr und mehr. Eine der beiden Zuchtmeisterinnen lugte vor Konzentration die Zungenspitze im rechten Mundwinkel hervor. Sie hieb so kräftig zu, dass ihr langer Zopf durch die Luft wirbelte. Die andere Soldatin hatte vor Beginn der Urteilsvollstreckung ihr Haar mit einem Lederbändchen zusammen gebunden.

Sie legte kurz vor ihrem Schlag den Kopf schräg und visierte ihr Ziel an. Oder betrachtete sie, wie viele der Zuschauerinnen, das Gemächt des Sklaven, das zwischen seinen Beinen ungewöhnlich groß erschien. So manche der Weiber fragten sich, ob dem Krieger diese Behandlung wohl gefiel – obwohl sie es sich nicht vorstellen konnten. Auf der anderen Seite, war in den Gesetzen der Fama geschrieben, dass Sklaven gegen Schmerzen abgestumpft waren. So war es von den Alten Göttern vorgesehen: Männer waren von Natur aus unempfindlich, vertrugen mehr Pein als edle und hochwertige Damen. Niedere Kreaturen wie Männer verfügten über mehr Muskelkraft, waren dafür aber dumm und dazu verdammt, sich von den überlegenden weiblichen Geschöpfen regieren zu lassen.

Und so peitschten die beiden Soldatinnen mit zunehmendem Enthusiasmus. - Als der letzte Hieb erfolgte, applaudierte Aurora begeistert, ließ ihre Hände aber wieder sinken, als sich ihr niemand anschloss und schaute ein wenig verlegen. Nach der Züchtigung verblieb der erschöpfte Sklave noch auf dem Fass zurück. Entkräftet hing er über den Holzdauben. Nur sein Arsch zitterte. Kein Zoll war ohne schwere Verzierung geblieben. Die Weiber hatten wie ein Sturm gewütet und das Sitzfleisch verheert wie Marodeure eine Bauernkate.

Es dämmerte bereits, als endlich die Kundschafter zurückkehrten und Entwarnung gaben. Für eine Weiterreise war es heute jedoch zu spät, so dass der Tross erst im Morgengrauen den Weg fortsetzen würde. Die Nacht über sollte der Sklave noch über dem Fass verbringen. So war es Usus.

Eine Soldatin, die das Lager als Wache mit einer Fackel abschritt, kam an dem Fass vorbei und begutachtete das gezeichnete Hinterteil des Delinquenten. „Hübsche Muster trägst du da auf deinem süßen Arsch“, meinte sie schmunzelnd und leuchtete mit der Fackel das Sitzfleisch an. Sie näherte die lodernde Flamme immer weiter den Rundungen des Mannes. „Ist dir auch warm genug? Die Nacht lässt so manchen frieren“, sagte sie und wischte mit der Flamme über das nackte Gesäß.

Leise kichernd wiederholte sie ihr Spiel. Dieses Mal bewegte sie die Fackel langsamer. Sie stellte sich gerade vor, wie lustig es sei, dem Sklaven ein Brandmal zu setzen, da hörte sie hinter sich Schritte. In einer raschen Bewegung drehte sie sich um und leuchtete in die Dunkelheit, während sie mit der anderen Hand ihr Schwert zog. „Wer da?“, forderte sie zu wissen. Eine kleine Gestalt näherte sich aus den Schatten und langsam erkannte sie die Silhouette von Aurora. „Hohes Fräulein!“, stellte sie erschrocken fest und fühlte sich ertappt. „Ihr hier, mitten in der Nacht?“ Aurora seufzte. „Der Schlaf überkommt mich nicht. Was machst du da bei dem Sklaven?“ Die Wächterin stammelte: „Ich… habe nur… nachgesehen, ob seine Fesseln noch fest sitzen und…“ Die Königstochter unterbrach sie unwirsch. „Und dazu musst du mit dem Feuer seinen Arsch streicheln?“

Die Soldatin fürchtete sich. Wenn Aurora dies meldete, dann würde sie diszipliniert werden. Aurora beruhigte sie mit ihren nächsten Worten. „Ich werde darüber schweigen. Aber bringt mir den Koffer mit den Tinkturen und Salben. Der Sklave muss versorgt werden.“ Die Soldatin rammte die Fackel in den Boden, salutierte und lief davon. Ein wenig wunderte sie sich schon, dass sich das Edelfräulein für das Wohlergehen des Mannes interessierte.

Bald schon war die Uniformierte wieder da und übergab die Sammlung von Arzneien an das Hohe Fräulein. Sie trug eine neue Fackel und setzte ihren Wachgang um das Lager fort, froh, ohne Strafe davon gekommen zu sein. Aurora betrachtete die vielen kleinen Amphoren, Fläschchen und Beutel. „Das habe ich mir einfacher vorgestellt“, murmelte sie und holte einen der Behälter hervor. Ein kleines Schild aus Pergament klebte daran: „Jodtinktur“, las sie. „Zum Säubern von Hautflächen. Nicht für offene Wunden geeignet.“ Aurora öffnete und roch daran. „Ach, das wird schon nicht so arg sein. Säubern ist immer gut…“ Sie goss eine großzügige Menge auf das Hinterteil des Mannes und verrieb sie.

Der Sklave stöhnte auf und jammerte unglücklich: „Es brennt!“ Seine Jammerlaute wurden immer verzweifelter und lauter. In seinen Fesseln zappelte er und riss an den Seilen. „Pssssst!“, forderte Aurora. „Willst du das ganze Lager aufwecken? Dann gibt es morgen früh gleich die nächste Züchtigung für dich!“ Der Mann versuchte die Laute seiner Pein zu unterdrücken, aber es gelang ihm nur unvollständig. Aurora sah sich besorgt um. Wenn das so weiterging, würde sie gleich von Gardistinnen umstellt sein. Sie umrundete das Fass und hob ihr Kleid, stellte sich so, dass sie den Kopf des Gefesselten zwischen die Schenkel pressen konnte, und das Haupt des Mannes unter den Säumen der wertvollen Stoffe verschwand. Trotzdem war er noch zu hören. Er zuckte und zerrte an seinen Fesseln, als bekäme er erneute Schläge.

Hatte sie die falsche Substanz gewählt? Aufgeregt lief sie zurück zu dem Medikus-Koffer und wählte einen Beutel. Der Sklave konnte seine Laute nicht mehr zurückhalten. Aurora wirkte gelähmt vor Angst. Was sollte sie tun? - Ein Gedanke schoss ihr durch den Kopf. Sie raffte ihr Kleid hoch und schlüpfte vor den Augen des Sklaven aus ihrem Leibhöschen aus feinster Seide und stopfte es in den Mund des überrumpelten Mannes. Augenblicklich waren die Geräusche des nun Geknebelten nur dumpf und viel leiser. Aurora atmete auf. Sie öffnete den Beutel und schüttete den weißen Inhalt über die Pobacken des Sklaven. Vielleicht würde es helfen.

In diesem Moment spuckte der Mann das Höschen aus und ließ einen gellenden Schrei hören. Er hatte das Gefühl, als tanze ein Höllenfeuer auf seinem Arsch. Vor Schreck ließ das Hohe Fräulein den leeren Beutel fallen. Er landete mit seiner Kennzeichnung „Natriumchlorid“ auf dem Boden. Die junge Lady versetzte dem Sklaven drei kräftige Backpfeifen. „Sei gefälligst ruhig!“ Auroras Herz schlug ihr bis zum Hals. Sie hörte erste aufgebrachte Stimmen aus den Zelten.

Die Fackel, sie muss verlöschen! Aurora schlug die Flamme auf den Boden, doch die Flamme wollte nicht ausgehen. Der Fackelkopf war mit einem mit Öl getränkten Lappen umwickelt. Sie schlug das lodernde Licht gegen das Fass, auf das Gesäß des Mannes. Nichts wollte gelingen. Sie warf das Feuer zu Boden. Und dann flüchtete sie ohne weiter zu zaudern so schnell sie konnte in die Dunkelheit, um in einem Bogen heimlich in ihre Unterkunft zurückzukehren.

Wenige Minuten später erschien die oberste Gardistin bei Aurora. „Hohes Fräulein“, flüsterte sie. Aurora tat so, als schliefe sie tief und fest und wachte nun aber durch das Gewisper auf. „Was… Ist die Sonne schon aufgegangen?“ Die Offizierin drehte den Docht der Öllampe höher und erhellte das Innere des Zeltes. „Es gab einen Vorfall im Lager.“ Sie erzählte kurz, was die Soldatinnen vorgefunden hatten. Der Sklave habe etwas von einer Dämonenbraut erzählt, die ihm das angetan habe. Aurora atmete erleichtert aus. Der Mann hatte es also nicht gewagt, die Wahrheit auszusprechen. „Eine Dämonenbraut? Ein Waldgeist? Der Sklave ist wohl einem Trugbild aufgesessen.“ Die Königstochter lächelte.

Die Gardistin nickte. „Ja, so wird es wohl sein. Aber zwei Soldatinnen haben eine Gestalt in langem Kleid am Waldrand entlang laufen sehen.“ Auroras Lächeln gefror und entglitt ihr zu einer Fratze. „Was soll das bedeuten?“ Die Offizierin zuckte mit den gerüsteten Schultern. „Nichts, Hohes Fräulein. Doch noch interessanter ist, was eine Soldatin auf dem Weg zu Eurem Zelt fand.“ Auroras Herz machte einen Sprung. „Was denn?“ Sie kaute auf ihrer Unterlippe herum. Die Offizierin flüsterte: „Fußspuren, die direkt zum Eingang führen. Also seid auf der Hut! Vielleicht will Euch die Dämonenbraut des Nachts holen kommen.“

Die Gardistin deutete einen Salut an und drehte sich zum Ausgang um. An der Plane des Zeltes verharrte sie wieder und holte etwas aus ihrem Waffenrock. „Ach, da ist noch etwas. Ich habe neben dem Fass etwas gefunden. Hoheit, wisst Ihr vielleicht, um was es sich dabei handelt?“ Auroras Herz blieb für einen Augenblick stehen. Die Offizierin warf ihr ein Stück Stoff aus feinster Spitze zu. Aurora starrte auf ihr Höschen. Ihr Mund war geöffnet, aber sie war sprachlos und konnte nichts erwidern. Als sie wieder zum Eingang schaute, war die Gardistin verschwunden.

Am nächsten Morgen fanden Soldatinnen den gebundenen Sklaven merkwürdig verändert vor. Nach dem ersten Gelächter wurden sie ernst. Diese Sache würde die oberste Gardistin nicht lustig finden: Dem Mann steckte ein Holzknüppel zwischen seinen Hinterbacken. Und wie vermutet, verhörte die Offizierin die wachhabenden Soldatinnen, die sich jedoch nicht erklären konnten, wie dieser Prügel an besagte ungewöhnliche Stelle gekommen sein könnte.

Also beließ die Gardistin mit mürrischem Blick die Sache dabei. Insgeheim, aber das durfte sie natürlich offiziell nicht bekunden, gönnte sie den Frauen des Nachts ein wenig Vergnügen. Sie hatte in jüngeren Jahren die gleichen Torheiten im Kopf gehabt. „Entfernt diesen Ast und bindet ihn vom Fass ab“, kommandierte die Offizierin und musste kopfschüttelnd feststellen, dass es gar nicht so einfach war, den Stab wieder hervorzuholen, denn er wurde offenbar zum Ende hin immer dicker und rutschte immer wieder in den stöhnenden Sklaven zurück. Wie haben die den Knüppel da nur hereinbekommen?, fragte sich die Offizierin und verdrehte die Augen.

Im Reich der Cassandra, ihrem Reiseziel, herrschte zu dieser Zeit großer Andrang auf dem Markt vor dem weißen Palais der Königin. Die Damen der matriarchalischen Gesellschaft vergnügten sich beim öffentlichen Spießrutenlauf von verurteilten Sklaven. Im Reich der Cassandra reichte ein falscher Blick, ein Laut oder ein zu langsam oder unsorgfältig ausgeführter Befehl, damit ein Sklave vor einem Strafgericht zu harten Züchtigungen verurteilt wurde.

Gerne wurden auch langjährige Kerkerhaft mit Zwangsarbeit und täglichen Züchtigungen kombiniert. Doch Leibeigene waren zum Arbeiten da, also sollten sie in der Regel auch der Besitzerin wieder schnell zur Verfügung stehen. Daher gab es regelmäßig öffentliche Züchtigungen im Pranger. Und auch das Spießrutenlaufen auf dem königlichen Marktplatz war ein Publikumsmagnet.

Gerade krabbelte ein nackter Delinquent über den Boden durch eine Gasse von Zuschauerinnen, die nach Belieben auf das Gesäß des Mannes prügeln durften. Damit der Leibeigene sich unter den Schlägen und Hieben nicht zu schnell den vorgeschriebenen Weg hin und zurück bewegte, hatten die Kerkerwächterinnen ihm einen schmiedeeisernen Ring um seinen empfindlichsten Mannesteile gestülpt, diesen mit einer Kette verbunden und am Ende dieser Fessel ein schweres Stück Eisen befestigt, dass der Sklave hinter sich herzerren musste. Nun hatte er die perfide Wahl zwischen mehr brennenden Treffern auf sein Gesäß oder kräftigerem Zug an seiner Männlichkeit.

Hin und wieder kam es vor, dass besonders vorwitzige Damen einen Fuß auf das Eisengewicht stellten, um den Mann von der Fortbewegung gänzlich abzuhalten, aber dann schritt normalerweise eine Kerkerwächterin ein. Allerdings gab es auch Verschärfungen der Bestrafung: Das Gewicht, das angelegt wurde, lag in der willkürlichen Entscheidung der Richterin, und einigen Leibeigenen setzte sich eine Kerkerwächterin auf den Rücken und ritt ihn durch die Prügelgasse.

Vor einer Woche hatte sich sogar eine zweite Uniformierte auf den Rücken des Bemitleidenswerten gesetzt. Doch heute musste der Betroffene „nur“ alleine durch die Menschenmasse krabbeln. Ein lautes Johlen, Applaudieren und Rufen, vergnügtes Anfeuern, Beschimpfungen des Verurteilten und Gelächter erzeugten einen Lärm, der bis in den Palast der Cassandra drang.

Salbadernde Ladys gaben mit ihren Erfahrungen über Erziehungsmethoden von Sklaven an, fachsimpelten über Peitschen, Stöcke, Gerten, Riemen, Ketten, Hölzer und andere Instrumente, schwärmten von den Färbungen eines Sklavengesäßes nach der Züchtigung und die diversen Muster, die Frau auf das Sitzfleisch zaubern konnte, während andere sich aktiv an der Bestrafung beteiligten. Manche waren mit Feuereifer dabei und sprühten vor Elan und Freude, andere wollten ihre schlechte Laune loswerden; einige schlugen eher gelangweilt und übersättigt vom Prügeln, wieder andere fast mit verträumter Miene auf die Backen des Delinquenten ein. In der Brust einer Dame keimte das Verlangen, das sündige Fleisch zu strafen. Wieder und wieder schlug sie zu und spürte eine süße Befriedigung.

Das schabende Geräusch des Eisengewichts, das über das Pflaster hoppelte und die Männlichkeit des Verurteilten beängstigend in die Länge zog, ging in dem Geschrei und Geschwätz der Frauen unter. Mit aufgerissenen Augen und verzerrtem Gesicht kämpfte sich der Sklave tapfer durch die Gasse. Die Pein war überwältigend wie auch die erniedrigenden Spottrufe der feinen Damen, sie sich an seinem Leid erfreuten. Und der Leibeigene hatte nur die erste Hälfte des Hinweges hinter sich gebracht. Noch drei Mal so viel Prügel würde er einstecken müssen – falls er nicht langsamer wurde.

Der schwitzende Nackte wusste nicht so recht, was unerträglicher war: Die brennenden Peitschenriemen auf seinem Hintern oder der stechende Schmerz zwischen seinen Schenkeln, der von Schritt zu Schritt intensiver wurde. Seine Männlichkeit war so weit nach hinten gezogen, dass eine schnelle, lässig ausgeführte Bewegung einer Klinge wie durch Butter schwingen könnte. Der Sklave entwickelte schier übermenschliche Kräfte, als ihn dieser grausame, alptraumhafte Gedanke nach vorne preschen ließ. Und trotzdem war er nicht schnell genug, um den Dutzenden Treffern zu entgehen, die Blitze von Feuer durch seinen Körper jagen zu schienen.

Die Angst vor einer Entmannung kam nicht von ungefähr: Unter Sklaven kursierten zahlreiche gruselige Geschichten über solche „Streiche“, wie sie sich reiche Damen angeblich zu ihrer Belustigung gönnten. Schließlich würde so ein „Unfall“ als „Sachbeschädigung“ gelten und mit wenigen Münzen an die Eigentümerin ausgeglichen sein. Denn beim Sklaven kam es auf die Muskeln an, die Beine und Arme – es sei denn, er sollte als Liebesjüngling dienen.

Der Verurteilte krabbelte unter den prasselnden Schlägen weiter und weiter und erreichte endlich das Ende der Gasse, durfte sich umdrehen und die Straße des Schmerzes zurück bewältigen. Sein Hinterteil war tiefrot gestriemt von den ungezählten Lederriemen, die auf ihn niedergepeitscht worden waren, hatte dickere Streifen von den Rohrstöcken und dicke, mittlerweile sich schon verdunkelnde Flecken von den breiteren Knüppeln, die schwer auf sein Sitzfleisch geknallt waren.

Schon morgen würden sich die dunkelroten Stellen in violette Bereiche und bläulich schillernde Muster verzaubern. Farbenreich und noch immer heiß wie Glut. Doch darüber dachte der Mann nicht nach. Im Augenblick dachte er an gar nichts. Längst war all seine Hoffnung zerronnen, diese Strafe zu überstehen. Er nahm seine ganze Kraft, um die Gasse schnell zu durchkriechen. Plötzlich übergoss ihn eine Frau mit einem öligen, stinkenden Gebräu und spottete über den Gedemütigten, versetzte ihm mit der schmutzigen Sohle ihres Stiefels einen harten Tritt in den Allerwertesten und verfehlte dabei nur knapp die in die Länge gezogenen Bälle des Sklaven. Trotzdem durchschoss den Armen dort ein stechender Schmerz, denn der Stoß ließ ihn nach vorne zucken und an der Kette zerren.

Als der Sklave das Ende der Spießrutengasse erreicht hatte, sackte er in Fötusstellung auf die Seite und hielt sich mit der einen Hand die geschundene Männlichkeit, mit der anderen sein Hinterteil – er hatte einen hohen Preis dafür bezahlt, dass er vor seiner Herrin vergessen hatte, demütig sofort zu Boden zu fallen. Die Kerkerwächterinnen fesselten seine Hände und banden sie an ein Seil, welches sie an einen Pferdekarren knoteten. Dann trieben sie die zwei Rösser an und schleiften so den entkräfteten Mann zurück zum Palast der Cassandra, wo das Hohe Gericht nun entscheiden würde, ob er seine Strafe abgegolten habe.

Als das schwere Eisengewicht an seiner Männlichkeit zerrte, erwachte der Leibeigene aus seiner Erschöpfung und rief mit Fistelstimme um Hilfe. Warum hatten die Wächterinnen ihm nicht wenigstens diese Pein erspart? Er versuchte hilflos mit seinen schleifenden Füßen das Eisengewicht an der Kette zu ergreifen, um den Zug von seinen Lenden zu nehmen, aber das Metall rutschte ihm immer wieder zwischen den Füßen weg. Ruckartig zerrte das Eisen wieder an seiner Männlichkeit, als die Kettenglieder sich durch die Vorwärtsbewegung des Karrens spannten. Wenn sich das Eisen irgendwo verkantete!

174. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von sheeeep am 18.10.21 18:48

Einfach Klasse ! Eine unerschöpfliche Menge von Ideen!!
175. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 23.10.21 16:00

Das laute Gelächter der Menge und der Uniformierten beantworteten seine Frage nach der fehlenden Gnade: Er war Opfer der Belustigung, trunken von Qual. Der Karren schleifte ihn weiter fort, während der Nackte wieder und wieder versuchte, das Gewicht mit den Füßen zu ergreifen, sich dabei drehte und seinen verschwitzten und mit irgendeiner Flüssigkeit verdreckten Leib von Kopf bis Fuß mit Staub und Lehm einschmierte. Es war sein Glück, dass der Karren nur sehr langsam vorwärts ruckelte.

Irgendwer rief etwas über den miserablen Zustand des Sklaven. Zwei Damen schauten dem Gespann und seiner Staubwolke hinterher. Die Erste trug ein kostbares Kleid und einen kleinen Spitzen-Schirm gegen die heiße Sonne und meinte bedauernd: „Ist dieses Spießrutenlauf nicht fast ein wenig grausam gegen diese armen Kreaturen?“ Ihre Bekannte, eine edel wirkende Dame in sportlichen Reiterhosen und einem knielangen fein gewebten Umhang, antwortete: „Aber nein! Das siehst du zu romantisch. Sklaven sind gegen Schmerz abgehärtet. Außerdem benötigen sie eine harte Hand. Damit schenken wir ihnen geordnete Verhältnisse. Sie würden sonst völlig verwahrlosen. Glaub mir, das ist nur zu ihrem Besten.“

Die Lady mit dem Schirm seufzte erleichtert: „Na, fein. Und ich gebe ja zu, dass diese Spießrutenläufe einen gewissen Unterhaltungswert haben. Ich war ganz und gar gefesselt von dem Spektakel. Wollen wir zu mir fahren und ein Tässchen Tee trinken, um uns ein wenig zu entspannen? Ihr müsst ihn kosten. Er ist ganz frisch aus fernen Landen.“ „Gern“, antwortete ihre Begleiterin frohlockend. Sicherlich würde es dort auch kleine süße Küchlein geben, die den Gaumen verwöhnten.

Fast erleichtert fand sich der Sklave schließlich in einem engen Stehkäfig wieder, in dem er sich nicht bewegen konnte. Doch wenigstens hatten sie ihm endlich den Ring um seine Bälle entfernt. Erst Morgen würden sie ihn wieder aus dem Käfig holen und vor das Hohe Gericht zerren. Er würde kaum noch stehen können, entkräftet auf die Knie gestoßen werden, sich das Urteil anhören und den Hunger und Durst ungestillt zurück in den Kerker müssen. Für wie lange, das lag an der Laune der Richterin. Würde sie großzügig sein und ihn zurück zu seiner Eigentümerin schicken? Würde sie ihn zuvor noch einige Wochen im dunklen Kerker nackt dahinvegetieren lassen bei altem Wasser und noch älterem Brot? Gar Monate? Jahre? Würde man ihn dort in einer der Gewölbezellen vergessen?

Er wusste es nicht. Der Mann betete zu den Alten Göttern, dass sie ihn beschützten und der Richterin Milde ins Herz einflüsterten. Er musste den Prüfungen des Schicksals trotzen. Es blieb ihm keine Wahl. Er versuchte seine schmerzenden Glieder in dem engen Stehkäfig zu bewegen, aber das war kaum möglich. Jede Position war quälend, und die Pein nahm immer weiter zu. Damen und Uniformierte schritten an seinen Gittern vorbei, ohne ihn wahrzunehmen. Er war Luft für sie.

Doch bevor er vor das Hohe Gericht gezerrt wurde, sollte er am nächsten Morgen in aller Frühe mit heißem Essigwasser abgerieben werden, um ihn zu säubern. Die zwei Wärterinnen, die ihn mit groben Bürsten traktierten, hatten mächtig viel Spaß an der Wäsche. Dem Sklaven brannte der Essig auf dem Gesäß wie Feuer, doch waren seine Gedanken trotz der Marter bereits bei der mit einer Robe bekleideten Dame, die in wenigen Stunden über sein weiteres Schicksal entscheiden würde.

Im weit entfernten Königreich Ledanien wartete der Königsgemahl Abas ungeduldig auf den Bericht des obersten Gardisten Zelos. Nervös lief er umher wie ein gefangener Bär in der Grube. Als der Gerüstete mit seiner schmucken Uniform, auf der Ledas Wappen prangte, erschien, verneigte er sich dezent und wartete darauf, dass Abas ihn ansprach. „Nun? Sagt mir, was Ihr wisst!“, forderte Abas ungeduldig. Zelos berichtete: „Gladius hat sich in keiner Form verdächtig gemacht. Er sprach nur zwei Mal kurz mit der Majestät, aber es waren immer mehrere Wachen und Dienstboten anwesend. Auch des Nachts habe ich die Kammer des Schultheißen überwachen lassen. Niemals hat er sie zwischen Sonnenuntergang und Frühmahl verlassen.“

Abas war verwirrt. Sollte er froh darüber sein, dass er Gladius als Nebenbuhler zu Unrecht verdächtigt hatte, oder war der Schultheiß einfach nur zu vorsichtig und gerissen? Abas dankte Zelos für seine Bemühungen. „Aber vergesst nicht, dass dies unter uns bleiben muss. Kein Wort darf Eure Zunge verlassen.“ Zelos verneigte sich erneut. „Selbstverständlich, Majestät. Ich bin verschwiegen wie ein Grab.“

Am Abend erwartete Abas seine Leda so aufgeregt wie schon lange nicht mehr im königlichen Himmelbett. Er sorgte in dieser Nacht mit seiner Zunge gleich drei Mal für Ledas Vergnügen, bis sich die Regentin verschwitzt und außer Atem in die weichen Kissen fallen ließ und Abas zu sich hochzog, um ihn leidenschaftlich zu küssen. Zufrieden schlief Abas in Ledas Armen ein. Sie war die Quelle seines Glückes, so reinen Herzens, so voller Schönheit.

„Wie ein Kind“, dachte Leda und seufzte leise. Abas war ihr Gemahl und ihre große Liebe. Doch wie sollte eine Frau Zufriedenheit finden, wenn der Liebesstab ihres Mannes taub für leidenschaftliches Begehr war? Als Abas leise schnarchte, schob Leda ihn ein wenig zur Seite und stand auf. Sie umschloss ihren wunderschönen Leib mit einem elfenbeinfarbenen seidenen Mantel, nahm die Kerze und verließ die Schlafkammer.

Wie ein Schlossgeist wandelte sie durch die Gänge ihrer Burg und stieg einen der Wachtürme hoch. Als sie den kurzen Wehrgang mit den Zinnen betrat, schien ihr ein Gerüsteter mit einer Laterne entgegen: „Wer da?“, fragte der Gardist streng. Als er die Königin erkannte, stand er augenblicklich stramm und salutierte: „Verzeiht, Majestät, ich…“ Leda unterbrach ihn: „Haltet ein! Schon gut.“ Sie schritt an ihm vorbei und schaute zwischen den Zinnen hinaus in die Dunkelheit. Ihre langen Haare wehten im kühlen Nachtwind.

War ihre Liebe zu Abas erloschen, wie die Kerze, die sie nun in ihren Händen erkalten fühlte? Die Flamme der Leidenschaft war hinfort geflogen wie die Flamme der Kerze vom Wind. Wenn sie an ihren Gemahl dachte, war da mehr Mitleid als Leidenschaft. Und wenn sie an den stattlichen Zelos dachte, spürte sie ein warmes Fließen durch ihren Leib. Sie ließ die Kerze aus ihrer Hand gleiten, die über den Rand der Mauer rollte und in die Tiefe fiel. Sollte sie ihr folgen? Hatte sie sich sündig gemacht mit der verbotenen Liebe zu dem obersten Gardisten? Oder durfte sie dem Ruf ihres Herzens reuelos folgen? Eine Zeitlang stand sie da, ließ den Wind ihr Haar zerzausen und schaute in die Dunkelheit hinaus. Ratlos kehrte sie erst eine Stunde später zurück ins Bett zu Abas, durchgefroren und zitternd.

Am nächsten Morgen wachte Leda von einem warmen Sonnenschein auf, der ihr auf der Nase kitzelte. Sie fühlte sich wohl, ihr ganzer Körper kribbelte angenehm und… Da bemerkte sie, dass Abas unter das Laken gekrochen war, um sie erneut zu verwöhnen. Küsse bedeckten ihre Schenkel, ihren Bauch und dann auch ihre süße Weiblichkeit. Genießend ließ sich die Königin diese Behandlung gefallen. Niemals wieder werde sie ihren Gemahl betrügen, schwor Leda im Namen der Alten Götter.

Doch die alte Weisheit, dass der Geist zwar willig, das Fleisch jedoch schwach sei, bewahrheitete sich nur fünf Nächte später: Nachdem Leda und Zelos nur wenige Augenblicke alleine im Thronsaal waren, entfesselte sich ihre heiße Leidenschaft und war nicht mehr zu bändigen. Feurige Küsse wechselten zwischen den hungrigen Lippen, die nach immer mehr verlangten. Zelos drang mit seiner Zunge in den Mund der Herrscherin ein, tastete nach dem verführerischen Busen, das im Dekollete des teuren Kleides hervorlugte. Die verbotene Liebe nahm ihren Lauf der fleischlichen Sünde.

Die Begierde wurde wie ein Schauer aus Eiswasser unterbrochen, als Gladius in den Saal stürmte und freudig berichtete, dass in diesem Monat kein einziges Verbrechen in Ledanien begangen worden war, für das er eine Kerkerhaft oder schlimmeres hätte verhängen müssen. Leda und Zelos hatten im letzten Augenblick ihre Gewänder geordnet, um nicht aufzufallen. Die so brüsk unterbrochenen Liebenden gingen beschämt ihrer Wege, doch des Nachts schlich sich Leda in die Kammer des Zelos, der zuvor die üblichen Wachen abgezogen hatte, um Zeugen ihres Rendezvous zu vermeiden.

Während Abas im königlichen Bette unwissend schlummerte, glitten zwei fast nackte Leiber übereinander, Finger suchten nach begehrten Stellen, streichelten sich, erzeugten wohlige Schauer und erweckten noch größeres gegenseitiges Verlangen, bis die Lockungen des Fleisches so übermächtig wurden, dass sich die Wesen vereinten und sich ihrer unstatthaften Liebe hingaben: Zelos drang in Leda mit seinem Liebesstab ein und forderte sein vermeintliches Recht, stieß immer tiefer vor, bedeckte seine Herrin mit Küssen und genoss das lustvolle Ziehen in seinem Unterleib.

Die Flammen im Kamin zeichneten die Bewegungen der Liebe an der gegenüberliegenden Wand aus dicken Steinquadern nach, die immer heftiger wurden. Ein Rhythmus, der sich beschleunigte, langsamer wurde, wieder antrieb, drängte. Ihr Atem ging schnell und kurz, die Hände verschränkten sich, die Hüften rieben sich, das gegenseitige Stöhnen stachelte sie an. Dann gab Leda schließlich einen leisen Schrei von sich, den sie an Zelos Schulter zu ersticken versuchte, und ihr Recke ergoss seine heiße Lust konvulsivisch in das königliche Weib. Er erschauerte vor Glück und packte seine Regentin, als müsse er sich vor der endlosen Tiefe des Momentes festhalten, um nicht darin zu versinken.

Das wilde Begehr war gesättigt, zumindest vorläufig wieder beherrschbar. Leda legte den sündigen Trieb an die Kette und verließ fast fluchtartig das verbotene Liebesnest, auch wenn es sie verwirrende Überwindung kostete. Mit dem schuldvollen Samen des fremden Mannes stieg sie in das königliche Bett. Ihr Gewissen verbrannte sie wie ein glühendes Eisen. Aber es war nun mal geschehen. Und noch furchtbarer war das Wissen darum, dass es wieder geschehen konnte.

Als am nächsten Morgen Leda erneut durch Abas Zungenfertigkeit geweckt wurde, blieb ihr fast das Herz stehen vor Angst. Abas würde ihre Sünde riechen, ihren Frevel schmecken. Den Nebenbuhler in ihrem Schoß. Sie versuchte sich ihm zu entziehen, doch Abas ließ sich nicht vom Liebesspiel abbringen und griff gleichzeitig zu seinem schlaffen Stab, um sich selbst auch zu spüren und seinem Verlangen Rechnung zu tragen.

Schließlich gelang Leda durch die kreisende Zunge ihres Gemahls zum Gipfel der Lust, doch Abas versuchte erfolglos sich zu entladen. Leda beobachtete seine verzweifelten Bewegungen, die jedoch nicht fruchteten. Tief betrübt gab Abas auf. Beschämt und heiß sah er Leda an. Die Königin strich ihm tröstend wie einem Kind über den Kopf, doch Abas flüchtete aus dem Schlafgemach.

Als sie später neben der Ankleidekammer in einem großen Zuber ein Bad nahm, dachte sie über sich und Abas und Zelos nach. Vielleicht würde es für Abas leichter sein, wenn er einen Keuschheitsgürtel trüge. Dann würde er nicht mehr unter dem Druck stehen, seine Männlichkeit beweisen zu müssen. Irgendwo tief hinten in ihrem Kopf war noch ein weiterer Gedanke, aber sie verdrängte ihn. War die Sorge um Abas der einzige Grund, warum sie ihn in einem Keuschheitsgürtel sehen wollte? Sie wusste es nicht.

Als die Sonne hoch am Himmel stand ritt die Königin mit einer kleinen Delegation aus Gardisten aus, um sich die neue Palisadenzäune der Grenzwälle anzuschauen. Ihr Schimmel war angemessen geschmückt. Sie saß auf einem kostbaren Sattel, ein Meisterwerk des königlichen Sattlers aus feinstem Leder mit aufwändigen Verzierungen und einem Knopf aus poliertem Messing. Ein weites Tuch bedeckte Rücken und Flanken des Pferdes unter einer samtroten Schicht mit goldfarbener Borte. Auch das Zaumzeug war einer Regentin würdig.

Der Oberste begleitete die Monarchin an ihrer Seite. Ein Gardist trug stolz Ledaniens Standarte, eine Löwin mit Schwert, hoch zu Ross – als Führer vorneweg, an ihn schlossen sich zwei Soldaten mit befederten Helmen an, es folgten Leda und Zelos, und als Nachhut trabten vier weitere Uniformierte hinterher. Die königlichen Begleiter trugen Armbrüste auf den Rücken und lange Schwerter sowie einen Dolch an ihrem Gürtel. Sie gehörten zu den Elite-Kämpfern des Reiches, darunter auch zwei Frauen, die ihren männlichen Kameraden in nichts nachstanden.

Sie folgten der Hauptstraße, die durch das kleine Reich führte bis zur Grenzbebauung. Dort begutachteten die Majestät und ihr Oberster die Arbeiten und lobten die Freiwilligen, die von weitem ihrer beliebten Königin zuwinkten oder sich aus nächster Nähe respektvoll verbeugten. Es war in Ledanien bekannt, dass Leda von ihren Untertanen keine Zeichen der Unterwerfung forderte, wie es in anderen Kleinstaaten den Herrschenden gegenüber Usus war.

Der mehrere Mann hohe Palisadenzaun trug eiserne Spitzen auf der Krone sowie von außen. Zusätzlich sicherte die Grenze vor dem Wall ein Graben, in dem ebenfalls Spitzen auf ihre Opfer warteten, die es wagen sollten, das kleine Königreich anzugreifen. Schmale Schießscharten waren in dem Zaun zur Verteidigung vorgesehen. Des Weiteren waren in bestimmten Abständen massive Wachtürme aufgebaut worden. Leda war äußerst zufrieden mit dem Ergebnis und versprach den Männern für ihre Strapazen eine großzügige Belohnung. Außerdem erhielten ihre Familien während ihres Einsatzes genügend Fleisch, Getreide, Obst, Brot und Gemüse, um sorgenfrei leben zu können.

Als Leda und Zelos unbelauscht sprechen konnten, berichtete die Hoheit von ihrem Plan, Abas insgeheim in einen Keuschheitsgürtel zu schließen. „Was haltet Ihr davon, mein geliebter Zelos? Sprecht frei heraus!“ Der Oberste überlegte einige Wimpernschläge lang. „Oh, Majestät, es ist ein weiser Entschluss. So muss sich Abas nicht mehr mühen und demütigen.“ Leda nickte zustimmend und griff mit ihrem Samthandschuh nach dem Lederhandschuh des Gardisten. „Ich danke Euch für Euren Rat. Bitte veranlasst bei einem Schmied alles Erforderliche. Es soll zu Hofe geheim bleiben.“ Zelos neigte sich im Sattel vor und küsste die Hand seiner Königin: „Selbstverständlich. Niemand wird davon erfahren.“

Zelos machte sich gleich am nächsten Tage wohlgemut auf, um eine Schmiede zu besuchen, die südlich eines Fischerdorfes lag, um einen Keuschheitsgürtel für den Königsgemahl anfertigen zu lassen. Da er ohne Uniform ritt, konnte der Schmied seinen wahren Auftraggeber nicht erahnen. Der bärtige Mann wunderte sich trotz allem, denn Keuschheitsgürtel waren in Ledanien nicht üblich. In vielen von Frauen beherrschten Kleinstaaten des Kontinents waren Männer mit wenigen oder gar keinen Rechten ausgestattet – dort gab es oftmals Verwendung für die „eisernen Hosen“. Doch hier?

Welche Frau war so eifersüchtig, dass sie ihren Recken in einen Keuschheitsgürtel stecken wollte? Und welcher absonderliche Kämpe ließ sich so eine Behandlung gefallen? Und dann kam ausgerechnet ein stolzer und kräftiger Bursche zu ihm, um einen Keuschheitsgürtel zu kaufen? Wen würde er damit düpieren? Was führte er damit im Schilde? Der Kunde trug über einem ledernen Wams einen tannengrünen Gugel, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, als habe er etwas zu verbergen. Rätsel über Rätsel - doch als der Schmied den prallen Beutel mit den Goldmünzen gesehen hatte, grinste er nur unverbindlich und entschloss sich, keine indiskreten Fragen zu stellen und zu schweigen.

Sofort machte er sich an sein Gewerk, scheuchte seinen Lehrbuben, einen Blondschopf mit rußgeschwärztem Gesicht, an den großen Luftfächer und griff nach dem schweren Schmiedehammer und einigen Platten Eisen. Bald schon spritzten die Funken rot und gelb durch den Raum und das Schlagen des Mannes war bis in den Hof zu hören. Zufrieden schaute er später auf sein fertiges Werk und nickte. Eine gelungene Arbeit.

Als Zelos mit dem Neuerwerb auf dem Heimweg zur Burg war, begleitete ihn ein zufriedenes Lächeln. Von heute an würde er Leda ganz für sich alleine haben! Die Sonne strahlte noch vom Himmel, da stand Leda vor dem großen Butzenfenster ihres Thronsaales und betrachtete den Keuschheitsgürtel und drehte ihn in alle Richtungen: ein wundervolles Exemplar, freute sie sich und nickte anerkennend. Der Gürtel blitzte und blinkte und funkelte in dem hellen Sonnenlicht. Er war kostspielig gewesen, doch für Abas sollte nichts zu teuer sein.

Der Oberste war mit Leda allein. Er legte seine Hand auf ihre Schulter und drückte sanft zu. Aufmunternd waren seine Worte: „Es ist das Beste für Abas. Du tust das Richtige.“ Die Königin griff nach dem Handgelenk ihres Obersten. „Danke. Geh nun. Ich will allein sein.“ Zelos verließ den Saal mit klackenden Schritten seiner Stiefel. Wieder trug er ein Lächeln, das jedoch nun hämische Züge aufwies. Am Abend ging die Regentin den schwersten Gang ihres Lebens. Sie musste Abas von dem Keuschheitsgürtel erzählen und ihren Gemahl davon überzeugen, dass der Verschluss recht und angemessen war. Sie hatte lange darüber nachgedacht, wie sie ihn darauf ansprechen konnte, ohne ihn unnötig zu quälen. Aber es musste geschehen. Es war angebracht und notwendig. Es gab keinen anderen Weg.

176. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von AlfvM am 24.10.21 11:41

Tolle Fortsetzung. Es geht spannend weiter.
VG Alf
177. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 31.10.21 14:48


„Koste doch noch einen Kelch von diesem wohlschmeckenden Rebsaft“, regte Vesta ihre Mutter zu Tische an. „Wir wollen uns nach einem strapaziösen Regierungstag doch auch eine Prise Vergnügen gönnen.“ Fama sah sie irritiert an. Seit wann interessierte sich ihre missratene Tochter für ihr Wohlgefallen?

Fama hatte seit einigen Tagen zur Genüge Zeit, sich ihren Amüsements hinzugeben, denn Vesta war in die Geschäfte der Krone eingeführt worden und nahm ihr nun die beschwerlichen und lästigen Obliegenheiten ab. „Ich bin müde und gehe zu Bette“, meinte Fama mit schwerer Zunge und schob den Pokal mit dem dunkelroten Inhalt abwehrend weg, stand auf und klatschte in die Hände. Sofort sprangen Dienstboten herbei und hoben ihre mit Spitze gesäumte Schleppe auf und öffneten ihr die Türen zum Korridor des Palastes, der zu ihrem Schlafgemach führte.

Vesta sah mit grimmigem Gesicht hinterher. Wieder hatte sie umsonst einen Giftbecher bereitet. Langsam wurde ihr Säckchen mit dem erworbenen Schierling und anderer Zutaten leichter und leichter. Und auch die Phiole mit der geheimen Flüssigkeit, die sie bei dieser Hexe erworben hatte, wurde immer leerer.

Lange würde sie dieses Leben nicht mehr ertragen! Den ganzen lieben langen Tag musste sie dem Bittstellerpack lauschen, Entscheidungen treffen, sich stundenlange und öde Vorträge der eingebildeten Senatorinnen anhören und schnarchlangweilige Senatssitzungen besuchen, endlos viele Dokumente unterschreiben, irgendwelche Staatsvertreterinnen anderer Reiche in zeremoniellen und ermüdenden Empfängen begrüßen und scharenweise andere repräsentative Aufgaben erledigen, die ihr in Wahrheit völlig gleichgültig und belanglos waren.

Von Tag zu Tag spürte Vesta ihr Soll schwerer auf ihr lasten. Aber ihre Mutter, Königin Fama, zog noch immer die Strippen aus dem Hintergrund und beherrschte ihr Reich, während die Tochter die mühseligen Amtspflichten erledigte. Vestas verdorbene Laune bekamen nicht nur die Dienstboten und Sklaven zu spüren, sondern auch die Gesuchsteller wurden aufs Gemeinste gedemütigt und regelmäßig aus dem Palast geworfen – teilweise ohne Gewandung, die Vesta ihnen zuvor vom Leib reißen und verbrennen ließ. Frauen, die wegen eines Anliegens kamen, wurden oft brüsk abgewiesen. Den Frust durften dann deren Leibeigene ertragen. Doch was scherte das die königliche Vesta?

Während die junge Despotin noch düsteren Gedanken nachging und ungnädig nach einem Dienstboten trat, ließ sich Fama zwei Lustsklaven in ihr Gemach bringen. Von wegen Müdigkeit! Die Herrscherin wollte lediglich dem langweiligen Bankett und ihrer miesepetrigen Brut entkommen. Bald schon gab sie sich den Freuden hin, die ihr spitze Schreie der Lust entlockten, während ihre baren Brüste in der Luft wackelten. Fast mädchenhaft übermütig griff sie nach einer Gerte und peitschte einen der Lustsklaven und beobachtete verträumt, wie die Striemen sich auf seinem Gesäß abzeichneten, indes sie sich von dem anderen Jüngling verwöhnen ließ. Sie stöhnte und leckte sich über die Lippen. Oh, ihr Götterwerk! Die Liebe, sie ist wunderbar!

Jetzt bekam sie doch Appetit auf einen Becher Rotwein. Sie schickte einen Diener danach und spülte ihn so hastig ihre Kehle hinunter, dass ihr ein breiter Rinnsaal am fast nackten Leib hinab lief, zwischen den Brüsten hindurch den flachen Bauch hinab und schließlich von dem Schwarz ihres Dreiecks aufgesogen wurde. Einer der Lustsklaven leckte und saugte den gegorenen Traubensaft auf ein kurzes Zeichen von der Herrscherin, die vergnügte lachte und sich der Zunge des Mannes hingab.

Die Leibeigenen der Fama trugen gewöhnlich Keuschheitsgürtel - manche von ihnen mit Eisendornen im Inneren -, doch bei den Liebesspielen waren sie davon befreit. Das bedeutete allerdings nicht, dass sie auch zum Einsatz kamen. Die Despotin mochte es lediglich, die harten Stäbe zu betrachten, um sich sicher zu sein, dass ihre weibliche Anziehungskraft noch ungetrübt war. Und offenbar konnte sie sich dieser noch sehr sicher sein, wie sie zufrieden feststellte.

Vesta verschüttete derweil wütend den Giftkelch über den Marmorboden und schleuderte das Kristallgefäß hinterher, so dass es zerplatzte und sich die Scherben weit verteilten. Sie verließ aufgebracht das Bankett und raunzte eine Wächterin an, sie solle gefälligst stramm stehen, wenn die Thronfolgerin in der Nähe war. „Sonst wirst du morgen mit Reißnägeln in den Stiefeln Wache stehen!“ Die Frau mühte sich, noch aufrechter und angespannter zu wirken. Als die junge Hoheit arrogant seufzend vorbei geschritten war, atmete die Gerüstete erleichtert aus. Dann zeigte sie auf zwei Dienstboten und kommandierte: „Los! Worauf wartet ihr noch, ihr faulen Hunde! Macht hier sauber! Kehrt die Scherben auf und wischt den Wein weg! Wenn ich gleich noch den kleinsten Flecken finde, werde ich euch zur Zuchtmeisterin bringen lassen!“

Die Männer gehorchten verängstigt und eilten, der Order nachzukommen. Als die Wächterin den Raum verließ, wrang einer der Dienstboten den Lappen über seinem geöffneten Mund aus, um wenigstens ein paar Schlucke von dem guten Wein zu erhaschen. Doch als die ersten Tropfen auf seine Zunge fielen, erinnerte er sich an die vielen kleinen Scherben, die auf dem Boden lagen. Er wollte nicht Gefahr laufen, kleinste Splitter zu verschlucken. Er wrang den Lappen also über einem Fass mit Essensresten und anderen Abfällen aus und spülte ihn anschließend aus.

Später in der Nacht wurde ihm heiß, kalt, er bekam Magenkrämpfe und plötzlich wurde ihm so übel, dass er sich erbrach. Hatte er doch Glasscherben geschluckt? Er hatte keine andere Erklärung dafür und hätte sich am liebsten für seine Torheit geohrfeigt. Hoffentlich war ihm morgen gut genug, um arbeiten zu können. Würden ihm die Kräfte fehlen, würde er sein Soll nicht schaffen. Vor vier Monaten war er bereits einmal wegen einer kleinen Verfehlung zu „Besuch“ bei der Zuchtmeisterin gewesen. Nie wieder wollte er dorthin. Lieber stürzte er sich von der Turmbrüstung.

Vesta sollte am nächsten Morgen wieder prächtiger Stimmung sein: Eine Duxa kündigte die Ankunft einer großen Sklavenlieferung an. Die Augen des Fräuleins strahlten wie von der Sonne beschienene Bergkristalle. Famas Senatorinnen handelten mittlerweile mit benachbarten Kleinstaaten und verfügten aufgrund ihrer östlichen Lage über die besten Nachschubwege für „frische“ Leibeigene vom wilden Ostkontinent.

Lange Zeit hatte es fast überall einen Überschuss an Sklaven gegeben, doch inzwischen konnten viele Kleinstaaten, in denen Frauen herrschten, nicht genug Arbeitskräfte oder Sklaven für diverse andere Aufgaben bekommen. Die Wirtschaft des Fama-Reiches hatte sich auf hörige Mannsbilder spezialisiert. Und Vesta würde heute zum ersten Mal als Thronfolgerin die Sklavenjägerinnen willkommen heißen und sich die schönsten und kräftigsten Exemplare anschauen, die für den königlichen Hof bestimmt waren. Vesta schwor sich: „Wenn Mutter mir dieses Vergnügen nimmt, dann erwürge ich sie vor aller Augen mit meinen eigenen Händen!“

Aber ihre Befürchtung sorgte sie umsonst, denn Fama widmete sich lieber der Schönheitspflege und war zu abgelenkt, um den Empfang und die Auswahl der neuen Sklaven persönlich vorzunehmen. Die pompöse Parade, in der die Duxas sich feiern ließen, als kämen sie als gloriose Siegerinnen von einem ehrenvollen Kriegszug zurück, garantierte stets eine große Masse an Publikum.

Auch Vesta musste zugeben, selten so viele Sklaven auf einen Haufen gesehen zu haben. Selbst die Regimenter aus Kampfsklaven waren früher irgendwie anders erschienen. Die Krieger waren in Reih und Glied marschiert, teilweise gerüstet und mit schweren Streitkolben, Morgensternen und Bihändern bewaffnet; einstudiert exerzierten die Kämpen meisterlich im Gleichschritt, brüllten ihre Kriegsrufe und wirkten trotz ihrer absoluten Hörigkeit auf eine bestimmte Weise Respekt einflößend.

Aber die hunderte eng zusammengeketteten nackten Leiber der „Frischlinge“ zeigten ein anderes, ungewohntes, faszinierendes Bild. Die Gefangenen hatten Mühe, sich in der Kolonne zu bewegen, blickten zu allen Seiten, machten einen eingeschüchterten Eindruck, und doch sahen manche von ihnen so aus, als seien sie aufsässig, als wollten sie am liebsten flüchten wie verstockte Ziegenböcke.

In einem Triumphzug rollten die geschmückten Streitwagen der Sklavenjägerinnen durch die Straßen der Metropole, gesäumt von zahlreichen Soldatinnen zu Ross, die die Leibeigenen zwischen sich vorantrieben. Die nackten Männer trugen schwere Halseisen, an die auch ihre Handgelenke fixiert waren. Von Eisen zu Eisen führten kurze Ketten zum Vorder- und Hintermann. In jeder fünften Reihe verband eine weitere Kette die Nebenmänner. Ein Entkommen war so völlig ausweglos – Fußeisen waren daher überflüssig.

Renitente Sklaven erkannte die Zuschauerin an deren heidelbeerblauen Gesäßen. Hin und wieder ragte ein Leibeigener auch aufgrund von Gewichten aus der Masse hervor, die er um sein Gemächt trug. Offenbar hatte sich dieses Exemplar ebenfalls einer Disziplinlosigkeit schuldig gemacht. Vielleicht war er aber auch nur der Auserwählte einer Belustigung der Soldatinnen. Vesta stellte sich vor, wie das Gewicht mit jedem Schritt schwerer und schwerer an dem Gemächt zog. Sie schmunzelte bei dem Gedanken und spürte, wie er sie erregte. Dann erblickte sie von ihrer Tribüne, an der sich der gewaltige Zug vorbei schlängelte, einen Sklaven, der eine große Glocke an seinem Gemächt trug. Bei all dem Jubel und den Rufen war sie nicht zu hören. Ein anderer Sklave zog an seinem Gemächt eine Kette hinter sich her, die sicherlich gewichtig an seiner Männlichkeit zog; doch die größere Pein war für ihn, so amüsierte sich Vesta, dass die Hintermänner ihm ständig darauf traten und ihn so ungewollt marterten.

Vesta gluckste, als der Mann erneut zuckte und versuchte, mit einem Bein die Kette nach vorne zu schleudern, ohne aus dem Gleichschritt zu gelangen. In den Augen des Fräuleins spiegelte sich das Vergnügen. Es war eine hoffnungslose Angelegenheit. Einige Schritte später erwischte wieder ein Leibeigener die Kette mit seiner Fußsohle. Der Sklave drehte sich um und schrie etwas, doch die Bewegungen wurden sofort von zwei Soldatinnen am Rand mit strengen Peitschenhieben beantwortet.

Die Tochter der Fama kicherte albern. Das war ja lustiger als die Verrenkungen eines tanzenden Narren! Für einen Lustjüngling war dieser Sklave wohl bald nicht mehr zu gebrauchen. Etwas enttäuscht war die Thronfolgerin, weil viele der Männer nicht die großen Muskelberge der Kampfsklaven besaßen. Für das Heer wurden nur entsprechende Kraftpakete aussortiert, trainiert und mit Haferbrei und anderer spezieller Nahrung versorgt.

Vesta war gespannt, welche Selektion ihr die Duxas brachten. Es war üblich, dass die Offizierinnen eine Vorauswahl trafen. Schließlich konnte man von Vesta nicht erwarten, dass sie stundenlang an endlos langen Reihen von Exemplaren vorbeilief. Auf jeden Fall wollte sie sich selbst den Sklaven mit dem größten Gemächt für ihren Harem erwählen. Und einen neuen Prügelsklaven brauchte sie ebenfalls. Ihr alter war verbraucht und unansehnlich geworden, wie sie fand. Es gab so hübsche Jünglinge! Irgendwie war es bei der Züchtigung wie beim Liebesspiel: Vesta reizte es besonders, die Erste zu sein.

Die Thronfolgerin hatte gehört, dass im entfernten Reich der Helena Prügelsklaven abgeschafft worden waren. Kopfschüttelnd fragte sie sich, was in die ehemalige Statthalterin ihrer Mutter gefahren war, solche dummen Gesetze zu erlassen. In diesem Moment bewegte sich das Sonnensegel über ihrer Tribüne durch eine kleine Windböe so, dass Vesta einen Wimpernschlag der brütenden Sonne ausgesetzt war.

Die Sklaven mussten in der Hitze furchtbaren Durst leiden, überlegte sie und stellte sich lustvoll in einem bizarren Tagtraum vor, wie sie einen Liebesjüngling dursten lassen würde, um ihm dann endlich zu erlauben, frisches Wasser von ihrer Weiblichkeit zu lecken und zu saugen, um seinen grausamen Durst zu lindern. Grinsend biss sie in einen saftigen Pfirsich, der ihrem Gaumen schmeichelte, und versuchte neue Einzelheiten in dem großen Sklavenzug zu erkennen.

Später, wenn sie ihre Auswahl getroffen hatte, würden die Männer ein ausgiebiges Bad nehmen. Sollte sich ein Exemplar unziemlich benehmen, so kam es in einen großen Zuber mit Gitterdeckel und verbrachte dort die nächsten Stunden am Eisengeflecht nach Luft schnappend. Wie heiß das Wasser wurde, hing dann davon ab, wie eifrig die Zuchtmeisterin das Feuer unter dem Zuber anfachte.

In Ledanien wäre so eine Behandlung unvorstellbar gewesen. Leda hatte ihrem Abas den Vorschlag mit dem Keuschheitsgürtel sehr vorsichtig angepriesen. Schließlich war er schluchzend in ihren Armen zusammengesunken und beide weinten. „Ja, liebe Leda, ich will ihn tragen. Dir und mir zu Liebe.“ Gemeinsam waren sie eng umschlungen eingeschlafen, nachdem die Königin ihrem Gemahl den Keuschheitsgürtel umgelegt und den Schlüssel an einer goldenen Kette um ihren Hals gehängt hatte.

Doch bereits zwei Nächte später hatte die Begierde Leda und Zelos erneut gefangen genommen. Zu flüchtig waren gute Vorsätze. Zu gierig lockten die betörten Sinne. Zu später Stunde war die Regentin wankelmütig in das Gemach des Obersten Gardisten geschlichen und hatte seine heißen Küsse empfangen. Er löste an ihrem Dekollete Haken, Knöpfe, Ösen und Schnüre und vergrub sein Gesicht zwischen den Brüsten der Angebeteten.

Dieses Mal wollte Leda ihr Prachtkleid anlassen, drückte Zelos zurück auf seine Bettstatt und bestieg ihn, als sei er ein Hengst, die Stiefel an die Flanken seiner Schenkel gepresst. Leda ritt den kühnen Liebesstab, während ihr Untertan sanft ihre Brüste umfasste und die keck aufgestellten Brustwarzen zwischen seinen Fingern fordernd hervorlugten. Sie waren vereint in heißer Leidenschaft, gaben sich dem Rausch hin, fanden schließlich tiefe Erfüllung, die sie bebend durchströmte.

Noch eine Weile genossen sie das angenehme Gefühl der Befriedigung und lagen nebeneinander. „Ist er das, der Schlüssel?“, fragte Zelos plötzlich und strich mit dem Finger die Kette an Ledas Hals entlang bis zwischen die beiden weichen Hügel. Die Königin erschrak, als sei der Schlüssel wie ein Zeuge ihres sündhaften Verhaltens gewesen, als habe Abas alles mit ansehen müssen. „Ja, das ist er.“

Zelos griff nach dem kleinen Anhänger und drehte ihn in seinen Fingern. „Wäre es nicht besser, wenn ich ihn verwalte? Du würdest nach dem Sinn des Schlüssels gefragt werden. Und außerdem…“ Er verstummte zunächst, doch dann setzte er fort: „Bei mir ist er sicherer aufgehoben, denn du würdest ständig in Versuchung geführt, Abas aufzuschließen.“ Leda sah ihn mit großen Augen an. „Du willst ihn aufbewahren?“ „Wäre das falsch?“, fragte Zelos. Leda schlug ihren Blick nieder. „Nein, mein Geliebter. Nimm ihn!“ Sie nestelte sich die Goldkette vom Hals und überreichte sie ohne Scheu samt Schlüssel ihrem Obersten.

Einige Tage später hatten sich Zelos, der Oberste der Garde, der Schultheiß Gladius, Hagbard, Majordomus und Berater der Königin sowie einige hochrangige Gardisten zu einem geselligen Abend am großen Kamin im Gesellschaftssaal der Burg versammelt und lauschten den leisen Klängen eines Musiktrios, die die Gespräche der Männer mit Harfe, Citole und Flöte untermalten. Die Flammen des Feuers ließen lebendige Schatten an den Steinwänden über die Wandteppiche, Schilde und Wappenflaggen tanzen.

Der Abend war bereits weit fortgeschritten, das Holz im Kamin fast niedergebrannt. Bis vor wenigen Minuten gehörten noch eine Handvoll Soldatinnen wie Nike und zwei Damen, die bei Hofe zu Gast waren, zu der illustren Runde. Doch inzwischen waren die Kämpen unter sich, und Gladius, der dem Wein bereits trefflich zugesprochen hatte, erhob Zelos gegenüber seine leicht lallende Stimme. „Kennt Ihr, Oberster, eigentlich die jüngsten Gerüchte, die bei den Männern umhergehen?“ Zelos sah den Schultheiß fragend an. „Gerüchte? Was munkelt man?“

Gladius nickte selbstzufrieden und beugte sich verschwörerisch auf seinem mit Hirschleder bezogenen Stuhl vor. „Letzten Vollmond soll eine Wasserhexe aus dem Meer gestiegen und in die Burg eingedrungen sein. Und einer Eurer Gardisten soll beobachtet haben, wie sie durch das Mauerwerk geschwebt ist. Einfach so. Als sei der Stein durchlässig wie ein Nebel. Und…“ „Und“, unterbrach ihn Zelos, „ich glaube, der Wein löst Eure Zunge gar zu sehr.“

Er sah sich spöttisch im Saal um. „Wo ist sie denn, Eure Wasserhexe? Hat sie sich vielleicht hinter einem der Wappenschilde versteckt? Oder hinter dem Wandteppich?“ Gladius rümpfte unbillig die Nase und antwortete zischend: „Glaubt es oder lasst es!“ Beleidigt goss er sich erneut seinen Kelch voll und brummte: „Bei solchen Zuhörern kann ich mir die zweite Neuigkeit sparen…“ Zelos hatte sich abgewendet und betrachtete einen Kupferstich, der eine Schlacht darstellte. Hinter sich hörte er die Stimme von Hagbard. „So sprecht doch weiter. Lasst Euch vom Obersten nicht die Laune verderben. Ich würde gerne Eure zweite Nachricht hören.“ Der Schultheiß zuckte mit den Schultern. „Man erzählt von einem ominösen Fremden, der bei einer Schmiede an der Küste einen Keuschheitsgürtel in Auftrag gegeben hat.“ Hagbard stutzte. „Hier in Ledanien? Aber wer sollte… Wozu?“ Gladius flüsterte: „Das weiß ich nicht. Vielleicht hat es etwas mit dem Hexenweib zu tun…“

Plötzlich fragte der Majordomus den Obersten: „Was habt Ihr, Zelos? Ihr seid ja ganz bleich. Vertragt Ihr die Pastete nicht?“ Der Angesprochene stand abrupt auf und räusperte sich. „Der Wein hat meine Augenlider schwer werden lassen. Ich ziehe mich zurück und wünsche den Herren eine erholsame Nacht.“ Gladius lallte hinter ihm her. „Passt nur auf, dass Euch die Wasserhexe heute Nacht nicht mit ihren langen Krallen packt und in die Fluten zieht!“ Sein Gelächter verfolgte den Obersten noch bis in den langen Gang.

Zelos fühlte seinen Brustkorb wie eingeschnürt. Die Kette mit dem Schlüssel für Abas Keuschheitsgürtel, die er unter seinem Wams trug, schnürte ihm scheinbar die Luft ab; der Schlüssel lag vermeintlich glühend heiß auf seiner Haut, die sich darunter wie versengt anfühlte. Wie ein durch Brandeisen erzeugtes Mal seines sündhaften Treibens.

178. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 06.11.21 13:11




Wie konnte das bekannt werden? Er musste dringend mit Leda sprechen. Noch war es nur ein Gerücht, das man munkelte, doch bald schon würden es die Männer fest glauben und sich fragen, wer den Keuschheitsgürtel trug. Wenn die Spur bis in die Burg verfolgt worden war, dann war er schon beinahe enttarnt.

Abas wankte zurück. Von der Schmuckbalustrade des Saales hatte er die Worte des Schultheißen vernommen. Der Hof wusste von einem Keuschheitsgürtel! Damit konnte nur seiner gemeint sein! Er musste dringend mit Leda sprechen. Die Gedanken in seinem Kopf drehten sich wie bei einem Holzkreisel. Wie war das nur möglich? Mit zusammengekniffenen Augen schlichen ihm Zweifel an seinem Obersten in den Sinn. War Zelos nicht vorsichtig genug gewesen? Hatte er alle Diskretion fallen lassen? Nein, niemals.

Der Königsgemahl hatte Leda so lange bedrängt, bis sie ihm erzählt hatte, woher sie den Keuschheitsgürtel hatte. Der Oberste der Garde war verkleidet in die Ferne geschickt worden. Er war achtsam gewesen und verschwiegen, war sich Abas sicher. Auf Zelos konnte er sich verlassen. Gab es einen loyaleren Untertanen?

Selbst wenn Zelos beobachtet und verfolgt worden war, beruhigte sich der Königsgemahl, so war ihm und dem Unbekannten doch nur gewiss, dass der Keuschheitsgürtel in der Burg Verwendung finden sollte. Niemand würde es wagen, den Gatten der Königin als Empfänger der eisernen Hose zu bezeichnen. Offen zu bezeichnen nicht, wuchs eine Sorge in Abas, aber zu denken schon! Oder? Er war sich nicht mehr gewiss.

Niemand wusste von seiner verlorenen Manneskraft! Trotzdem fühlte Abas die Blicke aller Personen auf seine Hüften gerichtet. Stechend! Spottend! Verkleidet in falsche Süße. Hinter seinem Rücken bildete er sich Frotzeleien und Getuschel ein. Die imaginären Stimmen hallten in seinem Schädel:

„Der Königsgemahl ohne Gemächt.“

„Seht nur, wie winzig und schwach seine Männlichkeit ist!“

„Der Königsgemahl trägt einen Keuschheitsgürtel wie ein Lustsklave!“

„Die Königin hat ihren gehörnten Gemahl in eine eiserne Hose gesteckt und sich einen Liebhaber genommen!“

„Abas, der mannslose Königsgemahl!“

„Schaut, welch Weichling wir neben der Königin sitzen haben!“

„Megara hat Abas seiner Manneskraft beraubt!“

Und viele andere Sprüche meinte Abas in den Gängen der Burg und in dunklen Ecken hinter seinem Rücken zu hören. Waren diese Flüsterstimmen eingebildet oder wahr? Er konnte sie nicht mehr auseinanderhalten.

Als er seine Leda deswegen zur Seite nahm, machte sie den Eindruck, als bilde er sich alles nur ein. Und auch die Sache mit dem Keuschheitsgürtel mochte nur ein zufälliges Gerücht sein. Niemand habe Zelos verfolgen oder sehen können. „Und selbstverständlich weiß auch der Oberste nicht, wofür ich den Keuschheitsgürtel benötige“, beruhigte ihn seine Gemahlin; doch das brachte Abas nur noch mehr in Rage. „Natürlich weiß er vom Verbleib der eisernen Hose! Wofür sonst willst du sie haben, wenn nicht für mich!?“

Die Königin lächelte ein wenig verlegen. „Aber bei Zelos ist das Geheimnis gut aufgehoben, mein Schatz.“ Abas hechelte vor Aufregung. „Oh, bei den Alten Göttern! Zelos kennt meine Schmach! Ich mache mich vor ihm zum Gespött!“ Er kam sich erniedrigt vor. Seine Wangen glühten vor Scham. Und ausgerechnet ihn frug er, Gladius zu kontrollieren. Nun musste Zelos doch insgeheim über den eifersüchtigen mannslosen Königsgemahl lachen!

Abas taumelte und hielt sich im letzten Moment an einem Schrank mit kostbaren Intarsien fest. Musste er sich demütig fügen? Welch wahrlich Bitternis! Derangiert verließ er Leda und ließ die Regentin wortlos zurück. Erst in diesem Moment, als die Majestät ihrem Gemahl hinterher blickte, bemerkte sie, dass Abas einen langen Waffenrock aus mit Goldfäden durchwebtem schwarzem Samt trug, der ihm weit über die Hüften hing. Einst hatte er gern ein kurzes Wams mit Ornamenten getragen. Hatte er Sorge, dass jemand seinen Keuschheitsgürtel unter dem Stoff erkennen könne?

Noch in dieser Nacht trafen sich Leda und ihr heimlicher Verehrer in des Obersten Kammer. „Wir müssen vorsichtiger sein“, warnte die Königin. „Ich würde es mir niemals verzeihen, wenn Abas von unserer Verbindung erführe!“ Zelos nahm sie zärtlich in den Arm und streichelte ihr über Schopf und Rücken. „Du hast Recht“, beruhigte er sie. Doch als sie sich von ihm gelöst und ihm lediglich einen flüchtigen Kuss gegeben hatte, verließ sie das Gemach wieder, ohne weitere Besuche auszuschließen.

Der oberste Gardist schaute ihr unbefriedigt nach. Warum musste der Schultheiß auch dieses dumme Gerücht verbreiten!? Dafür sollte Gladius noch büßen! - Dabei fiel Zelos ein, dass der Königsgemahl den Schultheiß anfangs schon im Verdacht hatte, sich der Majestät umtriebig genähert zu haben. Wenn er Abas die „richtigen“ Worte ins Ohr flüstern würde, war Gladius womöglich bald seines Amtes enthoben. Konnte er selbst gar zum Schultheiß werden. Als Oberster hatte er zwar gewisse Privilegien am Hofe; doch der Vorsteher der monarchischen Gesellschaft stand noch über ihm. Und eventuell würde es bald einen neuen Schultheiß geben.

Zelos schlüpfte aus seinem mit Arabesken verzierten Wams, auf dem am Brustteil groß das Wappen von Ledanien prangte, und legte sich mit freiem Oberkörper auf sein Nachtlager. Sehnsüchtig schaute er zur Seite, wo sonst so oft des Nachts die Regentin heißblütig nach seiner Männlichkeit gierte. Doch heute Nacht war das Lager leer. Zelos griff nach dem Schlüssel an seinem Halsband und betrachtete ihn nachdenklich. Wenigstens bekam auch Abas seine Geliebte nicht!

Doch würde Leda bald schon kommen und den Schlüssel fordern? Zelos setzte sich ruckartig auf und dachte nach. Ihm war ein Gedanke gekommen. Ein sündiger Gedanke, eine böse Einflüsterung eines Dämons. Und doch schlich sich ein Lächeln in sein Gesicht. Der Gardistenführer stand auf, zog sein Wams über und stiefelte aus seinem Gemach, den Gang entlang, dessen Wände mit Fackeln, Schwertern, Schilden und Lanzen geschmückt war, trat in den Innenhof der Burganlage und überquerte sie. Zwei Wachen salutierten, als sie den Obersten erkannten.

Zelos lief zum schwarzen Fallgitter und gab einem Wachmann ein Zeichen, dieses zu öffnen. Mit einer Winde kurbelten zwei starke Recken das mächtige Eisengitter in die Höhe. Der Oberste nahm eine lodernde Fackel aus einer schmiedeeisernen Halterung und betrat die Zugbrücke, die wie gewöhnlich herabgelassen war. Einige Wachen lugten neugierig weit über dem Geschehen zwischen den Zinnen hervor und wunderten sich über den nächtlichen Ausflug des Obersten, als sie ihn erkannten. Noch wunderlicher war, dass er nicht ausritt, sondern zu Fuß auf der Brücke über dem Burggraben verharrte.

Keiner der Männer bemerkte, wie Zelos einen kleinen metallischen Gegenstand in das brackige Wasser fallen ließ. Mit grimmigem Gesicht kehrte er in die Zitadelle zurück und begab sich in seine Kammer, die er von innen verriegelte und sich schwer aufs Federbett fallen ließ. Er würde der Königin beichten müssen, dass er den Schlüssel für Abas Keuschheitsgürtel bei einem Ausritt verloren habe. Verzweifelt habe er den gesamten Weg abgesucht, aber ihn nicht wiedergefunden. Ja, so solle es gewesen sein.

Der Tross mit der königlichen Tochter Aurora auf dem Weg zum Reich der Cassandra hatte fast die gesamte Strecke absolviert. Nur einen Tagesmarsch trennte sie noch von dem berühmt-berüchtigten Imperium, in dem die Alleinherrscherin Cassandra ein rigides Regime von dominanten Damen führte, in dem Männer nur als rechtlose Sklaven galten.

Aurora brodelte innerlich. Seit eine Gardistin vor einigen Tagen ihr Höschen bei dem gefesselten Sklaven gefunden hatte, wurde sie von der Uniformierten dezent erpresst und durch die Blume immer wieder daran erinnert, wie leicht sich doch die Zeugin bei hoher Stelle verplappern könne, wenn sie nicht durch einige hübsch klingende Goldmünzen, Geschmeide und andere Gedächtnisstützen ermahnt würde.

Das edle Fräulein hatte dem dreisten Weibe schon ein Ledersäckchen mit Münzen, einen kostbaren Ring und einen Ballen feinstes Seidentuch sowie eine Brosche mit einem großen und kunstvoll geschliffenen Opal vermacht. Eigentlich könnte ihr egal sein, was die Gardistin erzählte und sie gar für ihre infame Lümmelhaftigkeit hart bestrafen lassen. Doch leider musste sie auf ihren Ruf achten. Sicherlich wäre das nächtliche Vergnügen bei Cassandra nicht der Rede wert gewesen; doch ihre Mutter Fama würde das anders sehen. Aurora wollte nicht gleich mit unschicklichem Verhalten in die Tür fallen. Schließlich wollte sie ihre Mutter auf dem Thron in der Metropole beerben. Und eine Hochzeit mit einem cassandraischen Adonis stand ihr auch bevor.

Noch einen Tag musste sie auf der staubigen und trockenen Route durch die Einöde durchhalten. Erst bei Cassandra angekommen, würde sie einen Weg finden, um sich der lästigen Gardistin zu entledigen. Im Laufe des Vormittags stieg die erbarmungslose Sonne immer höher und sorgte für eine regelrechte Gluthitze. Aurora bekam in ihrer Kutsche davon nicht viel mit, denn ihr fächelte ein Sklave Luft zu. Trotzdem rief sie alle paar Meilen nach frischem, kaltem Wasser für ihre Füße und einem kühlen Getränk.

Eine gute Stunde später vermeldete eine Gardistin, dass die Kriegssklaven dringend eine Trinkpause machen mussten. In nächster Nähe sei ein Fluss, wo ein kurzer Halt anberaumt werden sollte. Aurora meckerte schrill: „Ich will endlich am Ziel ankommen! Das faule Pack kann noch früh genug saufen und die Bäuche füllen. Diese Kutsche ist fürchterlich! Die Sitze sind zu dünn bezogen und die Federung ist viel zu hart! Ich will endlich ankommen.“

Die Gardistin versuchte das Hohe Fräulein umzustimmen, aber musste sich geschlagen geben. Resignierend ritt sie zurück an die Spitze der Kolonne und gab den Befehl zum Weitermarsch. Die Sklaven stöhnten erschöpft auf. Sie rochen förmlich das Wasser. Ihre Füße schmerzten in den Sandalen, in denen sie sich dicke Blasen gelaufen hatten. Ihre Zungen klebten schon an ihren Gaumen. Der gesamte Leib war mit einer schmutzigen Staubschicht bedeckt.

Auch die reitenden Soldatinnen waren verschwitzt und des Reitens müde. Aber dank der Götter saßen sie im Sattel und verfügten über einen Trinkbeutel. Aurora rief nach einer Gardistin und wies schnippisch an: „Melde vorne, dass wir die Reisegeschwindigkeit erhöhen!“ Grinsend fügte sie hinzu: „Dann sind die Sklaven auch früher am Ziel und können schneller saufen.“

In den nächsten Minuten hatten die Reiterinnen alle Hände voll zu tun, um die Leibeigenen auf die gewünschte Marschgeschwindigkeit zu peitschen. Auf den blanken Ärschen blühten mehr und mehr Striemen auf. Eine Soldatin flüsterte ihrer Kameradin kritisch zu: „Für einen Kampfeinsatz sind die Männer nicht mehr geeignet. Wenn das Hohe Fräulein so weiter macht, kommen wir mit halb verdursteten und kränkelnden Männern bei Cassandra an.“

Die vorderste Gardistin versuchte fünf Meilen später der Thronfolgerin erneut ins Gewissen zu reden, zumal die Sonne bald den Zenit erreicht hatte. Aurora ließ sich dieses Mal sogar darauf ein. Sie nickte: „Ja, da habt Ihr Recht“, stimmte sie der Uniformierten zu. „Die Pferde müssen ruhen.“ Die Gardistin wollte schon erleichtert ausatmen, als Aurora anwies: „Spannt die Rösser ab und legt einigen Sklaven die Zügel um.“ Der bizarre Befehl wurde ausgeführt, obwohl einige Soldatinnen fassungslos mit dem Kopf schüttelten.

Nun ging es zwar noch langsamer vorwärts, denn die Männer waren mit der schweren Kutsche heillos überfordert. Aber Aurora war zufrieden. Plötzlich störte sie die strapaziöse Reise nicht mehr. Im Gegenteil: Sie setzte sich auf den Kutschbock, der viel weniger gepolstert war als der Innenraum, und übernahm die lange Peitsche. Eine Soldatin flüsterte ihrer Kameradin zu: „Jetzt weiß ich, warum Königin Fama ihre Tochter in die Fremde geschickt hat.“

Nach weiteren fünf Meilen konnten auch Auroras Versuche, die „Pferdchen“ anzutreiben, nicht mehr viel ausrichten. Die hartgesottenen Krieger waren am Ende ihrer Kräfte. Die Prinzessin war außer sich. „Diese nutzlosen Viecher!“, schrie sie vom Kutschbock hinab. „Spannt sie wieder ab!“, befahl sie den Gardistinnen. „Dafür soll dieser saumselige Pöbel später bestraft werden.“ Die echten Rösser wurden erneut in das Geschirr vor das Gefährt gespannt. Aurora wies an, mit einer kleinen Begleitung zügig voran zueilen. Der Rest sollte mit den lahmen Kämpen nachkommen.

Der obersten Gardistin gefiel diese Idee nicht, denn in der Umgegend sollten Räuberbanden ihr Unwesen treiben. Sie machte das Hohe Fräulein auf die Gefahren aufmerksam, aber Aurora wedelte abweisend mit ihrer behandschuhten Hand. „Tut, was ich befehle! Basta!“ Sie stieg wieder in den Innenraum und labte sich an einem Becher Wein und einem saftigen Pfirsich. Dann ging es eilend weiter dem Reich der Cassandra entgegen.

Die meisten Soldatinnen blieben mit der Division Kriegssklaven zurück. Eine Gardistin überlegte, ob es sinnvoll sei, die gut zehn Meilen zu dem Fluss zurückzukehren. Bis zum Ziel würde es deutlich weiter sein. „Wir haben noch einige Fässer mit Wasser“, erinnerte eine Gardistin ihre Kameradin und zeigte auf einen Karren, der von zwei Eseln gezogen wurde. „Ja, aber es ist unser letzter Vorrat. Ihr wollt doch gewiss auch nicht staubig und verschwitzt im Reich ankommen, oder?“, fragte sie. Die andere Gardistin grunzte. „Natürlich nicht. Wir benötigen Wasser, um uns frisch zu machen. Aber könnten wir ein wenig davon den Sklaven zum Trinken geben?“ Die Kameradin war skeptisch. „Dann reicht es vielleicht nicht für alle.“

Aber die Weiber wollten auch nicht mit einer Kolonne völlig erschöpfter, erbärmlich wankender Krieger im Reich der Gastgeberin erscheinen. Also entschlossen sie den Rückweg zum Fluss zu machen. Für die zehn Meilen benötigten sie länger als gedacht, denn die Sklaven konnten sich kaum noch auf den Beinen halten. Die Sonne stand längst im Zenit und brannte gnadenlos hinab, so dass der Schweiß bei allen in Strömen lief. Ständig griffen die Frauen zu ihren Trinkflaschen, doch der Durst wollte nicht gänzlich schwinden.

„Ein kühles Bad im Fluss – das wäre nun wohlgefällig“, schwärmte eine Gardistin. Ihre Kameradin nickte sehnsüchtig. „Oh ja! Aber wollt ihr von den dreckigen Sklaven dabei begafft werden? Das wäre nicht reizvoll.“ „Beileibe nein“, meinte die Uniformierte, „lasst uns die Kolonne eine Meile vor dem Fluss pausieren. Dann erfrischen wir uns im Wasser und führen die Herde anschließend hin.“

So sollte es gemacht werden. Die Leibeigenen ächzten und stöhnten, als die Soldatinnen sie an den Karren ketteten und ohne sie zum Fluss ritten. Die Männer standen in der trockenen, heißen Einöde und blickten den uniformierten Reiterinnen hinterher, die vergnügt dem Ufer entgegen preschten. Die Kriegssklaven waren auf Loyalität und Hörigkeit getrimmt, so dass die Ketten eigentlich nicht nötig waren. Doch die Gardistinnen wollten auf Nummer Sicher gehen. Niemand hatte Lust, hinter einem Flüchtigen herzujagen und ihn zurück zu schleifen.

Am Fluss angekommen entledigten sich die Frauen heiter und unbeschwert ihrer Rüstteile und Lederkleidung, dem Leinenstoff und sprangen in die kühlen Fluten und planschten herum wie alberne Mädchen. Selbst die höherrangigen Gardistinnen pfiffen auf ihre autoritäre Stellung und genossen das Bad mit den Soldatinnen gemeinsam ohne Epauletten oder andere Symbole ihres Ranges. Das erfrischende Nass war rundweg eine Wohltat für die erhitzten und staubigen Leiber.

Nachdem sie von ihren Wasserspielen gesättigt waren, trockneten sie sich in der warmen Sonne und kleideten sich an. Eine Soldatin ritt zurück und brachte den Eselskarren samt Sklaven zum Flusslauf. Als die Männer, immer noch an den Karren gekettet, das Wasser sahen, sah man ihnen die Gier nach der Quell der Erquickung deutlich an. Einige Soldatinnen machten sich ein Gaudium daraus, die Kämpen zu fragen, wer als Erster aufgeschlossen werden solle. Natürlich riefen die darbenden Sklaven alle durcheinander und versuchten sich zu der Frau vorzudrängeln.

Eine Soldatin mit kecker Stupsnase gab einem der Männer zunächst Wein zu trinken. Gierig schluckte der Recke den gesamten Inhalt des Schlauches. Natürlich war er nach wenigen Augenblicken völlig betrunken und wankte orientierungslos umher. Trotzdem schaffte er es schließlich noch zum Fluss und löschte dort seinen restlichen Durst. Doch später, auf der Weiterreise, wankte er unter dem Gelächter der Frauen so unkontrolliert umher, dass er sich kaum auf den Beinen halten konnte, während seine Kameraden inzwischen gestärkt wieder in Reih und Glied marschierten.

Nach einer Weile schimpfte die oberste Gardistin: „Jetzt ist aber genug mit den Possen! Sorgt dafür, dass der Schluckspecht in der Reihe bleibt. Sonst bekommt die ganze Kolonne eine Bestrafung!“ Ohne Umschweife nahmen die Männer den Betrunkenen in ihre Mitte und sorgten mit Puffen und Knuffen dafür, dass er leidlich Schritt hielt.
179. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von sheeeep am 06.11.21 19:52

Wie immer prima erzählt!!
180. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 13.11.21 13:51


Aurora war inzwischen mit ihrer Kutsche und der verringerten Eskorte in Sichtweite zur Grenze des Herrschaftsgebiets der Cassandra angelangt. Eine kleine Reitergruppe aus stolzen Gardistinnen der Cassandraischen Miliz kam dem Tross entgegen. Die Gardistenführerin aus Famas Reich begrüßte die Offizierin der Cassandra und kündigte den hohen Besuch, Aurora, Tochter der Königin Fama, der Siegreichen, an. Beide Frauen übergaben zum Willkommensgruß kleine gestickte Wimpel ihrer Wappen. Briefraben hatten die Ankunft der Prinzessin bereits angemeldet. Die Miliz geleitete die Gäste durch den Grenzübergang: ein gewaltiges Tor, fast so hoch wie die Verteidigungsmauer, die die Reisenden schon meilenweit entfernt erblickt hatten. Durch quietschende und rasselnde Ketten an mächtigen Winden öffnete sich der Zugang zum Reich.

Aurora beugte sich neugierig aus dem Kutschenfenster. Allein die Dicke des mit Eisen beschlagenen Tores betrug fürwahr zwei Ellen. Hier würde jeder Rammbock versagen, egal wie wuchtig er wäre. Dann verdrehte Aurora ihren Hals, um zum Wehrgang der gigantischen Mauer hinauf zu blicken. Vereinzelt standen mit Armbrüsten bewaffnete Soldatinnen in Kettenhemden und Lederhosen vor den Zwischenräumen riesiger Zinnen und beäugten ihrerseits die Ankömmlinge.

Hinter der Mauer führte die Straße in die Hauptstadt des Imperiums. Aurora staunte, wie sauber und glatt der Weg gepflastert war. Und nicht die geringste Verunreinigung war zu erkennen. Links und rechts der Straße standen Pranger, die jedoch leer waren. Aurora stellte sich genüsslich vor, wie dort Sklaven als Strafe in der heißen Sonne stehen mussten, selbst ihrer letzten Wäsche und damit auch ihrer Reste von Würde beraubt. Gewiss würde sie noch Zeugin solcher Szenen werden.

Als sie der Stadt näher kamen, erstrahlten die hohen Gebäude mit ihren zierlichen Türmen, die sich weit in den Himmel reckten. Aurora kam aus dem Staunen nicht heraus. Die Metropole ihrer Heimat war zwar größer als die Stadt der Cassandra, doch hier waren sämtliche Häuser ausladende und luxuriös verkleidete Anwesen mit riesigen Marmor-Säulen, mit aufwändigen Ornamenten an der Fassade und teuren Glasfenstern. Einige Bauwerke erinnerten an Tempel, andere eher an kleine Schlösser oder Burgen. Der Kleinstaat der Cassandra musste über enorme Reichtümer verfügen. Und immer beeindruckender wurden die formidablen Domizile, je mehr sie sich dem Zentrum näherten.

Aurora rieb sich die Augen, um festzustellen, ob sie träumte, als das faszinierendste und imposanteste Gebäude auftauchte, dass sie jemals gesehen hatte: ein gewaltiger Kuppelbau, dessen Dach mit Blattgold bedeckt war, wie sie aus einer Erzählung wusste. Große weiße Säulen mit dorischem Kapitell umkreisten den Bau und etwa ein Dutzend Spitzbögen einer Arkade führten über eine breite Marmortreppe zum Eingang der Residenz. Über der majestätischen Doppelpforte prangten die mit Blattgold veredelten Buchstaben: „MALUS-KULT“. Am Mauerwerk waren kunstfertige Fresken angebracht. Mosaike aus blitzenden Steinen zeigten das Wappen der Cassandra sowie des Maluskultes.

Aurora hatte davon gehört. Die Priesterinnen dieser hoch angesehenen Sekte trieben Sklaven durch Rituale ihre Boshaftigkeit aus. Sieben Prüfungen hatten die Ausgewählten zu bestehen, um sich reinzuwaschen. Erst als die Kutsche fast vorbei gerollt war, erkannte das Hohe Fräulein die beiden Wächter, die links und rechts der filigran mit Goldverzierungen geschmückten Pforte postiert waren. Die Männer standen sehr steif da, was Aurora nicht ungewöhnlich vorgekommen wäre, wenn sie nicht auf ihren Zehen balanciert hätten; und da ein Pfeiler unter ihnen angebracht war, der zu dünn war, um als Sitzplatz zu dienen. Die junge Dame schmunzelte. Waren die Sklaven etwa „aufgespießt“ worden? „Ein Arschpranger“, lachte sie keck. Im nächsten Moment blickte Aurora zu allen Seiten, ob sie jemand gehört hatte. Erleichtert lehnte sie sich zurück in die Polster ihrer Sitzbank.

Dabei hatten es die zwei Gestalten noch gut, denn unter dem grandiosen Rundbau mussten etliche Sklaven in einem weitläufigen Kerkerbau in Dunkelheit ihr Dasein in winzigen Zellen fristen. Vielleicht durften die Geschöpfe auf ihren Pfählen mit ihrer Wache einige Stunden frische Luft atmen und die Sonne genießen; vielleicht waren sie jedoch Delinquenten, die so diszipliniert wurden. Was es wohl alles für originelle Strafen gab, sinnierte Aurora. Cassandra war zweifelsohne eine kreative Herrscherin mit drastischem aber auch fantasievollem Erfindungsgeist.

Weit konnte es zum Palast der Herrscherin nicht mehr sein. Die Neugierde auf den hübschen Gemahl, der ihr ausgesucht worden war, wurde immer größer. Den Erzählungen nach war der Jüngling mit einem durchtrainierten Leib und auch sonst perfekt ausgestattet. Die Kutsche rollte weiter, und das Fräulein sah nun aus einem anderen Winkel, dass sie Recht gehabt hatte: Der Stab unter den „Wachen“ endete in den Geschöpfen. Aurora grinste. Das Reich der Cassandra gefiel ihr immer besser!

In ihrer Heimat vergnügte sich derweil ihre Schwester mit ihren neuen Liebessklaven. Vesta genoss es, ihren neuen Besitz zu erziehen und zu lehren, wie er eine Dame des Hofes glücklich machen konnte. Die drei Männer, die sie erwählt hatte, verfügten zwar über famose Leiber, wie sie sich keine schöneren vorstellen konnte, doch ihre Fähigkeiten als „Lustknaben“ waren noch nicht ausgebildet. Schließlich waren die Subjekte erst vor einigen Wochen auf dem Ostkontinent gefangen worden.

Aber gerade das reizte die Königstochter besonders. Sie spürte die drei goldenen Schlüsselchen auf ihrer Brust, die zu den Keuschheitsgürteln passten. Vesta lag in einem hauchdünnen Seidentuch auf dem Bauch und ließ sich von zwei Sklaven massieren und streicheln. Wenigstens das können sie einigermaßen, stellte die Prinzessin fest. Während sie die sanften Berührungen an Rücken, Beinen und Füßen genoss, betrachtete sie das dritte Exemplar, das als Zeichen seiner Demut vor dem Bett kniete und den Blick zu Boden gesenkt hatte, wie es geziemte.

Vesta stellte sich vor, wie sie das Trio zu ihrem Vergnügen ausbilden würde: Einer von ihnen sollte seine Zungenfertigkeit zur Perfektion trainieren, die anderen beiden wollte sie bei Bedarf in ihrer Weiblichkeit spüren. Auf die kleinsten Zeichen sollten sie Rhythmus, Geschwindigkeit und Stellung Vestas Wünschen anpassen können. Sie mussten ihre Liebesstäbe meisterlich beherrschen. Das Hohe Fräulein schmunzelte. Eventuell würde sie die Sklaven dann um einen Aufschluss kämpfen lassen. Das wäre ein Spaß! Mit diesen prickelnden Überlegungen schlummerte sie ein.

Als sie erwachte, wusste sie nicht, wie viel Zeit vergangen war. Sie sah die drei Männer vor ihrem Bett knien. Es dämmerte bereits. Vesta war zufrieden. Sie rollte sich aus dem Bett und schritt in ihrem durchsichtigen Gazestoff zu ihren Liebesdienern, streichelte ihnen über den Kopf und lobte sie: „So ist brav.“ Dann befahl sie: „Steht auf und geht ins Harem zurück. Ich benötige euch heute nicht mehr.“ Sie war schon ein wenig stolz auf ihre neuen Spielzeuge. Nur eine einzige Züchtigung hatte sie bisher anordnen lassen. Sie waren sehr gelehrig, freute sich Vesta. Schließlich wollte sie ihre hübschen Leiber nicht verschandeln müssen. Für Prügelorgien durften andere Sklaven herhalten. Die Auswahl war groß genug.

Doch dann erinnerte sich die Tochter der Fama an die fehlgeschlagenen Giftanschläge auf ihre Mutter und bekam sofort schlechte Laune. Es musste ihr endlich gelingen, den Thron zu besteigen - am besten, bevor ihre Schwester von ihrer Reise zurückkehrte und mit ihr um die Macht konkurrierte. Sollte Aurora doch unterwegs in einem Sumpf versinken oder einen Abhang hinunterstürzen.

Wieder mischte sie aus den erworbenen Ingredienzien ein tödliches Rezept. Nun musste sie zunächst eine weitere langweilige Senatsversammlung mit diesen eitlen Senatorinnen über sich ergehen lassen. Doch direkt im Anschluss stand ein Festbankett mit ihrer Mutter an. Da würde es die passende Gelegenheit geben, ihr den „Todesstoß“ zu versetzen. Das höfische Treiben würde mit Gesang, Musik, Tanz, diversen Speisen und viel Wein gefeiert. Da wäre es doch gelacht, wenn Vesta ihrer verhassten Mutter nichts von ihrer Mischung unterschieben könnte!

Die Prinzessin saß wie auf heißen Kohlen, den vergifteten Kelch vor sich. Es behagte ihr gar nicht, aber einen anderen Weg fand sie nicht. Und endlich war es so weit: Fama tanzte mit einigen eitlen Hofdamen einen Reigen in der Mitte der Tische. Sechs Musikanten spielten dazu auf ihren Flöten, dem Scheitholt, der Drehleier, einer Schalmei, einer Busine und einer Trommel. Im Allgemeinen Durcheinander der ausgelassenen Stimmung tat Vesta so, als nippe sie von dem Kelch und stellte ihn danach direkt neben das Gefäß der Königin, griff diesen dann und positionierte ihn neben ihren Teller, auf dem noch die angeknabberten Knochen der Wachteln lagen. Besonders gründlich tupfte sie sich die Lippen mit dem weißen Leinentuch ab, um auch die kleinsten Reste des Gifttrunks abzuwischen.

Zufrieden lehnte sie sich zurück und winkte einem Diener zu, der sofort herbeieilte und sich tief verbeugte. Vesta wischte mit ihrem Unterarm Teller und Speisereste vom Tisch und befahl: „Nimm das mit und bring mir von den kandierten Früchten da hinten! Und die Eiercreme!“ Der Dienstbote hastete, um die Wünsche der herzlosen Vesta zu erfüllen. Als er mit der Bestellung kam, winkte Vesta ihn näher zu sich, so dass er sich über den Tisch beugen musste. Vesta probierte die kandierten Früchte und wiegte den Kopf. „Ganz nett. Sag dem Koch, er behält seine Männlichkeit!“, lachte sie glockenhell.

Dann probierte sie die Eiercreme. „Was soll das sein?“ Der Dienstbote schluckte nervös. „Das ist Eiercreme, Hohes Fräulein.“ Vesta befahl herrisch: „Bring mir die ganze Schüssel!“ Der Dienstbote ging irritiert und schleppte das kupferne Gefäß an, in dem mindestens fünf Kannen des Puddings Platz fanden. „Jetzt probier du mal!“, wies ihn Vesta an und reichte ihm ihren Löffel. Der Dienstbote nahm ein wenig und leckte sich über die Lippen. „Sehr köstlich, Hohes Fräulein. Wenn es Euch nicht beliebt, bringe ich aus der Küche…“ Vesta wiegelte ab. „Nein, nein. Iss du nur! Iss dich richtig satt!“ Der Diener sah die Prinzessin verwirrt an. Als er merkte, dass sie es ernst meinte, nahm er mehrere Löffel davon, dann legte er den Löffel ab. „Habt Dank“, wollte er sagen, doch Vesta befahl, nun in hartem Tonfall: „Friss! Die ganze Schüssel!“ Sie zeigte mit einem Finger auf den Inhalt, als wolle sie ihn erstechen.

Der Bedienstete griff erneut zum Löffel und schaufelte sich die Eierspeise in großen Mengen voller Eifer hinein. - Bald schon war sein Magen zum Platzen voll und wölbte sich prall vor. Dabei hatte er höchstens ein Drittel der Unmenge geschafft. Er quälte sich weiter und weiter, zwang sich, nicht zu brechen und schaufelte eine Portion nach der anderen in seinen Schlund. Dazu sah er immer unglücklicher aus und kämpfte damit, die Contenance zu bewahren. An seinen Mundwinkeln lief bereits Creme hinab. Vesta hatte sich wieder zurückgelehnt und genoss die ulkige Vorstellung.

„Mundet dir die königliche Speise etwa nicht?“, fragte sie scheinheilig bekümmert. Der Diener lobte das Rezept in höchsten Tönen und würgte immer mehr von dem Inhalt der Schüssel hinab, während sich Schluckauf und Würgereiz abwechselten. Doch zwischenzeitlich musste er pausieren, hielt sich den Bauch und stöhnte, gab seltsame Laute von sich und blies die Wangen ob der maßlosen Mahlzeit auf. „Mich dünkt, die Schüssel ist noch nicht leer!“, stellte Vesta erbarmungslos und kalt wie der Nordwind fest.

Der Diener tauchte den Löffel wieder hinein und füllte sich den Mund. In diesem Moment griff er sich an den Hals und glotzte mit Augen auf die Schüssel, als wollte der Pudding aus ihnen herausplatzen. Und dann ließ er den Löffel fallen und raste in leicht vorgebeugter Haltung aus der Halle. Kaum war er vor der Tür, konnte er die Massen an Süßspeise nicht mehr bei sich behalten. Auf allen Vieren hockte er am Boden und schwitzte, würgte und ächzte. Vesta kicherte und konnte sich vor Vergnügen kaum auf ihrem Stuhl halten. Doch dann wurde sie wieder ernst. Fama kehrte von der Tanzfläche zurück. Jetzt galt es die Chance am Schopf zu packen.

Die Tochter prostete ihr herzlich zu. „Auf dieses prächtige Bankett! Auf dass es noch lange in Erinnerung bleibe!“ Und auf dein Verderben! Fama griff nach dem Schierlingsbecher und stieß mit Vesta an. Würde das Hexenweib endlich saufen?, zitterte Vesta vor Anspannung. Und… Ja! Endlich! Vesta schluckte ihren Wein und genoss den Abgang des exquisiten Rebensaftes. Ihre Mutter löschte ihren Durst nach dem Tanz und leerte ihren Kelch fast bis zum Boden. Vesta spürte eine tiefe Befriedigung. Sie hatte ihr Ziel, nach dem sie so sehr lechzte, erreicht! Die Krone war in Reichweite, sie war sogar schon fast in ihrer Hand.

Es währte nur etwa eine Stunde bis die Herrscherin über zehrendes Unwohlsein klagte und sich zurückzog. „Legt Euch ein wenig hin, Mutter“, schlug Vesta umsorgend vor. Sie zog ihre Stirn kummervoll kraus. „Dann wird es euch später schon wieder besser gehen.“ Fama torkelte, gestützt von zwei Dienstboten, in ihr herrschaftliches Schlafgemach. Alles drehte sich und kleine Blitze erschienen ihr vor den Augen. Ihr war heiß und kalt zugleich. Sie verspürte Übelkeit aufkommen und erbrach sich neben das Bett. Ein Dienstbote fragte besorgt, ob er eine Heilerin bringen solle, doch Fama lehnte mit einer schwächlichen Handbewegung ab. Sie wollte einfach nur die Lider schließen und schlafen.

Vesta trank ihren Kelch aus und ließ nachfüllen. Heute badete sie in feiner Feierlaune. Wonne durchschauerte sie. Es war der schönste Tag ihres Lebens. Der Thron war ihr sicher. Auf Famas Reise zum Abdecker! Das Reich der Ostmetropole konnte nicht führerlos bleiben. Fürbass: War Fama, die Siegreiche, verblichen, so musste augenblicklich eine neue Regentin gekrönt werden. Und da Aurora in der Ferne weilte, blieb nur eine Wahl. Und wenn sie erst einmal zu vortrefflicher Stunde auf dem Thron saß, gäbe es auch die Gunst des Schicksals, ihre Schwester und potentielle Konkurrentin auszuschalten.

Vielleicht würde sie die ungeliebte Aurora ins Exil schicken. Oder in den Kerker unter ihren Palast. Und allgemach ins Beinhaus. Scham und Reue war ihr völlig fremd. Vesta war stolz auf ihre Intrige. Abgefeimte Ränkespiele waren schon immer eine Wonne für sie gewesen. Sie würde sich daran weiden, von Mutter und Schwester zu scheiden.

Die politische Struktur des Kontinents war im Wandel. Am wenigsten galt ein Mann wohl im Reich der Cassandra. Daneben gab es die Ostmetropole, das Herrschaftsgebiet der Fama, in dem das gesellschaftliche Leben nicht viel anders ablief. Relativ liberal übte dagegen Helena in der ehemaligen Hauptstadt der Megara ihre Macht aus. Anfangs verfügten Männer ebenfalls über keinerlei Rechte. Doch inzwischen waren dort durch Helena und die Mehrheit der Senatorinnen einige Gesetze in Kraft getreten, die dem minderwertigen Geschlecht durchaus manche Freiheiten gaben. Beispielsweise gab es keine Prügelsklaven mehr, was allerdings nicht hieß, dass Männer nicht gezüchtigt wurden – doch nicht in Vertretung eines schuldigen Weibes.

Einige Mannsbilder waren „Freie“, die ihre Profession – in gewissen Grenzen – selbst wählen durften. Zwar galt noch für alle Männer die Keuschheitsgürtelpflicht, doch verfügten Freie über die Schlüssel und mussten diese nur bei Heirat oder Vergehen abgeben. Der Stadtstaat wappnete sich mit einer Armee aus partiell Kriegssklaven, zum Teil aber auch aus freien Männern. Doch von ihnen waren bisher nur wenige vertreten. Sie durften höchstens als Unteroffiziere dienen, doch Centurias waren auf jeden Fall Weiber.

Nachdem mehrere Fälle von Unzucht zwischen Männern aufgetreten waren, in denen Unteroffiziere, die keine Keuschheitsgürtel tragen mussten, Kriegssklaven aufgefordert hatten, ihnen zu Gefallen zu sein, war eine heiße Diskussion im Senat entbrannt, fürderhin grundsätzlich alle Recken in Keuschheitsgürtel zu stecken, doch letztlich wurde darauf verzichtet, Liebe unter Soldaten allerdings unter Strafe gestellt.

Helena saß auf ihrem Thron und blickte gehetzt um sich: War da ein Schatten an der Wand? Ein Assassin? Überall vermutete sie Neider, Feinde, Meuchelmörder, denen sie anheimfallen könnte. Hinter ihren Thron hatte sie eine breite Eisenwand mit ihrem Wappen anbringen lassen, damit sich niemand mit einer Garotte heranschleichen konnte oder ihr einen Pfeil in den Rücken schießen konnte. Kein Getränk und keine Speise nahm sie zu sich, bevor diese nicht von einem Vorkoster probiert worden war. Nachts schlief sie immer unruhiger. Ihr reichten nicht die Wachen vor der Tür, sondern sie verriegelte die königliche Bettstatt selbst von innen mit einem schweren Balken, den sie jeden Abend auf die eisernen Gabeln hievte. Bei Festessen oder Senatsversammlungen war sie stets von ihrer Leibgarde umrahmt. Trotzdem trug sie einen Dolch unter ihrem Kleid.

Die Königin saß auf ihrem Thron und hörte sich den Bericht einer Duxa an, die von der Jagd zurückgekommen war. Der Stadtstaat der Helena verfügte über wenige Waldflächen, so dass das von den feudalen Kreisen so begehrte Wildfleisch aus den „Freien Ländereien“ erbeutet werden musste – „frei“ waren die Ländereien in erster Linie von Gesetzen. Sie dienten den Kleinstaaten als eine Art Pufferzone zwischen den Grenzen. Doch hier trieben dunkle Gestalten ihr Unwesen: Räuber, Diebe und andere Marodeure, aber auch Unholde und angeblich sogar böse Dämonen und wilde Trolle.

Schon so manche Reisegruppe war ausgeplündert oder gar verschleppt worden. Die Jagd in den „Freien Ländereien“ war also ein gefährliches Gewerk. Trotzdem fanden sich genügend wackere Soldatinnen und auch einige freie Recken, die diese Aufgabe erledigten, denn sie wurden von Helena ausgezeichnet entlohnt. Die Monarchin selbst war früher eine leidenschaftliche Jägerin gewesen und besäße auch heute noch genügend Tapferkeit für eine Hatz. Doch mittlerweile quälte sie die Angst vor Heckenschützen, die aus ihrem Versteck heraus nur darauf warteten, der Machthaberin ihren Pfeil durch die Brust zu bohren. Immer weiter kroch die Furcht in ihre Knochen.
181. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 20.11.21 13:03

Nachdem die Duxa unter einer respektvollen Verbeugung gegangen war, zog sich Helena in ihr Harem zurück. Ein wenig Mitleid hatte sie schon mit Aphron, dem Liebessklaven, den sie von Ceres „geerbt“ hatte. Denn sie hatte beschlossen, ihn für immer verschlossen zu halten. Sie erinnerte sich nicht mehr, ob sie dazu einen festen Grund gehabt hatte. Freilich war es einfach aus einer willkürlichen Lust heraus so entschieden worden.

Mitunter spielte sie andächtig mit den schweren Bällen, die aus dem Keuschheitsgürtel heraushingen wie zwei Perlhuhneier in einem Seidensäckchen. Bildete sie es sich nur ein, oder wurden sie immer größer? Sie ließ sich von Aphron ausgiebig alle Glieder mit einer erklecklichen Menge warmem Öl einreiben und massieren. Anschließend entspannte sie noch eine Weile in einem wonniglichen Dampfbad und zog sich schließlich zur Nacht mit einem anderen Lustsklaven zurück ins Schlafgemach, um für ein besonders süßes Betthupferl zu sorgen.

Erst als sie den Leibeigenen wieder in seinen Keuschheitsgürtel verschlossen und ihn zurück ins Harem geschickt hatte, fiel ihr ein, in welch Gefahr sie geschwebt hatte. Der Sklave hätte sie mit Seil oder Schal erdrosseln oder mit einem Kissen ersticken können! Ein gallebitterer Geschmack breitete sich in ihrem Mund aus, als sie sich ausmalte, wie sie dem Tod von der Schippe gesprungen war. Helena eilte zu dem schweren Holzbalken und verriegelte ihre Kammer. Außer Atem und mit flatterndem Herzen lehnte sie sich mit dem Rücken gegen die Tür. Heute würde ihr niemand den Garaus machen.

Einige Momente später hing sie in ihrem großen Himmelbett düsteren Gedanken nach. Was war, wenn Fama sich beispielsweise mit Cassandra paktierte und einen Kriegszug gegen sie führte?, grämte sie sich. Ihr Stadtstaat verfügte zwar über eine gewaltige Verteidigungsmauer, aber vor allem eine langwierige Belagerung würde Helenas Reich nicht überleben können. Die wankelmütige Regentin grübelte und zog in Betracht ebenfalls eine Allianz zu bilden. Vielleicht mit Ledanien an der Westküste.

Doch sie hatte davon gehört, dass Mann und Weib dort gleichberechtigt waren. Männer in vollem Wichs und mit eigenem Willen! Eine bizarre Vorstellung! Ihre Nasenflügel bebten. Was kam als nächstes? Gleichgestellte Stachelschweine? Nein, es wäre ein Affront ihrer Gesellschaft gegenüber gewesen, mit solch niederen Kultur ein Bündnis zu schließen. Ein Nachtmahr schlich sich in ihren Schlaf und sorgte für unruhige und leidvolle Stunden, in denen sich die Potentatin in ihren Laken und her wälzte, verloren im Dunkel, das Niedergang und Dekadenz versprach.

Am nächsten Morgen begab sich Helena auf eine mächtige Veranda des Palastes, um unter einem weißen Sonnensegel zu frühstücken. Eine Bö ließ Kirschblüten über den Platz an ihr vorbeifliegen. Der gigantische Bau bot so viel Raum, dass sich Helena oft verloren glaubte wie die vom Wind geraubten Blumen. Wie hatte Megara sich hier nur wohl fühlen können? Das Ausmaß und die Größe erweckten in ihr eine Art Schwäche und Ohnmacht.

Helena nahm ein paar Häppchen delikater Köstlichkeiten zu sich und tupfte anschließend ihren Mund mit einer blütenweißen Serviette ab. Sie schritt zum Geländer der Veranda und schaute auf einen weitläufigen Lustgarten, der neben zierlichen Springbrunnen und kunstvoll beschnittenen Büschen, kleinen mit Mosaiken gepflasterten Plätzen und Pavillons auch aus einem Irrgarten aus einem hohen Heckenlabyrinth bestand.

Früher hatte sie von einer höher gelegenen Balustrade aus lustige Spiele der Hofdamen beobachtet. Zum Beispiel war ein Sklave in den Irrgarten geschickt und von mehreren Fräuleins „gejagt“ worden. Wer den Leibeigenen fand, durfte ihn für eine Nacht der Minne bekommen und anschließend seine Verschlusszeit bestimmen. Schaffte es der Sklave jedoch bis zum Mittelpunkt des Irrgartens, nahm er dort den Schlüssel seines Keuschheitsgürtels an sich und suchte dann den Ausgang. Erreichte er diesen, bevor ihn ein Fräulein fand, entschied das Los, bei welcher Dame er sein Nachtlager aufschlug, und der Sklave selbst durfte den Keuschheitsgürtel für eine Woche ablegen.

Aber solche gesellschaftlichen Vergnügungen waren aus der Mode gekommen. Auch die öffentliche Zurschaustellung von Lustsklaven in ihren schweren Streckgewichten an ihrer Männlichkeit war verpönt. Solche Gepflogenheiten waren dafür mittlerweile im weit entfernten Osten im Reich von Fama der letzte Schrei. Je ausgefallener das Schmuckstück zwischen den Beinen des Leibeigenen, desto besser. Je schwieriger und umständlicher er sich damit bewegen musste, desto mehr Anerkennung erhielt die Besitzerin für den Firlefanz. Sei hart mit deinem Eigentum, hieß die neueste Devise dort. Helena dagegen sehnte sich nach Geborgenheit und Liebe. Wahrer Liebe. Nicht purer Begierde nach einem Lustsklaven.

Die Königin machte sich Gedanken über die Zukunft. Wer sollte ihren Stadtstaat führen, wenn sie einmal nicht mehr war? Sollte sie sich einen Gemahl nehmen? Doch war das vorstellbar? Ihr kleines Reich war für seine liberalen Ansätze den Mannsbildern gegenüber und Fingerspitzengefühl bekannt, doch es blieb eine Frauenvorherrschaft. Und wenn sie eine Allianz mit Ledanien anstrebte, um sich vor einem möglichen Kriegszug einer vereinten Kraft aus Fama und Cassandra zu stärken, so würde Königin Leda gewisslich nur darauf eingehen, wenn die Rechte der Männer im Stadtstaat noch ausgebaut würden.

Jedoch war sie vielleicht schon am akzeptierten Limit angekommen. Sollte Helena die Frauenherrschaft gänzlich abschaffen, würde sie einen Putsch durch die Senatorinnen und die Duxas riskieren – oder gar einen Aufstand des Volkes! Eine Zwickmühle! Helena seufzte tief. In ihrer Verzweiflung war ihr sogar einmal der Gedanke gekommen, abzudanken und im westlichen Ledanien ins Exil zu flüchten. Sie hatte schließlich schon einige Male die Fronten gewechselt. Aber war es das, was sie wollte? Bestenfalls würde sie dort als Duxa leben. Es würde keine Sklaven geben. Für Liebesdienste würde sie zahlen müssen. Sie hätte alle Macht verloren. Mit so einem erbärmlichen Leben fürliebnehmen? Nein, das kam nicht in Frage.

Vielleicht sollte sie eine loyale und verschwiegene Duxa nach Ledanien schicken, um einen Kontrakt auszuhandeln: ein gleichrangiges Bündnis und dafür Zugeständnisse bei den Rechten für Männer. Worauf würde sich Königin Leda einlassen? Interessierte sie überhaupt, was in der ehemaligen Hauptstadt der Megara geschah? Helena sinnierte vor sich hin. Wenn der Stadtstaat fiel, so war es nur eine Frage der Zeit, bis die östlichen Mächte vor den Toren Ledaniens ständen - also musste Leda ein Interesse daran haben, dass Helenas Reich als Bollwerk weiterhin existierte.

Helena fasste einen weitreichenden Entschluss und ließ nach einer verschwiegenen Duxa rufen, die sie in die geheimen Pläne einweihen konnte. Die Uniformierte lauschte ihrer Majestät und nahm ein versiegeltes Pergament entgegen, steckte es in ihren mit zahlreichen Nieten besetzten Waffenrock und bereitete alles für ihren Auftrag vor. Noch an diesem Tage ritt sie mit einer bewaffneten Eskorte Richtung Westen, die Sonne im Rücken.

Helena begab sich in den großen Lustgarten und genoss die zwitschernden Vögel, das Plätschern der Brunnen und die kitzelnde Strahlen vom Himmel. Einige Dienstboten sensten den kurzen, tiefgrünen Rasen, der ständig von Arbeitern gewässert werden musste, um nicht auszudörren. Helenas leichter Kleiderstoff bewegte sich bei einer der seltenen Windböen. Sie genoss die erfrischende Luft auf ihrer samtenen Haut. Ein Kribbeln durchfuhr ihren Leib. Schmunzelnd musste sie sich eingestehen, dass sie am liebsten in ihr Harem geschritten wäre und sich ihrer Lust hingegeben hätte.

Doch zunächst waren noch Amtsgeschäfte zu erledigen. Ihr fiel Aphron ein. Der Liebessklave, der nie wieder aufgeschlossen werden sollte. Helena stutzte bei diesem Gedanken. Warum hatte sie ihm noch gleich Keuschheit aufgetragen? Sie konnte es sich jederzeit anders überlegen, aber bei all ihrer Liberalität den Mannsbildern gegenüber, befriedigte Aphron ihre dunkle Seite. Sie seufzte. War das nicht ungerecht und grausam? Die Machthaberin zuckte mit ihren zarten Schultern. Auf jeden Fall war es sehr erregend. Und sie wollte ihren Sklaven nicht verhätscheln.

Helena durchfuhr ein heißes Verlangen bei ihren Gedanken. Warum nur war Aphrons Zunge zwischen ihren Schenkeln so viel erregender als die eines anderen Sklaven? Bildete sie es sich nur ein, weil ihr dabei Aphrons ewige Keuschheit bewusst war? Sie nahm sich vor, nach ihren Amtsgesprächen in ihr Harem zu eilen und forsch Aphron zwischen ihre Schenkel zu weisen und nach der Antwort auf diese Frage zu forschen. Eine kleine Ablenkung von der Politik würde ihr guttun.

Im Reich der Cassandra staunte eine Prinzessin mehr und mehr über die gewaltigen Bauwerke. Aurora hatte nach all den imposanten Prachtbauten im Reich der Cassandra zwar mit einem pompösen Palast der Herrscherin gerechnet; aber dieses fulminante… dieses grandiose… dieses unbeschreiblich überwältigende… Aurora fand keine Worte, die diesem gewaltigen Palais mit seinen Türmen, Emporen, Säulen und Kuppeln auch nur annähernd gerecht geworden wären.

Das Schloss der Cassandra war so außergewöhnlich prunkvoll und Ehrfurcht gebietend, dass die sonst so blasierte Tochter der Fama fast ein wenig pikiert war, als ihr klar wurde, dass der heimische Palast in der Metropole sich gegen Cassandras Heim wie ein bescheidenes Hüttchen darstellte. „Dieses Ungetüm von Pomp und Glanz wird wohl nur von Megaras Festung übertroffen“, flüsterte sie hochachtungsvoll vor sich hin. Schon von Weitem war der Palast groß erschienen, aber je näher sie kamen, desto mehr betete sie ihn an wie einen Tempel einer Gottheit.

Die Kutsche hielt auf einem breiten Marmorplatz, der so glänzend sauber war, dass die Sonne darauf ihre Strahlen blendend reflektierte und Aurora sich als Sichtschutz ein Händchen vor die Augen halten musste, als sich die Tür der Kabine ihres Gefährtes öffnete. Nun war sie also da, am Ziel ihrer Reise. Ein livrierter Dienstbote kniete vor dem Trittbrett der Kutsche. Weitere Dienstboten in ihrer Arbeitskluft kümmerten sich um Auroras Eskorte. Für die oberste Gardistin und Aurora stand eine Sänfte bereit.

Die Prinzessin stellte zufrieden fest, dass der großzügig bemessene Tragesessel für zwei Personen mehr als genug Platz bot. Der rote Samtbezug, der über die bequemen Polsterkissen gespannt war, versprach eine angenehme Position. Ein Dach spendete Schatten. Das Gestell war über und über mit Blattgold veredelt. So etwas wollte sie auch zu Hause haben. Sie würde täglich damit kurzweilige Ausflüge unternehmen und sich in den Kissen rekeln.

Aurora und ihre Begleiterin setzten sich. Sanft hob sich die Sänfte durch die Kraft von acht Sklaven. Schmunzelnd begutachtete die Prinzessin die muskulösen Leiber, die von Hitze und Kraftanstrengung glänzten. Und besonders die knackigen Hinterbacken hatten es ihr angetan: kräftig, drahtig, rund und poliert wie Halbkugeln. „Interessante Mode“, wandte sie sich zu ihrer Nachbarin mit einem schalkhaften Lächeln. Die oberste Gardistin nickte respektvoll.

Die Sklaven trugen eine Art Dienstuniform: kurze, weiße Weste, dazu ein weißes Halstuch, schwarze, hohe Stiefel mit derber, dicker Sohle, weiße Handschuhe, ein weißes Tuchband um die Oberschenkel und Oberarme sowie ein schwarzes Ledergeschirr um Taille und Brust unter der Weste. Das leise Klingeln beim Laufen stammte von zwei Schellen, die jeder der Sklaven um seine Männlichkeit befestigt hatte.

Aurora war begeistert. So etwas sollte Fama in der Metropole auch einführen! Spätestens wenn ich auf dem Thron sitze, prophezeite sie scherzlaunig, wird das Pflicht für alle Sklaven! Sie würden es mit stolz und Freude für ihre geliebte neue Königin tragen. Ein wenig verwundert war die Prinzessin darüber, dass diese Träger kein Keuschheitsgürtel zierte. Vermutlich sind sie trefflich erzogen, überlegte Aurora, und sie legen nicht unerlaubt Hand an sich. Solch unzüchtige Versuchungen des Fleisches geziemten sich nicht für Männer. Sie hatten zwei wichtige Aufgaben im Leben: zu dienen und zu sterben. Zufrieden mit sich selbst lächelte sie hochnäsig.

Im nächsten Moment hatten sie mit der Sänfte schon den Platz überquert und steuerten auf die gewaltige, breite, weiße Treppe aus Marmor zu, die in Dutzenden Stufen zum Palast hinaufführte. Aurora machte sich darauf gefasst, dass sich die Sänfte leicht schräg neigte, doch die Sklaven glichen den Winkel geschickt aus, so dass die Polster während der Besteigung in der Waagerechten verblieben. Sie hörte leises Ächzen und Keuchen.

Die Treppe erhob sich immer weiter über die Stadt. Nur etwa alle zwei Schritte folgte eine Stufe. Der Aufstieg zum Palast wurde so zu einer ordentlichen Wegstrecke. Schließlich verengte sie sich, war allerdings nach Auroras Schätzung immer noch etwa 15 Klafter breit. Links und rechts der Stufen erhoben sich breite Steinpodeste, auf denen jeweils ein riesiger Obelisk in den Himmel ragte, auf denen kunstvolle Steinmetzarbeiten eingraviert waren: Florale Bänder, Flechtwerkmuster und Schleifen wechselten sich mit dem Wappen der Cassandra ab.

Die gewaltige Eingangspforte zu königlichen Palast öffnete sich, nachdem die Sänfte über weitere zwei Dutzend Stufen getragen wurde. Aurora kam aus dem Staunen nicht heraus: Diese Tür war nur der Zugang zum Palast und bildete lediglich eine Art Tor eines Vorbaus. Die Prinzessin schaute nun auf einen großen kreisrunden Platz, der in seinen Ausmaßen des marmorierten Marktes am Beginn der Treppe in nichts nachstand. An den Außenseiten des Kreises bildeten kleine Springbrunnen die Umgrenzung. Vier Wege führten kreuzartig in die Mitte zu einem Steinpodest, dass größer war als so manches bescheidenes Haus in der Metropole.

Aurora reckte ihren Kopf in den Nacken, um mit offenem Mund die feudale Statue zu bewundern, die auf dem Podest in die Höhe schoss: Cassandra hatte sich ein Denkmal gesetzt, das in Kostbarkeit und mannigfaltiger Größe sogar die ehemalige Statue der Megara übertrumpfte. Auf dem Sockel stand auf einer großen Tafel eingemeißelt:

- Thronend über ihr Volk wacht Cassandra göttergleich, erkoren zum Herrschen, frei und mächtig, ruhmreich, strahlt sie über ihr Land. Treu ergeben sind ihr Weib und Mann, Tier und Pflanze, die ihr Leben ihr stolz zu Füßen legen. -

Ganz in Blattgold veredelt glänzte Cassandra erhaben und Ehrfurcht gebietend wie ein Koloss aus den Alten Legenden und überragte in all ihrer Würde und gigantischen Ausmaßen trotzdem den prunkhaften Palast mit seinen hohen Türmen nicht. Die Prinzessin wünschte sich, dass sie eines Tages ein ebenso überwältigendes Ebenbild erschaffen ließ, wenn sie auf dem Thron der Metropole saß. Doch fragte sie sich, ob Cassandra sich dicktuerisch als wahre Gottheit verehren ließ, wie es Megara getan hatte. Doch davon hatte sie bisher nichts vernommen. Oder war sie für die Zeichen blind?

Aurora und ihre Begleiterin stiegen aus und wurden von einer uniformierten Leibgarde Willkommen geheißen und in ihre Quartiere geführt. Die Prinzessin betrachtete die edlen Gemälde an den Wänden, die aufwendigen Schnitzereien an den Möbeln, die teuren Waffen und hochwertigen Stickereien. Sie bewohnte eine Kammer, die eher einer Halle glich. Ein riesiges Himmelbett stand ihr zur Verfügung, edle Möbel, ein großes Fenster mit Buntglas zeigte auf einen hübschen Lustgarten, in dem verschwenderisch kostbares Wasser auf die zahlreichen Hecken und Blumenbeete gegossen wurde.

Die Tochter der Fama drehte sich vergnügte im Kreise, dass sich ihr ausladendes Kleid durch den Luftzug aufwölbte, und fühlte sich wie ein Brausewind. Sie nahm ein Stück Obst aus einer silbernen Schale und biss genussvoll hinein. Aus einer Kanne goss sie sich exquisiten Wein in einen Kelch aus Kristallglas. Sie schmatzte vor Wonne, als sie den wunderbaren Geschmack des Rebensaftes auf ihrer Zunge und dem Gaumen schmeckte. Dieser Wein musste pro Kanne mindestens ein Dutzend Sklavenleiber wert sein, schwärmte sie. Und für wahr: Sie würde gerne ein Dutzend Kreaturen für so ein edles Getränk hingeben.

Nach und nach erforschte sie ihr Gemach und fand in einem großen Schrank eine reiche Auswahl an kostbaren bunten Kleidern. Manche waren mit geschnürter Taille gestaltet, manche aus Brokat, andere aus Seide oder Samt genäht. Ergänzend standen stilvolle Umhänge mit silbernen Fibeln zur Auswahl. Goldfäden durchwirkten den Stoff, der an Kragen und Ärmeln mit Fellen verbrämt war. Waren die etwa für sie bestimmt? Aurora grinste breit. Doch vor einer Anprobe wollte sie ein Bad nehmen, um sich von der anstrengenden Reise zu erfrischen. Sie sah eine Glocke an einem Holzstiel. Ob das die Klingel für einen Dienstboten war? Sie schüttelte sie und wartete.








182. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 27.11.21 13:00

Wenige Augenblicke später erschien ein Manne in Livree – ähnlich dem der Sänftenträger, nur dass seine Männlichkeit in einem verzierten Keuschheitsgürtel verpackt war. „Hohes Fräulein Aurora, Ihr habt einen Wunsch?“, fragte er in servilem Tonfall. Die Prinzessin nickte lächelnd. „Ich will baden, bevor ich Cassandra begrüße.“ Der Dienstbote katzbuckelte so tief, dass sich sein Gesicht unterhalb seiner Knie befand. „Begleitet mich, bitte“, erwiderte er.

Aurora folgte ihm durch zwei weitere Räume und betrat ein gekacheltes Zimmer mit einem in einen Podest aus Marmor eingesetzten riesigen Zuber. Die Prinzessin wunderte sich, dass bereits Wasser eingelassen war. Und wohlig duftende Aromen stiegen in die Luft, vermutlich von ätherischen Ölen, die ins Wasser gegeben worden waren. Aurora steckte einen Finger in das Nass. Es war sehr angenehm warm. Wie hatte der Diener dies so schnell vorbereiten können? Der Zuber war eher ein ovales Becken mit gut einem Fuder erfrischendem Inhalt. Der marmorne Boden um die Wanne herum war frisch gefeudelt, und zwei Dutzend Kerzen brannten auf mehreren kleinen Tischchen aus Eschenholz.

Neben dem Podest führten einige Stufen zum Beckenrand. Daneben war ein großer Ring aus Bronze angebracht, der zwei weiche Badetücher hielt. Solch weichen Stoff hatte Aurora noch nie gefühlt. Davon wollte sie einige Ballen mit zur Metropole nehmen. Sie schaute nach dem Diener, doch der war nirgends zu sehen. Aurora zog sich Haken, Ösen und Schnüre ihres Kleides auf und schlüpfte hinaus. Nackt von Kopf bis Fuß ging sie mit wiegendem Schritt die steinerne Stiege hinauf und sank dann mit Wonne in das warme, duftende Wasser der Wanne.

Sie löste geschwind ihre Haarnadel und ließ ihre langen Locken über Schultern, Busen und Rücken herabfallen. Dann griff sie zu einem kleinen Tiegel mit einer Masse aus Kamelienöl, Algen, Ei und Reiskleie sowie einer Kräutermischung. Sie strich sich etwas davon in ihre Haarpracht; später seifte sie sich ihren Leib ein und spülte ihn mit dem warmen Wasser wieder ab. Puder und Parfüm vervollständigten ihre Pflege. Sie stieg aus dem Bad und wickelte die Handtücher um ihre feminine Hüfte und ihre zarten Schultern.

So lief sie zurück in ihre Suite und suchte sich eines der prachtvollen Seidenkleider aus, die in dem Schrank hingen. Vor einem großen Spiegel drehte und wendete sie sich. Was für eine Augenweide! Die Prinzessin ähnelte mehr der Rose, die stolz Bewunderung einforderte, statt einem bescheidenen Veilchen im Moos. Justament steckte sie sich die Haare wieder hoch und wollte sich gerade erneut einen Wein einschenken, als es an ihrer Tür klopfte. Aurora rief „Herein mit dir“ und wollte gerade dem Diener verkünden, dass ihr das Bad ganz hinreißend gefallen habe, aber sie nun einen Happen aus der Küche wünsche, da stockte ihr der Atem.

Königin Cassandra stand im Türrahmen. Das musste sie sein! Eine Respekt einflößend aussehende Frau, die jedoch gerade ein mildtätiges Lächeln präsentierte, in einem mit Perlen bestickten Kleid und einem goldenen Diadem, das mit wertvollen Edelsteinen bestückt war. An ihren Fingern steckten goldene Ringe mit riesigen Diamanten, Rubinen, Saphiren und Smaragden. Aurora hatte im gesamten Schmuckbesitz ihrer Mutter keinen einzigen so großen Juwel entdeckt. Wie kostbar sie sein mussten! Über welche Reichtümer Cassandra verfügte! Die Prinzessin war tief beeindruckt.

Und trotz Cassandras extravaganten Kleidungsstils wirkte sie kaum wie eine arrogante Tyrannin, vor der jeder zittern musste. Im Gegenteil: Aurora hatte sich die erste Begegnung in einem überdimensionierten Thronsaal vorgestellt, viele Stufen unter der Autokratin artig einen Knicks machend, Cassandra hoch auf ihrem Sitz, umgeben vielleicht von Dienstboten zu ihren Füßen, umrahmt von bewaffneten Wachen und arroganten und eitlen Beraterinnen. Doch nun machte Die Monarchin einfach so ihre Aufwartung in ihrem Zimmer und begrüßte sie wie eine Freundin auf Augenhöhe.

Trotzdem erinnerte sich Aurora noch an die guten Sitten und die Etikette zu Hofe und knickste schnell, wenn auch zu spät, höflich vor der Regentin. Cassandra lächelte sie leutselig an. „Seid gegrüßt, Aurora. Ich habe von Eurer Mutter erfahren, was Euch zu mir führt. Ihr sollt den schönsten und wohl erzogensten Sklaven zum Gemahl haben, den ich Euch bieten kann.“ Sie zwinkerte ihr zu. „Seid gewiss! Ihr werdet zufrieden sein.“

Im nächsten Augenblick wurde Cassandras Miene wieder ernst. „Ihr sollt es in Eurer neuen Heimat gut haben. Und unsere Reiche wollen mit der Vermählung einen starken Kontrakt schließen, dass wir uns fortan im Kriege einander beistehen.“ Sie winkte ihr zu. „Kommt. Ich möchte Euch den Palast zeigen. Es gibt so viel zu sehen. Anschließend wollt Ihr mir wohl von Eurer langen Reise erzählen. Gern böte ich euch ein Ohr. Und ich muss Euch unbedingt meine neueste Teesorte aus meinem Samowar präsentieren. Sie mundet fein und wirkt doch stark anregend. Und der Rohrzucker kommt von meinen besten Plantagen vor der Stadt.“

Stark anregend? Aurora überlegte einen Wimpernschlag lang, wie das gemeint war. Womöglich auch erregend? Doch dann spürte sie die Hand der Herrscherin auf ihrem Leib. Die Hausherrin nahm Aurora fast schwesterlich beim Arm und führte sie hinaus auf den langen Gang, dessen mit Stuck verzierter Decke mit vergoldeten Kronleuchtern ausgestattet waren, die jeweils zwölf kleine Kerzen aus Bienenwachs trugen und ein angenehmes Licht zauberten.

Aurora runzelte konfus die Stirn. Was hatte die Königin gesagt? Neue Heimat? Da hatte Cassandra ihre Mutter wohl falsch verstanden. Natürlich würde sie nach der Hochzeit in die Metropole zurückkehren. Sie wollte nicht ewig in Cassandria verbleiben. Warum auch? Schließlich galt es, ein Reich zu beerben und zu beherrschen. Roch sie da etwa eine Intrige, oder waren es nur Gespinste, die in ihrem Kopf flüsterten?

Obwohl die Majestät ihrem Gast nur die wichtigsten Räumlichkeiten zeigte, waren die beiden Damen lange Zeit unterwegs. Lange Flure, prächtige Säle und allerlei verzierte Möbel, Wände, Decken, Mosaiken auf dem Boden, edle Gemälde, vortreffliche Waffen und Wappen, kostbare Teppiche, bestickte Vorhänge, bemalte Vasen und so vieles mehr bestaunte die Prinzessin, bis sie völlig erschlagen von all dem Pomp und Luxus dieser Herrlichkeit war. Da betrat Cassandra mit ihr eine Loggia, eine halboffene Bogenhalle, die Einblick in einen anderen Lustgarten gewährte. Dort setzten sich die beiden auf bequeme Polsterstühle und ließen sich von livrierten Sklaven kühle Getränke servieren.

Über ihnen drehte sich eine Konstruktion aus großen Palmwedeln, die von einem Sklaven in einiger Entfernung außer Sichtweite angetrieben wurden. „Wann stellt Ihr mir meinen zukünftigen Gemahl vor?“, wollte Aurora wissen, trunken von all der überbordenden Pracht. Cassandra lächelte unverbindlich. „Morgen, wenn die Sonne im Zenit steht, werdet ihr im Tempel der Malus-Priesterinnen euren Bund eingehen. Diese Tradition ist tief verwurzelt in unserer Kultur. Doch zunächst wollen wir Eure Ankunft mit einem generösen Festball feiern. Ich sehe, Ihr habt schon ein schönes Kleid gefunden. Jetzt fehlt Euch noch das passende Geschmeide. Ich werde Euch eine Auswahl bringen lassen, die Ihr als Willkommenspräsent anschauen sollt. Wählt so viel und was ihr wollt.“

Aurora konnte den Abend kaum abwarten. Als sie in ihrer Suite von einem Dienstboten eine Schatulle überreicht bekam, die gefüllt mit kostbarsten Juwelen und Goldschmuck war, hatte sie Cassandras Bemerkung über ihre „neue Heimat“ schon wieder vergessen. Sie wollte auch nicht undankbar erscheinen, indem sie unbequeme Fragen stellte. Oft genug hatte sie erlebt, das eine Zunge, die Unruhe stiftete, verstümmelte, blendete, wüstete oder vergiftete. Die Tochter der Fama drehte vor dem Spiegel verzückt Pirouetten, probierte ein halbes Dutzend zauberhafter Kleider an und spielte endlose Zusammensetzungen der vielen Schmuckstücke durch. Gepriesen sei dieser Tag! Die Götter meinten es gut mit ihr.

Die restliche Zeit rekelte sie sich auf einem mit zahlreichen Kissen bestückten Ottomanen, der unter einem Sonnensegel auf einer Terrasse stand, die durch die Hintertür ihrer Kammer zu erreichen war und zu einem weitläufigen Garten führte. Sie nippte an einem Kristallbecher mit einer kalten Erfrischung: gezuckertes Wasser mit Limettensaft. Auf der rechten Seite blühte ein fulminantes Blumenbeet farbenprächtig und duftete bis zu Aurora.

Linker Hand war in einiger Entfernung ein großes Drehkreuz zu sehen, das von vier Männern angetrieben wurde. Sie drehten einen voluminösen Mühlstein, stemmten sich weit vorgebeugt in die Holme und schwitzten in der Sonne. Aurora bemerkte, dass die Handgelenke der Sklaven mit kurzen Ketten an den Holmen fixiert waren. Die Arbeiter trugen kurze Röcke aus breiten Lederstreifen und Schnür-Stiefel. Nur einer der vier Leibeigenen war bis auf seine Treter nackt. Und dann bemerkte das Edelfräulein noch etwas. Sie kniff die Augen zusammen. Schaute da etwas aus dem Hintern des Sklaven heraus?

In der Nähe des Drehkreuzes stand eine Wache und schwang gelangweilt eine lange, geflochtene Lederpeitsche, die sie hin und wieder auf einen Sklavenarsch hinab knallen ließ. Auroras Neugierde wuchs. Sie stand auf, streifte ihr Kleid zurecht und näherte sich schlendernd über den kurzen grünen Rasen dem Geschehen am Mühlstein. Schritt um Schritt konnte sie mehr Details erkennen. Die Sklaven trugen eine Art Scheuklappen um den Kopf. Und sie waren sehr muskulös, was Auroras Augen sehr gefiel. Und tatsächlich: Da steckte etwas im Hintern des Nackten, der - nebenbei bemerkt - ein famos ausgeprägtes Gemächt besaß.

Die Wächterin trug lederne Hosen, eine ebensolche Korsage und hohe Stiefel an denen Aurora ein Wurfmesser in einer angebundenen Lederscheide erblickte. Sie fragte kurzerhand nach dem merkwürdigen Teil, das aus dem Sklaven hinausschaute. Die Wächterin schmunzelte. „Oh, mir will scheinen, dass dies eine lange Geschichte ist. Aber um es kurz zu machen: Es ist ein Rettich.“ Sie merkte, dass das Edelfräulein sich wohl darüber wunderte, dass das Gemüse nicht mit der Spitze zuerst hineingeschoben worden war, und daher erklärte sie glucksend, was es damit auf sich hatte. „Wisst Ihr, sonst würde er ja wieder hinaus flutschen. Und das wollen wir doch nicht.“

Aurora lächelte. Das Reich der Cassandra gefiel ihr immer besser. Hier ließ es sich als Dame leben. Aber trotz alldem wollte sie zurück in die Heimat. Doch nun würde sie zunächst im Inneren ihrer Kammer ein kühles und erfrischendes Bad nehmen. Womöglich konnte sie danach ein paar Leckereien kommen lassen und sich im Schatten hinlegen, um dem Treiben der vier Sklaven zu ihrem Pläsier noch eine Weile zuzuschauen. Besonders der Rettichbursche schien Kurzweil zu versprechen.

Am Abend kam sie sich vor wie eine Königin und betrat das Festbankett als Ehrengast. Sie war erkoren, neben Cassandra zu sitzen, verfolgte das höfische Treiben und tanzte zur Musik der Kapelle. Alle Damen hoben in Feierlaune gestikulierend die Krüge und Kelche. Zwischendurch erheiterten kleine artistische Einlagen die Gesellschaft. Ein Schwertschlucker jonglierte gleichzeitig mit drei Fackeln und ein „Schlangensklave“ verbog seine Glieder auf groteske Weise.

Ein Hofnarr mit Kappe und Schellenstab sorgte mit seiner „Ohrfeigendarbietung“ mit einem Sklaven für ausgelassenes Gelächter: Während der Narr ulkige Verrenkungen und Grimassen machte und dem Sklaven vor der Nase herumturnte, versetzte er ihm Backpfeifen, flüchtete vor dem schwerfälligen Leibeigenen, kehrte zurück, stellte dem Sklaven ein Bein, versetzte ihm erneut schallende Schläge und streckte ihm die Zunge heraus, zog weitere Fratzen, fuchtelte ihm vor dem Gesicht herum und sprang dem Mann durch die Beine, zog dabei an dessen Gemächt und bald setzte es die nächste Ohrfeige.

Warum der erfrischend naive Sklave so tollpatschig reagierte, konnte Aurora nur erahnen. Womöglich hatte er einen Schlaftrunk erhalten, oder aber die Schau war so abgesprochen? Es war ihr einerlei. Danach führten sieben Artisten Kraft zehrende Figuren vor, stapelten sich zu einem Turm oder einer Pyramide und bewegten sich dabei so sicher und scheinbar leicht, dass Aurora vor Staunen den Mund nicht mehr zubekam. Ein Rad hier, ein Salto da – die Turner verfügten über eine unglaubliche Körperbeherrschung. Unter Applaus verließen die Akrobaten den Saal.

Es folgte eine Tänzergruppe in fleischfarbenen, engen Höschen, die jede Kontur ihrer Männlichkeit deutlich abzeichnete, wie Aurora schmunzelnd feststellte. Die Darbietung der Sklaven war nicht minder anstrengend als die der Artistenformation. Zum Ende des Tanzes war eine Kunstfigur eingeplant, bei der einer der Männer einen Handstand machte und zwei andere Tänzer hochsprangen und sich auf den Knien der abgewinkelten Beine des Ersteren stützten. Sie federten also vom Boden ab und drückten kurz darauf auf die Knie des Mannes, der sie im Handstand halten sollte. Doch das plötzliche Gewicht war zu hoch.

Eigentlich hätte ein anderer, viel kräftigerer Mann den Handstand machen sollen, doch dieser war von einer Offizierin der Palastwache zum Küchendienst eingeteilt worden. Der Ersatz, der hatte einspringen müssen, gab sein Bestes, doch kläglich knickten ihm die Arme unter dem Gewicht der beiden Tänzer weg. Die Darsteller versuchten zwar, ihren Fehler zu überspielen, doch eine Wächterin erkannte die geänderten Bewegungen und flüsterte Cassandra ihren Verdacht zu. Nach dem Tanz ließ die Königin den „Schuldigen“ kommen, der sich demütig vor seine Majestät warf. Nun saß er in der Patsche!

Er wagte keine Lüge und beichtete sein Versagen. Cassandra wisperte einer Gardistin etwas zu, die kurz nickte und sich in Bewegung setzte. Weitere zwei Wächterinnen nahmen den unglücklichen Tänzer in ihre Mitte und brachten ihn weg. Aurora spürte eine Erregung zwischen ihren Schenkeln. Würde sie endlich einer Züchtigung beiwohnen dürfen? Ihre Neugierde war so groß, dass sie sie nicht lange für sich behalten konnte. Sie beugte sich zu der Königin hinüber und fragte, was mit dem Leibeigenen geschehe. Cassandra spitzte die Lippen. „Seine Arme sind zu schwach. Also wird er sie schulen.“ Aurora nickte und wendete sich wieder dem höfischen Treiben zu. Üben, drillen… Das war alles? Die Prinzessin fühlte sich irgendwie enttäuscht.

Doch sollte ihre Betrübtheit bald wieder vergehen: Vier Palastwächterinnen schoben ein eckiges Podest in den Saal. Das Podest bestand aus einem Holzboden auf Rollen und einem Gerüst, dass mit Tüchern zugehängt war. Fast zwei Mann hoch ragte die Abdeckung in die Höhe. Was mochte Cassandra da bringen lassen, fragte sich Aurora und wartete gespannt darauf, dass die Tücher endlich zur Seite gezogen würden. War darunter vielleicht ihr zukünftiger Gatte? Nackt bis auf einen Sarong, den sie ihm zum Zeichen ihres Besitzes vom Leibe reißen sollte?

Und tatsächlich schoben die Wächterinnen nun die Sichtblenden zur Seite, und Aurora erkannte den Tänzer, der zuvor abgeführt worden war, weil er versagt hatte. Die Prinzessin musste zwei Mal hinschauen: Der Mann machte einen Handstand. Das war ihr sofort aufgefallen. Aber was noch viel ungewöhnlicher und interessanter für Aurora war: Um die Bälle seiner Männlichkeit war ein Strick gezogen, der über ihm am Gerüst der Plattform angebracht war, ähnlich einem Galgen. Diese einfache und sehr effektive Fesselung zwang den Tänzer in seine Überkopfhaltung. „Ei, was eine Pracht“, freute sich Aurora. „Jetzt verstehe ich Euch, werte Cassandra. So trimmt er also seine Balance und Armkraft.“

Cassandra hob ihren Kristallkelch und wollte mit ihrem Gast anstoßen. „Auf einen vergnüglichen Abend und Eure morgige Hochzeit! Möge die Minne blühen!“ Aurora prostete der Königin huldvoll zu und labte sich an dem fulminanten Geschmack des Rebensaftes. Während die Damen des Hofes weiter feierten und zu allerlei höfischen Themen ihren Senf abgaben, als hätten sie Sabbelwasser getrunken, stand der Tänzer im Handstand auf seinem Podest. Seine Arme zitterten bereits erbärmlich, und auch sein Gleichgewicht hielt er nur sehr mühsam.

Je später der Abend, desto zitteriger und jammervoller wirkte der Sklave in seiner erzwungenen Haltung. Immer wieder knickten die Arme unter ihm kurzzeitig ein. Aurora beobachtete seit geraumer Zeit den Mann, denn sie erwartete jeden Augenblick, dass sein Leib ihm den Dienst versagten. Die Prinzessin starrte amüsiert zwischen dem verkrampften und verschwitzten Gesicht des Sklaven und seiner in die Länge gezogenen Männlichkeit hin und her. Wie weit sie wohl zu dehnen war? Aurora grinste schalkhaft. Wie lustig das aussah!

Auf ein Fingerschnippen Cassandras brachten zwei Sklaven einen Holzkasten und stellten ihn auf das Podest, so dass der Tänzer sich mit den Ellbogen aufstützen konnte. Die Königin erklärte ihrem jungen Gast: „Sonst wäre der Spaß bald vorbei.“ Aurora nickte geflissentlich. „Das wäre ein Jammer.“ Offenbar hatte die Autokratin Erfahrung in solchen Dingen. Schon gleich darauf erschienen mehrere Dienstboten und verteilten an sämtliche Hofdamen Ruten aus Haselnuss. Auch Aurora erhielt einen der biegsamen Stöcke. Cassandra lächelte geziert. „Ihr werdet schon sehen…“ Ihre Stimme war so kalt, dass es der Prinzessin ein wenig fröstelte.

Und da bemerkte sie, wie sich alle Damen emsig erhoben und sich vorfreudig in zwei Schlangen reihten. Offenbar war dies ein übliches Ritual, dass alle schon gut kannten. Aurora stellte sich einfach dazu. Nun peitschten die Ladys das Hinterteil des Tänzers. Jede Frau hatte nur einen Schlag. Doch der wurde mit frappierender Kraft ausgeführt. Und bei über fünf Dutzend Anwesenden kam der Sklave ausführlich auf seine Kosten.

Eine Art ungeschriebene Regel besagte, dass die Damen nicht versuchten, die gefesselte Männlichkeit zu treffen. Zwei Mal geschah das Malheur. Eine pummelige Hofdame bedauerte mit theatralischer Miene ihren Fauxpas. Affektierte Entrüstung erklang von allen Seiten. Aurora konnte nicht erkennen, ob die Dicke mit Absicht oder aus Versehen getroffen hatte. Später folgte ein weiterer Lapsus, als eine junge Lady zielsicher die Bälle des Tänzers mit ihrer Rute küsste, der daraufhin laut aufjaulte.

183. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 04.12.21 17:21







Als beide Reihen vergnügt und ausgelassen wieder Platz genommen hatten, steckte eine lange Straußenfeder im Hinterteil des Gefesselten und zitterte in der Luft. Aurora kicherte und zeigte mit einem Finger auf den gefiederten Schweif. Wenn zu Hause keine Krone auf sie warten würde, so könnte sie auch gut im Reich der Cassandra leben, überlegte sie. Die heitere und lebensfrohe Art der Hofdamen waren ihr sehr sympathisch.

Auf ein erneutes Zeichen der Cassandra schleppten zwei Dienstboten mit großen Nasenringen den Holzkasten wieder weg, so dass der Tänzer erneut in den Handstand gezwungen wurde. Laut stöhnte der Sklave auf. Danach schoben die beringten Männer das Podest hinaus. Aurora war fasziniert. „Bleibt er in dem Gerüst hängen?“ Cassandra nippte an ihrem Kristallkelch. Dann stellte sie eine Gegenfrage. „Hat er es Eurer Meinung nach eine Erlösung verdient?“ Aurora zuckte unsicher die Achseln. Was sollte sie sagen? „Ich… ich weiß es nicht, Euer Hoheit.“ Cassandra lächelte. „Nun, so wird jemand anderes entscheiden.“

Mehr äußerte die Königin zu dieser Angelegenheit nicht, denn nun sollte eine weitere Darbietung folgen: Ein Musiker schlug die Pauke, und zwei Gaukler stellten sich gegenüber und bewarfen sich mit Messern, die haarscharf neben ihrem Kopf, zwischen den Beinen und anderen Körperteilen landeten und im Holz steckten, so dass sie nach und nach die Silhouette der Männer nachzeichneten. Die meisten Ladys schauten wie gebannt dem Treiben zu. Cassandra dagegen wirkte gelangweilt. Aurora nahm die Gelegenheit wahr, die Herrscherin um etwas zu bitten: Sie erfand ein kleines Lügenmärchen über die Gardistin, die sie wegen der Unzucht mit einem Sklaven auf der Hinreise erpresste, und bat Cassandra darum, dieses lästige Weib verschwinden zu lassen. Dabei heuchelte sie ein schlechtes Gewissen vor, weil sie die Schuldige bloßstellte, doch war das nicht ihre Pflicht als rechtschaffene und loyale Adelsdame?

Die Königin nickte nur knapp und winkte die oberste Palastwächterin herbei. Sie raunte der Vorgebeugten etwas zu. Und damit war das Schicksal der Gardistin mit wenigen Worten besiegelt. Es gab zwar keine weiblichen Sklavenarbeiter im Reich der Cassandra, doch würde die Wache das Weib mit einem schwarzen Sack über dem Schopf entführen und weit außerhalb der Staatsgrenze in den „Freien Ländereien“ an einen Baum fesseln. Den Rest würden diejenigen besorgen, die sie finden. Zufrieden stahl sich ein Lächeln in das Antlitz der Prinzessin.

Als Aurora endlich zu dunkler Nachtzeit in ihre Suite wankte, vom brausenden Most beduselt und ein wenig blümerant, fiel sie todmüde und erschöpft in die weichen Federn des Himmelbettes. Sie schaffte es taumelnd noch so gerade, sich ihres Kleides zu entledigen, das sie achtlos zu Boden fallen ließ, dann sackte sie erneut zwischen die Kissen und ihre Lider schlossen sich bleischwer.

Das dumme Aas von Erpresserin bin ich los, seufzte sie erleichtert. Und morgen werde ich heiraten, schwärmte sie noch. Welchem Antlitz würde sie gegenüberstehen? War ihr Zukünftiger groß von Wuchse? Stark oder schmächtig? Waren seine Augen blau wie die Veilchen auf der Wiese oder grün wie der Smaragd an ihrer liebsten Halskette? Aber sie war bereits zu schlaftrunken, um darüber weiter nachzudenken. Morgen würde die Sonne wieder lachen. Doch nun benötigte sie ihren Schönheitsschlummer.

Derweil ritt viele Meilen weiter westlich eine kleine Eskorte Gerüstete mit einer Duxa durch die Freien Ländereien Richtung Westen. Ihr Ziel war der Kleinstaat Ledanien, um als Parlamentärin mit Königin Leda Frieden zu schließen und – noch mehr – einen Bund gegen die westlichen Reiche wie das Herrschaftsgebiet der Cassandra oder die Metropole der Fama zu schmieden.

Die Abordnung war auf der Hut vor Marodeuren und Halunken gleicher Couleur, denn die Freien Ländereien galten als gesetzlose Zone zwischen den Kleinstaaten des Alten Kontinents. Hier galt nur das Faustrecht. Schnell waren Reisende Opfer eines Hinterhaltes und verloren Besitz, Beinkleider oder sogar Leben. Bisher hatten die Boten der Helena Glück. Sie fanden keine Spuren anderer Berittener. Doch trotz ihrer Gebete zu den Alten Göttern durften sie sich nicht zu sicher fühlen.

Und gerade, als die kleine Truppe aufmerksam Ausschau haltend durch eine Felsformation geritten war und sich auf offenem Feld erleichtert im Sattel entspannen wollte, kamen links und rechts des Weges aus dem hohen Gras etwa zwanzig dunkle Gestalten gesprungen und jagten mit Speeren und Keulen brüllend auf die Reiterinnen zu. Die Rösser wieherten erschrocken, erhoben sich auf die Hinterläufe, warfen zwei Soldatinnen der Helena ab. Die Gerüsteten zogen ihre Schwerter und verteidigten sich tapfer gegen die Wegelagerer, die großteils aus Recken bestanden.

Die Männer waren in Lumpen gekleidet und hatten ihre Gesichter schwarz angemalt. Die Schläge und Hiebe prasselten nur so auf die Frauen ein, die lediglich wegen ihrer besseren Bewaffnung und Kampftechnik den Angreifern widerstehen konnten. Ein wildes Gefecht entwickelte sich. Die Duxa schaffte es, einem Räuber seine Waffe, eine große Sichel, aus der Hand zu schleudern und stieß ihre Schwertspitze bis kurz vor den Adamsapfel des Mannes, der auf seinen Hintern geplumpst war. Mit zunehmendem Druck auf seine Kehle, wich der Unterlegende weiter zurück und tauchte seine Hände, mit denen er sich hinter sich abstützte, in das brackige Wasser eines Tümpels. In seinen Augen sah sie sein Flehen, sein Leben zu schonen.

Die Duxa bewegte die Schwertspitze nach vorne. Der Unterlegene geriet immer mehr in eine liegende Position und wurde mehr und mehr vom lehmigen Wasser umspült. Schließlich schob die Duxa das Schwert noch einige Daumenlängen vorwärts, so dass der Kopf des Mannes in das Wasser eintauchte. Eine weitere kleine Bewegung führte dazu, dass das Gesicht teilweise benetzt wurde. Der Recke schluckte Wasser und hustete, röchelte, bat um Gnade. Sein Herz raste. Todesangst keimte in ihm auf.

Da hörte die Uniformierte, wie ein Kämpe hinter ihr einem Kumpanen hämisch lachend zurief: „Warte! Das Weib da gehört mir! Im Lager wird sie für mich die Beine spreizen.“ Die Offizierin wirbelte herum und versetzte dem Kämpfer einen kräftigen Schlag mit dem Schwertknauf, so dass der Mann kurzerhand ohnmächtig zu Boden ging wie ein gefällter Baum. Als sie sich wieder ihrem anderen Gegner widmen wollte, war der aus dem Wasser verschwunden: Der Mann war hastig durch den Tümpel gewatet und am anderen Ufer tropfnass an Land geklettert, um das Weite zu suchen.

Sofort wollte sie sich erneut beherzt ins Getümmel stürzen. Da stellte sie fest, dass auch andere Exemplare des Gesindels die Beine in die Hand genommen hatten. Verachtend spuckte sie zu Boden. Ihr waren solche verzagten Hasenfüße abhold. Doch einige Kämpen wollten nicht so flink kapitulieren. Eine Soldatin hatte ihren Gegner entwaffnet und ihn auf alle Viere gezwungen. Plötzlich flehte der Mann mit hoher Stimme wie eine Magd um Erbarmen, obwohl er gerade noch mit seinem Dreschflegel um sich geprügelt hatte. „Memme!“, rief die Uniformierte verächtlich und versetzte ihm mit der Breitseite ihres Schwertes einen saftigen Hieb auf den Hosenboden, dessen Stoff dabei aufplatzte. Feigheit verbreitete sich wie flüssiges Gift. Sie spie erneut verächtlich aus.

Ein anderer der Strauchdiebe rang mit einer Soldatin auf dem Boden. Sie drehten sich und rollten umher. Die Gerüstete schwang sich rittlings auf den Liegenden, der seine Axt verloren hatte, und versetzte ihm mit ihren derben Lederhandschuhen kräftige Ohrfeigen, doch konnte der Mann einen Arm unter ihrem Schenkel hervor reißen und nach ihr greifen. Der Haderlump riss der verdatterten Frau einen Lederriemen vom Hals, an dem einige Schlüssel für die Waffenkiste und verschließbaren Satteltaschen hingen, und kämpfte sich mit aller Kraft unter der Frau hervor. Doch statt weiter zu fechten, nahm er mit seiner wertlosen Beute Reißaus.

Die Soldatin ahnte nicht, dass der Mann seit vielen Monaten in einem Keuschheitsgürtel steckte und aus Helenas Stadtstaat geflohen war. Nun hoffte er, dass einer der Schlüssel ihn befreien werde – doch da würde er eine bittere Enttäuschung erleiden. Bald schon sollte er schluchzend auf dem Boden knien, eine Sammlung nutzloser Schlüssel vor sich, seine Hände an den Keuschheitsgürtel gekrampft, eine Träne über seine Wange fließend. Zumindest hatte er sein Leben gerettet.

Wie durch ein Wunder blieben alle Beteiligten des Scharmützels – abgesehen von kleinen „Kratzern“ – unverwundet, als plötzlich ein dunkles und gruseliges Brüllen alle erstarren ließ. Es war eine groteske Situation, wie die Kontrahenten in allen möglichen Stellungen verharrten, als wäre die Zeit stehengeblieben, oder ein Eiswind hätte alles Leben eingefroren. Jedem lief es eiskalt den Rücken hinab. Ein Schauder erfüllte sie. Sogar das Herz schien vor Furcht stehen zu bleiben. Welches Monster konnte solche gutturalen und animalischen Laute von sich geben? War ein Troll in der Nähe? Oder gar ein mächtiger, böser Dämon?

Dann erfolgte ein zweites Brüllen. Es ging den Kämpfenden durch Mark und Bein. Der Erdboden schien zu vibrieren. Was kam da für ein Monsterriese auf sie zu? Urplötzlich sprangen die finsteren Gesellen auf und sprinteten in die hohen Gräser, in entgegengesetzter Richtung der Furcht erregenden Laute. Die Soldatinnen der Helena waren so perplex, dass sie die Männer an ihrer Flucht nicht hinderten. Sie lauschten auf das Geräusch und sahen fragend zu ihrer Anführerin.

Die Duxa überlegte fieberhaft. Sie war unschlüssig. Sollten sie ebenfalls das Hasenpanier ergreifen? Nein, sie befahl ihre Untergebenen zu sich. „Bildet einen Kreis!“ Egal, was auch immer aus dem Unterholz kommen sollte – sie würden tapfer und mutig bis zum Tode kämpfen. Als das Grauen noch näher kam, das Brüllen fast ohrenbetäubend laut und die Erde bebend, geriet sie in Zweifel, ob es nicht doch töricht war, dem unbekannten Monster entgegenzutreten, aber sie blieb standhaft, das Schwert gezückt. Erste Zweige bogen sich zur Seite, Äste brachen. Und dann erschien das Ungetüm.

Eine Soldatin schrie aufgeregt: „Ein Troll!“ Oder gar mehrere der Kreaturen, die die Witterung der Frauen aufgenommen hatten? Doch die Duxa schüttelte den Kopf. „Nein, das…“ Weiter kam sie nicht. Denn eine ganze Herde schwerfälliger großer Vierbeiner kam aus dem Dickicht getrampelt. Die Soldatinnen spritzten auseinander, um der Gewalt der Hufe der panischen Tiere zu entgehen. Mindestens 40, vielleicht 50 Tiere rasten brüllend an den Frauen vorbei auf die Ebene zu. Eine himmelhohe Staubfahne schraubte sich hinter ihnen in die Höhe.

Was hatte sie so erschreckt? Die Frauen hatten solche Wesen noch nie zu Gesicht bekommen, doch waren sie an der Westküste bekannt: groß wie Schlachtrösser, aber doppelt so kräftig und breit, mit einem schweren Kopf und massivem Kiefer, zwei gefährlichen Hörner und dampfenden Nüstern, eine Aura wie Dämonengestalten, bevölkerten sie die Gegend. Eigentlich waren sie harmlo und ernährten sich von Gräsern, Büschen und Blättern, doch in Panik geraten konnte nichts sie aufhalten. Alte Geschichten erzählten von Herden dieser Viecher, die ganze Dörfer niedergetrampelt hatten.

Warum sie zuweilen in Angst und Schrecken davonliefen, wusste niemand. Die Duxa ahnte jedoch dieses Mal den Grund. Das Grollen und Beben war ein Erdbeben gewesen. Eine Gottheit war erzürnt über irgendetwas. Doch blieb der Boden nun ruhig. Die Duxa steckte ihr Schwert ein und sattelte auf. „Weiterreise!“, kommandierte sie. „Die Gefahr ist vorüber.“

Unterwegs feixte eine Soldatin mit ihrer Nachbarin: „Von wegen Trolle!“ Die zweite Reiterin lachte und behauptete, dass sie auch einen Troll mit ihrem Schwert niedergestreckt hätte. Oder zwei. Oder drei. Schließlich waren die Elitesoldatinnen der Helena unbesiegbar. Mit stolz erhobenem Kinn ritten sie weiter.

Wenige Stunden später erreichten sie einen Palisadenzaun mit einem Graben davor. Brackiges Wasser stand darin. „Ledanien!“, verkündete die Duxa. Langsam trotteten sie auf ein Tor zu, das den Weg blockierte. Die Offizierin zog einen an der Flanke ihres Zossen angebrachten Stab aus frisch geschnitztem Eschenholz hervor und wickelte eine weiße Fahne ab, steckte sie in eine lederne Halterung neben ihrem Sattelknauf und führte den kleinen Trupp auf den Grenzübergang zu.

Längst waren die fremden Besucher entdeckt und ins Visier genommen worden. Auf dem Wehrgang des neu errichteten Palisadenzaunes erschien ein Dutzend Soldatinnen in Lederrüstungen mit geladenen Armbrüsten. Eine Sprecherin mit einem befiederten Hut rief hinab: „Fremdlinge! Was ist Euer Begehr?“ Die Parlamentärin nannte ihren Heimatstaat und hielt eine eingerollte Urkunde hoch, in der Königin Helena sie als Unterhändlerin bestätigte, um mit Königin Leda persönlich zu sprechen.

Eine Soldatin aus Ledanien galoppierte zurück zur Burg, um der Hoheit von den Besuchern schnellstens Kund zu tun. Die Offizierin am Grenzwall verlangte in einer despektierlichen Art die Waffen der Gäste. Doch darauf wollte sich die Duxa nicht einlassen. Nach langem Hin und Her einigte man sich darauf, die Bögen und Armbrüste abzugeben, die Klingen jedoch zu behalten. Das Tor öffnete sich und gab die Sicht auf den weiteren Verlauf der Straße durch eine Grasebene frei.

Eingerahmt von mehreren Soldatinnen wurde der Trupp den ausgetretenen Weg entlang geführt. Bald schon wunderten sich die Gerüsteten der Helena Nase rümpfend, wie frei und in ihren Augen fast respektlos Mannsbilder am Wegesrand standen. Kein Recke senkte den Blick vor den Damen oder kniete gar nieder. Die Gerüchte waren also wahr: In Ledanien galten Mann und Weib gleich. Es gab keine natürliche Ordnung. Es herrschte Chaos zwischen dem edlen Geschlecht und dem niederen Mannsvolk. Was für eine Welt sollte das sein?

Nach einigen Meilen erreichten sie die Burg. Die Duxa staunte erneut: Eine hübsche, kleine Zitadelle, die sicherlich so manchem Angriff standhalten würde, war da zu sehen. Doch von Pomp und Reichtum zeugte die Festung nicht. Funktional und durchaus stattlich war das Bild mit den kleinen Türmen, auf denen Fahnen und Wimpel wehten, und der massiven Außenmauer mit den Zinnen. Aber wo hortete die Regentin ihren Reichtum? Oder war Ledanien womöglich gar nicht so wohlhabend, dass es über eine starke Armee verfügte? Dann würde die Duxa ihrer Majestät Helena eine schlechte Nachricht übermitteln müssen.

Nun denn, die Offizierin wollte nicht gleich alle Hoffnungen fahren lassen. Während ihre Begleiterinnen in einer Halle mit reichlicher Verpflegung umsorgt wurden, die Pferde im Stall frischen Hafer zu fressen und Wasser zu saufen bekamen, führten zwei Gardistinnen die Duxa in den königlichen Regierungsflügel der Burg, wo der Gast in einer Halle auf die Königin wartete. Auch hier war von pompösem Reichtum wenig zu erkennen.

Ein Recke in prächtiger Uniform erschien und begrüßte die Duxa. „Willkommen in Ledanien, werte Duxa. Königin Leda wird Euch in Windeseile empfangen. Möchtet Ihr solange von unserem köstlichen Wein, den Gaben unseres Weinstocks, kosten oder mit einer feinen Spezerei eurem Gaumen verwöhnen?“ Die Duxa wedelte mit ihrer Hand, als sei der Mann eine lästige Fliege. „Hinfort! Ich wünsche nichts!“ Der Mann ließ sich nicht vergraulen, sondern hob eine Augenbraue. „Nun… Mit Verlaub... Ich wollte mich noch vorstellen…“ Die Duxa unterbrach unwirsch sein betuliches Gehabe. „Was willst du? Ich habe mich wohl verhört! Verschwinde, oder ich lasse dich peitschen, bis du vor Gnade winselst!“

Die Frau war außer sich und schnappte empört nach Luft. Ihr passte es schon nicht, dass der Dienstbote so eine edle Gewandung trug. Und jetzt getraute der impertinente Kerl sich auch noch, sich ihr aufzudrängen, als wolle er ihr den Hof machen wie ein liebestoller Galan bei einem wüsten Gelage! Brünftig lüstern! Doch der Mann blieb hartnäckig stehen und antwortete: „Mein Name ist Zelos. Ich bin der Oberste. Der erste Gardist des Hauses Leda von Ledanien, Königin dieses Staates. Begleitet mich bitte in den Flaggensaal. Ihr erlaubt, dass ich vorgehe und Euch den Weg weise?“

Die Duxa stand mit offenem Mund da. Putzwunderlich! Ein Mannsbild in hoher Position am Hofe! Daran würde sie sich niemals gewöhnen können. Diese Bürde wäre unzumutbar. Und er gab Anweisungen? Das war bizarr! Zähneknirschend folgte sie Zelos. Sie ballte die Fäuste vor Wut und marschierte wie eine Untergebene hastig hinter dem Obersten her, denn Zelos sauste mit weiten Schritten den Korridor entlang. In ihrer Aufregung erblühten rote Flecken am Hals der Unterhändlerin.
184. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 10.12.21 15:55

Gibt es noch Interesse an der Geschichte? Hier kommt noch eine Fortsetzung.



Leda war derweil in den Flaggensaal geeilt, um die Duxa der Helena zu empfangen. Sie trug ihre königlichen Insignien und dankte den Alten Göttern für diese Gelegenheit, Abas zu entkommen. Denn kurz zuvor war sie mit ihrem Gemahl in ein wahrlich unangenehmes Gespräch vertieft gewesen, bei dem es um den Keuschheitsgürtel gegangen war. Abas hatte Leda gebeten, ihn aufzuschließen. Doch die Majestät hatte zuvor von Zelos erfahren, dass er den Schlüssel in der Burg verloren habe. Leda hatte ihren heimlichen Geliebten beschworen, ihn zu finden. Doch bisher war die Suche danach erfolglos geblieben. Die Königin wollte Abas nicht berichten müssen, dass sein Schlüssel verschwunden war. Und somit hielt ihre Zunge ihn hin, erfand Ausreden und kleine Notlügen.

Die Regentin musste sich zwingen, ihre sorgenvollen Gedanken zu verdrängen und sich auf den wichtigen Besuch zu konzentrieren. Es musste sich um bedeutsame politische Dinge handeln, wenn Helena einen Trupp mit einer Duxa durch die Freien Ländereien schickte. Sie stellte sich königlich in Positur. Just in diesem Moment öffneten sich die schweren Flügel der hohen Tür: Zelos und der Gast traten ein. Der Oberste stellte die Duxa vor, die sich vornehm verbeugte. Leda machte ein erhabenes Gesicht und nickte würdevoll. „Seid gegrüßt! Setzt Euch doch“, bot die Königin an und zeigte auf einen Sessel, der ihrem eigenen Sitzplatz gegenüber positioniert war.

Die Duxa hatte bisher den Gardistenführer ignoriert, doch nun starrte sie ihn mit süffisantem Lächeln an. „Jetzt dürft Ihr mir einen Wein bringen. Eile Er!“ Zelos klatschte in die Hände und eine Magd erschien, die vom Obersten kurze Anweisungen erhielt, drei Kelche und eine Karaffe zu servieren. Die Duxa hatte damit gerechnet, dass der Mann den Wein selbst holen gehen würde. In was für eine verdrehte Welt war sie da geraten, dachte sie und rümpfte grollend die Nase. Sie unterdrückte ein abwertendes Zischen durch ihre Zähne ob der fehlenden guten Sitten und Geschmacks.

Große Sorge herrschte derweil im großen Ostreich um die Metropole der Fama, denn die Königin lag darnieder. Mit furchtbarem Bauchgrimmen und Fieber fühlte sich die Machthaberin schwach und musste das Bett hüten. Eine Heilerin kümmerte sich von morgens bis abends um Fama, doch keine Arznei und kein Aderlass wirkten der geheimnisvollen Krankheit entgegen. Bald war Fama der Behandlung überdrüssig und schickte sie erbost weg. Quacksalberei nutzte ihr nichts.

Vesta besuchte ihre Mutter so oft ihr die Regierungspflichten dies ermöglichten, strich ihr fürsorglich mit einem kühlen feuchten Tuch über die Stirn und berichtete von den politischen Entscheidungen des Tages. Sie saß neben Fama und schaute mit Tränen voller Falsch in den Augen zu der Kranken hinab. Famas Antlitz war weiß wie Elfenbein und wirkte wächsern. Kalter Schweiß bildete sich immer wieder neu auf ihrer Stirn.

Als die Tochter das Zimmer verließ, reichte ihr die Heilerin einen Tiegel mit einem Heilmittel. „Ich kann nun nichts mehr für die hohe Majestät tun. Meine einzige Hoffnung bleibt dieser Sudextrakt. Lasst ihr bei Sonnenauf- und –untergang jeweils einen Löffel davon in heißes Wasser rühren und in kleinen Schlücken trinken.“ Vesta dankte der königlichen Heilerin. „Habt Dank. Ich kümmere mich darum. Wenn ich Euch benötige, so werde ich Euch rufen lassen.“ Die Heilerin nickte, wickelte ihr Gewand fester um den Leib und verließ den Palast.

Vesta starrte auf den Tiegel und lief damit in einen kleinen abgelegenen Innenhof, in dem sich unter Efeu ein alter, ausgetrockneter Brunnenschacht befand. Sie schob mit ihrem Fuß raschelnd das Grün ein wenig beiseite und ließ den Behälter hinab in die dunkle Öffnung fallen. „Das ist dein Verderben, an dem ich mit größter Lust webe. Du wirst nun endlich dein verdienten und überfälliges Ende finden.“ Damit hatte sie, so hoffte sie, das Schicksal der Potentatin endgültig besiegelt.

Das wollte sie feiern. Sie ließ ihre drei neuen Liebessklaven rufen. Einer von ihnen, der für immer verschlossen bleiben sollte, durfte zusehen, wie die Königstochter die beiden anderen Jünglinge um den Aufschluss kämpfen ließ. Nackt und in Öl eingerieben ergaben sie für Vesta einen Augenschmaus, der sie kaum noch abwarten lassen konnte, endlich eines der Schlösser zu öffnen, um ein hartes, junges Liebesschwert zu empfangen und diesen Feiertag mit einer seligen Beglückung zu krönen. Den Verlierer würde sie nach Gutdünken bestrafen. Sie wusste noch nicht wie, aber es sollte böse und perfide sein! Sie gluckste in Vorfreude. Schon viel zu lange war die Trülle verwaist. Das war immer ein heiteres Spiel gewesen, den Gefangenen zu drehen und zu drehen. Ach, wie fühlte sie sich doch wieder wie ein junger Wildfang! Glücklich und guter Dinge.

Auroras großer Tag ihrer Vermählung war gekommen. Und sie hatte ihren Zukünftigen noch kein einziges Mal zu Gesicht bekommen. Doch dies war wohl bei Hofe Usus, und Aurora wollte sich nicht gegen Cassandras Gebräuche und Gepflogenheiten sperren. Begleitet von zwei schwarz gewandeten Priesterinnen des Malus-Kultes betrat sie über das Entree gravitätisch in einem prächtigen weißen Kleid, dessen Saum über den Boden wischte, den Tempel und erwartete mit großer Spannung ihren Gemahl. Ihr kunstvoll geflochtenes Haar krönte ein Myrtenkranz.

Vor einem Altar aus Marmor, auf dem eine breite Schale aus Bronze stand, blieb das Trio stehen und drehte sich zum Eingang um. Nun erschienen zwei weitere Priesterinnen in ihren langen Roben, zwischen ihnen eine Gestalt unter einem schwarzen Tuch. Das musste ihr Liebesgemahl sein, vermutete Aurora. Die Gestalt kniete nieder. Die Priesterfrauen zogen den dunklen Stoff fort und entblößten den Mann in seinem Hochzeitsgeschirr.

Er trug einen Keuschheitsgürtel, schwarze Stiefel, ein ledernes Geschirr um den Körper mit einem Schrittgurt. Seine Brustwarzen waren mit großen Ringen durchstochen. Zwischen ihnen hing eine silberne Kette. Der Hals steckte in einem festen Metallband, der die Bewegungsmöglichkeiten seines Kopfes stark einschränkte. Über das Gesicht und den kahl rasierten Schädel verlief ein weiteres Ledergeschirr. In einem Halbkreis über seinem perfekt trainierten Bauch war Auroras Name in kunstvoll verzierten Schriftzeichen mit Tinte tätowiert.

Erpicht schaute die prachtvolle Braut zum Keuschheitsgürtel, denn darin befand sich das, was sie am meisten interessierte. Doch die eiserne Hose war so konstruiert, dass die gesamte Männlichkeit darin untergebracht war. Die Zeremonie währte über zwei Stunden, während der Bräutigam zahlreiche Rituale über sich ergehen lassen musste, denn die Priesterinnen gingen nach einer bestimmten Etikette vor, die aus gemurmelten Formeln und vorgeschriebenen Bewegungen des Mannes bestand.

Aurora erlebte mit, wie die Ritualfrauen dem Bräutigam mehrfach an der Brustwarzenkette zogen, wie sie das Gesicht des Mannes in die Schale mit Wasser tauchten, wie sie ihn in einem bestimmten Rhythmus mit mehrschweifigen Lederpeitschen schlugen. Doch am beeindruckendsten empfand Aurora den Moment, als die Frauen ihrem Gemahl ein Amulett vor die Augen hielten, worauf der Mann in größter Panik niederkniete, den Kopf auf die Knie presste und seine Arme um sich schlang und zitterte vor Angst, als hätte man ihm sein Todesurteil verkündet.

Eine Priesterin mit bernsteinfarbenen Augen stellte einen Stiefel auf den Kopf des Zusammengesunkenen, die andere platzierte ihren Schuh auf seinem Rücken. Wieder wurden Formeln gemurmelt, die Aurora nicht verstand. Dann überreichte eine der Priesterinnen der Braut den Schlüssel zu dem Keuschheitsgürtel, der an einer langen goldenen Kette hing. Als Schlusspunkt der Hochzeit reichte eine weitere Frau, die aus einem Seitenflügel des Tempels erschien und einen roten Umhang über dem Priesterinnengewand trug, Aurora ein glühendes Brandeisen, das ein verschlungenes „A“ darstellte.

Bisher hatte der Sklave alles stumm ertragen. Doch als Aurora auf Anweisung der Priesterfrauen das orange glühende Metall auf die Gesäßbacke ihres Künftigen presste, grunzte er stöhnend auf. Es zischte und rauchte. Das Ritual wiederholte sie auf der anderen Seite des Hinterteils. Wieder grunzte er auf. Dieses Mal hörte es sich noch qualvoller an. Dann nahm ihr die Frau den Stab wieder ab und senkte ihn in die Schale mit Wasser auf dem Altar. Laut fauchend entwickelte sich Dampf, der die Personen einnebelte. Die Hinterbacken zitterten, und leichter Rauch stieg von ihnen immer noch auf.

Draußen stand bereits die Hochzeitskutsche bereit, die von zwölf emsigen Sklaven gezogen wurde. Aurora war begeistert, als sie die fast nackten „Pferde“ im Joch sah, die in genietetem Lederharness, rotem Federschmuck auf dem Kopf und schwarzen Stiefeln an die Deichsel gebunden waren. Als die Braut genauer hinsah, bemerkte sie die großen Nasenringe der Sklaven, durch die eine Schnur geführt war, die zweigeteilt zu einem anderen Ring in ihrem Nacken führte. Auch die Ohren waren mit Ringen geschmückt, an denen das Emblem der Cassandra hing. Ein wahrlich erquickender Anblick!

Eine Kutscherin saß auf dem Bock und dirigierte das Gefährt mit einer sehr langen Peitsche sowie Zügeln, die mit der Männlichkeit der „Pferde“ verbunden waren. Ein gewisses Geschick vorausgesetzt, konnte sie so ihre Karosse exakt führen, gewünschte Richtung und Geschwindigkeit genau anpassen. Da würden die Tierchen an keinem Müßiggang leiden, war sie sich gewiss.

Erst jetzt bemerkte Aurora, dass es zwei völlig verschiedene Sitzplätze in der Kutsche gab. Sie begab sich in ihrer Staffage auf weiche Kissen und sah zu, wie sich ihr Gemahl neben ihr, etwas vertieft, vorsichtig auf einer ungepolsterten Stelle hinsetzte, die mit winzigen Nagelspitzen bedeckt war. Seine Vermählte schmunzelte bei dem Gedanken, was ihr geliebter Ehemann wohl dazu sagen würde, wenn sie sich auf seinen Schoß setzen wollte?

Ob sie ihn nach seinem Namen fragen sollte? Aber sie ließ davon ab, denn was waren schon Namen? Schall und Rauch. Und sie selbst brauchte sich wohl nicht mehr vorzustellen. Der Jüngling musste ja nur auf seinen Bauch schauen, falls er den Namen seiner Eheherrin einmal vergessen sollte, kicherte sie in sich hinein.

Aufgeregt schaute sie aus dem Fenster der Kutsche. Wo würde sie nun hingebracht werden? Würde sie Cassandra vor ihrer Abreise nach Hause noch einmal sehen? Da fielen ihr die Worte der Herrscherin ein: „Ihr sollt es in Eurer neuen Heimat gut haben. Und unsere Reiche wollen mit der Vermählung einen Kontrakt schließen, dass wir uns im Kriege einander beistehen.“ Hatte ihre Mutter irgendetwas verhandelt, wovon sie nichts wusste?

Eine Allianz der beiden Reiche wäre gar nicht so schlecht, überlegte Aurora. Aber sie wollte demnächst Fama in der Metropole beerben. Also würde sie auch wieder nach Hause reisen. Allerdings ohne diese miese Erpresserin, grinste sie. Ihr blieben auch ohne dieses Dreckstück noch genug Gardistinnen, die sie zurück zum Ostreich ihrer Mutter brachten.

Nach einer Weile hielt die prunkvolle Kutsche. Sie waren durch ein Tor einer hohen Steinmauer gefahren und in einem Innenhof eines Anwesens angehalten. Die Besucherin war schon ganz hibbelig und versuchte, ihre Nervosität nicht zu zeigen. Eine elegant gekleidete Dame hieß sie willkommen. Sie stellte sich als Vorsteherin des Anwesens vor.
Aurora staunte nicht schlecht, als sie vernahm, dass dies ihr Hochzeitsgeschenk von Cassandra war: eine große Besitzung mit 25 Bediensteten. Wie großzügig!

Die Königstochter ließ sich alle Räume zeigen und auch die Dienstsklaven vorstellen. Sogar zwei Liebesburschen gehörten zum Repertoire, obwohl sie ja nun offiziell über einen „Gemahl“ verfügte. Hier konnte es sich fein leben lassen. An nichts fehlte es der verwöhnten Prinzessin. Und trotzdem gierte sie nach der Macht einer Königin. Sie wollte das Ostreich mit der Metropole regieren. Daher fragte sie die Vorsteherin nach den Gardistinnen der Fama. „Oh, die reisten heute Morgen ab“, erklärte die Frau lapidar.
Aurora fielen fast die Augen aus dem Kopf, und sie stieß entgeistert hervor: „Die sind was!?“

Leda hatte mit der Unterhändlerin der Helena inzwischen einen Kontrakt ausgearbeitet, den ein Schreibkundiger mit Tinte auf Pergament aufsetzte. Jetzt musste nur noch Helena selbst unterzeichnen. Ledanien und der Stadtstaat der Helena würden ein Bündnis eingehen, um sich gegen Feinde aus dem Osten gegenseitig zu unterstützen, doch dafür erhielten Männer unter Helenas Herrschaft viele neue Rechte. Die Keuschheitspflicht konnte Leda zwar nicht abschaffen, doch sollte sich Helena im Senat dafür einsetzen, eine Höchstverschlusszeit für Mannsbilder einzuführen. Damit würden Männer mindestens drei Mal zwischen zwei Sommern ihrer Lust frönen dürfen.

Des Weiteren mussten die Bürgerinnen der Helena ledanische Männer voll und gleichwertig akzeptieren. Sie unterlagen weiterhin ledanischen Gesetzen und Rechten. Und bei Aufenthalt im Reich der Helena oder in den „Freien Ländereien“ würden sie auf gleicher Stufe mit Frauen stehen. Der Vertrag sah weiterhin enge wirtschaftliche Beziehungen vor, von denen beide Ländereien profitieren konnten. Ledanien erhielt Waffen, Tabak, Zuckerrohr, Kupfer und andere Metalle sowie Werkzeuge, während der Stadtstaat Fisch, Wild sowie Holz importierte. Mit diesen neuen Regelungen gingen die Parteien d´accord, obwohl beide gewisse Kompromisse eingehen mussten.

Dazu sollten die Wege zwischen den Staaten ausgebaut und überwacht werden. „Freie“, die in der Umgebung ihr Unwesen trieben, sollte es nicht mehr geben. Für eine funktionierende Handelsroute war eine geschützte Straße unverzichtbar. Soldatinnen, Gardisten, Kriegssklaven und andere Angehörige der Streitmacht arbeiteten zusammen. Wenn alles so verlief, wie sich Königin Leda die Entwicklung wünschte, so würde der Prozentsatz der Kriegssklaven unter Helena weiterhin abnehmen und von freiwilligen Soldaten ersetzt werden.

Die Duxa ritt mit ihrer Abordnung sowie einigen Angehörigen der ledanischen Streitmacht Richtung Osten in Helenas Reich, um den Vertrag in trockene Tücher zu bringen. Über der Truppe schrien Krähen und zogen schwirren Flugs dahin, als wollten sie geschwätzig das Ergebnis in der Stadt vorwegnehmen.

Noch war der Trupp unterwegs. Vesta erschien bei ihrer Mutter, als eine Bedienstete sie gerufen hatte. „Eine wunderbare Nachricht, meine ehrenwerte Prinzessin“, verkündete sie beinahe frohlockend. „Die Hohe Majestät ist auf dem Weg der Besserung. Ihr Fieber ist schon gesunken.“ Vesta zeigte ein verkrampftes Lächeln. „Ist das wahr? Das ist ja… entzückend.“ Sie schickte die Frau hinaus und setzte sich zu Fama ans Bett. „Ich habe vernommen, dass es Euch besser geht, Mutter. Welch... Freude!“ Fama stöhnte, noch immer geschwächt. „Ja, ein wenig. Wohl habe ich es bald überstanden.“

Vesta schaute sich um. Sie waren alleine. Langsam griff sie zu einem bestickten Kissen, auf dem das Wappen der Fama abgebildet war. „Mutter, seid unbesorgt. Ich werde mich um die Regierungsgeschäfte kümmern und das Reich leiten.“ Fama stöhnte leise: „Ja, bis ich wieder auf den Beinen…“ Ihre Stimme war dünn. Die wenigen Worte schienen an ihren Kräften zu zehren. Vesta hob ihren Zeigefinger in die Höhe. „Nein, Mutter. Ihr ward schon zu lange auf dem Thron. Meine Geduld ist gesättigt. Die Krone gehört mir!“

Fama runzelte die Stirn und ihre Augen funkelten böse. Krächzend kroch ihre Stimme hervor. „Was soll das bedeuten? Wie redest du mit der Königin, du dummes Ding!? Diese ungebührlichen Worte wirst du bereuen. Du wirst niemals die Krone tragen. Eher gebe ich sie deiner Schwester Aurora. Wage es nicht…“ Vesta krampfte ihre Finger in das Kissen und ballte sie zu Fäusten. „Du wirst gar nichts mehr, du alte Vettel!“ Damit presste sie mit aller Kraft das Kissen auf das Gesicht der Fama.

Die Machthaberin der Metropole war zu schwach und erschöpft, um sich zu wehren. Ihre Arme hoben sich hilflos, doch sie fuchtelten nur sinnlos in der Luft umher. Die Zeiten, in denen sie sich in ihrem Ruhm sonnte, waren definitiv vorbei. Die Bewegungen der Mutter wurden immer schwächer, dann zuckten ihre Arme nur noch wie ein sterbender Fisch an Land. Vestas Gesicht war rot angelaufen von der Anstrengung. Noch immer hatte sie die Hände ins Kissen gekrallt und dieses auf die kranke Königin gedrückt. Für immer sollte sie schlummern.

Endlich ließ sie los. Als sei ein Blitz in sie gefahren, zuckte sie einen weiten Schritt zurück und ließ das Kissen zu Boden fallen. Der Anblick brannte sich in ihr Gedächtnis: Die verdrehten Augen, der geöffnete und erfolglos nach Luft schnappende Mund, das Entsetzen im Antlitz. Allerliebst. Endlich war sie aus dem Weg geschafft. Vesta wirbelte herum und schrie: „Hilfe! Hilfe! So komme doch jemand! Die Heilerin! Bringe man die Heilerin! Die Königin atmet nicht!“ Die Tochter wiegte die Erschlaffte in ihrem Arm wie ein geliebtes Kinde.
185. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von M A G N U S am 10.12.21 20:20

"Gibt es noch Interesse an der Geschichte? Hier kommt noch eine Fortsetzung."

Selbstverständlich, die vielen Aufrufe zeugen von dem Interesse; ich freue mich, die regelmäßigen erscheinenden Fortsetzungen hier zu lesen!
Andererseits hege ich Verständnis, wenn nur selten Kommentare hinterlassen werden, daß man in`s Zweifeln kommt - mir geht es bei meiner Geschichte ebenso, indes ist ein Aufgeben mitten d'rinn auch keine Lösung, deshalb bitte weitermachen bis zum Finale,
es dankt im Namen der schweigenden Leserschaft, Magnus.
186. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von AlfvM am 10.12.21 21:48

Ich kann Magnus nur zustimmen. Für mich ist ss eine außergewöhnlich tolle Geschichte. Ich habe mit Begeisterung die erste Geschichte verschlungen. Mach bitte weiter, auch wenn ich nur noch selten kommentiere. Ich bin sehr gespannt, wie es mit Abas, Megara, Leda und den anderen Protagonisten weitergeht.
GLG Alf
187. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von aspangaw am 11.12.21 10:49

Bitte weiterschreiben, eine tolle Geschichte mit Hand und Fuß. Warte immer schon auf gespannt auf die Fortsetzung.
188. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von sheeeep am 12.12.21 18:43

Und ob...Interesse besteht.....eine der besten Geschichten die je veröffentlicht wurden...das habe ich schon oft kundgetan!Man kann dir nicht genug danken für deine Mühe.......
189. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 17.12.21 16:11




Eine halbe Stunde später standen Gardistinnen, Bedienstete, die Heilerin, Vesta und zwei Duxas um das Totenbett herum wie Boten des Jenseits und starrten auf die Regentin hinab. Die Heilerin schüttelte betrübt ihr Haupt. „Ich kann nichts mehr tun. Sie ist von uns gegangen.“ Vesta zitterte. Sie schien das Schicksal schwer zu plagen und brachte ihr Tränlein voll Trug dar. „Nein! Wie konnte das geschehen? Man sagte mir, ihr gehe es besser! Heilerin! Ihr gabt mir einen Sudextrakt. Das Mittel hat sie umgebracht. Ihr habt sie vergiftet!“

Die Heilerin hob abwehrend die Hände. „Nein, haltet ein! So hört doch…“ Vestas Antlitz war zu einer Fratze verzerrt, und sie hob ihre Stimme an, bis sie schnitt wie ein Fleischermesser. „Wachen! Bringt die Heilerin in den Kerker. Ich werde über ihr Schicksal nachdenken. Oh, mein Herz wird mir so schwer, und die Trauer währt ewiglich. Aber du Hexendrude wirst dafür zahlen! Höre: Was du sätest, wirst du ernten.“

Die protestierende Heilerin wurde abgeführt. Und Vesta scheuchte alle Anwesenden aus dem Schlafgemach ihrer verstorbenen Mutter. Dann gab sie der Majordoma des Palastes die nötigen Anweisungen für eine baldige Bestattung und ließ Heroldinnen die traurige Kunde im Reich verbreiten, dass Fama, die Siegreiche, im Lande der Toten ruhte. Die Ära der Fama war beendet.

Später betrat die junge Dame den verlassenen Thronsaal. Sie setzte sich auf den hohen Sessel der verblichenen Königin. Der weiche, purpurrote Samt der Polster, das die goldene Rücken- und die Armlehnen umfloss, schmeichelte ihrem Körper. Oder war es Einbildung? Auf jeden Fall fühlte sich Vesta, als sei es schon immer ihr Schicksal, ihre Erfüllung gewesen, das Reich zu führen und auf diesem Sessel der Macht zu sitzen. Ein wohliges Kribbeln floss durch ihren Leib. Die bittere Trauer um ihre Mutter war von kurzer Dauer und nur ein Schauspiel gewesen.

Sie griff nach Famas Krone, die auf einem edlen Kissen lag und betrachtete sie. Langsam hob sie sie über ihr Haupt und setzte sie sich auf. Ein Glücksgefühl durchströmte sie berauschend vom Schopf bis zum Fuße. So bald wie möglich würde sie sich zur neuen Königin krönen lassen! Niemand würde es wagen, ein Veto einzulegen. Sie war die Verheißung! Das Volk würde jubeln und frohlocken und ihr Glück mit ihr teilen. Schon jetzt war sie trunken von der Macht, die das Schicksal für sie bestimmt hatte.

Am nächsten Tag tauschte sie einige führende Duxas aus. Nur Personen, die sie auf ihrer Seite wusste, setzte sie in hohe Positionen ein; andere Militärs, die die Schwestern schon stets eher kritisch betrachtet hatten, entließ sie oder degradierte sie zumindest. Wer nicht für sie war, war gegen sie. Und ihre Feinde sollten in Schande gekleidet untergehen und zertreten werden wie der Dreck, der sie waren, während sie, die neue strahlende Regentin, blühte und wie eine gleißende Göttin von ihrem Throne herab ihre Güte über das Volk ausbreiten wollte.

Nur drei Tage später sorgte Vesta für ein eher bescheidenes Begräbnis ihrer welken Mutter. Die Trauerfeier wurde auf ein Minimum beschränkt. Der Leichnam lag in einer einfachen Holzkiste aufgebahrt. Priesterinnen schoben ihn in eine kleine Gruft, deren rohes Mauerwerk bereits jetzt bröckelte, wo ihr Inhalt verfaulen und verstauben sollte. Nicht weit entfernt lag der Schindanger, auf dem Verurteilte und kranke Tiere in ihren Gruben gärten und ein aasiges Bouquet die Luft schwängerte.

Umso pompöser ließ sie sich nur wenige Tage später krönen. Das Fest voll Glorie sollte das größte Ereignis werden, welches die Metropole jemals gesehen hatte. Hunderte Sklaven schufteten für die Vorbereitungen. Vesta ließ ein dekadentes Festbankett auffahren, ein gigantisches Spektakel in der Arena der Stadt veranstalten und den Tag ihrer Krönung als höchsten Feiertag des Staates ausrufen. Ganz nach dem Credo: Lobet die göttliche Vesta in ihrer Herrlichkeit und preiset sie mit Freudenschalle!

Die Heilerin vegetierte seit ihrer Festnahme in einer dunklen Kerkerzelle. Mehrfach hatten Wachfrauen sie zu ihrer Krankenbehandlung der verstorbenen Majestät befragt. Doch die verstockte Gefangene verweigerte ein Geständnis, an dem Tod die Schuld zu tragen, sondern faselte beschwörend, frei von Fehltritt zu sein. Gerade hörte sie wieder die quietschende Gittertür: Zwei Uniformierte zerrten sie hoch und brachten sie über einen Gewölbegang in einen anderen Raum. Dort rissen sie ihr die letzten verschmutzten Kleidungsfetzen vom Leibe.

Eine dritte Wachfrau in einer derben Lederrüstung befahl: „Auf das hölzerne Pferd mit der Hexe!“ Die Wächterinnen schnallten die Heilerin auf dem Gerüst fest und hingen Steinquader als Gewichte an die Füße. Anschließend löschten sie die Fackeln an der Wand und verließen die Zelle. Die schwere mit Eisen beschlagene Tür fiel kreischend ins Schloss. Der Druck der Gewichte stieg von Augenblick zu Augenblick. Die Gemarterte stöhnte, schwitzte und ächzte. Die Sitzkante ihres Sattels grub sich erbarmungslos tiefer und tiefer in ihre Weiblichkeit. Ihre Füße hingen hilflos in der Luft. Die Quader zogen sie mitleidlos in die Tiefe.

Bald schon rief sie um Gnade. Sie schrie. Sie flehte hysterisch darum, endlich beichten zu dürfen. Tränen flossen ob der unerträglichen Marter ihre Wangen hinab. Sie winselte bis sie heiser wurde, wimmerte leise vor sich hin und brachte in einem letzten Akt des Aufbäumens ein peinvolles Brüllen hervor, guttural und animalisch. Eine Kerkermeisterin schaute durch das kleine Guckloch in der Tür und kicherte. Hatte es der Arsch der Kräuterhexe etwa nicht bequem? Gemütlichen Schrittes ging sie zu einem Schemel, setzte sich und griff nach dem Weinschlauch.

Eine Weile würde sie noch warten. Wenn es nach ihr ginge, würde die Heilerin dort noch sehr lange reiten. Sie erinnerte sich mit Genuss an den Sklaven, an dem sie ausprobiert hatte, wie viele Tage er es wohl auf seinem Sattel ertrug. Ein zäher Brocken. Der wild zitternde Leib. Und die Augen! Die Augen wurden irre. Das war bei dem minderwertigen Subjekt belanglos gewesen, doch die Heilerin musste noch eine Beichte ablegen. Es war bald so weit.

Irgendwann holten die Wärterfrauen die Vogtin, um das Geständnis der greinenden Heilerin vor Zeugen entgegenzunehmen. Anschließend wurde die Jammernde von ihrem Sitz erlöst und brach in den Armen der Uniformierten kraftlos zusammen. Die Frauen glaubten, dass die Heilerin dem Wahnsinn verfallen war. Ihre Augen starrten ins Leere, aufgerissen und schienen von inneren Dämonen besessen. Sie schleiften sie durch den Gang zurück und warfen sie in ihre Kerkerzelle. Dort ketteten sie an die Wand und setzten ihr einen schweren Topfhelm auf, der am Hals verschlossen wurde. Bald war ihr Ende besiegelt. Die neue Majestät hatte längst ein Urteil gefällt: Auf dass die Meuchelmörderin hinaufgezogen werde bis der Strick sie von ihrer Todsünde reinigte.

Als die Gardistinnen von Cassandra zurückkehrten, wollten sie zunächst ihren Augen nicht trauen, als sie Vesta auf dem Thron fanden. Im Nachhinein bedauerte die Führerin der Reiseeskorte, dass sie auf dem Rückweg noch einen Tag lang bei einem Lusthaus Halt gemacht hatten. Hätten sie ihrem fleischlichen Vergnügen getrotzt, wären sie vielleicht vor Vestas Krönung zurückgekehrt. Gern hätte sie diese kolossale Feier miterlebt. Etwas sorgte bei ihr allerdings für ein ungutes Gefühl: Irgendwas stimmte nicht an an den Geschichten, die man über Famas Ableben erzählte. Sie konnte nur nicht erkennen, was daran falsch war.

Inzwischen hatte die Heilerin ihr sündiges Tun mit einem Schuldgeständnis offenbart und musste sich als Hochverräterin am Galgen verantworten - voller Güte hatte Vesta auf eine härtere Strafe verzichtet. Aber die Kräuterfrau war stets loyal gewesen. Warum hätte sie ihre Herrscherin meucheln sollen? Ihre Ehre besudeln? Das fühlte sich für die Gardistin nicht richtig an. Doch sie musste nun Vesta ihre Treue schwören und tat dies auch pflichtbewusst. Vesta war die neue Majestät. Also berichtete die Uniformierte ihr von Famas geheimer Anweisung, Aurora ins Reich der Cassandra zu schicken, jedoch nicht mehr mit zurückzunehmen. Eine Reise ohne Wiederkehr als Preis für ein Bündnis zwischen den Reichen.

Vesta stutzte. „Mutter hat Aurora also als Pfand für eine Allianz genutzt…“ Sie sinnierte vor sich hin. „Wie arglistig, diese Hexe! Wofür sie wohl mich benutzen wollte?“ Doch laut sprach sie voller Inbrunst: „Wie ehrenvoll! Fama hat für das Wohl ihres Reiches sogar eine Tochter geopfert! Welch unendlicher Preis! Welche Güte! Welche Landesliebe! Lasst sie uns tunlichst in höchsten Ehren halten! Und dies gelte ebenso für Aurora, meine geliebte Schwester. Möge es ihr gut gehen bei Cassandra und zu unserer gemeinsamen Zukunft beitragen.“ Die Gardistin verbeugte sich respektvoll vor der jungen Majestät und verließ geschwind den Thronsaal.

Vesta nahm sich vor, ihr Reich mit resoluter Hand zu regieren. Als erstes würde sie die Bittsteller-Audienzen von Schmuranten und anderem Pack mit ihrer tränigen Empfindelei abschaffen. Oder zumindest sollte die Majordoma diese und andere lästige Pflichten übernehmen. Das war ihr Einerlei. Und was war mit diesem nervenden Senat? Hatte der nicht viel zu viele Rechte? War er nicht zu ihrem Wohlgefallen da? Er langweile sie. Das musste besser werden!

Ab heute wollte Vesta sich den schönen Dingen des Lebens widmen, wie es ihr zustand. Doch gegen Abend, als es dunkelte und selbst der Mond sich versteckte, kamen ihr düstere Gedanken: Was war, wenn Aurora versuchte, zurückzukehren? Vesta fachte einen goldenen Kandelaber an, um in der sternenklaren Nacht ein Licht vor ihren Augen zu haben, in dem sie ihre Überlegungen ordnen konnte. Alle Dienstboten hatte sie aus ihrem Gemach verbannt. Sie musste alleine sein und nachdenken.

Ihre Schwester war ein grimmiger Stachel in ihrem Hintern. Sie konnte zu einem ernsthaften Problem werden. Leise murmelte die junge Königin vor sich hin. „Es grauet mir vor ihr. Aurora muss sterben! Sterben muss sie!“ Vesta war sich nur noch nicht sicher, ob sie eine Assassinin ins Reich der Cassandra schicken, oder ob sie einfach abwarten sollte, bis ihr Schwesterherz eintrudelte. Dann konnte sie sie unter einem Vorwand von der Palastwache in den Kerker werfen lassen, wo sie auf schimmligem Stroh und bei Dunkelheit vegetieren durfte, in Ketten gelegt und der Hoffnungslosigkeit hingegeben während der Duft der Schwindgrube in ihr adeliges Näschen kroch. Mit dieser Gewissheit würde Vesta noch weicher in ihrem königlichen Bette liegen.

Vesta griff nach einem quadratischen Nougatküchlein, das auf einem Zinnteller lag, und spürte, wie die Süße der Backware und die neu gewonnene Macht eine Symbiose eingingen, die ihr die Lust in die Leisten trieb. Sie schritt schlendernd durch einen weißen Portikus Richtung Harem. Auf jeder der Säulen war Famas Wappen eingraviert. Vesta nahm sich vor, der Majordoma in Auftrag zu geben, die Wappen zu entfernen und für sie ein neues zu entwerfen. Nichts sollte mehr an ihre ungeliebte Mutter erinnern.

Vor dem Harem standen zwei Wächterinnen stramm und kreuzten ihre Lanzen vor dem Eingang. Als die Majestät sich näherte, stellten sie die Speere senkrecht, um ihr den Eintritt zu ermöglichen, doch Vesta blieb auf der Türschwelle stehen und hielt inne. Was für eine Vorstellung! Die Liebesspielzeuge ihrer Mutter begehren? Niemals! Sie befahl mit strenger Stimme: „Schafft sämtliche Bettsklaven in die Kupferminen vor der Stadt! Ich will frische Ware!“

Nun stolzierte die Regentin zufrieden in ihr Privatgemach. Hinter ihr hallten die vorsichtigen Proteste und Bittgesuche der Haremsmänner durch die Säulenhalle, als sie von den Soldatinnen abgeführt wurden. Sie ahnten, was ihnen blühte. Vesta lächelte. Fama war tot. Also war auch das Minneleben dieser Geschöpfe beendet. Sollten sie ihrer neuen Königin in den Minen ihren Tribut zollen! Dafür waren sie gewiss noch einige Jahre gut genug.

Als Vesta in den Armen ihrer drei Liebesjünglinge lag, stellte sie sich vor, wie die Haremssklaven ihrer Mutter bald schon in den Kupferstollen schufteten. Plötzlich kam ihr ein Gedanke: Honos, der ehemalige Majordomus von Königin Leda! Er hatte gemeutert und Fama das Versteck der Feindin verraten. Dafür war er zu lebenslanger Minenarbeit begnadigt worden. Vesta gluckste schalkhaft. „Begnadigt!“ Sie hatte von Honos Schicksal als Lustsklave in den Minen erfahren. Trotzdem schüttelte sie mit einer kleinen Glocke nach einer Wache. „Bringt mir Honos, den Kupferminensklaven, den Mutter einst pardoniert hat.“ Sie wollte sehen, was aus ihm geworden war und sich an seinem Leid ergötzen.

Beim anschließenden Liebesspiel mit ihren drei jungen Lustsklaven fiel ihr noch etwas ein: Catu… Cato… Wie hieß der Jüngling noch? Vesta hatte sich an einen Streich erinnert, den sie mit ihrer Schwester Aurora ausgeheckt hatte: ein Straßenbursche aus der Stadt, den sie in den Palast gelockt hatten. Dann hatte er ein Brandeisen mit Vestas Initial auf seinen süßen Po erhalten. Was lustiger Schabernack! Was hatten sie gelacht! Die Wache sollte auch diesen jungen Mann finden.

Vesta wollte ihn in ihren Harem aufnehmen. Doch wie hieß er bloß? Carulus? Catulus? Ja! Catulus! Auch ihn begehrte sie! Sie brauchte mehr Sklavenmaterial! Sie wollte den größten Harem des Kontinents! Größer, als der von Cassandra! Vesta gab sich bei dieser Vorstellung ganz den Bewegungen und Liebkosungen der drei Sklaven hin, versetzte den Jünglingen in ihrer Leidenschaft Ohrfeigen und krallte ihre Finger temperamentvoll in deren Fleisch, während sie zärtlich gestreichelt wurde.

Dann fühlte sie, wie ihr nobler Leib vibrierte, wie er zu beben begann und schließlich einen gewaltigen Höhepunkt der Lust erreichte, den sie schrill und gellend herausschrie. Alles drehte sich. Die ganze Welt drehte sich um sie. Sie war das Zentrum aller Dinge und spürte eine Befriedigung darin, wie nie zuvor. Ihre intrigante Meuchelei an ihrer Mutter hatte sie längst vergessen. Sie war so vergessen wie der leblose Leib der Heilerin, der noch immer vor den Toren im Winde baumelte und die Krähen speiste.

Ein Trupp aus acht Sklaven marschierte nackt und mit Ketten an ihren Halsbändern verbunden in zwei Reihen an den Gebeinen vorbei, angetrieben von zwei Frauen in Lederrüstung und mit langen Peitschen bewaffnet, die auf ihren Rappen saßen. Die Leibeigenen stammten von einer Farm einer Großgrundbesitzerin, die sie an eine Müllerin in der Metropole verscherbelt hatte. Ein Überschuss, der nur seine Bäuche füllen wollte.

Die Müllerin jedoch brauchte dringend neue Arbeiter, die den Mühlstein drehten und war froh über den günstigen Preis. Es sollte sich jedoch rächen, dass sie sie nicht begutachtet hatte, denn die Männer erweckten keinen guten Eindruck. Striemen über Striemen bedeckten ihre Leiber, zeugten also von Faulheit. Und ihre Gestalt wies nur Haut und Knochen auf. Jede Rippe war zu zählen und ihre Augen lagen tief im Schädel. Wie sollten diese armseligen Geschöpfe schwere Arbeit leisten? Aber das interessierte die zwei Reiterinnen nicht, denn sie sollten die Ware nur abliefern. Die Münzen waren schon von einer Hand zur nächsten gewechselt.

In Ledanien stürmte ein Wirbelwind über ein Feld und riss einige Sträucher und Büsche empor. So wenig, wie sie der urtümlichen Gewalt entkamen, erging es auch Leda, die ihrem Gemahl nicht länger aus dem Weg gehen konnte. Er sprach sie auf seinen Aufschluss an und forderte endgültig den Schlüssel. „Gib ihn mir! Jetzt! Ich will nicht mehr eingesperrt sein! Der Keuschheitsgürtel macht es nur schlimmer. Ich habe meine Manneskraft verloren, doch meine Lust ist ungebrochen! Ich will ihr, die mich so heiß entzündet, nicht mehr entsagen müssen.“

Er streckte der Königin verlangend die leere Hand entgegen. „Gib ihn mir! Ich werde mich im Schlafgemach zurückziehen, so dass ich dich nicht belästige und dein Auge beleidige.“ Leda seufzte leidvoll. Nun musste sie die Misere zugeben. Sie konnte ihm bei ihrer Beichte nicht in die Augen schauen. „Ich habe den Schlüssel zu meinem Verdruss verloren“. Ihre Worte voll Wahr schienen nachzuhallen wie in einer gewaltigen Tempelhalle. Doch in Wahrheit herrschte absolute Stille. Bedrückende Stille, die umso lauter schrie.

Abas sah sie ungläubig, geradezu entsetzt an. Das Stück Brot mit Gänseschmalz, das er sich gerade einverleiben wollte, sank zurück auf den Teller. In nächsten Moment sprach die Majestät beruhigend: „Sei unverzagt, Liebster. Ich finde ihn. Er kann nur irgendwo im Badehaus liegen. Vielleicht im Zuber oder daneben… Die Dienstboten und Zofen werden ihn suchen und entdecken.“ Abas spürte, wie sich seine Männlichkeit wie aus Angst an seinen Leib zog, beinahe so krampfartig, dass er glaubte, er würde innerlich zerreißen. Sein Begehren wuchs um das Doppelte und ließ ihn unwillkürlich aufseufzen. Eine gemeine Frustration erblühte in seinem Unterleib und breitete sich aus wie eine schwarze Fäulnis.

Sobald Leda alleine war, suchte sie ohne Zaudern den Obersten auf. Sie packte ihn mit den Fäusten in der Höhe seiner kräftigen Brust ans Gewand. „Zelos! Du – musst – den – Schlüssel – finden!“ Ihre Worte klangen wie eine Beschwörung. Zelos zuckte mit den Schultern. „Und wenn ich ihn bei der Jagd im Wald verloren habe?“ Leda seufzte. „Dann bleibt nur eine Wahl. Du musst den Schmied aufsuchen und einen Ersatz besorgen.“ Zelos wandte ein: „Dazu müsste der den Keuschheitsgürtel sehen.“ Leda stöhnte. „Oder gibt es einen Schmied, der den Gürtel mit seinem Werkzeug öffnen kann?“ Zelos kratzte sich am Kinn. „Ohne den Königsgemahl zu verletzen? Ich weiß nicht… Und außerdem müsste er verschwiegen sein wie ein Grab.“

Er sah der Regentin an, wie sie in dieser hoffnungslosen Lage litt. „Lasst alles beim Alten“, empfahl er ihr. „Das ist das Beste. Niemand darf erfahren, dass der Königsgemahl einen Keuschheitsgürtel trägt und seine Manneskraft verloren hat.“ Leda nickte resignierend. „Und du hättest es auch niemals erfahren dürfen.“ Zelos war entrüstet über dieses Aussage. „Leda! Majestät!“ Leda sank in die Arme des obersten Gardisten und vergoss salzige Tränen an seinem Gewand. Sie fühle sich nicht wie eine Königin. Sie fühlte sich wie eine liederliche Metze mit Schwarzseele und Herzeleid.

190. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von AlfvM am 01.01.22 19:50

Hallo Prallbeutel,
vielen Dank für deine tolle Geschichte.
Ein gutes neues Jahr, Gesundheit, Glück und viele Ideen für deine Geschichte.
GLG Alf
191. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 03.01.22 18:23

@ AlfvM: Danke. Wünsche dir auch ein frohes Neues!



Zelos streichelte den Rücken der Regentin, strich über das glänzende Haar, das nach Lavendelöl duftete. Leda presste sich enger an ihn. Er küsste sie sanft auf die Stirn. „Wir werden einen Ausweg finden“, versprach er. Die Augen der beiden trafen sich und versanken gegenseitig in einer tiefen Vereinigung. Sie griff um seinen Nacken und zog sein Gesicht zu ihr hinab. Dann fanden sich ihre Lippen, erst zaghaft, dann gieriger. Zelos spürte, wie sein Gemächt zuckte. Die Lust überflutete sie; und schon kurz darauf lagen sie übereinander auf einem breiten Diwan und liebten sich wie Mann und Frau. Abas war vergessen…

Gladius schritt durch den Gang der Burg und war in ein Gespräch mit einem Berater versunken. Der Gelehrte erläuterte ihm die Details. Der neue Vertrag mit dem Stadtstaat der Helena verursachte viel Arbeit. Es musste eine Prüfungskommission zusammengestellt werden, die kontrollierte, ob Helena sich an die Absprachen hielt. Der Schultheiß Gladius und der Majordomus und königliche Berater Hagbard hatten zu einer Besprechungsrunde geladen, an der auch weitere Gardisten teilnahmen. „Ich werde Königin Leda kundtun, dass wir nun beginnen“, sagte Hagbard und lief den Flur weiter geradeaus, während Gladius sich in den Fahnen- und Wappensaal begab, wo er den Vorsitz führen sollte.

Hagbard fragte die Wache, wo die Königin sei. „Majestät ist in einer Unterredung mit dem Obersten“, antwortete der Wachmann mit starrem Blick. „Das trifft sich ausgezeichnet“, meinte Hagbard. „Zelos soll ebenfalls an der Zusammenkunft teilnehmen.“ Er lief zur Kammer des obersten Gardisten und wollte gerade an der Eichentür klopfen, da hörte er frivole Lustschreie aus dem Gemach, die wohl ein Weib zu unterdrücken versuchte, doch gelang ihr dieses Vorhaben nicht so recht. Hagbard schmunzelte. „Dieser Lüstling!“, titulierte er den Obersten murmelnd. Kurz vor der Beraterrunde sich eine Magd als Buhle in die Federn zu locken!

Hagbard hatte keine Zeit zu verlieren und klopfte laut. „Oberster! Hagbard hier. Ihr werdet im Fahnensaal erwartet. Beeilt Euch!“ Die Lustgeräusche waren augenblicklich verstummt. Hagbard grinste. Da hatte er dem Stölzling wohl das Vergnügen mit seiner Dirne verdorben. Aber die Regierungsgeschäfte waren wichtiger. Sollte sein Weib doch in der Zwischenzeit das Bett für ihn wärmen.

Als Hagbard einige Schritte gegangen war, drehte er auf dem Absatz seines Stiefels um und schritt zur Tür zurück. Er trat ohne Erlaubnis ein und fragte: „Wisst Ihr vielleicht, wo ich die Majestät finden…“ Das letzte Wort blieb ihm in der Kehle stecken. Vor ihm sah er nicht nur den nackten Gardisten, der stolz sein Liebesschwert vor der Hüfte trug, sondern auch das Weib, dass sich hastig die Leibwäsche um den Körper wickelte – Leda! Hagbard war wie zur Salzsäule erstarrt. „Ma –jes – tät?“ Er rieb sich ungläubig die Augen.

Leda hatte sich einen Umhang aus besticktem Kattun umgeworfen, der über einer umgedrehten Bütte gelegen hatte. Da hörte sie plötzlich eine Klinge klirren. Entsetzt sah sie, wie Zelos nach seinem Rüstgehänge gegriffen hatte und ein Kurzschwert zog. „NEIN!“, rief Leda aufgebracht. „Senkt die Klinge!“ Zelos knurrte. „Unser Geheimnis darf niemand erfahren. Sonst wären wir beide verloren!“ Er näherte sich dem immer noch wie eingefroren dastehenden Hagbard, dessen Unterkiefer herabgefallen war. „Das erlaube ich nicht!“, rief Leda bestimmt. „Steckt das Schwert weg! Das ist ein Befehl Eurer Königin! Sofort!“

Zelos war anzumerken, wie er in einen Zwiespalt geriet. Wie gegen eine unbändige Macht bewegte er sich Fuß um Fuß auf Hagbard zu. Doch sein Schwert erschien ihm nun tonnenschwer und jeder Schritt kostete ihn Kraft, als müsse er einen beladenen Ochsenkarren ziehen. Trotz aller Unbill erreichte die zitternde Spitze der Waffe die Brust des Majordomus und berührte das Leinentuch seines Wamses. „Wagt es nicht! Runter mit der Klinge!“, befahl die Königin erneut mit resoluter Stimme. Vor Aufregung verlor sie einen großen Teil des Tuches von ihrer Blöße, so dass ihre adligen Knospen aufblitzten.

Nach einem endlos wirkenden Augenblick steckte Zelos sein Schwert in die Scheide des ledernen Gehänges zurück. Fluchtartig verließ er das Gemach. Hagbard stand noch immer wie erstarrt da. „Majestät, ich…“ Leda kam auf ihn zu und sagte mit ruhiger Stimme, obwohl sie innerlich aufgewühlt war: „Ich habe einen schweren Fehler gemacht, Hagbard. Könnt Ihr dieses Geheimnis für Euch behalten?“ Hagbard senkte ein wenig den Kopf. Dann hob er stolz das Kinn: „Jawohl, meine Majestät.“ Diese Niedertracht des obersten Gardisten! Aber er musste seiner Königin gehorchen. Das hatte er in einem Treueeid geschworen. Leda atmete erleichtert aus. Sie ahnte nichts von dem dräuenden Ungemach. Ein Wimpernschlag später knallte die Tür auf: Abas stand im Rahmen und zog sein Schwert.

Die fast nackte Leda und der bei ihr stehende Hagbard konnten nur eines bedeuten. „DU?“, brüllte er trunken von Wut. „Du schändest meine Gemahlin? Die Königin? Du treibst Unzucht mit ihr?“ Aufbrüllend wie ein leuenmutiger Berserker rannte der Hahnrei auf den Berater zu, die Waffe hoch erhoben, zum tödlichen Schlag bereit, um dem Rivalen die schändliche Fleischeslust auszutreiben.

Hagbard wehrte mit den bloßen Händen ab: „Nein, geschätzter Königsgemahl! Ihr irrt! Lasst Euch erklären!“ Doch Abas hastete für seine Verhältnisse unglaublich eilig herbei. Noch wenige Schritte trennten ihn von dem Majordomus und vermeintlichen Liebhaber seines Weibes. Leda schrie auf. Einen Lidschlag später stach Abas mit aller Kraft zu und durchbohrte das Herz des Majordomus, bevor dieser noch eine Silbe sprechen konnte. Leda hielt entsetzt ihre Hände vor das aschfahle Gesicht und starrte fassungslos durch ihre Finger auf den erstochenen Berater. „Was hast du getan!?“, stammelte die Regentin.

Abas schaute grimmig von Hagbard zu seinem Weib. „Was hast DU getan?“, knurrte er zwischen den Zähnen hervor. Er wischte seine Klinge despektierlich an dem Liegenden ab und steckte sie ein. Dann verließ er die Kammer und schüttelte betrübt den Kopf. Dass er die beiden im Gemach des Obersten gefunden hatte, schien ihn nicht zu verwundern. Vermutlich war ihnen bekannt, das Zelos an der Besprechung teilnahm und sie fühlten sich dort am sichersten für ihre schändliche Umtriebigkeit, dachte er. Und das hatte Hagbard nun mit dem Tode bezahlt.

Er hinkte den Flur der Burg entlang. Bald kam ihm Gladius entgegen. „Mein Herr, wisst Ihr etwas zu dem Verbleib der Majestät? Alle erwarten sie im Fahnensaal. Und auch Zelos und Hagbard fehlen noch.“ Abas lächelte verkrampft. „Seid ohne Sorge. Sie werden gewiss gleich erscheinen.“ Der Königsgemahl schlurfte mit schmerzender Hüfte und leerem Blick in eine Rüstkammer der Zitadelle. Er wollte alleine sein. Er ließ sich auf einen Holzschemel fallen und nahm vom Tisch eine Kalebasse, die mit Gerstengebräu gefüllt war. Er musste seinen Zorn, der wie Zunder entflammt war, löschen. Abas trank ohne abzusetzen das Gefäß leer und schleuderte es anschließend gegen die Wand.

Alldieweil hatte Gladius die Königin gefunden, die wieder ihr Gewand trug und ein Kurzschwert in der Hand hielt. „Um der Alten Götter Willen! Was ist geschehen?“, rief der Schultheiß. Leda erzählte schluchzend von dem frevelhaften Versuch Hagbards, die Majestät zu beflecken. Gladius war außer sich und brüllte nach den Wachen. Kurz darauf polterten Soldaten und Soldatinnen, darunter auch Nike, herbei. Die Gardistin befahl, den toten Hagbard zu entfernen und das Gemach des Obersten zu säubern.

Ein Medikus wurde gerufen, der sich um die sichtbar entsetzte Königin kümmerte. Die Unterredung zum Vertrag mit dem Reich der Helena musste verschoben werden. Gladius hatte den Anwesenden von dem Vorfall berichtet. Zelos war bleich wie Elfenbein geworden. Hagbard war von Leda erstochen worden? Sie hatte skrupellos den Zeugen beseitigt? Das hätte er ihr niemals zugetraut. Warum hatte sie den Majordomus dann zunächst verteidigt? Aus Weibern wurde er nicht schlau. Aber so, wie es nun geschehen war, war es wohl am besten…

Helenas Abordnung und die Delegation aus Ledanien waren inzwischen zurück in dem Stadtstaat. Die weiblichen Gardisten aus dem Westen wurden herzlich empfangen, die männlichen Begleiter eher mit skeptischen Blicken beleidigt, doch hielten sich alle zurück, um den neu gewonnenen Frieden nicht zu gefährden.

Die Regentin begrüßte die ledanischen Gäste und machte keine Unterschiede zwischen Mann und Weib. Zwei Senatorinnen der Helena pressten unwillig ihre Lippen zusammen, als die Königin den männlichen Ledaniern freundlich zunickte und sie herzlich willkommen hieß. Sie unterzeichnete in der folgenden Zeremonie den Kontrakt zwischen den Reichen mit ihrer Feder, streute ein wenig feinen Sand darüber, um die Schrift zu trocknen, und gab eine Ausfertigung der Pergamentrolle zurück an eine Gardistin der Leda.

Helena schlug vor, den Vertrag mit einem opulenten Festbankett zu besiegeln. Am Abend sollte es im großen Palast stattfinden. Die Duxas hatten strenge Anweisung, dafür zu sorgen, dass männliche Bedienstete angemessen behandelt wurden. Es sollte nicht gleich der Eindruck entstehen, als nähme der Stadtstaat den Kontrakt auf die leichte Schulter. Eine Senatorin eilte in diesem Moment herbei und flüsterte der Hoheit etwas zu. Helenas Miene wurde ernst. Dann verkündete sie Ungemach. „Es gibt Besorgnis erregende Kunde aus dem Osten.“ Alle hingen der Hoheit an den Lippen. „Fama ist tot. Eine Tochter hat sich die Krone aufs Haupt gesetzt. Und es gibt Gerüchte über eine Allianz mit dem Reich der Cassandra.“

Ein Raunen ging durch den Saal. Die Abordnung aus Ledanien sah sich an. Auch die Senatorinnen und Duxas der Helena waren alarmiert. Zwei extremistische Reiche konservativer Frauenvormacht hatten einen Pakt geschlossen und bildeten ein gemeinsames Bündnis. Da war ein Kriegszug Richtung Westen wahrlich nicht mehr weit. Passend zur Stimmung dräute ein Unwetter am Himmel und verschluckte die Sonne hinter dunklen Wolken.

Am Abend gab es zunächst erlesene Brochettes und feinen Trunk zu den Feierlichkeiten. Die Delegation aus Ledanien hatte nur einen Teil des Palastes gesehen und war von dem imponierenden und sensationellen Prachtbau mehr als nur beeindruckt. „Magnifik!“, war das Wort, das aus mehreren Mündern geflüstert wurde. Die hohen Decken waren mit Stuck verziert, und gewaltige Marmorsäulen bildete ganze Reihen, auf denen die Kapitellen thronten. Kostbare Wandteppiche zeigten detaillierte Motive von Edeldamen, Landschaften und Kriegszügen der Armee.

Ihr Weg führte durch einen langen Gang mit Spitzbogen zum Festsaal. Peinlich genau war die Sitzordnung an den langen Tischen darauf ausgerichtet, dass die männlichen Ledanier nicht benachteiligt wurden. Als zweiten Gang brachten die Träger leckeres Soufflé, dann folgten Rebhuhnbraten, Ganterbrust und feinstes Lammfilet mit geschmorten Pilzen. Später tischte das Gesinde gepfefferte Kirschen mit Vanilleschoten, Mandelmilch, Huhn in Zimtsauce, diverse Pasteten und Linsenpüree, Gemüsekuchen und überbackene Fleischspieße auf – die Auswahl war schier endlos. Und dazu gab es besten Rotwein oder frisches Met.

An den hohen Wänden flackerten Fackeln jeweils links und rechts der großen Rosettenfenster. Aber auch massive Kronleuchter, die von der Decke hingen, und zahlreiche Lichter auf den Tischen sorgten für eine angenehme und doch festliche Helligkeit. Eilig hatten mehrere Lakaien mit ihren Kienspänen die Kerzen und Lichter entfacht und waren wieder in die Küche verschwunden. Die Feiernden fraßen sich durch die getürmten Haufen und opulenten Berge diverser Speisen bis alle Bäuche bis zum Rand gefüllt waren und zu bersten drohten.

An einer Seite des Saals dudelten einige Musiker spielselig fröhliche Melodien auf ihren Tröten und Holzflöten, die so gar nicht zu den kalten Mauern passen wollten, aus denen der Palast bestand - ein dekadentes Bauwerk, das mit seiner extravaganten und trutzigen Architektur wie ein arglistiges Urtier in der Stadt hockte und auf seine Opfer lauerte.

Auch zwei Panflöten kamen zum Einsatz, denen die Ledanier staunend lauschten, denn solche Klänge hatten sie bisher niemals vernommen. Helena berichtete, dass diese Instrumente aus dem fernen Ostkontinent stammten. Das Volk der Amazonen habe diese verwendet. Bei einer Sklavenjagd für Megara waren die Flöten in ihre Hände gefallen. Zehn Dutzend Stück hatten sie damals mitgebracht - Sklaven, nicht Holzpfeifen.

Im Laufe des Abends entwickelte sich die anfangs noch etwas steife Runde zu einem lockeren und feuchtfröhlichen Weingelage. Helena und einige Senatorinnen hatten befürchtet, es könnte zu Streitereien zwischen Damen und den Ledaniern kommen, doch weit gefehlt: Die gar nicht unterwürfigen Recken der Leda und einige der sonst so hochnäsigen Ladys vergnügten sich bei den Schrittfolgen des Tanzes poussierend oder im gemeinsamen Gespräch am Tisch, bei dem Hände und Füße erst verschämt, dann frivol und offen miteinander anbändelten und schließlich leidenschaftliche Küsse Dekollete und Lippen des Gegenüber trafen.

Konservative Senatorinnen und Duxas waren eine Spur pikiert, doch je später die Stunde, desto weniger schien sie die ungewohnte Vereinigung zwischen freien Recken und Damen zu stören. Aus Respekt vor der Majestät blieben die Handlungen der Anwesenden im gesellschaftlichen Rahmen und Biedersinn, doch so manches neu gefundene Paar suchte geflissentlich nach einem verlassenen Gemach, wo sie der Liebe freien Lauf lassen durften – und davon gab es reichlich Platz in dem weitläufigen Palast mit seinen dunklen Ecken.

Als dann eine Gardistin der Leda einen Trinkspruch auf Herrscherin Helena sprechen wollte und als Zeichen der Treue ihr Kurzschwert zog, um den Griff an ihr Herz zu drücken, schätzten die Palastwächterinnen der Helena die Lage falsch ein: Die Königin, die große Angst vor Anschlägen hatte, wurde stets von Wachfrauen begleitet, so waren diese immer auf der Hut. Die Gerüsteten schirmten die Despotin mit langen tropfenförmigen Langschilden ab und richteten Hellebarden auf die Gardistin. So kam es fast zu einem Eklat, doch schnell war die Sache aufgeklärt und man lachte über das Missverständnis, ohne dass jemandem ein Zacken aus der Krone gebrochen war.

Am nächsten Morgen verabschiedete sich die ledanische Delegation, um hoch zu Ross zurück zur Westküste zu kehren. Bald schon sollten die ersten Handelswege geöffnet werden, um Lebensmittel in den Stadtstaat zu transportieren sowie Waffen und Werkzeuge nach Ledanien zu bringen. Mit neuen Armbrüsten ausgerüstet machten sich die Ledanier also auf den Heimweg. Die Vogelfreien der „Freien Ländereien“ würden so armiert keine Gefahr für die Reisenden darstellen. Und schon bald sollten die Strauchdiebe und anderes Pack ganz vertrieben sein, denn die geplanten Handelsrouten für die Kaufleute mussten freilich von kleinen Garnisonen und Patrouillen bewacht werden.

Helena besprach mit ihren Senatorinnen das weitere Vorgehen. Das Volk musste genau über die neuen Gesetze und Rechte der Mannbilder informiert werden, damit es nicht zu Verwirrungen kam. Eine Senatorin gab zu bedenken, dass dies für die Untertanen eine schwere Kröte sei, die sie zu schlucken hatten. „Wir sollten die Bürgerinnen vorsichtig daran gewöhnen, dass die Keuschheitspflicht vermutlich ganz abgeschafft wird. Und Züchtigungen wird es ja auch nur noch unter berechtigten Gründen geben. Ich fürchte, dass die Empörung groß sein wird. Die Reformen sind zu einschneidend, zu grundlegend…“ Helena unterbrach mit einer unwirschen Handbewegung. „Diese Wehrmutstropfen müssen die Damen hinnehmen. Wäre es besser, wenn sie von der Ostallianz unterjocht werden?“

Die Senatorin verneigte sich, so dass ihr Anhänger ihrer Halskette, eine Gemme aus Karneol, in der Luft schaukelte, und dachte bei sich: „Den Damen würde wohl nichts geschehen. Nur Ihr, werte Helena, würdet vom Thron gestoßen. Erst recht als ehemalige Statthalterin der Fama, die sich vom Großreich unabhängig erklärt hat. Die Nachfolgerin, wer es auch sei, wird trefflich noch ein Hühnchen mit dir zu rupfen haben, werte Helena.“ Doch der Senatorin kamen die scharfen Worte nicht über ihre Zunge. Sie selbst würde im Falle einer Übernahme der Ostallianz einfach die Seiten wechseln.
192. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von M A G N U S am 03.01.22 21:56

Vermutlich war es die hemmungslose Begierde, die Leda und Zelos unvorsichtig werden ließ; prompt konnte der Berater in das unverschlossene Gemach eintreten und die beiden in flagranti erwischen - eine durchaus realistische Handlung, ich kenne eine Person im , die genauso unvorsichtig war...
- Danke für die Fortsetzungen des umfangreichen Romans, alles Gute im Neuen Jahr; ich bin neugierig, wieviele Episoden noch folgen werden!
193. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von sheeeep am 04.01.22 19:47

Die Geschichte nimmt "wilde" Wendungen! Sehr spannend..... Mal wieder herzlichen Dank und natürlich dir und allen Forenmitgliedern ein gutes neues Jahr (und dem Virus die Pest an den "Hals".... ...... )

Grüße
shoeps
194. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 07.01.22 21:29

@ M A G N U S & @ sheeeep:

Danke für die freundlichen Feedbacks!
195. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 07.01.22 21:33

Die feudale Helena zog sich in ihr Harem zurück. Mit dem neuen Kontrakt würden Harems unter strenge Auflagen gesetzt. Praktisch war es kaum noch möglich sich Lustsklaven zu halten. Die Männer mussten unterzeichnen, dass sie freiwillig diese Tätigkeit ausübten und sogar einen Lohn dafür erhielten - mit ihrem Daumenabdruck, denn welcher Mann konnte schon lesen?! Helena jedoch, so liberal sie ansonsten war, wollte nicht auf ihren Harem verzichten. Er sollte im Geheimen weiterhin existieren. Es war als Monarchin zwar ihr Privileg eine Ausnahmeregelung zu schaffen, doch sollte das Volk ihr nicht Heuchelei vorwerfen, Wasser zu predigen und Wein zu trinken.

Helena betrat den Lustflügel. Sie trug nur ein hauchdünnes Gewand. Um ihre Hüften lag ein Gürtel, der von einer Schnalle mit einem großen ovalen Onyx verziert wurde. Ihr hübsches Antlitz wurde von ihren langen Haaren umrahmt. Die Herrin schloss zwei dankbeflissene Sklaven auf und klatschte auch nach Aphron, der ihr kniend zusehen sollte, wie sie sich von den beiden potenten Mannsbildern verwöhnen ließ. Als Finale, so befahl die Herrscherin, musste Aphron die beiden Leibeigenen befriedigen. Der Verschlossene bettelte mit seinem Blick, doch die Herrin war unerbittlich. Sie forderte seine Pflicht ein.

Und so sollte der eine Lustsklave die geschickte Zunge Aphrons und dessen feste Lippen spüren, während der zweite mit lustvollen Hüftstößen auf der anderen Seite des Verhurten eindrang. Helena nippte an süßem Met und genoss den hübschen Anblick. Mit einer erhobenen Augenbraue erhaschte sie, dass auch Aphrons Männlichkeit ungezügelt war, denn aus dem Keuschheitsgürtel tropfte es. Oder hatte er vor Angst etwa seine Beherrschung verloren?

Nein, entschied Helena, Aphron war ein Lustmolch, daran bestand nun kein Zweifel mehr. Er würde niemals wieder aufgesperrt werden. Sie musste ihn vor sich selbst schützen. Kichernd verließ die Gebieterin den Raum, um sich zur Ruhe zu betten. Sie ließ ihr edles Gewand fallen und schlüpfte nackten Leibes in ihr Bett. Sanft sank sie in die kühlen seidenen Kissen und streckte ihre königliche Gestalt aus.

Aurora brütete düster in ihrem neuen Prachtdomizil. Ein Ausreiseverbot hatte Cassandra ihr verhängt und schließlich sogar einen Hausarrest! Fast wie eine gewöhnliche Gefangene war sie abgeführt worden! Die Prinzessin war immer noch völlig außer sich. Sie dachte gar nicht daran, als honette Adelsdame ihre Contenance zu wahren. Die Tochter der Fama hatte sich anfangs wie eine Wildkatze gebärdet, hatte Vasen und Kristallpokale an den Wänden zerbersten lassen, hatte mit einer Gerte auf sämtliche Bedienstete eingeschlagen, hatte Seidenvorhänge hinabgerissen und eine Büste mit dem Antlitz der Cassandra bespuckt, hatte gegen Türen getrommelt und einen blumigen Strauß voller undamenhafter Flüche geschrien. Aber alles hatte nichts geholfen. Sie befand sich im Hausarrest.

Zwar durfte nach cassandrischen Gesetzen kein Mann Hand an eine Dame legen, doch genügend Wachfrauen sorgten dafür, dass Aurora ihr Palais nicht verließ. Nichts konnte ihre Laune bessern, die durch die impertinente Auflage, das Heim nicht zu verlassen, in tiefste Schlünde gesunken war. Weder ihr Lieblingssoufflé mit Vanilleschoten noch ein possierlicher mit Sabberlätzchen, karierten Pluderhosen, Schnabelschuhwerk und bunt geschecktem Wams kostümierte Hofnarr der Autokratin konnten sie aufheitern, als er mit Glöckchen und Rassel ulkige Verrenkungen vollführte und mit seinem Silberblick spaßige Reime vortrug.

Aurora ließ den Spaßmacher zu seinem Ungemach aus dem Haus peitschen. Hinter ihm hörte er ihre schrille Stimme und Wörter wie Streckbank, Mundbirne und irgendwas mit glühenden Zangen. Panisch rannte er ziellos von dannen und hielt sich jammernd die Ohren zu, bis er der zubeißenden Geißel entkommen war, die ihm noch eine Weile gefolgt war.

Nun kullerten einige wütende Tränen über Auroras Antlitz. Cassandra hatte nach der Hochzeitszeremonie zwar deutlich gemacht, dass der Hausarrest nur vorläufig galt, „bis Ihr Euch an Eure neue Heimat gewöhnt habt, mein Kind“. Doch Aurora war garstig aufgesprungen: „Niemals werde ich mich daran gewöhnen!“ Zur Unterstreichung ihrer Worte hatte sie eine Kristallkaraffe gegriffen und auf dem Boden zerschellen lassen.

Wie konnte ihre Mutter sie nur so niederträchtig verraten? Und ihre Begleitung! - Da kam ihr plötzlich eine Eingebung. Sie fragte, ob sie die Soldatin sprechen könne, die sie hatte erpressen wollen. Eine Duxa der Cassandra pochte allerdings darauf, dass die Soldatin dazu aus dem Kerker zu Aurora gebracht werden müsse. Nun war es so weit. „Lasst uns allein!“, kommandierte Aurora scharf und schickte zwei Wächterinnen und zwei Haussklaven hinaus.

Die ehemalige Soldatin kniete auf dem Boden, die Hände hinter dem Rücken in Eisen gelegt. Zwischen ihren Füßen verlief eine kurze Kette. Die schweren Eisenbänder lagen eng um ihre Knöchel und hatten schon böse Spuren gemalt. Sie trug nicht mehr die Uniform der Metropole sondern ein einfaches, ärmelloses und schmutziges Leinenkleid, das man ihr hingeworfen hatte.

Aurora stolzierte hochnäsig näher. „Bereut Ihr, dass Ihr mich erpressen wolltet, Weib?“ Die Soldatin starrte auf den Boden vor sich. Langsam hob sie das Gesicht, das so dreckig war, dass eventuelle Spuren von Bestrafungen nicht zu sehen waren. „Hohes Fräulein“, begann die Gefangene, doch Aurora unterbrach brüsk: „Ich bin vermählt! Das Fräulein kannst du dir da hin stecken, wo dich die Wachen beglücken! Und diese gruselige Hochzeit habe ich dir und den anderen Verräterinnen zu verdanken! Ihr habt davon gewusst! Dafür sollst du doppelt und für alle deine Mitstreiterinnen büßen!“

Die Soldatin keuchte. „Aber ich wusste doch nichts davon, dass wir ohne Euch zurückkehren sollen. Das habe ich erst hier erfahren.“ Aurora spuckte abfällig aus. „Du, meine Liebe, wirst auf keinen Fall mehr die Sonne sehen. Bis zu deinem Lebensende wirst du bei Zwangsarbeit im Kerker schuften und an mich denken!“ Die Kniende zitterte. „Bitte gewährt mir Milde! Im Kerker bin ich das einzige Weib. Und die Wächterinnen sorgen sich einen feuchten Kehricht darum, was in der Gewölbezelle geschieht.“ Aurora grinste diabolisch. „Das freut mich zu hören. Vielleicht besuche ich dich mal.“ Sie klatschte in Hände und die Wachfrauen erschienen. „Bringt sie vorerst ins Loch! Und sorgt dafür, dass ihr nicht langweilig wird. Und wenn sie bereit ist, soll sie schuften.“

Schallend lachend übertönte sie das bettelnde Gestammel der Frau, die, links und rechts von den Uniformierten umrahmt, grob abgeführt wurde. Sie stießen sie ein paar schlammige Stufen hinab, und dann brachte man sie zu einem Bodengitter. Eine Wächterin öffnete es quietschend. Die andere stieß die Gefangene hinab. Der Hohlraum darunter war nicht sehr tief. Die Gefangene konnte mit ihren Fingern das Gitter über ihr erreichen. Doch nach einem Stiefeltritt zog sie sie schnell zurück. In den folgenden Stunden wuchs ihre Angst ins Unerträgliche, und ihr Geist spann einen Kokon um ihren Verstand, um nicht verrückt zu werden.

Aurora setzte sich auf einen riesigen Diwan, der mit magnolienweißer Seide bespannt war und auf goldenen Füßen stand, und goss sich einen Schoppen Wein in einen Silberkelch. Langsam ließ sie den dunkelroten Inhalt darin kreisen. Dann stürzte sie alles hastig ihre Kehle hinab und eilte in ihr Schlafgemach. Unterwegs rief sie einem Haussklaven zu: „Bring mir meinen Mann!“

Aurora griff blasiert nach einem hölzernen Luststab, den sie sich mit dem angebrachten Ledergürtel um die Hüfte band. Anschließend griff sie an ihr festgeschnürtes Mieder, aus dem ihre Brüste fast hinausdrängten und genoss die Berührung ihres Leibes. Geteiltes Leid war halbes Leid. Und wenn die Soldatin die eine Hälfte erlitt, ihr Gemahl die zweite, dann blieb für Aurora nur noch das Pläsier übrig.

Leise seufzte sie. Perfekt würde es nicht sein, denn sie war immer noch in Cassandria gefangen. Doch so bald sich eine Möglichkeit finden würde, zur Metropole zurückzukehren, würde sie diese nutzen. Ihre Mutter würde ihren Plan bitter bereuen! Sie beabsichtigte, sie heimlich vergiften oder meucheln zu lassen oder die Empore hinabzustürzen oder ihr einfach einen Dolch ins verdorbene Herz zu rammen.

Es währte nicht mehr lange, da konnte die Prinzessin ihren Kummer und ihre trüben Gedanken durch die Lockungen des Fleisches, die sündige Lust verdrängen. Ihr Gemahl stand mit dem Rücken zu ihr tief vorgebeugt und wurde von seiner Eheherrin kräftig mit dem hölzernen und mit Gänsefett eingeriebenen Liebesstab gestoßen. Aus dem Keuschheitsgürtel des stöhnenden Mannes landeten Lusttropfen auf dem kahlen Boden, doch eine Befriedigung erhielt er nicht.

Im Gegenteil zu seiner frustrierenden Hitze seines Gemächts und dem noch feuriger lodernden Hintern, gönnte sich Aurora bald seine feuchte Zunge, während sie ihn gleichzeitig von einem Haussklaven mit der Holzkeule rammeln ließ, bis sie vor zauberumstrickter Lust und Ekstase spitz schrie und ihre Finger in die Kissen krampfte. In diesem Punkt hatte Cassandra keine falschen Versprechungen gemacht: Das Sklavenmaterial war erster Güte, musste Aurora anerkennend feststellen, während Wellen der Wonne durch ihren Leib schwappten und sie vor Glückseligkeit Purzelbäume hätte schlagen können.

Doch des Nachts, als der Mond schimmernd seine Reise tat, kamen die grüblerischen Gedanken zurück. Sie schlichen sich in ihren Kopf wie böse Kobolde, die sie peinigen wollten. Sie fühlte sich wie ein Kanarienvogel in einem engen goldenen Käfig. Ob sich die Wachen bestechen ließen? Die Grenzarmee? Vielleicht konnte sie sogar Cassandra vom Thron stürzen? - Träumereien, schalt sie sich im nächsten Augenblick und zog eine Schnute. Aber niemals würde sie zulassen, für immer und ewig in Cassandria zu bleiben, während womöglich eines Tages ihr Schwesterherz Vesta die Krone der Metropole aufsetzte!

Und wie ein Vorbote des Unheils jagten die Alten Götter in dieser Nacht ein Elmsfeuer auf die gewaltige Statue der Cassandra, draußen auf dem Marktplatz der Stadt, wo das formidable Konterfei der Tyrannin hoch über den Dächern der Gebäude ins Firmament ragte. Waren die Blitze ein Zeichen, das die Zukunft voll Gefahren war? Aurora versteckte sich in ihrem Bett unter ihrer Seidendecke vor den Geistern der Nacht.

In Ledanien schien die Sonne vom blauen Himmel. Der Königsgemahl Abas saß in einer dunklen Kammer und blickte auf die Schießscharte, die nur einen Lichtspalt hineinließ. In dem grellen Sonnenstrahl flog der Staub der Kammer sichtbar umher. Wirbelnd, wie Abas die Gedanken durch den Kopf sausten. Sein Misstrauen hatte ihn nicht getrogen. Leda war diesem Hagbard verfallen gewesen!

Von ihm hätte Abas diesen Frevel niemals erwartet. Gladius hatte er im Verdacht, aber Hagbard? Der Majordomus? Wie konnte er auch so dumm sein, zu denken, dass er seiner Majestät genügte? Von Megaras Kerkerhaft schwer gezeichnet, hatte er seine Manneskraft verloren. Jedes Weib gierte irgendwann nach einem echten Recken. Abas seufzte tief. Er konnte Leda nicht einmal böse sein. Sie hatte zwar auch Schuld auf sich geladen, doch Abas ganze Wut hatte er in den Todesstoß gegen Hagbard gerichtet.

Aber wie sollte es weitergehen? Er würde nun definitiv den Schlüssel zu seinem Keuschheitsgürtel zurückfordern. Doch momentan wollte er alleine sein. Dann wieder kam ihm der Gedanke, dass sein kraftloses Gemächt besser in dem Käfig aufgehoben wäre. Er fühlte einen bitteren Geschmack. Was war richtig? Was war falsch?

Während er in der Kammer brütete, befahl Zelos einer Abordnung Wächtern: „Bringt den Leichnam von Hagbard vor die Burg und werft ihn in den Staub. Die Geier sollen sich seiner annehmen. Der Frevler hat hier nichts zu suchen. Seine Schandtat, Königin Leda zu beflecken, konnte Dank der Alten Götter abgewendet werden.“

Später trafen sich Leda und Zelos und besprachen das weitere Vorgehen. „Du musst ein Zeichen für das Volk setzen“, war sich der Oberste sicher. „Hagbard muss wie ein Unehrenhafter behandelt werden.“ Leda stimmte schwermütig zu. „Ja, es ist wohl nötig. Doch es tut mir im Herzen weh.“ Anschließend eilte Zelos zu Abas und teilte ihm mit: „Werter Königsgemahl. Meine Verehrung, dass Ihr die Majestät so heldenhaft beschützt habt. Wäre ich anwesend gewesen, so hätte ich Hagbard liebend gerne den kalten Stahl durchs Herz gebohrt!“ Abas nickte abwesend. „Lass mich allein.“

Zelos nickte und verließ die Kammer. Zufrieden lächelte er. Seine abenteuerliche Eskapade mit der Königin war nicht aufgeflogen. Hagbard musste als Bauernopfer die Zeche zahlen. Das konnte der Oberste verschmerzen. Er schritt weit ausholend durch den kühlen Gang der Burg, an deren Wänden Schilde, Wappen und Fahnen die Steinquader schmückten. Wie gern Zelos Abas prahlend entgegen gerufen hätte: „Der Schlüssel zu deinem Keuschheitsgürtel liegt auf dem Grund des Burggrabens, tief versunken im Schlamm. Während ich mich in dein Weib ergieße, du Krüppel, schmachtest du in deiner unerfüllten Manneskraft!“

Zelos träumte schon von der nächsten heißen Nacht mit Leda, in der sie sich in den Laken wühlen würden. Und eines Tages würde er sogar vielleicht Gebieter neben Leda? Doch dazu müsste Abas sein Leben aushauchen. Das getraute sich der Oberste nicht. Er war kein Mörder. Und gegen einen Krüppel wollte er auch nicht antreten. Es war doch viel schöner, ihn leiden zu sehen…

Er packte sich unter seinem prachtvollen Wams unzüchtig ans Gemächt. In der engen Stoffhose zeichnete sich seine Männlichkeit detailliert ab. Bei dem Gedanken an seine Macht erwachte seine Liebesrute zum Leben. Seine Leidenschaft loderte auf. Er konnte nur noch an Ledas hübschen makellosen Leib denken. Ihren Duft. Ihre stöhnenden Laute. Hoffentlich war Abas bald müde und schläfrig…

Die Königin berief nun doch noch die Konferenzrunde zum Vertrag mit Helena ein. Viele Dinge mussten besprochen werden. Einiges dagegen konnte erst geklärt werden, wenn die Delegation vom Stadtstaat zurückgekehrt war. Gleichzeitig wurde Hagbard vor die Tore der Burg geschleift. Nike, die die beiden Soldaten befehligte, kommandierte die Gerüsteten wieder auf ihre Posten und blieb noch eine Weile über dem Leichnam stehen. Murmelnd sprach sie: „Hagbard, wie konntest du uns so enttäuschen? Ich kannte dich ganz anders. Stets loyal. Du hast den Treueid auf deine Königin gegeben. Was ist nur in dich gefahren, dass du diesen edlen Schwur gebrochen hast?“

Kopfschüttelnd kehrte auch Nike wieder in die Zitadelle. Sie wollte dem Obersten darüber berichten, dass Hagbard nun hinausgeschafft worden war, und klopfte an seiner Kammer. Niemand antwortete. Sie klopfte erneut und öffnete die schwere Eichentür. Die Soldatin sah auf dem Boden die verblichenen Flecken, die Hagbards Leib hinterlassen hatte und nicht vollständig weggescheuert worden waren. Sinnend runzelte sie die Stirn. Wieso war Hagbard überhaupt mit Leda ausgerechnet in der Kammer des Obersten gewesen?

Nike schloss die Tür wieder und ging über den Flur und den Innenhof der Burganlage zum Aufstieg der Wehrmauer. Sie stellte sich zwischen zwei hohe Zinnen und schaute hinaus ins Land von Ledanien. Beinahe wäre es um die Königin geschehen gewesen. - Bisweilen lauerte die Gefahr nicht in der Ferne beim Feind sondern mitten unter ihnen.

Die Gardistin spürte den kühlen Wind in ihrem langen Haar. Das Schicksal hatte schon seltsame Wirrungen und Wendungen des Lebens auf Lager. Vor einigen Jahren war Zelos nur ein Stallbursche gewesen. Nike erinnerte sich an den Jüngling, der ihr zu gehorchen hatte. Doch nun war er ihr Befehlshaber. Megara, die als schier unbesiegbar galt, war tot, Leda aus dem Exil zurück und Königin, die Überläuferin Helena sollte ihre Verbündete werden und einer von Ledas Getreuen wollte sie schänden. Die Alten Götter liebten es, mit den Menschen manch makabre Spiele zu spielen.
196. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 15.01.22 15:38









Als die Soldatin noch darüber sann, sah sie einen Gerüsteten zu Ross wie gehetzt auf die Burg zu galoppieren, eine weite Staubfahne hinter sich herziehend. Sofort eilte Nike hinab, um nach dem Begehr zu fragen. Sie erfuhr von einigen Festnahmen vor dem Palisadengrenzzaun von „Freien“. Vier Männer, die schnell als Wilderer und Marodeure erkannt worden waren, hatten sich freiwillig den Soldaten Ledaniens ausgeliefert. Grund war ihre regelrechte Todesangst, die sie in ihren ledernen Beinlingen und kurzen Tuniken sichtlich zittern ließ.

Laut deren haspelnd vorgebrachten Erzählung sei ein gewaltiger Troll in der Region unterwegs, so berichtete der Soldat der höherrangigen Nike, und habe ihnen nach dem Leben getrachtet. Die Hälfte ihrer Rotte sei von ihm bestialisch massakriert worden. „Schafft die Banditen in die Burg und bringt sie in den Kerker“, befahl Nike streng. Seit einiger Zeit hatte es keine Verbrechen in Ledanien gegeben, so dass die Zellen leer blieben, doch das sollte sich nun wohl ändern.

Nike eilte zum Obersten, um ihn zu unterrichten. Zelos staunte mit hochgezogenen Brauen. „Aus freien Stücken ergeben sich diese Schurken? Dann wütet da draußen tatsächlich ein Ungetüm. Hoffentlich geschieht unserer Delegation auf ihrer Rückreise nichts. Wir sollten sie durch Briefraben warnen lassen. Bereitet ein entsprechendes Pergament vor!“ Nike salutierte und verließ den Obersten, um das Befohlene zu veranlassen.

Die Grenzwachen wurden verdoppelt und mit zusätzlichen Wurfkatapulten verstärkt. Die dafür notwendigen Steinbrocken mussten von schweren Ochsenkarren mühsam herangeschafft werden. Ein ausgewachsener Troll würde den Graben und den Palisadenzaun ohne weiteres überwinden können, sollte er nicht auf Gegenwehr treffen. Aber kampflos würde Nike die Grenze zu Ledas Königreich niemals aufgeben. Sie würde kämpfen bis das Monster besiegt war oder in einem ehrenhaften Tod fallen.

Noch vor Sonnenuntergang beherbergte der Kerker unter der Zitadelle vier neue Insassen. Nike ließ sie in ihren Zellen in Eisen legen, nachdem sie sich vorlaut gegen die Gefangennahme beschwert hatten. „Seid froh, dass wir euch nicht dem Troll ausgeliefert haben“, stellte Nike klar. „Aber ihr werdet für eure Diebstähle und Räubereien zur Rechenschaft gezogen werden.“

Die rauen Männer beschimpften die Soldatin. Daraufhin hatte Nike die Eisen befohlen, und so steckten die Vier mit ihren Handgelenken neben den Fußknöcheln nebeneinander aufgereiht auf dem kalten Boden des Kerkers im Stock. Die Kerle stritten nun darüber, wer sie mit seinem „schmutzigen Schandmaul“ in diese Lage manövriert habe, überschütteten sich mit Schmähungen und bespuckten sich sogar gegenseitig, weil sie ja weder schlagen noch treten konnten.

Später am Abend erschien ein Wachmann erbost in der Zelle und schimpfte: „Jetzt ist Schluss mit dem Gebrüll! Wenn ihr nicht ruhig seid, stopfe ich euch eure dreckigen Goschen!“ Die Drohung wirkte nur kurze Zeit, schon zankten und krakeelten die vier Kumpane erneut. Dieses Mal beließ es die Wache nicht mit einer Warnung. Er knebelte jeden einzelnen des Quartetts und sah befriedigt auf die Vier hinab. Jetzt konnte er sich wieder seinem gegrillten Fasan und dem süffigen Bier widmen. Dazu ließ er sich wieder im Vorraum des Kerkers in einer Ecke auf den Lederstuhl fallen, der unter seinem Gewicht knarzte.

Einige Ellen dickes Gemäuer über ihnen, betrat der Oberste seine Kammer und legte sein Schwertgehänge über einen beschnitzten Scherenstuhl, der mit dickem Leder gepolstert war. Es folgte sein Umhang. Zelos rief nach einer Zofe, die schüchtern und verhuscht erschien und ihm die Stiefel auszog. Genüsslich drückte er dem jungen Kammermädchen mit ihren rosafarbenen Wangen und dem schwarzen Haar unter ihrer Haube eine Sohle gegen das Hinterteil, während sie den anderen Stiefel von Zelos Fuß zog.

Ein weiblicher Arsch, wie ich ihn liebe, dachte er und stellte sich obszöne Dinge vor, die er mit dem prachtvollen Hinterteil anstellen wollte. Beim zweiten Schuhwerk spürte er mit dem nur bestrumpften Fuß die Hinterbacken noch besser. Schamlos tastete er mit den Zehen auf dem festen Fleisch umher. Am liebsten hätte er die junge Frau vernascht. Doch auf ihn wartete noch besseres. Königliches. Zelos sandte ein Stoßgebet zu den Alten Göttern, dass Leda bald auftauchen möge. Er brauchte jetzt seine Königin.

In Helenas Stadtstaat herrschte eine angespannte Stimmung. Die Besucher von der Westküste waren schwierige Gäste gewesen. Die Senatorinnen und Duxas waren zwar Helenas Anweisung gefolgt, auch die Männer aus Ledanien wie gleichberechtigte Menschen zu behandeln, doch viele hatten sich dabei ihren Teil gedacht. Es hatte Streitgespräche auf der Straße gegeben, heiße Diskussionen in den Damensalons, Spekulationen und sogar von einer Revolte gegen Helena hörte man munkeln.

Doch nun war die Delegation aus Ledanien erst mal wieder hinfort. Aus den Augen, aus dem Sinn. Das Leben im Stadtstaat folgte seinen Gewohnheiten. Helenas Schreiberinnen bereiteten bereits fleißig die Gesetzesrollen vor, die das Leben ändern sollten. Lange würde es also nicht so bleiben, wie es die Damen gewohnt waren.

Helena war mit dem Abkommen zufrieden. Für einige Zugeständnisse hatte sie nun einen Verbündeten im Westen, der die Grenzen des Stadtstaates gegen östliche Aggressoren verteidigen würde. Außerdem sollte der Lebensstandard durch einen regen wirtschaftlichen Austausch mit Ledanien steigen. Um ihre Ideen im Senat durchzubringen hatte sie mit höheren Steuern auf Importe argumentiert. Neben den Zöllen sollten auch Tribute für die Straßenbenutzung anfallen, denn immer noch verbreiteten Marodeure der Freien Ländereien Angst und Schrecken auf den verlassenen Wegen zwischen den Reichen.

Helena rief nach ihrem Vorkoster und ließ ihn von dem Mohnkuchen kosten, der frisch und dampfend serviert wurde. Helena fiel auf, dass der Sklave nur eine winzige Probe nahm und rügte ihn dafür. „Nimm mehr davon. Eine Handvoll. Wie sollst du bei einem Krumen Gift erkennen, du Tölpel?“ Der Vorkoster stöhnte. „Hohe Majestät, ich… Mohnkuchen vertrage ich ganz und gar nicht. Bitte lasst jemand anderen vorkosten, wenn Ihr so gnädig sein mögt…“ Helena schnaubte. „Solch Narretei! Du frisst das jetzt!“

Der Vorkoster schnitt sich eine dünne Scheibe von dem Gebäck ab und biss mit langen Zähnen hinein, kaute vorsichtig und schluckte schwer. Helena wedelte mit der schwer beringten Hand: „Mehr! Iss es auf!“ Der Vorkoster gehorchte und zeigte ein gequältes Gesicht, als müsse er sterben. Helena beobachtete, wie der Mann plötzlich die Wangen aufblies und dann ein Ruck durch seinen Körper fuhr. Er hielt sich die Hände auf den Hintern und raste aus dem Saal. Helena rief ihm amüsiert hinterher: „Ist er so schlecht gebacken?“ Die Gesellschafterinnen im Saal kicherten hinter vorgehaltenen Fächern.

So ein dummer Tropf!, überlegte die Herrscherin. Nun wusste sie auch nicht mehr als vorher. War es wirklich nur eine Unverträglichkeit oder sollte sie vergiftet werden? Das Kuchenaroma von Mohn, Zimt und Anis stieg ihr duftend und verführerisch in die Nase. Dieser Vorkoster hatte zu verantworten, dass sie diese Delikatesse nicht vernaschen durfte. Verärgert zog sie eine Schnute und rief nach einer Palastwächterin.

Am liebsten hätte sie die Prügelsklaven wieder eingeführt – oder genauer gesagt einen einzigen Prügelsklaven für den gesamten Hof benannt, nämlich ihren unfähigen Vorkoster. „Bringt dem Magenkranken den Mohnkuchen. Er soll alles fressen. Bis auf den letzten Krümel. Und er soll nicht wagen, mein Geschenk wieder von sich zu geben.“ Mit einem schadenfrohen Grinsen verschwand die Palastwächterin. Der Nachmittag würde vergnüglich werden.

Im Westen des Stadtstaates begonnen bereits erste Umbaumaßnahmen. Ein teilweise sogar gepflasterter Weg führte Richtung Westen. In erster Linie schufteten Bausklaven in der heißen Sonne. Doch schon zeigten sich die politischen Neuerungen: Die Leibeigenen hatten Anrecht auf Pausen, auf eine Mahlzeit, auf genügend Wasser und andere Privilegien. Die Meinung darüber ging freilich weit auseinander. Einige Aufpasserinnen schüttelten nur den Kopf über den „neumodischen Unfug“; andere meinten, dass die Männer unter den veränderten Umständen sogar schneller und besser arbeiteten. Andere antworteten, dass die fehlende Peitsche schon für Schnelligkeit sorgen würde. Aber auch Schlaginstrumente durften nur noch bei „offensichtlicher Faul- oder Trägheit“, wie es in den offiziellen Statuten stand, eingesetzt werden. Sicherlich war das Auslegungssache, aber kaum eine Wächterin wagte mit ständigen Schlägen zu sehr aus der Reihe zu tanzen.

Einige Damen der edlen Gesellschaft dachten sogar laut darüber nach, nach Osten umzusiedeln. „Wenn es nicht einmal mehr erlaubt sein soll, ein Mannsbild zu prügeln, dann stimmt doch etwas nicht mehr in der Regierung“, sagte eine Lady mit großem, weißem Sonnenhut nachdenklich. Das war nicht mehr ihr Land. „Ihr habt vollkommen Recht“, stimmte ihre Begleitung mit arrogantem Ton zu. „Wo soll das hinführen? Solche Sentimentalitäten! Haben bald auch Schafe und Schweine gesellschaftliche Befugnisse?“ Sie gackerte wie ein Huhn und wedelte mit ihrer Hand vor dem Gesicht, als wollte sie diese groteske Vorstellung beiseite wischen.

Die ledanische Delegation blieb dieses Mal bis kurz vor die Grenze unbehelligt von Banditen. Doch dann hörten die Reiter ein tiefes Grollen, das ihnen durch Mark und Bein ging. War das etwa ein Troll? Der Trupp ritt im gestreckten Galopp Richtung Palisadenzaun. Nur wenige Meilen waren sie von ihrer Heimat entfernt. Die Soldatinnen und Soldaten waren wackere Kriegsleute, doch eine kleine Gruppe wie sie hatte keine Chance gegen einen ausgewachsenen tollwütigen Troll.

Als der Palisadenzaun in Sicht kam, blies die anführende Gardistin in ihr Horn. Das große Eingangstor öffnete sich. Die Reiter verlangsamten ihre Geschwindigkeit. Sie waren gerettet. Doch die aufgeregten Signale und Handzeichen der Grenzwachen sagten etwas anderes. Als die Gardistin sich im Sattel ihres Rappen herumdrehte, machte ihr Herz einen Satz: Keine 200 Fuß hinter ihr tapste das Biest ungelenk hinter dem Tross her.

Wieder beschleunigt jagte die Delegation über die Zugbrücke und durch das Tor, das hinter ihnen sofort mit zwei schweren Holzbalken verriegelt wurde. Uniformierte in Lederrüstungen hatten sich an den Schießscharten mit Armbrüsten und Langbögen positioniert, mehrere Katapulte wurden geladen. Nur wenige Augenblicke später erreichte der Troll den Zaun und zauderte. Selbst er konnte nicht hinüber springen. Oder getraute es sich nicht. Und der Graben mit den großen Spitzpfählen war ihm ebenfalls nicht geheuer.

„Feuer!“ schrie ein Gardist. Das Urvieh brüllte wütend auf, als es von Pfeilen gespickt wurde, doch es waren für ihn nur Nadelstiche, denn die Geschosse durchdrangen die dicke, lederne Haut des Monstrums nicht. Fünf Zoll lange Reißzähne kamen zum Vorschein, als der Troll sein gewaltiges Maul aufriss und mit seinen mächtigen Armen durch die Luft wischte.

„Wenn er sich gegen den Zaun wirft, wird er bersten wie ein Span“, sorgte sich Nike, die ebenfalls am Grenzwall Stellung genommen hatte und nun die Katapulte zum Einsatz brachte. Der Troll musste vertrieben werden. Sollte er sich erst gegen die Barrikade werfen, blieb nur noch ein Rückzug in die Festung. Aber was geschah dann mit der Bevölkerung auf den Höfen und in den Dörfern? Sie durften das Volk nicht aufgeben.

Die schweren Findlinge flogen mit unglaublicher Wucht über die Palisaden und landeten teilweise regnend auf dem Troll, für den sie eher störender Hagel waren. Und zum Entsetzen der Verteidiger packte der Angreifer einige der Felsen und schleuderte sie zurück. „Deckung!“, schrie Nike und stieß einen Soldaten zur Seite, der ansonsten von einem Felsstück zerschmettert worden wäre.

Noch bange Minuten währte der Kampf zwischen den Parteien, während der Troll unentschlossen an dem Wehrzaun hin- und herlief. Dann endlich zog er sich zaudernd zurück, die Fäuste wütend in der Luft schüttelnd. Bevor er hinter einem Hügelkamm verschwand, riss er voll Ingrimm an einem Baumstamm, entwurzelte die junge Eiche brutal und schleuderte sie samt Wurzel und spritzenden Erdbrocken hinter sich.

Leda wies eine weitere Verstärkung der Grenzen an. Das Gesindel hatte also die Wahrheit erzählt. Ein Troll machte die Gegend unsicher. Als die Gefahr gebannt war, rief Königin Leda zur Versammlung ein, um mit Gladius und der Anführerin der Delegation über Helenas Vertragsbedingungen zu sprechen. Das Treffen dauerte bis zum Sonnenuntergang. Der Oberste fing die Königin unauffällig ab und wollte sich mit ihr für später in seiner Kammer verabreden, doch Leda wiegelte ab. „Nein, Zelos, heute nicht. Es ist zu viel geschehen. Ich kann Abas nicht allein lassen. Er leidet nun zusätzlich unter seinem Verschluss. Hätten wir ihn doch nie eingesperrt! Hast du den Schlüssel immer noch nicht gefunden?“ Zelos setzte ein bedauerndes Gesicht auf: „Leider nicht, Leda. Aber ich suche jeden Tag.“

Leda zog sich zurück. Zelos verging fast vor Eifersucht, obwohl Abas in seinem Keuschheitsgürtel steckte. Doch wer wusste schon, was die beiden im königlichen Bette trieben!? Er wusste, was die Alten Götter für ein Kapitel aufgeschlagen hatten: Seine Liaison mit der Königin war so gut wie beendet. Leda würde nicht einfach über das Geschehene hinwegsehen. Blut war geflossen. Grimmig stieg er hinab in den Kerker. Er musste sich ablenken, abreagieren. Irgendeinen Prügelknaben würde er schon finden.

Währenddessen küsste Abas seine Königin und streichelte sie. Beide schworen sich unter Tränen zukünftig ewige Treue. Leda schluchzte und flehte um Abbitte für ihren Betrug. Abas nahm sie in den Arm. Bald schon trockneten die Tränen. Abas hatte Ledas Fehltritt mit Hagbard verziehen. Vergessen konnte er es nicht, doch er nahm Ledas Reue und Buße an. Leda dachte, dass es so am besten sei. Hagbard war durch eine unglückliche Verkettung tot. Warum erneut Staub aufwirbeln? Sollte Abas von Zelos erfahren? Es würde nur neues Unbill mit Blutvergießen geben. Die Majestät versuchte die trüben Gedanken zu verdrängen und sich ihrem Gemahl hinzugeben.

Die gleitenden Finger und zarten Berührungen wurden fordernder, intensiver, lustvoller. Schließlich loderte das Feuer des Verlangens in beiden auf und brachte das Paar zum Glühen. Ihre Herzen schmolzen ineinander, feurige Küsse trieben sie zu sündiger Lust. Abas knabberte an Ledas aufgestellten Brustwarzen, küsste ihren Bauch, ihre Scham. Er hatte seine Königin wieder für sich alleine. Seine Zunge entlockte Leda die herrlichsten Wohllaute. Ihr Leib bäumte sich auf und zuckte spasmisch vor Geilheit und Befriedigung. Es gab keine vornehme Zurückhaltung mehr, kein höfisches Benehmen, nur frivole Lust.

Abas war glücklich, wenn seine Männlichkeit auch schmachtete. Seine Lenden erinnerten ihn penetrant an sein Drangsal. Die Frucht dieser Liebesnacht war auch zugleich sein Frust. Wie konnte Leda nur den Schlüssel verlieren? Doch statt ihr Vorwürfe zu machen, presste er sich ganz eng an sie. Und so schliefen die beiden eng umschlungen ein.

Zelos betrachtete die in Eisen gelegten Männer. „Wer hat das angeordnet?“, wollte er streng wissen. Der Wächter salutierte vor dem Obersten und stand stramm. „Das war Winand. Die Gefangenen haben sich geprügelt. Derohalben…“ Zelos unterbrach den Mann: „Löst die Bänder! Wo ist Winand?“ Kurz darauf eilte Zelos zu den Unterkünften der Wachposten. „Winand!“, brüllte er. In einer Ecke stand eine quietschende Holzpritsche. Winand schreckte unter der grauen Wolldecke hervor und hielt sie sich um die Hüfte. „Oberster!“, meldete er sich erschrocken. Zelos kniff die Augen zusammen. Da lag doch noch etwas unter einer zweiten Decke. Er kam näher und riss sie weg. Eine Magd, die nur noch ihr Leibkorsett trug, quiekte auf und versuchte sich mit Armen und einem kleinen Kissen zu bedecken.

„Raus!“, schrie Zelos die verängstigte Frau an, die vom Boden ihre Cotte aufnahm und so eilig die Unterkunft verließ, als seien alle Dämonen der Unterwelt hinter ihr her. Zelos knurrte. „Dir steht also der Sinn nach Verlustierung?“ Unter der Decke um Winands Leib zeichnete sich trotz des Schreckens die noch erregte Männlichkeit ab. „Komm mit in den Kerker!“ Zelos riss ihm das Wams aus der Hand, dass der Posten sich überziehen wollte. „Sofort!“

Winand folgte dem Obersten, nur in die Wolldecke eingewickelt, mit einem mulmigen Gefühl bis zur Wendeltreppe hinab zu den Kellergewölben. „Geh du schon vor in den Kerker zu Bertram!“ Winald gehorchte, stieg mit einer Fackel die ausgetretenen Stufen der Treppe hinab und erschien in seiner freizügigen und ungewöhnlichen Ummantelung bei seinem Kameraden. „Winand! Der Oberste sucht dich!“, meldete die Wache. „Ich hörte davon“, sagte Winand. „Er kommt gleich. Hast du eine Ahnung, warum er mich herbestellt?“ Bertram säuberte sich gerade seine Fingernägel mit einem kleinen Dolch und mutmaßte: „Vielleicht wegen der Gefangenen. Ich sollte sie wieder aus den Eisen lösen.“ Er schwenkte die kurze Klinge kurz Richtung der Gitter der Zellen.

Winand sah zu dem schweren und rostigen Eisengeflecht. Welche Schmach so vor den Häftlingen zu erscheinen! Und Bertram griente mit seinen schiefen Zahnstummeln wie ein Irrer. Wie konnte der Oberste ihm das antun! Winand setzte sich verschämt zu Bertram und nahm einen kräftigen Schluck aus einer hohen, schmalen Tonflasche, in die ein scharfer Schnaps gefüllt war.

Zelos hatte das Liebchen des Wärters eingeholt, die es noch gerade schaffte, in ihr Kleid zu schlüpfen. „Warte, Weib!“, rief der Oberste. „Komm, ich will dir nichts tun.“ Die Magd zitterte am ganzen Leib. „Bitte sagt der Mamsell nichts.“ Zelos lächelte sie an und strich ihr sanft über die rosige Wange. „Aber nicht doch. Hab keine Angst. Dein Geheimnis ist bei mir gut aufgehoben.“ Er ließ seine Finger über ihre Wange hinab zu ihrem Hals gleiten und dann zu ihrem Mieder. „Dein Leib ist viel zu schade, um ihn an einen einfachen Wachmann zu verschwenden, meine Gute.“

Die Magd sah den Obersten überrascht an. Zelos kam näher und zeigte hinter die Frau. „Sieh mal! In der Kammer sind wir ungestört.“ Er drückte das Weib durch eine knarrende Tür in einen Vorratsraum mit Fässern und Kisten. Die Magd war verwirrt. Aber sie ließ geschehen, was der Oberste mit ihr tat. Ein loses Mundwerk würde ihr nicht guttun. Zelos zog ihr Kleid hoch und knetete ungehobelt die nackten Pobacken, zerrte das Mieder auf und ergriff die jungen Brüste, als wolle er Äpfel pflücken. Dann warf er das Mädel herum und stieß von hinten in sie ein.

Die junge Frau musste sich am Rand einer großen Bütte festhalten, als der Oberste seine Dickwurz in sie rammte. Immer wieder. Schnell. Hart. Tief. Stöhnend ergoss sich der Gardist nach wenigen Minuten in der Frau und entzog sich ihr, um seine erschlaffende Männlichkeit zurück in seine Beinkleider zu nesteln. Mit einem kräftigen Schlag quer über ihren Hintern, der seinen roten Handabdruck hinterließ, ging er hinaus. Die Magd rief ihm mit aufgerissenen Augen hinterher: „Ich heiße Jonata.“ Die dünkelhafte Miene des Obersten sah sie nicht mehr. Was interessierte ihn der Name der dummen Gans!? Nur das Knarzen der Tür gab ihr Antwort.
197. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 28.01.22 21:00

Zelos stieg hinab in den Kerker der Burg. Mit jedem Schritt auf den abgetretenen Steinstufen schien es kühler zu werden. Als die beiden Wachmänner ihn im Schein einer Laterne eintreten sahen, sprangen sie auf und standen stramm. Bertram hatte einen Humpen mit Bier schnell auf ein Fass abgestellt, Winand hatte seine Wolldecke fest um seine Hüfte gewickelt, damit sie nicht hinab fiel. Der Oberste kam näher und stellte ihn zur Rede: „Kein Gefangener wird ohne meine Genehmigung in Eisen gelegt! Ist das klar?“
Winand antwortete kleinlaut wie ein Duckmäuser: „Jawohl, Oberster!“

In der Metropole hatte Vesta andere Saiten aufgezogen. War Fama bereits Potentatin einer Frauengesellschaft gewesen, so radikalisierte ihre Tochter die systematische Unterdrückung von Männern und glich sich dem extremistischen Gesellschaftssystem der Cassandra an. Sie entmachtete faktisch den Senat und schuf ein autokratisches System, das ihr allein die Macht und Gewalt überließ.

Eine Palastwache hatte ihr in den vergangenen Tagen die Botschaft überbracht, dass Honos, der ehemalige Majordomus der Königin Leda, inzwischen in den Kupferminen sein Leben ausgehaucht hatte. Vesta ahnte, dass der Grund weniger die körperliche Schufterei als vielmehr seinem Liebesdienst für Jedermann zuzuschreiben war, den Fama von ihm gefordert hatte.

Vesta bedauerte seinen Tod. Sie hätte gern sein Leid mit eigenen Augen miterlebt. Aber wenigstens hatten die Schergen der neuen Machthaberin den Straßensklaven Catulus gefunden. Vesta erinnerte sich, wie sie früher mit ihrer Schwester Aurora diesen Jüngling auf den Straßen der Metropole aufgefunden, ihn in den Palast gelockt und ihn verführt hatten. Schnell war er dem falschen Zauber der Schwestern erlegen. Nun wollte sie ihn zu ihrem Harem aufnehmen. Schließlich trug er bereits das Brandeisen mit einem wunderschön verzierten „V“ auf einer Gesäßhälfte.

Was sie noch nicht wusste: Die Wachfrauen hatten dem armen Catulus damals das Brandmal unkenntlich gemacht, indem sie eine größere Fläche über das Zeichen der früheren Prinzessin gebrannt hatten. Nun stand die frisch gekrönte Vesta vor dem zitternden Sklaven, der nackt auf dem Bauch auf dem glänzenden Marmorboden lag. Die Regentin betrachtete das unkenntlich gemachte „V“ mit miesgrämigem Ausdruck. Gönnerhaft sprach sie ihn an. „Steh auf, Catulus. Du sollst die Ehre haben mir für Liebesdienste gefällig zu sein. In meinem Harem wirst du weder Hunger noch Durst leiden und täglich baden dürfen. Gefällt dir die Vorstellung?“ Catulus erhob sich in kniende Haltung und senkte demütig den Blick. „Ja, Hoheit.“ Vesta hob die gezupften Augenbrauen und ihren rechten Zeigefinger: „Doch du wirst einen Keuschheitsgürtel tragen, dessen Schlüssel ich verwalte.“ Dabei stutzte Vesta. Plötzlich kam ihr ein Gedanke. „Majordoma! Lasst sofort verkünden, dass jeder Mann im Reich einen Keuschheitsgürtel zu tragen hat.“

Sie schüttelte den Kopf. Ihre Mutter war in einigen Dingen viel zu lasch, zu weich, zu schwach gewesen. Sogar im Reich der Helena gab es seit langem eine Keuschheitsgürtelpflicht für Mannsbilder, hatte sie gehört. Aber genug der Regierungsgeschäfte. Vesta wollte sich mit Catulus vergnügen. Sie wollte sich ganz seiner Liebesdienste hingeben und genießen.

Nach einer Weile verließ sie den Harem enttäuscht. Catulus war nicht so geschickt wie ihre ausgebildeten Lustburschen. „Wenn du mir morgen wieder Schande machst, stecke ich dich in ein tiefes, dunkles Loch in den Katakomben unter meinem Palast. Dort kannst du nichts falsch machen, du Nichtsnutz!“ Die Flammen ihrer Worte hinterließen verbrannte Hoffnung, Angst und Bekommenheit. Mit wehenden Haaren und fliegender Schleppe verließ sie den Raum und rief Dienstboten, die ihr ein Bad und eine Massage mit warmem Öl angedeihen lassen sollten.

Am nächsten Tag war Catulus so verängstigt, dass seine Männlichkeit nicht erwachen wollte, als er Vesta beglücken sollte. Wütend stieß die Tyrannin ihn zur Seite und winkte einen anderen Lustsklaven herbei. Der Leibeigene befriedigte die Despotin wie gewünscht. Vesta schaute triumphierend und höhnisch auf Catulus. Dann rief sie Wächterinnen herbei und keifte: „Spannt Catulus über den Strafbock und gebt ihm tüchtig mit den Haselnussstöcken! So lernt dieser Nichtsnutz Pflichtbewusstsein seiner Königin gegenüber.“

Vesta stolzierte aus dem Harem, während bereits die ersten Hiebe auf Catulus Sitzfleisch niederprasselten. Ihre Zucht würde ihn bekehren. Je kraftvoller der Stock geschwungen, desto gehorsamer sein Wesen und gelehriger würde er sein. Noch im langen Flur des Palastflügels hörte sie die Schreie und das weinerliche Flehen des Jünglings. Ein zufriedenes Lächeln stahl sich auf das hübsche Antlitz der Despotin. Und wenn seine Backen verheilt sind, nahm sie sich vor, bekommt er auf seine noch jungfräuliche Hälfte wieder ein schönes „V“. Und ich persönlich werde es ihm zischend ins Fleisch drücken!

Am Abend präsentierte sie sich in einem aufwändig bestickten Seidenkleid, das zusätzlich mit Perlen und Edelsteinen reich besetzt war. In der Arena hatten sich auf den Rängen die feinsten Ladys und Damen der Metropole versammelt. Die „Sklaven-Olympiade“ wurde in jeder Jahreszeit einmal durchgeführt. Dabei kämpften die nackten Teilnehmer in verschiedenen Disziplinen gegeneinander. Trommelwirbel und Fanfaren läuteten den Wettbewerb ein.

Die Zuschauerinnen fieberten mit, applaudierten, jubelten, riefen, pfiffen und johlten, denn üblicherweise wetteten sie auf ausgewählte Athleten hohe Beträge. Die Leibeigenen wussten, dass sie Vergünstigungen erhielten wenn sie gewannen; wenn sie verloren…Offiziell gab es keine Bestrafung. Doch freilich wusste jeder darüber eine Geschichte zu erzählen. Und so manche schreckliche Begebenheit hatte sich in der Tat so oder schlimmer zugetragen.

Die hohe Motivation versprach kurzweilige Unterhaltung für die Damen auf ihren gepolsterten Sitzen, denn die Sklaven kämpften mit aller Kraft um den Sieg. Neben Ringkämpfen und Wettläufen auf allen Vieren - mit und ohne Reiterinnen im Sattel - und Wettessen von Brei war das Zapfenhüpfen besonders beliebt.

Jeder Teilnehmer saß am Ende einer mehrere Mann langen Bank breitbeinig mit dem Rücken zum Ende, so dass er die gesamte Bank vor sich sah, auf der Pflöcke in zunehmender Größe auf der Sitzfläche angebracht waren. Auf ein Kommando setzten sich die Sklaven, deren Hände auf den Rücken gebunden waren, auf den ersten Zapfen. Sobald ihre Hinterbacken die Sitzfläche erreichten, durften sie zum nächsten Pflock wechseln.

Mit zunehmendem Durchmesser der Stäbe steigerte sich freilich der Schwierigkeitsgrad. Wer zuerst das andere Ende der Bank erreichte, war der Gewinner. Die Hintern und die Pflöcke waren eingefettet, doch wurden die Zapfen von Jahr zu Jahr dicker. Schließlich sollte der Wettkampf eine Weile dauern und nicht zu schnell beendet sein.

Schon der vierte von insgesamt zehn Stäben konnte von keinem der Sklaven bewältigt werden. Schließlich erlaubte die Schiedsrichterin für jeden Mann eine Helferin, die sich auf die Schultern der Leibeigenen drückte. Als auch das letztlich beim achten Zapfen nichts mehr brachte, wurden noch zwei weitere Helferinnen herbeigerufen, die die Füße des Sklaven in die Luft hoben. Zu dritt waren die Teilnehmer dann alle früher oder später erfolgreich.

Zum ungewollten Lacher wurde ein Athlet, der sich nach dem Wettkampf von seinem Pflock nicht mehr erheben konnte und so fest steckte, dass ihn mehrere Helferinnen dabei mit Peitschen gar nicht zimperlich unterstützen mussten, bis er sich schreiend befreit hatte und anschließend auf dem Boden herumwälzte und stöhnte.

Eine ganz neue Disziplin war das „Stabduell“. Dabei hielten die Kontrahenten einen drei Schritt langen Holzstiel, dessen Enden fast so dick wie Fässchen mit in Leinen eingenähte Wollfasern verstärkt waren. Damit standen die Konkurrenten sich auf einem Schwebebalken gegenüber und mussten versuchen den Gegner mit Schlägen aus dem Gleichgewicht zu bringen.

Der Verlierer fiel zwei Mann tief in ein Schlammbecken. Doch das Bad im Moder war nicht das einzige Problem, vor dem die Sklaven standen; denn sie trugen um ihr Gemächt einen Lederriemen, der durch ihre Beine und dann nach oben zu einem zweiten Balken verlief, der parallel zum unteren und über ihren Köpfen angebracht war. Sollte also einer der Kämpfer fallen, so hatte dies unweigerlich einschneidende Konsequenzen.

Zwar hatten die Damen des Hofes sich darauf geeinigt, dass die Riemen heimlich an einer Stelle angeschnitten wurden, damit das Leder durch das Körpergewicht des Verlierers riss, doch das wussten die Athleten nicht. Vesta hätte gern auf diesen Regelzusatz verzichtet, doch sah sie ein, dass die Leibeigenen durch eine Beschädigung deutlich an Wert verlieren würden. Und auch so ziepte es ordentlich am Gemächt, bevor der Unterlegene dann unter dem Gelächter des Publikums und seinen eigenen Angstschreien im Sumpfbecken eintauchte.

Später landeten Athleten beim „Sklavenweitwurf“ in dem Matschbecken. Die Damen an den Katapulten machten fast eine Wissenschaft daraus, wie das lebende Wurfgeschoss auf dem Katapult zu liegen habe oder in welcher Weise er verschnürt sein müsse, um die besten Weiten zu erreichen. Dieser Wettkampf war erst von Vesta eingeführt worden. Zuvor hatten Soldatinnen ihn als Zeitvertreib außerhalb der Olympiade praktiziert, obwohl bereits viele Jahre zuvor unter König Talos II. das unter seinem Vorgänger beliebte „Zwergenwerfen“ verboten worden war. Doch die Gesetze des alten Mannes interessierte heute niemand mehr.

Eine weitere Disziplin war das Wagenrennen. Damit war eine absonderliche Konstruktion gemeint, die auf Prinz Talos, den Bastard der Megara, zurückging. Dabei standen die Athleten in einer Art Gestell mit Rädern, das sie durch Laufen vorwärts bewegten. Das Amüsante für die Zuschauerinnen dabei war, dass sich bei jeder Umdrehung des Rades ein Holzpflock nach oben und anschließend wieder nach unten bewegte, so dass sich der Sklave eigenständig immer wieder stopfte. Gnädigerweise war der Pflock mit Gänseschmalz eingerieben.

Die Erfahrung hatte aber gezeigt, dass ein großzügig mit Pfeffer eingeriebener Zapfen zu guten Zeiten bei den Rennen führte, so dass dieser Zusatz zuvor in das Fett gerührt wurde. Jede Ausbilderin hatte ihr eigenes Rezept und war stolz darauf. Nur die ungefähre Zusammensetzung war allgemein ruchbar. Zum Einsatz kam neben diversen Pfeffersorten auch Meerrettich, Chili, Ingwer, Gewürznelke, Salz und Branntwein. Jede Dame hatte da ihre eigenen Vorlieben.

Ein Fräulein, das zum ersten Mal die Sklaven-Olympiade besuchte, brannte eine Frage auf der Zunge. Sie erkundigte sich bei ihrer Nachbarin verwundert, warum denn die Sklaven so helle Haut hätten. Die Dame lächelte und antwortete: „Schau mal ihre Ärsche! Sind sie nicht schön rot und farbig von ihrer Dressur? Das wirkt am schönsten auf weißer Haut. Es erinnert mich an Rote Beete. Derohalben werden sie einige Monate vor den Wettkämpfen in Dunkelhaft gehalten.“ Das Fräulein stutzte. „Wäre da nicht eine Gewandung als Sonnenschutz ebenso nützlich?“ Die Dame lachte meckernd. „Oh, hast du schon einen Vergnügungs-Sklaven mit Beinkleidern und Seidenwams gesehen? Haha!“ Die Edeldame nippte an einem kalten Getränk aus Milch und Obst und tupfte anschließend ihre roten Lippen mit einem Seidentüchlein ab. Ihre Nachbarin griff nach einem kleinen Küchlein und biss naschend von der Süßigkeit ab.

Vesta genoss die Olympiade von ihrer hohen und pompösen Loge, geschützt von einem riesigen weißen Sonnensegel. Sie tauchte ein Stück Brot in eine Schüssel mit flüssigem Käse. Sklaven mit Palmblättern wedelten ihr kühlende Luft zu. Ihr neuester Besitz für ihren Harem, der ehemalige Straßensklave Catulus, hatte sie enttäuscht. Seine Manneskraft hatte nicht das gehalten, was sie sich von ihr versprochen hatte. Deshalb war ihm eine besondere Rolle zugefallen. Er sollte die alte Maschine des Prinzen Talos vorführen.

Die Monarchin hatte, während sie sich mit Rosenduft bestäubte, süffisant bemerkt: „Wenn sein Liebesstab bei einer göttlichen Schönheit wie mir versagt, muss er ein Männerliebchen sein. Die Maschine wird ihm Schreie der Entzückung entlocken.“ Die Kurbel der Maschinerie drehte nicht etwa eine Soldatin sondern ein als Hofnarr gekleideter Spaßmacher, der aus dem Programmpunkt eine lustige Posse zauberte. Zur Belustigung ahmte er die Laute des „Gepfählten“ nach und machte amüsante Verrenkungen und Grimassen und feixte umher, während er die Kurbel immer wieder ein Stückchen drehte und Catulus den Pflock tiefer in seinen Hintern bohrte.

Tatsächlich wurde die Vorführung zum Höhepunkt des Abends. Das Publikum hielt sich kaum auf den Sitzen. Frenetischer Jubel und stürmisches Gelächter von den Rängen bewiesen Vesta, dass sie mit dieser Einlage das richtige Händchen gehabt hatte. Später fragte eine Uniformierte die Regentin danach, was mit dem Sklaven geschehen solle. Die Königin hatte sich darüber noch gar keine Gedanken gemacht. In ihrem Harem hatte Catulus auf jeden Fall nichts zu suchen. „Bringt ihn in den Kerker und gebt ihm einen Holzpflock zum Zeitvertreib“, kicherte sie, schon etwas beschwipst vom süßen Wein. „Nein“, hielt sie die Wache auf, „werft ihn in die Minen… oder werft ihn vor die Grenzmauer“, entschied sie schließlich aus einer Laune heraus. „Sollen sich die Freien mit ihm vergnügen.“

Vesta griff nach einem mit ihrem Titel gravierten Pokal und nippte an einem bräunlichen Getränk. Im ersten Moment wollte sie den Inhalt entrüstet ausspucken und den Kelch einem Bediensteten an den Kopf werfen, doch dann merkte sie, wie ihr das süße Getränk mundete. „Was ist das?“, fragte sie überrascht und zugleich interessiert. Die Majordoma, die neben ihr in der Loge saß, erklärte: „Eine Neuigkeit, hohe Majestät. Es wird aus einer Bohne vom Ostkontinent geröstet und mit Rohrzucker versüßt. Eine Flotte Sklavenjägerinnen haben eine Handvoll Säcke mitgebracht. Ich habe sie für Euren königlichen Hof reserviert.“

Noch in dieser Nacht schloss sich das große Tor zum Kleinstaat der Metropole knarrend und rumpelnd hinter dem Sklaven, der so nackt, wie er war, aus dem Ostreich verbannt worden war. Den Keuschheitsgürtel trug er noch als einzige Hose. Doch bis er Münzen für einen Schmied hatte, würde sicherlich noch lange Zeit vergehen – wenn er nicht vorher längst Opfer von Marodeuren oder Sklavenjägerinnen der Cassandra geworden war. Auf der Suche nach einem Schluck Wasser stapfte Catulus den staubigen Weg entlang, breitbeinig mit brennendem Hintern und mit verkniffenem Gesicht. Hinter sich hörte er das schadenfrohe Gelächter und Spottrufe der Wächterinnen.

Weit im Nordosten vom Gebiet der Metropole lag auch ein kleiner Staat, in dem das Weib die Vormachtsstellung besaß. Zwar herrschten dort nicht so radikale Sitten wie unter Vesta oder gar Cassandra, doch auch hier waren Mannbilder mit nur wenigen Rechten ausgestattet. In einem reichen Anwesen lebte ein alter Mann namens Caduceus als Heiler und Seher. Er besaß vergleichsweise viele Privilegien. Seine Herrschaft, eine wohlhabende Dame mit vielen Sklaven, führte zwar ein strenges Regiment, doch lebte sie nach dem Motto: „Hart aber gerecht.“

Caduceus sinnierte gerade im Garten des Hauses in der angenehm warmen Sonne, die sein Gesicht kitzelte. Was würde er darum geben, wieder bei seiner geliebten Königin Leda zu sein? Doch all seine Visionen und auch die Nachrichten der Reiterinnen zeugten davon, dass Leda, wenn überhaupt, nur noch über ein weit entferntes kleines und unbedeutendes Reich an der Westküste herrschte.

Überall auf dem Alten Kontinent hatten sich Kleinstaaten gebildet, die meisten von ihnen waren Regierungen von Weibern für Weiber. Männer hatten nur zu gehorchen. Trotzdem hatte er die Hoffnung noch nicht gänzlich aufgegeben und suchte immer wieder Klarheit in seinen Visionen. Doch seine Sehkraft führte ihn oft nur in die Vergangenheit zu Zeiten von König Talos I. Caduceus erlebte in seinen Bildern mit, wie der Herrscher Dutzende Stämme verbündete und ein gewaltiges Reich aufbaute. Aber unter seiner Macht galt das Weib nicht viel. Es musste sich in dieser frühen Urzeit dem Manne völlig unterordnen und besaß kaum Rechte. Der Raub von Weibern war sogar gesellschaftlich anerkannt.

Viele kleine Kriege durchzogen das Land, denn immer wieder versuchten Rebellen den König zu stürzen. Caduceus sah brandschatzende Abtrünnige durch die Landschaft ziehen, schwarze Rauchwolken türmten sich in den Himmel, Not, Angst, Hunger und Krankheiten überall. Eine geheimnisvolle Seuche verwandelte das Leben einiger armer Seelen endgültig zu einem Ritt durch die Unterwelt.









198. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von AlfvM am 20.02.22 18:35

Hallo Prallbeutel,
leider gibt es schon lange keine fortsetzung mehr. ich hoffe es geht dir gut und ich würde mich freuen wenn es wieder weitergeht.
GLG
ALF
199. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 22.03.22 10:05

Und als hätten die Götter nicht genug Leid über die Menschen geschüttet, so spuckten Berge Feuer, Rauch und heißes Gestein, und räuberische Drachen überflogen die Niederungen einiger Regionen, um sich Menschenopfer zu besorgen. Der Seher zitterte, als eine lederne Schwinge eines Drachen in seinem Trugbild so nah über ihn wegflog, dass er den kalten Luftzug spürte und eine Kralle seine Schulter nur um eine Fingerlänge zu verfehlen schien.

Dann änderte sich das Bild. Caduceus begriff, dass er in seiner Vision einen Zeitsprung getan hatte. Viele Jahre waren vergangen. Unter Talos Sohn, Talos II., drehte sich das Schicksal der Weiber. Der König führte viele neue Gesetze und Verordnungen ein. Noch nie in der Geschichte des Alten Kontinents hatten Frauen so viele Rechte und Freiheiten. Drakonische Strafen für Diebe wurden in Arbeitsstunden umgewandelt, statt sie zu prügeln oder gar dem Strick zuzuführen. Die Steuern wurden drastisch gesenkt. Viele Bittgesuche der Ärmsten erhörte der Herrscher barmherzig.

So entwickelte sich eine tiefe Zufriedenheit unter der Bevölkerung. Nie zuvor war ein Regent so beliebt beim Volke. Die Menschen waren gefügig, aber aus freier Überzeugung loyal und keine Speichellecker. Im Zeitraffer erlebte der Seher die friedliche Zeit unter Talos II., die er selbst als junger Mann schon miterlebt hatte. Und auch der Nachfolger des Königs, Talos III., wurde im Sinne des Vaters erzogen und verfolgte weiterhin die volksnahe Regentschaft, die auch ihn beliebt machte und für Frieden und Glück in seinem Reich sorgte.

Zunächst änderte sich nichts unter seiner Herrschaft. Viele Jahre lang lebten die Menschen unter Talos zufrieden und hatten ihr Auskommen. Bittere Armut war fast ausgerottet. Doch dann sollte sich das Schicksal wenden: Eines dunklen Tages erschien ein junges, geheimnisvolles Weib am Hofe. Schon bald war der Sprössling von Talos II. der Schönheit dieses unheimlichen Weibes verfallen und ehelichte es schließlich, obwohl es kein adliges Blut vorzuweisen hatte. Niemand kannte ihre Wurzeln. War sie irgendeine dahergelaufene Göre? Das wagte niemand zu behaupten, doch blieben viele Fragen in den Köpfen der Untertanen.

Schon nach der Hochzeitsnacht munkelte man im Volke, dass Megara, so hieß die Königsgemahlin, dem anderen Geschlecht nicht abgeneigt sei. Doch Talos III. vertraute ihr blind und glaubte ihren Beteuerungen jedes Mal, wenn er von einem mehrtägigen Jagdausflug zurückkehrte, dass sie treu und erhaben auf ihren Manne gewartet habe. Aber Eingeweihte wussten von Megaras Liebschaften. Die Königin verfügte über schier unersättliche Lust. Die Schöne schreckte dabei auch nicht vor einem Koch und einem Pferdeknecht zurück. Talos III. versuchte solch Rederei im Keim zu ersticken, doch gab es immer wieder Grund dazu, dass die frivolen Geschichten und dunklen Gerüchte aufflackerten.

Als dann die Königin eines Tages zur Niederkunft von Hebammen umringt lag, tauschten die Weiber verwirrte Blicke aus, denn der Stammhalter schien so gar nichts von der Majestät geerbt zu haben, ähnelte dafür aber mit seinen abstehenden Ohren einem Zossenknecht im Stall der Burg verdächtig. Doch Talos III. in seinem Freudentaumel über den Sohn, den Stammhalter, den Thronfolger, den Megara ihm und seinem Reich geschenkt hatte, bemerkte nichts von all dem. Oder er wollte nichts bemerken. Seine Liebe zu der Schönheit machte ihn blind und taub gegen allen Rat.

Schon weiland hatte auch Caduceus, der zu dieser Zeit am Hofe als Alchimist tätig war, den Verdacht, dass Prinz Talos ein Bastard war, doch erst jetzt bewies ihm seine Vision, dass er Recht hatte. Er sah, wie Megara es frivol und schamlos zwischen den Strohballen im Stall mit dem Pferdeknecht trieb, wie die Frucht der sündigen Ausschweifung in ihrem Leib gedieh und der Wechselbalg als Prinz aufwuchs. Wie ein kleiner, dicklicher Nachfolger wie ein Kuckuck im fremden Nest gefüttert und gepflegt und gehegt wurde. Hinter vorgehaltener Hand munkelte man davon, dass etwas nicht mit rechten Dingen zuging, aber niemand wagte ein offenes Wort zu führen.

Dann brach Caduceus Vision abrupt ab. Seine Konzentration war weg. Er fühlte sich schwach, ausgelaucht und erschöpft. Doch der Rest der Historie war dem Seher noch gut in Erinnerung aus eigenem Erleben: Prinz Talos hatte nicht nur das Gesicht von Megaras Besteigers geerbt, auch Megaras böses Blut. Und so entwickelte sich der Prinz zu einem bald rundlichen und zynischen Tyrannen, der Pläsier daran besaß, seine Untertanen zu quälen. Sein Sadismus schien keine Grenzen zu kennen. Er schikanierte das Gesinde, aber auch willkürlich jeden aus dem Volke, der ihm zur falschen Zeit vor die Augen trat. Er ließ Menschen für Nichtigkeiten ins Verlies werfen, nur, um sich an ihrem Leid zu erfreuen.

Im Laufe der Jahre wurde deutlich, dass der Prinz sich dem männlichen Geschlecht zugeneigt fühlte. Sein Vater, inzwischen griesgrämig und seiner Gemahlin hörig, sollte dies jedoch niemals erfahren, denn er starb einige Zeit zuvor. Und seit dieser Zeit war Megara viel zu sehr mit eigenen Liebschaften beschäftigt, dass sie die Vorlieben des Prinzen erkannt hätte. Gerede bei Hofe, dass die jüngst Verwitwete bereits das Vergnügen mit Jünglingen suchte, überhörte Megara geflissentlich oder ließ die Personen in den Kerker werfen, wo sie in dunklen Zellen verrotten sollten.

Caduceus schüttelte langsam den Kopf mit dem silberfarbenen, langen Haar. Fast alles hatten ihm seine Visionen offenbart. Doch ein Geheimnis blieb im Dunkeln: Hatte Megara ihren Gemahl ermorden lassen? Der Seher traute diesem so arg von Macht besessenen und zerfressenen Biest alles zu. Wenigstens waren Megaras Tage gezählt, seufzte er hoffnungsvoll. Und er hatte vor langer Zeit schon in seinen Bildern gesehen, wie unrühmlich ihr grausames aber redlich verdientes Ende in den Höhlen unter dem Palast war. Und es dauerte ihn wahrlich nicht.

Zelos, der Oberste der Garde von Königin Leda, hatte vorgehabt, seinen Ärger eifrig an dem Wärter Winand zu kühlen. Nur in Wolldecke gewickelt war der Mann vor den Gefangenen im Kerker bereits gedemütigt geworden; doch Zelos hatte noch nicht genug. „In den Standpranger mit dir“, befahl er aufbrausend. Der zweite Wärter Bertram öffnete die Nebenzelle, in der ein entsprechendes Gerüst stand. Winand näherte sich unbehaglich dem Pranger. Bertram öffnete ihn, so dass Winand seine Handgelenke und den Hals in die Rundungen legen konnte. Bertram klappte den Pranger zu und verriegelte ihn.

Zelos zeigte auf den Gefangenen und befahl mit schnarrender Stimme: „“Nimm ihm die Decke weg. Die benötigt der Popanz hier nicht.“ Bertram zog sie dem nun splitternackten Winand hinfort und verließ die Zelle. Die Marodeure aus den Freien Ländereien starrten den nun fixierten Wachmann mit einer Mischung aus Erstaunen, Häme und Befriedigung an. Da teilte der Kerl ihr Schicksal, der sie schon gequält und verhöhnt hatte.

Zelos räusperte sich zufrieden. „Er verbleibt acht Stunden im Pranger. Es sei ihm eine Lehre.“ Damit raffte er seinen Umhang und schwang ihn elegant über die Schulter, eilte aus dem Gewölbe und begab sich in seine Kammer. Das hatte dieser notgeile Bock davon, eine Magd zu beschlafen. Jetzt sollte er dafür büßen, dass er seine Rute aus den Beinkleidern gezogen hatte.

Am nächsten Tag, als die Sonne sich anschickte, die letzten Dunstschwaden zu vertreiben, versuchte Zelos seine Majestät bei erster Gelegenheit abzufangen, um mit ihr zu sprechen, doch Leda vermied es, mit ihm unter vier Augen zu sein. Frustriert und verdrießlich marschierte Zelos mit wehendem Umhang über seinem Kettenhemd zum Stall und ließ sein anmutiges Ross satteln. Im Galopp verließ er die Burg. Der Oberste musste allein sein. Seine Gedanken ordnen. In der Festung haperte es ihm an Ruhe. Er durfte nicht hitzköpfig handeln. Wie sollte es weitergehen? Leda blockte jede Annäherung und Zärtlichkeit ab.

Aufgeputzt in feinstem Stoff und den hohen Zeichen seiner Würde ritt er den Weg zur Palisadenmauer entlang, zweigte dann aber auf einen Pfad ab, der zu einer Kate führte. Sein Ziel waren die Eigentümer des Hofes Boreas und Maia, mit denen er so manches Abenteuer auf dem Westkontinent erlebt hatte. Die ehemalige Soldatin Maia war dem Kriegsdienst müde und zur Bäuerin geworden. Ihren Gemahl Boreas hatte sie als Sklaven kennen gelernt und schließlich freigekauft.

Zelos hatte vor, eine Geschichte von einem Freund zu erzählen, der sich in ein vermähltes Weib verliebt hatte. Auch die Sache mit dem Keuschheitsgürtel wollte er erwähnen. Nur die Namen der wahren Personen ließ er diskret weg. Vielleicht würden Maia oder Boreas einen Rat wissen. Bei einem Humpen Bier gab Zelos die Erzählung zum Besten. Boreas erwähnte bei der Gelegenheit einen Vorfall mit einem Stallburschen und einer Magd. „…und als Strafe wurde der Kerl für vier Jahreszeiten in einen Keuschheitsgürtel gesperrt. Den Schlüssel verwaltet unsere Magd Luna.“ Maia setzte ein Schmunzeln auf. „Und sie hat sehr viel Freude an ihrem Burschen. Wohl mehr als sich geziemt.“

Das war Zelos alles keine Hilfe und er sah betrübt auf den Ofen, auf dem ein kleiner Kessel mit heißer Hühnerbrühe stand. Die Bäuerin bemerkte die Niedergeschlagenheit und schlug ihm vor: „Warum führt der Weg deinen Freund nicht einfach zu einem Schmied?“ Zelos kam ins Stottern. Selbstverständlich durfte sich Abas als Königsgemahl nicht vor dem Volk die Blöße geben, in einem Keuschheitsgürtel eingesperrt zu sein. Unweigerlich würde sich die Kunde in ganz Ledanien und darüber hinaus verbreiten. Welche Schmach das wäre!

„Äh…“, Zelos räusperte sich manieriert, „ein Schmied…“ Er tat so, als dachte er darüber nach. „Um ehrlich zu sein… Mein Freund ist ein Mann in wichtigem Amte und…“ Maia und Boreas sahen sich alarmiert an. Das machte die Sache auf gewisse Weise pikant. „Ein hoher Angestellter zu Hofe gar?“, fragte Maia vorwitzig und trunken von Neugierde. Zelos blies die Wangen auf und wiegelte ab. „Es tut mir Leid. Ich habe schon zu viel gesagt. Ich muss zurück zur Burg.“

Plötzlich hatte der Oberste es zu eilig, um weiterhin Konversation zu halten, und stand abrupt auf. Doch der Schatten des Verzagens, der sich in seinem Gesicht ausgebreitet hatte, war verschwunden. Er rieb sich unterbewusst mit Daumen und Zeigefinger über seinen Wams aus Kamelott und streifte sich den repräsentativen Umhang aus Taft über, den er über eine Stuhllehne geworfen hatte, legte ihn an und verabschiedete sich kurz abgebunden. Er hinterließ fragende Blicke.

Zelos ritt hurtig den Weg zurück, den er gekommen war. Ihm war ein erschreckender Gedanke entstanden: Was war, wenn Leda den Schmied in die Burg bringen und ihn anschließend im Kerker verschwinden ließe? Oder auf andere Weise mundtot machte? Würde sie das tun? Einen Unschuldigen für Abas Freiheit strafen? Vermutlich nicht, dazu war Leda zu honorabel, doch Zelos durfte kein Risiko eingehen. Er musste dafür sorgen, dass der Schmied schwieg. Für immer. Doch dann fiel ihm ein, dass es viele Schmiede gab, die einen Keuschheitsgürtel öffnen könnten. Zelos war verzweifelt. All seine Hoffnungen waren von dannen.

Er steigerte sich so in seine Sorge hinein, dass es ihn fast den Verstand raubte und hinter seinen Schläfen pochte. Abas sollte nie wieder seinen Samen in der Königin verströmen! Leda gehörte ihm, Zelos! Er musste Abas töten! Ja, das Schicksal verlangte viel, doch er musste zum Königsmörder werden, um Ledas Gunst zu erwerben. Wenn Abas nicht mehr war, würde sich die Königin wieder ihm zuwenden. Und… Ja, er würde Königsgemahl werden! Er hätte das Ziel seiner Träume, nach dem er heischte, erreicht! Das war der Götter Wille. Davon war Zelos felsenfest überzeugt. Er betrachtete sich in einem polierten Kupferspiegel in seiner ganzen Pracht.

In der Zitadelle angekommen traf er Abas auf dem Flur und huldigte dem Gatten der Leda mit einer vornehmen Verbeugung. Abas humpelte dieser Tage besonders schlimm, denn seine Hüfte schmerzte hin und wieder dumpf. Immer wieder wurde er an Megaras Kerkerhaft erinnert und ließ seine Miene bitter werden. Als Zelos die klackenden Schritte hinter sich hörte, entglitten ihm seine zurückhaltenden Gesichtszüge zu einer Grimasse. Er hasste diesen Mann. Abas stand zwischen ihm und Leda. Das musste ein Ende haben. Zelos verfiel in finstere Gedanken und Überlegungen, wie er den ungeliebten Widersacher loswerden könne.

Gift – das war sein erster schändlicher Einfall. Doch hatte Zelos Sorge, dass ein königlicher Heiler oder Medikus die Substanz bemerken würde. Der Oberste hatte von geheimnisvollen Zeremonien gehört, die einige Gelehrte mit dem Toten unternahmen und noch Tage später ein Gift aufspüren konnten. Leider hatte er schon vor zu vielen Gardisten und Soldaten damit geprahlt, welches Wissen er über so manche gefährliche Arznei besaß. Der Verdacht würde auf ihn fallen. Nein, das durfte nicht geschehen.

Sturz – ein Fall vom Turm der Burg. Eine heftige Windböe käme ihm sehr zupass, die den verschmähten Abas überraschte. Es gab nur wenige Stellen, die nicht von hohen Zinnen umrahmt waren. Doch wenn sich der Krüppel in den Freitod gestürzt hatte? Ja, Zelos würde die Schrift des Königsgemahls nachahmen können. Ein Abschiedsgruß auf Pergament. Vielleicht sogar ein Testament. Langsam nahm ein düsterer Plan in Zelos Gehirn Gestalt an, den er immer weiter schmiedete, bis die erdachte Todesklinge für den Rivalen dessen Leben aushauchen lassen würde.

Aurora lebte in Cassandras Reich wie die Made im Speck: Geschmeide, Juwelen, Gold, feinste Seide, kostbarste Leckereien und edelster Wein, einen Ehesklaven sowie Lustsklaven nach ihrer Laune – sie verfügte über jede Annehmlichkeit und großen Reichtum bis zum Überdruss. Ihr Luxus war noch zügelloser als im Palast ihrer Mutter. Jedoch eines vermisste die Prinzessin: Die Freiheit. Sie haderte daher in ihrem neuen Heim unzufrieden wie der sprichwörtliche Vogel im goldenen Käfig. Sie wollte nicht nur das Anhängsel der Tyrannin sein, sondern ein eigenes Reich und eine Krone auf ihrem edlen Schopfe.

Und sie wollte endlich zurück in die Metropole, um sich an ihrer Mutter zu rächen, die ihr einen kurzen Ausflug versprochen und ihr ein Exil gebracht hatte. Und das Grauenhafteste: Ihr Schwesterherz durfte sich nun auf den Thron freuen, falls Fama das Zeitige segnete. Das durfte nicht geschehen. Das wäre wahrlich ein Katzenjammer! Die Prinzessin erstickte beinahe in Neid und Missgunst.

Aurora spielte allen Menschen um sie herum die banale Lady vor, die nur Augen für Gold und Lustburschen hat, doch insgeheim forschte sie nach einer Möglichkeit dem Reich der Cassandra zu entkommen. Als eines Tages die Nachricht verkündet wurde, dass Fama, die Siegreiche, verstorben war, wurde Aurora ganz schlecht. Mögen manche Zeuginnen geglaubt haben, die Prinzessin trauere um ihre Mutter, war Aurora aus ganz anderem Grunde übel. Vesta saß nun an der Quelle der Macht. Das liebe Schwesterchen würde keine Zeit verlieren, die Krone an sich zu reißen. Aurora bekam einen Wutanfall und peitschte einen beliebigen Leibeigenen wild durch.

Als sie sich ausgetobt hatte, kam ihr schlagartig eine Idee. Eine Intrige musste her. Sie ließ sich bei Königin Cassandra anmelden und tröpfelte der Despotin flüsternd einige Giftlügen ins Ohr: Vesta sei an der alleinigen Macht interessiert und wolle Cassandras Reich erobern. Die geschlossene Allianz würde Vesta zum Schein aufrechterhalten, doch bei nächster Gelegenheit würde die verräterische Göre Cassandra entmachten. Die Königin grübelte. „Weißt du das gewiss?“, fragte sie Aurora, die ernsthaft und doch ein wenig geziert nickte. Cassandras Miene versteinerte sich. „Ihr deinem Schwesterherz also nicht zu trauen? Nun gut, ich werde sie auf die Probe stellen.“

Aurora hätte gern gewusst, was Cassandra plante, doch die Herrscherin beendete die Audienz. Aurora ließ sich mit säuerlicher Miene von ihrer Sklavensänfte zurück in ihre Residenz bringen. „Vesta und ich – das ist eine Person zu viel!“, murmelte sie. „Schneller, ihr faules Pack!“, schrie sie aufgeplustert nach draußen, und die Sklaven liefen mit dem schweren, überdachten Sitzgestell noch eiliger. Die Männer würden ausbaden müssen, dass die Herrin ihrer Geduld überdrüssig war.

Und tatsächlich: Als Aurora an ihrem Domizil ankam, stolzierte sie zu der Majordoma und befahl ihr, die faulen und trägen Sänftenträger ein wenig zu drillen. Noch lange Zeit, nachdem Aurora frisch gebadet auf ihrem großen Bett unter einem Baldachin ruhte und einige feine Spezereien naschte, machten die verschwitzten Männer in ihren knappen Lendenschurzen mit zittrigen Muskeln Kniebeugen mit den Griffen der Sänfte auf der Schulter. In der Sänfte saß eine Bedienstete des Hauses und rief Kommandos. Später, als die Sonne am Horizont versank, schleppten sich die Sklaven völlig verausgabt und wankend mit zitternden Beinen den Weg in ihre Unterkunft und fielen entkräftet zu Boden ins Stroh.

Am nächsten Tag schaute Aurora von einer großen Balustrade ihrer Residenz auf einen benachbarten Park, in dem vier Soldatinnen mit Pfeil und Bogen übten. Sie zielten zur Verwunderung der Prinzessin jedoch nicht auf Strohscheiben sondern auf Äpfel. Äpfel, die auf den Köpfen von vier Sklaven lagen. Aurora, die seit jüngsten Jahren Flausen im Kopf hatte, hob begeistert ihre mit Rosenquarz-Ringen geschmückten Hände und klatschte. „Oh, wie fein! Ob sie wohl treffen?“, sprach sie zu sich selbst und schaute gespannt dem Treiben zu.
200. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von AlfvM am 23.03.22 20:54

Hallo Prallbeutel,
es ist schön wieder was von dir zu lesen. Deine tollen Geschichten gehen weiter, insbesondere für mich das Reich der Megara neu.
Vielen Dank dafür.
VG AlfvM
201. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von sheeeep am 24.03.22 18:44

Ja,Gott sei Dank geht es weiter mit dieser fantastischen Erzählung....wunderbar...
202. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 02.04.22 15:22


Die Leibeigenen versuchten ihrer Angst, die sie bestürmte, Herr zu werden und nicht zu zittern, denn das gefährdete sie nur noch mehr. Allerdings waren die uniformierten Damen sehr zielsicher und halbierten gekonnt Obst um Obst. Schließlich wagte sich eine der Schützinnen sogar an den „Mundschuss“: Der Sklave musste in den Apfel beißen und ihn mit den Zähnen festhalten, bis ihn der Pfeil der Soldatin platzen ließ. Ihre Kameradinnen jubelten, und die Bognerin machte einen amüsierten Kratzfuß und lupfte dabei einen imaginären Hut.

Aurora schwärmte davon, auch einmal auf einen Mann anzulegen. Doch leider würde ihr Pfeil unberechenbar durch die Luft flitzen. Vielleicht sollte sie sich anfangs einen Bogen mit geringer Spannkraft und Pfeilen ohne Spitze begnügen, damit sie nicht Dutzende Sklaven verbrauchte. Als sie ihre neueste Spielidee der Majordoma mit einem Hauch eines triumphierenden Lächelns auf ihren Lippen vorschlug, wusste diese überraschenderweise zu berichten: „So ein ähnliches Gerät besitzt Cassandra zur Kurzweil. Darf ich die Königin fragen, ob sie es Euch leiht?“ Aurora war neugierig, was das wohl war und stimmte zu. Ursprünglich hatte sie mit Cassandra kein Wort mehr wechseln wollen, weil sie von ihr in ihrem Reich quasi gefangen gehalten wurde. Allerdings würde ihr Trotz bei der Despotin auch nicht weiterhelfen.

Cassandra lud die Prinzessin am nächsten Tag in ihren prunkvollen Herrschaftssitz ein. Im Lustgarten, den der Gast über eine Pergola aus Weinranken erreichte, um der Majestät die Aufwartung zu machen, begrüßte Aurora noch drei weitere Hofdamen, die ebenfalls mitspielen wollten. Jede Lady erhielt eine kleine Armbrust. Das Besondere waren die Schussbolzen. So etwas hatte Aurora noch nie gesehen. Es waren Metallstifte, etwa einen Finger lang und statt einer Spitze sah der Pfeil aus, als spanne sich vorne eine Kralle auf.

Cassandra demonstrierte der staunenden Metropolin die Wirkungsweise der perfiden Vorrichtung. Sie drückte das Vorderende gegen ein Kissen. Sofort schnappte die Kralle aus sechs kleinen eisernen Beinchen zu und klemmte sich in den Stoff. Cassandra schmunzelte. „Die Bolzen halten so sicher zum Beispiel in den Arschbacken unserer drolligen Häschen“. Aurora gluckste und ihr pausbäckiges Gesicht strahlte freudig. „Ihr nennt das Gezücht Häschen?“

Die Monarchin klatschte statt zu antworten mit den beringten Händen. Die vielen Armreifen rasselten dabei fast lauter als der Knall der zusammengeschlagenen Hände. Sofort flitzte ein Leibdiener in der cassandrischen Sklavenuniform herbei. Aurora musste über die eigenwillige Livree innerlich lachen. Der Diener trug schwarze Stiefel, einen Keuschheitsgürtel, ein schwarzes Geschirr, das sich im Schritt teilte und hinten mit einem Lederriemen zwischen seinen Hinterbacken straff nach vorne gebunden war. Ein breites Eisenband um den Hals war vorne und hinten mit einer kleinen Öse ausgestattet.

Der kahlköpfige Mann trug des Weiteren eine Lederhaube, die nur Augen, Ohren und Mund frei ließ. Cassandra strenge Stimme ertönte: „Mach mir das Häschen!“ Augenblicklich sprang der Sklave auf alle Viere, doch erhob er die Knie, so dass nur Füße und Hände den Boden berührten. Dann bewegte er sich mit geschlossenen Beinen hüpfend vorwärts, abwechselnd die Hände und Füße aufsetzend, den Hintern weit nach oben gestreckt. So hoppelte er umher wie geheißen.

Cassandra oblag es, ein Exempel zu geben, hob ihre Miniatur-Armbrust und legte einen Bolzen ein, zielte auf den Sklaven, drückte ab und grinste zufrieden, als das „Häschen“ aufjaulend zur Seite fiel, die Arme nach dem festgeklammerten Geschoss an seinem Hintern griffen, das beißende Eisen aber nicht entfernen konnte. Cassandra erklärte das vergnügliche Treiben. „Wir spielen gewöhnlich mit 20 Häschen im Garten. An der Farbe der Bolzen sehen wir später, wer die größte Ausbeute erzielt und damit beste Jägerin ist.“ Aurora war begeistert. „Das ist das anregendste Spiel, das ich kenne!“, fühlte sie sich erfüllt mit Freude, und ihre Augen funkelten.

Bald schon waren die edlen Damen in ihre Jagd vertieft und streiften wie Weidfrauen durch den königlichen Park, in dem 20 Häschen hoppelten, die es zu erspähen gab. Besonders amüsant fand die Prinzessin, dass die Hasen durch einen Zapfen mit Fellkugel am Ende und einem Stirnband mit langen Ohren an den Seiten, dem mümmelnden Haarwild ein wenig ähnelten.

Als alle Tierchen erlegt waren, schlug Cassandra eine Pause vor. „Lasst uns zunächst eine Erfrischung genießen. Eistee und Zitronenwasser stehen bereit. Später können wir die Häschen zählen.“ Und so lagen 20 japsende Leibeigene noch eine ganze Weile in der Sonne und ertrugen zwangsläufig die beißenden Klammern an ihren Kehrseiten. Die zuckenden und windenden Bewegungen zeugten von ihrer Qual.

„Darf ich einige dieser Bolzen haben?“, fragte Aurora, sich die Händchen reibend, bevor sie sich nach Hause begab. Cassandra reichte ihr eine kleine Kiste aus poliertem Ebenholz, die mit ihnen gefüllt war. Auch eine kleine Armbrust behielt die Prinzessin. Als Cassandra kurz darauf am hohen Fenster ihres Palastes die Abreise ihres Gastes beobachtete, begann sie herzhaft zu lachen, denn Aurora versetzte sämtlichen Sänftenträgern einen Bolzen in die Allerwertesten und drohte mit Nachschub, falls sie nicht schleunigst lostrabten.

Die Tyrannin verließ das Fenster und betrachtete eine Wandkarte aus Leder, die den gesamten Kontinent mit seinen Kleinstaaten kunstfertig darstellte. Am Rand war der Kontinent von den schwarzen Köpfen der Nägel umzingelt, die die Karte im Mauerwerk hielten. Cassandras Blick schwang zur Metropole und weiteren Reichen im Osten. Bald würde sie alleinige Machthaberin über ein gewaltiges Ostreich sein. Die Allianz mit der Metropole würde nur ein Vorwand sein, um ihre Truppen in die Stadt positionieren zu können. War ihre Streitmacht erst in Stellung, konnte sie die Regierung der Metropole entmachten. Vielleicht mussten dafür nicht einmal viele Kampfsklaven ihr Leben lassen. Davon gab es jedenfalls reichlich.

Vermutlich, so überlegte Cassandra, war nun Vesta, Famas zweite Tochter, auf dem Thron. Die Unerfahrenheit der Göre würde alles noch einfacher machen, lächelte Cassandra in sich hinein. Und wenn erst die Metropole in ihrer Hand war, fielen auch die restlichen Staaten der Reihe nach. Das eine oder andere Städtchen würde sie niederbrennen müssen, doch was war so ein bescheidenes Opfer im Gegensatz zu einer Ostmacht unter ihrer Stimme, die bald auch den Westen niederwalzen würde!? Cassandra sah sich in den Folianten der Chronisten bereits in einem Atemzug mit Megara genannt.

Als sich bereits wenige Tage später erste Truppenteile in Richtung Metropole bewegten, erhielt auch Aurora davon Kunde. Cassandras hinterhältiges Ränkespiel blieb nicht geheim, so dass auch die Prinzessin erschrocken davon erfuhr, welche Bösartigkeit sie vorhatte. Was sollte sie nun tun? Ihre Schwester warnen? Oder auf Seiten der Cassandra bleiben, kriecherisch den Kopf vor dieser Schlange neigen und vielleicht die zukünftige Statthalterin der Metropole werden?

Darauf kann ich nicht hoffen, mutmaßte sie. Ich muss Vesta vor dem feigen Überfall warnen. Dann kann ich die alte Vettel immer noch vom Thron stoßen. Aber ein halber Kontinent von Cassandra, dieser Metze, unterjocht… Die Alten Götter mochten dieses Verhängnis verhindern! Es stank nach Frevel. Auroras Köpfchen glühte, und letztlich kam sie zu einem bedeutsamen Entschluss.

Die Adelstochter nahm all ihren Mut zusammen, packte emsig einigen Vorrat und befahl einigen Haussklaven, drei kräftige Rösser zu satteln und hinter der Residenz im Schatten der hohen Mauer bereit zu halten. Sie steckte die kostbarsten Juwelen in einige dunkelblaue Samtbeutel und hoffte, dass sie damit die Wächterinnen bestechen konnte. Solch süße Versuchung erstickte oft alle Tugend und Pflichtgefühl.

Auch einen Dolch verleibte sie sich ein und band ihn am Strumpfband unter ihrem adretten Kleid in dem unerschütterlichen Willen fest, bis zum Tode für ihre Freiheit zu kämpfen. Sie setzte alles auf eine Karte. Sollte ihre Flucht nicht gelingen, würde Cassandra sie wohl in einen Kerker stecken oder den Priesterinnen des Malus-Kultes ausliefern. Und der Despotin gebrach es an jedwedem Mitleid oder Empfinden mit einer Verräterin. Aber die Angst wurde von ihrer Sorge um ihr Schwesterchen besiegt… oder war es die Sorge um den Verlust der Krone?

Aurora gelang es, ungesehen aus der Residenz und bis zu den Reittieren zu schleichen. Doch keinen Augenblick später war ihre Abwesenheit bemerkt worden. Alarmrufe schrillten auf. Die Majordoma lief hinter ihr her. Aurora drehte sich langsam um. War ihre Flucht hier schon zu Ende? Die Verfolgerin kam näher und baute sich vor ihr auf. Plötzlich zog die Prinzessin ihren Dolch und versenkte ihn schmatzend in der Brust der Frau, die ungläubig auf den verzierten Schaft der Waffe starrte und ihn umfasste. Sie öffnete den Mund und ein Röcheln erklang. Dann sackte sie zusammen.

Aurora setzte ihren Weg fort, als sei nichts geschehen. Bald stieg sie auf einen Schimmel und begleitete ihren Ehesklaven sowie einen weiteren Leibeigenen, der ihr hörig war, zur Stadtmauer. Zwei Soldatinnen kamen mit langen Hellebarden auf das Trio zu und versperrten ihnen den Weg. Aurora, die sich einen Seidenschal um Kopf und Gesicht gebunden hatte, um nicht erkannt zu werden, hielt ihnen zwei Beutel mit den funkelnden Edelsteinen hin. Die Frauen sahen sich an und nickten kaum merklich.

Eine von ihnen gab einen Befehl an mehrere Kampfsklaven, die an einer schweren Winde das Fallgitter in die Höhe zogen. Aurora und ihre beiden Begleiter ritten eilig durch das Stadttor und galoppierten über die Ebene. Hinter ihnen hörten sie Hörner Alarm rufen. Als Aurora sich im Sattel umdrehte, bemerkte sie eine Reiterschar, die ihnen folgte.

Im gestreckten Galopp konnte sich die Prinzessin kaum auf ihrem Schimmel halten. Als Aurora schon verzweifelt ihr Schicksal besiegelt sah, blieb die Schar gerüsteter Reiterinnen hinter ihnen zurück. Bald war der Trupp kaum noch in Sichtweite. Das Trio ritt etwas langsamer, um die erschöpften Tiere zu schonen. Hatten Cassandras Schergen aufgegeben? Aber warum? Im nächsten Moment hörten die Drei ein gewaltiges Dröhnen und Brüllen, das ihnen durch Mark und Bein ging. Ein Troll!

Plötzlich gingen die Rösser panisch auf die Hinterhand und wieherten, stießen zischend Luft aus ihren Nüstern und blickten hektisch umher, trippelten unruhig hin und her und schnaubten nervös. Als sein Tier aufbäumte, fiel der Leibeigene unglücklich zu Boden und jammerte: „Mein Bein!“ Er sah Hilfe suchend zu der Herrin. Aber Auroras Aufmerksamkeit war ausschließlich dem Troll gewidmet. Die Baumwipfel eines entfernten Haines bogen sich zur Seite. Das Ungetüm kam genau auf sie zu!

Der Leibeigene kämpfte sich auf die Füße, brach aber sofort vor Schmerz schreiend wieder zusammen. „Helft mir auf!“, flehte er furchtsam und voll Harm. Aurora ließ ihr Ross rückwärts tänzeln. „Nein, bleib du hier und halte das Monster auf. Mut tut nun Not. Sei kein Hasenfuß!“ Sie gab ihrem Schimmel die Sporen und jagte hinfort, aschfahl im Gesicht. Ihr Ehesklave folgte ihr so geschwind wie ihm möglich war. Die Hoffnung des verletzten Sklaven, vor dem Ungetüm gerettet zu werden, ward fortgewaschen. Er schloss die Augen vor dem sicheren Tode.

„Lasst mich nicht hier zurück!“, brüllte der Leibeigene in Todesangst hinterher, wurde aber von keinem Ohr mehr gehört. Entsetzt drehte er sich gruselbang zu dem Hain um: Der Troll erschien am Rand und kam stapfend und polternd auf ihn zu. Von Lidschlag zu Lidschlag wurde das Urvieh größer, gewaltiger und machte keinen Hehl aus seiner Gefährlichkeit. Die Erde bebte unter seinen Tonnen von Gewicht. Die Lefzen zogen sich zurück und entblößten Reißzähne, wie sie der Mann noch nie zuvor gesehen hatte. Aurora und ihr Gatte waren bereits weit entfernt, als der sich der Troll anschickte, sein Opfer zu verspeisen.

Abas stieg den höchsten der Türme von Ledas Burg hoch. Was Zelos ihm wohl so wichtiges und geheimes zu sagen hatte? Die Sonne war bereits untergegangen. Ein großer Vollmond schien gelb wie Butter herab und gab neben Abas Laterne das einzige Licht vom Firmament, dem in dieser Nacht die Sterne fehlten, wie ihm mit einem Blick ins Himmelszelt gewahr wurde.

Der Gemahl der Königin merkte, wie Fledermäuse durch die Dunkelheit flatterten. Es war kühl, so dass der Königsgemahl seinen Umhang um sein Wams wickelte und hoffte, dass der Oberste ihn nicht lange warten ließ. Seit der Kerkerhaft bei Megara spürte er jeden Luftzug unbarmherzig in seinen Knochen. Der Aufstieg die lange Wendeltreppe bis zur Aussichtsplattform des Turms war schon mühsam genug gewesen, obwohl er saumselig Stufe für Stufe hinter sich gebracht hatte. Überall zwickte es ihn. Bis auf ein entferntes Käuzchen war es still.

Als sich Abas herumdrehte, zuckte er zusammen: Zelos stand dicht hinter ihm. „Oberster!“, begrüßte der Königsgemahl den alten Weggefährten kurzatmig. „Ihr habt mich erschrocken. Was schleicht Ihr Euch so heran?“ Zelos entschuldigte sich formvollendet und deutete eine Verbeugung voll falscher Höflichkeit an. Insgeheim dachte er sarkastisch dabei: „Meiner Treu! Hat sein Gehör in der Kerkerhaft auch gelitten? Mich dünkt, ich sollte mir eine Rasselkette umbinden.“

Abas erkundigte sich nach dem Grunde für das Gespräch und den ungewöhnlichen Ort dafür. Zelos sah den Königsgemahl mit einem Faungesicht an. „Ich kenne Euer Geheimnis“, sagte er ihm auf den Kopf zu. Abas tat unwissend und zog die Stirn kraus. „Geheimnis? Werdet deutlicher!“ Zelos tat ihm gerne den Gefallen und schaute ihn mit sengendem Blicke entgegen. Kühn erkeckte er sich der Wahrheit, ohne dass sich seine Tücke wie zuvor hinter einer Maske verbarg. „Euer Keuschheitsgürtel.“ Abas wurde bleich wie Alabaster. Ein Gesichtsmuskel unter seinem linken Auge zuckte unkontrolliert. „Woher…?“ Zelos grinste bitter. „Ich war es, der Leda den Vorschlag gemacht hat, Euch einzusperren.“ Abas fiel der Unterkiefer hinab. „Was…?“ Er konnte nicht glauben, was seine Ohren vernommen hatten. Zelos nickte hochnäsig. „Und ich besaß Euren Schlüssel dazu!“

Abas zitterte vor Aufregung. Ihm fehlten die Worte. Zelos gluckste. „Und ich habe den Schlüssel zu Eurer Männlichkeit im Graben der Burg versenkt.“ Humorlos lachte der Oberste auf. Er starrte sein Gegenüber an. „Und wisst Ihr auch den Grund?“ Abas war starr wie aus Stein gehauen. Das da vor ihm musste ein Dämon sein, der ihm in einem Nachtmahr erschien. Doch Zelos hörte sich sehr echt und lebendig an. „Leda hat sich mir hingegeben. Ihre Gunst ist mein. Ganz und gar!“

Er kostete jedes Wort aus und betonte es genießend. Abas spürte jede Silbe wie einen Dolchstich in sein blutendes Herz. „Während Ihr im königlichen Nachtlager geschlafen habt. Ihr und Eure… nutzlose Männlichkeit. Doch das ist vorbei! Leda gehört nun mir! Habt Ihr das verstanden?“ Abas bebte am ganzen Leib. Doch er war weiterhin zu keiner Erwiderung fähig. Auf diesen Moment sann Zelos und packte die Gelegenheit ohne zu zaudern beim Schopfe. Der dünkelhafte Schurke kam auf den Königsgemahl zu und packte ihn am Wams. Mit Gewalt drückte er Abas auf den Abgrund zu.

Kurz zuvor hatte ein Stallbursche erschrocken festgestellt, dass er vergessen hatte, neues Heu in den Stall zu fahren. Eine ganze Wagenladung stand noch im Hofe der Festung. Wenn es regnete, würde er großen Ärger bekommen! Er erinnerte sich noch sehr gut an seine letzte Verfehlung, die der Stallmeister ihm einbläuend entlohnt hatte. Er schlüpfte emsig aus seiner Wolldecke und streifte sich sein speckiges Lederhemd über. Dann lief er im Dunklen hurtig über den Hof. Rösser anzuspannen machte zu viel Lärm. Aber wie sollte er den schweren Holzkarren nun bewegen?

Er trommelte vier Burschen zusammen, die ihm noch einen Gefallen schuldig waren und versprach ihnen in den nächsten vier Tagen jeweils seine Wurstration. Die Jungspunde folgten ihm noch müde aber willig zu dem Fuhrwerk und schoben auf ein geflüstertes Kommando des Stallburschen die Speichenräder vorwärts. So bewegten sie das schwere Gefährt über den Hof bis vor den Stall. Der Stallbursche öffnete gerade leise die Pforte und hoffte inständig, dass sie nicht zu laut knarrte, da zerriss die Nacht ein furchtbarer Schrei.

Im nächsten Augenblick landete etwas laut krachend auf dem Heuhaufen und stob Myriaden von trockenen Halmen durch die Luft. Die Jünglinge sahen mit offenen Mündern auf die Ladefläche des Karren. Ihre Augen fanden einen Mann dort mit verrenkten Gliedern liegen. War er etwa vom Turm gestürzt? Die Grünschnäbel sahen nach oben, erkannten dort aber nichts. Einer der Burschen lief schnell nach einem Medikus. Die anderen gruppierten sich um den Gestürzten, der ohne Bewusstsein war. Lebte er der arme Tropf noch?

Der Stallbursche sah in dem Zwielicht nicht, ob er die Person kannte. Ein Wächter vielleicht? Aber der Recke war nicht gerüstet. Ein Knecht? Als kurz darauf mehrere Wachen, ein Medikus und Nike, die Gardistin erschienen, erleuchtete die Umgebung von den mitgebrachten Fackeln und Laternen fast grell den sonst schwarzen Hof. Nike und der Medikus riefen wie aus einem Mund entsetzt: „Ihr Götter! Der Königsgemahl!“ Ein Raunen ging durch die Versammelten.
203. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 16.04.22 10:30


Der Heiler rief nach frischen Tüchern und heißem Wasser. Er lagerte den Souverän anders und verlangte nach einer Trage. „Er muss sofort in meine Kammer gebracht werden.“ Dort bewahrte er seine Utensilien auf: die verschiedenen Messer, die Substanzen, die Schienen, um Brüche zu richten. Kurz darauf erschien der Oberste mit fragender Miene. „Sprecht! Was ist geschehen?“ Nike berichtete ihm von dem schrecklichen Unglück. „Es war doch ein Unfall, oder glaubt ihr an einen Mordversuch?“, fragte sie. Zelos sah sie ernst an. Das Entsetzen in seinem Blick deutete die Gardistin als Sorge um den Königsgemahl, doch galt es der Tatsache, dass Abas noch lebte. „So ein Schlamassel! Ich muss mit der Königin sprechen.“ Ein Soldat salutierte. „Die Majestät ist bereits unterwegs.“

Als Leda besorgt aus der Krankenkammer erschien, passte Zelos sie ab. „Leda“, raunte er ihr zu. „Ihr müsst etwas Wichtiges erfahren.“ Leda sah ihn abweisend an. „Was sollte in dieser unheilvollen Nacht so bedeutend sein? Mich interessiert nur, ob Abas den Sturz überlebt. Wäre der Heuwagen dort nicht gestanden…“ Sie schluchzte leise, ihre schmalen Schultern bebten. Zelos nahm sie voll Heuchelei in die Arme und strich ihr tröstend über den Rücken. „Darum geht es, Leda. Als der Tumult begann, bin ich an der Schreibstube vorbei gekommen und sah die geöffnete Tür und die brennende Laterne. Ich fand einen Brief auf dem Tisch liegen. Er stammt von Abas.“

Leda sah Zelos verwirrt an. „Was soll das bedeuten?“ Zelos atmete schwer aus. „Ich fürchte, Abas wollte seinem Leben ein Ende setzen.“ Die Königin wollte das nicht glauben. „Niemals! Abas liebt mich doch…“ Zelos streichelte Leda. „Ich weiß, es ist schwer zu akzeptieren…“ Leda riss sich von dem Obersten los. „Lasst mich allein.“ Sie schritt den Flur entlang.

Nike kam ihr entgegen geeilt. Die Monarchin sprach sie an. „Bewacht meinen Gemahl und meldet mir sofort, wenn es ihm schlechter gehen sollte.“ Nike salutierte. „Sehr wohl, Majestät!“ Zelos raunte Nike zu: „Wie geht es ihm? Wird er es überstehen?“ Die Gardistin bedauerte unsicher: „Der Medikus weiß es nicht. Abas hat Blut verloren und innere Verletzungen. Die Knochenbrüche sind vergleichsweise glimpflich. Bei Sonnenaufgang wissen wir vielleicht mehr.“

Zelos verschwand in seinem Gemach. Was hatte dieser verteufelte Heuwagen da zu suchen? An Glück gebrach es dem Widersacher nicht. Wenn Abas überlebte, war er - Zelos - des Todes. Wäre der vermaledeite Krüppel doch nur nicht so gut bewacht! Ein Kissen würde das Problem schnell lösen. Der Oberste fand keine Ruhe. Er schritt zurück und schickte die Wache unter einem Vorwand weg. Dann wollte er noch den Heiler für einen Moment aus dem Lazarett locken, doch es war auch noch ein Helfer dabei. Und Nike kam auch noch dazu. Zelos kehrte frustriert in seine Kammer zurück und betete zu den Alten Göttern, dass sie Abas zu sich nahmen, bevor dieser aus seiner Ohnmacht erwachte.

Es zwang ihn zu Leda, um ihr den Abschiedsbrief ihres Gemahls bringen. Der Oberste stiefelte los und wurde an der Tür zu den königlichen Gemächern von der Hofzofe abgewiesen. „Entschuldigt bitte, Herr Oberster, aber die Majestät hat ausdrücklich ausnahmslos jeden Besuch verboten.“ Zelos kniff zornig die Augen zusammen, so dass sich eine senkrechte Zornesfalte auf der Stirn bildete. „Dann gib ihr das hier von mir! Eile dich!“ Die Zofe machte einen Knicks vor dem hohen Gardisten und nahm eine Papierrolle entgegen, die mit einem königlichen Siegel geschlossen war.

Grimmig stapfte Zelos zurück zu seiner Kammer. Bevor er sich zurückzog, befahl er einem Gardisten, „mir sofort Bescheid zu geben, wenn es dem Königsgemahl besser oder schlechter geht.“ In Gedanken hoffte er sehr auf eine Verschlechterung. Worauf wartete die Todesgöttin noch? Warum nahm sie ihn nicht mit in ihr dunkles Reich? Unwirsch riss er sich den Waffenrock vom Leib und bettete sich auf sein gefedertes Nachtlager.

In dieser Nacht konnten Leda und Zelos kein Auge zutun: die Königin aus Sorge, dass Abas sterben könnte, der Oberste aus Furcht, Abas würde überleben. Der Attentäter wusch sich in der Nacht ein Dutzend Mal die Hände, doch er fühlte sich immer noch wie mit Blut besudelt. Die Hände, die den Königsgemahl rückwärts über die niedrige Brüstung gestoßen hatten, klebten vor Sünde.

Aurora und ihr Ehesklave ritten durch die Freien Ländereien in Richtung Metropole. Dummerweise hatte sie ihren Dolch zurückgelassen, doch ihr Gatte war mit Waffen reichlich bestückt. Trotzdem litt die Prinzessin ständig Todesängste. Bei jedem Geräusch eines Vogels, eines Blattes im Wind oder eines Insekts, glaubte sie an Strauchdiebe, die sie überfallen und schänden wollten. Sie krampfte ihre Fingerchen um die Zügel ihres Rosses und sah sich immer wieder in alle Richtungen um. Doch bisher waren sie keinem Abschaum begegnet.

Der Proviant reichte nicht für die gesamte Route, aber ihr Gemahl besaß die Fertigkeit zu jagen. Als das Trockenfleisch aus seinem Ranzen aufgebraucht war, sorgte er für einen leckeren Braten aus Murmeltier. Aurora drehte sich angewidert weg, als ihr Mann die Beute ausweidete; aber als es über dem Feuer ansprechend duftete, genoss sie das knusprige Fleisch wie eine Delikatesse aus der königlichen Küche.

Am nächsten Tage fanden sie eine Wasserquelle, um ihre Schläuche aufzufüllen. Und so ritt das Paar der Metropole entgegen, um Vesta vor Cassandra zu warnen – und freilich auch, um ihre Krone einzufordern. Die Reise war langwierig, und der empfindsame Po der Lady beschwerte sich von Stunde zu Stunde mehr über den harten Sattel, doch alles Lamentieren nutzte nichts; sie mussten weiter, ihrem Ziel entgegen.

Und dann kam der Tag, an dem ein wütendes Brüllen aus einem nahen Wald ertönte. Panisch flogen ganze Schwärme Vögel in die Luft. Kleinere Tiere wie Eichhörnchen, Dachse und Kaninchen flohen ebenfalls vor dem Störenfried. Aurora wand sich zu ihrem Gatten um. „Was war das?“ Der Gemahl zuckte mit den Schultern. „So etwas habe ich noch nie gehört. Ein Walddämon?“ Solche Wesen hausten alter Überlieferungen nach in dieser Gegend im dunklen Gehölz. Aurora schlug ihm mit der Reitgerte quer durch das Gesicht. „Unsinn! Es gibt keine Walddämonen!“ Doch das Beben und Brüllen wurde lauter, kam näher…

Jäh bogen sich die Wipfel zur Seite und ein Monstrum, über zwei Klafter hoch, ragte plötzlich in die Höhe. Ein Gigant. Ein Riese. Ein Koloss. Ein… „Troll!“, schrie Aurora schrill und schlug die Sporen ihrer Stiefel in die Flanken des Pferdes, das davonjagte. Ihr Ehesklave zog seinen Bogen und schoss einen Pfeil auf den Muskelberg ab, doch die Eisenspitze kratzte nur an der dicken ledernen Haut.

Das Ross stieg hoch auf die Hinterhand und wieherte vor furchtbarem Schrecken, als das Ungetüm auf den Reiter zu stampfte. Der Ehesklave fiel aus dem Sattel und zog wagemutig sein Schwert. Er hielt den langen Bihänder mit kraftvollem Griff und näherte sich vorsichtig dem Monstrum. Der Troll öffnete die langen kraftvollen Arme und kam auf den Recken zu. Das Gebrüll des Riesen ging dem Mann durch Mark und Bein. Er sah das mit langen Zähnen gespickte und weit aufgerissene Maul, aus dem der Goliath seiberte.

Todesmutig schwang der Kämpe sein Schwert und zielte auf das linke Bein, so dick, dass er es kaum mit beiden Armen umfassen hätte können. Doch unerwartet flink und gewand trat der Troll einen Schritt zurück. Den folgenden Schwertstoß blockte die Bestie mit so viel Gewalt ab, dass der Kämpfer seine Waffe fast aus den Händen verloren hätte. Im nächsten Moment trat der Troll näher auf den noch wankenden Gegner zu und versetzte ihm einen Faustschlag gegen den Rücken, der den Mann zu Boden brechen ließ.

Verzweifelt versuchte der Mensch seine Klinge erneut anzubringen, doch er konnte nichts mehr daran ändern, dass der Troll seinen Fuß hob, um sein Opfer zu zerstampfen wie einen Käfer. Der Ehesklave der Prinzessin wusste, dass ihm kein Knochen heil bleiben würde und schloss die Augen in Erwartung des sicheren Todes.

Der Troll nahm indessen seinen Fuß wieder herunter und bückte sich stattdessen nach dem Schwert. In seinen gewaltigen Klauen wirkte der Zweihänder wie ein kleiner Dolch. Das Urvieh packte das Ende der Klinge und den Griff und bog die Waffe zu einem Ring. Dann schleuderte er sie wütend tief in den Wald.

Das Reittier des Mannes war längst über alle Berge galoppiert, doch besaß der Leibeigene noch seinen Bogen, den er auf dem Rücken trug. Vorsichtig zog er einen Pfeil aus dem Köcher, der nur wenig entfernt im Staub lag. Der Troll schien sich nicht mehr für ihn zu interessieren. Der Kraftgigant scharrte mit seinen Füßen im Staub und besah sich den Kratzer an der Brust, den der Pfeil erzeugt hatte.

Langsam spannte der Mann den Bogen immer mehr und zielte auf den abgelenkten Riesen, der in die Luft schnupperte, als nehme er irgendeinen auffälligen Geruch auf. Der Mann musste ein Auge treffen. Das würde die Bestie töten. Als der Troll sich herumdrehte, war die Chance gekommen: Der Ehesklave zielte und schickte das tödliche Geschoss auf seinen Weg.

Aber seine Hände zitterten so vor Angst und Erschöpfung, dass er verfehlte. Erst jetzt bemerkte der Troll die Gefahr und kam wütend angestampft. Der Mann der Aurora wusste: Sein Schicksal war nun endgültig besiegelt. Seine letzten und heiser ausgestoßenen Worte waren: „Oh, Ihr Alten Götter! Steht mir bei!“

Die Prinzessin war mit dem Ross überfordert. Sie wusste nicht, in welche Richtung sie den Zossen lenken sollte. Sie hatte nicht nur ihren Kopfputz, sondern auch die Orientierung verloren und ritt ziellos umher, durch Wälder, über Felder und Wiesen, durch Hügellandschaften und an einem Bachlauf entlang. Als sie gegen Abend die Unruhe ihres Schimmels spürte, zitterte sie vor Furcht am ganzen Leib. In der Dunkelheit konnte sie kaum den Weg sehen. Wo war sie bloß? Vielleicht war sie längst von ihrem Kurs abgekommen, dämmerte es ihr langsam.

Aurora stieg aus dem Sattel und wollte lagern. Sie war müde und hatte vor bei Sonnenaufgang zu schauen, wohin sie ihr Ritt geführt hatte. Im nächsten Moment krachten Zweige und Äste ganz in der Nähe. Ihr Ross wieherte auf und jagte davon – ohne seine Herrin. Aurora stand alleine in der fremden Umgebung. Keine einzige Waffe hatte sie dabei. Sie fühlte sich verlassen, verloren und hilflos. Sie war jedem Feind ausgeliefert. Ihr Leben lag in den Händen der Alten Götter.

Hatte ihr Gemahl den Troll nicht aufhalten können? Hatte das Monster sie aufgespürt? Oder waren es nur irgendwelche Tiere, deren Augen in der Finsternis glühten? Aber dann wurde die furchtbarste Vorstellung zur Gewissheit: Der Troll erschien in seiner ganzen grausamen Macht und Größe aus dem Dickicht. Die zarte Prinzessin fiel unter einen Schatten, der noch schwärzer als die Nacht war.

Aurora wollte schreien, aber aus ihrer Kehle kam kein Laut. Hier also sollte sie ihr Leben verwirken! In einem dunklen und einsamen Wald inmitten der Freien Ländereien. Von einem Troll abgeschlachtet! Nie würde sie die Krone der Metropole tragen! Hier und jetzt würde sie ihren letzten Atemzug tun. Ihr kleines Herz raste und schlug wie wild gegen ihre Rippen.

Tatsächlich schritt der Troll auf sie zu und packte sie mit beiden mächtigen Pranken um die Hüfte und hob sie hoch. Wollte er ihr den Kopf abbeißen? Oder sie gar besteigen? Die riesigen Zähne näherten sich der grazilen Schönheit, die ihre Augen schloss und ihre Ende erwartete. Selbst für einen Todesschrei fehlte ihr der Mut und die Kraft. Sie hatte mit ihrem Dasein abgeschlossen.

Doch der Troll hielt seinen grobschlächtigen Schädel schief und schnupperte an seiner Beute. Sanft ließ er sie wieder auf den Erdboden und stellte sie dort ab, behutsam wie ein Teetässchen. Mit tiefer und dröhnender Stimme stieß er ihr seinen heißen Odem entgegen. „Waffen nicht gut! Dein Freund böse!“ Aurora verschluckte sich fast vor Überraschung. Dieser Troll konnte sprechen!

Aurora war in diesem Moment zu aufgeregt, als dass sie sich an den Troll erinnerte, den die Sklavenjägerin Phoibe vom Ostkontinent mitgebracht hatte und für Fama in der Arena kämpfen lassen wollte. Sklaven hatten damals berichtet, dass jener Troll auch hatte sprechen können – erlernt von den Amazonen, einem kriegerischen Weibervolk auf dem Ostkontinent.

Die Prinzessin sah den Berg aus Muskeln vor ihr an. „Was… Was willst du von mir?“ Eine vermutlich dumme Frage, doch ihr fiel in diesem Augenblick nichts Klügeres ein. Der Troll brummte: „Ihr Menschen böse! Euch alle töten!“ Aurora stöhnte erschrocken auf. Sie war kurz davor, in eine Ohnmacht zu fallen. Dann grollte das Urwesen: „Aber du ein sehr kleiner Mensch. Du nicht so böse wie Mann.“ Aurora sah zu ihm auf, einen kleinen Hoffnungsschimmer erkennend. „Ja, ich bin eine unbefleckte Jungfrau“, sprach sie so unschuldig wie ihr möglich war. „Bitte habt Erbarmen mit mir und lasst mich gehen.“ Sie sah ihn mit großen Augen an.

Der Troll grummelte und drehte Aurora mit seinen dicken Fingern im Kreis. Dann zerriss er ihr das Kleid ohne die geringste Kraftanstrengung mit jeweils einem Finger der beiden Hände. Der Stoff öffnete sich laut reißend. Die Prinzessin, im nächsten Augenblick nur noch in knapper Leibwäsche, starrte ungläubig an sich hinab. Bevor sie sterben durfte, sollte sie also noch geschändet werden! Welch grausames Schicksal hatten die Alten Götter für sie auserkoren?

Erst in diesem Momente erkannte sie, dass der Troll nicht nackt war, sondern einen Lendenschurz aus dickem Leder trug - offenbar aus mehreren Tierhäuten zusammengenäht. Der Troll packte Aurora wieder und legte sie vor sich hin, dann stieg er über sie und sank auf die Knie. Die Prinzessin schüttelte panisch mit dem Kopf. Was sollte das werden? Sie erinnerte sich nun an den Koloss in der Arena, doch so groß wie dieses Gemächt, wie dieser Liebesstab… Nein, es war ein Liebesrammbock! So etwas hatte sie noch nie gesehen! Und schon gar nicht genau über ihr, während sie auf dem Waldboden lag.

„Zeigen mir, wie Menschlein Liebe machen“, verlangte der Riese und schob seinen Lendenschurz zur Seite. Aurora glaubte, sich verhört zu haben. Doch der Troll grollte seinen Wunsch erneut. In der Prinzessin keimte ein Fünkchen Hoffnung auf. „Wenn ich dir zeige, wie das geht… lässt du mich als Lohn dafür frei?“ Der Troll nickte. „So soll es sein.“

Aurora griff nach dem letzten Strohhalm und willigte ein. „Du musst tiefer herunter. Aber setz dich nicht auf mich. Ich würde zerbrechen.“ Der Troll folgte ihrer Anweisung. Aurora starrte auf den versteiften Luststab, der schwer auf ihrem Bauch lag und von der Hüfte bis zu den Brüsten reichte und diese nach oben drückte. Sie spürte den pulsierenden Phallus. Der Prinzessin war klar: Der Körperbau des Trolls schloss eine Vereinigung wie zwischen Mann und Frau aus. Niemals würde sie ihn aufnehmen können. Also griff sie mit beiden Händen nach dem sündigen Fleisch und bewegte es vor und zurück.

Sie hatte das Gefühl, als umschlang sie vor sich einen jungen Baum – nur war dessen Rinde glitschig und weich und beweglich. Hin und wieder zuckte die Manneskraft auf und stieß Auroras Brüste fast bis an ihr Kinn. Sie spielte und streichelte und massierte die schwere Mordskeule auf ihrem Körper, kräftig und ausdauernd, in einem zügigen, jedoch nicht zu eiligen Rhythmus.

Langsam verlor sie die Angst vor dem gewaltigen Gemächt. Es war verrückt, doch sie verspürte nicht nur beim Troll sondern auch bei sich selbst steigendes Verlangen. Der Gigant stützte sich mit den Fäusten auf der Erde ab und lehnte sich leicht zurück. Nie zuvor hatte er solch schöne Gefühle erlebt. Sein Liebesschwert zuckte und pochte, so dass Aurora aufpassen musste, dass sie von ihm nicht im Gesicht getroffen wurde oder es aus ihren Griffen verlor. Er zappelte wie ein gewaltiger Fisch an Land.

Sie umfasste das heiße Fleisch und bewegte ihre Hände und Arme daran rauf und runter. Wieder und wieder. Dabei versuchte sie ihre Lenden nach oben zu drücken und sich an dem Koloss zu reiben, so dass auch ihre Begierde immer weiter stieg. Und dann kam der Vulkanausbruch: Der Troll verströmte seine Lust, die mit Gewalt durch die Brüste schoss und Aurora überschüttete wie ein ausgegossener Eimer. Gleichzeitig erreichte sie einen ungehemmten Höhepunkt ihres Feuers, dass Funken durch ihren Leib sprühen ließ, wie noch nie zuvor erlebt.

Der Troll brüllte vor Verlangen auf und sackte, zum Glück seitlich, neben die Prinzessin und starrte sie mit seinen großen, dunklen Augen an. „Du wunderbar“, sagte er. War da ein Lächeln auf seinem derben Gesicht? Konnte ein Troll überhaupt freundlich schauen?, fragte sich Aurora. Sie war über und über mit dem Beweis seiner Minne benetzt und fühlte nicht etwa Abscheu sondern genoss diesen zauberhaften Augenblick.

Erst nach einer Weile ertönte die tiefe laute Stimme des Ungetüms: „Du nicht sauber!“ Der Troll packte Aurora, setzte sie auf seine Schulter und stapfte mit ihr durch den Wald zu einem Tümpel, in den er sie in hohem Bogen hineinwarf, dass das Wasser hoch spritzte und die Nackte aufquiekte.

Aber Aurora hatte die Furcht vor dem Riesen längst verloren. Sie fragte nach ihrem Kleid. Der Troll stapfte zurück und holte es. Er betrachtete die Fetzen in seiner Pranke. „Habe kaputt gemacht?“ Aurora nickte, meinte aber: „Mit der Schnur aus dem Mieder kann ich es notdürftig wieder zurecht binden.“ Sie zog es über, obwohl ihre Scham vor dem Wesen zerronnen war.

Verwundert stellte sie fest, dass auch der Troll seinen Lendenschurz wieder trug. „Was ist mit meinem Begleiter geschehen?“, wollte sie besorgt erfahren und zog die Stirn kraus. Das riesige Wesen antwortete mit brummender Stimme. „Böser Mann wollte mich töten. Ich mich wehren.“ Aurora verstand. „Bringst du mich nach Hause?“ Der Troll zuckte mit den Schultern. „Warum nicht? Du gut zu mir. Du guter Mensch. Gutes Weib.“ Er nickte, um seine Aussage zu unterstreichen. Aurora setzte ihr süßestes Lächeln auf. Sie würde die Metropole schon bald wieder sehen! Statt eines vierbeinigen Reittieres, verfügte sie nun über ein zweibeiniges und zugleich den besten Schutz vor Gesindel und Raubtieren, den sich ein Fräulein nur wünschen konnte.
204. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 30.04.22 11:03

In Ledanien hatte kein Versuch von Zelos gefruchtet, zu Abas vorzudringen. Noch immer hoffte er auf das baldige Ableben des Königsgemahls. Noch immer schwebte der zwischen Leben und Tod. Leda hatte den vermeintlichen Abschiedsbrief ihres Gatten gelesen, doch konnte sie nicht glauben, was darin stand.

„Liebste Leda,
ich bin seit der Kerkerhaft bei Megara
ein gebrochener Mann und falle dir
nur zur Last. Nimm dir einen kräftigen
Recken an deine Seite, an dessen
Schulter du dich lehnen kannst.
Auch habe ich gemerkt, dass
dein Herz an Zelos hängt. Meinen Segen
habt ihr. Du hast einen Besseren verdient
als mich. Werde mit ihm glücklich.
Ich möchte Euch nicht weiter im Wege stehen.
Dein Abas“

„Er hat sich niemals vom Turm gestürzt! Niemals!“, betete Leda tagtäglich hunderte male vor sich hin. „Und woher wusste er überhaupt von Zelos?“ So ein Freitod geziemte sich nicht für einen Königsgemahl. Nein, das hätte er nicht gemacht. Geschwind jagte eine Zofe aufgeregt wie ein aufgeschrecktes Huhn in das königliche Gemach. „Majestät! Euer Gemahl ist aus der Ohnmacht erwacht. Er versucht zu sprechen, ist aber zu schwach…“ Die Wangen der Bediensteten glühten vor Aufregung.

Leda wischte einen dunkelgrünen Umhang vom Haken und eilte mit der Zofe im Schlepp durch den Flur zur Kammer des Medikus. „Erzählt!“, forderte sie den Heiler auf. Der Mann berichtete von Abas. „Er hat kurz ein Auge geöffnet, aber es war zu schwach. Jetzt schläft er wieder. Er wollte auch sprechen, aber ich habe nichts verstanden. Seine Lippen haben sich bewegt, aber mehr als ein Hauch kam nicht hervor.“

Die Monarchin beugte sich über ihren Gatten. „Oh, Geliebter! So sprich! Was möchtest du uns sagen? Hat dich jemand vom Turm gestürzt? Hast du den Brief geschrieben?“ Tatsächlich bewegte Abas murmelnd die Lippen. Leda hielt ihr Ohr ganz nah über seinen Mund und lauschte. Seine Laute waren kaum zu vernehmen.

Zelos lief nervös vor der Kammer umher. Eingedenk Ledas gespitzter Ohren würde sie womöglich von seiner Untat Kunde erhalten. Er musste eine Möglichkeit finden, Abas zum Schweigen zu bringen, bevor es zu spät… Die Tür öffnete sich ruckartig und Leda befahl zwei Gardisten streng: „Nehmt den Obersten in Gewahrsam! Bringt ihn in den Kerker!“ Zelos schienen fast die Augen aus dem Kopf zu platzen. Die Uniformierten zögerten, Hand an den Obersten zu legen, aber der königliche Befehl war eindeutig. Sie nahmen ihm das Schwertgehänge und einen Gürtel mit einem Dolch ab und führten ihn ab. Die Männer gehorchten bedingungslos ihrer Majestät, obwohl sie verwirrt waren über diese seltsame Order, die sie sich nicht erklären konnten.

Zelos brüllte außer sich. „Was soll das? Ihr wagt es?“ Er versuchte sich aus dem Griff der Wachen zu befreien, aber diese hielten ihn kraftvoll fest. Leda spuckte voller Hass hinter dem Obersten her. „Verräter! Mörder! Du warst es! Du hast ihn meucheln wollen, damit er dir nicht mehr im Wege steht! Oh, wie konnte ich mich nur so täuschen in dir!“ Sie drehte sich angewidert weg. Ihr war in diesem Augenblick egal, ob sie sich königlich benommen hatte oder nicht. Ihr Herz raste in ihrer Brust.

Zelos Geschrei hallte durch den Flur. „Abas hat im Fieberwahn gesponnen! Glaubt nicht, was er fantasiert! Majestät! So hört doch!“ Aber die Königin achtete nicht auf den Festgenommenen und schritt sorgenvoll zum Medikus. „Wird er wieder gesunden?“ Der Heiler spitzte überlegend die Lippen. „Nun ja, ich habe seine Brüche versorgt. Die inneren Verletzungen werden heilen, wenn ich ihm von meinen Substanzen gebe und er sehr viel Ruhe einhält. Er hat wahrhaftig Glück gehabt, dass er nicht auf die Pflaster gestürzt ist.“ Leda berührte den Medikus kurz dankend an der Schulter, was sonst nicht ihrer Gepflogenheit entsprach, und strich dann Abas liebevoll über die Wange. „Alles wird wieder gut“, versprach sie ihm leise und verließ die Kammer, um in ihr Schlafgemach zurückzukehren und sich ihrer tiefsten Gefühle hinzugeben.

Am nächsten Tag, als die Sonne im Osten auftauchte, verkündete die Königin Gladius und ihrem ganzen Hof von Zelos hinterhältiger Tat. Ihre Liebesaffäre stellte sie etwas anders dar, als sie gewesen war und berichtete davon, wie sehr der ehemalige Oberste in sie vernarrt gewesen sei. Von Abas erfuhr Leda an diesem Tage noch einige Einzelheiten, die Licht in die Intrige brachten. So wurde es für sie zur Gewissheit, dass Zelos den Schlüssel zum Keuschheitsgürtel ihres Gemahls absichtlich im Burggraben versenkt hatte. Tief in den Schlamm und Moder gesunken, würde er nicht mehr zu bergen sein, musste sich Leda eingestehen. Sie war verpflichtet, eine andere Lösung zu finden, um ihren Gemahl aus dem eisernen Gefängnis zu befreien. Doch vorerst stand seine Gesundung an erster Stelle.

Die Monarchin beförderte Nike zur neuen Obersten, die stolz in eine neue angemessene Uniform schlüpfte und feierlich auf die Flagge Ledaniens schwor, dass sie gemeinsam mit allen Gardisten und Gardistinnen für Leda bis in den Tod treu sein würde. Ihre Untergebenen standen Spalier und präsentierten ihre Schwerter auf alte traditionelle Art und Weise. Nikes Gesichtszüge waren fest und ernst, aber im Innern wärmte sie ein lebhaftes und freudiges Gefühl der Befriedigung.

Leda entschloss sich zu einem weiteren bedeutenden Schritt. Sie gab vom Einschluss ihres Gemahls Kunde und erwähnte schweren Herzens, wie es dazu gekommen war. Sie habe nur Abas Bestes gewollt, sei aber vom ehemaligen Obersten böse hintergangen worden, der nur einen gehassten Konkurrenten hinter Schloss und Riegel sehen wollte. Er hatte seine Königin ausgenutzt und betrogen. Dass sie Zelos den Schlüssel eigenhändig übergeben hatte, verschwieg sie, doch sie erwähnte den furchtbaren Verlust des Schlüssels durch diesen Unmenschen.

Die Regentin hatte mit ernsten Vorwürfen gerechnet – vielleicht gar forsche Forderungen nach dem Verzicht auf die Krone -, doch der Hof zeigte Verständnis für ihre Tat und überschüttete die Königin geradezu mit gut gemeinten Vorschlägen, wie man den Schlüssel doch noch finden könne: Netze, Taucher, Trockenlegung des Burggrabens, Magierkräfte und vieles mehr, doch die Hoheit musste alles als erfolglos ablehnen. Nichts und niemand würden den Schlüssel finden. Allerdings konnte sie nun guten Gewissens einen Schmied zum Hofe kommen lassen, denn durch ihre Beichte war der Keuschheitsgürtel ihres Gatten vorm Volke kein Geheimnis mehr. Doch das wollte sie auf den Tag seiner Genesung verschieben, denn so ein Vorgang war ein weiterer Stich in den Stolz des Gemahls, und momentan war er seiner Manneskraft eh nicht Herr, sondern hatte einen Kampf um sein Leben zu kämpfen.

Noch an diesem Tag sprach Gladius bei seiner Königin vor. Der Schultheiß beschwor Leda, ihre und Abas beschmutzte Ehre durch einen Zweikampf mit Zelos wieder herstellen zu dürfen. „Bitte schlag mir das nicht ab! Ich bin fest entschlossen! Nie habe ich Euch um etwas gebeten, und Ihr wisst, dass ich mein Leben sofort für Euch geben würde…“ Er reckte beinahe trotzig sein Kinn und mahlte sichtlich mit den Kieferknochen. Ihn zurückzuweisen käme einem schimpflichen Affront gleich.

Die gekrönte Leda schluckte. Sollte sie Gladius sein Vorhaben erlauben? Er war ein brillanter Soldat gewesen, doch war das lange her. Als Schultheiß fehlte ihm die Übung. Und Zelos gehörte zu den besten Kriegern, die Leda jemals erlebt hatte. Der ehemalige Oberste galt selbst unter den besten Gardisten in ihren Reihen als fast unbesiegbar mit beinahe allen üblichen Waffengattungen. Was sollte Gladius ihm entgegensetzen, das ihn vom Geviert der Ehre lebendig zu ihr zurückschickte?

Da sie spürte, dass sie ihren alten Weggefährten Gladius tief verletzen würde, wenn sie ihm seinen Wunsch versagte, stimmte sie schweren Herzens und seufzend zu. „Doch soll der Zweikampf erst am Tage nach dem nächsten Vollmond stattfinden. So hat jeder Zeit, sich in der Schwertkunst zu üben. Auch Zelos soll seine Klinge und einen Kampfpartner im Kerker erhalten.“ Sie hatte bewusst das Schwert gewählt, denn damit hatte Gladius die besten Fähigkeiten.

Prinzessin Aurora ritt auf den breiten Schultern des Trolls und hatte ihre Hände in die zotteligen Nackenhaare des Urwesens gekrallt wie Zügel. Nach endlosen und anstrengenden Stunden bat sie um eine kurze Pause und kam auf den Einfall, aus einem Seidenschal eine doppelt so lange Schnur zu binden und diese dem Troll wie ein kleines Reitgeschirr umzulegen, so dass die feine Dame damit einen improvisierten Sattel erhielt. Das würde zwar ihren edlen Po ebenfalls beleidigen, doch wäre dieser Sitz zumindest ein klein wenig angenehmer zu ertragen.

Mehr als doppelt so hoch wie auf einem stattlichen Ross bewegte sich Aurora vorwärts. Kein noch so undurchdringliches Dickicht, kein Felsgestein und kein wilder Fluss hielten sie auf. Der Troll kannte keine Barrieren, stampfte oder drückte notfalls Hindernisse mit grober Kraft zur Seite und setzte seinen Weg nach Auroras Anweisungen fort. Unter ihnen knackten Äste und Wurzeln. Auf dem Untergrund hinterließ das Ungetüm tiefe Fußspuren.

Als die Prinzessin am Horizont eine Reiterschar bemerkte, hielt sie den Tross zunächst für „Freie“, aber die Fahnen an den hohen Standarten zeigten das Machtemblem der Metropole. Aurora jubilierte. Sie hatten es geschafft. Und bisher war von Cassandras Truppenverbänden noch nichts zu sehen gewesen. Der ersten Erleichterung folgte dann jedoch ein Schreckmoment: Einige der Soldatinnen stellten sich mit ihren Bögen in Kampfformation auf und bereiteten sich vor, einen Pfeilschauer auf den vermeintlich feindlichen Troll prasseln zu lassen. Und selbst, wenn der grobe Riese keine ernsten Verletzungen durch die Geschosse erleiden würde, so reichte bereits ein Treffer auf die junge Dame, um sie zu den Alten Göttern zu schicken.

„Lass mich runter!“, befahl sie, trommelte dem Troll ungeduldig auf den Rücken und befreite sich aus ihrem selbst gebastelten Sattel. Mit dem Tuch aufgeregt winkend lief sie atemlos auf die Uniformierten zu. „Nicht schießen! Ich bin es! Prinzessin Aurora!“ Die Lady wagte viel, denn ohne Deckung bewegte sie sich auf die Kriegerinnen zu. Hatten sie sie erkannt oder lief sie in ihr Verderben? Glorie oder Tod!, grummelte Aurora verbissen. Entweder werde ich mit Glanz und Gloria in die Metropole zurückkehren, oder ich werde auf diesem Felde gespickt mit Pfeilen mein Ende finden!

Nur einen einzigen Augenschlag vor dem tödlichen Hagel erkannte die Centuria, die den Trupp anführte, dass da etwas nicht stimmte. „Haltet ein!“, rief sie und kniff die Augen zusammen, ihre Hände an der Stirn, um ihre Augen zu beschatten. „Da läuft ein Weib vor der Bestie weg. Wartet noch, bis die Flüchtende hier ist. Das Monster folgt ihr nicht.“ Und nur wenig später sollte sie mit aufgerissenen Augen begreifen, wer da auf sie zulief. „Das Hohe Fräulein Aurora! Es ist die Prinzessin! Sie flüchtet vor dem Urvieh! Schnell! Nehmt sie in Empfang!“

Die junge Lady war außer Atem, klärte die Soldatinnen aber kurzatmig auf, was es mit dem Troll auf sich habe. „Er wird uns nichts tun“, versprach sie und winkte ihren Begleiter herbei, der langsam näher trottete und nicht so recht wusste, was er von der Situation halten sollte. Sehr misstrauisch beäugten die Frauen den Giganten, der immer näher kam und größer und größer zu werden schien. Nur mit viel Überzeugungskraft konnte Aurora die Gerüsteten überreden, ihre Waffen einzustecken.

Aurora berichtete von Cassandras schändlichem Plan, ihre Streitkräfte in die Metropole zu schleusen und gegen Vesta zu putschen. „Die Allianz war nur ein listiger Vorwand. Und seit meiner… äh… Abreise ist sie sowieso Makulatur.“ Sie ließ entkräftet ihre schmalen Schultern sinken. „Dann lasst uns so hurtig wie möglich Vesta benachrichtigen“, drängte die Centuria. Daraufhin ließ sich die Prinzessin von dem Goliath wieder auf die Schultern nehmen und so sogar mit den forsch vorwärts eilenden Rössern Gleichschritt halten. Die Soldatinnen staunten nicht schlecht und hielten respektvollen Abstand zu dem Ungetüm, der marschierend so zügig vorwärts stampfte wie die Pferde trabten.

Bereits am Grenzwall mussten zwei Reiterinnen als Vorhut vorauseilen, um Missverständnisse aus dem Weg zu räumen. Schließlich lief nicht alle Tage ein ausgewachsener Troll durch die Lande. Die Truppe konnte hier passieren, aber an der Stadtmauer weigerte sich die leitende Duxa, einen Troll ungefesselt in die Metropole einzulassen. Viel zu gefährlich sei es, falls dieser Riese in der Stadt wüten sollte. Die Uniformierte ließ sich auch nach langen Reden nicht überzeugen und blieb stur bei ihrer Auffassung.

Aurora besprach die Bedingungen mit dem Koloss und brachte ihn zu der Einsicht, dass ihm nichts geschehe. Der Troll vertraute der Prinzessin und ließ sich von schweren, kurzen Ketten Hände und Füße verbinden. Dabei waren seine Pranken eng auf den Rücken fixiert, die Fußfessel erlaubte nur kleine Schritte, die immer noch gute zwei Ellen maßen.

Die adlige Lady sah fasziniert zu, wie mehrere, kräftige Sklaven, die neben dem Troll aussahen wie schmächtige Winzlinge, die schweren Ketten schmiedeten und dem Urwesen mit donnernden Hammerschlägen anlegten. Trotz der ehernen Sicherungen bewegte sich eine ganze Schar Soldatinnen mit langen Eisenspießen hinter dem Troll, und auf einem Streitwagen fuhr eine Gerüstete mit einer festgeschraubten großen, gespannten Armbrust mit einem langen dicken Bolzen, der sogar eine Holzwand sprengen würde.

Der Einzug in die Stadt führte zu einem Massenauflauf neugieriger Bewohner, die sowohl auf die Rückkehr der Prinzessin wie auch auf den geheimnisvollen Troll gespannt waren. Marketendersklaven, Arbeitssklaven und andere Leibeigene, die in der Metropole unterwegs waren, hielten in ihren Tätigkeiten inne. Viele von ihnen trugen schwere Körbe auf dem Rücken oder Drachten auf den Schultern. Ladys drängten sich am Rand der Straße, um Blicke auf das gefährliche Wesen zu erhaschen.

„Macht Platz“, befahl die Centuria einigen Männern, die dem Trupp zu nah kamen, weil von hinten die Leute nachdrängten. Sie ritt voran und führte Aurora und den Troll zur Arena. Dort sollte er zunächst verbleiben. Das Biest sah fasziniert die Gebäude und die vielen Menschen um ihn herum. Als es sich zu einem Turm aus Fachwerk umdrehte, kam es kurz aus dem Gleichgewicht und wankte zum Straßenrand, wo ein Scheitstock stand, in dem eine Axt steckte.

Der Koloss trat stolpernd gegen das unerwartete Hindernis. Durch die Wucht schoss der schwere Holzklotz samt Klinge in Richtung Zaungäste, die panisch auseinanderspritzten. Glücklicherweise wurde niemand verletzt. Allerdings schlug das Geschoss mit solcher Kraft gegen ein Rad einer Wassermühle, dass dieses krachend splitterte. Männer und Frauen schrien erschrocken auf.

„Warte hier auf mich“, verabschiedete sich Aurora von dem Troll, als sie diesen in der Arena zurückließ, um schnellstens zum Palast ihrer Mutter zu eilen, in dem inzwischen ihre Schwester Vesta regierte. „Gut, dass das Wesen nicht weiß, dass hier sein Gleichgesinnter als Gefangener kämpfen musste“, war sie erleichtert. Die Wachen ließen sie durch Tore und Türen. Sie eilte weiter und weiter, einen langen Marmorgang entlang. Und dann schlug sie die Tür zum Gemach ihr Schwester auf. Vesta riss die Augen auf. Konnte sie glauben, was sie sah? War wahrhaftig...?

Die jungen Ladys fielen sich herzlich in die Arme und küssten sich die Wangen. „Oh, Schwesterherz! Wie habe ich dich vermisst!“, behauptete Aurora. Und auch Vesta stimmte ein: „Aurora, was bin ich glücklich, dass du heil und gesund wieder Daheim bist!“ Aurora fasste ihr Gegenüber an den Schultern und hielt es in Armlänge von sich weg. „Lass dich anschauen! Wie prachtvoll deine Erscheinung ist! Ich bin so stolz, dass du die Krone unserer Mutter würdig führst!“ Dann seufzte sie. „Und ich erscheine hier in diesem dreckigen Fetzen! Dieses Lumpenkleid aus der Gosse ist das letzte, was mir geblieben ist auf der Flucht. Ich hoffe, du bist bereits von eine Duxa über Cassandras Hinterhalt unterrichtet worden?“

Vesta nickte. „Oh, ja. Sie wird keinen einzigen Kampfsklaven in die Metropole schicken! Wir werden die Allianz aufkündigen, die Mutter geschlossen hat.“ Aurora seufzte erneut. „Ach ja, Mutter! Die Arme! So jung gestorben!“ Sie zupfte sich gedankenverloren an der Lippe, als wollte sie ihre schmutzigen Lügen abstreifen. Vesta stimmte mit ein. „Es ist so traurig. Aber, egal welch schweres Opfer ich damit bringe, ich werde die große Verantwortung der Krone ertragen.“ Aurora lächelte sie voller Falsch an. Doch insgeheim kamen ihr düstere Gedanken.

Bei süßem Tee unterhielten sich die Schwestern, die sich auf zwei samtenen Diwanmöbeln gegenüber lagen. Dabei kam auch die Sprache auf den Troll. Vesta lauschte verwundert Auroras Erzählung. Die junge Königin äußerte eine Idee. „Wir sollten den Troll als Kampfsklaven einsetzen! Er wäre eine mächtige Waffe!“ Aurora widersprach. „Leider sind diese Urwesen gar nicht so dumm, wie wir denken. Ich fürchte, er lässt sich nicht dressieren. Sonst könnte man ihm ein paar Kunststückchen einbläuen.“

Vesta zog einen Schmollmund. „Dann wird er wenigstens in der Arena kämpfen. Ein unterhaltsames Spektakel wird dem Volk gefallen und meine Beliebtheit steigern.“ Aurora hob ablehnend die Hand. „Das ist zu gefährlich“, warnte sie. „Erinnere dich an den Troll, der aus der Arena ausgebrochen ist. Dieses Tier hat Phoibe und viele andere Personen auf dem Gewissen und ist doch entkommen.“

Vesta wischte die Sorge mit einer lässigen Bewegung ihrer kleinen Hand weg. „Dann bleibt er eben gefesselt und wird ausgestellt. Auch das wird die Massen begeistern.“ Aurora schmunzelte plötzlich. Vesta sah sie fragend an und hob eine fein gezupfte Augenbraue. Die Schwester raunte Vesta verschwörerisch zu: „Da hätte ich schon eine Idee.“ Sie klatschte in die Hände und befahl dem servil buckelnden Dienstsklaven, der sofort erschien: „Bringt die Schmiedemeisterin her.“ Der Leibeigene verneigte sich duckmäuserisch erneut und lief davon, die Order der Herrin auszuführen.

205. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von M A G N U S am 01.05.22 19:43

„Nehmt den Obersten in Gewahrsam! Bringt ihn in den Kerker!“
-Bleibt nur noch zu hoffen, daß er im Kampf gegen den Mann Namens Schwert, Gladius, erliegen wird!
206. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 07.05.22 15:35

Noch an diesem Tage erschienen Gardistinnen in Lederpanzern auf den Rängen der Arena und legten Betäubungspfeile auf den Troll an. Ein Dutzend der Spitzen reichten, um den Giganten in Windeseile müde und schläfrig auf die Knie brechen zu lassen. Im nächsten Moment kippte eine Wand aus Muskeln krachend in den Staub. Eine eiserne Tür zur Manege öffnete sich kreischend. Die Schmiedemeisterin erschien mit fünf Schmiedesklaven.

Als das Wesen erwachte, stellte es fest, dass es zwischen zwei gewaltigen Steinsäulen stand, die an einem Ende der Manege tief ins Erdreich hineingelassen worden waren. Wie ein „X“ war der Riese an schweren Ketten gefangen. Er zerrte wütend an seinen Fesseln. Warum hatten die Menschen ihn so befestigt? Wo blieb das kleine Weib, um ihn zu befreien? Und was zog so unangenehm an seinen Lenden?

Der Troll sah an sich hinab und stellte fest, dass er keinen Lendenschurz trug. Und noch arger: Unter seinem entblößten Liebesstab hing schwer ein dicker Eisenring um seine Männlichkeit und zog diese bleiern nach unten. Der Troll zürnte freilich wie wild über diese Schande, doch die mächtigen Eisenglieder hielten ihn erbarmungslos an Ort und Stelle. Einige Soldatinnen verspannten sich in Sorge, dass es der Bestie doch gelänge, sich zu befreien, doch die Bande war selbst für einen Troll unzerstörbar. Der Gigant riss und ruckte in seiner Position, dass es knackte, knarrte, kreischte und schrillte, so dass seine Erlösung im Schwange zu sein schien. Der Boden erzitterte und bebte, der Staub wühlte sich auf. Aber der Gefangene blieb in seiner erzwungenen Haltung. Selbst seine unbändigen und Angst einflößenden Kräfte reichten nicht aus, ihn zu befreien.

Durch seine wilden Bewegungen schaukelte das schwere und wuchtige Eisen zwischen seinen Beinen hin und her und zog erniedrigend an der voluminösen Männlichkeit, was den Koloss nur noch unfügsamer und unwilliger machte. Die Soldatinnen, aus deren Blicken Schreck und Entsetzen gesprochen hatten, erhielten ihre gute Laune zurück und lachten und spotteten nun über den hilflosen Muskelberg, dessen Verrenkungen nicht fruchteten.

Eine Stunde später erschienen die Schwestern auf der prunkvollen Tribüne der noch leeren Arena und besichtigten den Giganten. „Sieht er so nicht famos aus? Trolle in Gefangenschaft sind dünn gesät, würde ich meinen“, frohlockte Vesta über den einmaligen Fang. Aurora nickte. „Oh, ja, mit dem hübschen Eisenkranz zwischen seinen Schenkeln. Willst du ihn nur ausstellen, oder soll er auch kämpfen?“ Vesta grinste. „Vielleicht ein Dutzend Kampfsklaven als Gegner? Das wäre mal etwas Extravagantes. Wir könnten dem Vieh die Augen verbinden. Oder wie wäre es mit einem Kraftmessen…“ Die Königin kicherte. „Mich würde interessieren, wie viele Steinquader er mit seiner Männlichkeit hochheben kann, bevor er quiekt wie ein Schweinchen.“

Aurora fiel in das glockenhelle Lachen ein. „Oh, Schwesterherz. Das ist einfach grandios! Wir sollten zuvor Wetten ausrufen lassen. So hat das Volk seine Gaudi und wir ein feines Einkommen für die Palastschatulle.“ Plötzlich brüllte der Troll von seinem Platz zur Tribüne mit bassiger Stimme. „Kleines Weib! Rette mich! Ich bin gefangen!“ Auroras Blick glitt zu dem entsetzten Antlitz des Riesen und nuschelte in sich hinein. „Sieh an, er hat mich entdeckt.“

Vesta und Aurora verließen die Tribüne, um die Manege zu betreten. Über eine Steintreppe und den Innengang der Anlage, den Pechfackeln erhellen, erreichten sie ein Eisentor, das ihnen von zwei in Schwarz gewandeten Wachen geöffnet wurde. Sie schritten auf den mächtigen Troll zu. Vesta, die den Riesen bisher nicht aus der Nähe erlebt hatte, war der Respekt anzumerken. Aurora dagegen blieb ganz entspannt und winkte einer Gardistin zu. Sie nahm der Gerüsteten die Hellebarde ab und stiefelte damit zu dem Riesengeschöpf herüber. Die Spitze der Langwaffe hielt sie dem Gefangenen vor seine entblößte Männlichkeit und grinste frech. „Jetzt bin ich mal neugierig, ob wir dich nicht zum Singen bekommen.“ Die Kreatur zuckte. „Nicht, kleines Weib! Was tust du? Du böse?“

Aurora gackerte lauthals und griff sich verlegen an den Hals. „Du dummer Grobian! Du wirst uns zu unserem Vergnügen dienen.“ Sie pikste zu. Der Gigant rasselte in seinen Ketten, die Männlichkeit schaukelte. Der Riese grunzte laut und basstönend, der letzten Würde beraubt. Er bot ein Bild des Elends. Aurora wiederholte das Spiel mehrmals und erzeugte beim Troll verschiedene Töne und Laute. In dessen Leid sonnte sich die feine Dame genüsslich. Vesta sah dem ausgelassenen Treiben ein wenig eifersüchtig zu, eingedenk dessen, dass sie als Königin nicht so herumtollen durfte wie ein Backfisch. Sie stellte sich vor, wie Aurora als Jungfrau dem Troll unter frenetischem Beifall und Jubel von den Sitzen geopfert wurde. Bei diesen sündigen Gedanken empfand sie Hochgefühle, die durch ihren gesamten Leib rauschten.

Doch am nächsten Tag, als sich das Kolosseum mit Menschen füllte, saß Aurora mit ihr auf der königlichen Tribüne, die von ihrer Mutter Fama erweitert worden war, und genoss das Spektakel, dass der Troll, einige Gaukler und ausgewählte Gladiatoren lieferten. In der Luft über den Rängen hing der Duft von Spezereien, Dienstsklaven liefen mit kleinen Bauchläden umher und kredenzten Getränke und servierten kleine Delikatessen für die Damen.

Höhepunkt war die „Befreiung“ des Ungetüms von den Steinsäulen. Die Gladiatoren legten dem Troll gleichzeitig ein spezielles Geschirr an, dass ihn auf alle Viere zwang. Seine Männlichkeit war durch einen Querbalken nach hinten zwischen seine Schenkel gezwungen. Mehrere Kampfsklaven bestiegen ihr „Reittier“ und führten den Koloss durch die Manege. Soldatinnen mit Spießen trieben den Troll von hinten an und stachen immer wieder in das muskulöse Gesäß.

Die Ladys lachten herzlich, als das Urwesen vorwärts ruckte, wenn ihn die spitzen Eisenstangen in sein Hinterteil piekten. Ein Gladiator trug eine dicke Keule, die mit derbem Leder überzogen war. Damit versetzte er dem Troll geschwungene Hiebe auf sein Gemächt. Der Aufbäumende wütete und versuchte seinen Peiniger zu erreichen, doch drehte der sich ihn narrend mit ihm im Kreis. Es währte eine Weile, bis der gewaltige Riese seine Widerspenstigkeit aufgab und sich zähmen ließ. Schwindelig und entkräftet wankte er umher. Unter dem Jubel und Aufwallung der Ladys brachten die Gladiatoren und Soldatinnen das Ungeheuer dazu, allerlei Kunststückchen vorzuführen und jedem Befehl gehorsam zu folgen.

Während sie das Spektakel in der Manege musterte, sprach Vesta verträumt zu ihrer Schwester: „Wenn der Troll erst zuverlässig abgerichtet ist, werde ich auf ihm in den Krieg ziehen.“ Ein Lächeln spielte um Auroras Lippen. „Wer, wenn nicht du, hast das kräftigste und höchste Reittier verdient!?“ Sie stellte sich verborgen unter der Maske von Freundlichkeit vor, wie das seiner Würde bestohlene Ungetüm ihre Schwester unter sich zerstampfte wie eine Kakerlake, doch ihre Lippen schwiegen davon.

Im Reich der Cassandra herrschte derweil Aufruhr. Die Regentin war wutentbrannt aus dem Thronsaal gelaufen, als ihre Duxa von Auroras gelungener Flucht erzählte. Die göttliche Cassandra wusste, dass ihr Plan damit weggewischt war, die Metropole zu unterwandern. „Da hol mich doch die Räude! Schick Briefraben zu Vesta. Eile! Die Allianz ist hiermit aufgelöst.“ Ihre wütenden Worte unterstrich sie, indem sie sich ihre Perlenkette aus Jade vom Hals riss und sie hinfort schleuderte, so dass sämtliche Kugeln durch den Raum wirbelten wie Geschosse.

Die Despotin ballte ihre Fäuste. „Wir suchen uns im hohen Norden und an der Ostküste andere Verbündete. Und dann werden wir mit einem wahrhaft gewaltigen Heer, wie der Kontinent es noch nicht gesehen hat, vor den Toren der Metropole stehen und die Mauern bis auf den Grund vernichten!“ Die Majordoma nickte zufrieden und hub an: „Ihr seid ein Brunnen der Weisheit, Hoheit! Und Vesta und Aurora werden dafür büßen, sich gegen uns gestellt zu haben, meine erlauchte Gebieterin.“ Cassandra rümpfte die Nase. „Vielleicht werde ich die liederlichen Gören mit ihren Krallen gegeneinander kämpfen lassen. Die Siegerin darf mir als Sklavin dienen, die Verliererin wird meinen Kampfsklaven empfohlen, sie zu besudeln.“

Die Autokratin stiefelte durch ihren Kronsaal und betrachtete eine Schale mit glühenden Kohlen, über der eine kleine Teekanne pendelte. Wie gern würde sie die leuchtenden Stücke diesem Fratz in der Metropole in den fetten Arsch schieben. Morgens war ihr noch der Sinn nach einem lustwandelnden Spaziergang durch den Zierpark gewesen, aber nun raste ihr Herz vor Zorn und nährte ihren Hass immer mehr. Was für eine Bürde die Krone doch mit sich brachte!

Cassandra betrat den Kerker unter ihrem pompösen Palast. „Bring mir ein paar Sklavenärsche und eine lange Bullenpeitsche“, befahl sie der Wärterin schroff. Die Despotin musste sich ein wenig Zerstreuung gönnen, sonst würde sie noch den Verstand verlieren. Die forteilende Uniformierte erntete eine Kälte im Blick der Tyrannin, die die Untergebene im Rücken spürte wie ein Schwall Eiswasser und ihr eine Gänsehaut bescherte.

Es verlangte viel Geschick, mit dem langen Schlaginstrument kunstvolle Verzierungen ins Fleisch zu beißen. Die gemalten Linien würden nicht filigran sein, dafür aber umso schärfer umrissen und sehr lang anhalten. Und die leidenschaftlichen Rufe nach Gnade wären erst das Präludium einer Symphonie voll Schmerz und Schönheit. Die Diktatorin leckte sich über ihre vollen Lippen. Die großen Augen mit den langen Wimpern strahlten in Vorfreude.

Zum nächsten Sonnenaufgang rief Cassandra ihre Beraterinnen und Duxas zusammen. Die Kleinstaaten im Norden und Nordosten zu erobern, würde keine große Herausforderung. Das Reich um den debilen Führer Utz, den vertrauensseligen Seyfrid und die geschwächte Patrona, die kaum über Soldaten verfügte, waren leicht zu annektieren. Etwas schwerer würde es bei Tomen, Nemesis und Mignon werden. Doch Cassandra war bereit, einen Großteil ihrer eigenen Kampfhorden zu opfern.

Längst hatte die Metropole kein Monopol mehr auf den Nachschub aus dem Ostkontinent. Ihre eigenen Schiffe brachten reichlich Sklavenmaterial herbei. Eine Duxa gab zum Besten, dass ein Häuptling namens Barthel, Anführer eines Konglomerats aus „Freien“, versucht habe, die Transportwege zum cassandrischen Reich zu blockieren und die Sklavenkolonnen zu rauben, doch „unsere Truppe hat kurzen Prozess mit ihm gemacht und seine Wohnstatt ausgeräuchert“, sah die Duxa sich nach Beifall heischend in der Runde um. Affektiert klatschten einige der Damen, ganz nach der Gunst der Herrscherin heischend.

Cassandra war zufrieden. „So lasst es uns tun. Die Dummvölker um uns herum werden parieren. Dafür stelle ich sie unter meinen Schutz. Das mit Dreck befleckte Pack wird mir danken, mir dienen zu dürfen.“ Die Sache war beschlossen. Wer sich nicht freiwillig Cassandra und ihrer Hybris anschloss, der sollte auf andere, unfreiwillige Weise einverleibt werden.

In Ledanien waren die Bewohner mit anderen Dingen beschäftigt. Zelos war guten Mutes, seit er gehört hatte, dass ihm nicht das Richtbeil sondern ein Duell mit Gladius bevorstand. Leda hatte ihm sein Schwert und einen Übungspartner zugestanden. Seit diesem Tage verprügelte der ehemalige Oberste beim Drill einen Soldaten nach dem anderen. Seine Wut brach aus ihm heraus wie bei einem Berserker auf dem Schlachtfeld. Bald schon wollte sich keiner der Gerüsteten mehr dem Gefangenen stellen, doch Nike wies die „Freiwilligen“ der Reihe nach zum Exerzieren an. Und so verlängerte sich die Liste der Kämpen, die im günstigsten Fall mit blauen Flecken davonkamen.

Besonders übel erwischte es den Wärter Winand, der mit Zelos einen Strauß um seine Ehre ausfocht, aber dabei klar unterlag. Der zum zweiten Mal gedemütigte Wachmann schwor sich bittere Rache an Zelos - kalt serviert wie ein Karottensalat -, doch Nike hatte königliche Anweisung, dafür zu sorgen, dass Zelos stets zu Dritt bewacht wurde, so dass kein Wärter sich an ihm vergehen könne. „Mir einerlei, welche Schuld Zelos auf sich geladen haben mag – ich werde Gerechtigkeit üben. Er soll seine faire Chance erhalten“, hatte Leda stoisch verkündet. Ehrlichen Anklang fand sie dafür nur bei wenigen Untergebenen, denn viele wünschten sich einen Strick um den dreckigen Hals des Übeltäters und seinen luftigen Tanz in die Unterwelt.

Nike beobachtete mit Sorge, wie gewand und zugleich rabiat Zelos Schwert und Schild handhabte. Sie verfolgte sein beachtliches Können, und das pflanzte ihr Zweifel ein, ob Gladius ihm gewachsen war, was ihre Miene überschattete. Doch zu ihrer Überraschung musste sie eingestehen, dass auch der Schultheiß schnell wieder seine alte Kampfform aufbaute und unter den Soldaten und Gardisten ebenfalls für seine Schwertkunst gefürchtet wurde.

Während die Tage vergingen, heilten Abas Verletzungen erstaunlich schnell und gut. Ein Humpeln, eine pieksende Rippe und einige Narben würden bleiben, doch er hatte den meuchlerischen Hinterhalt des ehemaligen Obersten überlebt. Täglich dankte er den Alten Göttern in stillen Gebeten für ihren Schutz.

Schließlich war der so ersehnte und zugleich gefürchtete Zeitpunkt der Entscheidung gekommen: Im Burghof war eine kleine Manege abgesteckt, der Boden mit Holzspänen und Sand bedeckt war. Die beiden Kämpfer würden bei ihrem Duell über Leben und Tod entscheiden. Zelos trug einen braunen Panzer aus Lederschuppen und geschwärzten eisernen Schulterstücken. Gladius hatte sich für ein kurzärmeliges silberfarbenes Kettenhemd entschieden, unter den ihn ein weißes Stoffwams in den Farben Ledaniens kleidete. Beide trugen hohe Stiefel, die bis weit über die Knie reichten und aus derbem Leder geschustert waren.

Zelos hatte sein Langschwert gewählt, das neben der Blutrinne seinen Namensschriftzug sowie den Ausspruch „Ruhm oder Tod“ zierte. Zu der Blankwaffe hielt er einen genieteten Metallschild in Tropfenform. Er hatte sich für das Duell diesen Schild in purem Schwarz gewünscht. Kein Wappen sollte ihn schmücken, denn mit Leda hatte er nun endgültig gebrochen. Die Wahl von Gladius fiel auf ein Breitschwert mit wuchtiger Klinge, an dessen Griffende ein Metalldorn angebracht war. Sein Rundschild zeigte das Wappen seiner Königin.

Zwei große Trommeln und zwei Fanfaren, an denen kleine Flaggen angebracht waren, verkündeten lautstark die Ankunft der Regentin. Sie setzte sich auf ihren erhöhten Sitz, neben dem in der Folge auch Abas Platz nahm. Die beiden gaben sich ein wenig angespannt die Hand. Leda nickte erhaben zu Nike, die die Rolle der Majordoma eingenommen hatte und eine schwarze Soutane wie ein Schultheiß bei Gericht trug. Nun war also der Moment der Abrechnung gekommen.

Sie räusperte sich umständlich und eröffnete die Fehde mit lapidaren Worten. „Hier und jetzt soll die Schmach um den feigen Anschlag auf unseren Königsgemahl Abas weggewaschen werden. Doch nun sollen den Worten Taten folgen.“ Sie schlug mit ihrem Stab auf den Boden. Auf ihr Kommando betraten die Duellanten das Rund und stellten sich fünf Schritt voneinander entfernt gegenüber. Die Männer sahen sich kalt in die Augen. Beide waren bereit, den wohl wichtigsten Kampf ihres Lebens zu fechten. Nun folgte ein weiteres Signal, und die Fehde begann.

Zelos und Gladius zogen zeitgleich ihre Klingen mit schrillem Kreischen aus den metallenen Scheiden und stürmten aufeinander ein. Im nächsten Augenblick krachten die schweren Schwerter gegeneinander, dann knallten sie auf den Schild des Konkurrenten und kreuzten sich klirrend wieder. Verbissen stritten die Zwei miteinander. Doch noch konnte keiner den entscheidenden Treffer anbringen. Die Rivalen waren sich ebenbürtig. Immer wieder kam der eine in Vorteil, dann der andere.

Leda und Abas fieberten mit. Würde Zelos den Händel gewinnen, so durfte er frei seiner Wege ziehen und eine Kiste mit Goldmünzen und ein Ross seiner Wahl sein eigen nennen. Sollte Gladius siegen, so war der versuchte Meuchelmord gesühnt. Leda betete still zu den Göttern um Gerechtigkeit.

Wieder und wieder schepperten die bald schartigen Schneiden auf die mittlerweile verbeulten Schilde. Keuchend, ächzend und schnaufend stürmten und hämmerten die Kämpfer aufeinander ein. Zelos flog Speichel aus dem Mundwinkel, Schweiß nässte ihn unter dem Lederpanzer. Gladius spürte die brennenden Muskeln und bei einem vorpreschenden Angriff des Gegners die feindliche Klinge nur einen Fingerbreit an seinem Gesicht vorbei hieben.

Der Schultheiß stolperte rückwärts und verlor für einen Wimpernschlag die Deckung. Darauf hatte Zelos nur gewartet und stach tollkühn mit dem Langschwert in der Absicht zu, das Herz des Rivalen zu durchbohren und dem Duell ein Ende zu setzen. Aus dem Handgelenk winkelte Gladius sein Breitschwert ab und konnte die Gefahr kurzzeitig bannen, doch schon im nächsten Moment flog ihm seine Waffe aus dem Griff. Sie prellte schmerzhaft weg und landete in den Spänen auf dem Boden der Walstatt.

Zelos lachte in Anbetracht dessen rau auf und holte zum finalen Schlag aus, um Gladius seinen Schädel zu spalten. Der Schultheiß, der Gefahr gewahr geworden, bremste die tödliche Kraft mit seinem Rundschild über seinem Haupte ab, aber der Treffer zwang ihn endgültig zu Boden. Zelos hackte sofort nach den Beinen, die der Gefallene blitzschnell einzog, sich seitlich wegrollte und zu seinem Schwert sprang. Ein Aufraunen der Zuschauer war zu vernehmen.

Schon stand er seinem Widersacher wackeren Herzens erneut gegenüber. Zelos brüllte vor Wut, den nahen Sieg wieder aus der Hand gegeben zu haben, stampfte auf Gladius zu, und nun landete ein mächtiger Schlag nach dem nächsten gegen den Kontrahenten, der nur mit Mühe und letzter Kraft dieses Bollwerk aus roher und auf ihn einprasselnder Gewalt standhielt.

Aufgeregtes Getuschel und Zischen im Publikum ertönte mal hier, mal da. Die Schilde waren kaum noch als solche zu erkennen, so verbeult und verbogen waren sie. Die Klingen waren durch mannigfaltige Kerben und Scharten verunstaltet. Einige Male verpassten sich die Kämpen so knapp, dass die Klingen die Rüstungen nur streiften und aufplatzen ließen. Ein Hemdsärmel von Gladius flog reißend davon wie ein Wimpel im Sturm.

Der Himmel hatte sich verdüstert, die Luft war abgekühlt. Ein Schwarm Vögel suchte Schutz. Der Wind frischte auf und ließ einige Zuschauer frösteln. Nike zog sich die Robe enger um sich. „Als würden uns die Alten Götter die passende Kulisse bieten“, sinnierte sie. Die Augen von Zelos schienen zu glühen. Wild entschlossen prügelte er auf Gladius ein, alle Angst fahrengelassen. Allerdings raubten ihm die rabiaten Attacken so viel Kraft, dass er schon erschöpfter war als sein Gegner.

Bald merkte Zelos, dass er das Duell nicht mehr lange durchstehen würde, wenn es jetzt nicht zu einer Entscheidung käme. Er verlor das Gleichgewicht und sackte kurzzeitig auf ein Knie, die Chance für Gladius, ihm den Gnadenstoß zu versetzen, doch die Menge murmelte ratlos, als der Schultheiß ritterlich wartete, bis Zelos wieder bereit war. Gladius spie ihm entgegen: „Da kniet der Verräter im Staub, wo er hingehört. Diese Position kleidet dich am besten.“ Zelos grunzte: „Du sprichst übel über mich? Und du schiltst mich einen Verräter?“

Unbehagliches Gerede und Getuschel durchfuhr die Ränge. Zum „Dank“ für die Gunst der Pause spritzte der ehemalige Oberste seinem Gegner mit einer ruckartigen Bewegung seines Stiefels Sand bis ins Gesicht. Gladius taumelte zurück, versuchte sich die Augen mit einem Unterarm zu reiben, aber schon war Zelos heran und schwang sein Langschwert über dem Kopf. Die Menge buhte und schimpfte über die unehrenhafte Tat. Wieder krachte das Schwert des früheren Obersten gegen den Schild seines Opfers. Gladius stürzte von der Wucht getroffen zu Seite, der Schild schleuderte polternd vier oder fünf Schritt in unerreichbare Ferne.

207. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von sheeeep am 08.05.22 11:07

Richtig spannend und mit tollen Ideen und Szenen !
Einfach Klasse!!
208. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von AlfvM am 09.05.22 17:50

Dem kann ich mich nur anschließen.
Vielen Dank.
VG ALF
209. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 21.05.22 10:55

Als Zelos nun seine Waffe drehte, um die Klinge wie die Spitze eines Fallgitters auf Gladius rammen zu lassen und ihn aufzuspießen, trat der Liegende dem Angreifer die Beine weg. Einen Herzschlag später sah der Ausgang des Kampfes völlig anders aus: Gladius hatte die Oberhand, kniete neben dem liegenden Widersacher und drückte ihm die tödliche Spitze seines Schwertes unter das unrasierte Kinn. Erschrocken und unversehens aschfahl geworden entrang sich ein Ächzen aus Zelos Kehle. Er ließ den Griff seiner Langwaffe los. „Tötet mich nicht“, flehte der Unterlegene. „Ich gebe auf! Ich bitte Euch um Eure Gnade. Waltet Milde!“

Gladius giftete dem Verlierer verächtlich ins Gesicht. „Meine Königin hat das Recht zu entscheiden!“, stieß er laut aus. „Nur sie kann dir Giftnatter Gnade erweisen.“ Leda atmete mit wogendem Busen tief durch und stand so würdevoll auf, wie es einer Monarchin geziemte. „Diese Burg soll nicht fürderhin von dem Verräter namens Zelos entweiht werden. Eine Kerkerhaft ist daher nicht angebracht. Aber ich werde den Unwürdigen aus Ledanien verbannen. Als zusätzliche Strafe soll er in einen Keuschheitsgürtel gesteckt werden und nur mit einem Leinentuch bekleidet bei Sonnenuntergang von Dannen ziehen. Finden ihn meine Soldaten bei den ersten Strahlen, die sich anschicken, den Morgen anzukündigen, noch in der Nähe des Wehrzaunes, so zeiht ihm dies niemand, und er hat sein Leben endgültig verwirkt.“

Die Worte der Regentin hallten in den Köpfen der Zuhörer noch nach, und es blieb eine Weile mucksmäuschenstill. Die Menge raunte auf, als Gladius sein Schwert mit den Zähnen knirschend vorwärts rammte und seitlich knapp am Kopf des Besiegten vorbei in den Boden spießte. Der Ehrenhändel war beendet. Fast hätte der Unterlegene der niederträchtigen Versuchung nicht widerstanden, in einem unbemerkten Augenblicke sein Schwert zu ergreifen und des Widersachers Herz doch noch zu durchbohren. Aber als er seine Hand danach ausstreckte, erhielt er von einem Gardisten einen groben Tritt mit dem Stiel auf seine Finger und ließ ihn jäh zurückzucken. „Ergreift ihn und bringt ihn in seine Zelle!“, befahl Nike laut. Während Zelos hinausgeführt wurde, feierten die Anwesenden Gladius, ließen ihn hochleben und jubelten ihm eingedenk seines Sieges leidenschaftlich zu.

Unterdessen in der Burg und auf dem Hof fröhliche Melodien aus Drehleiern und Flöten ertönten, die Soldaten sich zu Wein, Brot und Braten gesellten, schmiedete der Zunftmeister einen Keuschheitsgürtel um Zelos Männlichkeit. Die Arbeit erfreute ihn ungemein, denn dem Wüstling seine Manneskraft zu verschließen, war eine gerechte Strafe und nur die Frucht seiner Untat. Mit anschwellendem Entsetzen schaute der Verbannte auf sein Schloss und rüttelte daran. Oh, er fühlte neben der Schande schon jetzt die unsägliche Geilheit, die ihn zu quälen beschlich. Die Schmach lachte ihm und verspottete sein Gemächt.

Kurz darauf erschien der gehörnte Abas im Kerker und sprach verbittert: „In den Momenten, bevor du versperrt wurdest, hat mich der Schmied befreit. Das ist nun der bittere Preis, den du tragen wirst. Er ist dein einzig Lohn. In den Freien Ländereien findet du keinen Taler, der dir einen kundigen Schmied kaufen könnte.“ Mit diesen Worten voll süßer Genugtuung ließ der Königsgemahl den Verräter voll Zerknirschung allein. Er wollte ihn nie wieder sehen. Zwar würde der verfemte Zelos womöglich eines unbekannten Tages einen Weg finden, sich aus seiner eisernen Hose zu befreien, doch war dieser Tag gewiss noch in weiter Ferne.

Als der Schmied und Abas gegangen waren, nutzte der Wärter Winand, der nun doch eine Weile mit dem Gefangenen alleine war, die Gunst der Stunde, und revanchierte sich für die zweifache Schmach, die er erlitten hatte. So lernte auch der verfemte Zelos, seines Wamses entledigt, zu seiner Unbill einen Standpranger kennen und auch die Kunst „wie du dich in kommenden Tagen vergnügen kannst. Denn nur hinten ist dein neues Beinkleid offen“, lachte Winand hämisch und ließ in Vorfreude einen Besenstiel obszön durch seine Hand gleiten, durch den sein Gegenüber ungezähmte Zuneigung lernen sollte.

Weit im Osten ward ein Greis zu seiner Herrin gerufen. „Ihr habt mich bestellt?“, fragte der würdevolle Mann in seinem mit ungewöhnlichen Symbolen bestickten türkisfarbenen Umhang. Die Dame in ihrem schmucken Geschmeide nickte erhaben. „Lieber Caduceus, du warst mir lange Zeit bedingungslos treu. Und so will ich dir nicht verhehlen, dass unser kleiner Staat vor einem erzwungenen Bündnis mit der Tyrannin Cassandra steht. Ich brauch dir nicht zu erläutern, was dies für alle Leibeigenen und Diener bedeutet – spätestens, wenn die Priesterinnen des Malus-Kultes an die Macht kommen. Du sollst nicht unter ihre Fuchtel fallen. So verlasse das Land und reise nach Westen, wo du vielleicht auf ein freies Reich stößt.“

Caduceus lauschte den Worten. Vor längerer Zeit hatte er seiner Herrin von seinen Visionen berichtet, von der Armada eines fremden Westvolkes, von einem großen Sturm, der die Schiffe im großen Westozean hatte sinken lassen, und schließlich auch von Leda, die einst das Vereinte Reich regierte, bevor sie von Megara ins Exil getrieben worden war. „Vielleicht erreichst du Königin Leda eines Tages und lebst bei ihr als freier Mann. Oder du stirbst auf der Reise, doch du sollst nicht als einfacher Minensklave unter Cassandra dein Leben aushauchen. Dein Schicksal ist ein anderes, ein würdigeres.“ Ihr Gesicht strahlte Ernst und Entschlossenheit aus.

Dem Seher standen die Tränen in den Augen, seines Schicksals ansichtig werdend. Auch die Herrin kämpfte mit ihren Gefühlen mit zitterndem Kinn. Der Alchimist, sonst zungenfertig, verneigte sich und zog sich wortlos zurück, um die wenigen persönlichen Dinge zusammen zu packen, die ihm wichtig genug erschienen, mitgenommen zu werden. Es war ihm zuwider, die Gebieterin allein zu lassen, aber er beugte sich der Entscheidung. Sie sollte nicht zu einem Zankapfel zwischen ihnen werden. In der letzten Nacht, die er in der Residenz seiner Lady verblieb, setzte er sich auf seinen Lieblingsstuhl, dem er damit ein gewohntes Quietschen entlockte, und grübelte bis in den frühen Morgen.

Er bereitete eine Wahrsagung vor und konzentrierte sich, um zu erfahren, welche Gefahren ihm auf seinem weiten Weg quer durch den Alten Kontinent begegnen könnten. Dabei stieß er auf etwas völlig Unerwartetes: Das Westvolk hatte sich erneut gerüstet und eine gewaltige Flotte Richtung Osten geschickt. Die untergegangene Armada hatte sie lange Zeit abgehalten, eine zweite Invasion zu starten, doch nun war der Tag der Eroberungen zurückgekehrt. Und was Caduceus in seinen Trugbildern erkannte, ließ ihn sehr unruhig werden.

Das Reich der Leda würde an der Westküste als erste Region von den Fremden gebrandschatzt werden. Und dass die Eindringlinge nichts Gutes im Sinn hatten, zeigten die vor gefährlichen und ominösen Zauberwaffen starrenden Schiffe. Riesige Armbrustschleudern und Katapulte mit brennenden Kugeln waren noch lange nicht die größte Gefahr. Die Soldaten des Westvolks verfügten über magische Donnerrohre, die unnatürliche Kräfte entfesselten, die nur aus der tiefsten Unterwelt stammen konnten und tödlicher waren als alles, was man im Alten Kontinent kannte.

Caduceus ahnte, dass hier nicht etwa nur Zauberei, sondern schlicht geschickte Alchimisten am Werk waren, doch ward ihm auch die Gefährlichkeit dieser Waffen bewusst. Er musste Königin Leda dringend warnen. Doch wie sollte er als einzelner Greis die vielen Meilen durch gesetzfreie Ländereien und mehrere Frauenstaaten gelangen, in denen Mannsbilder keinerlei oder wenige Rechte besaßen? Er würde versklavt oder gemeuchelt, lange, bevor er sein Ziel erreichte. „Die Alten Götter werden mich geleiten!“, sprach er huldigend vor sich hin, sich Mut machend, und versuchte noch eine Handvoll Stunden bis zum Morgengrauen zu schlafen, um nicht gleich zu Anfang geschwächt die Reise zu beginnen.

Am nächsten Tag ließ die Herrin ihr bestes Ross satteln. „Nehmt diese Beutel mit Proviant mit, Caduceus. Und meinen Rappen.“ Der Seher wusste nicht, was er sagen, wie er ihr danken sollte. Er schenkte der Lady im Gegenzug eine Fibel mit seinen persönlichen Arzneirezepten. „Eines Tages wird der Alte Kontinent wieder frei sein von Despotinnen!“, hoffte er und drückte zum Abschied die Hand der Edeldame, gemahnte sich zugleich zur Mäßigung seiner Gefühlswogen.

Er schwang sich seinen langen Umhang über das Kamisol und befestigte eine bronzene Schließe an der Brust. Als der Seher davon ritt, erschienen in den Augen der Verlassenen Tränen. An ihren Busen gedrückt hielt sie das Büchlein, während eine Windbrise die weiten Ärmel ihres Gewandes bauschte. Sie schürzte ihre Lippen, um die tiefen Gefühle zurückzudrängen. Doch einige Tränen lösten sich im Winde und flossen ihr über die zarten Wangen.

Mit einem Pergament, das ihn als freien Mann ausgab, durfte er mehrere Wachposten passieren. Schließlich erreichte er die Grenze zu den Freien Ländereien. Hier gab es wohl keine grausamen Weiber mehr, doch dafür Marodeure und dunkles Gesindel jeglicher Couleur. Als Waffe besaß er einen Dolch im Gürtel und einen Bogen. Doch den wollte er für die Jagd auf Kaninchen und Rebhuhn nutzen. Zum Kämpfen war Caduceus viel zu alt und ungeübt. Trotzdem würde er lieber den Göttern gegenübertreten, als sich den Räuberbanden anheischig zu machen und sich für Gold der Sünde zu verdingen. Stets hielt er nach Spuren oder anderen Auffälligkeiten Ausschau.

Nach drei Tagesritten erreichte er eine Grasebene mit sanften Hügeln. Erst, als die Sonne den Horizont küsste, stieg er an einem kleinen Bach ab und ließ den Rappen saufen. Caduceus war von der Reise ermattet und wollte sich kurz ausruhen. Seine alten Knochen waren von der ungewohnten Sitzhaltung im Sattel bereits stark ermüdet. Und kaum lag er im willkommenen Grasbett, um dem Müßiggang anheim zu fallen, so war er schon eingeschlafen.

In seinem Traum tauchte wieder die Armada des Westvolks auf, die auf dem Alten Kontinent wütete wie eine Armee aus Feuerdrachen der Unterwelt. Die Menschen wurden versklavt, mussten fremden Göttern dienen und sich den Eindringlingen unterwerfen. Das durfte einfach nicht geschehen! Das wäre das Ende aller Freiheit, allen Lebens. Er musste es verhindern. Caduceus wand sich im Schlaf wild hin und her und stöhnte.

Plötzlich stieg in ihm eine innere Stimme auf, eine Kraft, die ihn magisch anzog. Sie führte ihn im Traum über Hügel und Berge, durch dichte Wälder und über Ebenen zu einem grün schimmernden Kristall. Caduceus konnte in seiner Vorstellung fliegen und erreichte den geheimnisvollen Stein wie ein Adler, der sich in die Lüfte schwingt und schließlich auf sein Ziel hinab schießt. „Befreie mich!“, ertönte eine dunkle Stimme. „Zerstöre den Kristall!“

Caduceus hielt sich im Schlaf die Ohren zu, denn die Stimme hallte in hundertfachem Echo lauter und lauter auf ihn ein, dass sein Schädel zu bersten drohte. In Schweiß gebadet wachte Caduceus auf. Gab es diesen Kristall wirklich? Und wenn ja, welche Wirkung hatte er? Und wo fand er ihn? Oder hatte sein Dämmerzustand gemeinen Schabernack mit ihm getrieben? Noch umnachtet sinnierte er lange, doch kam er zu keinem endgültigen Schluss.

Auch in den nächsten Nächten erschien ihm der Traum. Jedes Mal wurden neue Einzelheiten deutlich. Und so wusste der Seher bald, was zu tun war. Er würde den grünen Kristall zerstören und damit einen Leviathan von seinen magischen Fesseln befreien, die ihn seit Jahrtausenden auf dem Meeresgrund gefangen hielten. Das einem Drachen ähnliche Ungeheuer würde den Westozean unüberwindbar machen und den Alten Kontinent vor den Invasoren schützen.

Doch durfte sich dann auch kein Fischer aus Ledanien mehr zu weit auf das Wasser trauen. Sobald ein Boot die Sicht zur Küste verlor, würde es nie wiederkehren, denn der Leviathan unterschied nicht zwischen Westvolk und Ledaniern. Und nach der Jahrtausende dauernden Kerkerhaft war sein Hunger so gewaltig und schier unstillbar, dass er sich nicht mit einer Färse zufrieden geben würde. Dutzende Männer würden ihm anheim fallen.

Königin Leda machte ihre Drohung wahr: Zelos ward im Bettlergewande und in einen Keuschheitsgürtel gesperrt aus Ledanien verbannt wie es der Verräter verdiente. Zu Fuß und ohne Proviant oder Waffen musste er in eine ungewisse Zukunft marschieren. Nike brachte den Verdammten an die Grenze. Der Verurteilte musste zu Fuß hinter ihrem Ross herlaufen. Seine Hände waren mit einem Hanfstrick gebunden, der am Sattelknopf endete.

Die Grenzwächter bezeugten die Verbannung wider den Delinquenten und hatten sich in langen Reihen aufgestellt. Mit Panzerhandschuhen oder Schwertgriffen schlugen sie in einem bedrohlichen Takt auf ihre silberfarbenen Schilde. Leda und Abas blieben derweil in der Burgfestung. Sie standen im Fahnensaal und umarmten sich. Das dunkle Kapitel Zelos war abgeschlossen.

Der Renegat sah sich kein einziges Mal um. Er kochte innerlich wegen der zahlreichen Demütigungen, die er erfahren hatte, aber vor Nike durfte er nicht als flennende Memme dastehen. Er schwor sich eines Tages kalte Rache zu nehmen und die Schmach zu tilgen. An dem Krüppel Abas, der seiner Begehrten - und der Krone - im Wege stand und dessen eisernes Gefängnis er nun trug; an Leda, dieser verblendeten dummen Gans; an Nike, die seinen Posten eingenommen hatte und ihn am Pferd unmanierlich vorgeführt hatte; an Gladius, der ihm mit dem Duell seine Ehre und sein Leben gestohlen hatte; an Winand, diesem dreckigen kleinen Wärter, der ihm die letzte Ehre mit einem Besenstiel ausgetrieben hatte.

Zelos atmete scharf durch die Nase ein. Sein Gesicht verzog sich, seine Zähne knirschten laut. Und sein Antlitz wurde von der wild schmerzenden Entehrung tief rot wie die Abendsonne. Diese Schmach! Und dieser Abschaum im Kerker hatte auch noch darüber gelacht und ihm zur Verlustierung gereicht! Alle sollten sie sterben! Heiß vor Scham und Gram marschierte der Exilant mit raumgreifenden Schritten frischauf seinen Weg entlang. Doch er hielt den Hass in seiner Brust verborgen, wo er sich, glühend wie ein Kohlestück, befleißigte, hervorzubrechen, wenn die rechte Zeit gekommen sein würde.

Er wollte zunächst versuchen bis in Helenas Stadtstaat zu gelangen, wo Mannbilder zumindest einige Rechte besaßen. So die Götter wollten, konnte er Arbeit finden und sich bald einen Schmied leisten, der ihn befreite. Grimmig trottete er die staubige Straße weiter. Schritt für Schritt loderte sein Hass auf, der ihn umfing, und heizte ihm weiter ein.

Gegen Abend erspähte er einen Tümpel, aus dem er mit den Händen gierig Wasser schöpfte. Sein Magen knurrte. Zu seinem Ärger fand er nur einige wenige säuerliche Beeren. Hie und dort kreuzte ein Kaninchen oder ein Fasan seinen Weg, doch ohne Waffen konnte er nichts erbeuten. Später begegnete er einem offenbar entlaufenen Huhn und stürzte hinter dem gackernden Federvieh her, doch das verflixte Tier entwischte dem Jäger immer wieder aufs Neue, bis Zelos mit einer weißen Feder als einzige Beute in der Hand entnervt und erschöpft aufgab. Nach Sonnenuntergang lehnte er sich gegen den dicken Stamm einer Eiche und schlief hungrig und übellaunig ein.

Königin Helena hatte ein zweckmäßiges Bündnis mit Ledanien geschlossen, um sich gegen die Gefahren aus dem Osten zu schützen. Mannsvolk ward allgemach mehr Freiheiten zugestanden als bisher, und viele Männer lebten nicht mehr in Leibeigenschaft. Auch Zelos erhoffte sich in dem Stadtstaat, der früher einmal die Hauptstadt des Vereinten Reiches gewesen war, eine gute Zukunft. Doch der Weg bis dort war noch weit. Zumindest waren ihm unterwegs keine Marodeure oder Strauchdiebe begegnet. Ohne Blankwaffe wäre er dem Gesindel hilflos ausgeliefert gewesen.

Zwischen Ledanien und Helenas Reich sollten Handelswege entstehen, so dass bereits jetzt Patrouillen die Straße kontrollierten und für Kaufleute sicher machen sollten. Am nächsten Tag rollte dem einsamen Wanderer ein Holzkarren mit einem Esel entgegen. Ein junges Paar saß auf dem kleinen quietschenden Kutschbock. Das Gefährt war mit Webteppichen und Tonwaren beladen und schaukelte seines Weges dahin.

Als Zelos beim Eselwagen ankam, hielten die schweren Holzräder knarrend. „Wer seid Ihr?“, wollte der Jüngling wissen. „Und was macht Ihr hier ganz allein?“ Zelos machte eine Jammermiene. „Oh, gut, dass ich Euch treffe! Ich bin Kaufmann und von Freien überfallen worden. Stellt Euch vor: Die Schurken haben mir alles genommen! Meine ganze Ladung Duftwasser und Seidenschals für die Damen und wunderschöne Damastklingen mit kunstvoll beschnitzten Griffen aus Horn für die Herren. Auch mein Beutel mit all den Silbermünzen ist fort. Und sogar meine feine Gewandung haben die Strolche mir vom Leib gerissen!“

Der Jüngling fasste sich erschrocken an seinen grünen Gugel und schaute mitleidig, geblendet von der Lügenmär. „Das tut mir sehr Leid für Euch. Wollt Ihr uns nach Ledanien begleiten? Vielleicht kann man Euch dort helfen.“ Zelos hüstelte. „Nun, eigentlich müsste ich zwar dringend in den Stadtstaat. Dort wohnt mein Handelspartner, müsst Ihr wissen. Doch leider…“ Er sah zu Boden. „Ich kann ja nicht von Euch verlangen, dass Ihr wegen mir umkehrt. Ich werde wohl den Marsch alleine fortsetzen müssen. Ohne Reittier, ohne Stiefel, ohne Proviant, ohne Waffen…“ Er zerfloss beinahe in nur teils gespieltem Selbstmitleid.

Er sah aus den Augenwinkeln zum Kutschbock, wo der Jüngling gleichgültig die Schultern hob. Neben ihm saß ein Weib, ein Umhang um das Kleid geschwungen und eine rote Gugel aus Filz tief ins Gesicht gezogen, so dass er ihre Schönheit nur erahnen konnte. Zelos betrachtete seine Fingernägel und setzte scheinbar resignierend und kummervoll hinzu: „Wenn es Euch beliebte, würde es Euch ein Dutzend Goldmünzen einbringen, aber gewiss wollt Ihr zügig nach Ledanien und verdient dort ebenso gut.“




210. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von AlfvM am 29.05.22 22:27

Hallo Prallbeutel,
super Geschichte weiter so.
GLG Alf
211. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 04.06.22 15:59

Der Jüngling horchte auf. Sein Herz wurde weit. „Ein Dutzend Goldmünzen? Habt Ihr so viel?“ Zelos nickte verschwörerisch. „Ich nicht, doch mein Schwager im Stadtstaat.“ Trunken von Gier streckte der Jüngling seine Hand aus: „So eilig haben wir es nicht. Und wir sind Euch wohlgesonnen. Wenn ich helfen kann, tue ich das doch gern. Ich heiße übrigens Niclas, und das ist meine Verlobte Brida. Wie ist Euer Name, mein Herr?“ Zelos zögerte und räusperte sich. „Mich nennt man… Anonymos. Und Ihr nehmt mich wahrlich mit?“ Der Jüngling nickte. „Mit Verlaub! Ihr seht darbend aus. Ich kann Euch kalten Wachtelbraten und Maisbrei anbieten.“ Er langte nach hinten und holte aromatisch gewürztes Essen hervor, das dem Hungrigen sofort in die Nase stieg und ihm Speichel im Mund zusammenlaufen ließ.

Zelos schlang eine große Portion hinunter und spülte mit großen Schlucken Bier nach. „Habt Dank“, sagte er und rülpste zufrieden. Niclas lenkte den Esel in einer Kurve von der Straße und bog in entgegengesetzter Richtung wieder auf. Zelos saß auf dem Karren hinter dem jungen Paar und nippte an einem Krug mit Bier. Genüsslich knabberte er an einer Räucherwurst, die Niclas ihm noch gereicht hatte.

Trotz der Gewandung konnte Zelos die hübsche weibliche Silhouette von Brida erahnen. Ob sie lange güldene Haare trug? Wie ihre Gestalt ohne umhüllenden Stoff wohl aussah? Der weite Umhang, der von einer Fibula aus Knochen zusammengehalten wurde, verdeckte die femininen Kurven. In einem Badezuber ihren nackten Leib zu sehen, die zarte, reine Haut… Und wie gut das Mädel nach Rosenwasser duftete! Zelos verfluchte den engen Keuschheitsgürtel, der zu schrumpfen schien.

Holpernd näherte sich das Trio dem Reich der Helena Meile für Meile. Anonymos alias Zelos hatte viel Zeit, um nachzudenken. Kaum haben bei Helena die Männer mehr Rechte, schon trotzt so ein Jüngling vor Selbstvertrauen, grübelte Zelos. Ob seine Verlobte trotzdem das Sagen hatte? Der Verstoßene leckte sich über die Lippen. Eines stand fest: So ein Weib würde er nicht aus seinem Nachtlager werfen! Aber zunächst gab es Wichtigeres zu planen. „Ist die Stadtmauer erst in Sicht, kann ich dem naiven Pärchen entwischen“, überlegte er. Doch dann kam Zelos ein noch finsterer Gedanke: Wenn er den Eselskarren mit den Teppichen und Tonwaren zu klingender Münze machen könnte, würde er bald schon in der Lage sein, einen Schmied zu bezahlen!

Ihr Ziel, Helenas Stadtstaat, war allerdings noch einige Meilen entfernt. Noch war die Grenze nicht erreicht, geschweige denn die dicke Stadtmauer, die das ehemalige Machtzentrum der Megara wie ein schier unbezwingbares Bollwerk umrundete. Doch trotz der großen Schutzwälle litt die Monarchin des Gebietes in ihrem riesigen Palast mehr und mehr unter ihrer zwanghaften Angst vor Meuchelmord und Erkrankungen. Und in diesem Zuge löste die Regentin ihren Harem auf, um sich nicht mit „Liebeskrankheiten“ anzustecken.

Die Sklaven freute es; sie wurden sogar noch eingekleidet und mit einem Handgeld versehen, um dann ihrer Wege als freie Männer zu gehen. Nur von Aphron wollte sie sich nicht trennen. Sie genoss die Macht über den Leibeigenen zu sehr. Sie liebte es, wenn der Sklave sie um einen Aufschluss aus seinem Keuschheitsgürtel anflehte. Nein, auf dieses Vergnügen wollte sie nicht verzichten.

Doch damit hatte die Königin den sprichwörtlichen Bogen überspannt. Aphron gelang die Flucht aus dem Palast – eine abenteuerliche Odyssee vorbei an Wachtposten, Bediensteten und Gardisten. Er versteckte sich, er verkleidete sich, er nahm seinen Mut zusammen und spazierte wie selbstverständlich durch so manches Tor, und dann kletterte er zu guter Letzt über eine Mauer, die ihn in einen Außenbereich des Palastes führte. Von dort entkam er schließlich, indem er sich in einem leeren Weinfass versteckte, dass von einer Hökerin abgeholt wurde.

Beinahe hätte sich der Leibeigene in seiner geheimen Enge übergeben, denn die Gehilfen der Kauffrau rollten ihn über den Hof. Hart und polternd landete er endlich auf einem Ochsenkarren. Aber brachte der ihm endlich die Freiheit? Zumindest vorläufig. Wie würde er sich jedoch unbemerkt hinfort schleichen können? Und wohin? Nirgends im Stadtstaat wäre er sicher.

Würde ihm jemand Unterschlupf gewähren? Oder müsste er das Reich der Helena ganz verlassen? Aber wie und wohin? Tiefe Sorgenfalten bildeten sich auf Aphrons Stirn. Er hatte seine Flucht nicht gut durchdacht. Sollte er von seiner Herrin gefunden werden, so würde ihn ein schlimmes Schicksal erwarten. Als Lustsklave der Ceres hatte er bereits viel durchleiden müssen, Helena war genauso grausam gewesen. Jetzt wollte er endlich seine Freiheit!

Der Karren rumpelte durch die Gassen der Stadt und stoppte vor einem kleinen Lagerhaus, indem die Händlerin leere und volle Fässer mit rotem Rebsaft aufbewahrte.
Aphron hörte die dumpfen Stimmen der Männer, die sich bereits wunderten, warum das angeblich leere Fass schwerer war als gewöhnlich. Aber noch blieb Aphron unentdeckt. Da hörte er die Stimme der Händlerin. „Morgen früh ladet ihr die markierten Fässer da vorne auf. Wir haben eine Ladung nach Ledanien zu bringen. Ihr begleitet mich. Und keine Sorge vor Straßenräubern. Es gibt mittlerweile fast überall Patrouillen. Der Weg ist sicher.“

Aphron lauschte mit gespitzten Ohren. Eine Fahrt nach Ledanien? War das nicht das Königreich an der Westküste, wo Leda regierte? Wo es keine Leibeigenschaft gab? Wo er ein neues Leben beginnen könnte? Endlich hörte er, wie das schwere Tor von außen verriegelt ward. Aphron taten sämtliche Glieder weh. Er musste dringend aus diesem engen Fass. Mit aller Kraft drückte er von innen gegen den Deckel. Doch der ließ sich nicht entfernen. Kein Deut bewegte sich.

Nur mit einem Beitel würde er das Holz aufstemmen können. Langsam kroch Panik in Aphron hoch. Ersticken würde er dank eines kleinen Loches nicht, aber wie sollte er entkommen, wenn er in dem Fass gefangen war? Außerdem bekam er bereits erste Krämpfe von der unnatürlichen, zusammengepferchten Haltung. Wieder stemmte er sich mit aller Macht gegen den Deckel. Kurzatmig und angespannt versucht er es weitere zwei Male vergeblich.

Er steckte tief in der Bredouille. Die Angst wurde immer größer, wieder drückte er mit Gewalt gegen das eisenbeschlagene Holz und dieses Mal sprang der Deckel auf und flog scheppernd zu Boden. Aphron atmete tief ein, als habe er unter Wasser die Luft anhalten müssen. Blitzschnell kletterte er aus seinem selbst gewählten Gefängnis, als habe er Sorge, dass der Deckel sich von alleine wieder verschließen würde.

Aphron reckte und streckte sich. Tat das gut! Oh, wie war das schön! Es kam ihm in diesem Moment wohler vor, als eine Massage mit warmem Öl und heißen Steinen. Einige Augenblicke genoss er seine wiedergewonnene Freiheit. Anschließend sah er sich um. Die Lagerhalle war von außen mit einem dicken Balken verriegelt. Licht kam nur durch Schlitze in den Holzlatten hinein, die so dick waren, dass er selbst mit Gewalt nicht aus dem Gebäude entkommen konnte.

Aber wo sollte er auch hin? Er nahm sich vor, ein paar Stunden ausgestreckt zu nutzen. Und bei Sonnenaufgang würde er sich in einem Fass verstecken, dass nach Ledanien gebracht werden sollte. Aphron sah die Fässer, die mit Kreide mit „Ledanien“ gekennzeichnet waren. Er rollte „sein“ leeres Fass zu ihnen. Obwohl… Was war, wenn die Fässer durchgezählt waren? Außerdem brachte ein leeres Fass – auch mit einem Mann darin – nicht das Gewicht eines vollen Weinfasses auf die Waage.

Aphron musste sich etwas einfallen lassen, um die Händlerin und die Gehilfen zu überlisten. Seine Reise durfte hier kein böses Ende finden. Er streckte sich auf dem Boden aus und faltete seine Hände unter dem Kopf, um sie als Kissen zu nutzen. „Denk nach“, forderte er sich selbst in Gedanken auf, „dein Leben hängt davon ab!“ Noch blieb ihm die Zeit dazu.

Der Seher Caduceus kam dem östlichen Reich der Metropole gefährlich nahe. Er hatte zwar bewusst eine nördliche Route eingeschlagen, doch zu weit nach Norden durfte es ihn auch nicht führen, denn dort würde er vom Regen in die Traufe kommen, falls ihn Sklavenjägerinnen der Cassandra erwischten. Dank seiner hellseherischen Fähigkeiten erkannte der alte Mann frühzeitig Gefahren und konnte diesen ausweichen: wilden Raubtieren, Walddämonen, Marodeuren, Milizen.

Doch eine Garantie waren seine Visionen nicht. Daher war er stets auf der Hut, suchte den Horizont ab und lauschte dem Wind, schaute nach Hufspuren oder Anzeichen für eine verlassene Lagerstatt. Caduceus wäre zweifellos auf bewaffnete Truppen der Cassandra gestoßen, die üblicherweise diese Gegend durchstreiften, jedoch hatte die gefürchtete Tyrannin alle ihre Streitkräfte aus Befehlshaberinnen und kraftvollen Kampfsklaven zusammengezogen, um sich für ihre geplanten Kriegszüge zu stärken.

Nach weiteren Tagen der Vorsicht konnte er etwas befreiter Richtung Westen reiten. Bisher war er nur ein einziges Mal einer kleinen Rotte Strauchdiebe begegnet. Und Caduceus hatte all seine Kraft gebündelt, um dem Mob ein Trugbild vorzugaukeln, er habe ein Dutzend schwer bewaffneter Soldaten bei sich. Nachdem das Gesindel kleinlaut weiter geritten war und sich vermutlich fragte, warum es nicht festgenommen worden war, fiel der Seher förmlich in sich zusammen und rutschte vor Erschöpfung aus dem Sattel. Die Vision hatte ihm alle Kraft geraubt, und die Erleichterung über seine Rettung ließ ihn ebenso einbrechen.

Am nächsten Tage, als die Sonne bereits hoch am azurblauen Himmel stand, begegnete er erneut einer Person. Ein einsamer Wanderer lief mit wunden Füßen und… Ja, was trug der Mann da? Caduceus wischte sich durch die Augen. Aber es war kein Hirngespinst. Der Bettler war nackt bis auf einen Keuschheitsgürtel. Er musste ein Sklave sein. Womöglich ein Entlaufener? Caduceus ritt heran.

Der Unbekannte bemerkte ihn und flüchtete von der Straße, um sich zwischen einigen Sträuchern hinzukauern, sich an die bange Hoffnung klammernd, nicht entdeckt worden zu sein. Der Seher hielt in der Nähe seinen Rappen an und rief: „Heda! Fremder! Habt keine Furcht! Ich will Euch nichts antun! Wer seid ihr? Sprecht!“ Nur langsam erschien ein sorgenvoller Kopf mit wirrem Haar und schmutzigem, aber jungem Gesicht. „Ich heiße Catulus und bin aus der Metropole verdammt worden. Und wie ist Euer Name, Herr?“

Caduceus fühlte, dass der Bursche die Wahrheit sprach und berichtete von seiner Reise und dem Vorhaben gen Westen einen magischen Kristall zu finden. Auch von seiner Vision erzählte er, erwähnte das fremde Westvolk und ihre gefährliche Armada mit den Donnerrohren sowie den Leviathan, der die Invasion verhindern würde. „Eine schöne Räubergeschichte habt Ihr da gedichtet. Aber das spielt keine Rolle. Wenn Ihr mich mitnehmt auf Eurem wunderschönen Rappen, dann werde ich Euch bei der Jagd helfen, Alter“, sagte der Ausgestoßene nun schon selbstsicherer als noch vor wenigen Augenblicken. Caduceus schmunzelte und betrachtete den fast Nackten auf eine seltsame Art. „Hier!“ Der Seher reichte ihm einen breiten Streifen Stoff, den er aus einer Satteltasche holte. „Nehmt dies und wickelt es Euch um die Lenden. Und dann steigt auf.“

Catulus nahm die Gabe dankend entgegen und folgte den Anweisungen des greisen Mannes. Er konnte sein Glück kaum fassen. Er würde mit dem Alten nach Westen reiten und irgendwo als freier Mann eine Arbeit aufnehmen. Er würde den Lohn sparen und schließlich einen Schmied bezahlen können, der ihn aus dem Keuschheitsgürtel befreite. Auch, wenn der Greis ein wenig wunderlich war mit seinen Märchen über Visionen und geheimnisvolle Völker, so schickten ihn die Alten Götter. Catulus schickte als Dank ein stilles Stoßgebet gen Himmelszelt.

Während die beiden Reiter sich ihren Weg Richtung Helenas Stadtstaat machten, rumpelte am nächsten Tag ein Ochsenkarren aus dem Westtor der Stadt, um mehr als ein Dutzend Weinfässer nach Ledanien zu liefern. Aphron hatte eine Marmorplatte in den Boden des Fasses, in dem er steckte, gelegt und mit Stoff umwickelt. Nun hatte er noch weniger Platz als zuvor. Ob er die ganze Reise in seinem engen Gefängnis ertrug? Seine Hoffnungen schwanden Meile für Meile, die er darin aushielt.

Sollte er einfach hinausspringen und im Dickicht verschwinden? So einfach würde das auch nicht werden, denn ihm war ein Bein fast bis zur Hüfte eingeschlafen und vermutlich hatte er sich den Rücken verrenkt. Als der Weinkarren einige Stunden unterwegs war, kam ihm ein Eselswagen entgegen. Ein junges Paar und ein Mitfahrer, der sich von der Händlerin und ihren Gehilfen abwandte, als wolle er nicht erkannt werden.

„Komischer Kauz“, murmelte die Frau und nickte dem Paar auf dem Kutschbock zu. Plötzlich rief der junge Mann an den Zügeln: „Haltet! Ich sehe, Ihr vertreibt Wein? Oder was steckt in den Fässern Gutes?“ Die Kauffrau bejahte. „Den besten Rebsaft, den es weit und breit gibt. Ich liefere ihn direkt an den königlichen Hof der Leda.“ Niclas schnupperte wie ein Jagdhund. „Er duftet bis hierher. Darf ich davon kosten? Vielleicht kaufe ich Euch einige Schoppen ab.“ „Warum nicht?“, meinte die Kauffrau und wies einen Gehilfen an, ein Fass zu öffnen.

Aphron hielt den Atem an, als es an seinem engen Versteck ruckelte und wackelte. Warum hatte er sich auch im Lager so positionieren müssen, dass er als letztes Fass aufgeladen würde!? Aber sich darüber Gedanken zu machen, war nun sowieso zu spät. Der Gehilfe stemmte den Deckel mit einem flachen Metallstab auf und glotzte verdutzt den verkrümmten blinden Passagier an. Aphron wollte hinausspringen und flüchten, doch die beiden kräftigen Gehilfen überwältigten den Liebessklaven und drehten ihm grob die Arme auf den Rücken. „Was haben wir denn da?“, fragte die Händlerin. „Wer bist du?“ Aphron war so voller Angst und von seiner Entdeckung verblüfft, dass er die Wahrheit vor sich hin brabbelte.

Der Mann, der auf der Ladefläche des Eselskarren saß, mischte sich ein. „Er trägt einen Keuschheitsgürtel! Er ist ein entflohener Sklave!“ Die Händlerin brummte. „In Helenas Reich gibt es keine Leibeigenschaft mehr. Seit es mit Ledanien einen Pakt geschlossen hat, muss niemand ein solches Schloss tragen. Lehnsherrschaft ist zwar üblich, aber die Mannbilder arbeiten gegen Lohn und freiwillig. Lüge also nicht, Junge!“, drohte sie Aphron mit jäh verhärteten Stimme.

Trotzdem beteuerte der Flüchtige wehklagend, die Wahrheit gesprochen zu haben. „Königin Helena verfügte bis vor kurzem über ein geheimes Harem. Sie ließ alle frei – bis auf mich. Da bin ich davongelaufen.“ Der Mann auf dem Eselskarren schmunzelte und stellte süffisant fest: „Da erhaltet Ihr eine gute Finderprämie! Auf den Sklaven wird die Königin sicherlich ein hohes Kopfgeld ausgeben, wenn Ihr ihn ihr zurückbringt.“

Aphron zitterte wie Espenlaub. Ein Stein fiel ihm vom Herzen, als er die Händlerin widersprechen hörte. „Nein! Ich bin als Bewohnerin der Metropole zwar durchaus für Sklavenhaltung, und ein flüchtiger Leibeigener muss hart bestraft werden, aber in diesem Fall denke ich, dass die Königin Helena sich ruhig an ihre eigene Politik halten sollte. Wenn sie die Sklavenhaltung abschafft, dann darf sie selbst auch keine Lustjünglinge in Keuschheitsgürtel stecken. Wasser predigen und Wein saufen – das liebe ich!“ Entschlossen setzte sie bestimmt hinzu: „Und derohalben werde ich Aphron nicht seiner Herrin ausliefern, sondern ihn mit nach Ledanien nehmen.“ Erleichtert fiel Aphron der Frau vor die Füße. „Danke, edle Dame! Habt unendlichen Dank!“

Kurz darauf fuhren die Karren ihrer Wege. Niclas mit seiner verschleierten Schönheit samt dem ominösen Mitreisenden namens Anonymos setzten ihren Weg in den Stadtstaat fort; der Ochsenkarren mit den nun um eines weniger gewordenen Weinfässern rollte langsam Richtung Ledanien weiter. Aphron lief neben den Tieren und führte einen Zügel – ganz zum Vergnügen der Händlerin, die vom Kutschbock aus die knackigen Hinterbacken des Jünglings betrachten konnte und gedankenverloren dabei ihren Bernstein rieb, den sie als Anhänger um den Hals trug.

Als Niclas mit seiner Braut und dem Fremden den Stadtstaat erreichte, wurde „Anonymos“ unruhig. Zelos wusste, dass sein Bluff von den Münzen bald auffliegen würde. Sollte er hinter dem Stadttor einfach davonlaufen? Niclas riss ihn aus seinen Überlegungen. „Höre, Anonymos! Bevor wir zu deinem Kameraden fahren, um die Münzen zu holen, so erlaubt mir, zunächst meiner lieben Schwester einen Besuch abzustatten.“ Zelos nickte. „Freilich sei Euch das gewährt. Ihr habt schon zu viel für mich getan.“

212. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 12.06.22 12:46


Als der Karren gemächlich durch das gewaltige Stadttor ruckelte, senkte Zelos seinen Blick. In ihm entfachte sich die Sorge, dass ihn irgendwer vielleicht doch erkannte. Schließlich war er Oberster in Ledanien gewesen. Aber die Wachleute interessierten sich nicht sonderlich für den Wagen und winkten Niclas vorbei.

Binnen kurzem schon erschienen prunkvolle Stadthäuser mit kunstvollen Fassaden und ausladenden Balkonen, die den gepflasterten Weg einrahmten. Zelos erblickte auch bald den großen Marktplatz, an dessen Ende der gewaltige Palast angrenzte, den vor vielen Jahren König Talos erbauen ließ, und der später von der Despotin Megara in dekadenter Art und Weise immer weiter vergrößert worden war wie ein aufgeblasenes Moloch.

Dort lebte also nun Helena, wusste Zelos und war von dem Protzbau imponiert. Mit zahlreichen Bediensteten und unvorstellbarem Luxus residierte sie dort in einer eigenen Welt. Außerhalb der Mauern pulsierte das Leben in der Stadt. In den Straßen und Gassen schlenderten nicht nur die Damen der feinen Gesellschaft umher, sondern auch viele Mannsbilder zogen emsig kleine Karren, trugen Holzstangen über die Schultern mit einem Bottich auf jeder Seite oder transportierten auf einem Rückengestell einen großen Strohballen, Säcke mit Mais oder Hafer sowie kleine Fässer mit unbekanntem Inhalt.

Zelos sah aber auch Recken in Uniform. Dabei handelte es sich nicht um Kampfsklaven, wie er feststellte. Helena schien offenbar Wort zu halten. Die Unterdrückung der Männer war abgeschafft. Zumindest befand sich Helenas Reich in einer Phase der Umgestaltung. Helena und ihre loyalsten Senatorinnen verfügten über mehr Macht als ihre politischen Gegnerinnen. Daher hielten die meisten Verfechterinnen der Sklavenhaltung still - manche jedoch nur, weil sie ahnten, dass sie von dem Bündnis mit Ledanien abhängig waren, vor allem dann, wenn es tatsächlich einmal zu einer Invasion der vereinigten Ostreiche käme.

Königin Helena hätte mit der Entwicklung zufrieden sein und sich feiern lassen können; aber ihre überzogene Angst vor Gefahren für Leib und Seele führte dazu, dass sie sich nur selten, und wenn überhaupt, dann nur verschleiert zeigte. Sie trug über ihrem güldenen Gewande mehrere Zauberamulette aus Blauquarz, Granat und Turmalin, die sie vor bösen Geistern und geheimnisvollen Krankheiten schützen sollten. Jede Nacht betete sie in einem Runenkreis zu den Alten Göttern für Gesundheit und Schutz vor Dämonen. Sie kniete sich in ihrem fast durchsichtigen weißen Nachtkleid aus Seide in dem großen Pentagramm aus Runen hin, entzündete fünf Kerzen und murmelte dabei magische Ritualformeln, die ihr eine Geistbannerin am Hofe gelehrt hatte.

Helena war so blind durch ihre Ängste und Schreckensvisionen, dass sie nicht bemerkte, was für fast alle ihrer Entourage offensichtlich war: Die Geistbannerin war eine Scharlatanin, die lediglich Gold für ihre dubiosen Dienste kassieren wollte. Die Majordoma der Herrscherin konnte nur mit dem Kopf schütteln. Leider war die Hoheit jeglichem Rate gegenüber immun.

Vor wenigen Tagen hatte sie Helena sogar aus den Katakomben unter dem Palast retten müssen, weil sich die Regentin in dem Labyrinth, der in ein schier unendliches Höhlensystem überging, beinahe verlaufen hatte. Auf die Frage, was sie denn dort unten gewollt habe, hatte Helena nur wie unter einer fremden Macht stehend geflüstert: „Hier bin ich sicher…“ Die Majordoma hatte seufzend geantwortet: „Sehr wohl, Majestät. Aber geht bitte nur in Begleitung hinunter.“

Die Bedienstete erinnerte sich an die Tage, als Fama, die Siegreiche, vor den Toren der Stadt stand und Megara schließlich in den Höhlen verschwand. Wilde Geschichten über entflohene Sklaven waren im Umlauf, die die Tyrannin damals geschändet hätten. Die Majordoma erschauderte und schüttelte die grausige Vorstellung ab.

Während Helena sich hinter ihren dicken Mauern verbarrikadierte und einen großen Karfunkel rieb, weil dies Glück bringen sollte, rollte der Eselskarren von Niclas und seiner Verlobten Brida über das Pflaster des Marktes. Am Rande des großen Platzes erreichten sie ein kleines Gebäude. Niclas zeigte auf die mit Stuck hübsch gestaltete Pilasterfassade: „Hier wohnt meine geliebte Schwester. Warte einen Augenblick, bis ich mit Brida zurückkehre.“ Zelos nickte lächelnd. „Gemach, gemach. Lasst Euch Zeit. Ich passe auf den Esel auf.“ Er klopfte beruhigend den Hals des Grautiers, das die Schmeichelei mit einem Schütteln beantwortete, als wolle es störendes Ungeziefer loswerden.

Niclas und Brida stiegen vom Kutschbock. Niclas klopfte an eine mit Tiersymbolen verzierten Holztür. Dann wollte er gerade den bronzenen Ring greifen, der am Türblatt angebracht war, damit sich Besuch lautstark ankündigen konnte, da öffnete bereits ein Bediensteter in Livree. Zelos wartete eine Weile ab und gab dann dem Esel leise das Kommando: „Hüh! Los!“ Er versetzte dem Vieh mit einer langen Gerte einen Schlag in die Flanke. Doch das Tier bewegte sich kein Deut vorwärts. Esel waren von Natur aus stur und machten gern das Gegenteil von dem, was sie sollten - zumindest bei Personen, die sie nicht mochten.

Zelos schimpfte vor sich hin. Dann werde ich wenigstens ein paar Waren mitgehen lassen, entschied er sich sinnend und griff beherzt auf die Ladefläche. Er packte einige kleine, aber besonders edel aussehende Tonwaren und stopfte sie vorsichtig in einen großen Ledersack. Mit seiner Beute, die ihm nur recht und billig schien, sprang er vom Gefährt und marschierte fröhlich pfeifend die Gasse entlang, bog um eine Ecke und sah noch einmal verstohlen hinter sich. Seine Abwesenheit war wohl noch nicht bemerkt worden.

Er hatte den ersten Schritt seines Planes in die Tat umgesetzt. Er war in der Stadt und konnte das Diebesgut feilbieten, um vom Erlös endlich eine Schmiede beauftragen zu können, seine eiserne Hose zu öffnen. Als Zelos bereits an Dutzenden Menschen vorbeigeschritten war, stand ihm just Angstschweiß auf der Stirn. Was war, wenn sein Konterfei erkannt ward? Wenn Leda eine Bulletin mit Briefraben geschickt hatte, um von seiner Verbannung zu künden? Dann durfte er sich nicht sehen lassen.

Allerdings wäre er längst erkannt worden. Zelos atmete erleichtert aus. Seine Furcht war unbegründet. Offenbar konnte er sich frei bewegen. Nur dem dummen Jüngling mit seiner Verlobten durfte er nicht mehr über den Weg laufen. Aber die Stadt war riesig. Das würde nicht geschehen, beruhigte er sein klopfendes Herz.

Jetzt wollte er zunächst mal die Tonwaren verscherbeln. Dann würde er dank der erworbenen Münzen aus dem Keuschheitsgürtel steigen. Und schließlich sehnte er sich nach Labsal und Huren, die ihn wieder als Recken fühlen ließen. Und eines Tages, so schwor er sich, würde er die Vettel Leda und alle anderen zur Rechenschaft ziehen. Welch Schimpf und Schande hatte er ertragen müssen! Wie einen Straßenköter hatten sie ihn aus Ledanien gejagt! Welche Schmach! Er ward rot vor Scham und Wut zugleich, und ihn mangelte nicht an Hass auf dieses Weib.

Zelos lief um eine bunte Menschenansammlung herum, die im Kreis um zwei Faustkämpfer mit freien Oberkörpern und mächtigen Muskeln standen und diese lautstark anfeuerten. Der eine Mann trug breite Ledermanschetten an den Unterarmen und ein Stirnband mit Nieten; sein Kontrahent war von ebenso beeindruckender Statur, und seine vielen Narben zeugten von Erfahrungen als Krieger. An seiner speckigen Lederhose prangte vorne eine breite Gürtelschnalle aus Eisen, die die Fratze eines Unholdes darstellte.

Eine Frau in schlichtem Kleid sammelte mit einem Filzhut Münzen ein. Mit einem begreifenden Nicken bemerkte Zelos, wie ein zweites junges Weib, dem Gesicht nach die Schwester, von hinten geschickt den gaffenden Zuschauern weitere Münzen aus der Gewandung stahl. Madame Langfinger ging dabei mit einer winzigen Klinge, die sie in ihrer Hand verbarg, so geschickt vor, dass sie in einem Fall sogar einem Mannsbild das Beinkleid am Hosenboden abtrennte, um an ihre Beute zu gelangen – und das Opfer bemerkte nichts davon, dass er mit blankem Arsch da stand.

Kurz zuvor hatte die schlitzohrige Spießgesellin dem Recken noch schöne Augen gemacht und ihm ihre butterweichen Brüste entgegengestreckt. Ihr mädchenhaft unschuldiges und dann abrupt so zügelloses Lächeln hatte sich in dem Moment, als der Mann sich wegdrehte, zu einem Zähneblecken verwandelt. Zelos schmunzelte. Weibliche Reize hatte er selbst zwar nicht, aber mit so einer kleinen Klinge würde er ebenfalls gern geschickt umgehen können. Dann hätte er das Geld für eine Schmiede schneller zusammengespart.

Er lief ein Stück weiter und fand, was er gesucht hatte: Grimmig trat er unter eine schmutzige Markise, die den Eingang zu einem kleinen Laden beschattete. Hier würde er als erstes versuchen, seine Waren zu klingender Münze zu machen. Es roch nach Weihrauch. Zelos rümpfte die Nase. Eine Frau in Beinkleidern und Seidenwams starrte ihn an. „Was ist dein Begehr, Kerl?“ Zelos räusperte sich und schluckte seinen Ärger hinunter. Dieses unverschämte Weib duzte ihn!

Dann fiel ihm ein, dass in Helenas Reich bis vor nicht allzu langer Zeit männliche Sklavenhaltung an der Tagesordnung war. Viele Frauen fühlten sich standesmäßig klar den Mannsbildern übergeordnet. Zelos spielte mit. „Ich heiße Anonymos und bringe Euch feinste Tonwaren für einen sehr niedrigen Preis. Ihr seht mir aus wie eine Dame von Kenntnis und wisst um den Wert dieser kunstvollen und seltenen Gefäße.“ Die süßliche Lobhudelei setzte sich noch eine Weile fort.

Zelos holte die gestohlene Ware aus dem Ledersack und reihte sie auf der Ladentheke auf. Jetzt konnte er nur noch hoffen, dass er nicht an eine Halsabschneiderin geraten war. Der abschätzige Blick des Weibes ließ nichts Gutes erahnen. Sie zog die Stirn kraus und blickte auf die kleinen Amphoren, als würden Maden daraus hervorkrabbeln. Sie nannte einen lächerlich geringen Preis, und Zelos tat erschrocken und beleidigt ob der schlechten Bewertung seiner Güter.

Während Zelos verhandelte näherten sich zwei Männer auf einem schwarzen Zossen von Osten der Stadt. Noch ein Tagesritt, dann würden sie das Herrschaftsgebiet der Helena erreichen. Bei Sonnenuntergang machten sie die letzte Rast und schlugen um ein kleines Feuer ihr Nachtlager auf. Caduceus fragte seinen Begleiter, ob er ihn weiter begleiten oder in dem Stadtstaat allein sein Glück versuchen wolle. Catulus meinte nachdenklich: „Ich werde hier vielleicht Arbeit finden. Eines Tages habe ich genug gespart, um aus dem Keuschheitsgürtel zu entkommen.“

Caduceus ahnte, wie lange es dauern würde. Auch, wenn sich der Jüngling zu harter Tätigkeit verdingte, musste er viele Monde lang schuften, bis er einen Schmied bezahlen konnte. In der Nacht saß Caduceus noch lange am Feuer, während Catulus bereits tief und fest schlummerte. In ihm reifte eine Idee. Er wollte dem jungen Mann helfen. Er sollte sein arges Leid nicht länger ertragen müssen.

Als die Sonne aufgegangen war überreichte der Seher dem Jüngling ein kleines Filzsäckchen. „Nimm das als Abschiedsgeschenk von mir.“ Catulus sah verwundert drein. Was das wohl war? Der Inhalt fühlte sich schwer an. Er öffnete den Beutel und ließ einen kleinen Klumpen in seine Hand fallen. Sein Mund stand vor Verblüffung weit offen, als er ahnte, was er da blickte. Abwechselnd gaffte er zu seinem Wohltäter und auf das Präsent. War das gar ein Goldnugget?

Der Seher erläuterte seine milde Gabe. „Du bist jung und voller Energie. Du solltest dir ein Weib nehmen und sie lieben. Stattdessen hat dich eine duttenwelke Vettel in einen Keuschheitsgürtel gesteckt. Gib das Nugget einem Schmied. Er wird dich dafür mit Freuden von deiner Bürde befreien.“ Catulus fiel dem alten Mann um den Hals. Ihm standen Tränen der Freude in den Augen. „Wie kann ich Euch danken?“ Caduceus hob eine Augenbraue. „Es gibt etwas, das ich mir ausbedinge. Das ich daran knüpfe. Du sollst eine gute Tat tun, bevor du den Stein einlöst.“ Catulus nickte eifrig. „Nichts leichter als das. Das werde ich tun. Habt Dank!“ Und so ritten die zwei Männer in die Stadt und verabschiedeten sich dort herzlich voneinander.

Nachdem der Seher sich in einem heimeligen Badehaus gewaschen und neuen Proviant gekauft hatte sowie seinen Rappen versorgt wusste, verließ er Helenas Reich bereits wieder auf direktem Weg nach Westen, der untergehenden Sonne entgegen. Denn die Höhle, in der der geheimnisvolle Kristall lag, befand sich in dem noch viele Meilen entfernten Ledanien. Der weite Weg würde beschwerlich werden, doch er musste ihn auf sich nehmen. Die Schicksalsgötter hatten sich dazu entschieden.

Unterwegs kamen Caduceus neue Visionen vor die Augen. Er erblickte die düstere Zukunft, falls er den Leviathan nicht von seinen Ketten befreite. Das Westvolk würde über den Alten Kontinent kommen wie eine böse Plage. Sie würden die Menschen versklaven, sie würden das Land verheeren und niederbrennen, und die Unterwelt würde mit ihren finsteren Dämonen an die Oberfläche gelangen. Schwarze Asche füllte die Luft und giftige Dämpfe stiegen aus der Erde empor, um auch das letzte Leben zu töten. Ob letztlich die Mächte der Unterwelt oder das Westvolk die Oberhand behalten würden, schien einerlei.

Caduceus konzentrierte sich auf eine andere, eine bessere Zukunft. Er sah sich in einer Höhle den Kristall vernichten. Er sah, wie der Meeresdrache vom Grund auftauchte und wütend brüllte. Er sah, wie die große Armada des Westvolks von ihm ausgemerzt wurde, wie die Schiffe versanken, wie die Krieger in den brodelnden Fluten ertranken. Trümmer der Flotte würden an die Ufer angespült wie Strandgut und die einzige Erinnerung an die Invasoren sein. Und nie wieder würde das Westvolk einen Versuch unternehmen, den Alten Kontinent zu annektieren.

Catulus war frohbeschwingt bereits auf dem nächsten Weg zur Schmiede gewesen, da fiel ihm sein Versprechen ein, zuvor eine gute Tat zu tun. Er lief durch die Gassen der Stadt und überlegte, was das sein könne. Er sah die vielen hübschen Ladys in ihren prächtigen, bauschigen Kleidern, aber auch junge Damen in praktischer Gewandung, die fast der eines Recken glich, stiefelten durch die Straßen und über die Plätze. Catulus kam sich in seinem Seidenschal ziemlich nackt vor und genierte sich. Niemand sollte hier wissen, dass er ein geflohener Lustsklave war und einen Keuschheitsgürtel trug.

Bald schon würde er so manches weibliche Herz im Sturm erobern und Feuer darin entfachen. Allerdings würde das nicht in einem Seidenschal als Lendenschurz gehen. Da bernötigte er eindrucksvolleren Putz. Als er an einem Marktstand mit Stoffen und Gewandungen vorbeikam überkam ihn die Versuchung, einen Waffenrock in Schachbrettmuster oder ein dunkelrotes Wams und eine baumwollene moosgrüne Kniebundhose zu stibitzen. Er wollte nicht das Risiko eingehen, dass er später nicht mehr genug Vermögen besaß, um die Schmiede zu bezahlen.

Dann fielen ihm die Worte des Greises ein: eine gute Tat… Dazu zählte ein Diebstahl gewisslich nicht! Catulus seufzte. Neben einer großen Auswahl an wunderschönen Gewändern für Damen und Magdkleidern bot die Händlerin auch für Mannsbilder so manch edle Ausstattung. Mit glänzenden Augen starrte er auf die prachtvollen Westen, die Rüschenhemden, die mit Nieten besetzte Lederrüstung, eine dunkle Tunika mit goldener Bordüre, einen mit Lilienmustern bestickten Umhang mit schwerer Brosche aus Silber, Kettenhemden, Stiefel, Schnabel-, Holz- und Schnallenschuhe, Sandalen, Filzhosen, Gugel und vieles mehr. Eine Augenweide! Kleider machten Leute. Fürwahr!

Catulus tat so, als probiere er eine lenzduftige Gewandung an: Er schlüpfte in wollene Beinkleider mit einem breiten Ledergürtel und großer versilberter Schnalle, in weiche lederne Stulpenstiefel, zog ein Leinenhemd mit Schnürung an der Brust und eine Weste über, die ein ledernes Rückenteil besaß und vorne eine edle Stickerei aus Kreuzstichen aufwies. Stolz präsentierte er sich in einem verkratzten Spiegel. Die Händlerin kam herbei und meinte in lobpreisender Weise: „Wundervoll schaut Ihr aus, mein Herr! Die Kleidung steht Euch vorzüglich. Wie für Euch angefertigt! Und sie ist jede Münze wert, die sie kostet und noch mehr.“

Dann kniff sie plötzlich misstrauisch die Augen zusammen: „Euer Beutel ist doch nicht etwa leer, oder täusche ich mich?“ Catulus holte sein Säckchen hervor und zeigte der Frau den Goldklumpen. Plötzlich pries die Händlerin noch weitere Gewandungen an, die angeblich viel edler, viel passender für „so einen hohen Herrn wie Euch“ seien, und Catulus fragte ganz gezielt nach einer Art Mantel, die er nicht an dem Stand sah. Die Handelstreibende war in Verlegenheit und kaute einen Augenblick ratlos auf ihrer Lippe umher. „Nun, selbstverständlich könnte meine Näherin Euch alle Eure Wünsche erfüllen. Was haltet Ihr davon? Ich zeige Euch den edelsten Stoff, den Euer Auge jemals gesehen hat.“

Catulus nickte. Die Händlerin ging zu einer Kiste am Ende des Standes und kramte tief darin herum. Diesen Augenblick nutzte der entflohene Leibeigene und setzte sich blitzschnell ab. Als die Händlerin bemerkte, dass der Kunde mitsamt den Gewandungen das Hasenpanier ergriffen hatte, schrie sie lauthals mit überkippender Stimme: „Haltet den Dieb! Dieser Hundsfott! Er hat mich bestohlen!“

Doch es war zu spät. Ein Tumult entstand um ihren Stand herum, aber das buntverworrene Durcheinander von Menschen, die alle nach einem Schurken Ausschau hielten, hatte der fluggeschwinde Catulus längst hinter sich gelassen. Außer Atem bog er um eine Ecke, kletterte über eine Ziegelmauer, machte bei der Landung einen Purzelbaum in einem Blumenbeet und hockte sich hin. Was war er doch für ein Fuchs!


213. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 19.06.22 14:33


Während sich eine Schar unterdrückte oder bestochene Kleinstaaten um Cassandra sammelten und eine bedrohlich mächtige Streitmacht bildeten, verstärkte Vesta in der Metropole die Wehranlagen an den Grenzen und schickte Trupps in die „Freien Ländereien“, um über genügend Vorwarnzeit zu verfügen, sollte der Feind es wagen, die Metropole anzugreifen.

Besonders die Stadt selbst erhielt eine dickere und höhere Mauer mit Zinnen, Wachtürmen und Schießscharten, mit Verteidigungskatapulten und übergroßen Armbrustmaschinen, die Bolzen in die verfeindeten Reihen jagen konnten, die dick wie ein Bein waren und problemlos sogar einen Troll gefällt hätten. Das Eingangstor war geschützt durch einen Graben mit Eisenstacheln sowie einem massiven Fallgitter und dem davor liegenden ellendicken Holztor, mit gewaltigen Eisenplatten verkleidet.

Vom politischen Geschäft lenkte die junge Königin Vesta sich und die feinen Damen des Hofes mit regelmäßigen Spielen in der Arena ab, in denen die Gesellschaft dem Müßiggang anheim fiel und ihr Amüsement in den Leiden der Arenenkämpfer fanden. Der Troll war dabei stets der Höhepunkt des Spektakels. Die Soldatinnen hatten ihn mit Hilfe von Stachelbändern, Lanzen und langen Bullenpeitschen dressiert, so dass der Gigant in der Manege wie ein abgerichtetes Äffchen allerlei lustige Kunststückchen vorführte.

Vesta hatte den Troll rasieren und zwei dicke Eisenringe durch seine Brustwarzen stechen lassen, die mit einer Kette verbunden waren, die als Zügel diente. Auch einen fetten Nasenring trug der Troll zur bequemeren Handhabung. Eine Art von Mutprobe für Freiwillige war, mit der Hand das schwere Eisengewicht zwischen den Beinen des Riesen zu berühren, während der Troll mit seinem Nasenring an einen gewaltigen Bodenring eingehakt war. Dabei lenkten zwei Mutige das wütende „Vieh“ von vorne, voller Tatendrang sprühend, ab. Der Troll wischte mit seinen kräftigen Armen nach den Personen, die außer der tödlichen Reichweite um seine Aufmerksamkeit buhlten. Währenddessen kniete er mit dem Kopf am Boden. Von hinten war er also für einen dritten Mutigen erreichbar. Doch wehe, der Troll schob dabei seine mächtigen Oberschenkel zusammen oder trat aus!

Der Nervenkitzel war für die Damenwelt auf den Rängen eine Heidenposse. Man fächelte sich eilig Luft zu, jauchzte vor Belustigung, prustete unfein oder jubilierte kichernd oder schreiend, raunte und applaudierte. Jede der Ladys träumte davon, so eine Bestie ihr Eigen zu nennen. Diese Kreatur besaß so starke Männlichkeit - und dabei dachten die frivolen Damen nicht nur an die Muskelberge des Ungeheuers. Das Gemächt des Ungetüms schürte ihre anzügliche und fiebrige Fantasie auf kühne Art und Weise an.

Trotz all der Vergnügungen musste Vesta regelmäßig Krisensitzungen mit ihren Duxas halten; denn die Gefahr aus dem Nordosten wuchs von Tag zu Tag. Cassandra war mittlerweile Potentatin über ein majestätisches Reich, das vom wüstenartigen Süden bis zum eisigen Nordland reichte, das so kalt war wie das Herz dieses Weibes. Und die Metropole sollte ebenfalls befriedet werden. Neben den vielen Untertanen der angegliederten Staaten kamen noch ungezählte Ströme von frischen Sklaven dazu, die im Eilverfahren zu Kämpfern ausgebildet wurden.

Jedoch ahnte Vesta nicht, dass ihr noch eine ganz andere Gefahr drohte: Ihre herzallerliebste Schwester Aurora hatte damit begonnen vorsichtig ein Netz aus Intrigen und Bestechung zu spinnen. Sie wollte die Mehrheit der Duxas auf ihre Seite ziehen und mit einem Militärputsch an die Macht kommen. Schließlich stand ihr die Krone zu, war sie sich sicher und schmiedete daher dunkle Ränke. Eine Duxa erwies sich kurze Zeit später dabei pikanterweise als doppelte Verräterin. Sie kassierte von Aurora einen Schweigelohn und gab sie dann doch ihrer Schwester preis.

Des Mittags drangen vier bewaffnete Gardistinnen in Auroras Gemach, in dem sie sich gerade mit zwei Lustsklaven auf unsägliche Weise verlustierte. Grob nahmen sie die Schwester der Königin fest und brachten die zeternde und Drohungen ausstoßende Gefangene in den Kerker unter dem Palast. Als Aurora von einer Wachfrau erfuhr, wessen sie beschuldigt wurde, war dies keine große Überraschung. Wer sonst, als Vesta in persona, würde es wagen, sie festnehmen zu lassen!? Und das konnte ja nur eines bedeuten: Hochverrat!

„Ich will mit meiner Schwester sprechen! Sofort!“, schnarrte sie hinter den rostigen, dicken Eisengittern und umklammerte das kalte Metall mit ihren feinen Fingern. Sie erwartete, dass ihre strengen Worte die Stille zerrissen wie eine Klinge ein Pergament, und dass damit jedes Widerwort der Wache im Keim erstickt war. Ihr wohnte immer noch die Prinzessin inne, deren Wort Gesetz war. Doch es kam anders. Hämisch spie die Uniformierte vor ihr auf den Boden. „Du hast nun gar nichts mehr zu befehlen.“ Sie griff nach der Wandfackel und stiefelte aus dem Gewölberaum, knallte die schwere mit Eisen beschlagene Holztür des Vorraumes zu und ließ die konsternierte Aurora in stockdunkler Nacht zurück.

Durch einen Riss im Gemäuer hörte sie von Ferne Trommelwirbel wie zur Ankündigung einer Bestrafung. Vorsichtig tapste Aurora in der Finsternis umher. Ihre Hände hielt sie mit ausgestreckten Armen vor sich, wobei ihr schon davor graute, was ihre Finger wohl als erstes fühlen würden. In ihrer Zelle gab es keine Möbel sondern nur altes Stroh als Nachtlager. Die Prinzessin tastete an der rauen Wand entlang und bemerkte einige rostige Eisenringe, die in das grobe Mauerwerk eingelassen waren, einige sich klamm anfühlende Ketten und einen Rinnsal Flüssigkeit, das hinablief und auf dem Boden eine kleine Pfütze bildete. Sie lauschte, wie es in einer anderen Ecke tropfte. Dann erreichte sie wieder die Front ihres Gefängnisses, die aus einer rostigen Gitterwand bestand. Sie sackte an den Stäben zu Boden und schluchzte. Wie hatte Vesta ihren Plan nur aufgedeckt?

Es mussten Stunden vergangen sein, da schreckte Aurora aus einem unruhigen Schlaf auf. Sie hockte immer noch an dem Gitter. Ihr verwöhnter Hintern tat ihr vom harten Boden weh. Auch der Rücken schmerzte, der gegen die Eisenstäbe gelehnt war. Der Rost hatte ihr Kleid befleckt. Aurora horchte angestrengt in die Stille. Da war doch ein Laut gewesen. „Holla? Ist da wer?“, rief sie und lauschte auf eine Antwort. Aber sie vernahm nur unheimliche Stille. Hatte ihr Geist im Licht der Hoffnung auf Errettung den vernommenen Laut geschaffen? War sie einer Illusion erlegen? Wurde sie langsam verrückt?

Dann war es wieder da: ein Scheppern. War hinter der Tür in einem anderen Raum ein Leidensgenosse eingesperrt? Doch seufzend musste Aurora erkennen, dass die Geräusche von Würfeln stammten: Wachfrauen schlugen beim Glücksspiel mit einem Lederbecher auf den umgedrehten Boden eines Bottichs. Mal waren Jubel, mal verärgerte Ausrufe zu vernehmen. Aurora seufzte tief und ballte ihre kleinen Fäuste, dass ihre Nägel in das Fleisch schnitten. Ihr ging eine Frage nicht mehr aus dem Kopf: Wann würde ihre Schwester endlich auftauchen?

Zelos hatte bei weitem noch nicht genug Münzen zusammen, um eine Schmiede bezahlen zu können, doch war ein Anfang gemacht. Nun musste er sich eine Tätigkeit suchen, bei der er etwas verdienen konnte. Nachdem er einige Absagen bei einem Händler, einem Färber und einem Kesselflicker erhalten hatte, fand der ehemalige Oberste von Ledanien einen Zimmermann, der einen Gehilfen benötigte. Doch die Arbeit brachte ihm nicht den erwünschten Lohn. So brachte er nie die benötigte Summe zusammen.

Wenige Tage später stellte er sich als früherer Kämpfer bei einer Schwerterschule vor. Die Frau in Lederhose und Fransenwams beäugte Zelos von oben bis unten. „Ihr wollt meine Soldaten etwas lehren können?“ Ihre Stimme triefte von Unglauben. Sie hob spöttisch die Augenbrauen. Doch Zelos erhielt seine Chance und überzeugte die Leiterin der Ausbildungsstätte durch eine kleine Probe im Duell gegen einen der besten Schüler. Sie nickte zufrieden und küsste ihren Anhänger, den sie um den Hals trug und in der Form eines Trollzahnes gestaltet war – oder sollte es etwa ein echtes Exemplar sein? Zelos erfuhr es nicht. Aber wichtiger war: Von nun an brachte er Jünglingen, die in Helenas Heer aufgenommen werden wollten, den Schwertkampf nahe. So sparte Zelos, hier als Anonymos bekannt, Münze für Münze.

Als er an einem späten Nachmittag in seine einfache Unterkunft lief, kam er an einer Gauklerin vorbei, die auf einem kleinen Tischchen vor sich drei gleichgroße Wallnusshälften liegen hatte. Eine kleine Menschentraube hatte sich vor ihr gebildet und war gefesselt von dem Geschehen. Auch Zelos trat dazu und beobachtete interessiert, wie das Weib mit flinken Fingern die Nussschalen hin- und herbewegte. Schließlich hob sie eine an und zeigte eine Perle, die darunter lag. Jetzt stülpte sie die Schale wieder darüber, verschob die Nüsse erneut und fragte dann ihr Publikum, unter welcher Nuss sich die Perle wohl befinde.

Zelos verfolgte das Raten eine Weile. Fast immer fanden die Personen die richtige Nuss. Wer wählte, bezahlte vorher einen kleinen Einsatz. Wenn er schließlich auf die Schale zeigte, unter der sich die Perle befand, bekam er den doppelten Einsatz zurück. So ging es eine Weile hin. Zelos fragte sich schon, wie sich die Gauklerin es sich leisten konnte, so viele Münzen zu verlieren. Und dann siegte die Neugier, und er spielte mit. Das Weib war zwar schnell, doch Zelos geschulte Augen waren es auch. So verdiente er mehrmals hintereinander das Doppelte seines Einsatzes.

Die Gauklerin seufzte. „Alles oder nichts, sonst bin ich bald arm und meine Arme werden langsam müde.“ Zelos schlug ein und schob ihr seinen gesamten Beutel mit Münzen hinüber. All sein Erspartes. Doch würde er nun die Perle finden, hätte er genug Silber zusammen, um eine Schmiede aufsuchen zu können. Wieder verfolgte er die Schale mit der Perle ganz genau wie mit Adleraugen. Am Schluss war er sich absolut sicher. Er zeigte auf die rechte Nuss. Die Gauklerin hob die Schale an und Zelos Unterkiefer fiel hinab: Sie war leer.

Das Weib hob die beiden anderen Nusshälften, und die Perle fand sich unter einer der zwei. Zufrieden grinsend sammelte sie alles Münzen ein und räumte zusammen. „Ich muss weiterziehen. Gehabt Euch wohl, Fremder. Womöglich ist Euch das Glück ein anderes Mal hold.“ Entsetzt sah er der jungen Frau nach, die gar nicht flink genug verschwinden konnte. „Betrug!“, rief er ihr aufgebracht hinterher. „Du bist eine Schwindlerin!“ Er wollte ihr schon nachlaufen, doch da war er plötzlich von kräftigen Männern umringt. Zelos blieb nur der Rückzug. Mit hängendem Kopf marschierte er in seine Unterkunft. Er hatte alles verloren. Seine Spielneugierde hatte ihm bittere Ernte eingefahren. Die Alten Götter mussten ihn hassen!

Catulus lief zu einer kleinen Schmiede in einer engen Gasse, holte einen kleinen Büdel hervor und reichte der Handwerksmeisterin das Goldnugget. „Erlöst mich von meinem Keuschheitsgürtel, und er gehört Euch.“ Die Frau beäugte den Klumpen und biss mit überraschend weißen und gerade Zähnen hinein. Zufrieden nickte sie und pfiff laut nach ihren Helfern. Zwei stämmige Männer mit nacktem Oberkörper und Stiernacken erschienen. Sie zeigte auf den Besucher. „Befreit den Recken aus seinem Keuschheitsgürtel.“

Die glatzköpfigen Kerle machten sich ans Werk. Zunächst klemmten sie vorsichtig die Schelle zwischen eine Quetsche. Catulus verspannte sich am gesamten Leib vor Angst, die schweren Werkzeuge würden ausrutschen und ihn entmannen. Aber das Duo machte sich mit langen Zangen und Haken geschickt und beinahe routiniert, also hätten sie schon Dutzende Mannsbilder befreit, über die Vorrichtung her. Behuf sollte die Befreiung des Mannes sein, doch es kam anders. Der Keuschheitsgürtel leistete erbitterten Widerstand. Plötzlich hörten die Männer hinter sich die Schmiedemeisterin rufen. „Was ist das? Schwarze Magie! Dieser Schurke will uns begaunern! Lasst ab von ihm!“ Sie eilte wutentbrannt herbei.

Die Helfer traten erschrocken zu Seite. So hatten sie ihre Meisterin noch nie erlebt. Catulus starrte das Weib fragend an. „Was gehabt Ihr Euch denn so toll?“ Doch dann sah er die Bescherung: Das Nugget war zu einem wertlosen Kieselstein geworden. „Aber…“ Er wollte seinen Augen nicht glauben. Die Schmiedin kniff ihre Augen zu schmalen Schlitzen zusammen und geiferte Speichel sprühend. „Ich weiß nicht, wie du Schuft das gemacht hast, aber du sollst einen gehörigen Denkzettel erhalten, der dir solche Untaten austreibt!“

Catulus ruckte und zerrte an der Quetsche, aber ohne den langen Hebel, den ein Helfer in der Faust trug, konnte sich der Jüngling nicht daraus befreien. Sein Gemächt saß fest zwischen den massiven Eisenbacken. „Lasst mich frei!“, forderte er und zerrte weiter. Aber die Schmiedin dachte nicht daran. Sie näherte sich von hinten mit einem glühenden Eisen. „Mal sehen, ob wir das Höschen nicht doch noch abbekommen. Auf ganz besondere Weise. Wenn es heiß genug ist, lässt es sich ganz einfach biegen.“

Catulus flehte: „Bitte, werte Schmiedin! Bitte tut das nicht! Ich wollte Euch nicht betrügen! Mein Wort als Ehrenmann!“ Die Meisterin gackerte, als habe er einen köstlichen Scherz gerissen. Dann hielt sie das orange aufleuchtende Ende ihres Stabes zwischen Catulus Beinen hindurch gegen seine Keuschheitsschelle. „Nicht bewegen, du Spitzbube!“, riet sie ihm. Catulus atmete schnell, flach, riss die Augen auf, drehte den Kopf umher. Seine Hilfe suchenden Blicke zu den Gesellen brachte ihm nur Hohn und Spott ein. Die Nähe zu dem glühenden Eisen war schon heiß genug, aber wenn…

Plötzlich schrie der ehemalige Sklave schrill aus vollem Halse auf. Die Schmiedin war abgerutscht und hatte seine Pobacke berührt. Es zischte und knisterte in der Luft. Schnell drückte sie ihm einen kühlen Hudel auf die malträtierte Stelle. „Gnade!“, jammerte Catulus. „Es tut mir Leid! Ich wollte Euch nicht…“ Die Meisterin fiel ihm ins Wort. „Ruhe! Lasst ihn frei! Er hat seine Lektion erhalten. Und wie ich sehe, war ich nicht die Erste, die seinen süßen Hintern mit dem Eisen verziert hat.“ Sie strich mit ihrem Finger fast liebevoll über die Brandzeichen auf seinen Backen. Wieder zeterte Catulus los, weil er im ersten Augenblick dachte, dass er erneut den heißen Stecken berührte. Hastig zog er sich die Hosen hoch und flüchtete aus der Schmiede, als seien alle Dämonen der Unterwelt hinter ihm her. Das Gelächter der Männer und des Weibes begleitete ihn bis in die Gasse, wo er immer weiter lief, bis ihm das Herz bis zum Hals klopfte.

Am nächsten Tag lernte Zelos einen jungen Mann kennen, den die Schwertlehrerin als Gehilfe eingestellt hatte. Der Jüngling namens Catulus sollte die Schneiden schärfen und die Waffen sauber halten. „Achte darauf, dass er gewissenhaft arbeitet“, sagte das Weib an Anonymos gerichtet. Zelos nickte. Er betrachtete den Gehilfen skeptisch. „Du bist sehr gut gekleidet für einen Handlanger. Wo kommst du her, Bursche?“ Catulus erzählte, dass er früher ein wohlhabender Mann gewesen sei, doch sein Vermögen verloren habe, als er aus einem fernen Reich hatte fliehen müssen.

Zelos fragte, ob er schon eine Bleibe habe, was Catulus verneinte. Zelos schlug vor: „Dann wohne bei mir. Dafür bekomme ich einen Teil deines Lohnes.“ Catulus willigte notgedrungen ein und murmelte: „Aber Kost und Logis! Ich brauche meinen Verdienst. Ich muss dringend einige Silbermünzen zusammensparen.“ Wofür er das Geld benötigte, verriet er nicht. Der ehemalige Oberste war einverstanden mit dem Handel und besiegelte ihn mit einem kräftigen Handschlag.

Einige Tage später erwischte Zelos seinen Untermieter im Geburtskostüm als dieser sich gerade unvorsichtigerweise aus einem Waschzuber erhob, als Zelos in die Kammer kam. „Sieh an! Er trägt einen Keuschheitsgürtel“, wunderte sich der Zeuge laut. Catulus stotterte mit hochrotem Kopf: „Das… äh… hat einen Grund… Ich trage ihn aus Treue zu meiner Geliebten…“ Zelos lachte humorlos auf- „Unfug! Du bist fürwahr ein entlaufender Leibeigener aus dem Osten. Seid der Wahrheit getreu!“ Catulus seufzte resignierend. Sein Gegenüber würde ihn doch wohl nicht etwa verraten? Aber an wen? Hier in Helenas Reich war er sicher.

Und zu seiner großen Überraschung hob Zelos – hier als Anonymos bekannt – sein fadenscheiniges Leinengewand und löste seinen Lendenschurz. Catulus war sprachlos. Anonymos trug ebenfalls einen Keuschheitsgürtel. „Aber… Wieso… du?“ Zelos winkte ab. „Ich könnte dir nun auch so eine Räubergeschichte erdichten, aber lassen wir es einfach. Ich bin kein Minnesänger oder Troubadour mit Weisen auf den Lippen. Wir haben beide dasselbe Problem und brauchen Silber, um eine Schmiede zu bezahlen. Also lass uns fleißig sein und für unseren Aufschluss schuften.“ Die Männer gaben sich die Hand darauf und versprachen, nichts vom Geheimnis des anderen auszuplaudern.



214. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 06.07.22 19:00


Anonymos und Catulus plagten sich von morgens bis abends in der Soldatenschule. Catulus schliff und polierte Klingen, schleppte Waffen, sortierte sie, versorgte kleine Blessuren der Schüler und garantierte für das Wohlergeben der Leiterin – wie genau, das wollte er Anonymos nicht erzählen.

Anonymos nahm die jungen Kämpen unter die Fittiche und bildete sie mit Schwert, Lanze, Schild und Morgenstern aus, zeigte ihnen die Kunst des waffenlosen Nahkampfes und lehrte sie einige weiterer Fähigkeiten, die ihnen auf dem Feld der Ehre vor dem Tode bewahren sollten, während der Übungsstunden jedoch zu blauen Flecken führten.

So wuchs, während die Tage vergingen, der Inhalt ihrer Geldbeutel langsam aber stetig.
Und als sie etwa die Hälfte des Schmiedelohns zusammengespart hatten, war Anonymos an einem Morgen verschwunden. Catulus hörte in der Söldnerschule, dass sein Kamerad nicht mehr dort arbeitete. Mit einer furchtbaren Ahnung lief er zurück zu ihrer Kammer und stellte fest, dass auch die wenigen Besitztümer von Anonymos nicht mehr da waren. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals.

Catulus wühlte in dem Schrank, wo er seine Ersparnisse hinter einer alten Wolldecke versteckt hatte. Schweiß bildete sich auf seiner Stirn und perlte über sein Gesicht. Der Beutel war weg. „Dieser miese Verräter!“ Zornig zerrte er an seinem Keuschheitsgürtel. „Wann komme ich endlich aus diesem Kerker meiner Männlichkeit? Wann? Ihr Alten Götter! Warum? Was habe ich verbrochen, dass Ihr mich so grausam und unerbittlich straft!?“

Frustriert und resignierend sackte er zusammen. Das Sparen würde wohl wieder von vorne beginnen müssen. „Falls mir dieser Drecksack irgendwo in dieser Stadt über den Weg läuft, drehe ich ihm seinen Hals um wie einem Huhn!“, knirschte der abstinente Catulus. Der entflohene Liebessklave aus der Metropole war verzweifelt. Er verdammte vor lauter Frust seine Männlichkeit. Was hatte es doch ein Haremswächter aus früheren Jahren gut, dem solche schmerzhaften und unbarmherzigen Gelüste fremd waren! Anonymos hatte ihn in eine noch tiefere Unterwelt gestoßen. Dieser miese Verräter!

So vergingen die schweißtreibenden Tage für den entflohenen Sklaven, während Zelos als freier Recke im wahrsten Sinne des Wortes jedem weiblichen Rock hinterher jagte. Mit dem vollen Geldbeutel hatte er sich die Freiheit aus seinem Keuschheitsgürtel und ein edles Gewand erworben. Bald schon war er unter seinem hiesigen Namen Anonymos als Schürzenjäger verschrien, aber es gab immer wieder Mägde und sogar Damen von Stand, die seinem Charme und seiner Männlichkeit verfielen. Zelos genoss sein neues Leben in vollen Zügen.

Lediglich musste er aufpassen, dass ihn sein früherer Mitbewohner nicht aufspürte. Und die Sorge vor Entlarvung machte ihm mehr und mehr Sorge. Doch das Blatt wendete sich, als er eine schicksalhafte Begegnung mit einer Magd namens Insidia, einer unglaublichen Schönheit, die allen Mannsbildern den Kopf verdrehte, hatte. Natürlich verfiel auch Anonymos dem jungen wollüstigen Weibe, doch auch sie verliebte sich in den kräftigen und gestandenen Mann, der mit seinem Eisenschwert so geschickt war wie mit seinem Liebesschwert.

Bald schon waren die beiden ein Paar. Und in Anonymos reifte ein hinterhältiger Plan, wie er Catulus ein für alle mal loswerden könne. Insidia erschien eines Tages bei Catulus, der noch in der Kriegsschule arbeitete und bezirzte ihn nach allen Künsten der Verführung. Und trotz der Gewissheit seiner Gefangenschaft in einem Keuschheitsgürtel war er wehrlos gegen die fleischlichen Verlockungen dieses sirenenhafte Prachtweibes. Doch kaum lagen sie gemeinsam in wilden Küssen im Stroh – Insidia hatte leidenschaftlich ihr Kleid aufgerissen, um die gierigen Finger des Jünglings zu spüren – schrie sie plötzlich um Hilfe. Catulus wusste gar nicht, wie ihm geschah, da standen schon mehrere Krieger um ihn und zerrten ihn grob von der Schönheit weg.

Trotz der Beteuerungen des Burschen, ward er von Wachleuten unter der Leitung einer Centuria abgeführt und in das Stadtgefängnis gebracht. In Helenas Reich entwickelte sich zwar in diesen Tagen eine Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern, doch war diese Entfaltung zunächst ein zartes Pflänzchen. Mannsbilder, die sich etwas zu schulden kommen ließen, mussten noch mit harten Strafen rechnen. Und die Richterinnen glaubten eher einem Weib als einem Manne.

Catulus fand sich in einer Sammelzelle mit Bettlern, Strauchdieben und anderen Strolchen wieder, darunter auch Schläger, Räuber und angeblich sogar Mörder. Hoffentlich würde sich seine Unschuld bald herausstellen, betete er zuversichtlich zu den Alten Göttern und grämte sich seines Schicksals. Doch die Mühlen der Justiz mahlten langsam. Wer wusste, ob es jemals zu einer Anklage kommen würde? Vielleicht sollte er Zeit seines Lebens im Kerker mit diesem lichtscheuen Gesindel verbringen?

Genug Zeit hatte er, darüber nachzugrübeln, warum die Schönheit ihn hereingelegt hatte. Solche Fallen wurden hin und wieder zwar reichen Mannsbildern gestellt, um sie auszurauben – aber er hatte doch nichts! Während Catulus sich keinen Rat wusste, erzählte Insidia ihrem Anonymos aufgeregt von der gelungenen Tat. Die beiden fühlten, wie die Hitze in ihnen aufstieg, und sie gaben sich den fleischlichen Gelüsten hin, die nun umso süßer schmeckte. Zelos suhlte sich in der Vorstellung, dass Catulus aus dem Weg geräumt war. Im Keuschheitsgürtel und Gefangener der Stadtwache – dort würde er vegetieren müssen!

Insidia versprach ihm, „dass ich mich darum kümmern werde, dass der Bursche uns nicht mehr die Wege kreuzt. Ich habe Freunde unter den Wächterinnen. Catulus wird bald, ohne vor eine Richterin gebracht worden zu sein, in den Kerker unter Helenas Palast geliefert werden und dort forthin verschwunden sein.“ Anonymos küsste seine Komplizin leidenschaftlich. „Oh, Insidia. Du bist so teuflisch klüglich wie schön!“ Nun gab es kein Halten mehr für die beiden Liebenden. Anonymos raffte ungeduldig ihren Rock hoch und stieß sein pochendes Schwert erneut in ihre Vulva, die heiß und nass voller Gier das harte Fleisch empfing.

Schon am nächsten Tag hatte Anonymos eine Idee, wie er künftig mit Insidia Münzen verdienen wolle. Die beiden gingen zu einer Schmiede und erwarben Dutzende Keuschheitsgürtel. In den Tavernen und Schenken der Stadt ging Insidia in den Folgenächten auf die Suche nach Opfern. Die Schönheit brauchte nicht viel Überzeugungskraft zu leisten, um so manchen Kämpen um den Finger zu wickeln. Die Kerle wurden von ihr angezogen wie die Motten vom Licht einer Laterne.

Die meist angetrunkenen Mannsbilder waren zu fast allem bereit, um die anmutige Aphrodite zufrieden zu stellen. Daher ließen sich die meisten Recken darauf ein, sich als „Liebesbeweis“ für einen Tag von dem Lockvogel in einen Keuschheitsgürtel stecken zu lassen. Am nächsten Morgen sollten sie dann ihre „göttliche Belohnung“ für ihren Mut erhalten.

Doch statt der ersehnten wilden Lust mit dem Prachtweib erschien ein angeblicher Bote der Dame, der den Schlüssel der eisernen Hose zum Kauf feilbot. Da der Preis immerhin noch etwas niedriger war als eine Schmiedin zu beauftragen – ganz zu schweigen von der Scham, diese aufsuchen zu müssen – ließen sich fast alle Geneppten darauf ein, nachdem sie endlich begriffen, das sie keine Wahl hatten und auf ein gemeines Biest von Weib hereingefallen waren. Anonymos und Insidia scheffelten so Beutelweise Silbermünzen und erwarben bald ein hübsches und komfortables Heim mit Dienstboten.

Fast war Catulus vergessen, bis Insidia Wochen später auf ihn zurückkam: „Was glaubst du, was aus diesem Sklaven geworden ist?“ Anonymos zuckte mit den Schultern: „Lass es uns herausfinden und ihn besuchen. Kannst du arrangieren, dass wir mit ihm alleine sind?“ Insidia nickte langsam und sah ihrem Geliebten tief in die Augen: „Welcher Schalk treibt dich nur hier wieder an?“

Sie sollte es bald erfahren: Anonymos und Insidia hatten eine ganze Stunde mit Catulus ohne Zeugen, dafür hatten sie mit ein paar Münzen und hübschen Augen bei der Wache gesorgt. Als Catulus seine Besucher erkannte, sprang er an das rostige Gitter und brüllte: „Ihr? Du verlogenes Biest! Und Du! Du Dieb! Du hast mir… Ihr gehört zusammen?“ Anonymos lachte dreckig. „Und wie du siehst, bin ich nun derjenige mit dem Brokatstoff. du dagegen trägst nur noch schmutzige Fetzen am Leib. Ach ja, und einen Keuschheitsgürtel immer noch.“

Insidia hauchte dem Entrüsteten entgegen: „Da dachten wir, wenn du schon Zeit deines kümmerlichen Lebens kein Weib mehr sehen wirst, sollst du zumindest noch ein einziges Mal eines betrachten dürfen.“ Sie räkelte sich vor ihm und öffnete lasziv die Schnüre ihres Kleides und nestelte an ihrem Mieder. Sie kam näher und zeigte ihm ihre blanken Brüste, die sich ihm entgegen reckten.

In Catulus tobte ein Widerstreit. Er wollte dieses Biest wegstoßen, doch genauso drängend war das Gelüste und Begehren, diese wundervollen Brüste zu berühren. Er streckte sehnsüchtig seine Hände nach ihr aus, doch blieb Insidia stets knapp aus seiner Reichweite und kicherte. Anonymos griff ihr unter den Rock und knetete obszön ihre Pobacken. „Und das sollst du auch wenigstens mit deinen hungrigen Augen verfolgen dürfen…“ Catulus war steif vor Entsetzen. In seinem Keuschheitsgürtel wurde es eng wie nie. Die beiden wagten es, vor ihm…

Er konnte sich nicht bewegen, nicht sprechen, nicht einmal die Augen vor dem verschließen, was sich da an Verlangen und Verlockungen abspielte. Die gleitenden Finger, die sündige Lust, die heiße Leidenschaft, Gekicher… ungezähmtes Stöhnen, wilde Bewegungen außer Rand und Band… ein Mahlstrom der Passion… Dann entlud sich die Hitze vor ihm. Seiner Zunge entfleuchte ein tiefer Seufzer. Catulus sah schmachtend und tief gedemütigt, wie das Paar in ihrem außergewöhnlichen Liebesnest ihre Freude teilte und sich an seinem grausamen Schicksal ergötzte.

Als die zwei feixend den Gewölbekeller verließen, in dem sich das Verlies des armen Sklaven befand, brannte es bitter in Catulus Augen. Tränen des Zornes, der Frustration und der Verzweiflung waren ihm die schmutzigen Wangen hinab geflossen. Dem späteren Gelächter und hämischen Bemerkungen der Wächterinnen zufolge, wussten auch diese Bescheid über seine grausame Vorführung. Die Frotzeleien ließen ihn zugleich frösteln und in Hitze versengen. Seine Folterknechte waren gegangen, aber die Qual war geblieben.

In der Dunkelheit plagten Catulus böse Nachtmahre: Umkreist von behelmten Wächterinnen, die ihm ihre nackten Brüste keck entgegenstreckten, die ihn auslachten und ihren Beinkleidern beraubten Wachmännern, die ihn mit ihrer eigenen Lust bespritzten… Schreiend und mit den Armen abwehrend wedelnd erwachte der Gefangene.
Er war allein in seiner Zelle. Allein mit seinem Keuschheitsgürtel als ewiger und einziger Begleiter. In den Mauern des Vergessens, wie der Kerkerkomplex der Helena auch genannt wurde. Denn das war er: ein Schauplatz der Verlorenen und ihrer Pein.

Weit entfernt näherte sich ein Reisender einem anderen Land. Nun rastete er auf einer kleinen Anhöhe neben einer Föhre. Der Seher Caduceus war bis an die Grenze zu Ledanien vorgerückt. Seine Visionen hatten ihn vor einer Begegnung mit einem Troll oder Räuberbanden verschont. Tief atmete er den Dampf einer geheimen Kräutermischung ein, die über einem kleinen Lagerfeuer siedete. Er musste den genauen Ort des magischen Kristalls kennen, um die Höhle zu finden. Und in dieser Nacht war es soweit.

Er brach auf, um schließlich den Grenzwall von Ledanien zu durchreiten. Die Wachen fragten ihn, wer er sei, wo er herkam und wo er hinwolle. Caduceus erzählte, dass er Reisender sei, der aus dem fernen Osten komme und an die Westküste möchte, um dort in einem Fischerdorf einen Neffen zu besuchen. Der leitende Grenzwächter winkte ihn mit einer Fuchtel gegen einen kleinen Zoll an einigen Lanzenreitern vorbei. Der alte Greis war wohl weder Räubergeselle noch feindlicher Spion. Und ein mittelloser Vagabund war er auch nicht; sonst würde er nicht auf so einem edlen Rappen sitzen. Der Uniformierte kaute auf einer Betelnuss herum und sah dem fremden Reitersmann gleichgültig hinterher. Vom Wegegeld würde er wie üblich ein Scherflein in die eigene Tasche stecken.

Caduceus hatte sich ganz genau eingeprägt, wo die Höhle sich befinden sollte. Seine Visionen hatten sich in seinem Hirn eingeprägt wie Brandeisen in nacktes Fleisch. Zu wichtig war seine Mission. Langsam stieg die Ebene ein wenig an, der Boden ward steiniger und beschwerlicher. Der Seher spürte die Nähe zu dem Kristall. Sein Herz schlug kräftig hinter seinen Rippen. Felsen dominierten die Umgebung, einige hoch wie ein Wehrturm. Manche von ihnen ragten senkrecht in die Höhe, andere erinnerten an gewaltige Splitter, als hätten wütende Riesen vor Äonen hier Steinblöcke auf dem Boden zerschmettert.

Nach einer weiteren Stunde Ritt stieg er von seinem Rappen und führte das Tier eine Weile über schroffe Felsformationen voller Geröll und Findlinge, dann hatte er den Eingang zur Höhle erreicht. Er band den Vierbeiner an einem knorrigen Olivenbaum an und betrachtete den engen Schlitz, der den Eingang zu dem unterirdischen Bau bildete. Teilweise mit Efeu bedeckt, war er für Uneingeweihte kaum zu bemerken. Krähen schrien schwirren Flugs wie zur Warnung laut am Himmel.

Caduceus entzündete eine Pechfackel und schob sich mit ihr in den schwarzen Spalt. Die Luft im Innern war feucht, kühl und stickig. Plötzlich raste etwas auf ihn zu. Caduceus duckte sich und glaubte schon an die Attacke eines Höhlenkobolds, doch der Angreifer stellte sich als aufgeschreckte Fledermaus heraus. Beinahe war ihm dabei die Fackel aus der Hand gefallen. Erleichtert stand der Seher wieder auf, kopfschüttelnd über seine Schreckhaftigkeit.

Tapfer trat er tiefer in die Höhle vor. Mit seinem lodernden Licht wischte er von links nach rechts, um den Raum auszuleuchten und sich vor Gefahren zu schützen, die womöglich in jeder dunklen Ecke lauern konnten. Vielleicht hatten die antiken Magier das Versteck des Kristalls mit tödlichen Fallen vor unerwünschten Besuchern abgesichert. Getarnte Fallgruben mit spitzen Lanzen am Boden wären auf dem Felsenboden kaum auszumachen. Langsam stapfte Caduceus Schritt für Schritt tiefer in den Gang vor, immer vorsichtig und auf der Hut. Die Luft war hier wie der kalte Abendhauch. Sie umrang ihn und nahm ihn gefangen. Wohl war ihm nicht dabei. Irgendetwas schien ihm den Hals zuzuziehen wie eine unsichtbare Garotte. Er schluckte schwer und sog den Odem tief in seine Lungen, um sich zu vergewissern, dass das einschnürende Gefühl nur Einbildung war.

Stalaktiten und Stalagmiten versperrten ihm teilweise den Weg. „Für solche Abenteuer bin ich mittlerweile zu gebrechlich“, schnaufte der Greis und quetschte sich ratschend an den Tropfsteinen vorbei. Jedes Geräusch, das der Seher machte, schallte und echote laut an den feuchten Wänden der Höhle. Und als der Eindringling schon erschöpft eine Pause einlegen wollte, erblickte er einen grünen Schimmer. Der Kristall! Ein wunderschöner Anblick und zugleich angsteinflößend. Er lag auf einer Art Podest aus Felsgestein wie auf einem Thron.

Caduceus arbeitete sich weiter vor. Jetzt spürte er auch die Kraft des magischen Steins. Je näher er kam, desto intensiver schien der Kristall von innen heraus zu leuchten. Und schließlich stand Caduceus fast ehrfürchtig vor dem geheimnisvollen Brocken. Er lag auf einem Felsentisch und strahlte so hell, dass der Seher seine Fackel kaum benötigt hätte. Er hatte sein Ziel erreicht und war ganz in den Bann des Steins gezogen, bewunderte seine Schönheit und vergaß dabei beinahe, warum er hier war.

Dann kam er wieder zu sich und überlegte, wie er den magischen Bann von dem Kristall nehmen sollte? Wie würde dieses gewagte Unterfangen gelingen? Er musste zerstört werden, so viel war ihm in seinen Visionen klar geworden. Doch womit? Ob er sich einfach mit einem Fels zerschmettern ließ? Und was würde dann geschehen? Caduceus rieb sich nachdenklich das Kinn. Wenn sein Versuch misslang, würde er vielleicht von einem Kraftstoß des Kristalls vernichtet werden?

Mitnehmen konnte er den grünen Stein auch nicht. Als er ihn anheben wollte, merkte er, dass der Edelstein unverrückbar auf seiner kalten Unterlage feststeckte. Und je näher der Seher dem Kristall kam, desto heller schien dieser zu strahlen, fast als wolle er den Eindringling abwehren. Warum habe ich nicht an einen Streitkolben oder ähnliches gedacht!, schalt er sich. Er sah sich in der Höhle um und schwenkte die Fackel. Nirgends lag ein loser Fels. Aber irgendetwas in ihm warnte ihn auch davor, den Kristall einfach zu zerschmettern. Vielleicht wäre ich des Todes, fürchtete Caduceus. Er beugte sich näher über den grünen Brocken und griff erneut danach. Er legte seine rechte Hand über ihn, dann zusätzlich die linke. Der Seher schloss die Augen und konzentrierte sich auf seine magischen Kräfte.

Die bannenden Ketten mussten dem Leviathan genommen werden, doch dazu musste der Kristall erlöschen. Caduceus murmelte rituelle Formeln und begann zu zittern. Die magische Arbeit kostete ihn beinahe alle Lebenskraft. Der Schein des Steins wurde schwächer und schwächer… und bevor das Lebenslicht des Sehers erlosch, erstarb das magische Band. Caduceus brach erschöpft zusammen. Die Magie des Kristalls war erstickt.


215. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von M A G N U S am 11.07.22 22:24

Nachdem ich unlängst für meine Geschichte neuerliche Anerkennung erfahren habe, möchte ich nun meinerseits nicht säumen, ein weiteres Mal meine vorzüglichste Hochachtung dem Autor dieses Romans entgegenzubringen; neben der schier unendlichen Phantasie bewundere ich den literarischen Erzählstil auf höchstem Niveau, wie offenbar geradezu spielerisch-selbstverständlich die Finger des Schriftstellers über die Tastatur fliegen und dabei perfekt die alte Sprache mit ihren archaisch anmutenden Begrifflichkeiten aufleben lassen, einzig die Anwendung der neuen Rechtschreibung beraubt die Illusion, es handelte sich um ein Werk des 19. Jahrhunderts, somit haben wir Grund zur Annahme, daß sich hinter dem Pseudonym des Prallen Beutels ein äußerts talentierter berufsmäßiger Schriftsteller verberge.
Herzlich Dank für die Mühewaltung!
216. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 16.07.22 15:16

Danke für das nette Feedback!
217. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 16.07.22 15:17

Viele Meilen westwärts türmten sich auf dem großen Westozean die Wellen. Ein Sturm wütete und erzeugte weiße Schaumkronen, die durch die zornigen Böen durch die Luft fetzten. Der Himmel verdunkelte sich zu einem tiefen Grau, verdüsterte sich weiter und ward bald fast schwarz wie eine mondlose Nacht. Ein ohrenbetäubender Donner krachte, und ein gezackter Blitz erhellte justament grell die schwarzen Wogen. Die See brodelte und dann auf, wild und wilder; da tauchte ein Monstrum an die Oberfläche, das seit Jahrhunderten auf dem Meeresboden gefangen gewesen war. Der Leviathan war frei und brüllte so laut und durchdringend, dass das Wasser zu zittern schien. Endlich waren seine Ketten gelöst, die das Urvieh am Grund gefangen gehalten hatten! Jedes Schiff, das sein Reich zu durchqueren suchte, würde er gnadenlos in die Tiefe ziehen und zermalmen.

Ein ganzer Tag verging, bis Caduceus allgemach Kraft fand, aufzustehen und sich aus der Höhle zu schleppen. Das Himmelsblau war wunderschön und doch viel zu grell für seine entwöhnten Augen. Sein Rappe hatte sich von dem Ölbaum befreit und weidete nicht weit auf einer Wiese, durch die ein kleiner Bach floss, über dem sich Mückenschwärme sammelten. Der Greis wankte schwach und unsicher bis zu dem glucksenden Wasser und fiel wie leblos hinein, trank gierig das kühle und erfrischende Nass und sammelte langsam wieder Lebenskraft.

Später suchte er Beeren und andere Früchte und machte sich nach seiner einfachen Mahlzeit auf den Weg zu Leda. Was wird die Königin für Augen machen, wenn sie ihren alten Weggefährten wieder sieht, stellte sich Caduceus vor. Je näher er der Burg der Regentin kam, desto mehr Kraft durchströmte seinen Leib. Bald schon sah er die Fahnen des Staates auf den Türmen der Zitadelle wehen. „Leda“, sagte er zu sich selbst. „Wie habe ich mich nach diesem Wiedersehen verzehrt!“

Als er mit klappernden Hufen seines schwarzen Rosses auf die Zugbrücke ritt und vor dem Fallgitter den Wachen seine Ankunft ankündigte, eilte ein Uniformierter spornschlags zur Königin. Kurz darauf erschien Leda persönlich und eilte dem Greis, der vom Pferd gestiegen war, entgegen. „Caduceus! Das uns das Kismet wieder vereint! Wer hätte das gedacht? Die Alten Götter sind uns gnädig!“

Der Seher musste bei würziger Graupensuppe, knusprigem Wildbret, erlesenen Früchten, edlem Wein und heißem Mokka berichten, was er erlebt hatte. Auch Gladius und Nike gehörten neben Abas zu den Auserwählten der Runde und lauschten dem Alchimisten gespannt. Schaulustige versammelten sich um die Burg und auf den Gängen, um so geschwind wie möglich die Neuigkeiten zu erfahren, die sich wie Lauffeuer verbreiteten.

Unter die Wissensdurstigen gesellte sich auch ein neugieriger Wachmann, der erst seit kurzer Zeit im Dienste der Leda stand. Er war als mittelloser Flüchtling mit einer Weinhändlerin nach Ledanien gekommen und hatte sich der Streitmacht von Ledanien verdingt. Eisern sparte er nun seinen Lohn. Wofür, verriet er seinen Kameraden nicht. Zu sehr schämte sich Aphron für seinen Keuschheitsgürtel. Aber seine eingesperrte Männlichkeit hatte er für einige Stunden vergessen. Zu sehr fesselte ihn die Ankunft des geheimnisvollen Alten.

Später kümmerte sich Caduceus um den Königsgemahl. „Zelos, dieser Verräter!“, murmelte der Seher. „Vielleicht kann ich in meinen Visionen erkunden, was aus ihm geworden ist.“ Leda winkte ab. „Zelos ist für mich gestorben. Er ist verbannt und so soll es bleiben.“ Caduceus bereitete eine Kräuteressenz und kochte daraus einen Tee für den Genesenden. Dann bestrich der Heiler dessen Gesicht mit einer Salbe aus „Drachenblut“, einem Pulver aus Zinnober und Scharlachbeere. Der Greis hielt seine Hände über Abas Stirn und rezitierte Formeln.

Von diesem Tage an gesundete Abas deutlich zügiger. Und nicht nur das. Er spürte sogar, wie seine Manneskraft erwachte. Anfangs nur schwach und zart, dann allerdings umso prächtiger. Leda konnte es kaum glauben und erlebte seit langer Zeit wieder eine Liebesnacht mit ihrem Gatten, der die königlichen Äpfel sanft streichelte und dann mit einer Hand den Weg zu der aufgerichteten Knospe im Schoße der Majestät fand und sie umschmeichelte. Daraufhin schob sich sein Liebesschwert, stramm stehend wie ein Gardesoldat, in die Spalte, der er so lange ferngeblieben war, und tat sein labendes Werk. Leda jauchzte erquickt, während ihre Sinne tobten. Ein euphorischer Rausch durchströmte die beiden in höchstem gemeinsamem Glück. Ihre Leiber und Herzen verschmolzen miteinander in heißer Glut, und als die Lust gestillt war, schmiegten sie sich aneinander und schworen sich – Auge in Auge und Mund auf Mund - ewige Treue.

Als Abas eingeschlafen war, ließ Leda ihren Gefühlen freien Lauf und weinte still vor Glückseligkeit - aber auch aus schlechtem Gewissen, denn nach dem mutigen Duell von Gladius war in ihr erneut ein sündiges Verlangen nach dem Schultheiß erwacht. In ihren Träumen durchlebte sie hunderte Male die Leidenschaft im Exil, die sie mit Gladius in vergangenen Tagen erfahren hatte – als sei es gestern gewesen. Doch diese verdorbene Vereinigung sollte und durfte es nie wieder geben.

In der Liebesnacht des Königspaars stand Caduceus allein am Spitzbogen-Fenster seines Turmes, in dem er eine Kammer bewohnte und schaute in die tiefschwarze Nacht, die heute keine Sterne und nur einen schmalen Neumond zeigte, hinaus. Plötzlich landete ein Falke am Mauerwerk, schrie und flatterte. Der Seher schloss die Augen. Sofort erschienen ihm verschwommene Trugbilder: Der Leviathan war entfesselt. Keine Armada würde den Alten Kontinent erreichen. Würde das Westvolk eine zweite Invasion versuchen, so scheiterte sie gar fürchterlich. Der Drache würde sämtliche Schiffe in ihr nasses Grab ziehen und die armen Seelen verspeisen.

Der Hofalchimist brühte sich eine kleine Menge Schlafmohn, um seine Augen schwer werden zu lassen und begab sich auf sein Nachtlager. Dann blitzte ein Gedanke in ihm auf: Auch im Osten braute sich Gefahr zusammen. Ledanien musste wachsam bleiben. Caduceus würde beim nächsten Lichtmond die Alten Götter befragen, ob der Feind bereits auf dem Weg war, die Westküste zu verwüsten…

Nur drei Dutzend Tage später erschienen in ganz Ledanien Barden, die von Caduceus Reise sangen. Ein Mann in grünem Filz und mit Fasanenfeder an seinem Spitzhut spielte laut auf einer abgenutzten Drehleier und gab Verse über einen monströsen und Feuer speienden Leviathan zum Besten, den die Alten Götter als Protektoren des Kontinents vor bösen Dämonen geschaffen hatten.

Ein anderer Minnesänger mit einer Laute und in einen fleckigen Leinenwams gewandet, der schon bessere Tage gesehen hatte, verkündete den heldenhaften Kampf zwischen einem Magier und einem bösartigen Drachen, der aus der Unterwelt ausgerissen war. Das Untier sei durch Blitzschläge aus dem Stab des Hexenmeisters besiegt worden und müsse ihm nun dienen, der den geflügelten Lindwurm seit diesem Tage zum Schutze des Kontinents über den Westozean geschickt habe. Keine bösen Mächte oder fremden Völker sollten jemals den Kontinent bedrohen können.

Weit im Osten eroberte Cassandra bis auf die Metropole auch die letzten Kleinstaaten. Die Monarchen Erce und der dicke Marduk mussten sich als letzte Bastionen unterwerfen. So existierten nur noch vereinzelte kleine Stämme im Norden, Einsiedler und lose Gemeinschaften von „Freien“. Es brodelte in den Ostgebieten des Kontinents. Cassandra fieberte dem Kriegszug auf die Metropole entgegen. Die Zeit der Kleinstaaten war vorüber. Bald würde Cassandria den gesamten Osten des Kontinents einnehmen. Die Tyrannin wusste von der Allianz zwischen Ledanien und Helenas Stadtstaat, doch die „werde ich auch eines nicht mehr fernen Tages unter meinen Sohlen zerstampfen“, giftete sie siegesgewiss.

Noch wagte sie nicht den großen Vorstoß auf Vestas Reich, aber bereits jetzt traten kleine Truppen über die Grenze und überfielen Ansiedlungen. Gegenseitige Grenzstreitigkeiten waren an der Tagesordnung und sorgten für regelmäßige Scharmützel. Die ungeliebte Geduld war der bittere Zug, den sie im Kelch ihrer Herrschaftsvorstellungen ertragen musste. Und während Cassandra Tag für Tag ein größeres Heer aus Kampfsklaven um sich sammelte und Waffen schmiedete, verstärkte Vesta beständig die Wehrmauern der Metropole.

Der Nachschub an Sklaven vom Ostkontinent war ihr abgeschnitten worden. Die Angst vor Cassandra versuchte die junge Königin mit Wein herunterzuspülen. Sie feierte rauschende Feste und ließ Arenakämpfe veranstalten, um auch das Volk zu beruhigen. Der gefangene Troll wurde in der Manege immer wieder vorgeführt und erniedrigt. Der Koloss war gezähmt und dressiert, die Wachen hatten ihm Ringe durch Brustwarzen, Nase und Mannesstab getrieben. Gegenwehr hatte der Reise verlernt. Die feinen Damen der Gesellschaft begafften das gewaltige Gemächt, dass an einer Kette zu ihrem Pläsier präsentiert wurde.

Vesta träumte voller Inbrunst von einem zweiten Troll, damit sie einen Zweikampf hätte veranstalten können, doch die Giganten lebten auf dem Ostkontinent, der für sie unerreichbar war, solange cassandrianische Seestreitkräfte das Ostmeer unsicher machten. Riesige Galeeren mit Rammspornen und prall gefüllt mit Kampfsklaven durchschnitten die Wellen des heißen Meeres.

Vesta saß auf ihrer durch eine Sonnenplache beschatteten Prunkempore des Kolosseums auf ihrem mit edlen Bezügen bespannten Sessels und betrachtete die nackten Tänzer, die im Handstand und mit Fackeln in ihrem Allerwertesten Formen und Zeichen bildeten, Räder schlugen und zur Musik hüpften. Dabei klirrten die Schellen, die sie um Hand- und Fußgelenke trugen. Das erheiterte Publikum schrie und applaudierte frenetisch und übertönte die zappelnden Sklaven. Vesta dagegen sah gelangweilt zu und hob die Hände nur selten und geziert, um den Akteuren zu applaudieren.

Andere Mannsbilder zwängten sich eilig krabbelnd durch einen engen und niedrigen Gang aus Gitterstäben, der in das Kolosseum führte und ahmten dabei diverse animalische Laute nach: Schweine, Hähne, Hunde, Kühe, Ziegen und Äffchen. Außerhalb des Gitterganges trieben Soldatinnen ihre „Tiere“ mit Piken, Peitschen und Fackeln an, was zu weiteren lustigen Ausrufen der verängstigten Objekte führte. Im Zirkusrund angekommen blieben die Sklaventiere auf allen Vieren durch ein geradezu sadistisches Geschirr in ihre unnatürlichen Positionen gezwungen und wurden von den Aufseherinnen durch die Manege getrieben und vorgeführt.

Ein Exemplar musste sich durch eine besonders perfide Konstruktion eines Jochs im Passgang fortbewegen, war derohalben nicht so geschwind wie die anderen Kreaturen, und eine Frau stemmte ihm ihren Stiefel in die Seite, so dass er umkippte und sich von alleine nicht mehr aufrichten konnte. Die Hoffräuleins klatschten Beifall und zeigten belustigt auf das hilflos strampelnde Geschöpf. Sofort waren drei Uniformierte da, die dem Gefallenen mit Schlägen helfen wollten sich wieder aufzurichten und der Herde zu folgen, doch immer wieder kippte der Verzweifelte zur Seite.

Die heutigen Spiele waren unverkennbar ein voller Erfolg, aber all die Kurzweil und die stimmungsvollen Lichtbilder, das ungezügelte Gejammer der Geschundenen und der gute Wein in der erfrischenden Nacht raubten der jungen Monarchin die miesepetrige Laune nicht. Frühzeitig verließ sie das Spektakel und begab sich unter den Palast in den Kerker zu ihrer Schwester. Sie hatte einen Einfall, wie sich ihre Stimmung würzen ließ. Vesta verkündete Aurora in süffisantem Ton, dass sie in ihrer großen und unendlichen Güte beschlossen habe, „dich vor dem Tode durch das Richtbeil oder den Galgen zu bewahren“. Aurora sah ihre Schwester misstrauisch an. „Stattdessen wirst du den Rest deines kümmerlichen Lebens in einem Keuschheitsgürtel verbringen und im Kerker Zwangsarbeit leisten.“

Mit einem wölfischen Grinsen, der getaugt hätte, einen wahren Wolf in die Flucht zu schlagen, verließ die Schwindende den Kerker. Aurora ächzte nur, alle Hoffnungen waren ihr erloschen. Was würde sie erwarten? Sollte sie Steine schleppen? Dann würde sie wenigstens bald daran zerbrechen und endlich Erlösung finden, sinnierte sie voller Selbstmitleid und starrte gegen die Steinquaderwand vor ihr. Für die Eingekerkerte wurde es eine schier ewig gedehnte Nacht mit unablässigen düsteren Gedanken und einem endlosen Fluss der Trauer. Die Totenstille in ihrem lausigen Gefängnis machte sie wahnsinnig, denn sie schrie ihr im Schädel. Und die tanzenden Schatten der Fackel an der kahlen Wand, fütterten ihre Furcht.

Aurora sah in den sich wechselnden geisterhaften Formen einen Inkubus, der sich des Nachts auf ihre Brust setzen und mit ihr dämonische Bastarde zeugen würde. Aber dann fiel ihr der Keuschheitsgürtel an. Selbst ein Inkubus war hier machtlos, rümpfte sie ihr Näschen, und wusste nicht, ob sie froh oder enttäuscht sein sollte, über die Wahrheit, die ihr wie ein Schwall Eiswasser über den Rücken floss, nur, um im dreckigen Boden zu versickern und sie dann in Form neuer Visionen zu quälen.

Als sie eingeschlafen war, träumte sie von „Nachtgängern“, Dämonen mit langen Zähnen, die es auf den Lebenssaft ihrer Opfer abgesehen hatten. Jäh hatte eines dieser schaurigen Wesen das Antlitz ihrer Schwester, und Aurora schrie im Schlaf auf, als die spitzen Zähne sich in ihren zarten Hals gruben. Sie wand sich wild umher und brabbelte unverständliche, flehende Worte, doch niemand scherte sich darum. Später wechselten die Trugbilder in ihr: Vesta erlöste sie aus dem Kerker und übergab ihr sogar die Krone des Reiches. Doch als sich Aurora das Symbol der Macht aufsetzte, rutschte es ihr über den Kopf und schloss sich um ihren zierlichen Hals, garottierte sie, bis ihr Gesicht erst rot und dann blau anlief und ihre Zunge weit aus dem Mund hing. Schwulstig wurde ihr Antlitz, verzerrte sich bis zur Unkenntlichkeit. Haut löste sich, dann fiel faules Fleisch von den Knochen des Schädels...

Die Alpträume erwiesen sich freilich als düstere Hirngespinste. Vesta hatte sich etwas Originelles für ihre Schwester ausgedacht. Und das sollte etwas völlig anderes sein als ein schneller Tod. Am nächsten Tag erhielt das Schwesterherz zunächst ihre eiserne Hose, die sie nie wieder ablegen durfte, wenn es nach Vesta ginge. Dann brachte man ihr Stapel aus Decken, Teppichen und Kissen, die sie für die feinen Damen der Gesellschaft zu besticken hatte. Immerhin nicht irgendein beliebiges Motiv sollte es sein: Die Wärterinnen brachten nackte Jünglinge herbei, sorgten dafür, dass diese ihre Erregung deutlich zur Schau stellten, und präsentierten sie als Motive für die Handarbeit mit Nadel und Faden. Als Sitz erhielt die Gefangene einen dicken Scheitstock in die Zelle gestellt. „Dein Thron, hohes Fräulein!“, höhnte eine Wärterin.

Aurora knirschte mit den Zähnen. Schon jetzt juckte es sie in dem Keuschheitsgürtel. Und schuld waren nicht die Läuse und Flöhe, die den Kerker beherbergten. Ihre Lenden waren so heiß und hungrig vor Sinnendurst wie nie im Leben – zumindest hatte sie das Gefühl. Ein Stimulus, der sie schier verrückt machte und ihre unbefriedigte Geilheit nährte. Die Männlichkeit vor Augen, die sie nie wieder erreichen würde, die ihr nie wieder eine Befriedigung ihrer Gelüste gaben, die sie in ihrer Lust verhungern lassen würde - welch Agonie!

„Ich werde mich weigern!“, schwor sich Aurora grimmig und trotzmütig. Von ihrem Schwur nahm sie dann zweifelsohne Abstand, als sie hörte, dass sie ein Tagessoll erfüllen musste: Zehn Kissen sollten fertig werden. Und schaffte sie ihre Arbeit nicht, so gab es ein Dutzend Hiebe auf ihren jungfräulichen Hintern! Hohnlächelnd verkündete eine Wärterin diese Anweisung der Hohen Majestät. Aurora fielen fast die Augen aus dem Kopf über so viel Impertinenz. Trotz der Drohung lieferte sie am ersten Tag nur acht Motive ab. Gnadenlos legten Wachfrauen die Prinzessin daraufhin über einen Strafbock und versetzten ihr mit Lederriemen das Dutzend versprochene Schläge. Das Kreischen und Wüten der Adelsdame nutzte ihr da wenig. Nach der Züchtigung rieb sich Aurora voller Gram den gestriemten Po, wischte sich durch das mit Tränen überströmte Gesicht und zitterte vor schäumender Wut und Entsetzen ob des frevelhaften Verhaltens der Uniformierten.

Am nächsten Tag fertigte sie die geforderten zehn Motive und warf sie voller Abscheu der Wärterin vor die Füße. Beinahe hätte sie dabei ausgespuckt, doch dann obsiegte ihr Verstand. Die Wachfrau schickte die zeternde Prinzessin erneut auf den Strafbock. Aurora verstand die Welt nicht mehr. Die Wärterin fragte amüsiert: „Und wo sind die zwei fehlenden Arbeiten von gestern? Die hättest du nachholen müssen!“ Also setzte es erneut zwölf Hiebe. Dieses Mal schlug das Büttelweib von der anderen Seite, so dass ein „hübsches Karomuster“ auf dem Sitzfleisch der jungen Dame entstand, wie die Wärterin feststellte. Nach der schmerzhaften und erniedrigenden Behandlung sah Aurora die Gitterstäbe ihrer Zelle nur durch einen Tränenschleier. Längst hatte sie die juckenden Flöhe und Läuse vergessen, die ihre einzigen Mitbewohner waren.







218. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von sheeeep am 20.07.22 17:58

Zitat
Nachdem ich unlängst für meine Geschichte neuerliche Anerkennung erfahren habe, möchte ich nun meinerseits nicht säumen, ein weiteres Mal meine vorzüglichste Hochachtung dem Autor dieses Romans entgegenzubringen; neben der schier unendlichen Phantasie bewundere ich den literarischen Erzählstil auf höchstem Niveau, wie offenbar geradezu spielerisch-selbstverständlich die Finger des Schriftstellers über die Tastatur fliegen und dabei perfekt die alte Sprache mit ihren archaisch anmutenden Begrifflichkeiten aufleben lassen, einzig die Anwendung der neuen Rechtschreibung beraubt die Illusion, es handelte sich um ein Werk des 19. Jahrhunderts, somit haben wir Grund zur Annahme, daß sich hinter dem Pseudonym des Prallen Beutels ein äußerts talentierter berufsmäßiger Schriftsteller verberge.
Herzlich Dank für die Mühewaltung!


Besser hätte man es nicht ausdrücken können !!!!
219. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 29.07.22 20:12

Vesta vernahm mit Wonne die Meldung über die zweite Züchtigung ihrer ungeliebten Schwester und nippte genießerisch an einem kleinen Tässchen exklusivem Tee, schluckte das süße Getränk hinab und gluckste. Die Herrscherin der Metropole labte sich an den Gemeinheiten gegenüber ihrer Schwester und grausamen Spielen in der Arena. Sie wollte nichts von einem bevorstehenden Feldzug von Cassandra wissen. Verteidigungsstrategien überließ sie den Führerinnen ihrer Streitmacht. Strategische Konferenzen waren ihr zuwider. Ihre Beraterinnen würden schon wissen, was zu tun war. Sie widmete sich lieber dem Vergnügen und der Schönheitelei.

Die Duxas kümmerten sich um die Bauarbeiten an der Grenze und vor allem der Stadtmauer der Metropole sowie der Ausbildung der Kampfsklaven. Aber trotz aller Verbesserungen glaubten längst nicht alle mehr an einen wahrscheinlichen Sieg gegenüber dem verhassten Feind. So manche der Soldatinnen liebäugelte damit, ob sie im Falle einer Kriegserklärung vielleicht die Seite wechseln sollte, bevor es zu spät war. Wie ein Wimpel im unsteten Winde.

Viele Duxas waren der Ansicht, dass Vesta dem Thron in dieser schwierigen Zeit nicht gewachsen war und haderten mit der jungen Herrin. Statt den Troll als nützliche Kampfmaschine abzurichten, wurde er zur Pläsanterie missbraucht. In Friedenszeiten wäre das angemessen gewesen, aber heutzutage war es wichtiger, das Reich zu stärken. Bis zu einer Palastrevolte war es jedoch ein weiter Weg. Niemand getraute sich, den ersten Schritt zu einem Aufruhr zu wagen, der unweigerlich auf dem Henkersklotz enden würde.

Ganz im Gegensatz zu Cassandra: Ihre Sklavenjägerinnen hatten unverzagt das Kunstwerk vollbracht, insgesamt zwölf ausgewachsene Trolle zu haschen und bis nach Cassandria zu verschiffen. Unter größten Gefahren und mit couragiertem Vorgehen waren die Giganten des Ostkontinents in riesige Fallen getapst und betäubt worden, dann auf den Galeeren in riesigen Käfigen mit Gitterstäben, dick wie Unterarme, transportiert und schließlich bis nach Cassandria gebracht worden.

Die Tyrannin lachte laut, als ihr eine Duxa die Ankunft der Trolle verkündete. „Wir werden sie zu Berserkern ausbilden und mit ihnen das Heer verstärken. Die Schmieden sollen gewaltige Streitkolben und Morgensternen für meine neuen Soldaten fertigen. Und Rüstungen.“ Allein der Knauf einer solchen Waffe war groß wie ein Menschenkopf und wies oft einen eine Handspanne langen Dorn an der Unterseite auf. Cassandras Gesichtszüge entglitten zu einer hasserfüllten Fratze. „Die Metropole wird fallen, und Vesta wird mir zu Füßen kriechen und meine Sohlen lecken…“

Die Despotin konnte es kaum erwarten. Die gewaltigen Trolle würden ihr Heer immens verstärken und den Feind niederwalzen wie eine Naturgewalt. Die autokratische Schönheit lächelte bei der Vorstellung der voluminösen Muskelberge dieser Kreaturen. Ganz anders waren da verhärmte Minensklaven, die erst aufgefüttert werden mussten, um sie aufs Feld der Ehre zu schicken. Zu teuer. Zu langwierig. Zu wenig effektiv.

Ihre Eroberungen im Osten des Kontinent und um die Metropole herum hatten ihre Beliebtheit im Reich zwar gehoben, doch gab es genügend Kritik an ihrem Regierungsstil, so dass sie mit einem Sieg über das urbane Bollwerk ihre Macht endgültig festigen wollte. Die meisten Beschwerden der feinen Damen erreichten sie über den Maluskult. Die angesehenen Priesterinnen, die in Cassandria viel Einfluss und Autorität besaßen, standen quasi über dem Gesetz und sorgten für Unmut bei einigen Ladys. So gab es forthin Entführungen auf offener Straße, Sklaven verschwanden einfach in den Tempelanlagen.

Zwar waren Reinigungen durch Feuer und andere Rituale für Leibeigene üblich, die von den Heiligen Frauen als „die sieben Prüfungen“ ausgeführt wurden, um das Böse in den Sündern zu überwinden, doch sich bei Sklaven zu bedienen, als seien diese Beeren, die nur von einem Strauch zu pflücken seien, ging den Besitzerinnen zu weit. Noch grollte der Unmut beinahe unsichtbar, aber ein Funke hätte gereicht, um den Zorn der Damen in einen offenen Händel zu entfesseln.

In der Hauptstadt von Cassandria ging das Gerücht um, dass die Maluspriesterinnen ihre Beute auf Auktionen weiterverkauften. Andere flüsterten von den großen Geheimharems unter den Tempeln, die die Priesterinnen für ihren eigenen Bedarf in Kellergewölben betrieben. „Dort sollen sich die schönsten Mannsbilder des Kontinents befinden“, munkelte eine Lady. Auch sie war nicht gut auf die Damen in den schwarzen Roben zu sprechen, denn ihr Liebesdiener war vor einigen Tagen verschwunden. „Vielleicht schuftet er schon in irgendeiner Mine oder befindet sich in einem der unterirdischen Harems.“ Sie hatte ihr Eigentum zwar gebrandmarkt, doch was hieß das schon? Leicht war so eine Kennzeichnung mit einem fremden Wappen zu überbrennen.

Die Bekannte der Lady wedelte sich mit einem Seidenfächer kühle Luft zu und tuschelte gewichtig: „Wer weiß das schon? Es geht das Gerücht von zynischen Riten beim Maluskult, die Unmengen an frischen Sklaven brauchen. Einige Priesterinnen vereinigen sich nur mit jungfräulichen Leibeigenen. Andere wiederum benötigen viele Männer für schaurige Opfermessen, bei denen den Männern eine ganz besondere Rolle zugewiesen wird…“ Sie schaute sich um. Hörte auch keine Priesterin mit? Sie wollte keinen Zwist mit dem Maluskult bekommen. Wer seine Zunge gegen die Heiligen Frauen erhob, riskierte als Ketzer angeklagt zu werden.

Die Getreue war ganz Ohr und hakte nach: „Was für Opfer?“ Die Bekannte machte nur rätselhafte Zeichen mit ihren Fingerchen, aber die Freundin verstand nicht. Und so musste sie ihre Fantasie anstrengen, was wohl in den Katakomben geschah. Das Geplänkel führt zu nichts, winkte die andere Dame ab und schaute sich nach ihrem Sklaven um. Wo steckte nur die dumme Kreatur?

Der Leibeigene stand stramm und demütig zu Boden blickend einige Schritte entfernt, um sofort auf das Geheiß seiner Herrin zu reagieren. Die Lady winkte ihn lässig aus dem Handgelenk herbei. Sie griff an sein breites Halsband aus Eisen, das er trug, und in dem das Hauswappen der Besitzerin eingestanzt war. „Du sollst näher bei mir bleiben“, hieß sie ihn gehorchen und versetzte ihm eine ordentliche Backpfeife. „Sonst stehlen dich die bösen Priesterinnen. Willst du das?“ Der Sklave schüttelte furchtsam den Kopf. „Iwo, edle Herrin. Das möchte ich nicht.“

Kritisch prüfte die Lady, ob einzelne Haarstoppeln auf dem Körper des Mannes zu finden seien. Neueste Mode in Cassandria war, die Haussklaven absolut haarlos zu halten. Irgendwie schade, dachte die Lady, dass er sich so penibel rasierte. Denn hätte sie ein Härchen gefunden, so wäre eine drakonische Strafe fällig gewesen. Vielleicht fand sich ja ein anderer Vorwand, um ihm eine Strafe aufzubrummen. Sie liebte es, wenn er um Gnade bettelte und schwor, in Zukunft gehorsamer zu sein. Manchmal erlaubte sie ihm sogar, sich vor sie zu knien und ihre Beine zu umgreifen, während er flehte. Das machte ihr so ein blumiges Gefühl in ihrer Weiblichkeit. Die Dame verabschiedete sich von ihrer Freundin und schlenderte mit ihrem Leibeigenen ein Stück durch die Stadt.

An einer abschüssigen Pflasterstraße sah sie einen Menschenauflauf. Interessiert ging sie darauf zu. „Zu spät“, artikulierte eine Frau in ledernen Beinkleidern mit Fransen an den Seiten, die wohl glaubte, dass die Lady an dem Wettbewerb teilnehmen wollte. Erst jetzt erkannte die Sklavenhalterin, dass hier das beliebte „Fassrollen“ stattfand: Herrinnen steckten ihre Sklaven in Fässer und ließen sie eine Senke hinabrollen. Wessen Fass am nächsten an der Zielfahne stoppte, gewann. Wenn das Fass allerdings zu weit rollte, fiel es entweder einen kleinen Abgrund hinab oder landete in einem Fluss oder Weiher oder wie in diesem Fall auf einer Wiese mit wilden Stieren, die zum Vergnügen der Zuschauerinnen die hölzernen Tonnen über den Boden schoben, während der lebende Inhalt vor Angst schlotterte.

Der Zeitvertreib mit den Leibeigenen in der Stadt war jedoch harmlos gegenüber der harten Welt der Galeerensklaven auf den weiten Wassermassen des Ostens. Cassandra verfügte mittlerweile über eine Furcht einflößende Armada an Kriegsschiffen auf dem Ostmeer und beherrschte den Ozean völlig. Die Ruderer waren mit Ringen auf ihren Bänken festgekettet, die sie direkt um ihr Gemächt trugen. So waren sie sicher befestigt und hatten trotzdem möglichst viel Bewegungsfreiheit mit Armen und Beinen, um sich ganz dem Rudern zu widmen. Kleidung gab es für die Ruderer nicht.

Auch just in diesem Moment durchschnitt ein kleiner Verband aus Schiffen die See, um die Küste der Metropole und ihre Anfurten zu kontrollieren. Kein Boot der Vesta sollte aus dem Hafen entweichen können. Die Galeere „Aegaeon“ rauschte in führender Position vor den anderen her. Vorne über dem Rammsporn prangte eine mit Blattgold überzogene Galionsfigur, die einen nackten und muskulösen Kampfsklaven mit Doppelaxt darstellte. Die Bugwelle schwappte hoch und floss seitlich am langen Rumpf weiter.

Die Kommandantin im Rang einer Duxa, auf See auch als Capitana bezeichnet, stand an der Reling des Achterdecks unter einem weißen Sonnensegel und blickte hinab aufs Mitteldeck, wo ein Rudersklave über einem verkeilten, liegenden Fass bäuchlings festgeschnallt wurde. 48 Ruderblätter zeigten simultan nach oben. Das Schiff fuhr noch eine Weile und stoppte dann. Auf ein Handzeichen der Capitana knallten zwei Soldatinnen ihre Lederriemenpeitsche im Wechsel über das blanke Gesäß. Jeder Schlag ging den Kameraden durch Mark und Bein. Laut und scharf schoss das Flechtwerk zischend durch die Luft. Alle waren mucksmäuschenstill. Der Gemarterte brüllte auf und flehte bald schon um Gnade, doch erntete er nur ein spöttisches Grinsen der Weiber.

Die Geißeln schnalzten laut und bissen in die Haut des Delinquenten. Wieder und wieder. Anfangs wurden die Schmerzensschreie lauter und wütender, dann verzweifelt, dann leiser, bis sie völlig versiegten. Mit vorgerecktem Kinn schaute die Capitana zufrieden und mit einem feinen Lächeln in den Mundwinkeln auf die geschundenen Hinterbacken des Mannes. Ihre Laune war gut, und der Sklave würde wohl zwei oder drei Tage vom Ruderdienst befreit sein, bevor er sich wieder auf die harte Holzbank anketten lassen musste. Andere Männer hatten nicht so viel Fortune mit der Barmherzigkeit. Einige der Zweibeiner wussten gar nicht mehr, wie sich ein heiler Hintern anfühlte. Unter den Offizierinnen wurden sie die „Rotärsche“ genannt.

Später übergoss ein Kampfsklave den Gezüchtigten zur Säuberung mit einem Bottich Salzwasser. Das brachte dem Mann die Lebensgeister schlagartig zurück. Diese Art von Bestrafungen war täglich zu erleben und sorgte für ein wenig Abwechslung in dem öden Tagesablauf auf hoher See und wurde schon bei den kleinsten Anlässen bestimmt. Strikte Disziplin galt als oberstes Gebot und als ungemein wichtig. Auf anderen Galeeren war es üblich, dass Ruderer, die aus dem Takt kamen, für den Rest des Tages an seine Schlafstatt gekettet wurde, während seine Kameraden für ihn mitrudern mussten. Des Nachts revanchierte sich die Mannschaft dann bei dem aasigen Faulpelz. Und am nächsten Tag hatte der Geschundene wunderlicherweise den Takt im Blut wie kein Zweiter.

Die Capitana, deren prächtige Uniform ihre Autorität und Weiblichkeit in gleichem Maße unterstrich, griff neben sich an den wohl geformten, runden Hintern des nur mit einem dünnen Seidentuch bekleideten Jünglings. Große blaue Augen und güldenes Haar – so mochte sie ihre Gespielen. Jede Capitana verfügte an Bord ihres Schiffes über einen Liebesdiener. Meist suchten die Damen ihn aus den frisch gefangenen Sklaven oder Ruderern. Nur die ansehnlichsten Burschen waren prädestiniert. Sie wurden nicht geschlagen und mussten nicht rudern oder kämpfen; dafür standen sie ihrer Capitana und auf Wunsch der Herrin auch den Offizierinnen für Liebesdienste zur freien Verfügung und verfügten über einen makellosen und lindglatten Leib.

Die Capitana der „Aegaeon“ liebte es vor allem nach einer Züchtigung, sich mit ihrem Liebling in ihre Kabine zurückzuziehen. Gern hätte sie noch die weiteren Bestrafungen genossen, aber ihre Lust hielt sie nicht mehr an Deck. Ihr Gespiele streifte die wenige Gewandung ab, die er trug und legte sich ins Bett der Kommandantin, um ihr dort jeden Wunsch von ihren Lippen abzulesen. Eine Offizierin übernahm daher so lange das Kommando an Deck.

Bald darauf wurde ein Ruderer an einem Seil über Bord geworfen. Das Schwimmen fiel ihm sichtlich schwer, obschon die Galeere inzwischen keine Fahrt mehr machte, denn ein Gewicht an seinem ansehnlich ausgebildeten Gemächt zog ihn unweigerlich nach unten. Auf ein Zeichen der Offizierin wurde der Sklave mit einer Schlinge um seine Hände wieder an Bord gezogen, kurz bevor er auf ewig in den Fluten in ein kaltes Grab versunken wäre. In dem Augenblick, in dem das Gewicht in der Luft pendelte und nun verstärkt an seinem Gemächt zog, jammerte der Delinquent erbärmlich auf und strampelte mit den Beinen in der Luft. Verwunderlich, wie viel Kraft das Geschöpf noch aufbrachte.

Von der Reling brandeten Gelächter und Hohnrufe auf. Der Sklave würde zur Buße sein Gewicht noch einige Tage tragen müssen. Am Ruder würde es bei jeder Bewegung ziepen und zerren, aber vielleicht würde er beim nächsten Mal dafür im Takt bleiben, wenn es wieder hieß: „Angriffsgeschwindigkeit!“ Die Offizierin zuckte mit den Schultern. „Sie müssen es ja irgendwie lernen!“

In der Metropole schimpfte die gekrönte Vesta über eine Beraterin. „Wie konntet Ihr Donneraas es zulassen, dass Cassandria das Ostmeer mit seiner Armada beherrscht? Habt Ihr geschlafen und alle warnenden Anzeichen in den Wind geschlagen?“ Die Duxa wollte gegen die Schelte einwenden: „Aber, Hohe Majestät, Ihr habt doch…“ Vesta verbot der Offizierin mit einer unwirschen Handbewegung jedes weitere Wort, so dass diese sofort inne hielt. Sie geiferte über die verhasste Konkurrentin, titulierte sie als Schmutzkübel und Hurenpack und spuckte ein Schimpfwort nach dem anderen aus, alle Damenhaftigkeit war gewichen. Ihren Jähzorn hatte sie neben ihrer schwarzen Seele von ihrer Mutter Fama geerbt. Dezent zog sich die Duxa katzbuckelnd zurück und wischte sich den Schweiß von der Stirn, als sie leise und verhuscht die Tür geschlossen hatte.

Vesta blieb noch in düstere Gedanken versunken auf dem Thron sitzen. Sie sollte die Unfähigen aus ihrem Kreis ausmerzen. Sie hatte da schon zwei wohl gar verräterische schwarze Schafe im Auge, und eine peinliche Befragung würde deren Lippen die Wahrheit abschmeicheln. Plötzlich wurde sie durch einen ohrenbetäubenden Donnerknall aus ihrer Entrückung gerissen. Der Thronsaal war längst in fahles Mondlicht getaucht, aber für einen Lidschlag erhellte ein zuckender Blitz den Raum grell.

Ihr Blick wurde von einer runden Schatulle angezogen, die aus einem Totenschädel und Elfenbeinapplikationen gefertigt war. Die zwei Rubine, die als Augen eingelassen waren, blitzten bei dem abrupten Lichtschein wie lebendig auf. Die junge Gebieterin fühlte sich von ihnen beobachtet. Ja, gar verhöhnt! Als gehörten sie Cassandra, die bereits in ihr Reich eingedrungen sei. In gewisser Weise stimmte das ja auch: Cassandra hatte die Metropole quasi umschlossen und beherrschte auch die Küste. Die Schiffe der Vesta waren in den Häfen hilflos festgesetzt. Die Küstenregion hatten viele Bewohnerinnen sogar verlassen und sich hinter die Grenzbefestigungen zurückgezogen.

Einige Landstriche waren noch in der Macht von Vestas Heer, aber der Feind stand vor den Toren. Es waren Belagerungstürme zu sehen, Heerlager, Spähtrupps. Die Übermacht war beeindruckend. Viele Arbeitssklaven wurden daher zwangsrekrutiert. Nur ein kleiner Anteil blieb an seinem angestammten Platz an den Wassertreträdern der Mühlen, der Winden für die Aquädukte, die Minen, die Zuckerrohr- und Baumwollfelder sowie die Getreide-, Gemüse- und Obstäcker. Der überwiegende Teil bekam einfache Waffen und lernte, auf dem Feld der Ehre zu kämpfen und notfalls stolz sein Leben für die erhabene Vesta zu geben.

Während der Osten kurz vor einem Sturmangriff stand, herrschte im Westen noch vermeintliche Ruhe. Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Ledanien und dem Stadtstaat der Helena entwickelten sich prächtig. Um die Allianz weiter zu festigen, stattete Königin Leda mit einer Delegation der Verbündeten einen Besuch ab. Leda ritt auf ihrem edlen Schimmel begleitet von berittenen Fahnenträgern, Gardisten und Beratern auf der Handelsstraße nach Osten und wurden am Stadttor herzlich willkommen geheißen.

Etwas merkwürdig fanden die Gäste schon, wie zurückgezogen Helena lebte. Sie trug einen Schleier als Schutz vor bösen Geistern und Krankheiten, war behängt mit Amuletten und begrüßte den Besuch reserviert aus mehreren Schritten Entfernung. Abas, Nike und Gladius, die zu der königlichen Begleitung gehörten, stutzten, als Helena ihren Mundschenk den eigenen Wein probieren ließ. „Vorsicht ist besser als Nachsicht“, betonte diese. Nach einem Festbankett unterschrieben die Regentinnen weitere Verträge, um den Handel zu vertiefen. Lange Feierlichkeiten mit ermüdenden und salbadernden Damen standen allerdings nicht auf dem Programm. Helena zog sich bald unter dem Vorwand zurück, sie habe Magengrummeln. Ihre Schritte führten sie jedoch nicht in ihr Schlafgemach.

Die Wahrheit sah anders aus: Sie musste dringend in ihre Marmorwanne steigen, um sich mit heißer Lauge abschrubben zu lassen. Wer wusste schon, welche Krankheiten die Fremden mitgebracht hatten!? Fleckenfieber, Beulenpest, Keuchhusten und Knochenfraß waren nur einige, die ihr augenblicklich einfielen. Und zum Süßholz raspeln stand ihr nicht der Sinn. Hinter der Zofe, die sie mit einem Schwamm badete, standen zwei Gardistinnen mit gezückten Klingen. Helena musste vorsorgen, dass sie nicht von einer irren Bediensteten im Badewasser ertränkt würde.








220. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von M A G N U S am 31.07.22 12:57

"aufs Feld der Ehre zu schicken",
das Feld der Ehre, welch ein Euphemismus, noch heute als Inschrift auf nicht wenigen Gedenktafeln an Kriegerdenkmälern und Kirchen- und Friedhofsmauern zu lesen!
221. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von sheeeep am 13.08.22 02:27

Tolle Fortsetzung ! Alles sehr ausführlich beschrieben....meisterlich! Danke mal wieder dafür!

Grüße
Christian
222. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 14.08.22 19:17


Längst war Helena faktisch entmachtet. Die Regierungsgeschäfte führten Senatorinnen. Die Majestät war lediglich eine Marionette, gab dem Staat ein Gesicht. Und solange eine einzelne Senatsfrau keinen Putsch wagte, würde das auch so bleiben. Während die Ledanier noch im Stadtstaat anwesend waren, hielt sich Anonymos, aus Angst entdeckt zu werden, versteckt. Heilfroh war der Schurke, als er von der Abreise der Delegation hörte. Nun konnte er mit seiner Insidia seine unrühmlichen Taten fortsetzen und sich hinfort wieder erfrechen, Mannsbildern die Münzen aus dem Beutel ziehen.

Sein betrogener Bekannter Catulus saß noch immer in doppelter Kerkerschaft: sein Keuschheitsgürtel versagte ihm seine Männlichkeit; und er steckte in den riesigen Gefängniskatakomben unter dem Palast der Helena – das reinste Labyrinth und nicht ohne Grund beim Volk als „Mauern des Vergessens“ bekannt. In so mancher Nacht waren Wärterinnen in seine Zelle gekommen, um ihn zu erniedrigen, ihn mit ihrer Weiblichkeit zu reizen wie Gossendirnen und ihn zu verlachen. Catulus war so frustriert, dass er sich wünschte, gar keine Männlichkeit mehr zu besitzen, doch diesen verzweifelten Schritt wagte er nicht. Wie sollte er diesen Wahnsinn auch bewerkstelligen?

Kaum war er wieder in dunkle Gedanken vertieft und seine Seele voller Last, so hörte er die quietschende Tür, die in den Gewölbeteil führte, in dem sich seine Zelle befand. Zwei Wärterinnen erschienen mit Fackeln vor seinen Gitterstäben. „An die Wand!“, befahl eine Uniformierte mit langen schwarzen Haaren, die weit über ihren Lederpanzer fielen. Ihr zartes Gesicht stand im Widerspruch zu ihrer harten und unbarmherzigen Miene, die schaurig im Blaken der Flammen aufblühte. Der Gefangene gab einen gequälten Seufzer von sich.

Catulus bewegte sich an die gegenüber liegende Seite und stellte sich mit dem Gesicht zum Mauerwerk. Er wusste schon, was nun folgen sollte. Er erlebte es nicht zum ersten Mal. Bei seinem Debut hatte er bitterlich gefleht, aber das hatte sie nur angestachelt in ihrem sündigen Tun. Die Weiber öffneten mit einem rasselnden Schlüsselbund seine Gittertür, eine von ihnen packte die Handkette des Sklaven und schloss sie an einen Wandring über seinem Kopf. Ihre Kameradin, die ihr feuerrotes Haar zu zwei Zöpfen geflochten hatte, riss Catulus mit einem Ruck den Lendenschurz vom Leib und grinste ihn feist und unverhohlen an.

Der Eingekerkerte hatte bei seiner ersten Behandlung starke Gegenwehr geleistet, was die Furien nur noch mehr antrieb. Doch mittlerweile ließ er die demütigenden Minnespiele nicht nur über sich ergehen, sondern er erzielte daraus sogar in gewisser Weise Lust – die einzige Lust, die ihm in seinem Keuschheitsgürtel ermöglicht wurde. Er schämte sich wahrlich für diese putzwunderliche Freudenpracht und Labsal seiner Sehnsucht, wollte sie zugleich aber auch nicht unterdrücken.

Die Rote schnallte sich den formvollendeten Holzzapfen um die Hüfte und fettete ihn mit Schmalz ein. „Bitte gemach…“, stammelte Catulus, doch er kannte die beiden Wärterinnen. Sie würden auf ihn wenig Rücksicht nehmen. Einzig ihre Lust galt. Kaum war er verstummt, spürte er das harte Holz an seinem Hintereingang. Es drückte, es presste und wurde mit einem Ruck tief versenkt. Catulus blieb ein Schrei in der Kehle stecken. Während die eine den Gefangenen mit harten Stößen stopfte, wanderten die Finger der anderen an ihre Weiblichkeit bis ihren Leib ein wohliges kleines Beben voller Wonne durchfuhr. Dann wechselten die uniformierten Damen ihre Position, und ein neuer Gang begann.

Ihre abartigen und klandestinen Spiele mit dem Sklaven brachten schließlich ihnen und sogar manchmal Catulus selbst frivole Freude. Wenigstens konnte er so sein Verlangen ein wenig dämpfen. Doch umso demütigender war es für den Nackten, wenn ihm die Geilheit schwoll und schließlich sein Samen aus dem Gürtel lief. Die Weiber beäugten dann seinen besudelten Schoß und ließen ihn noch eine Weile in seiner Stellung, damit er sich seiner Tat und seiner Gefühle schämen konnte. Nicht nur sein Leib war eingekerkert, sondern auch sein Geist und seine Gedanken waren gefangen und gemartert.

Von all den Ausschweifungen unter ihrem Palast bekam Helena nichts mit. Und die Senatorinnen waren nicht gewillt, im großen Kerkerkomplex für strengere Sitten einzustehen. Wo sonst, wenn nicht bei Verurteilten, konnte eine Frau sich noch austoben, nachdem die Leibeigenschaft im ursprünglichen Sinne abgeschafft worden war? So manche Dame fragte sich, wo das noch hinführen sollte? Wozu waren Mannsbilder denn sonst geschaffen als dem schönen und höheren Geschlecht zu dienen?

Keine Dame von Welt wollte auf Liebesdiener für das Beilager verzichten. Das war eine Wahrheit, die sich nicht zu verstecken brauchte. Gewiss gab es genügend Kerle, die sich für ein paar Münzen verdingten, doch war das nicht dasselbe. Einige mondäne Ladys suchten die absolute Macht über männliche Kreaturen. Und die fanden sie in den Verliesen. Gegen wenig Silber waren die Wärterinnen gern bereit, Interessierte in eine Zelle zu führen, in der sie dann mit dem Insassen in anstößigen und liederlichen Spielen ausschweifen konnten. Oft entwickelten sich maßlose Exzesse. Zu Hofe deuchten die honetten Jungfrauen voller Unschuld, doch in den Gewölben der Qual mutierten dieselben Damen zu ruchlosen, schäumenden und obszönen Hyänen mit grenzenlosem Hunger nach sadistischen Gelüsten - schmutzig im Geiste, schamlos in ihrem Tun.

Königin Leda ahnte nichts von den Orgien, die klar gegen die Verträge mit Helenas Stadtstaat verstießen. Kein Mannsbild sollte aufgrund seines Geschlechts unterdrückt werden. Aber solange die Anzüglichkeiten unter dem Mantel des Schweigens verdeckt blieben würde sich nichts ändern. Die Reiterschar um die Regentin hatte etwa die Hälfte ihrer Heimreise zurückgelegt, da tauchte am frühen Abend ein ungewöhnlich starker Nebel auf. Anfangs nur ein wabernder, milchiger Schleier über der Wiese, entwickelten sich dichte Wände, die bis zur Risthöhe der Pferde reichte.

„Wunderlich“, stieß Nike aus und kniff die Augen zusammen. „Woher kommt der viele Dunst? Die Luft scheint mir zu trocken dafür…“ Doch die Schwaden wurden immer dicker und bald undurchdringlich. Die Reiterschar musste in Schritt fallen. Die Sicht war so stark eingeschränkt, dass die Bäume und Sträucher am Rande des Weges verschwanden oder sich lediglich schemenhaft abbildeten.

Nach zwei Stunden stellte die Oberste besorgt fest: „Wir sind vom Weg abgekommen. Ich schlage vor, dass wir rasten, bis sich der Nebel aufgelöst hat.“ Leda stimmte zu und saß als Erste ab. Die Gruppe blieb eng beieinander, damit niemand verloren ging. Sie wartete auf Besserung, auf klareren Himmel. Selbst die Rösser waren inmitten diesen Spuks nervös. Doch statt aufzureißen, stieg der Bodennebel immer dichter und höher und wurde zu geisterhaften Mauern. Dann erschrak die Majestät, als plötzlich eine Fratze vor ihr erschien, doch es war nur eine weitere Nebelwolke, die ihr einen Streich gespielt hatte. Schließlich setzte die Gruppe ihre Route fort, weil keine Besserung zu erwarten war. Doch schon bald musste Nike zugeben, die Orientierung verloren zu haben.

Der Feuerball am Himmel war rasend schnell untergegangen und gewährte der Nacht Eintritt in die Welt. Der Mond des nächtlichen Firmaments kam kaum durch die Wolken und schenkte nur ein funzelhaftes Licht. Knatschende und schmatzende Geräusche der Hufe ließen vermuten, dass sie in ein Sumpfgebiet geraten waren. Gladius schüttelte den Kopf. „Wie kann das sein? Wir müssen uns völlig verirrt haben. Zwischen Ledanien und Helenas Stadtstaat liegt kein Moor.“ Doch der modrige Geruch und die Geräusche von aufsteigenden, blubbernden und platzenden Blasen ließen keinen Zweifel.

„Bleibt alle in einer Linie hintereinander“, wies Nike die Delegation an. Sie übernahm die Vorhut, Gladius folgte, dann Königin Leda und Abas sowie die Begleiter. Der Nebel wurde immer dichter. Kaum sahen die Gefährten noch die Mähnen ihrer Falben und Rappen, geschweige denn den Vordermann. Nike warf einen Vorschlag ein. „Wir sollten uns alle mit einem Seil verbinden, damit niemand verloren geht.“ Bald darauf war die Gruppe entsprechend gesichert. Niemand wagte es mehr, aus dem Sattel zu steigen, denn schon wenige Schritte neben dem Pfad konnte das Moor tief und tödlich sein – ein nasser Abgrund, der in der Glut der Unterwelt endete.

Plötzlich schrie ein glatzköpfiger Gardist mit dunklem Bart auf, als er „Dämonenaugen“ gesehen habe. Die Reisenden sahen sich scheu und besorgt um. Dann beruhigte Nike: „Es gibt keine Moordämonen! Die Legende um die Sumpfhexen, die die Alten Götter geschickt haben, um umtriebige Mannsbilder zu strafen, sind nur Schreckgeschichten. Die geisterhaften Gestalten, die scheinbar im Nebel tanzen, sind nur harmlose Umrisse von Sträuchern oder Bäumen, die sich in das nächtliche Firmament türmen.“ Doch als um die Kolonne eine Meile später kurzzeitig der Nebel aufriss, waren sich fast alle gewiss, neben dem Pfad etwas liegen gesehen zu haben. Fröstelndes Grauen erfüllte die Schar. War es eine Moorleiche? Ein Wanderer, der sich, wie sie, verirrt hatte? Oder gab es sie etwa doch, die Sumpfhexen?

Gladius zauderte bei diesem Gedanken und murmelte: „Vielleicht verfolgt uns Megaras verfluchter Geist!“ Ein eiskalter Schauder lief den meisten der Reiter über den Rücken bei dem Schreckbild, das Gladius gemalt hatte. Abas hatte den Schultheiß gehört und spürte, wie sich sein Unterleib zusammenzog vor Angst, die ihn eisenhart gepackt hielt. Am liebsten hätte er den Atem angehalten. Er wollte nur noch weg. Er wollte aus diesem Todessumpf heraus. Unter den Hufen schmatzte der Morast immer matschiger. An vielen Stellen sanken die Tiere handbreit und tiefer ein. Die Reisenden hatten ein mulmiges Gefühl. Würden sie aus dieser Todeszone hinausgelangen? Würden sie hier zugrunde gehen? Hatten die Alten Götter ihr Schicksal besiegelt? Doch von ihnen erhielten sie keine Antwort. Dafür quakten Frösche abseits ihres Weges, als würden sie die Menschen verlachen.

Beinahe zwei Lichtmonde später erschien eine Gardistin aufgebracht bei Hofalchimist Caduceus. „Heiler! So höret! Ein Briefrabe hat den höfischen Falkner erreicht und bestätigt, dass die Majestät wie geplant abgereist sei. Sie hätte längst ankommen müssen. Wir sollten einen Suchtrupp in die Freien Ländereien schicken!“ Der Alchimist, der Königin Leda in ihrer Abwesenheit in wichtigen Angelegenheiten vertrat, machte ein nachdenkliches Gesicht. „Lasst mich die Götter befragen. Aber schickt schon flott eine Reiterschar voraus!“ Die Gardistin eilte die Wendeltreppe hinab, um alles in die Wege zu leiten. Beinahe wäre sie in der Hast und Aufregung über ihr Schwertgehänge gestolpert, konnte sich aber so gerade noch auffangen und schaute sich beschämt um, ob ihre Ungeschicklichkeit beobachtet worden war. Sie eilte zum Wachquartier, um alles in die Wege zu leiten.

Caduceus schwante nichts Gutes. Die Delegation konnte sich nicht in Luft aufgelöst haben. Marodeure gab es in der Gegend zwischen den Kleinstaaten keine mehr. Oder? Es gab genügend Patrouillen, die den Weg der Kauffahrer sicherten. Und Leda hatte die besten Gardisten bei sich. Wohin waren die Vermissten also verschwunden? Caduceus setzte sich in seinem Turmzimmer neben einen Basilisken aus Granit und griff nach einem Beutel an seinem Gürtel, in dem er eine geheime Kräutermischung aufbewahrte. Er nahm einen Fidibus und entzündete ihn im kleinen Kaminfeuer an der Wand, dann ließ er die Kerze auflodern, die unter einer Pendelschale stand, schüttete ein wenig von der Essenz in das Wasser, dass sich in dem flachen Gefäß aus Kupfer befand, und wartete, bis die Dämpfe des erhitzten Extrakts im in die Nase stiegen.

Als der alte Seher Stunden später aus seinem Turm kam und den höchsten Höflingen der Burg berichtete, was er in seinen Visionen gesehen habe, lauschten die Weiber und Kämpen mit offen Mündern. „Der Schlund der Unterwelt hat sich aufgetan!“, verkündete der Alchimist unheilvoll. „Der Alte Kontinent wird bald von Krieg und Feindschaft überzogen sein. Die Ära der Kleinstaaten ist beendet. Es ballt sich das Böse im Osten zusammen und wird gegen unsere Allianz marschieren.“ Caduceus hielt die Arme über den Kopf zum Himmel gestreckt und ballte seine Fäuste. Durch seinen gesamten Leib zuckte es, als würde ihn ein Blitz treffen.

Ein Gardist namens Aphron meldete sich zu Wort. „Aber was ist mit der Königin?“ Caduceus entspannte sich ein wenig und wendete sich zu dem Frager. „Die Majestät und ihr Gefolge befindet sich im Bann des grünen Kristalls. Eine magisch gewirkte Macht hält sie in einem Zwischenreich gefangen, für das uns kein Zutritt gewährt ist. Ich muss den Kristall aus der Höhle holen und ihn lumineszieren.“ Der Gerüstete verstand nicht. „Warum? Habt Ihr die Strahlkraft nicht gebunden, um den Leviathan vom Meeresgrund zu befreien und den Alten Kontinent zu schützen?“ Caduceus hob die Schultern. „Die Mächte der alten Magier sind unergründlich. Ich weiß nur, dass der Kristall wieder leuchten muss. Sonst gerät der gesamte Kontinent aus den Fugen.“

Aphron schickte Gebete zu den Alten Göttern. Gerade hatte er eine neue Heimat in Ledanien als freier Mann gefunden, und nun sollte die Welt vor ihrem Abgrund stehen?
Zwar trug er noch den Keuschheitsgürtel, den er als Lustsklave von seinen ehemaligen Herrinnen erhalten hatte, doch bald würde sein Sold für einen Schmied ausreichen, der ihn daraus befreite. Aber hatte er noch genügend Zeit, um seine Männlichkeit zu genießen? All die hübschen Ledanierinnen voll Verlockung? Oder würde ein finsteres Zeitalter beginnen, dass ihm Tod und Verderben bringen würde? Eine böse Ahnung wallte ihm entgegen wie der süßliche Gestank eines Gefallenen in der Schlacht. Als würde auch der Himmel über sein Geschick weinen, begann es dicke Tropfen zu regnen.

Eine Stunde zuvor war in gestrecktem Galopp ein Reitertrupp Gardisten polternd über die Zugbrücke der Burg geeilt, um sich auf die Suche nach der Majestät und ihrer Delegation zu machen. Sie suchten nach Spuren oder anderen Zeugen. Nur den Alchimisten Caduceus umgab das Wissen, dass die Uniformierten erfolglos zurückkehren würden. Der Seher ließ seinen Rappen satteln und machte sich auf den Weg zu der Höhle, in der der grüne Kristall verborgen lag. Auf einen Begleiter verzichtete er. Er musste die Beschwörung alleine durchführen. Sein langer Umhang wehte im Wind, während er seinem Ziel voll banger Glut näherkam.

Der alte Mann erreichte den verborgenen Eingang und band sein Ross an demselben Ölbaum an, an dem er ihn bei seinem ersten Besuch festgemacht hatte. Dann trat er durch den dunklen Spalt in die kühle und unheimliche Finsternis, eine Pechfackel in der Hand, die ihm den Weg leuchtete. Ein ganzer Schwarm Fledermäuse kam ihm kreischend entgegen. Caduceus hielt seinen Arm schützend vor das Gesicht. Bald war ihr wildes Flügelschlagen verklungen, und mühsam arbeitete er sich durch den engen Gang bis zu der Grotte, in der der Kristall lag. Beinahe wäre er dabei in einen seitlichen Spalt im Boden gestürzt, der weit bis in die schwarze Tiefe reichte und kämpfte mit dem Gleichgewicht. Hätte dort der Tod gewartet? Er wischte sich den Schweiß von der Stirn und tastete sich weiter vor, einen Fuß vorsichtig vor den anderen setzend.

Nur wenige Schritt weiter tauchte erneut ein hinterhältiger Spalt am Boden auf. Es roch nach Schwefel, der den Eindringling umhüllte. Der Seher brach einen Holzspan von der Fackel, entzündete ihn und ließ ihn in die Bodenöffnung fallen. Das flackernde Licht wurde kleiner und kleiner und landete dann auf einem unebenen Fels in etwa zwanzig Schritt Tiefe. Caduceus starrte auf das, was die kleine Flamme nur schwach beleuchtete: ein menschliches Skelett. Die bleichen Gebeine eines Unglücklichen, der hinabgestürzt war. Vor vielen Jahren wohl war dessen Lebenslicht erloschen.

Der Seher hörte eine Schlange bösartig zischen. Als er genau hinsah, bemerkte er das Reptil, wie es sich aus einer Augenhöhle des Schädels schlängelte. Im nächsten Moment verlosch die Flamme in der Tiefe, und der alte Mann schaute die Düsternis. Caduceus konzentrierte sich nun wieder darauf, den Kristall zu finden. Dumpf und hohl schallten seine Schritte durch die Gewölbe. Da der Edelstein nicht mehr strahlte, war dies deutlich schwieriger, als es bei seinem vorherigen Besuch war. Als er den flachen Felsen endlich entdeckte, auf dem der Stein gelegen hatte, atmete der Greis erleichtert aus. Doch im nächsten Augenblick schmiegte sich eine kalte Faust um sein Herz: Der Kristall war verschwunden! Schwermut überfiel den alten Mann wie ein sich anschleichendes Unglück. Der Fels der Höhle schien ihn zu erdrücken als würde er in einer zu engen nasskalten Gruft liegen. Caduceus schnappte nach Luft. Kaltes Grauen erfasste ihn, als er spürte, wie die Hoffnung in ihm verdorrte. War der Tod gekommen, ihn zu umgirren?

Weit im Osten zogen Streitheere gigantischen Ausmaßes aus, um die Metropole für das cassandrianische Reich einzunehmen. Trotzig stand Vesta in ihrem feinen Zwirn auf dem höchsten Wehrturm und ließ ihren Blick über die schier endlosen Felder voll feindlicher Kampfsklaven gleiten. Und mitten in den tausenden Soldaten stampften zwölf Trolle, mit Schlagwaffen armiert, auf die Metropole zu. Die junge Diktatorin glaubte ihren Augen kaum trauen zu dürfen. Die verhasste Cassandra! Wie konnte sie es wagen!? Das würde diese Lotterhexe bereuen! Der Lebenssaft dieser niederträchtigen Kreaturen würde den Acker bis zu ihren Hälsen düngen. In Vestas Vorstellung drehte die Diktatorin am Spieß, siedendes Öl umfloss ihren Leib bis sie knusprig war und den Kettenhunden zum Fraße vorgeworfen werden konnte. Die Königin merkte gar nicht, wie sie unbewusst die kleinen Fäuste wuttrunken ballte und ihre spitzen Fingernägel die Innenseiten ihrer zarten Hände ritzten. Und ihr unbändiger Zorn ließ den kleinen Leib zittern, dass ihre Juwelen leise klirrten.

Im heimischen Cassandria feierten die Damen der feinen Gesellschaft womöglich vorschnell den Sieg über die Metropole. Rauschende Feste reihten sich aneinander, Feierlichkeiten auf den Straßen und Märkten waren an der Tagesordnung. Im Rahmen der Kriegsvorbereitungen hatte Cassandra ein Überangebot an Sklavenmaterial aus dem Ostkontinent importiert. Leibeigene, die zu schwach für den Dienst an der Waffe waren, überschwemmten nun den Sklavenmarkt. Zu ungewöhnlich günstigen Preisen verramschten die Händlerinnen den Überschuss in diesen Tagen. So manches junge Fräulein aus weniger begütertem Hause hatte so die Gelegenheit gleich mehrere Leibeigene ihr Eigen zu nennen. Welch wunderholde Zeit doch pulsierte!


223. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 27.08.22 16:16

Unterdessen vor der Metropole die wahren Kämpfer auf dem Felde standen, spielten die Fräuleins mit ihren Leibeigenen die Invasion mit ihren Sklaven zu ihrem Wohlgefallen als amüsante Kurzweil nach. Gerade zankte eine junge Lady hochmutstoll mit ihrer Freundin: „Iwo. Ich bin Cassandra. Du bist Vesta. Und das ist mein Krieger. Meiner! Gib ihn her!“ Sie zerrte an der Leine des nackten Sklaven, der das Seil um sein Gemächt trug. Die Freundin bebte fast vor Zorn, ihre zarten Wangen glühten. Sie schlug mit einer mehrschweifigen Riemenpeitsche auf das Gesäß eines Sklaven ein, der auf allen Vieren neben ihr hockte. „Das ist unfair!“, giftete sie schrill. „Du warst gestern schon Cassandra! Heute bin ich dran!“

So schoss das grelle Wortgefecht noch eine Weile hin und her. Dabei zogen, schubsten und zerrten die Ladys ihre „Soldaten“ über das „Schlachtfeld“, das mit Kanthölzern, Kletterwänden, verstreuten kleinen Nägeln und Brennnesselbüschen präpariert war. Die jungen Damen saßen jeweils auf ihren „Rössern“, zwei Leibeigenen mit Schabracken, Zügeln, ledernen Augenklappen und einem wunderschönen Schweif aus echtem Rosshaar, der durch einen dicken Holzzapfen an Ort und Stelle hielt.

Die „Fußsoldaten“ kämpften auf der Walstatt gegen „Trolle“. Die Kolosse brachten es nur durch ihre Kostüme auf die auffällige Größe und staksten mehr blind und unsicher als kraftvoll mit ihrer schweren und warmen Verkleidung über das militärische Geschehen. Die „Feldherrinnen“ fochten persönlich, aber sie trieben auch gern aus der Ferne ihre Einheiten zu „Scharmützeln“ an, die bei den „Soldaten“ für so manche blaue Flecken sorgten, die bei verbissenen Ringkämpfen, Puffen und Knuffen sowie schmerzhaften Schlägen mit Holzschwertern, Knüppeln und breiten Lederklatschen alles gaben, um nicht wegen einer Niederlage von der eigenen Herrin bestraft zu werden. Schließlich spielten die jungen Damen mit viel Ehrgeiz und wollten beide siegreich aus der „Schlacht“ hervorgehen. Die Fräuleins überboten sich gegenseitig mit Ideen für ihre „Armee“. Da gab es „Streitwagen“, die drei oder vier „Rösser“ zogen und Miniaturarmbrüste mit stumpfen aber trotz allem schmerzhaften Bolzen. Eine Kletterwand symbolisierte die Stadtmauer der Metropole.

Während „Cassandra“ ihren Leibeigenen die Holzbarrikade hoch peitschte, wunderte sie sich, dass ihr „Soldat“ plötzlich schreiend hinab fiel und sich schmerzerfüllt zwischen die Beine griff. „Vesta“ lachte glockenhell. Sie hatte die „Schießscharte“ in der Wand genutzt, dem Invasor flink eine Schlinge um sein Gemächt gelegt und sich erfleißigt, herzhaft daran zu ziehen. Derweil der erfolglose Kletterer sich jammernd auf dem Boden kugelte, wischte sich das Fräulein eine Freudenträne aus dem Augenwinkel. „Da bekommt das Wort Glockenläuten gleich eine ganz lustige Bedeutung!“

Ihre Konkurrentin war verärgert über ihren „Soldaten“, der die Wehrmauer nicht erobert hatte. Sie befahl unwirsch: „Umdrehen, du Versager!“ Der Leibeigene rollte sich auf den Bauch. Das Fräulein stellte ihren feinen Lederstiefel zwischen die Schulterblätter des Sklaven und hieb auf das Gesäß ein. „Fahnenflucht! Lauheit! Du erdreistest dich? Das dulde ich nicht!“ Die Lady, die den Angriff des Invasoren abgewehrt hatte, kicherte immer noch. Dann drohte sie dem Leibeigenen mit dem erhobenen Zeigefinger: „Wage keinen zweiten Versuch, die Metropole zu stürmen! Sonst bleibt es nicht bei ein bisschen Zupfen!“ Der Sklave hatte das Gefühl, als würde seine Männlichkeit schrumpfen, sich in den Leib zurückziehen, vor Angst. Was sollte er nur tun? Eine der beiden Herrinnen würde er erzürnen – so oder so.

Nach einer tüchtigen Züchtigung, die ihn von seinem Misserfolg heilen sollte, schickte „Cassandra“ ihn dieses Mal mit einem zweiten „Soldaten“ ins Gefecht. „Du sorgst dafür, dass er die Mauer überwindet! Und wehe, er fällt wieder hinab!“ Sie drohte ihm mit einem Gifttrunk, durch den er Tröstung erfahren werde, sollte er erneut versagen. Insgeheim überlegte sie schon, die Heilerin um ein stark abführendes Mittel zu bitten. Der Sklave nahm seinen Kameraden auf die „Räuberleiter“ und stützte sich mit dem Rücken gegen die Wand. Das gegnerische Fräulein rief zwei ihrer „Krieger“ herbei. „Verteidigt meine Burg! Verhindert, dass der Feind eindringt!“ Sofort eilten zwei Nackte auf die Sprossenleiter, die von der hiesigen Seite der „Stadtmauer“ angelehnt stand und versuchten, den kletternden Sklaven hinabzudrücken. Ächzend und schnaufend rangen die Leibeigenen um die Überhand. „Wehe, du schaffst es dieses Mal wieder nicht!“, warnte die Herrin ihren Soldaten.

Die Konkurrentin versuchte erneut durch die Schießscharte zu greifen, doch war diese nun durch den Rücken des unteren Sklaven geschlossen. Außerdem stieg der Obermann nun auf die Schultern seines Trägers hoch und rang mit den Verteidigern der Wehranlage. Das Fräulein krallte ihre Fingernägel in den Rücken des unteren Mannes, der vor Schreck zuckte und sich von der Holzwand ein Stück wegbewegte. Dabei geriet der Obermann, der gleichzeitig von den Verteidigern attackiert wurde, aus dem Gleichgewicht und rutschte mit den Füßen von der Schulter. Mit einem heftigen Plumps landete er mit dem Gesäß im Nacken seines Helfers und klemmte sich dabei seine Männlichkeit. Jankend wedelte er mit den Armen und stieg ab. „Wieder versagt!“, schimpfte seine Herrin erbost.

Die Freundin lachte schadenfroh. „Lass ihn doch auf dem Pflock sitzen, damit er seinen Gleichgewichtssinn ein wenig übt“, schlug sie vor. Grimmig sah die junge Lady ihren „Soldaten“ an, der sich noch schützend die Hände zwischen die Beine gedrückt hielt. „Guter Einfall! Und er komme erst wieder runter, wenn sein Arsch so platt ist wie eine Flunder!“ Die Freundin ließ ihrer Kreativität ihren Lauf: „Leg eine Dornenmatte unter. Das gibt hübsche Muster.“ Die Fräuleins kicherten und umarmten sich. Der Krieg war vergessen. Zumindest für heute. Aber die versagenden Truppenteile würden den „Lohn“ für ihre Unfähigkeit noch erhalten. Nein, überlegte sich die „Feldherrin“, ferner würde sie Kollektivstrafen verteilen. Das habe eine besonders gute Wirkung auf die Moral, hatte ihr eine andere Freundin mal erzählt. Denn dann würden die mitbestraften Kameraden den Schuldigen eine zusätzliche Abreibung verpassen. Das machte auch die wahre Cassandra so mit ihren Kriegssklaven.

Derweil die jungen Ladys sich am Kriegsspiel ergötzten, um ihrer Langeweile Herr zu werden, hatten sich einige Malus-Priesterinnen in der größten Tempelanlage von Cassandria versammelt. Die Hohepriesterin, die die Runde leitete, hob ihre Arme zur Decke, an der geheime Symbole prangten. Die weiten Ärmel ihrer schwarzen Robe hingen tief und ausgebreitet wie Flügel eines Todesvogels. „Wohlan! Die alte Überlieferung hat uns ein Zeichen versprochen, wenn die Sterne den alten Tafeln entsprechen. Und dieser Wink ist heute gekommen.“ Ein Raunen ging durch die Frauen in ihren schwarzen Gewändern. Zahlreiche Fackeln hüllten die runde Halle in ein gespenstisches Flackerlicht.

Auf einem großen Steinaltar stand eine güldene, flache Schale, die mit einem blutroten Samttuch bedeckt war. Unter dem Stoff bildete sich ein großer kugelförmiger Gegenstand ab. Die Hohepriesterin rezitierte mit ergriffener Stimme eine magische Formel einer Geheimlehre und entblößte dann den Schädel, der sich auf der Unterlage verborgen hatte. In den Knochen waren Runen eingeschnitzt, die dem Maluskult frönten. Die Gewandete griff ihn mit beiden Händen und hob ihn hoch über den Kopf und setzte ihre magischen Worte fort. Im Chor wiederholten die Priesterinnen einige Teile der Andacht, die uralte Kräfte zum Leben erwecken sollte. Eine knisternde Spannung lag in der Luft wie nach einem Blitzeinschlag.

Die Hohepriesterin legte den Schädel zurück auf die Schale. Sie schloss die Augen und murmelte einige mystische Worte. Plötzlich schossen Dampfwolken aus einem Loch im Boden, das direkt vor dem Altar in die Steinquader eingelassen war. Der Dunst reichte bis zur hohen Kuppeldecke der Halle und verteilte sich dann langsam im gesamten Raum, waberte wie geheimnisvoller Nebel. Die Priesterinnen glaubten Gestalten im Dunst erkennen zu können. Tanzende Dämonen. Teufelsfratzen. Rothäutige Geisterwesen mit Hörnern auf der Stirn, einem Pferdeschwanz und Hufen statt Füßen. Die geistlichen Weiber versanken in einer Art Traumzustand und wurden von einem ekstatischen Rausch übermannt, sich mit den Dämonen zu vereinen. Eine Stimme rief entrückt „Ei, schauet diese Pracht! Mich deucht, es ruft mich zu sich!“ Viele Stimmen bildeten einen eindringlichen Chor. „Es ruft mich zu sich!“

Bald war die Tempelhalle erfüllt von ausschweifender Orgie, von obszönen Taten, perversen Sünden und fleischlichen Gelüsten zwischen Weib und Geistwesen. Auf den Stufen, auf dem Altar, auf dem Boden- überall paarten sich die nymphomanen Weiber mit den Teufelsfiguren, die sich in die Leiber ergossen und ihre sündige Lust verströmten. Alle Scham war dahin. Ungezügelt trieben sie es exzessiv und hemmungslos, hungrig, gefräßig gar. Alle versanken im Mahlstrom von Verlangen und Gier. Schreie, Wimmern, Winseln, Stöhnen, Lachen und Kreischen füllten die Kuppel des Malus-Kultes. Die unkeusche Maßlosigkeit führte die Priesterinnen in eine frivole Welt, der sie sich anarchistisch und bedingungslos ergaben. In ihren Augen flackerten der fiebrige Wahnsinn und tiefste Befriedigung zugleich. Bilder, Laute, Gefühle - alles verschmolz zu einem Pfuhl euphorischer Verzückung am animalischen Trieb.

Die Hohepriesterin erbebte und hielt sich entkräftet am Altar fest. Sie war die einzige Person, die keinen Dämon berührt hatte. Trotzdem spürte sie eine wilde Kraft durch ihren Leib jagen, heiß wie flüssiges Eisen. „Dunkle Macht. Das Opfer ist geschehen“, sprach sie feierlich. „Nun lasse das Unglück über alle fremden Herrscherinnen des Kontinents kommen. Entführe die Königinnen in dein schwarzes Reich. Lasse sie qualvoll mit schreiendem Munde zu Grunde gehen. Und schenke der gesalbten Cassandra den Sieg, auf dass alle Völker ihr untertan und unserer Hoheit ihrer Göttlichkeit eingedenk zu Willen seien.“ Als sie ausgesprochen hatte, brach sie ohnmächtig und entkräftet neben dem Altar zusammen.

Zur gleichen Zeit verspürte Helena stechende Schmerzen in ihrem edlen Haupte. Aber sie weigerte sich, von der Medica eine Arznei zu nehmen. Kein Rosenwasser, kein Lorbeeröl, kein Sud aus getrockneten Maulwurfsblut, keine Kräutermischung, keine trüben Tinkturen. Nichts! Wer wusste schon, ob man sie vergiften wollte? Lieber ertrug sie die drängende Pein. Und wenn sie die Beulenpest oder die Schwarzen Pocken bekäme! Doch die Marter wurde unerträglich. Ruhelos stapfte sie in dem gewaltigen Palast umher, der einst von der berühmten Megara bewohnt worden war. Als hämmerte ein ganzer Tross winziger Gnome in ihrem Kopfe mit ihren Spitzhacken auf sie los, um sie zu foltern.

Schließlich hielt sie es nicht mehr aus und stieg hinab in die Katakomben, eilte am Eingang zu den „Mauern des Vergessens“ vorbei und lief bis zu der zugemauerten Stelle, wo die ehemalige Tyrannin Megara in ein unterirdischen Höhlenlabyrinth und ihr schauriges Verderben gerannt war. Helena schlug mit ihren Fäusten verzweifelt gegen die Ziegel. „Diese Agonie! Diese Qualen! Sie sollen aufhören!“ Abrupt verharrte sie. Hatte sie eine Stimme gehört? Eine Stimme in ihrem Kopf. Diese Stimme versprach Linderung, wenn sie die Höhlengänge beträte. Ein Omen der Alten Götter! Sofort spurtete sie Hoffnung schöpfend zur Leibgarde und befahl, die Mauer unverzüglich aufbrechen zu lassen. Verblüfft über den sonderlichen Wunsch der Königin, gehorchten die Männer und machten sich sogleich mit Hacke und Schaufel an die Arbeit.

Eine Senatorin, die davon erfuhr, hastete zu der Regentin. „Majestät! Was habt Ihr vor? Ihr wollt doch nicht etwa in die verzweigten Gänge? Verirren würdet Ihr Euch!“ Helena schickte die Senatorin mit barschen Worten weg. „Kümmert Euch um die Politik! Und lasst mich allein!“ Die getadelte Senatorin hob eine Augenbraue und zog sich stumm und pikiert zurück. Auf dem Weg in ihr Gemach eilte sie mit wehendem Seidentuch durch die kühlen, langen Gänge des großen Bauwerks und presste ihre Lippen aufeinander. Doch ein verstecktes Lächeln wollte sich Bahn brechen. Sollte die Verrückte doch den Tod finden wie Megara vor ihr! Sie buhlte gewiss nicht um die Anerkennung dieser Närrin. Die Götter würden entscheiden.

Die Senatsfrau rechnete sich bei einer Abstimmung gute Chancen aus, die Gunst des Senats zu erhaschen und die vorläufige Regentschaft zu übernehmen. Die Bevollmächtigung für Wahlen würde spätestens eintreten, wenn Helena einige Tage verschollen blieb – oder wenn ihr Leichnam gefunden würde. Doch dazu sollte es erst gar nicht kommen, überlegte die Senatorin. Vielleicht könnte man dem Schicksal nachhelfen und die offene Mauer wieder schließen. Ein hinterhältiger Plan reifte in ihr, der Helena als Opferlamm zum Altar schickte. Doch wem durfte sie sich anvertrauen?

Helena stolperte mit einer Fackel durch die langen Gänge. Und tatsächlich: Je weiter sie lief, desto schwächer wurden die Stiche in ihrem Kopf. Die Königin lachte, dass es von den kahlen Wänden widerhallte. Bald hatte sie ihre Pein völlig vergessen und kehrte um. War sie von links oder rechts gekommen? Sie entschied sich für den linken Weg. Nach einer Weile zweifelte sie an der richtigen Wahl. Sie kehrte um, doch die Abzweigung aus ihrer Erinnerung wollte nicht auftauchen. Der Gang führte sie stattdessen abwärts. Sie hatte auf dem Hinweg gar keine Steigung bemerkt. Wieder kehrte sie um. Wieder erkannte sie den Weg nicht wieder. Dann folgte eine Abzweigung von drei Gängen. Helena stöhnte laut. Wo war sie nur? Sie rief hallend in die Dunkelheit. „Hallo! Garde! Hallo! Ich bin hier! Bringt mich sofort aus dieser Höhle fort!“

Ihre Stimme echote ohrenbetäubend laut in ihrem Schädel. Die Schmerzen begannen auf ein Neues. Helena ergriff die Panik. Sie stolperte hastig einen der Gänge entlang, knickte um, rief um Hilfe und eilte immer weiter in die Finsternis. Plötzlich kreischte sie auf, als sie etwas im Gesicht berührte. War das nur ein Spinnennetz gewesen? Oder hatte die Klaue eines Höhlenkobolds nach ihr gegriffen? Helena fiel beinahe über ihr Kleid und riss es ein Stück ein. Doch das war ihr jetzt einerlei. Sie wollte nur ihren Verfolgern entkommen und aus diesen dunklen, bösen Gängen hinaus. Ihre Hilferufe hallten von den nackten Wänden wider. Ungehört. Die Regentin des Stadtstaates war allein und verloren. Sie erinnerte sich daran, dass auch Megara in diesem Labyrinth zu Tode gekommen war. Hysterisch schrie sie nach Hilfe. Helena hechelte und japste. Sie lief weiter. Kurzatmig. Verschwitzt. Mit hämmerndem Herzen. Wie weit war es noch bis zum Ausgang? Waren da Schritte hinter ihr?

Sie blieb stehen und verharrte. Sie lauschte angestrengt in die beängstigende Finsternis. Doch alles, was sie hörte, war das Blut, das laut in ihren Ohren rauschte. Ein Absatz ihres Stiefels brach ab, als sie über einen schrägen Felsbrocken stolperte, und sie humpelte den Gang entlang. Reumütig verfluchte sie ihren Besuch in den Höhlen. Wimmernd lief sie tiefer und tiefer in die Wirren des unterirdischen Irrgartens. Schließlich zog sie sich beide Stiefel aus und warf sie zornig fort. Ihre königlichen Beine waren verschrammt wie die einer Beerenpflückerin. Ihr Kleid blühte vor Dreck und war zerrissen wie das Gewand einer Magd, die ein betrunkener Knecht ungeschickt beackert hatte. Helena griff sich ins Gesicht und hinterließ schmutzige Spuren, die sich mit den Tränen mischten. Sie drehte sich im Kreis, aber die Dunkelheit war überall. Niemand kam, um sie zu retten. Die Felsen hatten sie eingekerkert wie eine Vogelfreie. Sie schluchzte laut und verlor den letzten Funken Hoffnung.

Zu dieser Stunde gab Prodita, die Senatorin, die die Macht des Stadtstaates an sich reißen wollte, den Geheimbefehl, die Öffnung des Höhlenlabyrinths zumauern zu lassen. Nachdem die zwei Arbeiter fertig waren, wurden sie von zwei Gardistinnen in eine Kammer geführt, wo sie ihren Lohn erhalten sollten. Doch statt der versprochenen Silbermünzen schmeckten sie die Klingen der Gerüsteten. Prodita wollte keine Zeugen für ihren Regentschaftssturz. Nur drei Tage später ließ sie verkünden, dass die geliebte Führerin auf rätselhafte Weise verschollen sei. Der Senat setzte Prodita wie erwartet als kommissarische Führerin des Stadtstaates ein. Ein ganz und gar beseligendes Gefühl überkam sie. Ihre Krönung würde nur eine Frage der Zeit sein, stellte sie trunken vor Stolz fest. Und nur die Alten Götter wussten, ob sie nicht eines Tages auch Einfluss und Macht über Ledanien besaß. Wer je von der süßen Macht genascht hatte, war ihr verfallen für alle Ewigkeit.






224. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 04.09.22 15:41

Zufrieden griff sie nach einem Stiel einer reifen Kirsche, die mit zahlreichem anderen Obst in eine tönernen Schale lag, und steckte sich die Frucht zwischen die Lippen, zupfte mit den Zähnen den Stiel ab und zerbiss die saftige Kirsche. So süß konnte das Leben sein! Man musste es nur in die eigenen Hände nehmen. Im Palast war es angenehm kühl, während draußen Gluthitze den Boden verdorrte. Ihre prunkvolle Liege war mit dicken Pelzen gepolstert. Stumm und reglos wie Säulen standen vier Leibeigene in ihrem Lederharnisch im Hintergrund vor einem gewaltigen Marmorrelief, das eine ruhmreiche Schlacht abbildete, stramm und warteten auf Befehle der Herrin. Sie wussten, was geschah, wenn sie ein leises Fingerschnippen nicht schnell genug bemerkten. Die nackten Hinterteile der Männer konnten eine Ode davon singen. Zwei von ihnen waren frisch gestriemt.

Weit entfernt versteckte sich seit vielen Jahrhunderten der Eingang zu einem anderen Höhlensystem. Der Seher Caduceus wandelte in der Grotte umher. Wo war nur der Kristall? Hatte er sich geirrt? War er in der falschen Höhle? Nein, der alte Mann war sich sicher, den richtigen Weg eingeschlagen zu haben. Der grüne Stein hatte auf diesem flachen Felsplateau gelegen. Und nun war er einfach hinfort. Caduceus setzte sich erschöpft auf den kalten Boden und versank in einen Traumzustand. Die Alten Götter mussten ihm einen Hinweis geben. Jämmerliches Klagen war ihm keine Hilfe. Wie sollte er sonst die Säulen des Alten Kontinents wieder in die rechte Stellung bringen? Wie den Krieg verhindern? Den Untergang so vieler Völker? Und seine Majestät Leda aus dem Zwischenreich der Dämonen retten?

In seinen Visionen erschienen geheimnisvolle Trugbilder über den undurchdringlichen Nebel, in dem Leda und ihre Delegation verschwunden waren. Gefährlich nahe links und rechts ihres schmalen Pfades lauerten tödliche Fallen: tiefes Moor, kochende Quellen, Sumpfgestalten mit rot glühenden Augen und grüner, pockiger und warziger Haut und langen, scharfen Krallen. Eine Kreatur mit einem Medusenhaupt tauchte aus dem Morast auf und bleckte die Reißzähne… Caduceus kostete der Blick in die Zwischenwelt all seine Kraft und bald schon fühlte er sich so matt und ausgelaugt wie bei seinem ersten Besuch in der Höhle, als er dem grünen Kristall seine Lichtkraft nahm.

Als er fast glaubte, seine Besinnung zu verlieren, verspürte er einen leisen, hellen Ton, ein Klirren wie das von zwei Gläsern, die gegeneinander stießen. Caduceus zwang sich aus seiner trügerischen Vision zu entkommen und in seine Umgebung zurückzukehren und blickte sich in der Grotte um. Der Kristall! Er lag vor ihm auf dem Boden! Der Seher bückte sich danach und hielt ihn mit beiden Händen fest und doch zitternd umschlungen. Er schloss die Augen und konzentrierte sich auf die Empfindungen, die der Stein ihm sandte. Seine Formeln kämpften gegen die bösen Kräfte an, die Leda und ihre Begleiter im Nebel gefangen hielten. Der Greis ahnte, dass er seine letzte Lebenskraft opfern müssen würde, um seine Majestät zu retten.

Caduceus war bereit. Er rang einen Kampf, den er nicht gewinnen konnte, aber auch nicht verlieren wollte. Schließlich wusste er nicht, ob es ihm gelungen war, als er die Besinnung verlor. Den Kristall hatte er nicht wieder entflammen können. Ein großer Krieg auf dem Kontinent war unabänderliche Heimsuchung der Kleinstaaten. Wer auch immer siegen würde, der Alte Kontinent würde danach ein anderer sein. Caduceus hauchte sein Leben in der vagen Hoffnung aus, Leda gerettet zu haben. Doch er musste mit der Gewissheit sterben, dass er durch sein Wirken auf den Kristall nicht nur den Leviathan im Westmeer entfesselt, sondern auch Umwälzungen gigantischen Ausmaßes auf dem gesamten Kontinent verursacht hatte.

Der alte Seher lag auf dem kalten Fels und erschlaffte. Dieses Mal immerdar. Nur wenige Augenblicke später krabbelten stinkende und schleimige Ghule mit ihren blinden Augen und rissigen Lippen herbei und umringten den liegenden Körper. Und wie auf ein geheimes Signal machten sie sich kreischend und wühlend an ihm zu schaffen, um ihn endgültig in ihr Reich zu holen. Das Felsgestein färbte sich, als die Kreaturen der Unterwelt sich mit dem Fleische besudelten. Der Kristall jedoch blieb reglos auf dem Boden liegen und erlosch für alle Zeiten, wurde blind und schließlich zu ordinärem Granit, beraubt seines schmucken Glanzes.

Wenige Stunden später zeigte Gladius mit ausgestrecktem Arm nach vorne und rief: „Majestät! Seht! Der Nebel! Er löst sich auf!“ Leda sah erleichtert, dass die Sicht deutlich verbessert war. Der Silberflor, den der Nebel über die Lande gelegt hatte, verzog sich. Auch der Pfad hatte sich zu einem harten Lehmboden gewandelt. Und bald schon wuchsen Sträucher und Bäume an den Seiten und es grünte in ihren Kronen. Die Sonne kam durch den weißen Dunst durch, der sich nach und nach völlig verflüchtigte. Die Reiterschar löste ihr Seil und ritt wieder in Zweiergruppen nebeneinander. Voller Hoffnung den rechten Weg nun wiederzufinden, bewegten sie sich vorwärts.

Nike erkannte den Ort, wo sie sich befanden. Sie waren weit nach Norden geraten, doch ein halber Tagesritt würde sie zu einem lichten Birkenwald führen, der an seinem südlichen Ende an eine hügelige Grasebene grenzte, auf der sie auf den Palisadenzaun stoßen würden, der Ledanien von den „Freien Ländereien“ abgrenzte. Leda atmete erleichtert aus. „Wir sind gerettet! Den Alten Göttern sei Dank!“ Der Tross ging in einen lockeren Trab über und näherte sich der Grenze. Endlich umfloss sie die behagliche Sonne des Frühlings, doch Abas fühlte eine Gänsehaut über den Leib ziehen. Bald würde er in seiner Burg sein. Die maliziösen Mächte, die sie vom Wege abbringen und ins Verderben reiten lassen wollten, hatten versagt, aber er spürte sich noch immer gefesselt von fremden Mächten, die ihm Unbill wollten.

Der Schultheiß Gladius nahm vor Erleichterung einen kräftigen Schluck aus seinem Weinschlauch und prostete den Gefährten zu wischte sich mit dem weiten Ärmel seines Waffenrocks das Kinn und rülpste leise, bevor er den Schlauch mit dem labenden Tropfen wieder in der Satteltasche verstaute. Die Reisenden kehrten schon wenige Stunden später erleichtert auf ledanischen Boden zurück. Einen Bogenschuss vom Durchgang im Palisadenwall entfernt, stand eine Traube Untertanen der Königin als Zaungäste: Ein Falkner hatte einen Vogel auf seinem dicken Lederhandschuh hocken, ein Jäger rief ein lautes „Hurra“, einige rosige Mägde hielten ihre Hände als Schutz vor der Sonne über die Augen, um die Ankommenden besser erkennen zu können und nestelten nervös und mit geschwind schlagenden Herzen mit der anderen Hand an ihren Leinenschürzen.

Die Gruppe winkte ihrer Regentin zu, als sie die flatternde Fahne der Standarte erkannten, die ein Gardist auf seiner Rotschimmelstute an seiner Lanze führte: eine aufrecht stehende Löwin mit Schwert in der Pranke. Der Jäger Arcanum hatte dank seiner scharfen Adleraugen als erster gewusst, dass hier Leda und ihr Gefolge ritten. Nur wenige Menschen wussten, was ihn mit Leda für eine Geschichte verband. Die Ledanier ergötzten sich an den fliegenden, bunten, edlen Stoffen des Zugs, der dort entlang ritt. Welche Pracht die höfische Gesellschaft ausstrahlte! Ohne Habgier oder Neid gönnten sie dem Adel und ihren Geharnischten die Uniformen und wertvollen Pferde. Denn in der Not, so wussten sie, würde die Königin ihrem Volk stets zur Seite stehen. In ihren Blicken lagen eher Neugierde und Sympathie.

In der Zitadelle verkündete der Gardist Aphron seiner Königin von dem Vorhaben des Alchimisten. „Er wollte unbedingt alleine reiten. Aber gestern erschien sein wiehernder Rappe allein vor dem Burggraben. Da ahnte ich Schlimmes. Ein Suchtrupp ist sofort ausgeschwärmt, aber ich fürchte, dass wir Caduceus nicht mehr finden. Vielleicht ist er Opfer der bösen Mächte geworden, von denen er sprach.“ Leda spürte, dass Aphrons Vermutung wahr war. Der Seher hatte sich für sie und Ledanien geopfert. Und als wollten die Alten Götter ein Omen setzen – sei es Trauer, Anerkennung oder einfach einen Fingerzeig – verdunkelte sich die Sonne an diesem Tage bis auf einen dünnen Rand der Korona. Fast das gesamte Himmelsgestirn hatte sich hinter dem Mond versteckt, für Augenblicke eine unheimliche Kühle und Dunkelheit herauf beschworen, die Tier und Mensch frösteln ließen.

Ein Tag darauf, bei Vollmond, richtete die Königin ein prachtvolles Trauerfest für den verstorbenen Alchimisten aus, um ihm die gebührende Reverenz zu bezeugen. Caduceus sollte in die Historie von Ledanien eingehen und für immer als Held und Retter des Reiches geehrt werden. Er sollte in die Chroniken aufgenommen werden und nie vergessen werden. Sein Name würde in der ledanischen Geschichte große Bedeutung bekommen. Schreiber sollten sein Lebenswerk und sein Opfer auf den Pergamentblättern zwischen den kunstvoll verzierten Holzdeckeln der Folianten verewigen. Die Bibliothek der Burg sollte noch in Jahrhunderten von dem Seher Zeugnis reden, wie auch Barden von ihm singen würden.

Während des Feuerrituals in der lauen Nacht, das im Burghof stattfand, erschienen Dutzende Raben und krönten die Zinnen der Festung. Doch sie verblassten mit ihrem schwarzen Federkleid in der Dunkelheit und blieben unbemerkt von den Ledaniern. Nur in ihren Augen spiegelte sich das Feuer, das die Gardisten angebrannt hatten. Lautlos starrten die Vögel auf die Zeremonie, als wollten auch sie dem Seher ein letztes Geleit geben. Trommeln spielten einen militärischen Takt, um den Verstorbenen zu ehren, und aus einem kleinen Glockenturm erklang Geläut. Die Rauchschwaden der Flammen verteilten sich im Burghof und schwängerten die würzige Luft, als nächtliche Winde leise Flügel schlugen. Alle Gardisten standen aufgereiht in ihren gesteppten Gambesonen auf dem Platz, die mit Federn geschmückten Helme unter dem Arm, die Rücken stolz durchgestreckt, tief ergriffen in Gemüt und Seele. Im Hintergrund hing die große Flagge von Ledanien, auf den sie ihren Eid geschworen hatten.

Auch die Angehörigen des Hofes und Bediensteten waren anwesend. Das Rittervolk hatte den Gardisten gegenüber Aufstellung genommen, die Dienstboten hatten sich ehrfürchtig vor dem Gatter des Heuschobers versammelt, der aus Weidenruten geflochten war, und durch deren Lücken einige Knappen und Stallburschen dem Ritual heimlich beiwohnten, obschon es sich nicht geziemte. Die Königin hatte als Zeichen der Anerkennung ihre schlichte Krone vom Haupt genommen und auf einem roten Samtkissen auf einem hohen Schemel abgelegt. Vor Aufregung biss sie sich auf die roten Lippen. Aber während der Zeremonie wirkte sie stark und standhaft wie aus Marmor gemeißelt. Eine Schwäche erlaubte sie sich nicht. Und nur wenige Vertraute wussten, wie es hinter der Fassade in ihr aussah. In ihrem Busen verbarg sie arge Trauer. Nur vor ihrem Volke durfte sie kein Tränlein darbringen. Abas musste hart schlucken. Versunken in Gedanken starrte er in das Feuer, als begehrte er es aufzusaugen.

„Was wird uns die Zukunft bringen?“, fragte Leda leise ihren Gemahl später in ihrer Kammer. Abas zuckte mit den Achseln. „Getröste dich, mein Herz. Sollten die feindlichen Reiche aus dem Osten einen Feldzug gegen unsere Allianz wagen, so sind wir gut gerüstet. Habt keine Furcht, meine Königin. Unseren Soldaten gebricht es nicht an Mut und Geschick.“ Er legte seine Hand auf Ledas linke Schulter und drückte sanft zu. Sie nahm seine Hand sanft in die ihre und küsste sie. Die Regentin wusste, dass das Leben weiterging. Ein anderer Heiler musste zum königlichen Medikus ernannt werden. In Ledanien herrschte glücklicherweise kein Mangel an Badern, Barbieren und Heilkundigen. Vielleicht könnte auch Aphron die Rolle des verstorbenen Caduceus übernehmen, denn er hatte stets mit Interesse und Talent die Heilkünste des Sehers verfolgt. Der Gardist hatte auch bereits einen Breiumschlag für Abas bereitet und für Caduceus Kräuter aus dem Garten gezupft. Außerdem war er geschickt im Umgang mit dem Mörser und Stößel.

In dieser Nacht regnete es dünne Fäden, als weine der Himmel. Die Rinnsale nässten den Boden und löschten das Feuer. Kälte zog auf, die sich auch in die Knochen der Menschen schlich. Ein bunter Regenbogen breitete sich im Morgengrauen über der Zitadelle aus, als wolle er den Menschen Hoffnung schenken. Er schien irgendwo an der Küste im Meer zu enden. Leda hatte kaum geschlafen, obwohl sie in der Nacht einen Trunk aus heißer Milch, Honig, Baldrian und Mohn zu sich genommen hatte. Nun, als der Himmel am Horizont mit einem zarten Violett den Beginn des neuen Tages ankündigte, stieg sie in den Turm, den Caduceus bewohnt hatte. Sie lugte aus dem Fenster in der Kammer des Sehers und fröstelte.

Der nächtliche Guss hatte die Luft deutlich gekühlt. Leda trug über ihr Brokatkleid einen kurzen Überwurf aus Fuchsfell und zitterte trotzdem noch. Sie sah weit über das Land hinaus in die Ferne und seufzte. Aber sie spürte auch, wie in ihrem Herzen ein zartes Pflänzchen aus Hoffnung auf eine goldene Zukunft erblühte. Zunächst waberte die inzwischen purpurne Morgenröte am Horizont, dann blitzten die ersten Sonnenstrahlen durch eine zerstobene Wolkendecke goldgelb in der Ferne auf und verscheuchten die Trübe der Nacht. Die Königin strich liebevoll über eine kleine Kiste auf der Fensterbank, in der Caduceus seine Kräutersammlungen aufbewahrte. Davon erhielt Abas auch einen Absud, der ihn genesen ließ. Ledas Finger glitten über eine winzige Figur, die der Seher kunstfertig aus Ulmenholz geschnitzt hatte und einen Leviathan aus den alten Legenden darstellte.

Von irgendwoher hörte sie eine Schalmei spielen. Sodann stieg Leda behände, angesteckt von der fröhlichen Melodie des fahrenden Musikers und fast ungestüm die Wendeltreppe wieder hinab, um mit ihrem Gemahl zu frühstücken. Sie freute sich schon auf das dampfende und duftende, frischgebackene Brot mit Butter und Ahornsirup. Gemeinsam würden sie die Zukunft klug und kühn meistern. Das wusste Leda auch ohne Weissager. Der wühlende Kummer in ihrer Brust war besiegt.

Als sie über den Burghof lief, um in den Saal zu gelangen, wo ein sommersprossiger Bäckerjunge bereits mehrere Tabletts und Bastkörbe mit Leckereien abgestellt hatte, wurde sie von einem Habicht beobachtet, der mit seinem prächtigen Gefieder auf der Dachgaube eines Turmes thronte. Mit messerscharfem Blick nahm er die Königin aus luftiger Höhe wahr. Dabei war sein Augenmerk ursprünglich auf eine graue Maus im Hof gerichtet, die ihr nahes Todesurteil noch nicht erkannt hatte. Doch durch Ledas Schritte aufgeschreckt, flitzte der kleine Nager zu einer Spalte im Mauerwerk und verschwand vor den Augen des Raubvogels.

Der Habicht blieb gelassen und schwang sich gickernd in die Lüfte, kreiste ein Mal über der Zitadelle und glitt, von einer Windschicht getragen, segelnd über eine Wiese. Schon entdeckte der Herr der Lüfte in einem nahen Weiher einen Fisch, dessen Schwanzflosse für einen Wimpernschlag die Wasseroberfläche durchschnitten hatte und einen leisen glucksenden Laut erzeugte. Für diese unbedachte Bewegung würde die Schleie vielleicht einen hohen Tribut zahlen. Im nächsten Moment war der Habicht vom Himmel verschwunden. Nichts störte die Idylle über dem Teich, über dem zwei Libellen leise surrend schwebten. Ein friedliches Froschquaken war aus der Nähe zu vernehmen. Doch plötzlich schoss der Raubvogel wie aus dem Nichts flatternd zwischen dem Uferschilf hervor und schlug seine klingenscharfen Krallen durch die Wasseroberfläche, um seine Beute zu durchbohren.


Eine brandgefährliche Zeit sollte anbrechen. Im Osten tobte die Schlacht um die Metropole. Cassandria hatte zum großen Angriff geblasen. Die Duxas der Vesta hatten bereits nach wenigen Tagen davon gesprochen, dass die Stadtmauer nicht lange zu halten sei. Dazu sei die Streitmacht der Cassandra einfach zu gewaltig. Und dann noch zwölf Trolle! „Wo die hinschlagen, da wächst kein Gras mehr“, hatte eine Offizierin ihrer Königin kummervoll berichtet. Vor ihrem inneren Auge sah sie den übermächtigen Kriegshammer, der das Gemäuer unter ihm zerbröseln ließ wie einen Lehmklumpen. Vesta hatte Wutausbrüche bekommen und gezetert. Aber alles half nichts. „Niemals werde ich kapitulieren! Niemals!“ Sie wischte sich den Geifer vom Kinn, spuckte undamenhaft aus und fauchte wie eine Katze unter einem geilen Kater.

Sie ließ Aurora aus dem Karzer holen und in einem verzweifelten Versuch, Cassandra zu beeindrucken, in die feindlichen Reihen jagen. Allein, nackt, nur mit einem Schild um den Hals, auf dem ihre Herkunft geschrieben stand. Aurora wusste, dass sie ihr Leben in der Hand der Kriegstreiberin verwirkt haben würde und schrie ihrer Schwester hysterisch hinterher: „Du eitrige Pestbeule! Dir ist die Krone zu Kopf gestiegen! Je höher der Affe steigt, desto mehr Arsch zeigt er! Verflucht seist du, Vesta! Brennen sollst du in der Unterwelt!“ Sie spuckte um sich und versuchte die Flagge ihrer Schwester zu besudeln, doch schon stießen groben Arme sie vorwärts, dem Widersacher entgegen. Vesta lächelte heiter. „Gehab dich wohl, Schwesterlein.“

Nackt bis auf ihren Keuschheitsgürtel stolperte und rannte die Prinzessin über Stock und Stein in die Linie der gegnerischen Kampfsklaven. Ihr Gesicht war puterrot vor Scham und Wut. Vesta beobachtete gebannt von den hohen Zinnen der Metropole das Geschehen. Der schwarzsilberne Turm der Festung glich einem übergroßen Obelisken, auf dessen Spitze ein scharfer Dorn die Wehrhaftigkeit der Anlage symbolisierte. Hierher war Vesta in diesen Tagen oftmals hinaufgestiegen, um die feindlichen Truppenbewegungen zu sichten. Längst waren die Landstriche um die Stadt in den Händen der cassandrianischen Truppen. Statt dem Duft von Jasmin, dominierte der Gestank von Pech und Schwefel. Rauchsäulen und verheerte Felder zeugten von der verwüstenden Übermacht der Cassandra.

Aurora wurde unterdessen durch die unzähligen Arme der feindlichen Krieger gereicht und tausendfach unsittlich berührt. Sie fühlte sich wie ein mit Honig eingeriebenes Stück Fleisch, das von Bienen und Termiten gefunden worden war. Ihre Schwester sah aus der Ferne, wie Aurora über den Köpfen der Hundertschaften Kampfsklaven nach hinten getragen, betatscht, begrapscht und besudelt wurde. Schließlich erschien das unfreiwillige Präsent vor einer hohen Duxa. Aurora wurde von zwei Sklaven auf die Knie in den Dreck gedrückt, dass der Morast hoch spritzte. Die Führerin erkannte die Prinzessin auch ohne Schild sofort. „Sieh an! Die ehrwürdige Prinzessin, die uns so eilig verlassen hat! Welch aparte Beute!“ Aurora wimmerte und senkte devot ihr Haupt. „Gnade! Habt Gnade mit mir! Ich will Cassandra dienen. Glaubt mir. Ich hasse meine Schwester, dieses Miststück! Ich will nur ihr Verderben. Ich weiß, wie Ihr die Stadtmauer überwinden könnt. Lasset mich Euch helfen.“

Die Duxa lehnte Auroras Ansinnen brüsk ab. „Schwätzerin! Schweiget mit Eurem törichten Geseier! Ihr könnt gar nichts! Aber ich werde Euch nicht töten. Obschon Ihr in meinen Augen nur Abschaum seid wie eine ordinäre Gassenjungfer. Unsere hoch geehrte Majestät soll über Euer jammervolles Leben entscheiden. Vielleicht gibt sie Euch ja in die Hände der Malus-Priesterinnen, die Euch von Euren Sünden reinigen. Und nun packet Euch fort!“ Mit einem knappen Wink ließ sie Aurora abführen. Die Malus-Priesterinnen? Die junge Witwe ahnte, dass die Heiligen Frauen sie nicht als Mündel aufnehmen würden. Eher sollte sie wohl als Opferfleisch dienen. Ihre nackten Fersen gruben Furchen in den Boden, als sie sich gegen die Soldaten zu wehren versuchte. Aurora greinte und rollte wild mit dem Kopf. „So gebt mir doch wenigstens ein Gewand, meine Blöße zu bedecken!“ Aber ihre verzweifelten Worte wurden nur von schadenfrohen und bissigen Bemerkungen der Soldaten begleitet. Die Duxa hatte sich mit gewichtiger Miene längst abgewandt.

Bald darauf war Aurora auf dem holprigen Weg unterwegs in die cassandrianische Hauptstadt: auf einem Eselskarren in einem Käfig, dessen Decke über eine runde Aussparung für den zarten Hals der Prinzessin verfügte. Sie saß hinter ihren Gitterstäben auf einem gefetteten Holzzapfen, der sich bei jedem Schlagloch, jeder Bodenwelle und jeder Wurzel, die den Weg kreuzte, in ihrem Leib vergnügte. Nach einigen Meilen kamen aus Auroras trockener und rauer Kehle nur noch heisere Krächzlaute. Schaumblasen bildeten sich vor ihrem Mund und waren ihr einzig Gezier. Lüstern gafften Kampfsklaven auf die entblößte und früher makellose Schönheit in ihrem Keuschheitsgürtel: manche mit grimmigen, unrasierten Gesichtern, manche mit geiferndem Glotzen, andere mit schmierigem und faunischem Grinsen. Und entblößt war selbst das Haupt der Gefangenen, denn die Duxa hatte Auroras langes, seidiges Haar bis auf den blanken Schädel kahl scheren lassen, auf dem jetzt nur hässliche Stoppel sprießten. Doch egal, wie sehr ihre Welt zerbarst, spürte sie weder Reue noch Buße für ihre Sünden.

Ein zufälliger Betrachter am Wegesrand hätte nicht sagen können, ob die Eichhörnchen und Rehe vor der scheppernden, mächtigen Kolonne oder dem schrecklichen Anblick der entwürdigten Prinzessin entfleuchten. Die Offizierin und Feldherrin vor der Metropole war sich sicher: Bald würde das Reich der Vesta endgültig zu Staub zerfallen. Cassandria würde zu einer unbesiegbaren Macht werden. Stark wie nie zuvor. Im Anschluss könnte der Heereszug in den Westen beginnen und vollenden, was die Herrscherin hier begonnen hatte. Kein Bollwerk wird uns aufhalten, ahnte die Duxa. Keine Mauer. Keine Armee. Keine Gottheit. Kein Hexenwerk. „Die nächste Angriffswelle bereitmachen!“, kommandierte sie laut mit harter Stimme. Sofort setzten sich Gerüsteten in Bewegung und riefen Schlachtrufe im Chor, krachten mit ihren gepanzerten Handschuhen lärmend gegen ihre brünierten Brustharnische und reckten ihre angsteinflößenden Waffen in die Höhe.

Auf ein weiteres Zeichen stürmten die wacker vorpreschenden Sklaven brüllend und fieberwild auf die Stadtmauern der Metropole zu in den wogenden Kampf. Auf den Schulterplatten ihrer Panzer reckten sich scharfe Dornen in den Himmel, die schaurigen Klingen waren schartig und doch scharf gewetzt. Ihre derben Stiefel trampelten die Gräser platt. Und im nächsten Moment brandete der Teppich aus tummelnden Soldaten gegen die Wehranlage der Metropole, um Ruhm und Ehre werbend. An vielen Stellen brannte das Mauerwerk bereits oder war von den vielen Angriffen zerrieben und brüchig und bröselte wie Haferkeks. Spuren der Verwüstungen zeigten sich überall, verwaiste Waffen lagen in Pfützen oder steckten fest in ausgelöschtem Leben; stille Zeugen der finster brütenden Gier nach Ruhm und Sieg.

Vesta starrte entsetzt mit mit schwer gewordenem Herzen aus dem Spitzbogenfenster eines hohen Turms ihres Palastes. Ihre geflochtene Turmfrisur wurde von einem schwarzen Netz gehalten, das an das Heim einer Giftspinne erinnerte. Ihr Antlitz war bleich wie Elfenbein, ihre Wangen eingefallen. Sie konnte nicht fassen, was sie da sah: Die Horden der cassandrianischen Armee nahmen kein Ende. Ein Teppich aus Getier, wimmelndem Vieh. Die Ebenen waren bedeckt von einer überflutenden und nicht enden wollenden Masse aus Kampfsklaven, Welle für Welle. Und auch die zwölf gigantischen Trolle näherten sich mit monströsen Keulen, die mit ellenlangen Stacheln gespickt waren, erneut der Wehrmauer. Die junge Königin klagte vorwurfsvoll: „Mutter, was hast du mir für ein schweres Erbe hinterlassen!“ Waren die Geschicke des Kontinents noch zu wenden? War dies ihr Erdenlos? Sie sah den Zierdolch auf ihrer Kommode liegen. Sie streckte eine Hand nach der Klinge aus. Unbezähmt griffen ihre Fingerlein nach dem letzten Trost. Der Feind sollte sie nicht in seine dreckigen Fänge bekommen.

Hoch am Himmel kreisten bereits krächzende Aasgeier, mit den langen, kahlen Hälsen gereckt nach einem Festschmaus Ausschau haltend und wissend, dass bald durch den Tanz des Todes allda ein reiches Mahl serviert würde. Es waren dunkle Wolken aufgezogen, die die Sonne aussperrten, als wollten sie der verwelkten Lande ein Zeichen geben, dass sich hier das Böse erhoben hatte. Das Böse, das sich suhlte im Leid der Menschenkinder. Die Saat war aufgegangen. Nun folgte die blutige Ernte. Bald würde der Sieger seine Fahnen im Trug des Hasses aufziehen und sich an den Besiegten ergötzen. Die Götter hatten diesen Tag auserwählt, um das weitere Schicksal der Erde zu gestalten. Egal, welche Tyrannin den Sieg letztlich heimfuhr – ein gewaltiges Ostreich würde entstehen und den Westen mit seiner Niedertracht und neuen Ränken bedrohen. Niemand durfte sich sicher fühlen vor der dunklen Bedrohung. Denn dies war erst der Anfang.
225. RE: Literarisches Meisterwerk!

geschrieben von M A G N U S am 07.09.22 08:48

"Zunächst waberte die inzwischen purpurne Morgenröte am Horizont, dann blitzten die ersten Sonnenstrahlen durch eine zerstobene Wolkendecke goldgelb in der Ferne auf und verscheuchten die Trübe der Nacht."

Das muß man sich auf der Zunge zergehen lassen; der schwer beeindruckte Leser erstarrt in ehrfürchtiger Anerkennung, welche sprachlos macht!

Mit Schaudern gewahren wir in der Erzählung die Parallelen zu den Geschehnissen unserer Tage, wie das Ostreich erstarkt durch einen stählernen Herrscher, dem es gelang, vom demokratisch gewählten Politiker zum Diktator zu werden, so wie es neunzig Jahre zuvor beispielgebend in einem der jetzt noch freien Ländern geschehen war und schließlich der Welt Trümmerlandschaften eines unermeßlich grausamen Krieges beschert hatte mit Abermillionen von Opfern - die Grausamkeit des aus menschlichem Geist entspringenden Wahnsinns übertrifft mit ihrer Gegenwärtigkeit die Phantasie jeglicher blutrünstigen Geschichte.

Der letzte Seher des Ostreichs wurde im greisen Alter zu Grabe getragen, so stark und mutig es ihm vor über 30 Jahren gelungen war, den unterjochten Völkern des Ostreichs die Freiheit zu geben, gelang es ihm nicht mehr, den Kristall des Friedens am Leuchten zu halten und im Gegensatz zu der Erzählung der Alten Welt halten die Herrscher unserer Tage die Urgewalt der Materie in Händen, kraft derer sie gesamte Kontinente nicht nur vernichten, sondern aufgrund entsetzlicher Strahlungskräfte auf Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte unbewohnbar zu machen...


"ein gewaltiges Ostreich würde entstehen und den Westen mit seiner Niedertracht und neuen Ränken bedrohen. Niemand durfte sich sicher fühlen vor der dunklen Bedrohung. Denn dies war erst der Anfang."
226. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 24.09.22 19:23

V.



Die Sonne brannte gnadenlos vom wolkenlosen Himmel herab auf die Ebene. Nur kleine Büsche trockneten hier und da vor sich hin, ein paar Insekten brummten durch die Luft. Ansonsten war es still. Doch aus weiter Ferne konnte die Schlange, die am Wegesrand im Schatten eines Felsens eingerollt lag, bereits die Erschütterungen spüren, die ein Pferd mit seinen Hufen auf dem staubigen Pfad verursachte. Das Reittier kam näher und näher und hinterließ eine Staubwolke, die sich nur langsam wieder auf dem Boden absetzte.

Die Soldatin ritt einen braunen Wallach. Ihre Lederuniform war mit runden Nieten besetzt und an Nacken und dem Übergang zu den Armen mit verstärkten Lederstücken gerüstet, so dass ihre Schultern viel breiter aussahen, als sie in Wirklichkeit waren. Hinter ihr wehte ein scharlachroter Umhang. Auf dem Rücken des Vierbeiners war eine Satteltasche mit einem punzierten Knotenmuster festgeschnallt, in der die Reiterin ihr spartanisches Reisegepäck aufbewahrte. Ihr Weg führte sie im Osten des Alten Kontinents durch das Reich der Cassandra und seine weiten Ebenen.

Im Feldzug gegen das westliche Bündnis aus Ledanien und Helenas Stadtstaat sowie weiterer Fürstentümer und Königreiche hatte sie so manche Angriffsformation geleitet. Der Krieg hat ihre Narben hinterlassen. Die Centuria wachte fast jede Nacht Schweiß überströmt am Lagerfeuer auf, aus ihren Nachtmahren herausgerissen. Die Kriegswirren hatten unauslöschlich Bilder und Schreie in ihren Kopf gebrannt, die sie des Nachts besuchten. Manches Mal meinte sie, noch den Gestank des Todes zu riechen, der sie heimlich umschmeichelte.

Als endlich der Große Waffenstillstand zwischen der Ostmacht und dem Westbündnis unterzeichnet wurde, hatte die Centuria einen Mond lang Zeit, sich von ihrer Truppe zu lösen und ihrem Vergnügen nachzugehen. Der erste Weg führte sie zu Hydra, der Besitzerin eines großen Liebeshauses. Die wohlgeformtesten und schönsten Jünglinge sollten dort als hervorragend ausgebildete Lustsklaven dienen, so die verbreitete Kunde. Angeblich gab es immer wieder frische Ware: Unbefleckte, die darauf warteten, ihr Fleisch für die Begierde der ausschließlich weiblichen Gäste herzugeben.

Als sich die Soldatin dem Gehöft näherte, bemerkte sie einen Feldsklaven, wie der mit einem Holzeimer Wasser aus einem Brunnen schöpfte. Ein zweiter Mann stand einen Pfeilschuss entfernt und mähte mit einer langen Sense ein kleines Weizenfeld ab, das goldgelb in der Sonne leuchtete. Bei ihm stand ein Heukarren, in dessen Geschirr sich ein Esel langweilte. Die Reiterin trabte bis an einen waagerechten Holzbalken, der von der Sonne bereits porös und ausgeblichen war, sprang von ihrem Pferd und band den Lederzügel um das Holz. Ihre Lederuniform knarrte bei jedem Schritt. Mit hastigen Bewegungen strich sie sich den schmutzigen Staub der Reise von den Schultern und der Brust, auf der ein karmesinroter Drache gestickt war – das Zeichen ihrer Kolonne.

Schon Meilen entfernt hatte die Reiterin den hohen vergoldeten pagodenartigen Dachturm gesehen. Jetzt ragte er genau vor ihr in den Himmel wie ein riesiger Phallus. Sie betrat das Gebäude, das mit seinem Fachwerk und dem Schindeldach einsam und verlassen in der Landschaft stand. Über der Tür war ein großes Schild angebracht, auf dem in roten Buchstaben stand: „Hydras Paradies“. Die Soldatin freute sich auf einen großen Zuber mit heißem nach Rosenöl und anderen Ingredienzien duftendem Wasser, nach geschickten Händen von Jünglingen, die mit Schwämmen den Dreck ihrer Reise von ihr abwischten und ihre gemarterten Muskeln verwöhnten. Und natürlich verspürte die Soldatin nach der langen Zeit in kriegerischen Scharmützeln und endlosen exerzierenden Manöver zu Gefechtsübungen und Kampftechniken eine Sehnsucht nach Entspannung. Die Frau hatte es satt, die Klinge zu schwingen und Kriegssklaven anzutreiben. In Hydras Paradies wollte sie sich ganz im Strudel der Erfüllung verlieren, sich fallen lassen, sich den Wogen der Lust hingeben…

Hydra begrüßte ihren Gast mit einer vornehmen Verbeugung. „Tretet ein, edle Centuria unserer hoch verehrten Majestät Cassandra. Was ist Euer Begehr?“ Als ob jemand käme, um hier ein Brot zu kaufen oder sein Ross beschlagen zu lassen!, dachte die Soldatin. „Ich möchte ein weiches Lager, ein heißes Bad und ein wenig Kurzweil für die Nachtstunden. Und vorher habe ich Hunger und Durst.“ Hydra lächelte. Sie gab hinter ihrem Rücken einem Bediensteten ein flinkes Zeichen, worauf der junge Mann sofort davoneilte. „Setzt Euch an diesen gemütlichen Tisch. Ich habe eine deftige und gar köstliche Fleischsuppe, die Eurem Gaumen sehr munden wird“, versprach sie, „und einen guten Tropfen, der Euch begeistern wird.“ Die Gerüstete nahm auf einer rustikalen Holzbank Platz und sah zu, wie Hydra eine Stumpenkerze, die auf dem Tisch stand, entzündete. Dann schlurfte die Wirtin durch einen kleinen Türbogen in einen Hinterraum.

Irgendwo knarrten Dielenbretter. Die Soldatin blickte in den hellen Schein der Kerze und erkannte an der Wand tanzende Schatten, die sie an erlebte Schlachtengetümmel erinnerten. Noch vor wenigen Monden hatte die Centuria eine Abteilung Kampfsklaven in cassandrischer Uniform vor die Mauern des Westbündnisses geführt. Hunderte gepanzerte Schlachtrösser wieherten, schnaubten und donnerten mit den Hufen durch den Dreck. Signalhörner ertönten, riefen zum Sturm auf die feindlichen Mauern; das cassandrische Banner wehte an den Lanzen und Piken und flatterte knatternd im Wind, während sie auf ihrem Rappen auf die Verteidigungsanlagen zustürmte. Gebrüll, Schreie, Rufe, Befehle… Sie trieb die Truppen Sklaven an, die die Belagerungstürme in Stellung bringen sollten, jagte die Fußsoldaten vorwärts.

Die Centuria rieb sich erschöpft über die Augen. Noch immer sah sie die plötzlich aufziehenden schwarzen Wolken, die den Himmel verdunkelten und sich als Pfeilhagel entpuppten. Der gefiederte Tod – hinterlistige Salven prasselten zu Boden, Sklaven kippten in den Staub oder entkamen, wenn sie rechtzeitig ihren Schild erhoben hatten. Kurz darauf war die Centuria einem scharfen Speer ausgewichen und hatte ihr Pferd ruckartig zur Seite gelenkt, die Hufen hatten den Dreck mehrere Mann hoch aufgespritzt, die Reiterin war aus dem Sattel gestürzt und fand sich in einem Schlachtengetümmel zwischen Cassandrier-Einheiten und einem Ausfalltrupp ledanischer Ritter wieder, während am Boden längst verlorene Leiber lagen, verreckten oder bereits steif.

Krummsäbel, Kurz- und Langschwerter, Morgensterne und Streitkolben, Kriegshämmer und Doppeläxte trafen schrillend und krachend aufeinander, schnitten, zermalmten, stachen, zerquetschten und zerstörten. Langschilde, Rundschilde, Harnische und andere Rüstungsteile zerbeulten unter den Schlagwaffen. Funken sprühten, wo Stahl auf Stahl traf. Im letzten Augenblick wich sie einer Hellebarde aus, die ein gedungener Söldner mit Augenklappe und Bart in silberfarbener Rüstung schwang; im nächsten Moment schützte ihr eisenbeschlagenes Rundschild mit dem Dorn in der Mitte sie vor einer singenden, schweren Klinge eines Soldaten mit vernarbtem Gesicht und wilden Augen, in denen die pure Tollwut innewohnte. Um ein Haar hätte sie der Bihänder mit ihrem Lebenssaft besudelt und ins Reich der Toten geführt. Voll Grimm kämpfte sie wacker weiter und weiter.

Doch die furchtbarste Erinnerung, die sich ihr ins Gedächtnis gebrannt hatte und nimmermehr verlor, war der Topfhelm, den sie auf dem Schlachtfeld in einer Lache schmutzigen Wassers fand und aufhob – und der nicht leer war… Die Centuria spürte, wie sie bei der lebendigen Erinnerung an das Geschehen hektisch atmete und ihre alte Wunde in der linken Schulter schmerzte, in die die Klinge des Soldaten trotz Abwehr mit dem Schild eingedrungen war. Eine Medica im Lazarett des Feldlagers hatte damals den Wundbrand verhindert. Die Heilerin war kundig genug, einen Umschlag mit einem Kräutersud zuzubereiten. Die Centuria hatte noch heute den scharfen Geruch in der Nase, der aus dem Kupferkessel geströmt war. Knisternd hatten die Flammen an dem Topf geleckt und die siedende Mixtur köcheln lassen. Die heiße Bandage mit dem Extrakt hatte ihr sehr wohl getan und auch die Pein gedämpft. Noch jetzt trug sie eine kleine Phiole bei sich, die mit einem Korken fest verschlossen war. Würde ihre Schulter sie erneut martern, so sollte sie die Kräuter darin in Wasser aufkochen und in kleinen Schlucken trinken. Bisher hatte sie davon keinen Gebrauch machen müssen.

Sie fasste sich unbewusst an die Brust, wo ihr Schutzamulett hing, dass sie vor bösartigen Nachtgeistern bewahrte. Sie rieb über die bronzene Scheibe mit den magischen Runen, die sie vor einigen Monden einer Werwolf-Schnitterin abgekauft hatte, und wisperte eine Litanei aus Schutzformeln herunter. Als sie noch sann und in dunkle Gedanken versunken dasaß, wachte sie von der duftenden Mahlzeit auf, die bereits aus der Küche in den Schankraum herüber waberte. Hydra brachte einen tiefen Zinnteller mit einem deftigen Fleischtopf, einen Krug mit dunklem Rotwein und einen kleinen Laib geröstetes Brot, dass sie auf Schamottstein erhitzt hatte. „Möchtet Ihr aus Eurem Stiefeln schlüpfen? Mein Famulus könnte sie putzen“, schlug Hydra vor und stützte sich die Hände in die Taille, über die ihre Schürze hing. Die Soldatin nickte, und auf ein Zeichen der Wirtin eilte ein junger Mann in Lumpen herbei und half dem Gast aus dem Schuhwerk. Die Soldatin stützte sich am Arsch des Jünglings ab, während er an dem anderen Stiefel zog. Als beide Exemplare von den Füßen geglitten waren, verschwand der Diener mit ihnen, um sie eifrig mit Bürste, Lappen und Wichse zu bearbeiten.

Hydra räusperte sich und fragte neugierig nach dem Stand des Krieges. Die Centuria seufzte. „Es ist endlich ein Waffenstillstand unterzeichnet worden. Die Grenzwälle und Verteidigungslinien des Westbündnisses sind nicht zu überwinden. Der Traum, den Westen zu unterwerfen, bleibt ein Traum. Das haben selbst Cassandra und Vesta eingesehen.“ Hydras Augen wurden groß, als sie die Soldatin so respektlos über die Königinnen sprechen hörte. „Aber Cassandria verfügt über das mächtigste Heer des Alten Kontinents!“ Die Centuria schnaubte verächtlich. „Was wisset Ihr vom Kampf? Ein Heer alleine bringt noch keinen Sieg. Ihr habt nicht die brennenden Gräben erlebt, die teuflischen Fallgruben, die mit Piken gespickt waren, die hohen, massiven Mauern, von deren Zinnen wir mit siedendem Öl übergossen wurden, die Wehrgänge der Gegner, die mit Bogenschützen besetzt waren. Ich habe Armbrustmaschinen gesehen, so groß wie Katapulte, die Pfeile verschossen, so groß wie Rammböcke. Ich sah einen Troll, der mit einem einzigen Treffer gefällt wurde wie eine junge Birke. Glaubet mir, ich habe Angriffsformationen in allen Varianten angeführt, habe hunderte Kriegssklaven gegen den Feind geschickt, aber allem hat der Verteidigungsring widerstanden. Einfach allem…“ Es währte nicht lang, da hatte sich die Centuria in Rage geredet.

Hydra wechselte lieber das Thema. „Stimmt es denn, was manche berichten, dass in Ledanien die Mannsbilder gleiche Rechte wie Frauen haben?“ Die Soldatin nickte nachdenklich. „Ja, das ist wohl wahr.“ Hydra lachte schrill. „So ein Unfug! Wer hat sich denn eine solche Narretei ausgedacht? Wer würde der Damenschaft solch Tollheit aufbürden?“ Die Soldatin zuckte nur mit den Schultern und biss lustlos von ihrem Brotlaib ab. Nach dem Mahl zeigte die Wirtin der Soldatin ihr Nachtlager. In einem Nebenraum stand ein großer Holzzuber mit heißem Wasser. Duftende Aromen erinnerten an Honig und Lavendel. „Entkleidet Euch und gebt Eure Gewandung meinem Lakai. Er wird sie säubern. Wollet Ihr für die Nacht ein wenig Kurzweil? Ich habe noch ganz unverbrauchte Jünglinge, die von mir persönlich ausgebildet wurden. Ihr werdet zufrieden sein, so verspreche ich Euch…“ Sie winkte demonstrativ mit dem Schlüssel für einen Keuschheitsgürtel und bot so den Lustjungen feil.

Die Soldatin fragte nach dem Preis und fand diesen passabel. Daher begab sie sich in das Badehaus, öffnete ihre große Metallschließe am Ledergürtel ihrer Hose und stieg aus den Beinkleidern. Die restlichen Stoffe fielen ebenso zu Boden. So genoss sie zunächst das dampfende Bad und legte sich anschließend in Tücher gehüllt auf ein bequemes Polsterbett. Kurz darauf erschien ein Sklave der Hydra, dem Knabenalter nur wenige Jahre entwachsen, und verbeugte sich tief vor dem Gast. Die Soldatin winkte den jungen Kerl lächelnd näher. Das Bad hatte ihre Muskeln entspannt, aber noch besser wäre eine Massage durch geschickte Hände. Und im Anschluss lechzte sie nach einem besonderen Vergnügen. Für den genannten Preis war das inbegriffen.

Hydra brachte sogar noch zwei weitere Jünglinge herbei, damit die Soldatin auswähle. Die drei jungen Lustsklaven waren nur mit einem knappen Lendenschurz bekleidet. Um den Hals trugen sie ein Stachelhalsband mit einer Kette. Die Soldatin zeigte auf den mittleren Burschen, einen blond gelockten Spund mit himmelblauen Augen. Hydra verneigte sich und schob den Sklaven vor. Mit leicht servilem Unterton bat sie: „Verratet mir bitte morgen, wie zufrieden Ihr mit ihm gewesen seid.“ Sie schloss leise die Tür zur Kammer und zerrte die beiden anderen Männer mit sich. Just war alle Freundlichkeit aus ihrer Stimme verbannt. „Tausend Schwerenot! Wenn ihr nicht bald einmal zum Einsatz kommet, werde ich euch an eine Plantage verkaufen!“ Die beiden Jünglinge schluckten hart und unterdrückten ein Schlottern. Vom Leid der Plantagensklaven hatten sie schon so manche Geschichte gehört.

Der auserwählte Lustsklave war erfreut. Nicht alle Gäste seiner Herrin waren so hübsch gebaut wie die Soldatin. Was sie von ihm verlangen werde, das musste sich allerdings noch zeigen. Manche Dame, die vornehm und fast schüchtern gewirkt hatte, entpuppte sich beim Liebesspiel als grob, erbarmungslos und unanständig. Manche weideten sich gar im Ungemach des Jünglings und lernten ihn Perversionen. Und nicht immer waren die Gäste darauf erpicht, dass er selbst auch seinen Samen ergoss. In diesen Fällen blieb ihm nichts anderes übrig, als sein hartes, scharfes „Schwert“ unbeglückt wieder verschließen zu lassen. Möge es bei dieser bezaubernden Soldatin anders sein!

Doch da täuschte sich der junge Mann: Die sitzende Soldatin zog ihn an der Kette fordernd – immer der Nase nach - zwischen ihre gespreizten Schenkel und verlangte nach seiner Zunge. Der Sklave wagte es nicht, um einen Aufschluss zu betteln. Er musste sich wieder einmal gedulden, bereitete seiner Kundschaft wie geheißen höchstes Frohlocken als er im fremden Schoße versank und neigte demütig den Kopf, als die Soldatin schließlich stöhnend, brünstig und seufzend auf den Rücken sank und glückselig lächelte. Das enttäuschte Gesicht des Jünglings war ihr einerlei.

Im verbündeten Cassandria hatte der Priesterinnenbund des Maluskultes weiter an Macht gewonnen. Die in schwarzer Robe gewandeten Hohepriesterinnen wagten sogar einen Putsch gegen Cassandra in persona. Mit Hilfe der Palastwachen und den obersten Duxas des Heeres waren die Karten des Schicksals neu gemischt worden. Wie raubende Falken auf ein Kaninchen waren die Herrinnen des Maluskultes auf die Regentschaft gestürzt und krallten sich mit aller Kraft an der Eroberung fest. Zwar verfügte die Majestät Cassandra noch über genügend Anhängerinnen und damit Einfluss, um sich als Regentin zu bestätigen, doch musste sie die Majorität ihrer Macht aus den mit Juwelen besetzten Händen geben und fungierte beinahe nur noch als Repräsentantin des Landes. Den Löwenanteil der Entscheidungen traf nun ein Gremium aus Hohepriesterinnen – angeblich der Königin zur Gunst und Ehre, aber faktisch war die Regentin entmachtet. Cassandra konnte nichts dagegen tun, doch lieber hätte sie ein schwärendes Geschwür am Arsch gehabt, als diese Drecksweiber um sich. Zu ihrem endlosen Missmut war ihre Macht nur noch so stark wie ein zierlicher Mistelzweig.

Gemeinsam mit dem verbündeten Land der Metropole, das die junge Vesta regierte, war ein gewaltiger Kriegszug nach Westen aufgrund des großen Widerstands und geschickter Abwehr des Feindes missglückt. Tausende Kriegssklaven und acht der zwölf Kampftrolle waren auf den „Feldern der Ehre“ zurückgeblieben, um die Geier und Krähen zu laben. Die Wehrgräben und gemauerten Verteidigungsanlagen des Westbündnisses waren unüberwindbar gewesen, obwohl das Ostreich mit Sappen, Angriffsformationen aus Trollen, Belagerungstürmen, Regen von Brandpfeilen und gewaltigen Kriegsmaschinen alles versuchte, um sie zu bezwingen. Sogar ein Fluss war umgeleitet worden, um die Mauern zu unterhöhlen – nichts brachte den Gegner zu Fall. So blieb den Beteiligten letztlich keine andere Wahl, als einen temporären Waffenstillstand zu unterzeichnen.

An einem Torbogen der Stadtmauer der Metropole hing eine schwere Glocke aus Bronze, die von einem Sklaven geschlagen wurde. Sofort eilten etwa 20 Leibeigene in ihren Lendenschürzen herbei und marschierten in Reih und Glied vor die Tore der Stadt, um dort Mehlsäcke aus einem Treidelkahn abzuholen und der Bäckerin zu bringen. Als die Ladung am Ufer des Flusses aufgehäuft worden war, trieben zwei Frauen mit langen Peitschen die Treidelsklaven an, um den Kahn weiter stromaufwärts zu ziehen, denn im Rumpf des Schiffes warteten noch Kisten mit ungemahlenem Korn darauf, zu einer Mühle außerhalb der Stadt gebracht zu werden. Die Träger, die im Laufschritt die schweren Mehlsäcke in die Metropole schleppen mussten, wollten jedoch nicht mit dem Schicksal der Treidelsklaven tauschen. Die Fluss-Männer, die an die Geschirre gekettet waren, wurden erbarmungslos angetrieben, denn je schneller der Treidelkahn erneut Ladung transportieren konnte, umso erfreuter und praller war die Schatulle der Eignerin.

Eine Dame in wallender Kaufmannskluft stand auf dem Deck des Kahns. Sie trug ein Stirnband aus Leder, das mit einem großen ovalen Granatstein verziert war, und zahlreiche Goldreife an den Armen. Ihre feinen Stulpen-Stiefel reichten bis über die Knie ihrer edlen Beinkleider. Ihr gehörten der Kahn und das Sklavenmaterial. Einen Fuß hatte sie auf die niedrige Reling gestellt und beobachtete die Antreiberinnen und die Leibeigenen im Zuggeschirr. Einige der hageren Kreaturen an Land waren einfach ungeeignet als Zieher, stellte sie kopfschüttelnd fest. In der nächsten Stadt würde sie versuchen, diese Nichtsnutze gegen hochwertigere Mannsbilder einzutauschen. Vielleicht fand sie ein leichtgläubiges Fräulein, der sie von angeblich fast magischen Liebesfähigkeiten der Männer vorschwärmen konnte. Wenn die Käuferin dann schließlich merkte, welchem Pfusch sie aufgesessen war, war sie über alle Berge – oder besser gesagt: alle Flüsse.

Andere der Leibeigenen, die nicht ihr zugegeben beschwerliches Tagewerk leisteten, würde sie zur Räson bringen können. Dafür hatte sie ein gar umfangreiches Repertoire an Mitteln und Wegen: Am Heck des großen Transportbootes waren vier Käfige angebracht, die nur wenige Handbreit über die Wasseroberfläche hinausragten. Hinter den Gittern hockten gerade vier Treidelsklaven, deren Köpfe hin und wieder von den Wellen überspült wurden. Diese passende Bestrafung, bei der Leibeigene von ihrer Faulheit wortwörtlich rein gewaschen wurden, motivierte die anderen zu umso fleißigeren Einsatz im Zuggeschirr. Wohl dem, der nicht schwächelte und auf dessen Betragen kein Schatten fiel.


227. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von sheeeep am 24.09.22 23:03

Mmmhhhh....Treidelsklaven......davon liest man ganz selten....Prima!!!.....
228. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von M A G N U S am 26.09.22 17:53

Neben dem literarisch auf höchstem Niveau angesiedelten Schreibstil reizt in der Tat die äußerst abwechslungsreiche Phantasie der vielfältigen Handlungen; im Gegensatz zu etlichen anderen Geschichten hier auf dem Forum wiederholen sich die Begebenheiten nur selten, vielmehr kommen immer wieder neue Strukturen zum Vorschein, welche den Gegensatz von Macht und Schwäche in unverblümter Erbarmungslosigkeit vor Augen führen, häufig nur in einem banalen Satz zusammengefaßt:
"Ihr gehörten der Kahn und das Sklavenmaterial".

Herzlichen Dank!
229. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 01.10.22 16:17

Einige der Sklaven wurden nach einer gewissen Zeit auch wieder verkauft und zum Beispiel in die Minen geschickt, um Gold, Silber und Edelsteine für das Geschmeide der Damen zu schürfen. Dort erging es ihnen, da biss die Maus keinen Faden ab, weniger prächtig. Andere Leibeigene kamen von den Zuckerrohrplantagen oder wurden dorthin verscherbelt. Wie viele Vorbesitzerinnen ein Sklave hatte, erkannte man an den Brandzeichen auf dem Rücken oder Gesäß. Einige Exemplare verfügten über eine entzückende Sammlung von Symbolen oder Initialen. Um sie zusätzlich besser auseinander halten zu können, waren die Treidelsklaven mit Halseisen gewandet, auf der eine Nummer eingestanzt war.

Weniger aus praktischen Gründen, sondern aufgrund des Schönheitssinns der Skipperin des Kahns, trugen einige Exemplare der Herde Glöckchen an ihren Brustwarzen, andere schleppten an ihrer Männlichkeit schwere Eisenringe, die bei jedem Schritt hin und her schwangen und an ihnen zogen und zerrten. Eine Augenweide für die Damenwelt. Seit Jahren war es bei Sklaven besonders beliebt, tief liegende Gehänge zu präsentieren – zumindest bei ihren Eigentümerinnen en vogue, die dies als schick empfanden. Ein Treidelzieher in der letzten Reihe des Geschirrs trug als einziger Schuhe. Doch dies deutete nicht auf eine prädestinierte Stellung des Mannes hin; im Gegenteil: Die Innensohlen der Sandalen waren mit zahlreichen kleinen Spitzen versehen und stellten eine Strafe aus dem schier endlosen Katalog von Züchtigungen dar, über die die Damen verfügten,um den Kreaturen Ungehorsam, Trägheit und Schwäche auszutreiben. Niemand brauchte einen Schmarotzer, der Kost und Logis genoss, aber nicht tüchtig arbeitete.

Eine andere Erziehungsform war auf den ersten Blick ersichtlich: Der Leibeigene trug eine Art Gitterhelm, der ihm am Eisen-Halsband festgeschraubt worden war. Der Helm umspannte das ganze Haupt und war einem Schweinekopf nachempfunden. Neben dem Gewicht sorgte er für eine behinderte Sicht und eingeschränkte Möglichkeit, zu essen und zu trinken. Es gab Fälle, in denen ein arbeitsscheuer Sklave solch eine Schandmaske viele Monate lang zierte, um aus einer Missetat zu lernen. Der Nachteil des eisernen Kopfschmucks war, dass die Träger mager und damit schwächer wurden. Manche Herrin ließ die Betroffenen daher am Anschluss nudeln, um ihnen ihr altes Gewicht und neue Kraft zu schenken. Dazu gab es große Trichter mit langem Rohr, in das Brei gefüllt wurde. Drei bis vier Mal am Tag gestopft, konnten die Geschöpfe nach wenigen Wochen bereits wieder erfreulich beflügelt und angespornt ihrer Bestimmung nachkommen.

Eine Antreiberin mit einer langen, zinnoberroten Peitsche holte locker aus dem Handgelenk aus und versetzte einem Versager, der ein wenig aus dem Takt geraten war, routiniert einen knallenden Strich über sein ansehnliches Gesäß. Mit einem infamen Lächeln begutachtete die Frau den knackigen Po, die straffen, muskulösen Schenkel und ausgeprägten Waden. Als Kostverächterin war sie noch nie beschuldigt worden. Doch wer nicht nach ihrem gewünschten Rhythmus zog, den würde sie in einen der Wasserkäfige stecken. Sklaven ihren Schneckengang und die Verstocktheit auszutreiben war eines ihrer liebsten Tätigkeiten, der sie nimmer müde wurde. Die Macht über die niederen Kreaturen berauschte sie geradezu und fesselte ihre Sinne in euphorischer Weise.

Die Treidelsklaven wussten genau, welche Antreiberin sie gerade von hinten vorwärts scheuchte: Eine hochgewachsene Frau, fast so muskulös wie ein Mannsbild, und doch mit femininen Zügen und langem seidigen Haar, schwang eine Riemenpeitsche, die aus einem kurzen, aber dafür umso dicker geflochtenen Ledertampen bestand. Ihre Hiebe waren kräftig und verursachten einen dumpfen Schmerz, der dem Schlag eines dünnen Knüppels ähnelte. Ein Treffer sorgte sofort für breite rote Stellen und später unter Umständen für violette Farbe, die sich auch in blasses Grün und Gelb verwandeln konnte. Ein kleines, zierliches Weib, die zweite Antreiberin, liebte die lange, dünne Peitsche, die weniger Durchschlagskraft besaß, dafür aber umso brennender ins Fleisch biss und Furcht erregend zischte und knallte. Ihre Berührung ähnelte eher vielen Nadelstichen. Doch eine Wahl zu treffen, welcher „Kuss“ ihnen lieber wäre, war den Sklaven nicht vergönnt. Der Kelch eines Sklavenlebens war kein Füllhorn, sondern er enthielt Tränen, Schmerz und Erniedrigung. Die Hoffnung, ihrer Herrin zu gefallen, war ihr einzig Antrieb und die Triebfeder ihres Daseins.

In Cassandria waren solche Schleppkähne oder manchmal auch Flöße auf allen Flüssen üblich. Es war die günstigste Art und Weise, größere Transporte zu bewegen. Während die Sklaven des Treidelkahns wieder alle Kraft in den Zug gegen die Wasserkraft legten, die dicken Hanftrosse unter der Spannung knarrten und die Lederpeitsche erquickend auf ihren Rücken und Hintern knallte, erreichten andere Arbeiter die Bäckerei in der Metropole. Erschöpft legten sie die schweren Säcke vor der Fassade aus weiß getünchtem Stein und Fachwerk ab. Hier duftete es bereits nach leckerem, frischem Brot und Gebäck. Doch den deliziösen Geschmack kannten sie kaum noch. Arbeitssklaven erhielten in Cassandria einen schalen Brei, der sie bei Kräften hielt und schnödes Wasser zu trinken. Alles andere war Schlemmerei, die für Damen reserviert war.

Eine andere Kolonne Sklaven packte sich nun die Mehlsäcke auf die Schultern und trug sie zu den Öfen in der Backstube. Die erschöpften Leibeigenen, die die Fracht bis hierher geschleppt hatten, wurden von einer Aufpasserin in schmalen Reithosen und hohen Stiefeln begutachtet. Die Männer knieten sofort in eine vorgeschriebene Position, die Hände hinter den Nacken haltend, den Blick devot zu Boden gerichtet. Die Frau schritt vor der Linie Leibeigener auf und ab und prüfte, ob ein Träger Schwäche zeigte. Diese Memme würde aussortiert und entweder in die Stollen geschickt oder Beinübungen unterzogen, um den Schlendrian auszumerzen. Keiner der Männer wollte solch grausig Schicksal ereilen. Noch vor zwei Wochen war einer ihrer Kameraden mit zitternden Schenkeln aufgefallen. Diesen hatte die Hüterin in ein Kettengeschirr gespannt, das ihn permanent in eine hockende Position zwang. So scheuchte und schindete ihn die Aufseherin endlose Wege hin und her und peitschte ihn grimmig wieder in Stellung, wenn er vor Erschöpfung umkippte. Was aus ihm geworden war, würden die Sklaven nimmer erfahren. Man munkelte, er trüge sein Hocke-Geschirr immer noch…

In einem der zahlreichen Kerker des Malus-Tempels saß ein kahl geschorenes Weib, nur in schmutzige Stofffetzen gekleidet, die gerade ihre Scham und Brust bedeckten, auf einem wackeligen Schemel. Sogar die Augenbrauen hatten sie ihr rasiert. Alle drei Tage wiederholten Wärterinnen das erniedrigende Ritual und schabten ihren Leib spiegelglatt. Das einzige Weib unter ansonsten nur männlichen Gefangenen verfügte gnädigerweise über ein eigenes Verlies. Vor einiger Zeit hatte eine Wächterin ihr eine lederne Gugel gegeben, der ihre beschämende Kahlheit verdeckte, doch eine Priesterin hatte sie ihr wieder entrissen. Aurora rieb sich mit vor Schmerz verzerrtem Gesicht das linke Fußgelenk, um das ein Eisenband mit einer Kette geschmiedet worden war. Die Kette führte zu einem Eisenring im groben Mauerwerk. Da hörte sie Schritte durch den Gewölbekeller hallen. Zeit für das tägliche Mahl.

Aurora erwartete nichts Schmackhaftes. Aber ihr Magen knurrte schon seit Stunden, denn die Portionen waren klein. Am Gitter tauchte eine Fackel auf, die eine Schergin in ihrer Uniform erkennen ließ. „Hier! Friss!“, rief sie höhnisch und schob eine Holzschüssel mit gräulichem Brei mit dem Stiefel unter dem Gitter durch in die Zelle, dass ein Teil über den Rand kleckste. Aurora wartete, bis die Wache weg war. Dann kroch sie auf allen Vieren im Dämmerlicht, das ihr Gefängnis durch einen schmalen Schacht hoch an der Wand wenigstens ein wenig erhellte, und streckte sich schließlich auf dem Boden aus, um die Schüssel trotz ihrer Fußkette zu erreichen. Es war jeden Tag das Gleiche: Nur mit äußersten Verrenkungen konnte Aurora sich genügend strecken, um das Gefäß zu ergreifen. Dazu musste sie flach auf dem kalten Steinboden liegen und ihre Arme und Beine durchstrecken. Ihr Keuschheitsgürtel, den ihre böse Schwester Vesta ihr umgelegt hatte, bevor sie sie in die Verbannung gejagt hatte, schabte unter dem Stofffetzen über den Stein.

Mit größter Mühe erreichten Auroras Fingerspitzen die Schale und zogen sie unter mehreren Versuchen zu sich. Gierig schaufelte sie mit der Hand den pappigen Inhalt in sich hinein. Sie hatte keine Ahnung, was das war. Sie wusste nur, dass es durstig machte. Aber den Eimer mit dem fauligen Wasser verschmähte sie. Stattdessen leckte sie an einer Stelle der Wand die Tropfen ab, die aus dem Riss an der Decke hervorquollen. Womöglich hatte ihr Bauchgefühl sie getrogen, aber die Brühe im Zuber atmete den Odem des Todes. Die verstoßene Prinzessin war ahnungslos, wie lange sie bereits in diesem wenig heimeligen Kerker darbte. Cassandra hatte offenbar kein Interesse an ihr. Sonst wäre sie längst von den Priesterinnen verhört oder auf dem Holzblock gerichtet worden. Sie sollte ihre restlichen Tage in Gefangenschaft verbringen. Und damit nicht genug: Nicht nur ihre Freiheit war ihr fortgerissen, auch ihre Weiblichkeit war weggesperrt. Sie musste dieses finstere Schicksal erdulden, während ihr Schwesterherz Vesta, dem sie all das zu verdanken wusste, in ihrem Palast lustwandelte und sich an schier grenzenlosem Luxus und dekadenten Vergnügungen labte – an all dem, was ihr selbst versagt blieb. Jeder Gedanke daran schürte das Feuer des Hasses in ihr. Dabei war nicht nur ihr Leib, sondern auch ihre Würde entblößt.

Aurora leckte wie eine Hündin das perlende Wasser von der Wand, um sich die verdorrte Gurgel zu baden, und stopfte sich den Brei in den Mund, als wäre es ein Festschmaus. Die Gefangene lauschte den Stimmen, die aus der Lichtscharte dumpf zu ihr hinab in den Kerker hallten: Mehrere sadistische Wachfrauen schienen sich mit einem Sklaven zu vergnügen. Aurora entnahm den Rufen und den Geräuschen, dass sie einen Leibeigenen zwischen sich hin und her jagten. „Pass auf meinen Spieß auf! Er ist spitz und heiß!“, rief eine der Wächterinnen lachend. „Meiner auch!“, antwortete eine zweite, und ein hohes Quieken ertönte, dass wohl der Sklave abgegeben hatte. Aurora ballte ihre Fäuste, als ihr ihre absurde Situation bewusst wurde. In einem Land, in dem fast jedes Weib einen oder mehrere Sklaven für Arbeit, Schutz und Unterhaltung besaß, war sie die einzige Sklavin. Und nun dämmerte es ihr, dass es nur eine Frage der Zeit sein würde, bis eine reiche Dame auf den frivolen Gedanken kam, eine neue Art des Liebesspiels auszuprobieren. Etwas Extravagantes. Etwas bisher nie Dagewesenes. Sich nämlich mit einer weiblichen Leibeigenen zu vergnügen. Und hätte sich diese Neuigkeit erst herumgesprochen, würde Aurora vor Beliebtheit nicht mehr wissen, wo vorne und wo hinten war und sich jedem Wunsche beugen müssen.

Sie trachtete ihrer Schwester Pest und Fäulnis und alle Nachtdämonen an den Hals und trommelte zornig mit den Fäusten auf den Steinboden, bis sie schmerzten, und zeterte ungehört bis ihre Kehle rau und trocken war. Wehe der Verräterin, wenn sich das Schicksal wenden würde! Doch ganz so glücklich, wie Aurora dachte, war es um Vesta nicht bestellt. Cassandria hatte die Metropole mehr und mehr eingeengt, Ländereien befriedet und die Armee weiter und weiter zurückgedrängt. Mit Hilfe der zwölf Kampftrolle und einer gewaltigen Übermacht konnten die cassandrischen Truppen schließlich die Metropole belagern und aushungern, bis nur noch mit Haut überzogene Knochengerüste in ihr hausten. Die Majestät Vesta sah keine Alternative und musste den Thron räumen und sich Cassandra und den Hohepriesterinnen unterwerfen.

Undank war der Welten Lohn. Das Volk verhielt sich still. Niemand protestierte. Wo war sie hin, die ewig währende Liebe der trivialen Untertanen zu ihrer Hoheit? Unter Aufbietung aller Selbstbeherrschung verneigte sich Vesta mit einem Knicks vor der Potentatin, die die Metropole als annektiert betrachtete. Stolz und erhobenen Hauptes – andere würden sagen, Cassandras Hochmut sei unerreicht – ließ sie Vesta die Übereignungsurkunde auf braunem Pergament unterzeichnen und mit rotem Lack siegeln. Cassandra lächelte hämisch und ließ sich von Vesta, deren filigrane Nasenflügel vor unterdrückter Wut bebten, den dicken Juwelenring an ihrer Hand küssen. Besonders das zerknirschte Gesicht der jungen Frau, das aussah, als habe sie in eine faule Zitrone gebissen, erfreute Cassandra zutiefst. Wie umgänglich dieses junge Gemüse jäh sein konnte! Befriedigt streichelte sie über den Kragen ihres Umhangs, der mit Hermelin besetzt war und ihren reich geschmückten Fingern mit seiner Weichheit schmeichelte.

Das Volk hatte die Fronten so schnell gewechselt, wie sich eine Magd in ihrer Schürze einmal im Kreise drehte. Ob ihre Hochwohlgeborene Majestät nun Vesta oder Cassandra hieß, war ihnen völlig gleichgültig, solange die neue Regentschaft nicht etwa Sklavenrechte einführte oder andere Torheiten, wie sie im Westreich wucherten. So manches edle Fräulein konnte nur seinen hübschen Kopf darüber schütteln: Plumpe Mannsbilder hatten in Ledanien die gleichen Rechte wie Damen! Welch Absurdität! Wozu gab es ein Geburtsrecht gegenüber minderwertigen Kreaturen, die des Denkens und Fühlens nur wenig fähig waren? Würden sich bald schon Hofdamen vor Hausschweinen verneigen müssen? Solche und ähnliche Possen sorgten dieser Tage bei den Edelfräuleins des Reiches für viel Heiterkeit.

Eine junge Lady in einem bauschigen und prächtigen Kleid, deren langes Haar über ihre weiße Schultern floss, hielt sich in ihrem prunkvoll eingerichteten Gemach das Bäuchlein. Sie hatte opulent gespeist. Vielleicht ein Canapé mit Lachs zu viel. Aber es war so köstlich. Und trotz des Völlegefühls griff sie nach der verführerischen Obstschale mit allerlei frischen Früchten, kandierten Kirschen, Datteln in Honig oder Kokosstückchen. Sie entschied sich für einen kleinen, roten Apfel und biss hinein, kaute gelangweilt und spuckte den Bissen auf den Marmorboden, den reliefartige Festons schmückten. Die bezaubernde Lady stand auf und öffnete das Fenster mit den vielen Butzenscheiben. Mit einem lockeren Schwung aus dem Handgelenk schleuderte sie den angebissenen Apfel hinaus auf die breite Prachtstraße. Die Frucht landete auf den Pflastersteinen und rollte durch den Staub.

Sofort hetzten gleich drei Mannsbilder in lumpigen Fetzen herbei und stritten um den Fund. Der Apfel wechselte von einem zum anderen, flog durch die Luft, wurde von einer Pranke zur nächsten gereicht. Bald schon war eine baumstarke Prügelei um die Mahlzeit entstanden. Die Lady sah mit interessiertem Blicke zu und schüttelte den Kopf, dass ihre gelockten Haarsträhnen kess hin und her schwangen. Solch ein schnödes Getier! Wie konnte man sich nur um eine angebissene Frucht streiten!? Angeblich darbten freie Sklaven ohne Besitzerin aufgrund zu karger Speisen. Die Lady runzelte die Stirn. Sapperment! Wenn sie zu wenig Brot und Fleisch hatten, sollten sie doch Kuchen essen!

Vielleicht sollte sie mit ihrer Freundin morgen in den Cassandra-Park spazieren, wo diese einige Obdachlosen fütterte, wie diese erzählt hatte. „Für einige Brosamen führen die alle Kunststückchen auf, die du ihnen befiehlst“, hatte sie voller Begeisterung berichtet. Das musste ein spaßiger Zeitvertreib sein. Ja, morgen würde sie mitgehen. Vielleicht könnte sie ihnen beibringen, die Brotkrumen mit dem Mund aufzufangen. Und was würden die niederen Wesen erst alles dafür tun, die Spitze ihres Sonnenschirmchens abzulecken, wenn sie ihn zuvor in den Topf mit Griebenschmalz oder Honig steckte. Dann durften sie ihre Schlünde damit stopfen. Von der Wonne dieses Anblicks zu trinken war Ergötzlichkeit. Das wäre mal ein anderes Gaudium, als ungehorsame Sklaven in den Hängekäfigen auf dem Markt zu begaffen und mit spitzen Spießchen zu necken und so der Langeweile trotzen.

Die glorreiche Despotin Cassandra bot der Besiegten Vesta großzügig den Posten der Gouverneurin der Metropole an. Damit sicherte sie sich die Loyalität von Vestas Anhängerschaft, die zweifelsohne zum Teil in den Reihen der Duxas vorhanden war, und erniedrigte die ehemalige Königin mehr, als hätte sie diese in einen stinkenden Kerker oder ins Exil geschickt, denn jetzt war sie Tag für Tag ihren Befehlen untergeordnet, die die verhasste Rivalin verkündete. Das war nicht das, was sie begehrte, doch das Höchste, was sie erhoffen durfte. Offiziell mit Ehren geputzt, so durchströmte sie eine tiefe Demütigung in ihrer neuen Stellung, die zugleich eine brausende Wut in ihr weckte, wie ihre Schläfenadern schwollen ließen und ihre Geduld geradezu mit einer Agonie durchflammte.

Und schon alsbald sollte eine Delegation von Malus-Priesterinnen eintreffen, die der Gouverneurin auf die Finger schauten – sozusagen die Gouvernanten der Gouverneurin, schmunzelte Cassandra in sich hinein. Einziger Wehrmutstropfen war, dass sie selbst ihre Macht mit den Priesterinnen teilen musste. Selbst sie würde als Ketzerin sterben, falls sie ihre Zunge gegen den Maluskult erheben wollte. Aber sie hatte nicht vor mit dem Feuer zu spielen und sich zu verbrennen. Und vor dem Volk war sie noch die strahlende Königin von Cassandria in ihrem mit arabesken Mustern verziertem Gewand aus erlesenem Zwirn. Ein schöner Schein. Ein Günstling des Glückes war sie jedoch lange nicht mehr. Ihr Antlitz strahlte stolz und würdig wie ein Diamant, der sich bei näherer Betrachtung ihres Charakters allerdings in eine ordinäre Glasscherbe verwandeln würde.

Im goldenen Altarraum des Tempels standen sich zwei Priesterinnen nah gegenüber. Sie hielten ihre Handflächen in Kopfhöhe gegeneinander gedrückt, so dass die Fingerspitzen senkrecht zum großen, prachtvollen Kuppeldach zeigten, und hielten ihre Augen beim Gebet geschlossen. Leise murmelten sie die rituellen Worte. Dann verneigten sie sich voreinander und anschließend vor dem goldenen Prachtbild des Malus. Die Messe war beendet. Sie verließen den heiligen Raum, der mit Weihrauch geschwängert war, und schlenderten in ihren langen schwarzen Roben einen Gang aus Marmor entlang. Deutlich war der Altersunterschied zu erkennen: eine junge Priesterin, gerade dem Rang einer Novizin entstiegen, und eine Hohepriesterin, deren zinnoberroter Saum an der Kapuze und den weiten Ärmelschößen von ihrer führenden Position in der Tempelhierarchie verkündete.

Alle sieben Schritt fand sich eine Nische, mal auf der einen, mal auf der anderen Seite des Ganges. In den kleinen Ausbuchtungen, die mit Mosaiken verschönert waren, standen „Dämonenreiter“: Dachartige Konstruktionen, auf denen jeweils ein Leibeigener „ritt“, bis alle schlechten Geistwesen vor der Pein aus seinem Körper geflüchtet waren. Die Priesterinnen hatten den nackten Mannsbildern mit schwarzen Samtbändern Mund und Augen verbunden. Schreie sollten keine weiteren Dämonen anlocken, und in Dunkelheit konnten sich die Betroffenen leichter auf ihre Aufgabe konzentrieren: Die Geister aus ihrem Leib zu treiben.



230. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 07.10.22 12:55

Manch armer Tropf saß wehklagend mehrere Tage auf dem Dämonenreiter, bis er gereinigt war. Einigen Geschöpfen mussten die Priesterinnen sogar Gewichte an die Füße hängen, um die Dämonen aus ihnen zu locken. Und bekanntlich machte jede Reinigung nur stärker, die einen besessenen Mann nicht in die Unterwelt stieß. Doch das Böse war Frucht ihrer Sünden und verließ nur zögerlich die befallenen Leiber, die trotz ihrer Knebel für ein durchdringendes Gewimmer und Gemurmel in der göttlichen Halle sorgten. Sabbern, Zappeln, Stöhnen, Jammern, Tränenstrom und anderes schnödes Gebaren in seiner schamlosesten Form. Was armselige Kreaturen diese unreinen und minderwertigen Gestalten doch waren! Die wahre Absolution, nach der sie trachteten, würden sie niemals erreichen.

Die Hohepriesterin nahm die Hand der jungen Frau, hart im Herze, aber weich im Händedruck. „Es freut mich, Euch in den Inneren Kreis aufnehmen zu dürfen. Auch ich habe mir einst nichts mehr ersehnt“, erinnerte sie sich an längst vergangene Jahre, als sie vor ihrer Weihe als mittellose Wanderarbeiterin in den Osten des Kontinents gezogen war. Sie verabschiedete die junge Priesterin, die heute ihren ersten Sklaveninitiationsritus leitete: Sieben Prüfungen mussten die Leibeigenen bestehen und enthüllen, ob sie würdig der Läuterung wären. Wehe ihnen, sollten sie nicht bereit sein. Die junge Ordensfrau verschwand durch einen Torbogen und hinter einer mit aufwändigen Schnitzintarsien verzierten Tür, auf der Symbole des Maluskults und komplizierte Knotenmuster verewigt waren. Einige Einlegearbeiten waren aus Schildpatt, an einigen Stellen hatte die Künstlerin Opale und Onyx verwendet. Pretiosen, wie diese hatte die Novizin nie zuvor gesehen.

Ihre Mentorin betrat ihr Privatgemach im Großen Tempel. Unter der hohen Decke waren dicke Bohlen angebracht, deren dunkles Ebenholz sich von der weiß getünchten Decke deutlich abhob. Eine bequeme Liege mit Kissen stand links von ihr. Dort setzte sie sich hin, schloss für einen langen Atemzug die Augen und hüllte sich in Ruhe. Eine Hand griff unter ihre Robe und holte die lange goldene Kette hervor, an der ein ebenfalls goldener Anhänger baumelte. Ein großer Rubin veredelte das alte Schmuckstück, das eine mystische Wärme abstrahlte, als sie es mit der Hand umfasste. Die Priesterin öffnete das Kleinod durch einen versteckten Mechanismus, so dass es sich wie ein Medaillon aufklappen ließ. Im Innern verbargen sich in Elfenbein geschnitzt die naturgetreuen Nachbildungen zweier junger Mädchengesichter – das ihre und das ihrer vermissten Stiefschwester.

In jungen Jahren waren die beiden zu Waisen geworden und eines Tages aus dem Findelhaus vor den Prügel der Erzieherinnen geflüchtet. Dabei hatten sie sich aus den Augen verloren. Wie oft hatte Tagara betrübt in Erinnerungen geschwelgt, die besonders nachts zu ihr krochen, wenn der Mond am Firmament sein fahles Licht über sie goss. Lebte ihre Schwester noch? Was war aus ihr geworden? War sie ihrem Joche entronnen? Ein Schatten huschte über die feinen Züge der Meisterin des Maluskultes, als sie gedankenverloren auf das Fenster der gegenüberliegenden Seite starrte, das mit gelbem, grünem und rotem Glas eingefasst war, ohne etwas von dem prächtigen Garten wahrzunehmen, der dahinter gedieh und zu der Tempelanlage gehörte. Erst, als das Feuer im Kamin laut knackte, fuhr sie zusammen und betrat wieder die Gegenwart, ihrem Trübsinn überdrüssig. Sie näherte sich der Feuerstelle und griff nach einem Schürhaken, mit dem sie die Holzstücke zurechtrückte. Funken sprühten und stoben nach oben in den schmiedeeisernen Abzug. Die abstrahlende Wärme auf ihrem Gesicht scheute sie nicht, denn die dunklen Gedanken an die Vergangenheit hatten das Zimmer scheinbar abkühlen lassen.

Im entfernten Westen hatte sich der Stadtstaat der Helena hinter gewaltigen Verteidigungsanlagen verschanzt. Gemeinsam mit Ledanien hatten die Bewohner eine geradezu monströse Invasion der Ostarmee abgeschmettert. Unter größten Verlusten waren die Cassandrier wieder abgezogen. Aber leider hatte es auch auf Seiten der Verteidiger gar schmerzliche Opfer gegeben. Auf dem Marktplatz vor dem großen Palast war eine imposante Granitplatte mit den Namen der Gefallenen aufgestellt worden – zum Gedenken und zur Ehre derjenigen, die zu den Alten Göttern gegangen waren, wie es sich schickte. Darunter war zum Beispiel der Name Arcanum zu finden, einst Jäger und sogar Reisegefährte der Leda, als diese noch im Exil weilte. Für Ledaniens Freiheit kämpfte er bis zu seinem Ende. Mutig hatte er sich einem gewaltigen Kriegssklaven des Ostreiches entgegengestellt. Doch der Gegner, mit einer Rüstung gewappnet, die mit Dornen gespickt war, preschte auf ihn zu und vergrub ihn unter sich. Arcanums Lederpanzer lag darauf zerfetzt im Staub, abgerissen von seiner Toga, die er stolz darüber getragen hatte. Das darauf gestickte Wappen von Ledanien war mit Dreck bespritzt und getunkt mit dem Lebenssaft des Trägers. Arcanums Leib lag leblos mit verrenkten Gliedern da. Für ihn hatte die Verteidigung seines Landes den Tod gebracht.

Oder Cain, einst Liebesdiener der Senatorin Kerbera, dann als freier Fischer an der Westküste und schließlich als Verteidiger des Bündnisses auf dem Wehrgang der äußeren Verteidigungsmauer von einem cassandrischen Bogenschützen ins Herz getroffen. Entsetzt hatte er beide Hände um den gefiederten Schaft gelegt, um ihn aus der Wunde zu ziehen, aber dann war er zusammengebrochen und stumm von der hohen Mauer gestürzt um in seinem eigenen Blut zu baden.

Oder Catulus, der einst aus dem Osten vor den grausamen Edelfräuleins geflohen war und dank des umtriebigen Anonymos, alias Zelos, in den Kerker geworfen wurde. Als freiwilliger Verteidiger, ein so genannter Defender, erhielt er seine Freiheit zurück – wenn ihm auch die Freiheit seiner Männlichkeit wegen des Keuschheitsgürtels weiterhin versagt blieb – und verlor bei dem Angriff der feindlichen Armee durch einen zwei Zentner schweren Gesteinsbrocken sein Leben, den ein Troll bis gegen die Zinnen der Mauern geschleudert hatte. Der Unglückliche erfuhr nicht mehr, dass dem Koloss von Widersacher im nächsten Moment ein monströser Speer mit einem Dutzend Widerhaken und der Dicke eines Rammbocks durch eine riesige Armbrustkonstruktion das Lebensband durchbohrt wurde.

Ehrfürchtig stand eine Traube Bürger des Stadtstaates vor den drei Schritt hohen Granittafeln und suchte nach bekannten Namen. Die Steine waren von Rosenbüschen eingerahmt, die die Pracht, aber auch die Vergänglichkeit des Lebens symbolisieren sollten. Im nahen Prunkbau, den einst Imperatorin Megara bewohnt hatte, regierte Senatorin Prodita derweil willkürlich. Sie fühlte sich als rechtmäßige Nachfolgerin von Königin Helena und ließ diese Kunde auch überall durch Herolde und Anschläge von Urkunden verlautbaren. Helenas Abbilder und Statuen wurden auf ihr Geheiß entfernt, auf dass sie nicht länger in den Augen des Volkes verweilten, und gegen Büsten ihrer eigenen majestätischen Schönheit ausgetauscht, Gemälde verbrannt. Nur Proditas Aura sollte sich ausbreiten wie mächtige Schwingen, denen zu huldigen war. Ihr schauriges Wesen sollte vor dem gefoppten Fußvolk glänzen wie ein polierter, saftiger Apfel – nur, dass diese Frucht innen faul war.

Es herrschte ein strenges Regime, besonders in den feinen Straßen und Plätzen des Stadtstaates. In diesen Bezirken entschieden die Centurias mit ihren Truppen, die allenthalben durch die Bezirke patrouillierten, nach Gutdünken, wer bleiben und wer als Pöbel und Plebs in weniger vornehme Gebiete schroff hinausgejagt wurde – selten mit den Worten „Gehabt Euch wohl“, als mehr durch herzhafte Stiefeltritte und Schläge mit der Lanze. Schließlich galt, wo Gesindel und Gelumpe mit trank, waren die Brunnen vergiftet. Die Elite blieb gerne unter ihresgleichen und versagte sich das niedere Volk. Die kühne Tyrannin erklärte Helena in einem lapidaren Dekret für tot. Die Herrscherin sei im Höhlenlabyrinth verschollen; der langen Suche sei man überdrüssig und nun der Auffassung, dass es keine Überlebenschance für die Verwirrte mehr gab. Nachdem die Regierung von einigen Senatorinnen in Windeseile umgebildet worden war, rief sich Prodita kurzerhand als neue Königin des Stadtstaates aus.

Das Bündnis mit Ledanien blieb aufrecht erhalten. Das inzwischen gewachsene Wirtschaftsgeflecht sollte weiter ausgebaut werden. Nur so, dünkte Prodita, konnte man gegen die Feinde aus dem Osten fürderhin bestehen – welche Konstellation von liebreichen Tyranninnen auch immer dort gerade herrschte. Zur pompösen Krönung waren auch Edelleute von weit her angereist und hatten der autokratisch regierenden Prodita gehuldigt, die in einem kostbaren und prachtvollen Gewand dünkelhaft den Thron bestieg, als wäre sie von den Alten Göttern selbst dazu auserkoren. Die Edelleute und reichen Kaufmänner und -frauen beugten ihr Haupt und gewiss auch ihre Ehre und Würde, denn niemand mochte die ehemalige selbstherrliche Senatorin in Wahrheit. Nur ihre Macht ließ ihre Untertanen um sie herum kriechen wie würdelose Würmer im Dreck. Doch dies war vielen gefälliger, als über ihren Stolz zu stolpern und zerschmettert am Galgenbaum zu hängen, ihr Leben verwirkt und ihrer Dignität beraubt.

Die Inflation von süßlichen Schmeicheleien triefte wie gespuckte schleimige Galle über die neue Herrscherin, die die Besudelung nicht zu bemerken schien und sich an dem Strom entzückender und untertänigster Wünsche, herzlichster Gratulationen und werbender sowie huldigender Komplimente, unter endlosen Verbeugungen vorgebracht, beschwingte und nimmer satt an ihnen wurde. Selbst bei Famas Krönung hatte es nicht so viel Auswuchs an Lobhudelei und falsche Gewogenheit auf einem Haufen gegeben; doch entweder war Prodita für die Wahrheit blind und taub, oder sie überging die anbiedernde Heuchelei der Speichellecker geflissentlich, die ihr Umfeld schwängerte.

Königin Leda war mit einer kleinen Abordnung Gardisten und Beratern zum Geleit erschienen und hatte der hochmütigen Prodita gelinde gesagt halbherzig und mit verkniffenem Gesicht gratuliert. Beide Damen waren sich kalt wie Eis gesinnt, und doch versteckte die Etikette den Frost unter der Maske der Diplomatie. Neun Signalhörner hatten ihre Ankunft auf den Stadtmauern angekündigt. Mit wehenden Bannern, gepanzerten Rössern, deren Schmuckdecken das ledanische Wappen präsentierten, und blitzenden Rüstungen waren die Ledanier nach der Krönungszeremonie so schnell wieder abgereist, wie sie erschienen waren – fast einem Affront gleich. Aber auch Ledas Quell der Geduld war nicht endlos. Ehre, wem Ehre gebührte, war sich Leda gewiss und schnaubte verächtlich über die Senatorin, die sich zu Höherem berufen fühlte. Die Eskorte ritt zurück in die heimatliche Burg, wo sie durch einen „Salut“ von Fanfarenbläsern willkommen geheißen wurde, die zwischen den Zinnen der Türme postiert waren. Die Hufe der Rösser polterten über die hölzerne Zugbrücke, die im Anschluss rasselnd hochgezogen wurde. Audienzen für das Volk waren für heute abgesagt, denn Leda tafelte mit ihren Beratern und Gladius, dem Schultheiß, um neue Kontrakte mit dem Stadtstaat auszuarbeiten. Niemand konnte sicher sein, dass Prodita keinen anderen politischen Weg einschlagen würde. Man wollte für alle Eventualitäten vorbereitet sein.

Leda nahm am schmalen Tischende der langen Tafel Platz. Hinter und über ihr hing ein großes Blason, ein bemaltes Wappenschild, auf dem eine aufrecht stehende Löwin zu sehen war, die in ihrer Pranke ein Schwert hielt. Zwölf Schwerter prangten so an der Wand, dass die Griffe der Waffen zum Wappen zeigten und die Klingen wie Strahlen von ihm weg deuteten. Die seitlichen Wände waren mit diversen Familienwappen geschmückt, mit überkreuz angebrachten Äxten, die auf der einen Seite ein scharfes Blatt, auf der anderen einen spitzen Dorn aufwiesen; ein Wandteppich stellte die Westküste mit einem Fischerdorf dar und schaute auf die Anwesenden hernieder; Hellebarden und Schilde vervollständigten das Bild. Sechs Personen saßen am Tisch und warteten darauf, dass die Königin das Wort ergriff, wie es sich geziemte. Der Königsgemahl Abas war nicht dabei. Ein Dienstbote brachte mehrere Karaffen Wein und dazu Kelche. Leda spielte nervös mit ihrem Ring, an dem ein grüner Turmalin glänzte. Sie sammelte ihre Gedanken, und alsbald konnte die Zusammenkunft beginnen. Alle waren mucksmäuschenstill, als die Regentin sprach. Es ging um nichts weniger, als um die Zukunft des Landes.

Aphron, Student der Heilkunst, mischte kurz zuvor eine Tinktur zusammen, die gegen Magengrimmen half, als er die Pferde der königlichen Abteilung zurückkehren hörte. Nicht mehr allzu lange, so freute er sich, und er würde genug Münzen zusammen gespart haben, um endlich einen Schmied bezahlen zu können, der ihm aus seinem Keuschheitsgürtel half. Was war er froh, dass er die Flucht aus Helenas Harem gewagt hatte! Dort wäre seine Männlichkeit auf ewig verschlossen geblieben. Und je näher sein Aufschluss rückte, desto unbändiger wurden die Verlockungen des Fleisches, der beißende Hunger der Lust, der sich mehr und mehr entzündete. Schnell beschriftete er mit Feder und Tinte den Tiegel mit der komponierten Essenz und begab sich auf die Galerie, von der aus er die herein eilenden hohen Gerüsteten und seine Majestät erblickte, wie sie in ihren karmesinroten Umhängen in den Wappensaal schritten. Gern hätte er Mäuschen gespielt und gelauscht, was die hohen Damen und Herren an Neuigkeiten aus dem Stadtstaat mitgebracht hatten.

Königin Leda hatte der Thronbesteigung durch Prodita mit gemischten Gefühlen beäugt und die Einladung nur angenommen, um die wirtschaftlichen Handelsbeziehungen nicht zu gefährden. Die einstige Senatorin galt als von Macht besessen und narzisstisch. Gladius sprach von einer „Kehrtwende in dunkle Zeiten“. Leda nickte zustimmend, getrübt zeigte sich ihre Stirn. „Es ist eine Schande! Der Stadtstaat war auf dem besten Wege zu freien Rechten für die Bürger. Und nunmehro? Mir deucht, Männer müssen bald Repressalien erdulden.“ Der Schultheiß räusperte sich. „Mir ist beim Festbankett fast schlecht geworden, als mein Auge diese rückgratlosen und kümmerlichen Bücklinge, von jeder Selbstachtung beraubt, erblickt hat.“ Eines konnte niemand der Anwesenden der berüchtigten Prodita nachsagen: hehre Ziele, die den Menschen zu gute kamen.

Und Ledas Besorgnis sollte ihre Berechtigung haben. Kaum waren die ersten Hochzeitsgäste abgereist, wies Prodita einem Teil ihrer Leibgarde ein Geheimkommando zu: Eine Gruppe aus fünf besonders zuverlässigen und verschwiegenen Frauen und Männern sollte auf Geheiß ihrer Gebieterin inkognito nach Ledanien reisen und dort die Ausgänge des Höhlensystems zum Einsturz bringen. Nichts wäre nämlich fataler, als wenn Helena eines Tages lebendig auftauchte! Die raffinierte Intrige würde publik und die mondäne Prodita vom Thron stoßen. Ja, ihr Leben würde sie wohl auch verwirkt haben. Aber vom Tode wollte sie lange noch nicht kosten. Die frisch Gekrönte stieg behände aus einem figurbetonten Musselinkleid mit einer aufwändigen Schleppe und ließ sich beim Ankleiden von zwei Zofen helfen: Über ihre seidene Leibwäsche mit den vielen Rüschen folgte ein Reifrock mit einer prunkvollen Brokatrobe, die mit Perlen und Goldfäden veredelt war. Nur das prächtigste Kleid war einer Königin angemessen. Im Ostreich hätte das Kleidungsstück sicherlich einen Wert von über hundert Sklaveneinheiten, rechnete Prodita.

Sie schnippte mit den beringten Fingern, an denen Brillanten und Saphire funkelten, und sofort eilte ein Lakai herbei, um ihr aus einer filigranen Kristallkaraffe gezuckerten Zitronensaft in einen kleinen Kelch zu gießen. Seiner Nervosität trotzend, stellte er zitternd die Kanne zurück auf das Tischchen. Schweiß funkelte auf seiner Stirn. Wäre ein Tropfen auf die Filzdecke mit der Goldborte gespritzt, hätte er Proditas harte Hand zu spüren bekommen. Es wäre nicht das erste Mal gewesen. Die Autokratin nippte an der Erfrischung und verzog den Mund. Der Lakai atmete auf. Den königlichen Zorn würde der Koch zu spüren bekommen, der den Trunk gemischt hatte. Auf dem Antlitz des Lakais spielte ein spitzbübisches Lächeln. Prodita verschwendete jedoch keinen Gedanken an die verpfuschte Rezeptur des aromatisierten Wassers. Sie war versunken in die Vorstellung, wie ihr Trupp dafür sorgte, dass Helena endgültig Geschichte war.

Und so machte sich das wackere Quintett von dannen, um die vertrauliche Spezialaufgabe zu erfüllen und erreichte bald schon die offene Grenze, die es als „handelnde Reisende“ passierte. Ihre silberfarbenen Harnische mit den Insignien des Stadtstaates hatten die Fünf unter dunklen Stoffumhängen verborgen. Auch die hochwertigen Blankwaffen waren in langen Ledertaschen neben dem Sattel des Pferdes untergebracht. Die Wachleute nahmen keine große Notiz von der kleinen Schar Fremdlinge und harrten offenbar ihrer Ablösung. Schließlich befanden sie sich innerhalb der Bündnisgrenze und erwarteten keine feindlichen Cassandrier. Ein Grenzler mit Helm und Brustharnisch winkte sie gelangweilt durch. Und die Garde der Prodita konnte Ledanien so unauffällig betreten, wie sich ein lauer Wind durch den Helmbusch aus gefärbten Federn schlich, den der Grenzmann auf dem Kopf trug. Die Reiterriege war kaum einen Pfeilschuss weit entfernt, da widmete sich der Ledanier bereits seinem Weinschlauch und wischte sich nach einem tiefen Schluck den besudelten Mund mit dem Handrücken ab, bevor er einen herzhaften Rülpser von sich gab.

Kurz vor dem Ziel ihrer Reise besprachen die Eingeweihten den Geheimauftrag, zu dem sie ausgesandt worden waren. Die beiden Männer nahmen ihre Flintsteine zur Hand, um ein prasselndes Lagerfeuer zu errichten. Die fünfköpfige Einheit bestand aus drei Gardeoffizierinnen und zwei Soldaten der Leibgarde. Die Männer waren früher Kampfsklaven gewesen, doch seit der Großen Reform durch die Regentin Helena und das verbündete Ledanien waren Mannsbildern viele Rechte eingeräumt, die sie großteils zu „Freien“ machte. Um zügellose Streitigkeiten zu vermeiden, war eine der Offizierinnen zur kommandierenden Führerin ernannt worden.

Eine der Soldatinnen, die sich gerade ihre ledernen Unterarmschienen abschnallte, befand: „Helena war völlig verwirrt. Und selbst ein gesunder, kräftiger Krieger wäre gewisslich nicht durch das Höhlenlabyrinth bis zu den Ausgängen gelangt. Längst werden die Gebeine unserer Majestät irgendwo neben denen der alten Göttin Megara liegen.“ Sofort wandte die zweite Offizierin ein: „Megara war keine Göttin! Sie war nur eine alte Vettel, die an Grausamkeit nicht zu überbieten war! Sie hat ihr verdientes Ende in den Höhlen gefunden. Die Alten Götter haben es ihr für ihre Lästerung geschenkt.“ Einer der Männer bestätigte das nickend. „Ja, sie war kein Deut besser als Cassandra oder Fama! Diese weiblichen Tyrannen, die nur die Rechte der Weiber gelten lassen und…“ Innerhalb eines Herzschlages zog die erste Offizierin ihre degenartige Klinge und drückte die Spitze in den Schritt des Mannes. „Jetzt wünscht du dir wohl doch gerade deinen eisernen Keuschheitsgürtel zurück, was?“

Sie drückte etwas stärker zu, und der Soldat verharrte verkrampft. „Nehmt Eure Waffe weg! Habe ich etwas Falsches gesagt?“ Die Gardistin grinste mürrisch und zog den Degen zischend durch die Luft und schob ihn in seine Scheide. „Du solltest nicht zu vorlaut werden, Kerl! Eine zu flinke Zunge kann bittere Früchte treiben.“ Mit vor Wut gerötetem Gesicht grunzte sie abfällig. Früher machte die Peitsche, die aus Zuneigung geschwungen, das Rückgrat des Mannes. Da standen sie stramm. Doch heute? „Hört auf! Tragt euren Händel später aus!“, murrte die kommandierende Anführerin. „Ruht jetzt. Morgen werden wir die Zugänge suchen.“ Sie warf den Rest ihrer Wildbretkeule neben das Feuer und entnahm der Satteltasche eine Wolldecke.

Die streitsüchtige Gardistin begab sich zu einer vom Feuer mehrere Schritt entfernten Stelle, um sich dort niederzulegen. Ihre Kameradin stand ebenfalls auf und wies die beiden männlichen Gerüsteten an: „Sorgt dafür, dass das Feuer erlischt, bevor ihr dem Schlummer heimfallt.“ Die Kumpane sahen ihr nach. Auf dem Rücken trug die Frau über Kreuz ein langes, dünnes, aber umso scharfes Schwert mit Blutrinne und einen Kurzbogen mit geringer Reichweite aber starker Durchschlagskraft. Einer der Männer kratzte sich seine Knollennase und murmelte: „Glaubt wohl, sie sei was Besseres. Nur, weil sie ein Weib ist! Die Zeiten sind vorbei! Die feinen Damen herrschen nicht mehr, weil wir Recken nicht mehr kriechen. An meinem tugendhaften Arsche lecken können sie mich.“ Der andere gab zu bedenken: „Passt auf Eure Nüsse auf, wenn Ihr einen Strauß mit ihr ausfechten wollt!“ Dabei tippte er mit einer Hand auf den Griff seines kurzen Breitschwertes.

231. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 15.10.22 11:38

Der Kamerad nickte nur brummend. „Erzähle mir lieber, wie wir die Gänge schließen sollen? Wenn die Weiber sich zurücklehnen und nur uns schaufeln lassen…“ Sein Gefährte winkte ab. „Ach was, vielleicht hat unsere Kommandantin ja einen neuen Einfall. Schade, dass wir keine Trolle haben, wie die Cassandrier. Die würden die Gänge mit Leichtigkeit zum Einsturz bringen.“ Also würden sie sich wohl an die schweißtreibende Arbeit machen müssen. Doch zunächst gönnte man sich einige Stunden des Schlafes.

In der Nacht wachte der eine Soldat auf und merkte, wie sich unter seiner Wolldecke seine Männlichkeit erhoben hatte. Er erinnerte sich vage an einen Traum, in dem er bei der Anführerin gelegen hatte. Wie sie ihm ihre warmen Brüste dargeboten hatte. Wie sie ihre Glieder gespreizt hatte, um ihn zu empfangen. Aber es war zu seinem Ungemach nur Fantasie gewesen. Der Soldat tastete nach seinem Liebesschwert und merkte, wie ihm das Verlangen den Schlaf aus den Augen trieb. Er musste seiner Begierde nachgehen und unterdrückte ein wollüstiges Stöhnen, das in ihm reifte. Der Recke trieb es immer weiter, die Faust fest um sein Fleisch ballend, bis er schließlich seinen fetten Samen über seinem Handrücken vergoss. Endlich fand er erquickenden Schlummer.

Am nächsten Morgen besichtigte die Truppe die Höhleneingänge. Der Soldat dachte bei ihrem Anblick: „Sie sind offen wie ein nacktes Weib mit geöffneten Schenkeln…“ Er hatte noch die willige Offizierin aus seinem Nachtmahr vor seinem geistigen Auge, die ihm nun voll der Ungunst barsch Befehle entgegen bellte. „Vorwärts! Sputet euch! Sucht die Gänge nach losem Gestein ab. Vermutlich gibt es Stellen, die wir einbrechen lassen können.“ Der Soldat betrat mit einer Fackel die Dunkelheit. Ihm war gar nicht wohl bei Erkundung, aber nicht geneigt, als Feigling zu gelten. Megaras Geist sollte hier hausen, so munkelte man am Lagerfeuer. Sie würde jeden Besucher als Sklaven in ihr Geisterreich holen, ihn in die Tiefen der Höhlen zu Dämonen und Nebelgestalten zerren, um sich mit geschwellter Brust der Wonne der Rachsucht hinzugeben. Grausam. Erbarmungslos. Barbarisch. Irgendwo hörte er ein tropfendes Geräusch. Erschrocken schwang er die Fackel hin und her und suchte die Quelle des Schalls. Aber Echos von den Wänden ließen ihn orientierungslos werden.

Plötzlich jagte etwas durch die Luft, eine Handbreit von seinem Gesicht entfernt. Der Soldat schrie zusammenfahrend auf. Was war das? Dann beruhigte er sich. „Fledermäuse“, murmelte er und musste schmunzeln über seine Schreckhaftigkeit. Er drehte sich wieder Richtung Höhlengang, um tiefer ins Dunkle vorzudringen, da gleißten vor ihm zwei rote Augen in der Finsternis auf. Augen, wie die einer Teufelsfratze, die den Schwarzen Tod brachte. Der Recke riss sein Breitschwert aus der Lederscheide und stach nach dem unbekannten Wesen. Doch die Augen waren verschwunden. Verwirrt und verängstigt schwang er die Fackel hin und her, in der anderen Hand noch krampfhaft sein Schwertgriff umklammert. Er leuchtete alle Winkel aus, aber nirgends war eine Spur einer Kreatur zu finden. Sein Herz schlug ihm galoppierend gegen die Rippen. Er merkte, wie sich sein Gemächt zusammenzog und am liebsten im Unterleib verschwunden wäre, um Schutz zu suchen. Sollte er sich weiter vorwagen? Nein, entschied er. Er drehte um und kehrte eilenden Schrittes zurück zum Ausgang. Und mit jedem Schritt hastete er schneller. Im Nacken spürte er eine Eiseskälte, als hätte ihn der Schnitter mit seinen Klauen bereits gepackt.

Die Offizierin war nicht gerade erfreut, dass der Mann kein Geröll, keine Spalten entdeckt hatte, die den Gang zum Einstürzen bringen könnten. Sie warteten auf den anderen Soldaten, der in dem zweiten Eingang entschwunden war. Die Schar geduldete sich noch eine ganze Weile, aber der Gerüstete kehrte nicht zurück. Als die Sonne unter dem freien Himmel bereits gen Westen wanderte, fasste die Kommandantin einen Entschluss. „Wir schütten den anderen Gang mit Erde zu. Jeder nimmt flink seine Schaufel. Los geht´s!“ Die Gerüsteten waren alles andere als begeistert. Die Erde war hart und mit dicken Kieseln versetzt. Trotzdem machten sich alle Vier emsig an die Arbeit. Die beiden Soldatinnen packten kräftig mit an, obwohl eine von ihnen leise raunzte: „Früher hätte das das Sklavenpack verrichtet!“ Es dämmerte bereits, als der erste Höhlenzugang verschüttet war. Noch immer war der fehlende Soldat nicht aufgetaucht. Die Anführerin hatte eine weitere Entscheidung getroffen. „Wir werden gemeinsam in die Höhle gehen und ihn suchen. Vielleicht ist er in ein Loch gefallen oder hat sich in einem Labyrinth verirrt. Wir binden uns mit einem Seil zusammen. Außerdem markieren wir den Weg mit Kreide.“ Alle rüsteten sich mit genügend geteerten Fackeln aus und wagten sich in den zweiten Felseingang.

Bald schon war das Sonnenlicht ausgesperrt, und nur noch das flackernde Feuer der Fackeln zeigte ihnen den Weg. Tatsächlich verzweigte der Gang schon kurz darauf. Die Anführerin markierte die Stelle mit Kreide und erwog den linken Weg zu nehmen. Einige Stalaktiten hingen so weit von der Decke hinab, dass sich die Gefährten ducken mussten, um sich an dem scharfen Fels nicht zu verletzten. An einigen Stellen war der Gang so schmal, dass die Rüstteile ihrer Uniform an den Wänden schrill schabten. „Erro!“, rief die Offizierin den Namen des Vermissten laut. Aber nur das Echo von den Wänden antwortete ihr. Dann zuckte sie abrupt zurück, als sie mehrere kahle Schädel angrinsten, die auf dem Boden lagen. Der eine Soldat flüsterte andächtig: „Hier haben sich schon Wandersleute vor uns verirrt.“ Die Befehlshaberin kniff ein Auge zusammen und überlegte still für sich: „Oder Helena hat es bis hier… Aber kann sie so schnell zu einem Skelett geworden sein? Und wo war dann der Rest der Knochen? Und wem gehörten die anderen Gebeine?“ Laut sprach sie aus: „Wir gehen zurück. Und dann suchen wir einen Weg, um auch diese vermaledeite Höhle zuzuschütten.“ „Und Erro?“, wollte der Soldat wissen. Die Kommandantin sah ihn streng an und erstickte jede Gegenrede. „Befolge meinen Befehl!“ Der Mann seufzte verzagt und gehorchte. Eine rothaarige und sommersprossige Soldatinnen hob die Achseln und murmelte: „Dann ist das Schicksal des törichten Erros eben besiegelt. Was muss er auch alleine in diesen verzweigten Gängen herumlaufen?“

Die kleine Schar machte sich auf den Rückmarsch durch die engen Stollen und suchte nach den Kreidezeichen. Doch ein Nebel waberte über dem Boden und klomm bald so hoch, dass die Markierungen nicht mehr zu erkennen waren. „Links oder rechts?“, frug eine Soldatin ratlos an einer Gabelung. „Das ist wie verhext“, schalt die Führerin. Sie wählte aus dem Bauch heraus den rechten Weg. Bald schon wurde der Schleier so dicht, dass sie sich fast aus den Augen verloren. Gerade noch brach die Fackel des Vordermannes durch die weiße Schicht und bildete einen schwachen Lichtpunkt. „Bleibt näher beisammen!“, befahl die Leiterin der Truppe. Doch kurz darauf mussten sie feststellen, dass sie sich hoffnungslos verlaufen hatten. Tief im Inneren des Höhlenlabyrinths irrten sie orientierungslos umher. Und dann fehlte plötzlich eine der Soldatinnen. Sie riefen nach ihr in alles Richtungen, doch blieb die Vermisste eine Antwort schuldig. Der Nebel war so dick, dass weder die Wände der Gänge, noch der Boden mehr zu sehen waren. Das trübe Licht der Fackeln konnte die zähen Nebelschichten nicht durchdringen.

Prodita kümmerte sich derweil in dem gewaltigen Palast des Stadtstaates um ihre Schönheit und ihr königliches Wohlbefinden und aalte sich in eitlem Müßiggang. Sie badete in Eselsmilch in einer vergoldeten Wanne und ließ sich die Haare mit einem Balsam aus Honig und einem Kräuterextrakt behandeln. Während die eine Zofe ihr die Masse auf den Schopf massierte, feilte eine weitere Bedienstete an den langen Fingernägeln der herrschaftlichen Dame. „Vorsichtig, du ungeschicktes Ding“, monierte sie cholerisch, als die Zofe ihre Fingerknöchel packte. „Willst du mir die Hand brechen? Bald erlahmt meine Geduld mit dir, du Grobklotz!“ Die Bedienstete erstarrte vor Schreck. Prodita galt aus äußerst aufbrausend und verargte Plumpheit und Tollpatschigkeit gleich einer schändlichen Bluttat. So mancher Angestellte war schon wegen ähnlicher Bagatellen mit Schimpf und Schande aus dem Palast gejagt worden – wenn ihnen das Glück hold war. Und die Zofe wollte nicht als Bettlerin in den Gassen enden oder sich an wohlhabende Edelleute verkaufen müssen. Almosenbittsteller und Vagabunden streiften schon leidlich zur Genüge durch die Straßen.

Ganze Heerscharen von hauptsächlich männlichen Bettlern streiften durch die Gassen und über die Plätze. Einige der schmutzigen und zerlumpten Gestalten kauerten am Rand des Weges an einem Mauerwerk oder auf dem Rinnstein, vor ihnen ihre Kappe, in der einige wenige Münzen landeten. Es dämmerte bereits, als eine Gestalt mit dunklem Umhang aus den Schatten eines Torbogens trat. Der Mann näherte sich mit leisen Schritten einem Bettler, der gerade seine kargen Tageseinnahmen zählte. „Oh, Ihr seid es“, erkannte der Rechtlose, der auf dem Boden hockte. Er reichte dem geheimnisvollen Mann die zerfranste Filzkappe mit den wenigen Kupfermünzen. „Mehr nicht? Das nennst du Tagewerk, Stümper?“, frug der Recke hoch aufragend mit unzufriedenem Tonfall. „Es tut mir Leid, Euer Gnaden“, entgegnete der Bettler unterwürfig, fast winselnd, „aber die Damen der Gesellschaft und die edlen Herren haben kein Herz für einen Bedürftigen wie mich in meiner Not.“ Die Gestalt in dem Umhang rümpfte die Nase, leerte die Filzkappe und ließ die Münzen in einer weiten Innentasche seines teuer aussehenden Gehrocks aus schwarzem Samt verschwinden. „Lasst mir eine einzige Münze, damit ich nicht hungern muss, edler Herr“, bettelte der Mann. Statt einer Antwort wischte der Gewandete sich mit der Kopfbedeckung des Bettlers über die schwarzen Stiefel und warf sie danach in den Dreck der Gasse. „Du willst Gefälligkeit? Morgen will ich das Doppelte sehen. Oder du wirst deinen Keuschheitsgürtel nie wieder los!“

Diese Drohung ließ den Bettelbruder am ganzen Leibe zittern wie Espenlaub. „Aber ehrenwerter Herr! Wie soll ich…“ Doch die Gestalt war schon weiter geschritten. Der Hungerleider verfiel in Schwermut und grämische Laune. Wie sollte er die Forderung seines Meisters erfüllen? Er kratzte sich am Kopf. Ihm blieb wohl nur, sich als Beutelschneider zu verdingen. Der unheimliche Mann hatte noch sieben andere Vagabunden aufzusuchen. Hoffentlich brachten die mehr ein, dachte Zelos, der in der Stadt nur als Anonymos bekannt war. Oder er musste die Ansammlung seiner „Untergebenen“ weiter erhöhen. Seine Gefährtin und Komplizin Insidia könnte ihm weitere Opfer in die Falle locken. Zelos besaß noch einige Keuschheitsgürtel in petto, die er in einer Schmiede der Stadt in Auftrag gegeben hatte. Und diese eisernen Hosen warteten nur noch auf ihre neuen Träger oder besser gesprochen Leidtragende. Der Schurke spazierte in seine Bleibe und legte sich auf das mit Seide bezogene Bett. Neben ihm spendete eine Laterne ein angenehmes Licht. Aus der Küche waberte ein Aroma durch die Luft, das ihm einen deftigen Braten versprach. Er rieb sich in Vorfreude den Wanst.

Zelos und Insidia hatten es mit ihrer Bauernfängerei zu einigem Wohlstand gebracht. Und während die beiden von einer jungen Magd bedient wurden, die eine deftige Speise auf dem Holztisch servierte, bewarfen sich zwei Bettler einige Gassen entfernt mit Bällen aus Lehm und Dreck, um sich gegenseitig zu vertreiben. Beide steckten sie in Keuschheitsgürteln des Anonymos und wollten diese wieder loswerden. Doch nur einer von beiden konnte sich den begehrten Platz direkt am Brunnen des Marktes erkämpfen, wo auffallend viele Edelleute vorbeikamen und eventuell ein paar Münzen in die Kappe eines armen Bittstellers warfen. Der rotbackige Verlierer der Lehmschlacht verzog sich in eine dunkle Gasse, in der es nach ausgekippten Nachttöpfen stank. Trotzdem knurrte sein Magen und quälte ihn in dieser Nacht. Doch ein altes Stück Brot sollte er erst am nächsten Tag ergattern, als ein junges Fräulein das angebissene Backwerk achtlos in die Gosse warf. Wann hatte er endlich seinen Aufschluss abbezahlt? Wäre er doch nie auf die trügerischen Verlockungen dieses Weibes voller Falsch hereingefallen! Wenn er gewusst hätte, dass er Opfer eines perfiden Plans gewesen war, so hätte er einen weiten Bogen um diese reizvolle Dame gemacht, die ihm süße Avancen versprochen und ihn so verführerisch mit ihrem glutäugigen Blick in ihren Bann gezogen hatte.

Er war mit dieser fein ersonnenen List dieses Gaunerpärchens hereingelegt worden wie ein törichter Narrenkönig. Was konnte es Schlimmeres geben, als in einem Keuschheitsgürtel aufzuwachen? Lieber wäre er bis aufs Leibhemdchen ausgeraubt worden! Nun ja, überlegte der Bettler, einen krummen Rücken hätte sich der Dieb bei ihm wohl nicht geholt, die Beute wegzuschleppen… Aber den einzigen Besitz, den er noch hatte – seine Männlichkeit – zu stehlen! Das war ein so abscheulicher Schindluder, den die beiden mit ihm getrieben hatten! Niederträchtig! Eine diabolische Schurkerei! Fein war der Trug, doch keineswegs ihr Gewissen. Er grübelte darüber nach, wie er an mehr Münzen kommen könnte, als es bei der Bettelei zu verdienen galt. Sollte er selbst gar zum Straßenräuber oder Beutelschneider werden? Niemals zuvor in seinem Leben hatte er sich solcher Frevel erdreistet. Aber was blieb ihm übrig? Bei seinem „Tageslohn“ würde es noch Jahre dauern, bis er das geforderte Säckchen Silber beisammen hatte. Seine müden Knochen taugten ihm nicht mehr für schwere Arbeit. Verzweifelt kämpfte er gegen sein Gewissen an, das in ihm aufwallte. Sollte er in die Schatten treten und zum Schurken werden? Ihm grämte das Herz bei dem Gedanken.

Als er am nächsten Tag durch die Gassen schlich und einem Kaufmann den Münzbeutel stehlen wollte, ging der Versuch mächtig schief: Der Mann spürte die diebischen Finger des Bettlers und packte nach dem Handgelenk. Ein befreundeter Böttcher half ihm dabei, den Tunichtgut zu überwältigen. Schnell war die Stadtwache herbeigerufen. Und keine Stunde später fand er sich in den tiefen Kerkern des Palastes wieder. Was hatte er nur getan!? Und dann auch noch so stümperhaft! Er umfasste die rostigen, eckigen Gitterstäbe seiner Zelle, deren Vorderseite aus einem Eisengeflecht bestand. Der kleine Raum, in den ihn zwei Wärter geworfen hatten, war vollkommen kahl. Große, raue Steinquader bildeten Boden und Wände. Die Decke war etwas gewölbt und bestand aus alten Ziegeln, an denen bereits Moos und Flechten wuchsen. Ein schwaches, fahles Licht drang diffus durch ein kleines Loch außerhalb seiner Reichweite hinein. Vor der Zelle brannte zusätzlich eine Fackel in einer eisernen Wandhalterung.

Es gab keinen Eimer oder Bottich für seine Notdurft, nicht einmal ein wenig altes Stroh. Die einzige Einrichtung seiner neuen Bleibe war ein Paar Eisenfesseln an einer Kette, die mit einem Ring in der Wand angebracht waren – an die er den Alten Göttern sei Dank nicht angebunden worden war. Was würde ihn nun erwarten? Würde ein Richter ihn verhören? Aufgehängt an den Füßen? Oder gab es gar keine Verhandlung? Sollte er hier schmoren für… wie lange? Einige Wochen, Monde oder gar Jahre? Einfach vergessen... Die Ungewissheit trieb ihn schier in den Wahnsinn. Doch nach einigen Stunden erschienen zwei Personen, von denen einer eine bräunliche Pergamentrolle lispelnd verlas: „Er ist des versuchten Diebstahls an einem Edelmann für schuldig befunden und wird zur Sühne ein Jahr Kerkerhaft verbringen.“ Der Habenichts stöhnte auf. Als wäre das nicht arg genug… So musste er auch noch seinen Keuschheitsgürtel tragen. Und der Mann setzte seine Verkündung nach einer vollmundigen Pause noch fort: „Und zur Strafverschärfung soll er jeden dritten Tag im Eisen krumm geschlossen sein.“

Er rollte das Pergament zusammen, dass zweifellos die Unterschrift einer Senatorin enthielt, und winkte seinem Begleiter zu. Der brachte eine schwere Eisenstange, an dem vier Schellen befestigt waren. Der Bettelbruder wurde vorgebeugt und mit gespreizten Beinen an die Stange geschlossen, dann ließen die Uniformierten ihn zurück. Quietschend und scheppernd fiel die Gittertür ins Schloss. Wut und Verzweiflung lockten Tränen in seine Augen, die auf den Wangen des Lumpenträgers herab rannen und schmutzige Spuren auf der Haut hinterließen wie eine mäandernde Kloake. Jeder dritte Tag im Eisen! Vier Jahreszeiten lang! Wie sollte er das durchstehen? Wie lange konnte er das ertragen? Er betete verzweifelt um Kraft. Doch die Zeit bis zum Morgengrauen sollte scheinbar ewig dauern.

Als er am nächsten Tag endlich aufgeschlossen wurde, ächzte und stöhnte er vor Schmerz. Die erzwungene Haltung war von Stunde zu Stunde qualvoller geworden, während sein Wehgeschrei das Gewölbe gefüllt hatte. Und auch jetzt konnte er seine steifen und zwickenden Glieder kaum bewegen, ohne dass sie ihn peinigten. Diese Marter musste er noch viele Male über sich ergehen lassen? Kaum vorstellbar! Einige Zeit später, es mochten vielleicht zwei oder drei Stunden vergangen sein, hörte er wieder schwere Türriegel kreischen und Schritte sowie das Scheppern der Harnische und Waffen. Die zwei Wärter, die ihn selbst in die Zelle geworfen hatten, brachten nun einen neuen Gefangenen und stießen ihn grob in die Zelle gegenüber. „Wie heißt du?“, frug der Bettler den Fremden, als die Uniformierten verschwunden waren. „Mein Name ist Ikaros. Und ich bin fahrender Kaufmann.“ Der Bettler schluckte. Ein Kaufmann also. Er frug höflich weiter: „Und weshalb seid Ihr hier?“ Der Mann sah den in Lumpen gehüllten Gefangenen an. „Mit wem habe ich denn überhaupt die Ehre?“ Der Habenichts stellte sich vor. „Man nennt mich Viavir. Und man hat mich des versuchten Diebstahls überführt. Doch war ich in einer Notlage…“ Ikaros lachte. „Das sehe ich! Mann, Er ist ein Taugenichts! Ein Tunichtgut! Ein Vagabund, der Tugend meidet.“ Viavir seufzte tief. Dann schilderte er die ganze Geschichte. Ikaros hörte mit wachsendem Interesse zu. „Und Er trägt diesen Keuschheitsgürtel noch immer?“ Viavir nickte. „Natürlich. Wer sollte ihn mir abgenommen haben!?“ Ikaros: „Zeigt Er ihn mir?“ Viavir zögerte. Schamesröte zeichnete sich unter dem Dreck in seinem Gesicht ab. „Also gut“, meinte er und löste die schmutzigen Lumpen, so dass er die eiserne Hose entblößte.

Ikaros meinte empört über die Grausamkeit: „Dieser Anonymos muss eine wahrhaft abscheuliche Gossenratte sein! Und sein Weib eine von den Alten Göttern verdammte Hexe!“ Dann wagte Ikaros es, seine eigene Geschichte zu berichten. „Ein Nebenbuhler, der meine Versprochene begehrt, hat mich denunziert. Er hat die Stadtwache bestochen, dass sie mir einen Betrug an einem Weinhändler andichten.“ Viavir war empört im Herzen. In seiner Aufregung sprach er den Kaufmann wie einen Niederen an: „So ein Hurenbock! Wirst du jemals aus diesen Mauern entkommen, um dem Kontrahenten den Fehdehandschuh ins Antlitz zu schleudern?“ Ikaros grinste. „Oh, ja! Und zwar sehr bald. Ich habe den Wachen einen Beutel mit Münzen bringen lassen. Man hat mir versprochen, dass ich schon morgen Nacht die Freiheit ergattere. Dann werde ich meine Amouren fortsetzen können.“ Viavir seufzte. „Hätte ich doch auch nur etwas, das ich den Wächtern geben könnt.“

Ikaros fiel in Grübelei und sah dann auf. „Wenn Er mir den Rivalen vom Hals schaffte, könnte ich Ihm diesen Anhänger vermachen…“ Er holte aus seinem Leinenhemd einen dünnen Lederriemen hervor, den er um den Hals trug. Daran hing ein kunstvoll gefertigtes Goldstück, das einer strahlenden Sonne nachempfunden war. Aufwändige Muster waren in die Scheibe hinein graviert. Damit konnte sich der Obdachlose freikaufen; doch zu was würde er dann verdingt sein? Sollte er etwa zum Meuchelmörder für seinen Kumpanen werden? Er zögerte. Ikaros lächelte. „Überlege Er es sich. Bis zum Sonnenaufgang bin ich noch da. Aber warte Er nicht zu lange mit der Entscheidung. Wenn die Wärter mich holen, wird Seine Chance vergangen sein. Dann mache ich mich hinfort.“






232. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 20.10.22 12:07

Die Hohepriesterin Tagara wachte in der pechschwarzen Nacht des Ostreiches schweißgebadet auf. Es war Neumond, der sich hinter einer dicken Wolke verbarg. Die Malus-Priesterin hatte einen fürchterlichen Nachtmahr erlebt. Sie war im Tempel von einem gehörnten Dämon, einem Satyr gleich, verfolgt worden, der von hinten ihre Robe hochgeworfen und seinen harten Phallus zwischen ihre Pobacken gerammt hatte, taub für ihr Flehen. Stattdessen lachte er animalisch und tanzte klackernd mit seinen Pferdehufen auf dem Boden, während er ihre Venus pflügte. Doch was war das? Sie war doch wach! Auch im Hier waberte um ihr Bett ein geheimnisvoller Nebel. Tagara griff instinktiv an ihr Schutzamulett und murmelte Beschwörungsformeln. Wollte das Totenreich sie umwerben? Hatte sie mit der Machtergreifung gegen den Willen der Alten Götter gehandelt? Hatten sie sich gegen sie verschworen? Hatte sie unbotmäßig oder anmaßend gehandelt?

Sie war auf direktem Wege, Cassandra und Vesta zu beherrschen. Sie war die eigentliche, die tatsächliche Machthaberin des mächtigen Ostreiches. Das war ihre Bestimmung. Cassandra fungierte als ihre Marionettenkönigin; Vesta war zur Statthalterin der Metropole degradiert worden. Wollte ein Geistwesen ihr deshalb etwas antun? Oder gab es einen anderen Grund? Der Nebel stieg und schmiegte sich bedrohlich um Tagaras Bett. Der Protektions-Zauber nutzte nichts gegen das lebendige Grauen, das sie förmlich umgab. „Wer… Wer seid Ihr?“, frug sie mit rauer Stimme, in der ein nicht zu unterdrückendes Zittern vibrierte. Der schimmernde Nebel formte sich langsam zu einer undeutlichen Gestalt, die sich über Tagara beugte und sie umgab, fast wie eine Decke – oder wie ein Kissen, dass sie ersticken wollte...

Unscharfe Schemen bildeten sich zu einer Fratze des Grauen mit herabgesunkenen Mundwinkeln, die ein Maul umgaben, das sich zahnlos und schwarz wie Pech öffnete. Eine Stimme ertönte, die Tagara einen weiteren Schauder über den Rücken laufen ließ. Gleichzeitig blitzten Augen in der Kreatur auf, die nach einem kurzen Glühen zu schwarzen Löchern wurden. Sie schienen auf ihrem Gegenüber zu wurzeln. Das Dämonenwesen sprach: „Endlich habe ich dich gefunden, Tagara! Endlich entkomme ich meinem Gefängnis! Endlich werde ich mich an diesen untreuen Verrätern rächen!“ Tagara zitterte. Auch ihre Stimme vibrierte vor Furcht. „Wer seid Ihr? Warum habt Ihr mich gesucht? Und was wollt Ihr von mir?“ Die Hohepriesterin des Maluskultes rieb verzweifelt über ihr Schutzamulett. Ein boshaftes Lachen erscholl und echote von den Wänden wider.

Wieder und wieder drang die Antwort an Tagaras Ohr: „Ich bin die verratene Göttin von Megaria! Mein Name lautet Megara. Doch mich kennst du als Crudelita.“ Sie ließ den Satz wirken und ergänzte: „Schwesterherz!“ Tagaras Herz blieb fast stehen vor Schreck. Sie spürte, wie sich eine eiskalte Faust um ihr Herz zu spannen schien. Crudelita, die verlorene Stiefschwester, die sie all die Jahre im Medallion an ihrem Busen trug. „Schwester…“, begann sie, „du bist Megara gewesen? Die Königin?“ Was für grässliches Erwachen!

Der Geist schob sich noch näher, und Tagara spürte den Atem über ihr Gesicht streichen. „So wahr. Ja, liebste Tagara. Ich wurde von einem Bauern aufgenommen, als wir uns verloren hatten. Zuvor war ich viele Monde lang durch die Weiten des Alten Kontinents geirrt, habe gehungert und gedürstet, wurde überfallen und geschändet. Ich glaubte, ich stürbe. So war ich froh, als mich der Bauer als Magd aufnahm. Doch schon bald musste ich feststellen, dass der Kerl auch andere Dienste von mir forderte und er immer öfter meine Schürze hob, um sich an mir gut zu tun. Schließlich lief ich weg und schwor mir, niemals wieder werde mich ein Mannsbild berühren, wenn ich dies nicht wünsche. Ich kam in die damalige Hauptstadt und lernte, wie ich Kerle dazu brachte, alles für mich zu tun. Ich setzte alles daran, um begehrenswert zu sein und außerordentliche Schönheit zu erlangen. Dann suchte ich die Nähe zum Königshofe. Damals war die Königin von Talos III. gestorben, und er suchte eine neue Gemahlin. Ich umgarnte ihn. So gelang es mir in der Folge, den Platz neben ihm einzunehmen. Wir feierten eine prunkvolle Hochzeit. Doch in den Folgejahren blieb ein Thronfolger aus. Sein Samen war schwach. Glücklicherweise hatte ich Gefallen an einem feschen Bediensteten gefunden, der mir seine Saat in den Bauch pflanzte. Talos III. glaubte bis zu seinem Tode, dass der dicke, hässliche Nachkomme - Talos IV. – sein eigenes Blut war. Dieser törichte Dummkopf! Aber ich wusste es besser.“

Tagara hörte gebannt zu, wie ihre Stiefschwester von ihrem Leben berichtete. Crudelita, die ihren Namen bereits als junge Maid abgelegt hatte, erzählte weiter. „Wenn du es genau wissen willst, Schwesterherz, Talos III. hat seinen Frieden in der Umarmung des Todes nicht ganz natürlich gemacht“, und Megara ließ ein verträumtes Schmunzeln erkennen. Nach und nach formte der Nebel sich zu einer Menschengestalt, die aus Fleisch und Blut bestand und welke, menschliche Züge aufwies. In Tagaras Augen, die weit aufgerissen waren, zeigte sich mehr und mehr ein Erkennen. Diese Frau vor ihr… Sie war tatsächlich Crudelita. Und gleichzeitig war sie die berühmte Megara. Aber wie war das möglich? Megara war vor Jahren gestorben! Doch der Geist, der sich inzwischen mehr zu einer menschlichen Gestalt geformt hatte, schwebte jetzt über Tagara, die vor Angst weit zurückgelehnt hing und in das Gesicht der verlorenen Schwester starrte. „Durch eine dumme Schar Soldaten des Stadtstaates bin ich aus den Höhlen, wo mich die Verdammnis gefangen hielt, entkommen. Und nun habe ich auch dich gefunden. Jetzt fehlt nur noch der letzte Schritt. Ich werde mich deines Körpers ermächtigen…“ Mit diesen Worten näherte sie sich weiter. Die Gesichter der Frauen waren nur noch eine Handbreit voneinander entfernt. Tagara war unfähig sich zu rühren. Megara näherte sich weiter und weiter und…

…verschmolz mit ihrer Stiefschwester, die gequält aufschrie, als sie fühlte, wie ihre Seele aus ihrem Leib gerissen wurde, wie sie als hüllenloser Geist im Raum schwebte, getrennt von ihrem Körper. Ihr Kreischen wurde immer leiser, bis es nicht mehr zu vernehmen war. Megara und die Hohepriesterin waren nun vereint. Tagaras Seele dagegen schwebte hilflos wabernd durch die Luft. Ihre Gestalt löste sich auf und verschwand gänzlich. Megara nahm eine Phiole vom Nachttisch und hielt sie dem dämonischen Nebel entgegen. Wie unter einem unbändigen Zwang strömte der Nebel in das kleine Gefäß. Megara grinste maliziös und stopfte einen Korken auf die Phiole und legte sie unachtsam zur Seite. Die Auferstandene kleidete sich mit anmutigen Bewegungen an, wie es sich einer Hohepriesterin des Maluskultes geziemte. Die Zeit ihrer ersehnten Rache war gekommen! Unter ihrer regiden Führung würde das Ostreich die westliche Allianz niederbrennen, zerschmettern, zermalmen, vernichten, unterwerfen, bis ihr Hass gesättigt war! Niemand außer ihr selbst hatte das Recht den Alten Kontinent zu regieren. Dann würden die Klingen und Herzen ihres Volkes nur ihr gehören. Alle anderen sollten auf dem Schlachtfeld bleiben.

Nur wenige Räume entfernt waren zu diesen Stunde noch zwei Maluspriesterinnen wach und standen vor einem Eisenstuhl, dessen Beine am Boden angeschraubt waren. Sie hatten ihre schweren Roben abgelegt und trugen ein schwarzes, enges Wams aus Seide, das den Hals hoch verschloss, jedoch eine unzüchtige Stelle unbedeckt ließ, die fast mehr verriet, als ein weites Dekolleté eines Ballkleides. Die Gewandung der Priesterinnen zeigte unter der weiten Robe einen eher schlichten und militärischen Stil aus hohen Stiefeln und enger Reithose. Nur wenige Mannsbilder sahen jemals eine der Tempelfrauen in solchem Aufzug. Heute Nacht saß ein Jüngling, gerade zum Manne gereift und mit weichem Bartflaum, splitternackt auf dem Eisenstuhl. Dicke Ledergurte hielten seine Hand- und Fußgelenke. Ein weiterer Lederriemen umspannte seinen flachen Bauch. Seine großen Augen scheuchten angstvoll durch den Raum hin und her. Er wusste nicht, warum er hier an diesen Ort verschleppt worden war. Er war erst jüngst einer jungen Edlen als Prügelsklave versprochen worden. Doch kurz, nachdem er seine Herrin kennen gelernt hatte, war er von kräftigen Soldatensklaven in klappernden Uniformen auf die Tempelanlage gebracht worden und seit mindestens drei Tagen – so genau wusste er es nicht, weil sein Verlies kein Fenster hatte – gefangen gehalten worden. Niemand hatte bisher mit ihm gesprochen.

Und nun hatten sie ihn auf diesen Stuhl in diesen furchterregenden Gewölberaum gebracht. Weit über ihm hing eine große Blendlaterne, die ihn in ein fast schon grelles Licht tauchte. An den Wänden aus Granitblöcken hingen Ketten, Haken, Eisenbänder, Schlingen, Zangen und Spieße. Ein Gerüst aus Eisengeflecht war im Dunkel der gegenüberliegenden Wand nur schemenhaft zu erkennen. Und eine Streckbank verschwand ebenfalls in den Schatten, doch blieb ihre abscheuliche Silhouette zu erahnen. Einen fröhlichen Reigen wollte man hier gewiss nicht tanzen. Eine angenehme Wärme kam von rechts, doch als der Jüngling einen raschen Blick in diese Richtung warf, sah er das Kohlebecken mit den orangefarbenen Stücken darin. Vor seinem geistigen Auge näherten sich glühende Zangen, die ihn foltern und martern würden. Hechelnd und nach Luft schnappend spannte er seine Arme und Beine an, aber die Ledergurte würden ihn selbst in Todesangst fest auf dem Eisenstuhl halten. Sein Leib war glänzend vom Angstschweiß. Am liebsten hätte er um Erbarmen geschrien und nach dem Grund gefragt, warum er hier sei, doch die aufgeschraubte Mundbirne aus Eichenholz ließ außer einigen unverständlichen Lauten nur Speichel an ihm hinab rinnen und besudelte sein Kinn, seine Brust und tröpfelte bis auf seine Männlichkeit, die klein zwischen seinen Schenkeln lag.

Eine der jungen Priesterinnen hielt eine dünne Stange in der Hand und schwenkte sie vor. War es etwa ein Schürhaken?, frug sich der Nackte voller Furcht. Die Gewandete tippte den Liebesstab des Jünglings damit an, der durch die Berührung wuchs und sich neugierig den Frauen entgegenstreckte. Entsetzt stellte der Sklave fest, dass nicht nur sein Leib nackt, sondern nun auch sein fleischliches Verlangen entblößt war. Der Jüngling war verwirrt. Wie konnte das geschehen? Sein Körper zitterte vor Grausen, und sein Gemächt pochte zugleich vor Lust! Welch Ironie des Schicksals! Er hörte, wie die beiden Gewandeten lachten. Ein lautes, ordinäres, anzügliches Lachen, wie er es niemals von einer Priesterin erwartet hätte. Im nächsten Moment kam das zweite Weib näher und stülpte ihm etwas über den Kopf. Der Jüngling sah nichts mehr. Kein noch so schwacher Schein fand durch den dicht gewebten Stoff. Sein Herz schlug ihm gegen die Rippen. Und im folgenden Augenblick spürte er, wie sich ein Seil oder ein Band an seinem Hals zuzog. Sollte er erdrosselt werden wie ein Pferdedieb? Doch die Kordel war nur dazu da, die Kapuze sicher an Ort und Stelle zu halten. Auf der hellen Haut des Jünglings bildete sich ein neuer Schweißfilm. Dann schrie er abrupt auf: Etwas biss in seine linke Brustwarze und brannte wie Feuer. Dann folgte der gleiche Schmerz in seiner rechten Seite. Die Priesterinnen „reinigten“ den Leibeigenen im Auftrage der jungen Herrin, die ihn geschenkt bekommen hatte. Doch hier waren nicht die „Sieben Prüfungen“ geeignet, die Mannsbilder von „Boshaftigkeit“ befreiten, sondern eine Reinigung der Männlichkeit. Die Herrin wollte sicher gehen, dass ihr Prügelsklave völlig rein war. Sollte der Jüngling bereits in seinem Leben bei einem Weibe gelegen haben, so würde diese Zeremonie seine „Jungfräulichkeit“ wieder bewirken.

Dazu las die eine Priesterin aus einem dicken Folianten alte Magiesprüche vor, während die andere eine Schüssel voll Wachs über dem Kohlebecken erwärmte. Als das Wachs flüssig war, nahm die Robenträgerin die Schüssel und schob sie zwischen die gebundenen Schenkel des Sklaven. Der Stuhl war so konstruiert, dass die Tempelfrau das Gefäß befestigen und auf Schienen vorwärts schieben konnte, bis die gesamte Männlichkeit des jungen Recken im Wachs tauchte. Spitze Schreie erschallten in dem Gewölberaum. Zugleich schämte sich der junge Mann für sein weibisches Gekeife. Anschließend musste das Wachs härten. Die Priesterinnen verließen den Keller und betraten den nächsten Raum. An der gegenüberliegenden Seite hingen vier nackte Prügelsklaven über einem langen Holzbalken. Ihre gespreizten Beine waren mit Eisenbändern am Boden befestigt, die Hände ebenfalls auf der anderen Seite des Balkens, über den sie lehnten. Zusätzlich führte eine dünne Kette unter ihnen gespannt zu ihrem Gemächt, das in einem Eisenband fixiert war. An einer kleinen Kurbel konnten die Damen mit den Roben den Zug bestimmen. Eine Robenträgerin verlas kurz die Verfehlungen ihrer Besitzerinnen und entschied, auf den linken Sklaven zeigend: „25 Schläge mit der Reitgerte. Danach erhält er ein neues Brandzeichen auf das Gesäß.“ Irgendwie mochten die Priesterinnen die nächtlichen Dienste. Nur noch drei weitere Gewölbe mit Sklaven erwarteten sie. Später durften sie sich im Harem des Tempels verwöhnen lassen. Die viele Prügel ließen ihre Muskeln verspannen. Aber es waren Verrichtungen, die sie trotz der Mühe gern taten. Es hatte schon einen gewissen Liebreiz. Die Sklaven durften sich glücklich schätzen, unter ihrer Anmut, Grazie und Freigebigkeit zu besseren Leibeigenen zu werden.

Am nächsten Morgen begrüßten Priesterinnen scheinbar die ehrwürdige Tagara. Megara nickte als Erwiderung kaum merklich mit dem Kopf, wie Tagara es getan hätte. Nur eine der älteren Malusfrauen glaubte, im Antlitz von Tagara fremde Augen aufblitzen zu sehen. Nein, aufblitzen war die falsche Beschreibung: Sie wirkten geradezu maustot. Oder zumindest kalt und gefühllos wie die eines Karpfens. Die vermeintliche Tagara schritt in den großen Altarraum des Tempels. An einer vertäfelten Holzwand, an der ein mannsgroßer Kupferstich und zwei prunkvolle Gobelins hingen, zog sie an einem verborgenen Mechanismus. Gut, dass sie in Tagaras Kopf schauen konnte, um ihr Wissen in sich aufzunehmen. Der Preis, den die Schwester dafür zahlen musste, war nicht nur die Gefangenschaft im Geistzustand in der Phiole, sondern auch grauenhafte Angst, die sich durch Megaras ungebetenen Eintritt in ihr Haupt ausgebreitet hatte, die die arme Tagara fortan als Erbe der Megara bis in alle Ewigkeit erdulden und erleiden musste. Ewige Agonie.

Megara öffnete den geheimen Durchgang in der Wand und schritt durch einen kurzen Gang auf eine Wendeltreppe aus Granit zu, die in die Untergeschosse der Tempelanlage führte. Ein großer Harem erwartete sie. Die Priesterinnen des Maluskultes waren alles andere als abstinent. Die bei ihnen besonders ausgebildete Libido befriedigten sie an Sklaven, die die „Sieben Prüfungen der Austreibung“ nicht bestanden hatten. Die Männer verblieben für den Gebrauch der in Roben gewandeten Malusfrauen in den Kellerverliesen und Harems, wurden dort weiter zu außergewöhnlichen Liebesdienern ausgebildet. Laster, Zügellosigkeit und Sünde waren nun ihr verdorben täglich Brot. Megara betrat den großen Raum, der reichlich geschmückt und mit Diwanen ausgestattet war, beachtete aber die vielen nur leicht bekleideten und wunderschönen Leibeigenen nicht, sondern sie schritt auf eine weitere Tür zu, vor der zwei Sklavenwächter standen. Die Männer waren mit Lanzen und Kurzschwertern bewaffnet und öffneten die zweiflügelige Pforte, als sie ihre Herrin herbei schreiten sahen. Megara sah sich in der Örtlichkeit beindruckt um. Trotz Tagaras Erinnerungen, die sie gestohlen hatte, überstrahlte die Wirklichkeit diese noch deutlich: Vergoldete Flächen, edelste Polster und Kissen, Möbel aus kostbaren Hölzern und Silber, kunstfertige Teppiche aus den besten Fasern, Lampen aus Kristall, Mosaike aus Halbedelsteinen funkelten an den Wänden und am Boden, feinste Marmorsäulen mit kunstvollen Metzarbeiten, ein einem Festbankett gleichenden Büfett, Pelze und aufwändig gefertigte Decken, ein Harfenspieler, der sich sofort hinhockte und eine leise Melodie erklingen ließ, zwei weitere Sklaven, die mit großen Palmblättern bereit standen, um frische Luft zu fächern, und schließlich fünf Liebesdiener, wie selbst Megara sie in ihrem perfekten Körperbau noch nie gesehen hatte, und die um die Herrin scharwenzelten um für Pläsier zu sorgen.

Wie aus dem Traum einer Bildhauerin geschaffen erstrahlten sie. Megara stellte zu ihrer Zufriedenheit fest, dass auch die Männlichkeit der Sklaven keine Wünsche übrig ließ. Sie staunte, dass hier keine Keuschheitsgürtel verwendet wurden, doch die Loyalität, Unterwürfigkeit und Ehrerbietung, die ihr diese gelungenen Exemplare entgegenbrachten, ließen sie erahnen, dass diese es niemals wagen würden, ohne ihre gnädige Erlaubnis Hand an sich zu legen. Der Kriegszug konnte warten. Heute verlangte es Megara nur noch nach diesen wunderbaren Geschöpfen, die sie gewiss in ein Paradies der Freuden entführen würden. So lange Zeit war vergangen, seit sie diese intensive Befriedigung erlebt hatte. Und nach den schändenden Sklaven in den Höhlen hatte ihr lange nicht der Sinn nach lieblicher Erfüllung gestanden. Doch das Tal des Jammers war durchwandert. Die Leibeslust war zurückgekehrt. Sie würde sich zunächst an diesen wertvollen Liebesdienern laben, wie Kolibris am süßen Nektar, und danach ihre Rache kalt servieren, schwärmte sie voller Vorfreude über das sinkende Glück ihrer Rivalinnen. Der Tag der Abrechnung würde kommen, war sie gewiss, und betete dafür täglich zu den Alten Göttern.

In Ledanien residierte Königin Leda. Sie und ihre Berater und Beraterinnen waren zu dem Schluss gekommen, dass eine Abspaltung vom Stadtstaat der Prodita nicht in Frage kam, solange ein gewaltiges Ostreich seine aggressive Expansionspolitik nicht ad acta gelegt hatte. Man musste mit dieser dubiosen Prodita Vorlieb nehmen. Falls allerdings Übergriffe und Entrechtungen von Männern im Stadtstaat bekannt würden, so musste Leda regulierend eingreifen. Sie betete zu den Alten Göttern, dass es nicht dazu kommen möge. Die Regentin schritt in ihrer uniformierten Gewandung mit dem purpurroten Umhang durch die Wappenhalle. Es war Zeit für das Mittagsmahl mit ihrem Gatten Abas, aber sie wollte alleine sein. Sie lief durch die Gänge ihrer Burg und betrat den Pferdestall. „Richtet mein Ross! Ich reite aus“, befahl sie dem Stallknecht, der vor Schreck die Mistgabel fallen ließ, weil er die Majestät so spät bemerkt hatte. Noch nie zuvor hatte sie persönlich mit ihm gesprochen. Ehrfürchtig beeilte er sich, dem Befehl folge zu leisten. Er legte Zaumzeug und Sattel auf. Noch bevor er sich Gedanken darüber machen konnte, was einer Königin noch geziemte an Schmuck oder Ausrüstung, erschien Leda erneut und nahm von ihm das Pferd ganz unzeremoniell entgegen. Der junge Mann starrte verblüfft der Reiterin hinterher. Wenige Augenblicke später galoppierte Leda mit flatterndem Umhang durch den Innenhof. Die Wachen zogen das schwere Fallgitter rasselnd und klirrend nach oben, gerade noch rechtzeitig, dass die Königin das Reittier nicht zügeln musste. Die Hufe schlugen klackernd und polternd über die hölzerne Zugbrücke und schleuderten am anderen Ufer Dreck und Grasnaben in die Luft.

Die Oberste Gardistin Nike eilte eine Leiter von einem Beobachtungsposten an der Innenmauer hinab und eilte über den Hof zu den Wächtern am Fallgitter. „Die Königin ist alleine ausgeritten?“ Welch wirrer Gedanke hatte sie nur heimgesucht? Die Wärter standen unter den vorwurfsvollen Blicken der Uniformierten stramm und schluckten. Sie bestätigten Nikes Befürchtung. Die Oberste lief, gefüllt mit Sorge, zum Stall, um eilig ihren Rappen zu satteln und Leda zu folgen. Ledanien war zwar befriedet, doch konnte man nicht vorsichtig genug sein. Wer wusste schon, ob in den Wäldern außer Wildschweinen und Kaninchen nicht doch noch der eine oder andere Räuber und Spießgeselle auf ein Opfer wartete? Oder gar ein Troll? Außerdem ritt eine Hoheit generell nicht ohne Gefolge aus. Nike musste schon bald den Spuren der Hufe folgen, denn die Majestät war so schnell davon geprescht, dass die Gardistin sie aus den Augen verlor. Die Oberste tadelte vor sich hin. „Es schickt sich für eine Königin nicht, alleine auszureiten.“ Angestrengt las sie die Abdrucke, die sich auf dem teilweise harten, felsigen Boden nur schwach abzeichneten, aber die Uniformierte war eine gute Spurenleserin, und so konnte sie ihrer Königin folgen. Sie hoffte, dass sie ihre Hoheit nicht zu spät erreichte.











233. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 23.10.22 12:04



Doch Nikes Sorgen waren unbegründet. Die letzten marodierenden Schurken waren vor langer Zeit im Kerker unter der Burg festgesetzt worden. Zu jener Zeit hatten sie sich selbst ausgeliefert, als sie auf der Flucht vor einem Troll um Aufnahme baten. Nichts schien ein argeres Schicksal, als von solch einer Bestie zerrissen und gefressen zu werden. Inzwischen waren die Schrecken über den gefährlichen Riesen verblasst, und das Quartett reute die Entscheidung und daher noch im Kerker zu schmoren. Allerdings hatten die Insassen davon munkeln hören, dass die Haft in den Verliesen des Stadtstaates noch viel abträglicher sei – ganz zu schweigen natürlich vom Ostreich, wo ein Mannsbild nur als besitz- und rechtlose Kreatur galt, und sich glücklich schätzen musste, wenn es nicht zu arg geprügelt wurde. Ja, sie hätten dem Schicksal sogar dankbar sein können, wenn da nicht dieser sadistische Wachmann Winand gewesen wäre!

Eines Tages hatte ihn der damals Oberste, Zelos, bei einem Liebesspiel mit der Magd erwischt, und ihn vor den Augen der Gefangenen in den Standpranger gesperrt. Als Zelos dann des versuchten Königsgemahlmordes überführt worden war, erhielt er von Winand eine demütigende Abreibung. Doch die brennende Schmach, die Winand zuvor erlitten hatte, konnte er nicht vergessen und bildete sich stets ein, dass die Gefangenen über ihn Hohn, Häme und Spott ausschütteten, wie eine Magd den Nachttopf der Herrschaft in den Rinnstein. Dafür bestrafte Winand die unter seiner Aufsicht Einkerkerten Tag für Tag. Am liebsten hätte er sie geblendet, denn die Blicke schmerzten ihn am meisten, und er schämte sich noch immer in Grund und Boden. Doch solch drakonische Maßregelung erlaubte Nike, die neue Oberste, nicht. Stattdessen schikanierte Winand die vier Gefangenen „Freien“, wo er nur konnte, so dass ihn sein Wachkamerad Bertram hin und wieder zügeln musste, damit er nicht über die Strenge schlug und seine Boshaftigkeit nicht zu sehr aufblühte.

Jetzo trieb es Winand jedoch zu bunt: Er warf den Gefangenen einige alte, schimmlige und ungenießbare Brotkrumen zu. Danach zeigte er ihnen einen halben Brotlaib, frisch duftend. Sie sollten um die Mahlzeit kämpfen. „Wenn ihr euch weigert, wiederholen wir das Spiel morgen eben. Und Übermorgen. Und Überübermorgen. Bis euer Magen euch überzeugt. Hahaha!“ Das raue Lachen dröhnte durch den Gewölbekeller. Einer der „Freien“ versetzte seinem Kameraden unvermittelt einen Faustschlag. Wenige Herzschläge vergingen, da hatte sich eine wilde Rauferei in der Kerkerzelle entwickelt. Winand stand auf der anderen Seite des Eisengitters und gaffte amüsiert auf das prügelnde Knäuel aus schmutzigen Leibern am Boden. Das perfide Spektakel war ganz nach seinem Geschmack. „Nur der Sieger erhält das Brot!“, betonte er grinsend und biss ein Stück ab, kaute mit seinen krummen Zähnen das Backwerk schmatzend, schluckte und nahm einen tiefen Schluck von seinem Weinschlauch, während er sich an den Kämpfen ergötzte.

Derweil war Nike unterwegs und prüfte den weichen Boden eines Eichenhains nach Spuren der Majestät. Der Weg führte sie zu der Kate des Jägers Arcanum, der bei der großen Invasion des Ostreiches an der Wehrmauer mutig und tapfer gefallen war. Eine Magd hackte vor einer Stallung mit einem Beil Holzscheite, um für die Witwe den Kamin in der guten Stube befeuern zu können. Es sollte Teewasser aufgesetzt werden, denn hoher Besuch war unangekündigt erschienen. Leda wollte mit ihrer Anwesenheit ihre Anteilnahme und ihren Respekt gegenüber Arcanum zeigen. Der alte Gefährte hatte sie in einer wichtigen Zeit ihres Lebens begleitet. Die Magd, wischte sich die Hände an ihrer fleckigen Schürze ab und führte Nike zum Haupthaus, einem Backsteingebäude, an dem wilder Wein wuchs, dessen Rankenblätter sich teilweise blutrot verfärbt hatten. Die Mauern waren an der Nordseite mit Moos bewachsen und vom Wetter gegerbt. Die Fassade der Südseite hingegen war weiß getüncht und sauber. Dicke Holzbohlen wechselten mit ovalen großen Steinen ab, die in das Mauerwerk eingebaut waren. Ein Wasserspeier am First des mit Schindeln bedeckten Daches stellte einen hockenden Drachen dar und war aus Sandstein gefertigt. Nike fand die Majestät an einem grob behauenen Tisch in reger Unterhaltung mit der Hausherrin. Die Witwe bat die Oberste hinzu und schenkte ihr einen Zinnbecher mit Rotwein ein. Im Hintergrund befeuerte eine Magd den Kamin, vor dem ein Wolfspelz lag. Nike erfuhr, dass Leda die Witwe zu einer königlichen Fuchsjagd eingeladen hatte. Die Soldatin war froh, dass ihrer Herrschaft auf ihrem Ausritt nichts geschehen war.

Abas beobachtete eine Stunde später von den Zinnen der Burg, wie seine Gemahlin gemeinsam mit der Obersten Nike heimkehrte. Bald schon klapperten die Hufe der Pferde auf der Zugbrücke. Abas stieg die lange Wendeltreppe hinab zum Innenhof der Festungsanlage. Nur langsam konnte er die steilen Steinstufen bewältigen. Seine Hüfte und Knie schmerzten. Er hinkte leicht und ging vorgebeugt. Aber das war kein Wunder nach der harten und entbehrungsreichen Kerkerzeit bei Megara und dann dem bösen Sturz von der Mauer durch Zelos. Endlich erreichte er unten den Hof, doch die Rösser waren bereits von zwei Stallburschen weggeführt und abgezäumt worden. Die scharlachroten Schabracken lagen über einem groben Holzgeländer neben den Sätteln. Nike überreichte gerade ihren verschwitzten Hengst dem Stallknecht und eilte davon. Leda war schon in den königlichen Gemächern entschwunden, und eine Gruppe Wachhabender salutierte vor der Obersten, die darauf mit ausgreifenden Schritten in die Rüstkammer trat.

Der Königliche Gemahl humpelte angestrengt über den Hof und folgte Leda so eilig er konnte. Zwei Wachen mit bronzenen Brustharnischen und Federbusch auf ihren Helmen nahmen Habachtstellung ein, als er zwischen sie hindurch trat. Auf dem Gang kam ihm der Alchemist und Medikus entgegen: Aphron war als Flüchtling aus dem Stadtstaat nach Ledanien gekommen und auf der Zitadelle der Regentin die Heilkunst gelehrt worden. Abas sprach ihn mit müder Stimme an, die zu den tiefschwarzen Schatten unter seinen Augen passte. „Aphron, bringt mir gleich noch eine Phiole mit eurem Laudanum. Meine Knochen geben mir keine Ruhe.“ Aphron verneigte sich höflich und eilte in seine Kammer, wo er die vielen Tiegel und Ton- und Glasgefäße aufbewahrte, in denen zahlreiche Heilmittel, die meisten waren Tinkturen, gelagert waren. Darunter befand sich auch die Zubereitung aus Schlafmohn und Alkohol, die die sehr wirksam Schmerzen lindern konnte.

Abas machte sich geschwind auf den Weg in das Privatgemach der Königin. Zwei Gardisten standen in ihren schwarz brünierten Rüstungen stramm, als Abas vor der dicken mit Leder gepolsterten Eichentür erschien. Der Königsgemahl zog seinen edlen Dolch, griff die Schneide und klopfte mit dem dicken Knauf, der mit Rosenquarzsteinen verziert war, drei Male gegen die Tür. Dann trat er ungebeten ein. Leda sah überrascht auf. Sie saß an ihrem großen Tisch aus Eiche, einige Pergamentrollen vor ihr ausgebreitet, und brütete über den Verträgen mit dem Stadtstaat. Sie war nicht allein. Schultheiß Gladius war bei ihr und setzte sich vehement für eine Beendigung des Bündnisses ein. Leda seufzte. „Kommt doch zu uns, mein liebster Gemahl“, lud sie Abas an ihre Seite ein. „Was glaubt Ihr? Sollten wir Prodita die kalte Schulter zeigen? Auf die Gefahr, dass Cassandria uns überrollt?“ Gladius schüttelte den Kopf: „Zunächst wird der Stadtstaat überrollt. Und Ledaniens Grenzen sind unüberwindbar, hochwürdige Königin. Wir werden standhalten.“

Abas frug: „Warum sollten wir die Allianz mit Prodita beenden?“ Leda betrachtete das aschfahle Gesicht ihres Gemahls, tastete nachdenklich nach ihrem goldfarbenen Haarnetz und erklärte ihm: „Weil sie sich nicht an die Abmachungen hält. Was unter Helena so zart wie ein Jasminblütchen begann, wurde teilweise rückgängig gemacht, zerstört, niedergewalzt von dieser eigennützigen Imperatorin. Die Freiheiten für Mannsbilder werden mehr und mehr eingeschränkt. Es grassiert immer noch Sklaverei. Prodita predigt Wasser, säuft aber Wein. Offiziell forciert sie eine liberale Politik, aber hinter vorgehaltener Hand gibt es weiterhin Männerlusthäuser, Leibeigenschaft und Unterdrückung. Außerdem gefällt mir nicht, wie die Senatorin sich zur Herrscherin geputscht hat. Ich vermute, dass es ein Komplott gegen Helena gegeben hat. Sie wurde hinterrücks gemeuchelt! Blut klebt an Proditas Händen! Sie ist kein Deut besser als die schwärende Eiterbeule Cassandra oder dieser Abschaum von Maluskult, der sich jüngst zum Machtzentrum erhoben hat.“

Abas meinte mit müder Stimme: „Und unser Heiler Aphron, würdiger Nachfolger von Caduceus, hat auch kein gutes Haar am Palast im Stadtstaat gelassen. Helena soll einen geheimen Harem unterhalten haben.“ Leda seufzte. „Das kommt noch dazu. Gladius: Schickt Werber an die Westküste, in die Fischerdörfer, aber auch in die Siedlungen der Hügel und Wälder. Meine Streitkraft muss verstärkt werden. Ledanien muss autonom sein. Wir werden uns vom Stadtstaat abspalten.“ Gladius gab zu bedenken: „Damit treibt Ihr Prodita geradezu in die Arme des Ostreiches. Dem Stadtstaat wird dann nichts anderes mehr übrig bleiben, als unter ausgehandelten Bedingungen zu kapitulieren. Wir werden den Feind direkt vor den Toren haben.“ Leda atmete tief ein und spürte die Verantwortung für ihr Volk wie einen tonnenschweren Findling auf ihrer Brust. „Dann sei es so. Schultheiß, waltet Eures Amtes“, befahl sie. Gladius stand entschlossen auf, verbeugte sich und schritt mit klackenden Schritten und wehendem Mantel aus dem Raum.

Leda griff nach Abas Hand. „Oh, mein Geliebter. Beten wir zu den Alten Göttern, dass ich die richtige Entscheidung getroffen habe.“ Abas nahm Ledas blasse Hand in die seinigen und drückte sie sanft. „Wir haben Megara überstanden. Wir haben Fama überstanden. Wir werden auch Cassandra und den Maluskult überstehen.“ Er roch ihre nach Rosenwasser duftende Haut, sah ihr liebliches Gesicht. Doch er bemerkte auch die Sorgenfalten, die sich auf ihrer Stirn steil und tief eingegraben hatten. Abas strich seiner Königin über die Wange. „Das Leben war mir oft eine Qual. Doch mit dir soll es mir zur Freude gereichen.“ Leda knirschte mit den Zähnen: „Hätte ich magische Kräfte, so wäre Prodita ihre falsche Zunge in ihrem Schlangenmaul angeschwollen, dass sie daran erstickte, noch bevor die Krone ihren verdorbenen Schädel hätte berühren können!“ Aber dann kühlte sich Ledas Zorn ab, als sie die zärtlichen Berührungen ihres Gemahls wahrnahm.

Die beiden zogen sich in das Schlafgemach zurück, in dem ein großes Himmelbett mit seidenem Baldachin auf sie wartete. Abas öffnete Ledas Kleid; mit jedem Haken, mit jedem Knopf, den er löste, versprach ihm die nackte, samtige Haut verlockend die Freuden zwischen Mann und Weibe. Finger glitten unter die Wäsche und erforschten den Körper des Gegenübers. Jede Berührung erhitzte seine Männlichkeit mehr, jeder Kuss wallte in ihm, verlangte nach der sündigen Lust. Und bald schon lagen sie unter dem seidigen Laken und gaben sich dem Mahlstrom der Passion hin, ihre Herzen waren in Brand gesteckt und in einem süßen Sinnestaumel gefangen. Der Reckendolch machte der königlichen Pforte seine Aufwartung, schmeichelte sich hoch und empfing eine enge Umarmung voll lieblicher Wonne. Doch Abas ergoss sich sehr früh und ließ Leda frustriert aufstöhnen. Abas rutschte tief zwischen die Schenkel der Königin und sorgte auch bei Leda für einen Rausch der Sinne, obwohl ihn sein salziger Samen ekelte. Seine Gemahlin genoss die spasmisch durch ihren Leib jagende Lust. Und doch war Zelos in Ledas Kopf, als Abas Zunge sie verwöhnte. Die Königin richtete ihr derangiertes Haar und seufzte leise. Der Königsmörder war ein Teufel und doch ein so süßer Bettgefährte gewesen! Abas hingegen… Ihr schlechtes Gewissen klopfte bei ihr an, doch sie ließ die Tür zu ihrem Herzen verriegelt.

Anonymos, der ehemalige Oberste Zelos in Ledanien, trieb seit geraumer Zeit mit seiner Komplizin und seinem Weibe Insidia dubiose Geschäfte im Stadtstaat der Prodita. Schon unter Helena war er in dem Häuser- und Gassenlabyrinth untergetaucht. Doch seit Prodita sich zur Alleinherrscherin ausgerufen hatte, wurden einige Gesetze mehr und mehr abgeändert. Mannsbilder durften sich alsbald schon nicht mehr alleine auf die Straße trauen. Selbst so genannte „Freie“ waren praktisch vogelfrei. Alle Freiheiten, die Helena eingeführt hatte, machte Prodita rückgängig und unterjochte das grobe Geschlecht. Ja, ihr rigider Herrscherstil setzte weitere Verschärfungen in Kraft. Sie näherte sich den Traditionen und Verhältnissen der östlichen Kultur der Despotin Cassandria an. Proditas Wahlspruch war: Abgefeimte Frauen verachteten Sklavenhaltung, einfache Gemüter bewunderten sie, aber weise Damen benutzten sie, um ihr Leben zu versüßen.

Schon wenige Monde später war das Bündnis mit Ledanien zerschnitten. Prodita setzte alles auf eine Karte und schickte eine Delegation in die Metropole, um Friedensverhandlungen in Gang zu bringen. Die Statthalterin Vesta empfing die Unterhändlerinnen recht hochnäsig und arrogant. Doch letztendlich machte sie sich mit einem großen, pompösen Gefolge und der kleinen Abordnung aus dem Stadtstaat auf den Weg in die Hauptstadt von Cassandria, wo die tyrannische Königin Cassandra unterrichtet werden sollte. Verwundert mussten die Unterhändlerinnen der Prodita feststellen, dass selbst die Königin voll Herrlichkeit nicht das letzte Wort hatte. Schlussendlich entscheiden würde die Hohepriesterin des Malus-Kultes. Diese hatte die wahre Macht im Ostreich inne. So erschien Tagara ebenfalls zu der Friedenskonferenz und hörte sich das Angebot der Prodita jovial an. Doch viel fordern war dem Stadtstaat nicht möglich. Prodita, vor erst wenigen Monden zur Königin gekrönt, würde zu einer Statthalterin degradiert werden. Vesta nahm mit einer gewissen Schadenfreude auf, dass sie nicht die Einzige war, die dieses Schicksal erleiden musste.

Die Delegation hatte weitreichende Befugnisse und unterschrieb den Friedensvertrag, der eher einer Annektierung glich. Zumindest, so waren sich die Damen aus dem Stadtstaat einig, sollten sie in Amt und Würden bleiben, statt in einem Kriegszug von Pfeilen oder Klingen durchbohrt zu werden oder in einem Kerker Cassandrias zu verfaulen. Von Osten würden nun genügend Importe in den Stadtstaat gelangen, so dass niemand mehr auf Ledaniens Fleisch, Fisch, Getreide und Obst angewiesen war. Trotzdem würde Prodita einen fürchterlichen Wutanfall bekommen, wenn sie erfuhr, dass ihre Zeit auf dem Thron bereits wieder vorbei war. Und so sollte es auch kommen: Prodita spielte bei Rückkehr der Abordnung mit dem Gedanken, den Unterhändlerinnen die Galgenpfosten im Innenhof des Palastkerkers zu präsentieren und vorzuführen, welche Knüpfkunst der Henkerin eigen war. Aber dann tröstete sich Prodita damit, dass sie nun die untreue Leda bald schon zu ihren Füßen kriechen sehen würde – in Ketten und im Büßergewand oder gleich ganz nackt wie ein geschorenes Schaf. Mit der gewaltigen Ostarmee und den tausenden Kriegssklaven sowie den Furcht einflößenden Trollen, den Angriffsmaschinen und anderen perfiden, aber genialen Erfindungen der cassandrischen Armee würde selbst der ledanische Grenzwall überrannt werden können, der bisher als unüberwindbar galt. Prodita würde sich von Cassandra die Erlaubnis erbeten, die besiegte Leda zu nehmen und deren fetten Arsch auf eine Pike zu setzen. Ach, wie süß würden ihre Schreie in Proditas Ohren klingen!

Obwohl in den nächsten Monden Ledanien alles daran setzte, die Grenzbefestigungen durch dicke Mauern, hohe Wälle, spitze Palisadenzäune, tiefe Dornen-Gräben, mächtige Wachtürme und sogar mehrere kleine Kastelle zu verstärken, blieb bei Königin Leda und ihren Beratern ein mulmiges Gefühl. Die gewaltige Ostarmee konnte nun ungestört bis hinter den Stadtstaat vorrücken. Wichtige strategische Posten wie ein Fluss und eine Klamm, die sehr gut zu verteidigen gewesen waren, waren nun fest in Feindeshand gefallen. „Ich wusste, dass diese falsche Schlange Prodita bei nächster Gelegenheit den Verbündeten wechselt. Wie ein Fähnchen im Wind!“ Leda spuckte die Worte voller Verachtung aus. Gladius hob sein Kinn. „Dafür hat sie einen hohen Preis bezahlt. Von Bündnis kann wohl keine Rede sein. Cassandria hat sich den Stadtstaat einverleibt. Die bösen Mächte breiten sich aus wie eine Kakerlakenplage.“ Leda seufzte. „Jeder kampfbereite Jüngling aus den Bergen, von den Anhöhen, der Küste, aus allen Regionen Ledaniens steht gerüstet und armiert bereit, um unser Land zu verteidigen. Opferbereit. Aber wird das ausreichen?“ Der Schultheiß nahm seine Majestät unbotmäßig in die Arme. Die beiden waren allein und ungestört von Zeugen, ansonsten hätte er dies nicht gewagt. Doch Gladius und Leda waren alte Weggefährten und verband so vieles – wohl mehr, als sich geziemte.

Die Nähe zu dem Kämpen ließ Ledas Gemüt erwärmen. Ihre Gefühle drehten Pirouetten. Ihre Weiblichkeit sehnte sich so sehr nach einer tapferen Männlichkeit. Abas war ihr geliebter Gemahl; doch er war für alle Zeiten von Megaras Schandtaten gezeichnet. Leda kämpfte gegen ihr sündiges Verlangen an, doch Gladius Berührungen ließ sie wohlig erschauern. Und als sie bemerkte, dass der Schultheiß ihre Gefühle erwiderte, da war es um sie geschehen. Ihre Münder näherten sich zum Kuss. Gladius spürte, wie sein Blut in seine Lenden floss. Seine Begierde streifte die Zügel ab und eroberte das ersehnte Weib, deren Herz er entflammt hatte. „Lasst uns in die Turmkammer gehen“, schlug Leda vor und legte das filigrane Diadem auf den Tisch vor ihr, das sie als Zeichen der Regentschaft trug. Als würde sie damit ihre Verantwortung ablegen. Als Majestät. Als Gemahlin. Ihr Gewissen…

Am liebsten hätte Gladius „sein Burgfräulein“ die Wendeltreppe bis in die hohe Turmkammer getragen wie ihn sein Verlangen nach ihr trug, doch wenn eine Zofe, ein Dienstbote oder Wächter sie gesehen hätte – nicht auszudenken! Doch auf dem Wege trafen sie niemanden. Leda legte den schweren Riegel an der Eichenbohlentür vor. Und endlich durften sich die zwei in die Arme fallen. Gierig knöpften sie sich gegenseitig die edel gewirkte Gewandung auf und erforschten den Leib des Gegenübers, von ihren unbändigen Wallungen überfallen. Bald schon lagen die feinen Stoffe, das königliche Korsett, der Wams, der ritterliche Umhang und vieles mehr auf einem großen, unordentlichen Haufen auf dem Dielenboden aus Zedernholz. In der Turmkammer wartete kein königliches Himmelbett aus Gänsedaunen, Samt und Seide, sondern nur ein Haufen Stroh, aber dafür tummelten sich zwei heiße Liebende darin, denen die Unterlage bald egal wurde, als das Verlangen, die Verlockung so groß und unbändig wurde, dass sich der ganze Alte Kontinent nur noch um sie drehte, und sie in einen Strudel der Leidenschaft zog. Die Königin hieß ihren Schultheiß willkommen und stöhnte mit heißem Atem gegen seine Brust. Wogen der sündigen Lust jagten durch die verschmolzenen Leiber.

Das Liebesnest blieb unentdeckt von den Wachen, die in ihren klappernden Rüstungen auf dem Burghof exerzierten, von den Kammerdienern, die durch die Gänge der Zitadelle eilten, den Zofen, die Berge aus Wäsche in die Gemächer brachten und sie in den Schränken und Truhen verstauten, dem Küchenjungen, der mit einer Schüssel gerupfter Wachteln aus dem Stall geeilt kam, um sie dem Koch zu bringen. „Da bist du ja endlich“, schimpfte der dicke Koch und nahm dem Jüngling die Schüssel ab. Er stellte sie auf einen groben Tisch. Dann zog er ein ausgeweidetes Reh von der Platte und hievte sie angestrengt an einen Haken an einem dicken Deckenbalken neben einen schweren Schinken, um im Anschluss zum Spezereiregal zu eilen. „Schick Luna zu mir. Sie soll die Zwiebeln kochen“, wies der Koch den jungen Mann an, der sich im Laufschritt auf die Suche nach der Magd machte. Der sommersprossige Küchengehilfe vermutete Luna in der obersten Kammer des Nordturms. Daselbst hatte er schon einmal gelauscht und durch ein Astloch beobachtet, wie Luna mit ihrem Stallburschen Liebe machte. Eine fleckige Röte schoss ihm ins Gesicht, als er sich daran erinnerte, wie nass seine Hose damals gewesen war; welch seltsames Gefühl er erlebt hatte. Erst später hatte ihn ein Dienstbote über die geheimen Dinge zwischen Mann und Weib aufgeklärt, wenn sie den Kranz der Liebe flochten.

Ein Gerücht, das sich in der Burg seit langer Zeit hartnäckig hielt, besagte, dass der Gefährte der Luna von einem Sommer bis zum nächsten in einen Keuschheitsgürtel gesperrt gewesen war, während sie seinen Schlüssel verwaltete. Diese Strafe hatte der Knecht angeblich wegen Unzucht von der Herrschaft erhalten. Und daran rankten sich allerlei Ausschmückungen, an die der Küchengehilfe nicht so recht glauben mochte. Aber immerhin: Er hatte mit eigenen Augen gesehen, dass die beiden im Turm beieinander gelegen hatten. Genauer gesagt: Luna hatte ihre Röcke und ihre Schürze gehoben und war auf den Knecht gestiegen. Der Küchenbursche war gar nicht mehr aus dem Staunen herausgekommen. Bisher hatte sich noch keine Maid zu ihm gelegt oder gar auf ihn gesetzt. Er eilte die Wendeltreppe des Nordturms empor und wollte die schwere Eichentür öffnen, als er feststellen musste, dass sie verriegelt war. Er pochte mit der Faust gegen die Tür: „Luna! Der Koch schickt nach dir!“ Doch es antwortete ihm niemand. Allerdings war der Eingang von innen verriegelt, also musste jemand drinnen sein. Die „rechte Hand“ des Kochs schritt absichtlich laut vernehmlich die Treppe wieder hinab, wenige Stufen zumindest, um dann auf leisen Sohlen zurückzukehren. Er schlich sich an den Rand der Tür, beugte sich tief hinab, bis er das Astloch fand, und lugte hindurch.

Von ihm fast unbemerkt rutschte seine Hand in seinen Schritt und rieb über den groben Wollstoff seiner beigefarbenen Beinkleider. Was sah er da? Schenkel. Nackt. Ineinander geschlungen. Leises Stöhnen war zu vernehmen. Rutschende Laute auf dem Stroh. Der Küchengehilfe stellte fest, wie hart seine Männlichkeit geworden war. Er würde Ärger bekommen, wenn er nicht bald die Magd zum Koch brachte. Aber er konnte sich nicht von dem Schauspiel vor ihm lösen. Und die Berührungen seines Luststabes taten so gut. So prickelnd gut! Es dauerte nur wenige Augenblicke, da spürte der Jüngling, wie sein Samen verströmte. Es war ein wundervolles Gefühl. Famos. Unbeschreiblich. Er schloss genießerisch die Augen. Doch da hörte er im Innern der Kammer hastige Bewegungen. Aha, dachte der Gehilfe. Lunas Knecht hatte sich wohl auch ergossen. Er wartete, bis an sein Ohr drang, wie der Riegel schabend zur Seite geschoben wurde und sich die Tür mit einem lauten Knarren öffnete. Grinsend rief er an dem Mann vorbei: „Luna! Du sollst zum Koch kommen! Sofort!“ Er hatte seine Worte gerade ausgesprochen, da verkümmerte sein Grinsen zu einem schiefen, verkrampften Irgendwas. Entsetzen zeigte sich in seinen haselnussbraunen Augen. Er schluckte trocken. Der „Knecht“ trug ein brüniertes Kettenhemd und eine Silberbrosche mit einem großen Lapislazuli und einen taubengrauen Umhang? Der Schultheiß!




234. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 29.10.22 15:16

Er hatte den Schultheiß beobachtet. „Verzeihet, Hoher Herr“, entschuldigte sich der Jüngling stammelnd und beugte sein Haupt, dass ihm die ungekämmten Strähnen ins Gesicht fielen. „Was oder wen suchst du hier, Bengel? Hast du Flausen im Kopfe?“, wollte Gladius mit strenger Stimme wissen. Der Gehilfe stotterte: „Lu…lu…lu… Luna. Die Magd… Luna. Sie soll…“ Gladius wischte seine Worte mit einer herrischen Handbewegung weg: „Hier ist keine Luna. Verschwinde. Oder ich mache dir Beine!“ Der Bursche drehte sich schnurstracks um und eilte zur Treppe. Ein harter Lederstiefel erwischte sein Gesäß, als Gladius nach ihm trat. Hastig und atemlos erreichte der Jüngling den Burghof. Der Schultheiß würde seine Eskapaden wohl nicht mit einer einfachen Magd treiben, oder? Aber wo war sie dann? Wo sollte er sie suchen?

Da kam ihm der Zufall zugute. Er erblickte Luna bei der Stallung mit einer Milchkanne stehen und mit ihrem Knecht anbändeln. Jetzt konnte er endlich den Auftrag des Kochs ausführen. Was für ein schwarzer Tag! Vielleicht hatte er die Gunst von gleich zwei Personen verloren. Der Koch würde ihm die unbeliebtesten Arbeiten aufdrücken, und der Schultheiß konnte ihn… Der Jüngling schlotterte vor Angst. Ein so hoher Herr! Der konnte alles mit ihm tun, was ihm beliebte: ihn in den Kerker werfen oder gleich aus der Burg jagen. Und ohne Arbeit gab es kein Brot. Er würde als Vagabund durch Ledanien ziehen und betteln müssen. Was war, wenn er an Schnapphähne, an Galgenvögel oder gar Straßenräuber geriet? Gesindel, dem er auf Gedeih und Verderben ausgeliefert wäre? Man erzählte, dass einige dunkle Gestalten sogar obszöne Freude an einem Jüngling hätten! Das waren Nester der Bosheit. Allein die Gedanken ließen sein Gesicht puterrot aufblühen. Aber die Wege waren sicher, wo Patrouillen ritten. Ja, da könnte er gefahrlos um eine bescheidene Mahlzeit eines milden Wohltäters bitten. Oder er würde Kunststücke aufführen, überlegte er sich, schon etwas beruhigter. Er war geübt, mit vier Äpfeln zu jonglieren. Und er war ein recht passabler Schütze mit der Steinschleuder. - Aber wo war das Publikum, das ihm dafür Brot oder Münzen reichte?

Seufzend eilte er zurück in die Küche, wo Luna schon vor einem Kaminfeuer stand und einen Sack mit geschälten Zwiebeln in brühendes Wasser leerte. Der Koch sah ein wenig brummig drein, aber das tat er grundsätzlich. „Komm her, Bursche“, rief er mit seinem dröhnenden Bass polternd. Den Jüngling beschlich ein ungutes Gefühl. Aber jäh zauberte der Koch ein Stück geräucherten Speck hervor und reichte ihn ihm: „Hier! Du warst in den vergangenen Tagen wohl fleißig und hast dich geschickt angestellt. Vielleicht mache ich eines Tages doch noch einen bescheidenen Koch aus dir.“ Mit diesen Worten widmete er sich wieder einem großen Kessel und rührte darin mit einem riesigen Holzlöffel. Heute war doch nicht so ein pechschwarzer Tag, dachte der Gehilfe, der geglaubt hatte, übel würde ihm geschehen, und lächelte erfüllt von Wonne. Jetzt musste nur der Schultheiß den kleinen Zwischenfall vergessen. Dann war wieder alles gut und im Lot.

Aurora wandte sich unter den groben Griffen der Kerkerwächterinnen, aber sie wurde unbarmherzig auf dem Tisch aus Eisen festgeschnallt. Dann erschien eine Uniformierte, in deren Gesicht sadistische Züge eingegraben waren, die von viel Grausamkeit zeugten, und jene zückte ein langes, schmales Rasiermesser und grinste hinterhältig, wie es ihre Gemütsart versprach. Aurora ruckte an den Fesseln und stemmte sich gegen die Gurte, aber unseligerweise es half nichts. Wieder also sollte sie diese demütigende Prozedur über sich ergehen lassen müssen. Wieder wurden ihr die Haarstoppel entfernt, ihr seidiges Haar, das sie schon so lange Zeit nicht mehr gefühlt und gesehen hatte, das so mühsam versuchte nachzuwachsen.

Kurz darauf ward ihr Schädel spiegelglatt geschoren. Sogar ihre Augenbrauen hatte die Wärterin wieder entfernt. Und das Schlimmste würde ihr jetzt bevorstehen: Selbst vor ihrem intimen Dreieck ihres Venushügels machten diese verderbten Hexen nicht Halt. Zunächst waren die Achseln dran, doch Aurora war in Gedanken schon bei ihren Lenden. „Eines Tages werde ich mich an meiner Schwester und an Cassandra gar schrecklich rächen“, schwor sie kreischend. Aber nur schallendes Gelächter entgegnete ihr in dem alten Gemäuer. Dann trat eine Wärterin näher und zwickte ihr in die Brustwarzen: „Still, Weib!“ Sie merkte zunächst vor lauter Gegenwehr gar nicht, dass die cassandrische Centuria mit dem Rasiermesser nun einen Schlüssel hervorholte. Damit schloss diese den Keuschheitsgürtel Auroras auf und stellte fest: „Schon wieder Stoppel! Tut das Not?“ Sie schüttelte langsam und vorwurfsvoll den Kopf, als habe die Prinzessin etwas Schuldhaftes getan. Aurora fühlte jetzt die kühle Luft an ihrer Weiblichkeit und wusste, was nun voll von Niedertracht kommen sollte.

Eine Wächterin spannte und zog die Haut in verschiedene Richtungen, damit die Centuria das gewetzte Messer ansetzen konnte. Eine Schüssel mit heißem Wasser stand ebenfalls auf dem Tisch, mit dem sie die Haut benetzte und die Klinge von Härchen säuberte. „Wascht dieses stinkende Stück Fleisch und...“, begann die Centuria und brach ab, weil ihr nichts Passendes einfiel. Die Kerkerwächterinnen begannen mit Bürsten, Putzstock und Feudel, dem heißen Wasser und einer seifenartigen Paste die Liegende abzuschrubben und zu wischen. Sie frönten mit Putzeifer ihrer Tätigkeit und aalten sich am Leid der Gefangenen. Aurora schrie wie am Spieß - weniger wegen der rot geriebenen einst edlen Haut, sondern aus Protest gegen das erniedrigende Verfahren. „Ihr seid Abschaum!“, keifte sie. Noch demütigender wurde es, als eine der Frauen sich ausgiebig der hilflos ausgelieferten Weiblichkeit widmete, sie rieb und wusch, einseifte und abspülte.

Nach und nach verlor sich die Gegenwehr der Gefangenen. Stattdessen stöhnte sie und drückte der Wärterin beinahe fordernd den Schoß entgegen. Die Kerkermeisterin ahnte, was sich da anbahnte. Augenblicklich unterband sie die Waschung und kommandierte: „Genug! Sie ist sauber.“ Daraufhin zogen die Wachfrauen der Nackten ihren Keuschheitsgürtel wieder an. Nun zeterte Aurora drauf los, wie nie zuvor, schluchzte und wetterte, bettelte und jammerte, brüllte und schimpfte, flehte und winselte. Aber es antworteten ihr nur zwei grinsende, aber hartherzige Fratzen. Die Wächterinnen befreiten Aurora von dem Eisentisch und brachten sie zurück in ihre karge Kerkerzelle. Splitternackt. Wenigstens hatte man ihr die Eisenfesseln erspart. Doch lange durfte sich die Prinzessin nicht darüber erbauen. Schon stiefelte eine der Wärterinnen herbei und brachte rasselnd Ketten und Schließen. Aurora musste sich auf den steinigen Boden setzen und wurde mit einem breiten Eisenband um ihren Hals an der Wand fixiert. Sie biss die Zähne zusammen und atmete laut durch die Nase.

Die Schnalle war so hoch, dass Aurora mit erhobenem Kinn zur Decke schauen musste. Die Kerkerwache stand nun genau vor ihr und sah ihr in die Augen. Aurora wollte gerade etwas sagen, da merkte sie, wie aus dem leicht geöffneten Schlund der Uniformierten Speichel löste und in einem Klumpen, der einen Faden nach sich zog, in ihr Gesicht klatschte. Er schlich langsam von ihrer Wange über ihre Oberlippe in ihren eigenen Mund. Aurora presste die Lippen zusammen. Dann wurde sie wieder alleine gelassen. Hinter einer schweren Gittertür leuchtete eine Fackel. Doch was nützte Aurora das schummrige Licht, wenn ihr Blick auf die Decke gezwungen war? Das kleinste Rascheln würde sie in Todesangst versetzen. Sie würde mit Armen und Beinen zappeln und um sich schlagen und treten. Und schreien. Hoffentlich blieb sie in dieser Nacht allein. Die Zeit floss langsam und zäh dahin. Bald schon schmerzte ihr Nacken. Und Aurora hatte das Gefühl, nicht genug Luft zu bekommen und würgte. Ihr dicker Metallkragen war eng und unnachgiebig. Längst hatte sie die Versuche aufgegeben, mit ihren Fingerchen das Eisen um ihren Hals zu lockern. Und dann spürte sie noch ein weiteres Bedürfnis. Sie musste sich entleeren. Aber wie sollte sie in diesen Fesseln zu ihrem Kübel gelangen? Der stand weit weg.

„Holla!“, rief sie laut. Wieder und wieder. Bis schließlich, ihre Stimme war schon rau und schmerzte, eine der Wärterinnen die schwere mit Eisen beschlagene Tür zu dem Vorraum des Gewölbes öffnete und sie anraunzte: „Was begehrst du, dummes Weib?“ Aurora berichtete von ihrem mittlerweile sehr dringenden Begehren. Die Wärterin grinste. Ihre Stimme war plötzlich nicht mehr grob und unwirsch, sondern freundlich und süß: „Die edle Dame begehrt sich zu erleichtern? Die berühmte kahle Prinzessin!“ Der zweite Satz troff vor Spott. Aurora biss sich auf die Lippen. Sie wollte diese letzte Demütigung nicht erleiden. Nein, diese Genugtuung würde sie diesem Weibe nicht geben. Sie würde nicht in ihrer Pisse sitzen! Die Uniformierte überlegte eine Weile. „Also gut. Aber schreie hier nie wieder so herum! Hörst du? Ich habe gerade ein Nickerchen gemacht. Das nächste Mal wirst du nur ein einziges Mal rufen. Und wenn ich keine Lust habe, dann hast du Pech gehabt, Kahlkopf!“ Die Kerkerfrau betrat die Zelle und schob den alten Kübel mit dem Stiefel zu Aurora, die versuchte, ihr Becken so weit aufzuraffen, dass der Zuber darunter passte.

Glücklicherweise war der Bottich eher breit als hoch. Aurora quetschte sich darüber und verzog das Gesicht, weil ihre Eisenmanschette schmerzte. In dieser verbogenen Stellung versuchte sie sich zu entspannen. Die wartende Wärterin machte diese Aufgabe schier unmöglich. Aber dann zwang sie sich dazu. Die Wachfrau drückte den Kübel ein Stück zur Seite, so dass Aurora wieder auf dem Steinboden sitzen konnte. „So kommt Ihr selbst dran, edles Prinzessin von und zu Kahlköpfchen.“ Vorhin hatte die Gefangene kaum Luft bekommen und sich den Rücken fast verrenkt. Dagegen fand sie es in der früheren Position nun fast schon bequem. Die Schergin verließ die Zelle ohne weiteres Wort. Bevor sie auch den Vorraum von außen verschloss, rief Aurora noch hoffnungsvoll: „Und was ist mit meiner Kleidung?“ Aber sie hätte auch mit der Mauer sprechen können. „Und ein paar Schluck Wasser…“, brabbelte sie vor sich hin. Ihr stieg der Gestank ihrer eigenen Hinterlassenschaft in die Nase wie verfaulter Kohl. Sie konnte nur zu den Alten Göttern beten, dass sie nicht verdursten sollte. Bevor das geschah, würde sie… Aurora würgte bei dem Gedanken voll Abscheu, als sie den Eimer betrachtete. Nein, niemals, schwor sie sich, würde sie so tief sinken. Doch dann wurde ihr bewusst, dass sie längst aller Würde beraubt war.

Einige Stunden später, ihr Nacken war schon in Gänze steif geworden, erschien die Wärterin erneut und tauschte die gemeine Halskrause gegen einen dünneren Ring aus. Zwar musste Aurora weiterhin auf dem Boden sitzen, doch konnte sie den Kopf wieder bewegen, was anfangs fürchterlich schmerzte. Die Wachhabende brachte eine verbeulte Blechkanne mit abgestandenem Wasser und eine Holzschüssel mit einem Brei aus Hafer und wurmstichigem Obst. Triumphierend grinste sie, als sie hineinspuckte und der Prinzessin das Mahl servierte. Die Prinzessin hob trotzig ihr schmutziges Kinn, doch ahnte, dass der Hunger sie zwingen würde, früher oder später, über ihren Schatten zu springen. Eine Eisenpforte knarrte und sperrte alles Leben aus, als sie krachend zufiel und sich von außen kreischend verriegelte.

Just zur gleichen Zeit fuhr eine prunkvolle Droschke, gezogen von acht Sklaven, am nicht weit vom Malus-Tempel gelegenen königlichen Palast der Cassandra vor. Statthalterin Vesta war von der Königin bestellt worden, um mit ihr und der Hohepriesterin Tagara den finalen Kriegszug gegen Ledanien zu besprechen. Jetzt, da Prodita sich und den Stadtstaat verkauft hatte, war das Westreich der Leda dem Untergang geweiht. Cassandra und Vesta lauschten den Plänen der Tagara. Mit einem zufriedenen Grinsen vernahm die Hohepriesterin, dass die cassandrische Sklavenjägerflotte nicht nur weitere hunderte Leibeigenen vom Ostkontinent gebracht hatten, sondern zu ihrer wertvollen Fracht gehörten auch zwölf gefangene Trolle, die „allerdings noch abgerichtet werden müssen“, schilderte Vesta stolz, „aber dafür haben wir sehr gut ausgebildete Erzieherinnen außerhalb der Metropole.“

Die Königin Cassandra nickte vornehm ob der guten Nachrichten. „Also verfügt meine Streitmacht nun über insgesamt 16 dieser Kreaturen?“ Vesta bejahte. „Jawohl, erhabene Majestät.“ Die Statthalterin sann auf eine Belobigung, vielleicht weiter reichende Machtbefugnisse. Aber bevor Cassandra antworten konnte, mischte sich die dünkelhafte Hohepriesterin ein. „Dressiert die Riesen. Und rüstet sie mit Harnischen, Helmen und Mordkeulen aus. Sie werden unser Garant dafür sein, dass Ledaniens Grenze endgültig fällt.“ Die Giganten würden ihnen des Lebens Mühsal versüßen und das Unheil über den Feind bitter machen.

Die hohen Damen beratschlagten noch eine volle Stunde, dann begaben sie sich, beseelt und wonnetrunken vom nahenden Sieg, an ein wahrlich königliches Festbankett und labten sich an allerlei fein Schlemmereien wie gepfefferte Kanapees mit Lachs und Brioche mit Gänseleberpastete. Dazu gab es diverse Obst- und Beerenweine zu verkosten. Küchlein und in Honig getunkte Mandeln verwöhnten den Gaumen. An ihre Schwester Aurora, Haut wie der getünchte Tod, verschwendete Vesta keinen einzigen Lidschlag. Gesättigt und durch den süßen Apfelwein angeheitert, taumelte sie zufrieden in die bereitgestellten Kissenberge, wo zwei geübte Liebessklaven auf sie warteten, um ihr höchste Freude zu bereiten, wie sie sie sich verdient hatte. Sie entzückte das frische Fleisch in aller Pracht, dass sie sah und ließ sich in den weichen Samt fallen. Bald schon schallte ihr Juchzen durch das Refugium und bis auf den Marmorflur des Palastes, auf dem die Wachen mit starrer Miene vorgaben, nichts davon zu hören.

Die Droschkensklaven waren derweil in einem Stall untergestellt worden. Sie trugen schweres Schuhwerk mit dicker Sohle. Ihre Keuschheitsgürtel dienten gleichzeitig als Lendenschurz. Schultern, Brust und oberer Rücken waren mit einem engen, schwarzen Seidenstoff bespannt. Um den Hals trugen sie ein hohes Lederband, durch das sie stolz und erhobenen Hauptes liefen. Ein Nasenring und ein Stirnband mit einem Federbusch an der Vorderseite verzierten die Träger ganz nach dem Geschmack ihrer Besitzerin. Des Weiteren schaute jedem Droschkensklaven ein Schweif aus Rosshaar aus dem Gesäß. Damit diese den hübschen Schmuck während des Laufens nicht verloren, war er durch einen dicken mit Schmalz eingeriebenen Kolben im Anus der Sklaven fixiert. Rücken und vor allem die Hinterbacken waren von unzähligen Striemen geziert. Sie waren die Zinsen, die Müßiggang einforderte. Eine Palastwächterin, die das leere Vehikel zum Stall gewiesen hatte, sah ihm nach und grübelte. Einige Schweife waren schwarz, andere weiß gewesen. Ob dies eine besondere Bedeutung hatte? Vielleicht waren die Kolben unterschiedlich groß? Doch welcher Träger hatte welche Art und warum? Die Palastwache würde bei der Ablösung ihre Kameradin fragen. Vielleicht verfügte sie über Kenntnis dazu.

Als Tagara, die Hohepriesterin, zurück zum Tempel fuhr, begab sie sich in den großen Altarraum unter der riesigen mit Blattgold ausgekleideten Kuppel. Sie öffnete eine hohe Vitrine und nahm einen ebenfalls mit Blattgold überzogenen Schädel heraus und hielt ihn mit beiden Händen. Ein leichter Schwefelgeruch waberte ihr entgegen. Die Robenträgerin murmelte einige magische Formeln vor sich hin. Im glänzenden Schädel spiegelte sich ihr Antlitz, das sich mehr und mehr verwandelte. Bald schon ähnelte das Spiegelbild der alten Tyrannin des Alten Kontinents Megara und glich ihr wenige Herzschläge später wie ein Zwilling. Die einstige Despotin zitterte, und jäh platzte der Schädel zwischen ihren Fingern wie ein Tonkrug, der auf einen Steinboden fällt und in winzige Splitter zerstiebt, und die Hohepriesterin schrie schrill und gellend: „Verdammnis über Ledanien! Verdammnis über Leda!“ Ihre hasserfüllte Stimme hallte durch den weiten Tempel wie eine Offenbarung der Unterwelt, aber sie wurde von niemandem gehört. Nur die kleinen Flammen der Girandolen schienen ängstlich zu zittern.

Anonymos eilte über den Platz. Seit Prodita neue Mannsbestimmungen erlassen hatte, war er auf der Straße als Mannsbild nicht mehr sicher. Seine Gefährtin Insidia war nun in der Pflicht, bei den Bettelbrüdern abzukassieren. Doch die Bettler waren aus vielen Passagen und Regionen der Stadt vertrieben worden, so dass sie kaum noch Münzen erhielten. Einige hatten sich trotz Keuschheitsgürtel von Dannen gemacht, vielleicht, um im Westen ihr Glück zu finden und eines Tages einen Schmied bezahlen zu können, der ihnen die Freiheit vermachte. Vor den Büttelfrauen und Schergen der Prodita hatten sie zu große Angst. Würde man sie in den feinen Gassen und Plätzen der Stadt treffen, so verschwänden sie in finsteren Kerkerlöchern. Einer, der es wissen musste, weil er schon darin gesteckt hatte, war Viavir, der ebenfalls zu der Kolonne des Anonymos gehörte. Doch er war mithilfe eines Mithäftlings wieder frei geworden. Und daraufhin hatte er sich zum Meuchelmörder verdingt: Er sollte für Ikaros, so der Name seines Retters, den Kontrahenten um seine Buhle töten. Aber im letzten Moment jagte ihn sein schlechtes Gewissen und er lief Ikaros davon. Nun wanderte er in seinem Keuschheitsgürtel Richtung Ledanien, wacker zu Fuß, stets darauf bedacht, in die Büsche zu springen, wenn Uniformierte vorbei ritten.

Einige Tage später lugte er hinter dichtem Buschwerk hervor und sah, wie eine kleine Kolonne Sklaven vorbeimarschierte: Etwa ein halbes Dutzend Leibeigener in Ketten wurde von zwei Reiterinnen brutal angetrieben. Die Sklaven waren mit großen Tragegerüsten schwer beladen. Jeder Mann schleppte mindestens einen Zentner Holzscheite, die sich auf den Rückengestellen auftürmten. Zwischen den Beinen der armen Kreaturen verlief eine Kette, die die Gemächte der Männer miteinander verband – eine trefflich Vorrichtung, um die Geschöpfe zum Laufen zu ermuntern. Obwohl die Leibeigenen schon entkräftet wankten und taumelten, versuchten sie doch, in einer Reihe zu bleiben, geschweige denn nicht zu stolpern. Eine Reiterin führte den Anfang der Kette an ihrem Sattelknopf und ritt im Schritt voraus. Die Kameradin, ihr Gesicht wurde von einer fuchsroten Mähne umschlossen, blieb beobachtend mit ihrem Gaul hinter dem Trupp. Die Frauen trugen kein cassandrischen Uniformen, sondern zivile Gewandung mit engen Beinkleidern aus feinem Lederstoff und ebenso lederne Oberteile, die ihre weiblichen Formen und Kurven betonten.

Jäh verspürte Viavir das dringende Bedürfnis zu niesen. Blütenstaub kitzelt ihm in der Nase, er verkrampfte sein Gesicht ob des Ungemachs, hielt sich Mund und Riechorgan zu, aber es nutzte nichts: Lauthals musste er prusten. Besorgt schaute er durch das Blattwerk, ob die Truppe etwas gehört hatte. Sein Herz pochte ihm laut bis zum Hals. Er sah, wie die Sklavenkarawane stehen geblieben war. Und er musste feststellen, wie die hintere Reiterin genau auf ihn zu ritt. Viavir duckte sich so tief wie möglich, machte sich klein und kleiner und hätte sich am liebsten in Luft aufgelöst. Es half nicht, denn kurz darauf teilte eine scharfe, lange Klinge die Zweige, hinter denen er verzweifelt Deckung gesucht hatte. „Sieh an! Wen haben wir denn hier?“, frug die Unbekannte. Viavir ächzte. „Verzeiht, Euere Gnädigste. Ich bin ein armer Wandersmann…“ Die Reiterin lachte und sprang vom Ross. „Er ist ein Wandersmann? So, so!“ Sie stieß die Spitze ihre Schneide in den Schoß des Mannes. Ein metallenes Geräusch war zu vernehmen. „Und der Wandersmann trägt einen Keuschheitsgürtel? Er ist wohl eher seiner Herrin entlaufen, der unartige Bursche!“



235. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 20.11.22 16:25

Viavir tat entsetzt. Wohl war er es auch. „Aber Eure Gnädigste. Die neuen Gesetze unserer hoch geehrten und geschätzten Königin besagen doch, dass kein Manne ohne…“
Die Rothaarige unterbrach ihn barsch mit geschwellter Brust. „Schweig stille, Wurm! Bedingungsloser Gehorsam sei die einzig Tugend, die einem Sklaven genüge!“ Sie packte ihn an der Schulter fest wie ein Recke und zerrte ihn so grob aus dem Gebüsch, dass sein Wams zerriss. Weglaufen war zwecklos, solange zwei Reiterinnen ihn problemlos einfangen konnten. „Ausziehen! Runter mit den lausigen Lumpen!“, befahl sie. Jetzt kam auch die andere Frau herbei und wendete die Sklavenrotte. Sie stützte sich bequem auf ihren Sattelknauf und betrachtete amüsiert, wie sich Viavir entblätterte. „Alles!“, forderte die erste Frau grinsend und zeigte auf Viavirs Leibwäsche. Der Mann spürte Hitze in sich aufflammen. Aber er musste wohl gehorchen. Also ließ er auch die letzte Hülle fallen und stand nur noch in seinem Keuschheitsgürtel da. „Dreh dich!“, befahl die Frau vor ihm. Viavir folgte der Anweisung. Das Weib im Sattel stellte fest: „Er hat kein einziges Brandzeichen.“ Die Kameradin frug: „Aber warum trägt er einen Keuschheitsgürtel?“ Sie wandte sich wieder dem Mann zu. „Sklave! Antworte! Wieso bist du verschlossen? Hast du den Schlüssel?“ Viavir seufzte. Würden sie ihm die Geschichte glauben? Er musste es versuchen. Eine andere Wahl hatte er nicht.

Er berichtete von der glutäugigen Schönheit namens Insidia, die ihn so hintergangen hatte; er erzählte von dem Gauner Anonymos, der ihn erpresste; er erwähnte auch seinen Kerkereinschluss nach seinem missglückten Diebstahl und schließlich von Ikaros, der ihn frei kaufte. Dass er für ihn einen dunklen Dienst erledigen sollte, den er unterschlagen hatte, ließ er in seinem Berichte freizügig weg. „Und dann habe ich den Stadtstaat verlassen und wollte Richtung Westen wandern“, beendete er seine Schilderung. Die Frau auf dem Ross nickte mit spitzen Lippen. „Ich glaube ihm. Er gehört also niemandem. Vortrefflich! Lass ihn uns mitnehmen, bevor er Jugend und Kraft verliert. Er sieht brauchbar aus.“

Viavir sah sie mit großen Augen an: „Ihr nehmt mich mit? Wohin?“ Die Rothaarige vor ihm zischte ihre dünne, lange Schneide durch die Luft und auf das nackte Gesäß. „Stell er sich hinter den letzten Unfreien! Werde es bald!?“ Viavir rieb sich den schmerzenden Hintern. Er bewegte sich vorwärts, sah aber bestürzt zu seiner Kleidung und monierte: „Aber was ist mit meiner Gewandung?“ Die Weiber lachten amüsiert und schlugen sich mit den Händen auf die ledernden Schenkel. Die Bewaffnete, die ihn gerade mit der Spitze ihres Degens vorwärts trieb, schlug mit höflicher Stimme vor: „Oh, wenn es dem feinen Herrn nicht zur Last fällt, so wäre es mir eine ausgesprochen Ehr, wenn er nun seinen Arsch in Bewegung setzte.“ Der Nackte jaulte hell auf, als er einen weiteren Stich in seinem Allerwertesten verspürte, dieses Mal mit mehr Nachdruck, und dieser verjüngte seine Beine augenblicklich.

Es dauerte nicht lange, da war Viavir ein Teil der Reihe. Der siebte Mann in einer Sklavenherde. Und auch sein „Gekröse“ war mit einem Eisenverschluss gesichert und mit der Kette verbunden, denn nur sein Luststab war unerreichbar in dem Keuschheitsgürtel verpackt. Dazu hatte die Frau auf dem Ross eine Kettenverlängerung mit einer Schließe hervorgeholt. Die Kolonne machte sich auf den beschwerlichen Weiterweg. Die hintere Reiterin betrachtete schmunzelnd den roten Striemen, den ihr Streich auf dem Sitzfleisch des Unfreien hinterlassen hatte. „Gehorsamkeit ist des Sklavens Labung“, rezitierte sie eine alte Weisheit. Nach einigen Meilen stoppten die Reiterinnen und befreiten den führenden Leibeigenen von seinem bleischweren Tragegestell. Viavir durfte ihn ablösen. Im ersten Moment glaubte er, unter der drückenden Last zu zerbrechen, aber die Gerte der Antreiberin und ein scharfes Ziehen in seinen Leisten ließen seine Engbrüstigkeit bald vergehen und brachten seine Schritte in den richtigen Takt.

Der Traum von einem freien Leben in Ledanien war offenbar ausgeträumt. Ausgerechnet Sklavenhändlerinnen musste er in die Fänge laufen! Jeder Schritt wurde zur Tortur. Bald schon schmerzten Rücken, Beine und Füße gar sehr. Und auch das häufige Rucken und Zerren an der Kette, wenn er nicht exakt im Gleichschritt marschierte, spürte er peinigend in seinem Unterleib. Die Stimme der völligen Erschöpfung wurde immer lauter und dräute ihn taumeln zu lassen. Als endlich eine Pause am Wegesrand gemacht wurde, durften die Träger ihre schweren Gestelle ablegen und sich vorsichtig hinsetzen. Sie mussten wegen der Kette eng beieinander bleiben, aber mit gequälten und gleichzeitig beglückten Gesichtern ob der Rast rieben sie sich die wunden Füße und streckten ihre erschöpften Rücken und Beine.

Die Rothaarige ritt in den nahen Wald und erschien schon bald mit einem erlegten Dachs, zwei Kaninchen und einem Rebhuhn. Das Wild bereiteten die Frauen über einem Feuer zu. Dazu garten sie mehrere Auberginen und Pilze, die sie aus einem Beutel am Sattel holten. Wenig später schon strömte den Sklaven delikater Bratenduft in die Nasen, das ihnen der Saft im Mund zusammenlief. Aber die Weiber dachten gar nicht daran, ihnen etwas davon abzugeben. Das Fleisch, das übrig blieb, wurde in kleine Stücke geschnitten und als Reiseproviant gut verpackt. Nur Wasser aus einem nahen mäandernden Bach erhielten die Männer aus einem abgewetzten Lederschlauch. Allein der Sonne Glut zu trinken löschte den Durst nicht.

Doch einen Schabernack machten sich die Jägerinnen doch noch, bevor es weiterging: Sie warfen einen gebratenen Kaninchenschenkel einige Schritt von den Leibeigenen entfernt zu Boden. Die Rothaarige munterte sie auf: „Schnappt euch den Leckerbissen!“ Hektisch und ringend versuchten die Sklaven nun, an das begehrte Stück Fleisch zu gelangen, zerrten sich dabei gegenseitig ihre Männlichkeit, rangen, schlugen um sich, boxten und stießen mit den Ellenbogen dem Nachbarn in die Rippen, um die ersehnte Köstlichkeit wetteifernd. Die Zuschauerinnen machten ihre Scherze über das Wirrsal am Boden. Ein Weib gab einen alten Spruch zum Besten: „Gierig sind Sklaven, dass ihr es wisst – doch kaum einer vor Hunger verreckt ist.“ Die Runde ließ den Weinschlauch kreisen und feuerte die Kreaturen an. Und lange, nachdem der leckere Fleischgeschmack versiegt sein würde, würde das konkurrierende Verhalten, dass für zahlreiche blaue Flecken gesorgt hatte, noch die eine oder andere schwärende Missgunst zur Folge haben, die sich in hinterhältiger Weise an zerrenden Ketten in verschiedene Richtungen Bahn brechen würde.

Nicht weit von ihnen entfernt, verlief die ledanische Grenze. Eine uniformierte Soldatin wachte hinter den Zinnen ihres Turmes und beschattete die Augen mit ihrer Hand, um besser gegen die tief stehende Sonne die flachen Hügel am Horizont mustern zu können. Die Frau trug eine harte Lederrüstung, einen Überwurf aus Stoff mit dem ledanischen Wappen, einen Waffengurt mit spitzem Schwert sowie einen Dolch im breiten Gürtel und lederne Armschienen. Ihr Torso war mit dünnen Metallscheiben verstärkt. In Griffweite standen gleich vier Armbrüste und dazu gehörige Bolzen. Um ihren Hals hing ein Horn, mit dem sie Alarm geben konnte, falls cassandrische Späher oder gar ein feindlicher Verband auftauchen sollte. Aber nur eine kleine Kolonne aus einigen wenigen Fußgängern und zwei Reiterinnen war in der Ferne zu erahnen. Vermutlich eine zivile Sklavenabordnung, wie sie häufiger in Grenznähe unter dem azurfarbenen Himmel vorbeimarschierte, vermutete die Uniformierte. Vielleicht schleppten die Leibeigenen Brennholz in die Hügel, wo Arbeiter an großen Essen eiserne Angriffsmaschinen für den Feind fertigten. Oder die Träger brachten Lebensmittel für die Schaffenden. Die Beobachteten hielten sich wohlweislich außerhalb der Schussweite.

Hohe Rauchsäulen zogen verräterisch gen Himmel, wo emsig geschmiedet und gegossen wurde. Hin und wieder hatte die Soldatin von ihrem Wachposten aus auch beobachtet, dass Kampfsklaven am Horizont marschierten. Dieses „Säbelrasseln“ sollte die Ledanier wohl einschüchtern. Aber so schnell würde sich auch eine gewaltige Armee nicht an die verstärkten Grenzanlagen trauen. Der Soldatin lief selbst ein kalter Schauder den Rücken hinab, wenn sie an die Gräben mit den spitzen Speeren und eisernen Dornenhaufen dachte, die Fallgruben, die sogar ganze Trolle verschlingen würden, die Katapulte mit den Brennballen und Findlingen, die ledanischen Soldaten und Soldatinnen mit ihren Langbögen, Armbrüsten und der riesigen Arbalest, die bereits im jüngsten Krieg einen Troll zerschmettert hatte. Trotz aller Verteidigungsmaßnahmen aber war der Soldatin nicht so ganz geheuer. Damals war der vorgelagerte Stadtstaat eine gute Pufferzone und sorgte mit den gigantischen Stadtmauern für einen Schutz einem Bollwerk gleich. Die Heimat war geschützt wie der Honigtopf einer Jungfrau; doch nun stand der Feind direkt vor der Türe. Sie ballte die Faust, machte sich Mut und grummelte verbittert: „Packt euch nur her, ihr Geschmeiß, und wir werden euch niedermachen!“

Auf der Innenseite der Grenze marschierte eine Abordnung ledanischer Soldaten im Gleichschritt entlang. Ihre silbernen Rüstungen klapperten laut und glitzerten in der heißen Sonne. Senkrecht in die Luft hielten sie ihre langen Lanzen. Mit Spangenhelm und Schildbuckel sowie den Harnischen geschützt, marschierten sie zu einem Übungsplatz in der Nähe, in der auch ein Feldlager aufgestellt worden war. Etwa jeder vierte Soldat war ein Weib, bei den Befehlshabern sogar jeder zweite. Es herrschte grundsätzlich Gleichberechtigung zwischen Mann und Weib. Leda ließ weder patriarchalische noch matriarchalische Auswüchse zu und verbannte solch Launen. Eine Offizierin erwartete die Abordnung bereits auf ihrem Grauschimmel, dessen Nasen- und Stirnriemen mit Metalldornen verziert waren. Die Reiterin trug schenkelhohe Stiefel, lederne Beinkleider und eine Bluse unter einem ärmellosen Samtwams mit dicken Bronzeknöpfen. Am sich hellblau und rein wölbenden Himmel schrien drei Krähen flatternd umher, als wollten sie die blechernen Menschen am Boden zur Eile drängen. Die neuen Soldaten hatten noch einige schweißtreibende Trainingsstunden mit den Holzschwertern und Stäben vor sich, bevor sie mit scharfen Waffen kämpfen durften.

Aus ganz Ledanien hatten sich hunderte Freiwillige gemeldet, um ihre Heimat zu verteidigen. Trotzdem war die ledanische Armee hoffnungslos in der Unterzahl gegenüber den Unmengen von Kampfsklaven der cassandrischen Aggressoren, die wie eine Heuschreckenplage über den Alten Kontinent herfielen. Ledas einzige Zuversicht galt den ausgefeilten Verteidigungswällen und Schanzen. Als die neuen Rekruten unter den Kommandos der Offizierin neben den sechseckigen Zelten auf einer Wiese schwitzten, exerzierte eine Brigade auf dem großen Lehmplatz des Lagers unter den exakten Anweisungen einer weiteren Reiterin. Die Frau trug karmesinrote Stoffgewandung und darüber ein kurzes brüniertes Kettenhemd, obendrein einen dunkelblauen Umhang, der mit einer Silberbrosche gehalten wurde, die zwei miteinander verschlungene Drachen darstellte. Auf dem Umhang prangte groß und in goldgelb das ledanische Wappen. Die hohen schwarzen Stulpenstiefel steckten in den silberfarbenen Reitbügeln und glänzten wie frisch gewichst.

Das hohe schwarze Ross, auf dem sie saß, war mit einem weißen Mantel umgeben, aus dem die Ohren aus zwei Löchern hervorschauten. Das Zaumzeug war aus schwarz gegerbtem Leder und mit funkelnden Nieten verziert. Das Weib trug sein mittellanges Haar zu einem strengen Pferdeschwanz nach hinten gebunden. Um die Hüfte war ein Waffengurt mit einem Schwert geschlungen. Die Reiterin wollte sich nach den Fortschritten der debütierenden Rekruten erkundigen. Angeblich waren darunter zwei Mann, die mit dem Schwert umgingen wie erfahrene Kämpen. Sie näherte sich den zwei Handvoll Neulingen. Dem Vollblut unter ihrem Sitz war das heiße Temperament anzumerken. Das Pferd war nicht etwa nervös; seine unbändige Energie ließ es beben und schnaufen. Aber die Gardistin und Oberste der ledanischen Streitkräfte beherrschte das Tier perfekt.

Nike sprang aus dem Sattel und wurde von der Offizierin begrüßt. Diese ließ zwei der Soldaten vortreten. Die Gerüsteten kamen im Eilschritt herbei und verbeugten sich zackig und in ledanischer Art und Weise nur knapp vor der Obersten. Nike nickte anerkennend. Die Männer sahen groß, kräftig und gewandt aus. Und mit dem Schwert waren sie offensichtlich wahre Künstler. Vielleicht würde sie das Duo in die Leibgarde aufnehmen. Solch Talente waren stets willkommen. „Könnt ihr auch mit der Pike kämpfen?“, erkundigte sie sich interessiert. Auf einen schnellen Wink liefen zwei andere Soldaten herbei, eine davon ein Weib, und brachten zwei Piken herbei. Die Neulinge packten jeder einen der Stäbe und stellten sich fünf Schritt voreinander auf. Auf ein Zeichen Nikes begannen sie aufeinander einzustürmen. Die Piken stießen nicht nur oder schlugen aufeinander, sondern wirbelten wie Windmühlen im Sturm. Gleichzeitig nutzten die Männer auch ihre Füße und Knie, die Arme, drehten agil ihre Körper, sprangen vor Schlägen hoch, zur Seite oder duckten sich.

So eine Kampfart hatte Nike noch nie zuvor gesehen. Als nach längerer Zeit noch keiner der beiden Rekruten unterlegen war, beendete die Oberste das Duell mit einem Pfiff und Handzeichen und rief nach zwei weiteren Soldaten. Die erfahrenen Männer würden nun, ebenfalls mit Piken, gegen nur einen der Debütanten antreten – zugleich. Und Nikes Hoffnung wurde wahr: Nach wenigen Augenblicken lagen beide Soldaten stöhnend am Boden. Die Probe wiederholte Nike mit dem anderen Neuling. Und auch dieser bestand die Prüfung mit Bravour, obwohl der zweite Soldat, nachdem der erste bereits hilflos im Staub ächzte, den Gegner mit einem unehrenhaften Tritt zwischen die Beine kampfuntauglich hatte machen wollen; aber dieser wirbelte in Windeseile um die eigene Achse und knallte dem Angreifer von unten das stumpfe Ende der Pike gegen dessen eigene Männlichkeit.

Jaulend ging der Kontrahent mit scheelem Blicke zu Boden. Nikes Grinsen breitete sich auf ihrem Gesicht aus. Sie hatte den feigen Trick erkannt und fühlte nun Schadenfreude, dass es den Kerl auf gleiche Weise niedergestreckt hatte. „Die zwei kommen mit zur Bastion. Bringt ihnen Rösser!“ Die anderen Anfänger sahen den beiden neidisch hinterher. Was die wohl in der Bastion erwartete? Feiner Zwirn, glänzende Uniform und edelste Waffen. Dazu bestes Essen, Met und ein warmes Bett bei den Gardisten. Die Zurückbleibenden stellten allerlei Mutmaßungen an.

Der Königsgemahl Abas goss sich gerade aus einem Zinnkrug frisches, schäumendes Honigbier in einen Becher, da erschien eine Zofe in Kleid und Schürze. Die Haare waren nach ledanischer Tradition für weibliche Dienstboten zu einem aufgedrehten Zopf unter einem weißen Häubchen verdeckt. „Verzeiht mir, Königsgemahl, dass ich störe. Aber mich schickt Majestät nach einem Handspiegel.“ Abas zeigte der Zofe mit einer gütigen Handbewegung an, dass sie eintreten und das Gewünschte holen dürfe. Immerhin saß er in Ledas privatem Gemach, in dem sie sich gern zur Lektüre von Pergamenten und Folianten zurückzog.

Durch das große, mehr als mannshohe Bleiglasfenster tauchte die Sonne den Raum in einen warmen, hellen Ton. Abas beobachtete von seinem purpurrot gepolsterten Scherenstuhl, wie die Zofe über die schweren Teppiche, die über den dicken Holzdielen lagen, schritt und sich zu einer Truhe bückte, sie öffnete und darin wohl den Spiegel suchte, nach dem Leda verlangte. Zunächst holte sie ein Linnentuch hervor und legte es beiseite. Abas merkte, wie das pralle Hinterteil der Zofe seinen Blick anzog. Ein wahrer Lichtblick, diese runden Backen einem saftigen Apfel gleich. Wäre er ein einfacher Bursche, so würde er um dies unschuldig Herz Tag und Nacht freien. Da spürte er, wie sich sein Luststab rührte. Wenn er es geheim hielte… Eine Zofe würde dem Königsgemahl nichts ausschlagen… Eine Zofe würde niemandem davon erzählen und sich gewisse Vorteile davon versprechen…

Abas leckte sich nervös über die Lippen. Sollte er Leda hintergehen? Als die Zofe sich mit dem Spiegel zurückziehen wollte und zum Abschied vor Abas schüchtern knickste, befahl der Königsgemahl scheltend: „Wartet! Nehmt den Feudel dort und wischt den Fleck auf dem Boden weg.“ Die junge Zofe sah sich verwirrt und roten Bäckchen um. Die Teppiche waren sauber. Wo hatte der Königsgemahl einen Fleck gesehen? Sie kniete nieder und suchte angestrengt, fand aber keine Verschmutzung. Abas kam näher und zeigte auf eine Stelle, die einen Falkner bei der Beiz darstellte, mehrere Jäger und eine Hundemeute. Ein Rankenmuster umrahmte die Darstellung auf dem geknüpften Kunstwerk. Die Zofe erkannte immer noch keine Verfärbung, aber sie begann mit dem Feudel zu wischen und zu reiben. Abas schmunzelte, als er hinter dem jungen Weibe stand und ihr Hinterteil beobachtete, wie es in der Wischbewegung hin und her schwankte. So verführerisch, so einladend.
236. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 02.12.22 18:41

Zur gleichen Zeit erhielt der Medikus und Alchemist Aphron seinen Wochenlohn vom Zahlmeister der Königinnengarde ausgehändigt. Ein breites Grinsen verzauberte sein Gesicht. Nun war sein Münzbeutel endlich voll genug, um einen Schmied zu beauftragen, diesen eisernen Fluch von ihm zu nehmen. Was würde er sich mit Mägden und Weibsbildern aller Art vergnügen! Endlich frei! Der schönste Tag seines Lebens! Er ging in den Kräuterraum, wo Dutzende Tiegel und Töpfe, Phiolen und tönerne Amphoren, Fläschchen und Ampullen in Regalen dicht an dicht aufgereiht waren. Für fast alle Zipperlein hatte Aphron hier nach den alten Rezepten des Caduceus Salben, Tinkturen, Abgüsse und Essenzen gemischt und gebraut. Doch hinter einer kleinen Truhe versteckt, ganz hinten im untersten Fach des linken Regals, streckte er seinen Arm nun nach einer Flasche aus, die in einem Weidenkorbgeflecht eingebunden war.

Diese geheime „Medizin“ bestand aus Aprikosenbrandwein. Er entkorkte die Flasche und roch genüsslich daran. Dann setzte er sie an die Lippen. „Auf die Freiheit!“, prostete er sich selbst zu und nahm einige tüchtige Schlucke. Ein Lächeln huschte über seinen Mund. Noch heute wollte er zum Schmied im benachbarten Dorf reiten, denn in der Burg wusste nicht jeder von seiner eisernen Hose. Und dabei sollte es auch bleiben. Er legte sich seinen Umhang um, band ihn mit der bronzenen Brosche zu und beeilte sich, zum Stall zu laufen. „Bursche“, rief er den Knecht an, der daselbst gerade Mist mit einem Rechen harkte, „sattle mir meinen Klepper. Ich muss ins Dorf, nach den Siechen sehen.“

Ganz gelogen war dies nicht. Der königliche Medikus sorgte sich auch um Bedürftige des Umlandes. Wer seine Dienste nicht entlohnen konnte, wurde kostenlos behandelt – so lautete das Gesetz der Leda. Da war beispielsweise ein ehemaliger Grenzsoldat am berüchtigten „Antoniusfeuer“ erkrankt, und Aphron führte Waschungen und Alkoholkuren aus. Bei der Gelegenheit prüfte er dann die Qualität und Wirksamkeit des Schnapses, die der Mann im Hause selbst brannte, und nahm umfangreiche Proben mit, wie er stets betonte. Ein anderer Patient litt regelmäßig an starken Bauchkrämpfen. Aphron verordnete ihm Einläufe mit Kamillenextrakt und eine einmonatige Abstinenz jeglichen Beischlafs gegen das Grimmen.

Als er vernahm, dass der Mann, ein cholerischer Büttel, derb und ruppig zu seinem Weibe war, fügte er noch kleine Mengen Hahnenfuß und Wasserschierling hinzu. Außerdem sollte der Mann stündlich einen Aufguss aus einem Tee trinken, den Aphron mit Bittbohnen versetzt hatte. Der Medikus hatte mit seinem alten Abakus genau errechnet, welche Dosen ungefährlich waren und trotzdem zu fürchterlichem Durchfall und Erbrechen führen würden. Ein Schmunzeln stahl sich auf seine Lippen. Der Grobian hatte die Behandlung verdient!

Anschließend machte er sich auf den Weg zum Dorfschmied am Ende einer Gasse. Diskret flüsterte er ihm sein Begehr zu. Der Schmied war ein kräftiger Recke mit vernarbter, dicker Lederschürze, einer breiten Brust und einem dicken Bauch. Mit einem leicht spöttischen Grinsen hob der Schmied das mächtige Kinn und zeigte mit der kraftvollen Pranke an, Aphron möge seine Beinkleider hinab gleiten lassen. Der Kunde sah sich unwohl in dem Raum um. Nach Zuschauern dürstete ihn gewiss nicht. Aber niemand sonst war zu sehen. Aphron löste also notgedrungen seinen Gurt und zeigte dem Schmied den Keuschheitsgürtel, den er schon so lange Zeit trug, und der seit seiner Flucht aus Helenas Harem verschlossen war.

Der Meister des Eisens rieb sich über das vorstehende Kinn und hinterließ dort schwarze Spuren auf den Bartstoppeln. „Das kostet Euch aber eine Kleinigkeit. Habt Ihr genug Münzen dabei, Kerl? Zeigt sie her! Ich habe keine Lust, meine Zeit mit einem Herumlungerer zu vertändeln.“ Aphron zückte seinen Beutel. Seine Lippen zogen sich zu einem geraden Strich zusammen. Was für ein arrogantes Arschloch, dachte er. Der Medikus kippte einige Silbermünzen in seinen Handteller. „Genügt dir das?“, frug er hochnäsig. „Wenn du geschickt bist, sollst du noch eine Münze als Bonus erhalten.“ Der Schmied war wie ausgewechselt. Ein breites Grinsen zeigte seine schiefen Zähne. „Aber natürlich, mein werter Herr. Ihr werdet ausgesprochen zufrieden mit meiner Arbeit sein.“ Jetzt hatte Aphron Oberwasser und meinte blasiert: „Und halte deine Zunge im Zaum. Als Herumlungerer bin ich noch nicht ungestraft betitelt worden.“ Der Schmied machte ein entsetztes Gesicht: „Oh, mein Herr! Verzeiht diese Entgleisung! Doch gab es in den vergangenen Wochen leider oftmals dubiose Gestalten, die kostbare Schmiedearbeiten in Auftrag gaben und ihre Zeche dann schuldig blieben. Entschuldigt bitte mein unwissendes Geschwätz. Ich hätte sofort auf den ersten Blick erkennen müssen, welch edler Edelmann…“ Aphron unterbrach den Wortschwall: „Plaudere nicht! Schmiede! Heize deiner Esse ein und sorge für Funkenschlag! Hole Zange und Meißel, was auch immer, aber erlöse mich von diesem Fluch!“

Ganz so hurtig, wie Aphron es sich wünschte, wurde seine Befreiung dann doch nicht in die Tat umgesetzt. Der Schmied musste gebogene Holzstücke in den Keuschheitsgürtel schieben, um die Männlichkeit vor der Hitze zu schützen. Mit glühender Zange brach der Kraftmensch dann das Schloss auf, vorsichtig, denn eine falsche Bewegung, Berührung, ein Abrutschen oder Verbiegung hätte fatale Folgen gehabt. Aphron schwitzte vor Angst, kniff Mund und Augen zusammen, hielt den Atem an. Wann war der Schmied endlich fertig? Schlagartig krachte es. Und dann war ein Geräusch zu hören, als säge der Mann durch Knochen. Aphron ging es durch Mark und Bein, und er wollte schreien, aber dann sah er hinab und öffnete erstaunt den Mund: Der Keuschheitsgürtel war ab!

Ungläubig griff sich der Medikus zwischen die Schenkel und ertastete seine Männlichkeit. Oh, was für ein süßes Gefühl! Welch Herrlichkeit! „Oh!“, hörte er plötzlich eine weibliche Stimme, und sein Herz setzte für einen Schlag aus. Abrupt drehte sich Aphron zur Seite und bedeckte seine Blöße mit den Händen. Vor ihm stand eine nun ungeniert kichernde junge Magd, der Gewandung nach zu urteilen. Der Schmied schaute grimmig zu dem Weibe und brummte: „Geh die Gänse rupfen. Du weißt, dass wir jetzo Besuch bekommen!“ Die junge Frau verschwand so schnell, wie sie erschienen war. Ein verschmitztes Lächeln huschte über ihre süßen Lippen, und ihre Augen funkelten glitzernd auf. „Ja, Vater.“

Aphron atmete erleichtert aus. Die Tochter des Schmiedes hatte hoffentlich nichts von der Befreiungsaktion gesehen – oder gar sein Gemächt. Doch im nächsten Moment war der Schreck schon wieder hinfort. Ein anderes Gefühl ermächtigte sich seiner. Diese Schmiedetochter war ein gar hübsches Ding, schwärmte Aphron. Sie feuerte seine Lenden an. Und wenn er ihre Blicke richtig gedeutet hatte, war sie nicht abgeneigt… Nun, das würde er bald sehen. Nur der Schmied durfte nichts davon erfahren. So grimmig, wie er aussah, würde er einem Bewerber seiner Tochter dessen Männlichkeit in einen Keuschheitskäfig schmieden, der ganz ohne Schloss auskam...

Aphron dankte dem großen, kräftigen Mann mit seiner Lederschürze, verabschiedete sich und schlich um die Schmiede herum. Irgendwo musste doch diese süße Maid sein. Wo war sie wohl hin? Gab es einen Gänsestall? Leider sah er weder Stallung noch Wiese. Aphron wurde von der jungen Dame angezogen wie eine Biene vom Nektar. Aber wie konnte es auch anders sein? Nach so langer Zeit der Abstinenz? Und als ausgebildeter Liebesdiener noch dazu? Er würde sich und ihr die höchsten Genüsse bereiten. Aphron war wie verzaubert von dem Gedanken.

Derweil genoss Statthalterin Vesta in der fernen Metropole die Massage von zwei Sklaven. „Fester!“, forderte sie. „Nicht so lasch!“ Doch wenige Momente später schrie sie auf: „Au! Du Tollpatsch! Willst du mir das Fleisch von den Knochen reißen?“ Sie sprang auf und versetzte dem Sklaven, der ihren hinteren Oberschenkel gegriffen hatte, eine kräftige Ohrfeige. Der Leibeigene fiel augenblicklich schlotternd vor Angst auf die Knie und berührte mit seiner Stirn den Marmorboden. „Verzeiht mir, hohe Vesta! Bitte, habt Erbarmen mit meiner Ungeschicktheit! Ich bin es nicht würdig…“ Die Statthalterin unterbrach ihn unwirsch. „Allerdings bist du Wurm es nicht würdig!“ Erst jetzt merkte sie, dass ihr das schneeweiße Seidentuch beinahe entglitten war, das ihre Blöße bedeckte, und raffte es wieder vor ihren Leib. Dann stellte sie einen Fuß auf den Nacken des Sklaven. „Das wird dich teuer zu stehen bekommen!“

Der andere Leibeigene kniete abseits und wünschte sich, unsichtbar zu sein. Vesta rief nach einer Palastwächterin. „Bringt mir die Peitsche!“ Dann beugte sie sich zu dem unglücklichen Sklaven hinab und gab flüsternd mit wölfischem Lächeln kund: „Heute Abend wird dein scharlachroter Arsch und das fahle Silberlicht des Vollmonds um die Wette leuchten.“ Sie grinste den Armen an. Manche Kreaturen zogen die Geißel an, wie Pferdedung die Fliegen. Kurz darauf erschien eine Wächterin in feinster Lederuniform und brachte der Statthalterin eine Lederriemengeißel, in deren geflochtenem Griff Vestas kunstvoll gestaltetes Monogramm eingearbeitet war. Sie liebte diese Peitsche, die schon so viele Jünglinge zum Singen und Tanzen gebracht hatte.

Da eilte eine Duxa in einem Gambeson mit aufgestickten Wimpeln forschen Schrittes herbei. Vesta sah sie ungnädig an. Wenn die Offizierin es wagte, die Statthalterin in persona unangemeldet zu stören, musste es sich um eine gewichtige Botschaft handeln. Und fürwahr: Ein Briefrabe hatte eine königliche Urkunde von Cassandra gebracht. Die Königin war mit den höchsten Duxas und einer Delegation Maluspriesterinnen samt gewaltiger Streitmacht gen Westen gezogen, um gemeinsam mit den Truppenverbänden des ehemaligen Stadtstaates der Prodita einen finalen Kriegszug gegen Ledanien zu führen, wie ihn der Alte Kontinent noch nicht erlebt hatte. Tausende Kampfsklaven und 16 Trolle, die jedem Gegner größte Angst einflößten, sollten um die Grenzen Ledaniens postiert werden und marschierend singen und ihr huldigen: „Ob in Freude oder Not, wir gegen den Feind – bis in den Tod.“

Schon seit geraumer Zeit waren mächtige Essen in der Umgebung des Stadtstaates errichtet worden, um riesige Angriffsmaschinen zu bauen. Hunderte Arbeitssklaven schufteten allein Tag und Nacht für diese Konstruktionen. Gehämmer von dicken Nägeln, die sich in Holzbohlen bohrten, kreischende Metalle, die geschmiedet wurden, schwarze Rauchwolken, die sich in den Himmel drehten, voluminöse Gestelle, die unter großen Planen verdeckt blieben, damit sie nicht jedem Auge gewahr wurden – nur ausgesuchte Offizierinnen wussten über die Kampfgeräte genau Bescheid. Der Grund hinter einem Hügel, und damit vor neugierigen ledanischen Spähern sicher, breitete sich zur größten Rüstschmiede des Reiches aus. Leuchtende Florwiesen waren längst niedergetrampelt und zu einem matschigen Schlammfeld verkommen, auf dem die Kreaturen liefen und die schweren Gerätschaften rollten und schoben. Knallende Peitschen trieben sie in ihrem Tun an.

Endgültig sollte Leda vernichtet werden. Und dazu benötigte Cassandria Waffen, wie sie es zuvor nie gegeben hatte. Nach von Briefraben übermittelten Anweisungen der obersten Hohepriesterin Tagara entstanden daselbst Gerätschaften wie Ausgeburten der Hölle. Damit würden selbst die vermeintlich unüberwindbaren Grenzwälle Ledaniens überrollt werden können.

Vesta sollte aus der Hauptstadt der Cassandra nunmehro die politischen Geschäfte leiten und eine Stellvertreterin als Statthalterin für die Metropole ernennen. Vesta wählte eine Gefolgin, derer sie sich sicher sein konnte. Eine opportune Gans, die ihren Hals stets nach der höchsten Fahne verdrehte und ihr quasi hörig war. Vesta rief ihre Kammersklaven, um ihr Gepäck zusammenstellen zu lassen. Schmuck, Geschmeide, Gewänder, Kleider, Stiefel, Spiegel und viele andere Utensilien, ohne die sie nicht sein wollte. Am nächsten Tag brach Vesta zum Palast der Cassandra auf.

Eine pompöse Sänfte riesigen Ausmaßes, getragen von zwei Dutzend Sklaven, die alle zwei Stunden ausgewechselt wurden, bewegte sich in einem Tross aus berittenen Duxas und einem Trupp Centurias sowie einer Einheit Kampfsklaven über die Straße. Das Blattgold der Sänfte glänzte und blendete in der flirrenden Mittagssonne. Hinter den Gazetüchern ihres Seidendiwans lag Vesta auf einem Ellenbogen, das Haar gelöst. An ihrem Unterarm trug sie zahlreiche Goldreife; Goldringe mit Edelsteinen schmückten ihre grazilen Finger. Vesta nippte an einem Kristallkelch. Unmittelbar darauf verschluckte sie sich an dem Apfelwein und hustete. Ihr war gerade eingefallen, dass sie in aller Eile vergessen hatte, den ungeschickten Burschen, der sie so gequält hatte, zu bestrafen. Sofort griff sie nach dem Holzstiel, an dessen Ende ein Glöckchen geschraubt war und läutete.

Rasch erschien ihr Reisediener. „Edle Hoheit! Wie darf ich Euch zu Diensten sein?“, frug der Leibeigene unterwürfig und lauschte, was ihn wohl hinter dem Vorhang erwartete. Eintreten in die große Sänfte war ihm ohne ausdrückliche Erlaubnis nicht gestattet. Darob schritt er nun eilig neben ihr her und horchte auf Vestas Worte. Die Statthalterin reckte und streckte sich. Wie strapaziös solch Reise war! Warum mussten die tölpelhaften Träger so schaukeln!? Sie gab dem Mann die Anweisungen für eine Berittene, die einen Briefraben in die Metropole schicken solle, die versäumte Bestrafung des Sklaven nachzuholen. Vesta ordnete drei Dutzend Peitschenhiebe durch zwei im Wechsel zuschlagende Gerichtssklaven an. „Anschließend soll der Sünder im tiefsten Kerker auf meine Rückkehr warten“, sinnierte Vesta laut vor sich hin und hob ihr Näschen hoch in den Himmel. „Und die schwerste Büßergeige, die man findet, soll er tragen“, fiel ihr ergänzend ein. Ein drollig Bild entstand in ihrem Köpfchen.

Zufrieden mit sich und der Welt pflückte sie eine Weintraube von einem Bündel, das in einer Silberschale lag, und ließ sie in ihren kleinen Mund fallen. Schmatzend zerbiss sie die Frucht und genoss die Süße, die sich auf Gaumen und Zunge ergoss. Bald würden die Strapazen ein Ende haben. Dann würde sie erst einmal ein wunderbares Bad nehmen und den Staub der Reise von sich waschen. Der Palast der Cassandra! Dagegen war der Regierungssitz, den sie von ihrer Mutter Fama geerbt hatte, eine armselige Hütte. Und Aurora! „Schwesterherz“, lächelte sie. Sie würde ihre Schwester wiedersehen.

Die Sänftensklaven wurden von den berittenen Centurias geschunden. Vesta hatte den Befehl ausgegeben, das Reisetempo zu erhöhen. Die Rücken und Gesäße der Männer waren mit roten Striemen übersät. Nassgeschwitzt schleppten sie das monströse Tragegestell vorwärts. Die abgelösten Sklaven mussten laufend ihren Haferschleim essen. Alle Pausen waren gestrichen. Voller Entsetzen rechneten sich die Männer aus, wie oft sie noch die schweren Holzgriffe packen mussten, wie viele Meilen ihre mit Blasen geplagten Fußsohlen noch über staubige Straßen zu marschieren hatten, wie lange die brennende Sonne noch mit ihrer glühenden Hitze auf ihre fast nackten Körper stach.

Vesta formte einen Sehschlitz zwischen dem Vorhang ihrer Sänfte und lugte hinaus. Sie betrachtete die Träger, als seien diese widerwärtige Insekten, die sich in ihrer Nähe niederlassen wollten. Schmutzig, schwächlich, lustlos – diesem Abschaum sollte man Respekt vor der Statthalterin einbläuen! Vesta schnaubte arrogant und nahm sich vor, die Leibeigenen in der Hauptstadt austauschen zu lassen. Diese Sklaven hier gefielen ihr nicht. Zumindest hatte sie sich an ihnen satt gesehen. Sollten sie auf die Zuckerrohrplantagen oder in die Minen! Hoffentlich hatte Cassandra einen schönen Harem dagelassen. Sie konnte auf Kriegszug ja nicht alle ihre Liebesdiener mitnehmen!

Vesta grübelte und fasste sich an ihre Pelzstola, riss sie von ihrem Hals und schleuderte sie zu Boden. Es war hier viel zu heiß für Tand wie diesen Nerzkragen! Die Edeldame rief erneut nach ihrem Reisediener. „Verschaffe er mir Abkühlung! Luft! Ich brauche kühle Luft! Die drückende Schwüle ist ja unerträglich! Beeil er sich, Tölpel!“ Bald darauf stieg ein Sklave mit einem großen Palmwedel in die Sänfte. Der Leibeigene war auf die Schnelle gewaschen, parfümiert und instruiert worden, wie er sich als Leibdiener zu benehmen habe. Verunsichert und ängstlich hockte er nun vor dem Diwan auf dem Boden der geräumigen Sänfte und war erschlagen von dem Pomp und Prunk des Innenlebens des feinen Domizils, welches er sonst nur von außen kannte.

Die Statthalterin sah der Sklave zum ersten Mal aus solcher Nähe. Wie wunderschön sie war, schwärmte er und vergaß fast das Wedeln. Diese rubinroten Lippen bannten seinen Blick. Vesta beachtete den jungen Mann nicht, sondern griff nach einer Schale mit kleinen Honigküchlein und biss ein Stückchen ab. Aber eigentlich war sie satt und warf den Rest gelangweilt hinter sich zu Boden. Vernehmlich knurrte der Magen des Leibsklaven. Vesta horchte auf. „Was war das? Hat da jemand Hunger?“, frug sie in überraschtem Tonfall. Der Sklave wusste nicht, wie und ob er antworten durfte. „Nein, Hohe Majestät“, sagte er stammelnd und fühlte einen Schweißfilm auf seinem Gesicht.
Vesta kicherte. „Ich bin Statthalterin und keine Majestät, Dummkopf!“

Der Sklave zitterte und öffnete den Mund, aber es kam kein Laut heraus. Die Furcht hatte in seinen Magen geschlagen. Vesta befahl schnippisch: „Weg mit dem Wedel!“ Sie senkte ihre Stimme. „Weißt du, wie man ein überdrüssiges Weib glücklich macht?“ Sie grinste ihn auf eine Weise an, die ihm die Schamesröte ins Gesicht schießen ließ. Vesta seufzte laut auf. „Komm näher! Muss ich es dir etwa erst erklären, du Nichtsnutz?“ Der Sklave schluckte hart und näherte sich vorsichtig dem Diwan. Hätte er unaufgefordert solche Nähe zu der Statthalterin gesucht, wäre er ergriffen, gezüchtigt und vermutlich für den Rest seines Lebens in einen Kerker geworfen worden. Jetzt kniete er direkt vor Vesta, die ihre Schenkel in ihrem weiten Rüschenkleid spreizte. „Komm näher!“, wiederholte sie ihre Forderung und zeigte mehr Haut, als es jemals den meisten Personen vergönnt war.

Die schwere Sänfte war nur einen Bogenschuss vorwärts gekommen, da tauchte der Schopf des Sklaven bereits in dem Seidenkleid der Vesta nach der nassen Weiblichkeit. Der Leibeigene befolgte die Anweisungen der erfahrenen Liebhaberin, die vor Wonne maunzte. „Wie gefällt dir der Schmaus?“, wollte Vesta zwischen ihrem Luststöhnen erfahren. Der Sklave hatte nie zuvor auf diese Weise bei einem holden Weibe gelegen. Schlagartig riss Vesta ihr Kleid hoch und stieß den Kopf weg. „Warte! Ich will dich in mir spüren!“ Sie nestelte hastig an seinem Lendenschurz und pochte gegen Metall. Vesta sah einen Wimpernschlag lang verwirrt auf die eiserne Hose. Als sei ihr entfallen, dass alle Männer in Cassandria Keuschheitsgürtel tragen mussten. „Wer hat den Schlüssel?“, wollte sie fast atemlos wissen. Der Sklave sah sie mit großen Augen an. Er hatte keine Ahnung. Seit Monaten war er verschlossen. Vielleicht hatte die Sklavenhändlerin, die ihn damals an den Hof der Metropole verkauft hatte, den Schlüssel gar nicht abgegeben.







237. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von sheeeep am 02.12.22 23:23

Sehr schön erzählt! Wieviel dir immer wieder einfällt,dazu ist das Ganze spannend wie ein Krimi!
238. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 11.12.22 11:23


Vestas hübsches zartes Gesicht verzerrte sich zu einer Fratze. Sie schrie gellend nach einer Duxa. Sofort teilte sich der Vorhang und eine Uniformierte erschien mit gezogener Klinge. Die Statthalterin zeigte auf den Keuschheitsgürtel des Sklaven. „Macht ihn auf!“ Die Duxa steckte das Schwert ein. „Edle Vesta, ich fürchte, dass die Schlüssel für die Keuschheitshosen in der Metropole aufbewahrt werden.“ Vesta ächzte, als schnüre ihr jemand die Kehle zu. Dann quetschte sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor: „Wenn der Keuschheitsgürtel nicht innerhalb der nächsten Meile geöffnet ist, werde ich dich in einen sperren lassen und den Schlüssel in den tiefsten Brunnen werfen, den ich finden kann! Deinen Stand als Duxa kannst du dann ebenso suchen gehen.“ Die Duxa schluckte. Dann komplimentierte sie den Sklaven mit einer herrischen Bewegung aus der Sänfte. Während Vesta sich auf ihrem Diwan bequem zurücklehnte, blieben die Duxa, der Leibeigene und zwei Kampfsklaven zurück.

Kurz darauf echote eine schrille Männerstimme von der Bergwand zu ihrer Linken wider. Zwei kräftige Soldaten bogen und brachen mit Eisenstangen an dem Keuschheitsgürtel herum. Die Duxa versprach den Soldaten: „Öffnet ihr den Gürtel schnell, so sollt ihr eine Belohnung erhalten. Schafft ihr es nicht, so werde ich eure Schlüssel in den tiefsten Brunnen werfen, den ich finden kann! Und eure Männlichkeit werde ich…“ Aber weiter kam sie nicht, denn schlagartig gab das Metall nach und bog sich an einer Stelle durch, so dass die Männer es mit einem Hebel noch weiter verdrehen und schließlich von dem Sklaven entfernen konnten, der nur leichte Blessuren und einige Schrammen erlitten hatte, aber vor Angst um sein Gemächt fast gestorben wäre. „Sitz hinten auf, Sklave!“, befahl die Befehlshaberin dem nun splitternackten Jüngling. Er hüpfte mit einem kraftvollen Satz auf das Ross. Die Uniformierte preschten zurück zur Kolonne mit der Sänfte und brachte Vesta den Befreiten.

Die Herrin betrachtete die ausgeprägte Männlichkeit und spürte, wie der Anblick ihre Verärgerung hinweg küsste. „Duxa. Keine Störungen!“ Der Leibeigene sah erschrocken auf seinen ausgefahrenen Liebesstab. Angst, Unsicherheit und Erleichterung, ja sogar Wonne, vermischten sich. Was für ein wundervolles Gefühl, und doch war es so sonderbar! War die Befreiung schon unbeschreiblich schön gewesen, so war das Verlangen und dieses… Die aristokratische Dame unterbrach seine Gedanken: „Los! Komm schon her! Ich sehe, du hast gar tüchtig Gefallen an deiner Freiheit gefunden! Oder gar an mir, du ungezügelter Bengel?“ Ihre Augen waren Schlitze. Sie betrachtete den Leibeigenen wie eine Würgeschlange eine Maus fixieren würde, bevor sie blitzartig und erbarmungslos zuschlug.

In der Hinterkammer einer Schmiede war ein Mann war über ein junges Weib gebeugt, nahm es mit kraftvollen Stößen von hinten, während Schürze und Röcke weit auf den Rücken hochgeschlagen waren. Die Schmiedtochter stöhnte vor Begierde, und der Mann grunzte und stöhnte vor Lust, während er seinen Liebesdolch zwischen die blassen Schenkel rammte. Eine Hand packte nach der kleinen, festen Brust, die andere lag mal auf dem blanken Po, mal griff sie in das lange Haar der Frau. Doch fühlte das Weib dabei keine Pein, sondern sie empfand pure Gier nach einem Höhepunkt, genoss die harten Griffe und den Rammsporn, der sich in sie bohrte. Sie gierte nach dem heißen Samen, der ihr selbst ein vorzüglich Feuerwerk der Freuden entzünden würde…

Der Alchemist Aphron war so ausgehungert nach all der Zeit im Keuschheitsgürtel, dass ihn die süße Tochter des Schmiedes nur zu leicht betört hatte. Er spürte schon, wie er sich in ihr entladen wollte, da starb er fast eines Herzschlages, als die Tür zur Kammer aufgerissen wurde und der breitschultrige Schmied, bewaffnet mit einer Saufeder in seinen breiten, schwieligen Händen, hereingestürmt kam. Aphron stöhnte frustriert und entsetzt auf und hielt seine Hände schützend vor sich und seine Männlichkeit. Die Tochter des Schmiedes raffte hastig ihr Kleid zurecht und flehte: „Ich habe ihn verführt! Seid nicht erzürnt! Es ist alleine meine Schuld.“ Aber der Schmied sah nicht so aus, als würden ihn die Worte besänftigen. Im Gegenteil: Er holte mit seiner kurzen Lanze aus und verharrte, als Aphron seine Arme schützend um seinen Kopf legte und sein Todesurteil erwartete. „Ich sollte dir geilem Drecksbock dein Gekröse aus dem Leib… Aber ich sinne auf Verlockenderes.“

Er packte mit seiner Pranke den Alchemisten am Kragen dessen Wamses und hob ihn ohne Anstrengung in die Höhe, dass die Stiefel Aphrons in der Luft baumelten. So hilflos zappelnd - Aphrons Gemächt hing immer noch aus seinen Beinkleidern - trug der Schmied den erwischten Liebhaber aus der Kammer und bis in die Schmiede hinein. Mit einigen flinken Bewegungen hatte er Aphron ein Halseisen umgelegt, das an einer kurzen Kette in einem Wandring fixiert war. Aphron zerrte verzweifelt an der Kette und stammelte: „Bitte… Ich… Es ist nicht so, wie es aussah…“ Aber der drohende, finstere Blick des Schmieds ließ ihn verstummen. Endlich wurde Aphron bewusst, dass er seine Männlichkeit auf lächerliche Art und Weise präsentierte und nestelte diese schnell wieder in seine Hose. Der Schmied griff ein Schüreisen und ließ das vordere Ende in ein Eisenbecken mit glühenden Kohlen fallen, so dass Funken aufstoben. Das Knistern und Zischen ging Aphron durch Mark und Bein. Was hatte der Schmied mit ihm vor?

Wieder erschien seine Tochter, um ihn anzuflehen, Aphron kein Leid anzutun. Die finstere Miene des Mannes schien in der Tat ein wenig von seiner Düsternis zu verlieren. Auf seinen Zügen lag zwar noch Unzufriedenheit, aber diese begann, sich aufzulösen. Brummelnd betonte er: „Du weißt doch, dass Macritudo, der älteste Sohn des Gerbers, dir sein Herz zu Füßen legen würde, wenn du ihn endlich…“ Die Tochter fuhr ihm in die Parade: „Niemals! Dieser Flegel ist so mager wie dumm! Ein Lump! Und wenn er noch fünf Gerbereien erbt. Er wird mich niemals beflecken! Ich will einen Mann, der… der…“ Eine feine Röte zeigte sich auf dem zarten Antlitz des jungen Weibes. Der Schmied zog das nun orange glühende Eisenende aus dem Kohlebecken. „Am liebsten würde ich diesem…“ In bestimmtem Ton unterbrach die Tochter ihn. „Nein! Ich alleine entscheide, wer mein Nachtlager teilt! Und Aphron hat mein Herz bisher als einziger Mann entfacht.“ Sie setzte sich für ihn ein. War da mehr als nur ein kleines Abenteuer? Hatte sich die Süße in ihn vernarrt? Hoffnung keimte in dem Alchemisten auf. Konnte die junge Maid ihren Vater überzeugen?

Und wenn er in sich hineinhörte, bemerkte er da tatsächlich mehr als nur fleischliches Verlangen bei sich selbst. Es war seltsam. Er kannte immer noch nicht den Namen dieser Venus! Aphron fühlte in seinem Inneren mehr für das junge Weib, als ihm anfangs bewusst war. Seine aufgestaute Geilheit, durch die lange Zeit im Keuschheitsgürtel hatte ihn zu einem triebhaften Biest werden lassen. Jetzt fühlte er sich beschämt, das Maid so feste gepackt zu haben - zumal er als ausgebildeter Liebesdiener einem Weibe höchste Lust bescheren können sollte. Aber offenbar hatte er ihr Gefallen trotz seiner Grobheit erworben. Die Tochter sah ihren Vater fordernd an. Wenn Aphrons und ihre großen Augen sich trafen, dann waren da ein Glänzen und eine Kraft, die ihm ganz unbekannt war. War das etwa Liebe? Spielten ihre Herzen ein gemeinsames Lied von Zärtlichkeit, Zuneigung und Innigkeit?

Doch was nützte ihm das alles, wenn der Schmied ihn entmannte oder wegen Unzucht in einen Kerker werfen ließ? Was dräute ihm von dem Manne? Beim nächsten Satz des Schmieds fiel Aphron ein gewaltiger Stein vom Herzen: „Nun gut, du sollst nur glücklich sein, mein Liebes. Meinetwegen suche dir den liebreizendsten Burschen, den du finden kannst. Und ein Alchemist vom Königshofe ist solid und ja keine so schlechte Wahl…“ Aphron horchte auf: „Woher wisst Ihr…?“ Der Schmied grinste. „Meint Ihr, ich habe Euch nicht erkannt? Ihr tragt die Brosche der Alchemie. Außerdem ist das Geschirr eures Rosses mit königlichen Insignien geschmückt.“

Aphron schloss einen Augenblick die Augen. Wie hatte er so töricht sein können!? „Ihr habt Recht. Ich bin Alchemist und Medikus zu Hofe der Leda“, gab er zu. Vielleicht brachte ihm das einen Vorteil. Offenbar war der Schmied von seinem Stand angetan. Doch die nächsten Worte des Mannes ließen ihn frustriert aufstöhnen. „So soll es sein. Doch ich billige nicht, dass mein Schatz eine Brut aufzieht, dessen Vater sie verleugnet. Darob werde ich Euren so leicht entflammbaren Zipfel in einen Keuschheitsgürtel stecken und den Schlüssel meiner Forma geben.“ Aphron seufzte. Aber es hätte arger kommen können. Forma hieß die Schönheit also. Sie hatte sich in ihn verguckt. Da würde ein Aufschluss leichter sein als eine Daune im Wind. Er war sowieso regelmäßig als Medikus in der Umgebung. Da würde ein Besuch bei Forma eine freudige Abwechslung werden. Wie zur Versöhnung bot der Schmied ihm ein leckeres Mahl an, das nach Zimt und Vanille duftete. Der heiße Milchreis war auf Steinguttellern angerichtet. Eine feine Speise dieser Art hätte er in so einem bürgerlichen Hause gar nicht erwartet. Und sie mundete ihm die Beköstigung gar trefflich. „Labt Euch nur daran. Es ist genug da“, forderte der Schmied ihn auf, ordentlich zuzugreifen, und nickte ihm aufmunternd zu.

Schließlich kam der Schmied jedoch wieder auf das Thema Keuschheitsgürtel zu sprechen. Noch in der nächsten Stunde fertigte er eine ausbruchsichere Hose für Aphron, die ihn in erschreckender Weise an seine Zeit als Liebessklave der Helena erinnerte. Der Schmied überreichte seiner Tochter Forma den Schlüssel, den er ihr an eine versilberte Halskette gehängt hatte. Mit einem schalkhaften Schmunzeln sagte Forma zu Aphron: „So weiß ich, dass du mich bald wieder besuchst. Geh nun fort. Reite zurück zu deiner Königin.“ Aphron stöhnte leise. Ihr Versprechen hatte einen schalen Beigeschmack. Er hatte eigentlich gehofft, dass sich Forma noch heute mit ihm zurückziehen würde. Aber er nickte brav und stieg schweren Herzens auf sein Ross, um zur Burg der Leda zurückzutraben. Was für ein kurzer Ausflug in die Freiheit! Zum Glück standen die Zeichen nun anders. Aber noch bevor er die Zitadelle erreicht hatte, juckte es ihm zwischen den Beinen doch arg. Schon jetzt verfluchte er die Idee des Schmiedes. Vielleicht war der Preis, um Forma zu freien, doch höher als er sich es gedacht hatte.

Abas war trotz all seiner Gewissensbisse recht angetan von dem süßen Hinterteil der Zofe. Bewegte sie es absichtlich aufreizend? Dieses Luder! Wollte sie ihn etwa verführen? Abas murrte: „Genug jetzt! Der Teppich ist rein. Steh gefälligst auf. Beeile dich! Deine Königin hat dir einen Auftrag gegeben. Verspäte dich nicht!“ Die Zofe sprang auf die Füße und machte einen hastigen Knicks vor dem Königsgemahl. Dann entschwand sie geschwind. Wie gerne hätte er sie genommen wie ein ganzer Recke. Aber er konnte und durfte Leda nicht betrügen. Sein Herz gehörte alleine der Königin. Abas nahm einen tiefen Schluck aus einem Silberpokal, in dem er dunklen Rotwein schwenkte, setzte ihn ab und versank in trübe Gedanken, die noch undurchdringlicher als der schwere Wein waren. Die wohlgewachsene Zofe hatte ihn in Versuchung verlocken wollen! Verzaubern wie eine Hexe!

Kurz entschlossen ließ er nach ihr rufen und befahl ihr, vor ihm Aufstellung nehmen. Schüchtern senkte die Zofe ihren Blick zu Boden. Der Königsgemahl wirkte aufgebracht. Hatte sie ihn verärgert? Abas frug: „Hast du mir etwas zu beichten?“ Die Zofe zitterte vor Angst. Sie biss sich nervös auf die linke Seite ihrer Unterlippe. Ihr Herzchen raste in ihrer Brust. „Mein Königsgemahl, ich wüsste nicht…“ Abas unterbrach sie: „Still! Sage es frei heraus und es soll dir vergeben werden.“ Die Zofe schluckte trocken. „Ich… Ich habe wahrlich nur eine einzige Traube vom Teller genascht…“ Abas hob für einen Lidschlag die Augenbrauen. Gestohlen hatte sie auch noch! „Komm zu mir!“ Die Zofe trippelte zu Abas, getraute sich kaum vorwärts. Doch Abas befahl sie immer näher. So nah, dass er ihren zarten Duft nach Lavendel wahrnahm. Dann packte er sie am Kragen ihres Zofenkleids und zog sie zu sich herab. „Beug dich über!“ Die Zofe gehorchte zitternd und bebend. Ihre kirschroten Wangen glühten leuchtender als gewöhnlich.

Abas schob die junge Frau seitlich und dann über seine Knie. „Dumme Gans, du trägst dein Haupt zu stolz!“ Er drückte sie weiter hinab, bis die Zofe sich mit ihren Händchen auf dem Boden abstützen musste. Ihr Po war nun genau vor Abas Augen. Er schob den Rock hinauf und sah die mit Rüschen besetzte, weiße Leibwäsche. Dann riss er diese mit einem Ruck ein Stück hinab in die Kniekehlen des Weibes. Ein unterdrückter Schrei piepste auf. Die Zofe biss sich vor Schreck in ihre Hand und hielt sich dann den Mund zu. Abas sah vor sich die zarten, weißen Hinterbacken. Nackt und schutzlos. Und da, wo sich die Wölbungen trafen, fand der Blick des Königsgemahls etwas tiefer zwischen den Schenkeln die süße Knospe der Weiblichkeit. Die königliche Hand streifte über das feste Fleisch. „Du Hundsfott!“, flüsterte er heiser. Dann hob er den Arm und knallte seine Hand auf das bare Gesäß. Die junge Zofe quiekte auf. Wieder und wieder ließ Abas seine Hand auf den Po schlagen, spürte die Wärme, die sich heiß und heißer ausbreitete wie ein Feuer und sparte nicht an Leidenschaft. Der weiße Hintern verfärbte sich rosa wie die Kirschblüte, dann rot wie der Mohn, als Abas erschöpft den Arm sinken ließ. Vor Scham war auch das Gesicht der Gezüchtigten rot erblüht.

Männliche Finger ruhten auf dem verfärbten Sitzfleisch. Es wirkte warm wie ein Stein, der im Feuer gelegen hatte, um ein Bett im Winter zu wärmen. Und die Haut war zart und weich und doch fest. Es fühlte sich gut an. Der Gemahl der Königin spürte eine gewisse Erleichterung. Endlich durfte die Zofe aufstehen. Ihr standen Zähren in den Augen, und der Rotz lief ihr schluchzend aus der Nase. Hastig zog sie sich verschämt die Leibwäsche hoch und richtete sich das Kleid. Sie hörte die strenge Stimme: „Stiehl nie wieder Trauben deiner erhabenen Königin! Sonst werde ich dich in den Kerker werfen lassen und dich dort vergessen wie…“. Abas suchte nach einem Vergleich. „Wie einen abgebrannten, nutzlos gewordenen Fidibus, den man achtlos im Nachttopf ertränkt oder in der Gosse entsorgt.“ Die Maid schluckte schwer, und ihr erschrockenes Gesicht bebte vor unterdrückten Schluchzern. „Ja, Euer Gnaden“, gab sie zitternd von sich.

Abas merkte, wie die Maid zitterte. Sein Tonfall nahm einen parlierenden Klang an.„Gräme dich nicht! Dir sei vergeben – für dieses Mal. Aber stöbere nie wieder umher. Denke daran: Neugier ist der Katze Tod.“ Der Herr entließ die junge Bedienstete mit einer gnädigen Handbewegung. Nach einem eiligen Knicks vor dem Königsgemahl eilte sie pochenden Herzens davon. Draußen hielt sie sich ihren Hintern, der heiß brannte. Und auch ihre Wangen glühten. Abas lächelte versonnen. Er hatte die Zofe von ihrer Sünde gereinigt. Gedankenverloren hob er seine Hand an die Nase und roch die duftende Weiblichkeit der Zofe an ihr. An seinem Daumen glänzte sogar ein wenig von ihrer Feuchte.

Nur wenige Gemächer weiter kämmte die Zofe derweil der Majestät Leda die seidigen Haare und ließ sich tapfer nichts von den schrecklichen Geschehnissen anmerken. Als sie fertig war, flocht sie der Königin einen kunstfertigen Zopf und knickste brav, dann verließ sie den Raum. Leda sah ihr verwundert hinterher: War ihr Gang anders als sonst? Ihre Schritte wirkten vorsichtiger, gleichzeitig unsicher und ungeschickt. Die feudale Leda runzelte die Stirn. Vielleicht hatte sie Schmerzen? An anderen Tagen hatte die Maid eine unschuldige Anmut an sich; nunmehro bewegte sie sich wie in dickes Waschweib. Doch bald schon ließ die Monarchin diesen Gedanken fahren und sinnierte über die politischen Gegebenheiten.

Als die Zofe die zweiflügelige Türe hinter sich geschlossen hatte, verzog sie das Gesicht und rieb sich über ihr Hinterteil erneut. Es war immer noch heiß wie der Ofen eines Ziegelbrenners. Jeden Schritt spürte sie auf ihrem Gesäß. Es war doch nur eine Traube gewesen, erinnerte sich das junge Weib kummervoll. So streng kannte sie den Königsgemahl gar nicht. Sie lief die Wendeltreppe hinab in die Wichsstube und kontrollierte, wie viele Stiefel der Bursche bereits auf Hochglanz gebracht hatte. Hier sorgte der Jüngling für sauberes Fußwerk für die Gardisten und das Regentenpaar. Es roch durchdringend nach Leder und Gänsefett. Eine stechende Substanz, vielleicht Reinigungsalkohol, gesellte sich dazu. „Du bist ja noch nicht fertig!“, schnauzte sie und versetzte ihm eine Backpfeife, die laut knallte. „Beug dich über deinen Schemel!“, befahl sie in einem Ton, als speie sie Gift und Galle.

Der Jüngling gehorchte entsetzt. Die Zofe stand hierarchisch über ihm und durfte ihm jedwede Anweisung erteilen. „Zieh deinen Hosenbund von deinem Arsch!“, sagte sie mit einem grimmigen Klang, der einen lüsternen Ton überdeckte. Röte schoss dem Jüngling in den Kopf. Zumindest konnte das Weib sein Gemächt nicht sehen, dass er gegen die Sitzfläche des Schemels drückte, war er erleichtert. Die Zofe nahm einen hölzernen Schuhlöffel, mit dem sich gewöhnlich die Gardisten behalfen, um die langen, engen Stiefel anzuziehen. Doch jetzt nutzte die Zofe ihn als Züchtigungsinstrument. Sie versetzte dem jungen Mann einige leichtere Hiebe, doch dann steigerte sie sich mehr und mehr und schlug mit voller Wucht auf das blanke Hinterteil des Stiefelburschen. Der Jüngling biss auf die Zähne, denn schreien wollte er vor der Zofe auf gar keinen Fall. Lieber würde er sich die Zunge abbeißen! Aber einige kullernde Tränen suchten ihn heim. Schamhaft wischte er sie weg.

„So!“ Die Zofe war zufrieden, als das Sitzfleisch rot wie eine reife Kirsche war. „Zieh dich wieder an! Und dann mach dich geschwind ans Werk! Wenn ich wiederkomme, blitzen alle Stiefel. Und die Uniformen, die du mit Garn und Nadel flicken solltest, sind dann ebenfalls gerichtet.“ Sie hob ihr Kinn vor. „Du Fürst der Faulheit wirst heute ohne dein Abendbrot ins Stroh müssen. Wage es nicht, dir etwas in der Küche geben zu lassen! Ich würde es erfahren und dich züchtigen, dass du sieben Wochen nicht mehr sitzen kannst.“ Der Bursche nahm die Bürste in die Hand und strich eilfertig über den Schaft eines Stiefels. Mit bangem Blicke sah er zu der Zofe, die einen bedrohlichen Schatten über ihn warf. Endlich ging diese fort. Draußen löste sich die strenge Miene des Weibes zu einem befriedigten, fast schon entzücktes Antlitz auf.






239. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von M A G N U S am 11.12.22 18:00

"...wie der Anblick ihre Verärgerung hinweg küsste."

Daß man eine Verärgerung hinwegküssen kann, ist für sich schon eine schriftstellerische Meisterleistung, doch daß zu solchem Handeln gar ein Anblick befähigt sei, darauf muß man erst einmal kommen!
240. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 16.12.22 20:21



Später, als der Jüngling endlich fertig war mit seiner Arbeit, schlurfte er erschöpft, müde und hungrig über den Burghof zu seinem Lager im Stroh. Dabei kam er an einem kleinen Gitterfenster auf Bodenhöhe vorbei: ein Lichtschacht für die Kerker der Zitadelle. Da kam dem Burschen, der immer noch grimmig und voller Wut auf die Zofe war, ein Gedanke. Er holte sich seine Bürste und tauchte anschließend in die Schatten der Mauern, schlüpfte durch eine Tür am Nordturm und betrat einen kleinen Korridor, der an einer Tür endete, die zu den Kerkerverliesen führte. Ein Wappenschild hing darüber am Gemäuer. Links und rechts flackerte jeweils eine Fackel in einem eisernen Ständer. Ein pausbackiger Soldat mit Hellebarde stand vor dem Eingang Wache. Mit seiner gefährlich aussehenden langen Narbe, die ihm vom linken Mundwinkel bis zum rechten Auge reichte, flößte er dem jungen Mann Achtung ein. Er atmete einmal tief durch, dann trat er näher. Der Bursche log, seine Bürste vorzeigend. „Ich soll die Stiefel der Wächter wienern.“ Der Wachmann ließ ihn vorbei, ohne ein Wort zu sprechen.

Der Jüngling schritt eine Wendeltreppe mit ausgetretenen und moosigen Stufen hinab in die Kellergewölbe. Bald stand er erneut vor einer dicken Eisentür, die sperrangelweit geöffnet zum Eintritt einlud. Er betrat den Raum dahinter, in dem ein Wachmann mit fleckigem Wams an einem rustikalen Tisch saß und seinen Kopf gelangweilt mit Ellbogen und Hand abstützte; die andere Hand schüttelte einen kleinen Lederbecher und drehte diesen schwungvoll um. Fünf Würfel aus Horn zeigten ein Dreierpasch aus Sechsen. „Endlich des Glückes hold!“, rief der Wächter aus und bemerkte erst jetzt den jungen Besucher. „Was suchst du hier?“, wollte der Mann in seinem ledernen Wams grantig wissen. Der Bursche antwortete zeigte seine Bürste vor. „Man schickt mich, Eure Stiefel zu polieren. Wollt Ihr nicht so lange hoch in die Wachstube und ein Nickerchen machen oder Euch beim Koch eine Kleinigkeit zu essen holen? Ich könnte solange hier aufpassen.“

Der Mann schürzte unschlüssig die Lippen unter seinem dichten Schnauzbart. Eine gute Mahlzeit konnte er verputzen. „Gewiss doch. Aber dass meine Stiefel ja glänzen, wenn ich wieder komme! So, hilf mir da raus!“ Er streckte sein linkes Bein dem Wichsknecht entgegen. Der Bursche zog und zerrte an dem derben Schuhwerk, während der Kerkerwächter sich mit dem anderen Stiefel gegen die Kehrseite des Jünglings stemmte. Es folgte das zweite Exemplar. Danach stieg der Mann in einfache Holzschuhe und verließ das Kellergewölbe. Mit seinen pluderigen Kürbishosen sah er ohne hohe Stiefel recht eigenartig aus, und der Jüngling musste ein Kichern unterdrücken und täuschte einen Hustenanfall vor.

Der Stiefelbursche bürstete eilig die Stiefel und stellte sie dann auf einem Fuchsbalg am Boden ab. Nun konnte er sich dem wahren Grund seiner Anwesenheit widmen: Er schritt zu einem Fässchen und öffnete den Deckel. Eine Kelle steckte in dem Brei. Angewidert rümpfte der Jüngling seine Nase. Diesen Gefangenenfraß sollte er essen? Aber besser das, als gar nichts. Oder? Jetzt war er sich nicht mehr so sicher. Er schnüffelte noch mal dran und nahm dann einen vorsichtigen Schluck. „Igitt!“, würgte er. Und das wurde den Gefangenen jeden Tag kredenzt? Er ging neugierig zum Zellentrakt. In einem durch ein dickes, rostiges Gitter abgetrennten Raum saß eine Gestalt auf einem Haufen platt gedrücktem Stroh. An Händen und Füßen trug er rostige Eisenmanschetten. Eine schwere Kette verlief zwischen den Handgelenken, eine weitere zwischen den Fußknöcheln. Dem Bart nach war der Insasse schon sehr lange Bewohner dieser Behausung. Er trug schmutzige Lumpen aus brauner Jute, die kaum noch zusammenhielten und zahlreiche Löcher und Risse aufwiesen.

Als er den Jüngling bemerkte, sprang er linkisch, so flink wie es seine müden Knochen bewältigten, auf und stellte sich an das Gitter; die Hände umfassten die dicken, eckigen Stangen. „Bitte gebt mir eine Handvoll Brei. Wenn es mich nicht trügt, so habe ich seit drei Tagen nichts bekommen.“ Die Zeit spielte hier unten im Kerker keine Rolle. Er streckte nun die Hände durch die Stäbe und hielt dabei die Handflächen nach oben. Der Bursche runzelte die Stirn. „Aus triftigem Grunde?“ Der Mann reagierte trotzig. „Weil der Wächter ein niederträchtiges Furunkel reiches Arschloch ist!“ Der Jüngling wollte es genauer wissen. Zunächst zierte sich der Gefangene, aber schließlich berichtete der ihm davon, wie der schmähliche Wächter ihn festgebunden und von ihm „schmutzige Dinge“ verlangt hatte. Weiteres, wohl zu schwer Wiegendes, schaffte es nicht über seine Zunge; nur die Tränenfeuchte auf seinen Wangen erzählte mehr von den Abgründen der schändlichen Ausschweifungen, in die er gestürzt worden war.

Der Bursche konnte sich nicht ausmalen, was der Mann meinte. Aber es musste schändlich und abscheulich sein. Er nickte stumm und brachte dem Gefangenen eine Kelle mit geschöpftem Brei, die der Insasse gierig schluckte, als handele es sich um die köstlichste Delikatesse des Leibkochs der verehrten Königin. „Ich danke Euch“, sagte er überschwänglich, als er die Portion hinuntergeschlungen hatte. Wie gern er noch einen zweiten Schöpflöffel bekommen hätte, doch er horchte ängstlich auf. Jäh vernahm der Jüngling ebenfalls hallende Schritte. Schlagartig verließ er den Zellentrakt und warf die Kelle hastig zurück in das Fass, dass der Brei blubbernde Laute von sich gab. Nur einen Lidschlag später erschien der Wächter mit einem verkorkten Tongefäß in der Hand. „Und? Zeig mir meine Stiefel, Früchtchen!“

Der Angesprochene präsentierte das glänzende Paar. Kein Staubkorn schmückte es mehr. Der Wachmann nickte brummend, was wohl seine Anerkennung andeuten sollte, entkorkte die Flasche und nahm einen tiefen Schluck. Darauf wischte er sich mit dem schmutzigen Handrücken über den Mund und streckte dem Jüngling die Flasche hin. „Nimm davon! Das ist ein gar trefflicher Rum aus Zuckerrohr. Meisterhaft! Er möge dir munden.“ Der Knirps setzte das Gefäß an, nahm einen kleinen Schluck und musste von dem scharfen Schnaps fürchterlich husten. Das Gebräu brannte ihm schier die Kehle aus. Der Wächter lachte dröhnend. „Geh schon, du kleiner Bengel! Du bist ja noch feucht hinter den Ohren.“ Der Stiefelbursche drehte sich um und stieg die Wendeltreppe hoch, atmete tief ein und aus, um den Brand in seinem Schlund zu kühlen und half mit einigen Schlücken aus dem Brunnen im Hof nach.

Der Wachmann nahm noch zwei oder drei gute Züge aus dem Tonkrug und schritt in den Zellentrakt. Er stellte sich vor die Gitterwand mit dem bärtigen Gefangenen. „Und? Knurrt dein Magen mittlerweile?“ Der Aufseher lachte dreckig und nestelte an seiner Hose. Der Gefangene spuckte aus und meinte scharfzüngig: „Auch, wenn du Speichellecker es dir nicht vorstellen kannst, aber ich werde nicht vor dir katzbuckeln oder gar...“ Er verstummte. Der Kerkerwächter hob verblüfft die Augenbrauen. „Oho! Noch zu fein, der Herr! Solch Irrgeschwätz lieb ich. Nun denn! Wir haben Zeit! Viel Zeit!“ Er stellte sich noch näher vor das Gitter und erleichterte sich grinsend gülden in die Zelle und hinterließ eine stinkende Lache. Danach schloss er sein Beinkleid wieder und begab sich zurück in den Gewölberaum. Er nahm noch einige Mundvoll von dem bernsteinfarbenen Branntwein und spürte, wie er in der Kehle loderte. Aber es brannte auch Wut in ihm. Dieser dreckige Bastard hinter dem Gitter hatte ihn verhöhnt! Meinte, er habe keinen Gehorsam nötig. Aber früher oder später würde er ihm gewogen sein. Ein Magen ohne Labung war eine bedeutsame Triebfeder und führte zu Ziemlich- und Schicklichkeit.

Beim Wachwechsel nutzte er die Gelegenheit, um gemeinsam mit seiner Ablösung die Zelle zu betreten und den Insassen in ein Eisenbrett zu schließen, weil dieser „resistent und bösartig“ war. Füße und Hände schauten nun traurig aus den vier Löchern. Der Bärtige lag gezwungenermaßen auf dem Rücken, die Beine in gespreizter Stellung angezogen, die Arme dazwischen gestreckt, auf dem nasskalten Steinboden seines Verlieses. Leise ächzte der Gefangene vor sich hin, suchte eine erträglichere Liegeposition, aber viel Spielraum blieb ihm nicht, und er musste resignierend verharren, wie ihn der Wachmann hinterlassen hatte. Schmierig grinsend und die Hände wischend verließ der Aufseher die Zelle und zwinkerte der geschundenen Kreatur zu. Morgen würde der Kerl für seine Großkotzigkeit büßen! Er betrat die Wachstube im Hauptturm der Burg und ließ sich in einer dunklen Nische in sein Bett fallen. Die Stiefel zog er sich noch mühsam aus, dann war er aber schon eingeschlafen, bevor er noch seine schieferfarbene Wolldecke ausgebreitet hatte. Der Rum sorgte flugs dafür, dass er in einen festen Schlummer sank.

Einige Kammern weiter saß der Stiefelbursche noch wach auf seinem Bett und schnitzte mit seinem Messer an einem Holzstück, das einmal eine kleine Flöte werden sollte. Sein Bauch beschwerte sich lautstark darüber, kein Abendessen erhalten zu haben. Hoffentlich würde die Zofe morgen mit seiner Arbeit zufrieden sein, schwankte er zwischen Zuversicht und Sorge. Auf noch eine Mahlzeit wollte er nicht verzichten. Und sein Hintern brannte auch noch elendig. Sein sehrender Stolz tat ebenso weh. Dieses gemeine Weibstück! Wäre er nur älter und kräftiger und Knecht oder Stallmeister. Dann würde er diesem böswilligen Stubenmädchen die Bockigkeit mit seinen Lenden und hartem Griff austreiben. Nach einiger Zeit legte er Klinge und halbfertige Flöte weg und zog sich die Decke über den Leib, schloss die Augen und malte sich aus, als tapferer Recke von hübschen und reifen Jungfrauen angehimmelt zu werden, und dieses Gemälde verfolgte ihn in den süßen Schlaf.

Vor den Toren Ledaniens qualmten pechschwarze Rauchsäulen in den Himmel. Hunderte Arbeitssklaven schleppten Kriegsgerät von einer Esse zur nächsten. Einige hievten gewaltige Trägergerüste in die Luft, andere zogen und schoben metallene Schienen in ein riesiges Kohlenfeuer, von dem hohe Wolken aus Funkenregen empor spritzten, als würde ein mächtiger Dämon Feuer aus seinem Maul spucken. Überall erschallten klingende, scheppernde und schrille, laute und dröhnende Geräusche. Eine Kakophonie von Metall auf Metall - ohrenbetäubend schmiedeten Hämmer, brüllten lodernde Flammen, bewegten sich Kolosse von Presswerken, Hämmern und Stanzen. Schmelzöfen riesigen Ausmaßes verflüssigten Eisen und andere Metalle. Eine höllische Hitze schwoll durch die Luft wie eine dicke Wand.

Die fast nackten und mit Schweiß bedeckten Sklaven wurden von kurzen, geknoteten Riemenpeitschen der Hüterinnen angetrieben. Rustikale Fuhrwerke, die von Dutzenden Sklaven in ihren Geschirren gezogen wurden, quietschten und ächzten unter ihrer Last, die aus weiterem Kriegsgerät, Waffen und Baumaterial bestand. An den Seiten liefen mehrere Uniformierte, die mit langen, biegsamen Stöcken die Zugsklaven vorwärts trieben. Die vielen marschierenden und stampfenden Sklavenfüße sowie die schweren Holzräder, die teilweise mit Eisen verkleidet waren, hatten die Erde zu einer zähen Schlammdecke aufgewühlt, was das Vorwärtskommen noch erschwerte. Aber unter den immerwährenden klatschenden Hieben und dumpfen Schlägen der Antreiberinnen stemmten sich die gestriemten Sklaven mit aller Kraft in ihre Geschirre und zwangen die schweren Zuggefährte durch den schmatzenden Morast, der sich mit Asche und verbrannter Erde zu einem ekelhaft zähen Potpourri vermischte und Jammer und Schmerz willkommen hieß.

Die Hohepriesterin Tagara stand auf einer Anhöhe, auf der eine Bastion errichtet worden war, und betrachtete das eilfertige Sklavenmaterial. Zu Tagara hatten sich Cassandra und Prodita gesellt. Das Trio Infernale überflog mit ihrem Blick ebenfalls das große Feld aus Maschinen und Werkstätten. Die drei Damen, bewehrt durch ihre Göttlichkeit, bildeten eine Reihe an einem marmornen Geländer einer Plattform, die das Dach des höchsten Turmes der Bastei bildete. In dieser schwindelerregenden Höhe flatterten ihre Umhänge und Kleider und zerrten an ihren Leibern, als wollte der Wind sie im Auftrag der Alten Götter in die Tiefe stürzen. Unter das Rauschen der Böen mischte sich von Ferne eine dumpfe Trommel, die einen unheilvollen Takt schlug, der dem einen wilden Schmerz, dem anderen süßes Vergnügen versprach.

Tagara machte eine weit ausholende und besitzergreifende Geste über die Ebene. Dabei breiteten sich die großzügigen Ärmel ihres Gewandes aus, als wolle sie wie ein Raubvogel ihre Flügel ausbreiten. „Seht nur! Mit diesem Getier werden wir die letzte Exklave Ledanien auslöschen, des Feindes Scharen metzeln, und Cassandria wird über den gesamten Kontinent herrschen!“ Bei dem Wort „Cassandria“ verspürte Cassandra einen unbehaglichen Schauder, denn längst war sie nicht mehr die wahre Königin des Reiches. Die Hohepriesterin des Maluskultes hatte die Macht an sich gerissen. Das Volk huldigte ihr. Die langen Haare von Cassandra und Prodita wehten in den Windböen, die in dieser Höhe stets kalt und wild die Lüfte durchpflügten, wie gereizte Schlangen, die sich erhoben, um ihr Opfer zu töten; nur Megaras Turmfrisur, hart wie ihr Herz, beugte sich nicht der Naturgewalt. Und in diesem Moment hatte sie das Gefühl der absoluten Macht – nicht nur über alle Kreaturen, sondern auch über den Alten Kontinent, die Natur, die Alten Götter. Sie hörte bereits die Siegesfanfaren rufen, und ihr Busen schwoll vor Stolz über den ersprießlichen Kriegszug.

„Für wann ist die erste Angriffswelle geplant?“, frug Cassandra die Hohepriesterin in durstiger Erwartung. Tagara erwiderte: „Zunächst müssen die Belagerungstürme und Klettergerüste fertiggestellt sein. Die Trolle sollen zu den Schmelzöfen gebracht werden, sobald das Morgengrauen die Nacht vertreibt. Ihre Kräfte sind nötig, um die gewaltigen Trägerkonstruktionen aufzustellen. Wir bauen Sturmleitern aus Eisen. Und schaut dort unten“, zeigte sie mit ihrer ausgestreckten Arm nach links. „Da werden die Katapulte montiert. Eine Kolonne Arbeitssklaven bringt dort drüben eine ganze Ladung Hinkelsteine und Findlinge. Das Wurfgerät wird gewaltige Felsen gegen die Grenzwälle schleudern. Zusätzlich sollen sie mit ölgetränkten Laken gewickelt und entzündet werden.“ Sie sah das Feuerinferno schon in ihrer Vorstellung, die ihr Herz in Vorfreude ebenso erwärmte wie der fliegende Tod heiß den Feind auffressen würde.

Tagara zeigte nach rechts und verkündete: „Bald wird die Trollramme fertig gestellt sein. Das Monstrum wird von fünf Trollen getragen. Es wird jedes Tor öffnen!“ Dann zeigte sie etwas weiter zur Seite, wo ein beeindruckendes Regiment schwer gerüsteter Kampfsklaven unter der Leitung zahlreicher berittener Centurias in ihren ledernen Rüstungen aufmarschierte. „Und für die anderen elf Trolle werden massive Rüstungen mit Dornen und Klingen geschmiedet. Sie werden behelmt und mit mörderischen Streitkolben und Doppeläxten in den Kampf stürmen und wie eine Naturgewalt alles 1niederwalzen, was sich ihnen in den Weg stellt!“ Cassandra grinste. „Mich lüstet zur Feier des Tages eine kleine Sklavenhatz zu arrangieren.“ Tagara rümpfte die Nase. „Tut das, was Euch beliebt. Aber nehmt mir nicht die kräftigen Exemplare. Verwendet meinetwegen die Schwachen und Nutzlosen.“ Cassandra zuckte mit den Achseln. „So soll es sein.“ Sie sah vor ihrem inneren Auge bereits das nackte Rudel, wie es Haken schlagend flüchtete. Die Keiler, in die Enge getrieben, auf den Knien mit schwingendem Bürzel, um Gnade winselten.

Die Frauen verließen die von Wind umtoste Plattform. Cassandra rief nach einem Leibsklaven, der ihr das Haar richten sollte. Ihr brannten die Augen vom Rauch, der sogar bis in diese Höhe schraubte und respektlos über sie herfiel. Herrin über die Brisen war selbst Cassandra nicht, und so musste sie sich dem Wind beugen. Prodita band sich selbst einen Zopf und schnipste mit den Fingern nach ihrem mit Goldfäden durchwirkten Haarband. Zu Mittag würden die drei mächtigen Damen nebeneinander auf einer pompösen Estrade sitzen und ein opulentes Festbankett eröffnen. Nur die höchsten Duxas waren dazu eingeladen. Einfachere Soldatinnen wie Centurias oder niedere Befehlshaber- und Anpeitscherinnen mussten sich mit Braten und einem recht guten Tropfen an einem großen Feuer im Zeltlager der Streitkräfte begnügen, die großteils vor der Festung lagerten.

Auf dem benachbarten Übungsplatz rannte ein Dutzend Kampfsklaven brüllend wie Berserker gegen einen Troll mit einem gewaltigen Schild aus fast ellendickem Eichenholz an. Für den Koloss waren die muskulösen Krieger keine Herausforderung. Die Leibeigenen hätten auch gegen eine Felswand laufen können. Sie prallten gegen den Schild und flogen unkontrolliert auseinander durch die Luft, während der Troll nur abwertend die breite Nase rümpfte über solch zerbrechliche Knöchlein. Der Riese hob seinen Schild, das aus rund vier Zentnern Eiche bestand, und wollte es auf einige der liegenden Sklaven hinabschleudern, da erwischte ihn ein stechender Schmerz in seinem Gemächt, der sich Augenblick darauf dumpf in seinem Unterleib ausbreitete. Sein Gesicht verziehend, ließ er den Schild krachend vor seine Füße fallend. Erde spritzte auf, Staub waberte hoch.

Vorwurfsvoll schnaubend sah sich der Goliath nach der Centuria um, die ihn diszipliniert hatte. Er hatte gelernt, jeder Soldatin unbedingten Gehorsam zu leisten, ansonsten hätte er ihr vermutlich nun den Leib in Stücke gerissen oder sie zerquetscht wie einen faulen Kürbis. Die Centuria hatte ein spezielles Instrumentarium für Trolle entwickelt: In Cassandria hatte man erfahren, dass selbst die kräftigste und längste Bullenpeitsche einen Troll nicht ernsthaft beeindruckte. Um ihn aber nicht mit scharfen Blankwaffen zu verletzen, hatte eine Sklavenhändlerin die „Trollbola“ erfunden. Es war eine Art Schleuder, die aus einem Riemen und einer Metallkugel bestand. Die geübte Soldatin wirbelte den Riemen samt Geschoss über dem Kopf und ließ die Kugel dann gezielt dem Koloss in seine empfindliche Männlichkeit fliegen. Einige Centurias hatten auch eine Variante der Bola, die eigentlich eher eine Form von Morgenstern war, da die Kugel mit dem Riemen fest verwebt war und nur als Schlagwaffe verwendet werden konnte. Auf Spitzen wie beim Morgenstern hatten die Damen dabei verzichtet; schließlich sollte die Waffe nur zur Disziplinierung eingesetzt werden. Jedenfalls war eine meisterliche Treffsicherheit vonnöten und vorhanden.

„Nimm den Schild wieder an dich!“, rief die Centuria forsch und zeigte auf die schwere Holzkonstruktion. „Und ihr Schwächlinge erhebt euch sofort! Sonst helfe ich euch Geschmeiß mit der Geißel auf die Füße!“ Die zwölf Kampfsklaven rappelten sich hoch, einige mit Kopfweh, andere mit blauen Flecken, aber sie rannten erneut auf den Troll los. Und dieses Mal waren sie geschickter: Sie teilten sich in drei Gruppen und griffen auch von den Flanken des Giganten aus an. Etwas zeitversetzt sprangen vier Krieger seine linke Seite an oder prügelten mit ihren Übungsknüppeln auf ihn ein, während vorne vier Niedere erneut durch den Schild zu Boden geschleudert wurden. Einen Lidschlag später traten zwei Sklaven mit aller Kraft von hinten in die Kniekehlen des Trolls, während zwei weitere mit ihren Prügeln versuchten, das Gemächt zwischen den gewaltigen Schenkeln des Kolosses zu treffen. Einer der Krieger sprang sogar an die Bälle der Kreatur und klemmte sie wie in einem Schwitzkasten fest, während er daran baumelte. Der Troll brüllte verärgert auf und wollte schon den Klammerer packen und zerquetschen, da brüllte die Centuria, dass der Kampf augenblicklich abgebrochen werden solle.

Eine hochbusige Duxa hatte sich ihr genähert und patzig gerufen: „Was soll das für ein Handgemenge sein? Das geht hier ja zu wie in einem Tollhaus! Bringt den Kriegssoldaten lieber bei, wie sie effektiv und gemeinsam mit dem Troll kämpfen. In Ledanien erwarten uns keine dieser Kreaturen, sondern nur gewöhnliche Soldaten.“ Die so gemaßregelte Centuria ließ anschließend ihre verdrießliche Laune an der Truppe und dem Troll aus, indem sie sie bis zur völligen Entkräftung über den Platz jagte und Übungen absolvieren ließ, die ihrer grausamen Fantasie entsprossen. Und selbst ein Troll wurde irgendwann schlafbefangen, wenn er wieder und wieder schwere Steinbrocken durch die Luft schleuderte und fünf Kriegssoldaten auf einer Plattform in die Höhe stemmte, um sie über eine vermeintliche Mauer des Feindes zu heben.









241. RE: Empfindsamer Schlamm

geschrieben von M A G N U S am 17.12.22 23:07

Und wieder läuft der nach Lustgefühlen gierende Geist Gefahr, die sprachliche Schönheit beim Lesen dieser literarisch außergewöhnlichen Erzählung zu übersehen; wer hätte gedacht, daß ein Morast in der Lage sei, menschliche Empfindungen willkommen zu heißen:



"...durch den schmatzenden Morast, der sich mit Asche und verbrannter Erde zu einem ekelhaft zähen Potpourri vermischte und Jammer und Schmerz willkommen hieß."
242. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 19.12.22 19:55

Und auch ein Autor heißt menschliche Empfindungen wie hier dieses Feedback willkommen.
243. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 21.12.22 18:53

Weit im Osten residierte derweil Vesta im königlichen Palast der Cassandra, feierte rauschende Festbankette, genoss das höfische Treiben und kriecherische Speichelleckerei der Adelsfräuleins, die Vesta schmeichelten und diese umgarnten, um sich ihr anzubiedern. Dabei war der Dame bewusst: „Schmeichlermund trägt Gift auf der Zunge.“ Freilich eines war gewiss: Es hätte keine Adelige gewagt, Ränke gegen Vesta zu schmieden, denn dazu war diese mit zu viel Macht ausgestattet. Wer Vesta nur kritisierte, und sei es hinter vorgehaltener Hand, musste mit Kerkerhaft rechnen – oder noch kläglicherem Schicksale.

Tanz und Musik, Wein und erlesene Speisen sorgten bei den Damen in der Residenz der Eitelkeiten für ausgelassene Stimmung. Eine kleine Kapelle aus musizierenden Sklaven spielte Laute, Flöte, Harfe und Schalmei, Maultrommel, Mandoline und Kesselpauke auf einem seitlichen Podest. Hinter ihnen hingen Geweihe an der Wand, die von den animalischen Jagderfolgen der Damen zeugten. Zu dem ausgewählten Kreise gehörten auch die höchsten Maluspriesterinnen, die sich offiziell zwar mit Wein und Lustsklaven zurückhielten, doch war es hinter vorgehaltenem Fächer kein Geheimnis, das die Damen der schwarzen Robe der Begierde und dem Rausche nicht abgeneigt waren. Bei Hofe der Cassandra hielten sie sich vornehm zurück, aber zurück im Tempel würden sie brennend vor Verlangen in die unterirdischen Harems strömen und daselbst ihrer Lust frönen. Manieren und Wäsche fielen gleichermaßen von ihnen ab, sobald sie in ihren Gemächern verborgen ihren ungezähmten Trieben folgten.

Vesta klatschte in ihre reich beringten Hände: „Bringt die Sklaven!“ Sie hatte zur Belustigung einige Leibeigenen mit Glöckchen an deren Männlichkeit versehen lassen. Klingelnd huschten die fünf Nackten in den großen Festsaal und stellten sich in einer Reihe nebeneinander auf. Vesta ließ Bambusstöcke verteilen. Die fünf Damen in ihren bauschenden Ballkleidern aus feinster Seide nahmen sie kichernd entgegen und eilten zu den Objekten ihres Vergnügens. Auf Vestas Kommando begannen sie mit der Züchtigung ihrer Exemplare. Sklaven, die nicht still genug hielten und ihre Glöckchen läuteten, verdienten sich einen Strafpunkt.

Die Edeldamen prügelten wetteifernd auf die nackten Hinterbacken und scheffelten fleißig Strafpunkte für ihr Sklavenstück. Jeder Punkt stand für eine Strafe, die der Leibeigene erleiden musste. Der Züchtigungskatalog war lang. Alle bewunderten die Ästhetik der Prügelkunst. Welch Flair! Welch Ausdruck! Welch Schönheit! Letztlich verurteilte Vesta alle fünf Kreaturen zum drei Tage langen Tragen einer Mundbirne, einem anschließenden dreitägigen Aufenthalt im „Brunnenloch“, wo der Delinquent bis zur Brust im Wasser stand und nicht schlafen konnte, 20 Hieben mit der Geißel und einem Brandzeichen in Form eines stilisierten Glöckchens, dass ihn stets an den amüsanten Festabend erinnern sollte.

Vier der Geschöpfe hatten weitere Minuspunkte gesammelt. Sie sollten danach noch für drei Tage eine Anusbirne tragen und von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang das kantige Eisenpony reiten. Zwei Unglückliche würden zusätzlich noch für sieben Tage ins Eisenbrett geschlossen. Einer von ihnen durfte als Finale lebenslang ein Glöckchen an seinem Gemächt tragen und wurde zu fünf Jahren Minenarbeit verurteilt, in denen er den Schacht nicht verlassen durfte. Den Männern war bereits im Vorfeld klar, was sie erwarten könnte, als Vesta genüsslich die Strafen vorgelesen hatte. Laute „Oh!“ und „Ah!“ waren durch den Saal getönt. Die Edeldamen hatten hinter vorgehaltener Hand oder ganz offen – ganz nach ihrem Naturell – getuschelt und gekichert oder die Schockierte gemimt.

Die Sklaven hatten lange still gehalten; aber die prügelnden Fräuleins hieben so ambitioniert auf die zerschundenen Hintern der Leibeigenen, dass nach und nach die Glöckchen gezwungenermaßen ihre klingenden Töne von sich gaben, und eine Majordoma an einer großen Tafel mit Kreide die Strafpunkte für die einzelnen Exemplare notierte. Nur einige wenige der Bußen wurden direkt und vor Ort ausgeführt. Zunächst erhielten alle Fünf die Mundbirne, dann die Geißel und schließlich das kompromittierende Brandeisen, das den Schmerz gerecht auf heißes Fleisch und heiße Scham verteilte. Waren bei der Geißelung noch durch die Mundbirne unterdrücktes Stöhnen und Keuchen zu hören, gaben sich die Sklaven bei der Zeichnung durch das Eisen wenig dezent. Das ausgelassene Gelächter und der freudige Beifall der Damen konnten sie nicht übertönen. Hin und wieder hörte man vereinzelte Stimmen der Fräuleins.
„Eine angemessene Disziplinierung!“
„Die Punkte sollten großzügiger vergeben werden!“
„Ich würde zu gerne einmal diese Minen besichtigen, um mir ein genaues Bild von der neuen Heimat dieser Kreaturen zu machen. Ich habe gehört, es sei dort behaglich warm.“
„Schade, dass ich nicht die Peitsche schwingen darf! Nun ja, ich werde es in meiner Residenz heute Nacht nachholen.“
„Spreizt die Birne weiter, Majordoma! Noch eine Umdrehung! Bitte!“
„Hört Euch diesen lieblichen Sklaven da vorne an! Wie er rührselig jammert! So etwas habe ich noch nie gehört! Recht amüsant…“
„Es klingt mir wie Honig süß in den Ohren…“
„Schaut nur! Jetzt kommt die Anusbirne zum Einsatz! Hach, ist das ein stattlich Prachtding!“
„Ha! Manch dieser Tölpel zieht die Strafe an wie das Licht die Motten.“

Als nächste Attraktion des Abends traten drei Jongleure in Hüftlaken und einer Art Turban gegeneinander an und wetteiferten um ihre Freiheit: Wer am längsten seine fünf Bälle jonglierte, der durfte ohne Keuschheitsgürtel ins feindliche Ledanien ausreisen. Doch derjenige Künstler, der zuerst einen Fehler machte, der sollte für vier Wochen auf dem Markt in einen Käfig gehängt werden und war abhängig von spendablen Herzen, die ihm Wasser und Brotbrocken brachten. Schweiß gebadet jonglierten die Männer in der Mitte der großen Tanzfläche ihre Kugeln. Gebannt starrten die Fräuleins auf die fliegenden kleinen Lederbälle und wetteten mit ihren Tischnachbarinnen, wer wohl auf dem Markt zu finden sein würde. Eine Pauke trommelte hin und wieder einen Tusch, um die Spannung weiter zu erhöhen. Als die erste Entscheidung gefallen war, fiel der Sklave vor dem Podium der Vesta auf die Knie und berührte mit der Stirn den Marmorboden, hob die Hände flehend so weit wie möglich und bettelte schluchzend um Gnade. Seine Angst durchflutete seinen Leib vom Fuß bis zum Haupte.

Zwei Palastwächterinnen in genieteten Lederrüstungen wollten ihn schon wegzerren, da unterbrach Vesta sie mit einem Handzeichen. „Lasst ihn sprechen!“ Der Sklave flehte und bettelte darum, keine langen vier Wochen im Käfig ausgestellt zu werden. Er habe keine Sippe oder Bekannten, die ihn versorgen würden. Er werde elendig verdursten. Vesta beruhigte ihn mit einem Handzeichen. „Ich sorge schon dafür, dass dir die Zeit im Käfig icht zu schwer werde.“ Der Leibeigene betete Vesta dankschuldigst an, vor Erleichterung bebend. Dann wurde er hinausgeführt. Als auch der zweite Jongleur fehlte, ließ er den Kopf niedergeschlagen hängen. Er hatte sich so sehr die Freiheit gewünscht. Der Konkurrent jubelte stürmisch und drehte sich im Freudentaumel im Kreis.

Kurz darauf winkte Vesta die Majordoma zu sich und wisperte ihr zu: „Der Käfigsklave… Sorgt dafür, dass er die vier Wochen überlebt und nie wieder vergisst! Und dann lasst ihn im Kerker verschwinden. Wer es wagt, mich ungefragt anzusprechen, der hat es verdient, den Rest seines armseligen Lebens in einem Loch zu hausen.“ Die Kreatur sollte nie wieder der Abendsonne Gold oder Blumenwiesen in strahlendem Lichte erblicken. Auch eine gnädige Herrscherin musste hin und wieder ein wenig Autorität zeigen. Zu viel der Gnade machte das Gewürm nur weich oder gar ungehörig. Später torkelte Vesta nach all dem Spektakel vom Wein schwindelig und erschöpft in ihr Gemach und ließ sich berauscht in die seidigen dicken Kissen fallen. Gerade noch fand sie die Kraft, die Kerzen eines Kandelabers auszupusten, bevor sie im Schlaf versank.

Als ein neuer Tag geboren war, lustwandelte sie - nach einem luxuriösen Frühmahl mit frischem Weißbrot, Marmelade, exotischen Früchten und dem inzwischen in Mode gekommenen Kakao, der ursprünglich vom Ostkontinent kam - durch den Ziergarten des Palastes. Die Sonne schien meist schon früh hell und kräftig vom azurblauen Himmel. An einem kunstvollen Springbrunnen rief sie nach ihrer Majordoma und frug nach Aurora. „Wie geht es meiner Schwester?“ Die Majordoma schluckte irritiert. Was sollte sie sagen? „Sie…“, stammelte sie, „befindet sich in den Kellergewölben des Tempels…“ Bewusst vermied sie das Wort „Kerker“. Aber Vesta nahm ihr die Unsicherheit mit einem herzerquickenden Lachen. „Rasiert Ihr ihr hübsches Haupt auch noch fein?“ Die Majordoma rang sich ein erleichtertes Lächeln ab. „Selbstverständlich, hohe Vesta“. So, wie es angeordnet war, werde es durchgeführt. „Kein Härchen befindet sich auf ihrem weißen Leib.“

Vesta nahm gedankenverloren einen Finger an die Lippen. „Nun denn, dies wird sie auch nicht hässlicher machen. Es wird Zeit, ihr einen Besuch in ihrem behaglichen Zuhause abzustatten. Es wäre unhöflich, wenn ich gar nicht zu ihr käme. Oder was meint Ihr?“ Die Majordoma nickte. „So, wie Ihr sagt, hohe Vesta, so sei es. Zweifelsohne seid Ihr sehr beschäftigt, so dass man nicht von Unhöflichkeit, sondern eher von Unpässlichkeit sprechen sollte…“ Vesta kicherte. „Das gefällt mir.“ Dann wurde sie ernst. „Ich werde heute Nachmittag ihr Gast sein. Sorgt dafür, dass eine angemessene Sänfte und eine Maluspriesterin als Führerin bereitstehen.“ Die Majordoma verbeugte sich demütig, aufgrund ihres engen Kamisols ein wenig steif. „Sehr wohl, hohe Vesta.“

Als es so weit war, stolzierte Vesta in Reiterhosen und einem pompösen hüftlangen Gehrock aus edelstem Samtgeschmeide mit Goldpaspelierung, langen Stiefeln und einem schmucken, geflochtenen Zopf, der unter einem Hut mit zwei Pfauenfedern hervorlugte, durch den Malustempel, begleitet von zwei Priesterinnen in schwarzer Robe. Sie führten sie in die Kellergewölbe, die sich scheinbar zu einem schier endlosen Labyrinth ausbreiteten. An einer dicken, mit großen Nieten beschlagenen Tür mit einem starken Riegel blieb die kleine Abordnung stehen. Eine der Priesterfrauen öffnete die Tür. „Am Ende des Ganges liegt die Zelle der Aurora. Wollt Ihr, dass wir Euch begleiten?“ Vesta schüttelte geziert den Kopf. „Nein, wartet draußen.“ Sie wollte den Anblick ihrer Schwester in deren Gruft alleine genießen und mit niemandem teilen. Sie betrat den kahlen Steinkorridor mit der gewölbten Decke. An einer Seite waren in eisernen Fassungen brennende Fackeln angebracht, auf der anderen Seite lagen leere Kammern hinter dicken Gitterstäben. Am Ende des Ganges war eine Einzelzelle im Halbdunkel. Die Gitterstäbe tanzten unheimlich an den Wänden des Bogenganges, als seien sie lebendige Giftschlangen, die auf ihr Opfer warteten. Daselbst hockte eine seltsame Gestalt im schummrigen Licht. Vesta gaffte ihre Schwester an, teils mit fasziniertem, teil mit abstoßendem, teils mit befriedigendem Blick.

Vesta weidete sich an dem Anblick des nackten, kahlköpfigen Geschöpfs, das auf einem Haufen Stroh saß, einen Keuschheitsgürtel um die Lenden, eiserne Manschetten an Händen und Füßen. Und um den Hals trug die Schwester ebenfalls einen massiven Eisenring. Die kreidebleiche Haut bildete einen Kontrast zu den dunklen Augenringen. Hochnäsig trat Vesta näher. „Aurora“, sprach sie sie an. Der Klang ihrer Stimme war liebenswürdig, doch hallte in dieser vermeintlichen Galanterie ein halb verborgener Zynismus mit. Die Gefangene hob ihren Kopf, als hege sie den Verdacht, dass sie gerade halluzinierte. Oder vernahm ihr Ohr wahrlich die Stimme ihrer Schwester? Hierauf drehte sie ihren kahlen Schädel, an dem auch die Augenbrauen fehlten, zum Gitter. „Vesta? Ist es wahr? Oder ist es Trug? Du? Bist du gekommen, um mich zu befreien? Oh, Schwesterherz! Ich war so ungerecht zu dir! Es tut mir Leid, ich… Ich danke dir!“ Vesta gluckste vor sich hin. „Aurora, hübsch siehst du aus in diesem stimmungsvollen Licht! Hat man dich auch gut behandelt?“

Aurora sprang auf und wollte zu dem Gitter, aber eine Kette um ihren Halsring erlaubte ihr nur wenige Schritte. „Schwesterherz! Es war fürchterlich! Du hast mich diesem Biest Cassandra ausgeliefert. Aber ich weiß, du hast es nur aus einer Notlage heraus getan. Du wusstest nicht, was du tatest. Hol mich zu dir zurück aus diesem Martyrium, und ich werde mich ewig erkenntlich zeigen… meine Königin.“ Die Dankbarkeit schimmerte in ihrem Blick. Vesta schnaubte gewurmt. „Von wegen Königin! Weißt du nicht, dass Cassandra die Metropole besiegt hat? Ich bin nur Statthalterin. Aber die Königin ist mit der Hohepriesterin des Maluskultes im Westen auf Kriegszug. Somit herrsche ich hier in der Hauptstadt.“ Aurora stöhnte erleichtert. „Oh, Schwesterherz! Gepriesen seist du! Dann kann du diesen Hexen in ihren Roben, deren wegen ich so darbe, befehlen, mich freizulassen?“ Vesta kicherte belustigt. In ihre Augen trat Amüsement. „Natürlich kann ich das. Ich kann alles! Ich bin weit und breit die oberste Machthaberin. Siehst du nicht den Glanz, den ich deiner Zelle verleihe? Freust du dich nicht ob dieser Ehre, die dich umschwärmt?“

Die Gefangene sah sie mit erwartungsvollem Blick an. „Öffne diese grausamen Gitter. Endlich werde ich die Sonne wieder sehen. Die wunderschöne Sonne!“ Ein kurzer Moment der Stille schob sich zwischen die beiden Schwestern. „Morgen werde ich dich holen lassen“, versprach Vesta in innigem Ton, als beweise sie damit unbedingte Liebe. Doch Aurora war entsetzt. Der Schweiß lief ihr über das schmutzige Gesicht – nicht nur wegen der stickigen Luft. Er brannte in ihren Augen. „Was? Wieso erst morgen? Warum… Warum nicht jetzt sofort?“ Vesta drehte sich um und winkte liebenswürdig. „Ich muss nun scheiden. Morgen, Schwesterherz!“ Dann stolzierte sie mit klackenden Stiefelsohlen und funkelnden Augen den Gang zurück. Auroras Stimme wankte zwischen Empörung, Flehen und Zorn. „Vesta! Lass mich nicht zurück in diesem stinkenden Loch! Geliebte Schwester! Diese Kapuzenfrauen, diese Hexen… Sie sind böse! Sie... Ich...“ Dicke Tränen spülten den Rest des Satzes hinfort und ihre spröde gewordenen Lippen bebten. Aber Vesta kehrte ihr nur noch den kalten Rücken und wies die Priesterinnen an: „Führt mich nach oben. Ich habe genug gesehen.“ Und gerochen. Aurora verschmutzte ihren Kerker mit ihrer Anwesenheit.

Auf dem Rückweg durch die dunklen Gemäuer bemerkte Vesta, dass hinter einem Gitter eines kreuzenden Flures ein Sklave in seiner Zelle stand, die Hände ausgestreckt über dem Kopf an Ketten Richtung Decke fixiert. Bei genauerem Blick erkannte sie, dass dem Sklaven, dessen Kopf nach vorne gefallen war, auch ein schweres Gewicht an seinen Kronjuwelen hing und diese weit nach unten gezogen hatte. Eine Eisenstange zwischen den baren Füßen zwang die nackte Kreatur in einen breiten Stand. Eine der Maluspriesterinnen sah Vestas Interesse und erklärte beiläufig: „Ein renitentes Stück. Es muss gehorchen lernen. Wir helfen ihm dabei, zur Räson zu kommen.“ Die Statthalterin grinste und zwinkerte ihrer Untergebenen zu. „Ihr solltet dies grämliche Gemüt wecken und aufheitern, sonst verpasst es die ganze Gaudi.“ Die Robenträgerin nickte. „Wohl gesprochen! So wird es geschehen.“ Die herzliche Wärme glühender Kohlen hatte noch niemanden kalt gelassen.

Bevor Vesta in ihre Sklavensänfte stieg, wiese sie eine der Priesterinnen an: „Sorgt für ein kühles Bad für meine Schwester. Sie sah so… erhitzt aus.“ Sardonisch setzte sie hinzu: „Eiswasser wirkt zuweilen Wunder.“ Ein ebenso kaltes Lachen brach aus ihrer Kehle hervor. Die von Aurora gewirkte Schuld würde zwar von noch so viel Abkühlung nicht weggespült werden können. Das Joch, dass ihr Vesta auferlegt hatte, würde die Schwester tragen müssen wie Daseinsfesseln für immerdar. Doch Vesta wollte ihr diese belebende Erfrischung herzlich gönnen. Eine Stunde später vergnügte sich Vesta im protzig ausgestatteten Harem der Cassandra und badete in parfümiertem Wasser, das nach Jasmin duftete. Zwei Liebesdiener garantierten ihr höchste Lustgenüsse und massierten ihren verwöhnten Leib anschließend mit warmen, feuchten Tüchern und geschickten Händen und massierten warmes Öl in die geschmeidige Haut. Vesta schloss genießerisch die Augen.

Gleichzeitig badete auch ihre Schwester. Jedoch war das Pläsier dort eher auf der Seite der Priesterfrauen, die Aurora mit Hilfe von zwei kräftigen in Lederharnischen gekleideten Leibeigenen, in einen Zuber mit eiskaltem Wasser tauchten. Aurora schimpfte und wütete wie ein Rohrspatz, als sie wieder und wieder in das Eiswasser getaucht und untergetunkt wurde. Sie schnappte nach Luft und prustete, quiekte und strampelte. Nach einer Weile stülpten die Gehilfen ein Gitter über den Rand, der nur an einer Seite eine Aussparung besaß, so dass Aurora lediglich ihren Kopf aus der Kälte heben konnte. Sie greinte und schrie und keifte Zeter und Mordio. Sie verwünschte den gesamten Maluskult. Und obwohl sie den starken Verdacht hegt, dass diese Fürsorge auf Geheiß ihrer Schwester geschehen war, wagte sie doch nicht, diese lauthals zu verfluchen. Sie war schließlich ihr letzter Strohhalm.

Nach dem unfreiwilligen Bad warfen die Wachen Aurora wieder in ihrer Zelle. Zitternd vor Kälte bibberte sie, dass ihre Ketten rasselten, und klackte mit den Zähnen. Ihre weiße Haut war rot. Ihr Magen knurrte vor Hunger. Warum musste sie noch eine weitere endlose Nacht in dieser Hölle zubringen? Warum holte sie Vesta erst am Morgen? Holte sie sie überhaupt? Die Ungewissheit war grausam. Aurora sehnte sich nach einer warmen Decke. Es musste kein Hermelinpelz sein, keine Seide oder Samt. Eine einfache fadenscheinige Decke aus Flicklappen würde ihr reichen. Und vielleicht ein kleines Feuer. Oder ein Becher mit heißer Brühe. Aber diese Gnade erwies ihr niemand. Einsam und frierend bis in die Knochen kauerte sie in ihrem Kerker und glotzte gegen die dunkle Steinmauer, grämte sich in Herzeleid und heulte auf wie ein waidwundes Tier.

Vesta hatte ein bauschiges Seidenkleid mit Brokatrand angelegt und schob sich ein Diamantdiadem in ihr Haar. Sie blickte aus dem hohen Fenster eines Gemachs, welches sonst nur der Königin Cassandra vorenthalten war, und beobachtete, wie auf einem penibel gepflegten Rasen einige Palastwächterinnen sich die Zeit mit einem Sklavenlauf vertrieben: Vier Leibeigenen hatten sie jeweils eine steinerne Kugel zwischen die Beine gehängt und eine Spreizstange an die Füße geschlossen. Sie ergötzte sich an dem Anblick. Zwar konnte sie aus der Entfernung nicht genau erkennen, woran die Kugelgewichte hingen, aber sie ahnte es und erinnerte sich schmunzelnd an den Sklaven im Tempel der Maluspriesterinnen. Es war wohl zurzeit in Mode, das zweibeinige Vieh auf diese Weise zu trainieren. Die Palastwachen trieben die Läufer mit spitzen Piken an; eine holte immer wieder mit einer mehrschweifigen Riemenpeitsche aus. Vesta griff nach einer Silberschale, die mit delikaten Himbeertörtchen drapiert war, und stopfte sich eine der süßen Schlemmereien in den kleinen Mund. Ihr voller Erdbeermund konkurrierte dabei mit dem Rot der Himbeeren.

Draußen klatschte die schwarze Peitsche. Die schrillen Ausrufe der Läufer ließen nur raten, ob diese Laute durch die Piken im Sitzfleisch oder die schwingenden und zerrenden Kugeln bewirkt wurden. Da erschien eine dickbackige Bedienstete und erlaubte sich die Frage nach Vestas Begehr für die Abendtafel. Sie zählte einige Vorschläge auf: „Gänseleber, gebackene Ente, Fasan und Wildschweinleber mit Pfifferlingen? Oder lieber Hummer in einem Limonensorbet? Dazu Steinbuttfilet in gestoßenem Pfeffer und Kräuterbutter? Langusten mit Trüffelsahne? Auberginenauflauf mit Safran? Rehrücken mit Preiselbeerengelee und Rotweinsauce? Perlhuhnbrust mit Apfelrotkrautstrudel? Als Dessert eine Vanillecreme und Schokoladentropfen in…“ Vesta winkte genervt ab. „Ja! Richte Sie alles an! Und die Obstschalen und Käseplatte nicht vergessen! Und ich will einen heißen und gut gezuckerten Kakao. Und zum Essen natürlich den besten Rebensaft, den Sie in Cassandras Weinkeller findet. Los, los! Mir läuft schon das Wasser im Mund zusammen. Sage Sie dem Koch, dass das Bankett in einer Stunde parat steht. Sonst darf er alles selbst auffressen – aus einem Schweinetrog!“

Die Bedienstete sauste pikiert davon, nachdem sie sich demütig verneigt und rückwärts den Raum verlassen hatte. Vesta hatte im Grunde genommen keinen Appetit auf die dicken Fleischscheiben und allerlei opulenten anderen Delikatessen. Gelangweilt nahm sie sich einen Seidenfächer und wedelte sich ein wenig Luft zu, dann griff sie nach einem Kristall-Flakon und tupfte sich Duftwasser ins Dekolleté. Aromen von Rosenblättern und Sandelholz waberten durch das Gemach. Vermutlich würde sie die kulinarischen Köstlichkeiten verschmähen. Sollte sich der Hofstaat daran völlen bis Kleider und Gürtel rissen. Auch der Gedanke, dass in der Küche absichtlich magere Sklaven arbeiten mussten, die großen Hunger darben, erfreute sie heute nicht. Sie hatte andere Gedanken, als sich dem Festbankett zu widmen. Aurora! Sie würde ihr den Griff nach der Macht nicht konterkarieren. Ihr geliebtes Schwesterlein würde brav ihr feines Schicksal im Kerker erdulden. Vesta lachte glucksend auf, als sie sich das Bild ihrer rasierten kahlköpfigen Schwester in Erinnerung rief. Was ein überaus lieblicher Anblick!







244. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 24.12.22 13:39

Anonymos wachte mit pochendem Herzen auf. Was waren das für verräterische Geräusche? Räubervolk? Diebe? Gesindel? Er tastete nach dem Dolch, den er neben dem Bett positioniert hatte. „Insidia“, flüsterte er und streckte den Arm aus, um seine Gefährtin zu wecken, aber… Er griff ins Leere. Wo war sie denn? Machte sie den Lärm? Er stand auf und brannte ein Zündholz an, ließ eine Kerze aufflammen und bewegte sich langsam zur Tür des Schlafraumes. Schritte auf dem Holzboden. Nicht schleichend – eher polternd und laut. Wer wagte es? Insidia trug keine Stiefel, die solchen Krach machten. Anonymos drückte die Tür mit dem Ellenbogen auf, in der einen Hand die Kerze, in der anderen den Dolch. Ein Eindringling konnte was erleben! Schließlich war er in einem anderen Leben als Zelos ein Elitegardist gewesen! Er bewegte sich in den Flur, und unter sich knarrten die Dielen. Kein Laut war sonst mehr zu hören. Angestrengt lauschte er in die nächtliche Stille. Schlagartig verlosch die Kerze, als sei sie ausgeblasen worden. Er spürte einen dumpfen Schlag auf seinem Kopf, doch dann war da nur noch Schwärze. Den harten Aufprall am Boden merkte er schon nicht mehr.

Als er mit dröhnendem Kopfweh erwachte, lagen seine Handgelenke in Eisenschlaufen an Gitterstäben neben seiner Hüfte; nackt bis auf einen Keuschheitsgürtel saß er in dieser erzwungenen Haltung auf dem Boden eines Käfigs. Was war geschehen? Anonymos sah sich um. In der Nähe unterhielten sich zwei Weiber. „Acht Silbermünzen. Ein Schnäppchen! Ein Geschenk der Alten Götter! Heute ist unser Glückstag!“ Sie trugen Reithose, Stiefel und Kurzmantel über einem engen Lederwams mit blanken Zinnknöpfen. An ihren Gürteln, die mit Perlmuttscheiben geschmückt waren, steckten Dolche und Gerten aus geflochtenem Leder. War er etwa an Sklavenhändlerinnen geraten? Wohin würde ihn das Schicksal treiben? Als die Frauen bemerkten, dass ihr „Fang“ wach geworden war, näherten sie sich wohlgefällig. „Sieh an! Anonymos hat seinen Schönheitsschlaf beendet und gewährt uns seine gnädige Aufmerksamkeit.“ Der Gefangene war verdutzt. „Woher kennt Ihr meinen Namen? Lasst mich sofort hier raus! Ich bin kein Vogelfreier! Ich gehöre Insidia. Man hat mich überfallen und…“ Eine der Frauen trat mit ihrem Stiefel scheppernd gegen den Käfig. „Schweig still, du Wurm!“, rief sie mit scharfer Zunge. Dann leuchtete wieder ein Lächeln auf. „Deine Insidia ist deiner überdrüssig geworden und hat dich verschwerbelt.“

Anonymos öffnete den Mund vor Schrecken. „Das ist nicht wahr!“, behauptete er. „Ihr webt ein Lügennetz. Niemals würde sie…“ Die Frau unterbrach ihn erneut. Dieses Mal schlug sie mit der Gerte auf den Käfig, so dass der Insasse unwillkürlich den Kopf einzog. „Seit die Männergesetze verschärft worden sind, hat Insidia ihr Geschäft gegen eine lukrativere Tätigkeit eingetauscht. Und dich gleich mit“, lachte sie. Anonymos protestierte: „Das darf sie nicht! Das ist… Ihr könnt mich nicht einfach… Wo ist sie?“ Die Sklavenhändlerinnen antworteten nicht. Sie verließen den Raum, der wie ein Lager aussah. Anonymos schrie: „Wo ist sie? Wo ist Insidia! Ich will sofort hier raus! Und gebt mir den Schlüssel zu diesem vermaledeiten Keuschheitsgürtel! Ich werde mich fürchterlich rächen! Ich werde…“ Da kehrte eine der Frauen zurück und beugte sich über ihn. Langsam ließ sie ihren Speichel auf Anonymos Gesicht tropfen. Dann sagte sie in herzinnigstem Tonfall: „Hüte deine Zunge, Sklave! Mein Dolch ist scharf. Du brauchst keine Sorge zu haben, dass du in irgendeiner unbedeutenden Mine oder auf einer Plantage schuften musst. Wir haben mit dir etwas ganz Feines vor.“

Der Gefangene schluckte trocken. Sollte er etwa in ein Minnehaus im Osten gesteckt werden? Von dem berühmtesten Bordell hatte er gehört: Hydra, ein grausames Weib, besaß für gewisse Dienste mehrere Dutzend Liebessklaven, die den weiblichen Gästen jeden Wunsch zu erfüllen hatten, sei er noch so abartig. Die Sklavenhändlerin schritt zurück zur Tür. „Gräme dich nicht. Weiber haben ihre Ehesklaven schon für weniger verkauft.“ Zum Abschied winkte sie ihm geziert. „Bis später, Zelos.“ Anonymos sah, wie sich die Tür schloss und sich sein Herz verdunkelte. Murmelnd zerrte er an den restriktiven Eisenschlaufen. Wenigstens einen Lendenschurz hätten sie ihm lassen können! Und plötzlich brach ihm Angstschweiß aus und sein Herz pochte wie wild gegen seine Rippen. Zelos? Woher kannten sie seinen wahren Namen? Sein Antlitz war längst blass wie geronnene Milch und mit einem Mal schwoll er vor Zagen und Bangen über, während sein sonst so festes Kinn bebte.

Nur wenige Wegstunden weit außerhalb des ehemaligen Stadtstaats bauten und schufteten Kolonnen von Arbeitssklaven an den Kriegsmaschinen für die cassandrischen Verbände. Viavir war einer von ihnen und schulterte mit 15 Gleichgesinnten einen langen Eisenträger, der zu einem Schmelzofen getragen werden sollte. Die Anstrengung und der beißende Qualm brachten die Niederen an ihre Grenzen, die von den Aufseherinnen dank ihrer Geißeln in dem wuselnden Treiben Stück für Stück verschoben wurden. Eine junge Einpeitscherin, die noch nicht lange dabei war, staunte. „Was so ein paar Striemen bewirken! Die Sklaven haben die verhängnisvolle Tendenz, sich zu unterschätzen.“ Eine andere lachte. „Was glaubst du!? Ich habe schon so manchen Faulpelz wieder auf die Beine gebracht. Und wenn die Geißel nicht wirkt… Ein fester Griff um die Glocken der Kreaturen hilft fast allen wieder auf.“ Allgemeines Gelächter erscholl. In der Tat hatte solch Kraftgriff schon mehrmals Wunder bewirkt und den Trieb zum Gehorsam hervorgekitzelt.

Doch endlich durften Viavir und fünf weitere Leibeigene eine Pause einlegen. Sofort wurden sie ausgetauscht gegen schmutzige Sklaven, die trotz ihrer Ruhepause ausgelaugt und erschöpft wirkten. Einige Soldatinnen verbanden das Halseisen von Viavir und den anderen mit einer langen Kette und zogen die sechs Gestalten rasselnd hinter einem Streitross her im schneidigen Trab zur Seite zu einer Baracke, wo sie eingeschlossen wurden. Müde und entkräftet fielen sie auf altes Stroh. Ihr Tagewerk war vollbracht. Sie spürten jeden Muskel und jeden Knochen im Leib. Doch schon in wenigen Stunden nach einem unruhigen Schlaf würden sie erneut in die Geschirre gespannt werden. Im Hintergrund hörten sie, wie Hämmer auf Eisen krachten. Es war das Geräusch von Nägeln, die so lang wie eine Elle waren, und in massive Balken getrieben wurden. Nur durch eine Handspanne vom nächsten getrennt, lagen die Männer im Stroh und versuchten ein wenig zu Kräften zu kommen. Bevor er zwei Dutzend Eisenstangen geschleppt hatte, hatte Viavir selbst den Hammer geschwungen und mehrere Bund Nägel in Balken gestoßen. Allein die langen Eisenstifte hatten ein Gewicht von über hundert Lot, der Hammer wog fünfzehn Pfund.

Dabei wirkte er neben dem Werkzeug eines Trolls wie ein Fidibus, denn für einige Arbeiten hämmerten zwei Trolle im Wechsel, deren Schlaginstrumente jeweils ein Saum wog. Viavir hätte so ein Ungetüm nicht einen Zoll anheben, geschweige denn schwingen können. Ermattet schloss er die Augen. An sein Ohr drang, wie zwei Sklaven von geheimnisvollen Wesen aus dem Südland kolportierten. „Diese Krieger haben Waffen, die aussehen wie Sensen mit kurzen Griffen. Und ihre Rüstungen bestehen aus Hornplatten irgendwelcher wilden gepanzerten Tiere aus den Wüstenlanden. Diese Südkrieger haben schwarze Haut wie Ebenholz.“ Der andere Sklave, lang aufgeschossen und hager, stimmte zu. „Ja, das habe ich auch gehört. Und sie sind eine Art Mischwesen aus Mann und Weib.“ Viavir hörte, wie der andere erstaunt innehielt und etwas frug. Der andere Leibeigene fabulierte weiter. „Sie haben das Aussehen wie die Amazonen des Ostkontinents, aber trotzdem ist ihnen ein Gemächt, wie das eines Recken gegeben.“ Mehr erfuhr Viavir nicht mehr, denn war eingeschlafen. Über ihm funkelte die Sternenpracht. Doch für solch Schönheiten waren seine Augen blind.

Der Schlummernde wurde von einem saftigen Tritt in die Rippen geweckt. Der schwere Stiefel, der ihn so unsanft geweckt hatte, gehörte einer Aufseherin. „Los! Wird´s bald? Oder sollen dich deine Kameraden am Halseisen rausziehen?“ Viavir stolperte hoch und bewegte sich eng mit den Leidensgenossen seiner Arbeitskolonne, damit der Zug der Kette nicht unangenehm an seinem Hals zerrte. Jäh stoppte die Gruppe, weil die Aufseherin anhielt. Eine Frau ritt auf einem Rappen herbei und überreichte eine Rolle mit einem roten Wachssiegel. „Unterzeichnet das! Ich bringe zwei Dutzend neue Sklaven.“ Die Truppenanführerin nahm die Rolle entgegen, zog sie auf und las. Dann kontrollierte sie die Anzahl der nackten Männer, die an einer Gemächtkette aneinander gebunden waren. Sie zählte 24 Exemplare. Die Reiterin war eine Sklavenhändlerin aus dem Osten und saß nun ab, um aus ihrer Satteltasche einen Federkiel und ein kleines Tintenfässchen zu holen, mit dem die Aufseherin unterzeichnen sollte.

Die Kauffrau trug schwarze Stiefel, die nicht ganz so hoch waren, wie die der Aufseherin. Der Schaft endete am Bund einer Kniehose. Das Weib trug ein weißes Rüschenhemd unter einer Brokatjacke mit breiter Goldborte und einem Stehkragen. Über der Jacke kreuzten sich zwei Bandoliere, breite Ledergürtel, die über die Schulter getragen wurden. Daran hatte die Händlerin einen Dolch, und etliche kleine, kurze Pfeile befestigt. Interessiert sah die Aufseherin auf die ungewöhnliche Ausrüstung und wunderte sich darüber. Die Reiterin stieg wieder auf ihren Rappen. Sie hatte den fragenden Blick bemerkt und holte an der Seite des Sattels ein langes, dünnes Rohr hervor. Mit süffisanter Stimme erklärte sie: „Sollte eine Kreatur wild werden oder weglaufen, bekommt sie einen Pfeil in den Arsch.“ Die Sklavenwächterin besah sich das Rohr und die kleinen Pfeile. Eine Frage schwebte auf ihren Lippen. Dann grinste sie. „Damit könnt ihr höchstens ein Eichhörnchen erbeuten. Ein kräftiger Sklave wird Euch auslachen!“ Eine steile Falte auf der Stirn der Händlerin zeugte von Unmut. „Ach? Bringt mir Euren stärksten Zweibeiner herbei!“

Die Wachfrau nahm Zeigefinger und Daumen in den Mund und pfiff schrill. Sofort trabten fünf Kampfsklaven in ihren Ledergeschirren und Schienbeinpanzern herbei. Sie hätten das Weib um mindestens einen Kopf überragt, fielen vor ihm aber augenblicklich auf die Knie. „Sucht Euch einen aus, den ihr kitzeln wollt mit Eurem Spielzeug“, bot die Frau großzügig an und breitete einen Arm aus, um die Auswahl an ihren Versuchskaninchen zu präsentieren. Die Reiterin zeigte auf den muskulösesten Kerl, der wahrhaftig 250 Pfund auf die Waage brachte und scheinbar nur aus Kraft und Muskeln bestand. Seine Nase war mit einem großen Metallreif beringt. Die Händlerin rief: „Hör zu, Kerl! Wenn du es schaffst, zu dem Holzgerüst dort vorne zu laufen und dann bis zu mir zurückzukehren, so sollst du vor deinem Keuschheitsgürtel für unbestimmte Zeit gefeit sein.“ Die Aufpasserin sah skeptisch zu der Händlerin. Ein Kampfsklave ohne Keuschheitshose? Das würde Neid und Eifersucht unter den Kriegern hervorrufen. Sie wollte schon dagegen sprechen, aber der Kampfsklave lief lachend und siegesgewiss los. Die Handelsfrau lächelte. „Beruhigt Euch“, sagte sie zu der Soldatin. „Es wird ihm nicht gelingen.“

Die Wächterin zweifelt noch sehr an dem Unterfangen, was immer diese Reiterin mit ihrem zwergenhaften Blasröhrchen vorhatte, sah dem Hünen nach und frug sich schon, wie sie das der Centuria erklären sollte. Kaum am Gerüst angekommen, wollte der Sklave sich gerade umdrehen, um zurückzulaufen, da zischte ein kleines Pfeilchen durch die Luft und piekste in die rechte Hinterbacke des Mannes. Der spürte es kaum, zog den Pfeil nur lachend ab, hielt ihn hoch, warf ihn zur Seite und kam näher. Die Aufseherin grunzte abschätzig. „Da seht Ihr, was Eure Wunderwaffe bewirkt.“ Sie hatte den Satz gerade beendet, da öffnete sich ihr Mund vor Erstaunen weit, denn der Koloss von Mann wankte, stolperte und strauchelte schließlich, so dass er in den Staub fiel, als habe ein dicker Armbrustbolzen sein Herz durchbohrt. Er raffte sich mühevoll halb auf, aber fiel gleich wieder der Länge nach zu Boden und blieb daselbst endgültig liegen wie ein nasser Sack Getreide. Seine Augen schielten. Verwundert sah die Wächterin die Kauffrau an, die grinste. „Eine Substanz, aus einem Tier gewonnen“, erklärte sie lapidar. „Die Rezeptur ist geheim.“

Die Überraschte schritt zu dem Kampfsklaven und befahl ihm streng, aufzustehen. Der Leibeigene war noch bei Bewusstsein, konnte aber kaum die Glieder bewegen. Als die Soldatin die Gerte zog und auf den Liegenden einpeitschte, sagte die Händlerin: „Peitscht nur! Ihr werdet ihn nicht zum Stehen bringen. Das Mittel wirkt etwa eine Stunde lang. Danach wird ihm ein wenig übel sein. Vielleicht hat er auch ein wenig Schädelgrimmen. Aber in einigen Stunden ist er wieder frisch voller Kraft, einem Jungbullen gleich.“ Die Aufseherin nickte fassungslos und steckte die Ledergerte in ihren breiten Gürtel. Dann winkte sie die vier anderen Kampfsklaven herbei und befahl ihnen, das neue Sklavenmaterial der Händlerin mit Halseisen auszustatten. Die Gemächtkette war während der Arbeiten an den Essen zu hinderlich.

Des Weiteren erhielten die zwei Dutzend Novizen jeweils ein Brandeisen mit einer Nummer auf das Gesäß. Dazu wurden sie nacheinander über ein liegendes Fass gebeugt und mit Hanfschlingen an Hand- und Fußgelenken fixiert. Ein Knebel dämpfte das Brüllen der Wehleidigen. Genüsslich drückte eine Soldatin den heißen Metallstempel in das Sitzfleisch der Männer. Hundert Leibeigene bildeten eine Truppenrotte. Diese war die 17. Einheit. Zischend und dampfend zeugte das frische Mal von der glühenden Hitze. Die meisten der Sklaven brüllten widerwillig auf, wenn sie das Eisen traf, manche Hartgesottenen grunzten nur unterdrückt. Ein Kampfsklave schöpfte unentwegt kaltes Brackwasser aus einem großen Zuber und schüttete es über die frisch Markierten. Ein zweiter Krieger band den Neuling ab und brachte ihn zu den anderen. Im Eiltempo kam und ging der nächste Leibeigene.

Einer der Neuen fiel durch eine vergleichsweise helle Haut auf. Auf dem Feld hatte der noch nie gearbeitet, überlegte die Soldatin. War ein Hausdiener seiner Herrin überdrüssig geworden? Oder stammte der Mann aus einem Harem? Die Neugierde hatte sie gepackt. Darob frug sie den Sklaven, als er festgebunden über dem Fass lag. „Sag, woher stammst du?“ Der Kerl brummte widerwillig. Dann fletschte er die Zähne und sprach durch sie hindurch: „Zelos! Ich war Oberster Gardist der Leda. Wenn Ihr mich losbindet, erzähle ich Euch von den Schwachpunkten im Grenzwall.“ Die Soldatin stutzte einen Lidschlag lang. Doch dann lachte sie laut und dreckig. Sie hatte schon so manche Geschichte gehört. Gefangene erfanden alle möglichen Märchen, um ihre Freiheit oder zumindest einen kleinen Vorteil zu erlangen. Doch so eine Dreistigkeit war schon selten und würde wenig ersprießlich sein. Sie knebelte ihn und griff nach dem glühenden Brandeisen. Eigentlich waren bereits die Sklavenhändlerinnen Zelos auf die Spur gekommen. Allerdings hatten sie Insidia die Geschichte nicht geglaubt und den angeblichen Anonymos nur verspottet, als sie ihn Zelos nannten. Doch davon wusste die Soldatin nichts.

Irgendein Bauchgefühl sagte ihr, dass etwas Wahres an dieser Behauptung dran sein könnte. Doch die Vernunft und Erfahrung sprachen das Gegenteil. Also drückte sie ihm herzhaft das Eisen gegen die Hinterbacke und grinste, als der vermeintliche Zelos sich aufzubäumen versuchte und grimmig in seinen Knebel fluchte, als es zischend qualmte. Im nächsten Moment traf ihn ein Schwall salziges Brackwasser, und der Gebundene jaulte auf. Ein mit Muskeln bepackter Krieger mit dunkler Haut und großem Nasenring löste die Schlingen und zerrte ihn zu der Stelle, wo die Halseisen montiert wurden.

Eine Reiterpatrouille trabte in der Nähe vorbei. Jeweils zwei Gerüstete ritten nebeneinander. Die beiden letzten Rösser schleiften eine Art Stellage hinter sich her, auf der ein Kampfsklave gebunden war, der hatte desertieren wollen. Die Schwadron hielt bei einer Befehlshaberin an, die in ihren hüfthohen Stiefeln zu dem Unglücklichen schritt, der splitternackt mit ausgebreiteten Armen und Beinen an dem Gerüst festgebunden war. „Da haben wir ja diesen dummdreisten Ausreißer!“ Sie spuckte ihm ins Gesicht. Die Centuria trug ein Lederbustier und ein enges Obergewand, das mit dicken Stickereien verziert war; die Hose war eng geschnitten und steckte in den hohen Stiefeln. Ihr fester Kragen, der ihren Hals fast komplett verdeckte, glänzte wie mit Gold durchwebt. „Wir haben keine Zeit für viel Brimborium“, monierte die Centuria garstig. „Zieht ihn den Mast hoch, damit ihn alle sehen und bestaunen können!“

So bitter, wie dem Sklaven die forsch vorgebrachten Worte schmeckten, so honigsüß klangen sie in den Ohren der Soldatinnen, die sich über den kurzweiligen Spaß freuten.
Bald schon zogen fünf Arbeitssklaven den Delinquenten hinauf bis zur Spitze des Mastes in 20 Schritt Höhe. Ein dickes Seil war dem Flüchtigen um Hand- und Fußgelenke gebunden. Sein Kopf bewegte sich panisch umher. Was war, wenn die Zugsklaven das Seil losließen? Oder wenn er hier oben unter der brennenden Sonne sein Leben aushauchen sollte!?

Auch eine ranghohe Duxa besah sich das Schauspiel und beschattete ihre Hand, um hinauf zu dem Nackten zu blicken. Schließlich trieb sie ihren Falben mit einem Schenkeldruck an und näherte sich der Brandeisenstation. Sie hörte, wie ein Leibeigener schrie: „Ihr werdet es noch bereuen, dass Ihr mich nicht angehört habt!“ Die Duxa kam näher und hob abwehrend die Hand, als eine Soldatin auf den brüllenden Mann einprügeln wollte. „Wartet! Was will dieses Lumpenpack?“ Die Soldatin entschuldigte sich bei der Duxa für den Krach und erklärte kurz: „Dieser Neuling meint, er habe bedeutsames Wissen über die Wehrmauern Ledaniens. Aber schon viele Narren haben fantasiert, um eine Vergünstigung zu bekommen. Verzeiht das Gezeter. Ich werde den Sklaven zu zähmen wissen und hart bestrafen. Vielleicht sollten wir ihn zu dem Deserteur hängen, damit sie sich gegenseitig Märchen erzählen können und…“ Die Duxa unterbrach: „Kettet ihn von den anderen ab und führt ihn zu mir!“












245. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 26.12.22 13:30

Die Soldatin zeigte eine frappante Miene und gab kurze Handzeichen. Sofort eilten mehrere Kampfsklaven in ihren Rüstungen herbei und lösten Zelos aus der Truppe. Die Soldatin beschwor die Offizierin: „Glaubt mir, Hohe Duxa, es ist ein Vabanquespiel, diesem Sklavenabschaum zu glauben. Es wird Euch schier jede Mär erzählen, wenn…“ Erneut hob die Hochrangige ihre Hand. „Ich will wissen, was der Mann zu sagen hat! Mein Gefühl sagt mir, er könnte uns zu Nutzen sein.“ Die Untergebene salutierte und ließ Zelos von den Kampfsklaven herbeizerren. Die Duxa befahl: „In mein Zelt mit ihm! An einen Pfosten. Dann lasst mich allein mit ihm!“ Sie fühlte sich schon als berühmte und geehrte Siegerin. Sie vernahm in ihrem Kopf bereits die Fanfaren und Posaunen zum Sturm blasen. Sie sah schon die Wehrmauer, wie die cassandrischen Truppen eine Bresche schlugen, wie sie einstürzte, Stein um Stein, wie Leda fiel…

Bald darauf stand Zelos mit auf dem Rücken gefesselten Armen an dem Mittelpfosten eines Zeltes der Offizierin. Die Duxa legte einen Teil ihrer Uniform, ein schweres Kettenhemd, ab. Dann stellte sie sich genau vor den Gefangenen. Ihre engen feinen Beinkleider ließen ihre wundervollen weiblichen Kurven mehr als nur erahnen. Zelos sah sie fast lüstern an, doch die Offizierin schien dies nicht zu bemerken oder interessierte sich nicht dafür. Sie klatschte in die Hände. Eine Soldatin erschien und salutierte zackig. Die Befehlshaberin orderte Brot mit Griebenwurst und einen Krug Dünnbier. Zelos lief das Wasser im trockenen Mund zusammen. Und er konnte sein Glück kaum glauben, als die Duxa ihm eine Hand befreite und ihn mit dem gebrachten Gaumenreiz versorgte. „Und nun sprich!“, forderte sie ihn mit einem fast galanten Tonfall auf. „Was weißt du über die Wehrmauern des Feindes?“

Auf einem nahen Flusslauf legte ein halbes Dutzend Treidelschiffe an. Die Zugsklaven in ihren Geschirren waren nassgeschwitzt. Ihre Hinterseiten waren mit roten Striemen bedeckt – der Tribut für ihre Faulheit. Soldatinnen schnallten die ausgelauchten Leibeigenen aus den Geschirren und erlösten sie von den Ketten. Durstig eilten die Sklaven zum Fluss und soffen gierig das erquickende Wasser. Schon trabte eine lange Kolonne Arbeitssklaven herbei, die die Fracht der Kähne auf die Schultern hievten oder auf Transportkarren hoben. Kurz nach der Entladung waren die schuftenden Kreaturen wieder auf dem Weg zur neuen Festung der cassandrischen Angriffsverbände,um die dringend erwarteten Waren abzuliefern. Die trinkenden Treidelsklaven wurden erbarmungslos von den Aufseherinnen vom Fluss weggepeitscht und in Reih und Glied gezwungen, wo sie ihre schweren Geschirre wieder anlegen mussten. Mit knurrenden Mägen stand ihnen noch der ewig lange Rückweg bis zum ehemaligen Stadtstaat der Helena bevor, denn die Kähne sollten wieder beladen werden.

Zwar waren die nun leeren Schiffe leichter, und sie mussten nur noch mit der Strömung gehen, doch hieß es nun, den Kahn zu bremsen und auf der Mitte der Wasserader zu halten. Die Besitzerin der Schiffe saß in ihrer Kabine und zählte die Münzen, die sie mit dem Transport verdient hatte. Ein trefflich Geschäft, freute sie sich, denn die Sklaveneinheiten waren günstig, die Gewinnspannen hoch, und je schwerer sie ihr Boot belud, desto mehr würde sie einnehmen. Sie steckte die Münzen allesamt in eine Schatulle und verschloss sie mit einem massiven Vorhängeschloss. Anschließend kam sie an Deck und schaute, ganz die mondäne Dame, die sie war, umher und gab ein Zeichen, damit die Treidelsklaven zur Eile angetrieben wurden. Die Kähne schwammen jetzt mit der Strömung, und die Leibeigenen marschierten so schnell, dass die meisten immer wieder in einen Laufschritt verfielen.

Die Kapitänin stellte lässig einen Fuß auf die niedrige Reling des Kahns und betrachtete ihre Zugsklaven. Einer von ihnen schien ihr auf eine lustvolle Art zu gefallen. Sie winkte einer Reiterin zu und gab ihr ein entsprechendes Zeichen. Die Treidelsklaven hielten an. Eine Reiterin kettete den erwählten Leibeigenen aus dem Zaumzeug und flüsterte ihm zu: „Gratuliere! An dir hat deine Herrin Gefallen gefunden.“ Mit Wucht warf die Reiterin eine lange Kette bis an Bord des Kahns, wo die Sklavenhändlerin diese einhakte. Das andere Ende war um das Halseisen des Mannes gebunden. „Schwimm an Bord!“, befahl die Reiterin dem Leibeigenen. „Wenn du dich als geschickt erweist, so wirst du eine angenehme Rückreise haben. Anderenfalls…“ Sie sah ihn kalt wie eine Hundeschnauze an und rümpfte die Nase. Der Rest ihrer Worte blieb unenthüllt. Dann wurde der Treidelpulk wieder in Bewegung gesetzt. Schon sprang der Mann ins Wasser.

Der Sklave schwamm auf den Kahn zu. Die schwere Kette ließ ihn fast untergehen, aber dann erreichte er schwer atmend die Reling und versuchte an Bord zu gelangen. Mehrere Versuche misslangen ihm, doch dann kletterte er hinauf an Deck. Doch wo war die Kapitänin? Tropfend sah er sich an Deck um, das, aller Fracht entledigt, einen leeren Eindruck machte. Der Leibeigene näherte sich der Kajütentür. Die Kette war lang genug, dass er hineingelangen konnte. Er schob vorsichtig einen Gazestoff zur Seite und betrat den kühlen Innenraum. Welche Wohltat hier im Schatten zu stehen. Die Luft roch leicht nach Rosenblüten. Die Kette schleifte er scheppernd hinter sich her über die Bohlen. Er zog sie näher zu sich, damit das schwere Eisen nicht so sehr an seinem Halsband zerrte. „Herrin?“, frug er in den Raum hinein, weil ihm sonst nichts anderes einfiel. Links von ihm stand ein Tischchen mit einer Obstschale und einem dekorativen Füllhorn. Ihm lief das Wasser im Mund zusammen. Neben der Schale stand ein Glaskrug mit Wasser. „Komm nur“, rief eine Stimme vom anderen Ende der großzügigen Kajüte.

Hinter einem dunkelgrünen Samtvorhang bewegte sich etwas. Der Sklave trat darauf zu. Das Ende der Kette schleifte hinter ihm her. Der Leibeigene bemerkte, wie das nasse Eisen eine schmutzige Spur auf dem sauberen Dielenboden hinterließ. Da teilte sich der Vorhang und die Kapitänin erschien: Der Mann sah schuldbewusst auf die Dreckspur, doch die Kapitänin winkte lässig ab, als sie die ängstlichen und unsicheren Blicke des Leibeigenen las. „Gräme dich nicht wegen der Abdrucke. Komm näher!“ Der Sklave gehorchte vorsichtig, doch seine Angst war nur ein wenig verblichen. Bald stand er vor der Frau, die so ganz anders aussah, als von Land aus betrachtet. Sie trug keine Straßenkleidung mehr, keinen leichten Waffenrock, keine Reiterhosen, keine Stulpenstiefel, keinen Dreizack aus Filz auf dem Kopf. Nun schmückte ihren Körper lediglich ein leichtes Kleidchen aus edelstem Zwirn. Der Sklave kannte das glänzende Material nicht. War es wohl gar Seide? Er wusste es nicht. Aber seine Gedanken kreisten nur noch um die wundervoll wohlgestaltige Dame und den Rosenduft, den ihre makellose Haut verströmte.

Die Kapitänin reichte ihrem Besuch ein flauschiges Tuch, damit er sich damit abtrocknen konnte. Bis auf einen Lendenschurz und seinen Keuschheitsgürtel, der darunter verborgen war, trug er nichts auf dem Leib. Die Schiffseignerin kam auf ihn zu und strich sanft über seine Kurven: die Schultern, den Oberarm, dann die Brustmuskeln, den flachen Bauch, schließlich das Gesäß. Der Sklave zuckte leicht. Die Frau schmunzelte. Sie trug eine Goldkette, die sie aus ihrem Ausschnitt holte und einen Schlüssel daran präsentierte. Der nasse Besucher war starr vor Aufregung, als die Kapitänin sich vor ihn kniete und den Keuschheitsgürtel öffnete. Auch den Lendenschurz nahm sie ihrem Gast ab. Der Mann spürte, wie sein Luststab wuchs. Er konnte nichts dagegen tun und sein Kopf erblühte puterrot vor Scham, die Wimpern über seine Augen gesenkt. Geziemte sich so ein Verhalten vor einer Dame? Vor seiner Besitzerin? Angst und Anspannung rissen an seinem Leib. Wie würde die Gebieterin darauf reagieren?

Plötzlich spürte er ihre zarten Finger an seiner Männlichkeit, die pulsierte und lebhaft die Berührungen quittierte. Ungewollt stöhnte der Leibeigene auf. Und dann fühlte er, wie sich etwas Feuchtes, Enges um sein Lustfleisch schob, den Schaft hinauf wanderte und daran saugte. Er wagte es nicht, die Augen aufzumachen, denn er konnte nicht glauben, dass er nicht träumte. Seine Lust und sein Begehren in seinen Lenden glühten wie Feuer, und ebenso heiß war die Röte, die sich über sein Gesicht ergoss. Die Kapitänin tauchte wieder auf, drückte ihn mit seltsamem Blick auf einen Diwan und setzte sich mit ihrem Schoß auf seine Lenden. Der Mann stöhnte leidenschaftlich trunken vom Rausch der Sinne, und der junge Busen vor seinen Augen hob und senkte sich im Takt der Liebe, während draußen die Peitschen einen ähnlicher Takt vorgaben, wenn sie auf die Sklaven klatschten.

Nur wenige Meilen entfernt: Zelos verriet alle Geheimnisse der ledanischen Burganlage und der Wehrmauern, geheime Zugänge, Schwachpunkte des Bollwerkes und vieles mehr, was er über Ledas Verteidigung wusste. Sein Treueschwur seiner Königin gegenüber war der Nacht des Vergessens anheimgefallen. Die Duxa jauchzte vor sich hin, als sie den Verräter wieder hatte abführen lassen. „Wenn dieser Sklave freimütig die Wahrheit gesagt hat, und er wirklich der ehemalige Oberste Gardist der Leda ist, dann böte dies die Gelegenheit mit dem nächsten Sturmangriff nach Ledanien einzudringen und bald darauf auch die Festung dieser Enklave dem Erdboden gleichzumachen!“ Die Offizierin lief auf dem schnellsten Weg zum nahen Kastell, um die Kunde der hochwürdigen Hohepriesterin Tagara, der sie unterstellt war, mitzuteilen. Sie versprach sich eine hohe Belohnung für ihre wertvollen Erkenntnisse. Die Imperatorin Cassandra würde sie mit Gold überschütten. Zwischendurch schlichen allerdings Zweifel in ihr Herz. Was wäre, wenn dieser Zelos seine Geschichte nur erfunden hatte? Nein, rümpfte sie ihr Näschen, das würde kein Kerl wagen. So töricht konnte selbst ein frischer Arbeitssklave nicht sein. Er hatte zu viele Details gewusst.

Sie preschte im Galopp auf ihrem Schimmel zum Tor der Kriegsfestung und begehrte Einlass. Die gewaltige Holzpforte aus schweren, dicken Eichenbohlen öffnete sich knarrend. Von außen war sie mit mächtigen Eisendornen besetzt. Um das riesige Tor zu bewegen, mussten je Seite fünf Sklaven kräftig eine massive Kette aufdrehen. Die Duxa ritt beinahe einen Kampfsklaven um, der als Posten im Hof wachte, sprang vom Pferd und hastete durch einen langen Korridor, um zügig zur Hohepriesterin vorgelassen zu werden. Ihre ledernen Beinkleider klebten an ihren Schenkeln, denn die Sonne brannte unerlässlich und erbarmungslos fast senkrecht vom Himmel. Die Kühle in dem Kastell war angenehm, aber die Duxa war auch vor Aufregung erhitzt. Sie musste ihre wertvollen Neuigkeiten so geschwind wie möglich loswerden. Sie rempelte zwei Dienstboten um, die sich beflissen entschuldigten und damit begannen, ein Tablett, mehrere Zinnbecher und eine Schale, die mit Nüssen und Rosinen gefüllt gewesen war, vom Boden aufzuklauben.

Die Offizierin kam nun an die Tür zu Tagaras Gemach. Zwei hünenhafte Kampfsklaven in genieteten Ledergeschirren standen vor dem hohen Eingang, Hellebarden in der Hand, die sie vor dem Türblatt kreuzten, als die Offizierin sich näherte. „Gebt der hochwürdigen Tagara Bescheid. Duxa Victoria möchte die Eminenza sprechen. Es ist von höchster Wichtigkeit!“ Einer der Wächter verschwand hinter der Tür. Wenige Lidschläge später erschien er wieder und winkte die Duxa herein. Die Offizierin folgte ihm durch das Vorzimmer und kam an einen Torbogen, dessen Pforte auf stand. Der Wächter stand stramm und sah zur Seite. Die Besucherin schritt vorbei und fand die Hohepriesterin voller Dignität auf einem prachtvollen Diwan liegen und von einer Schale Trauben naschen. Die Duxa verbeugte sich militärisch exakt und harrte darauf, dass sie das Wort erhielt. Tagara fläzte sich auf dem Möbel und erlaubte ihrem Gast mit einem gnädigen Nicken zu sprechen. Schon nach wenigen Worten erhob sich Tagaras Aufmerksamkeit aus einem Meer lässiger Selbstgefälligkeit. Die Hohepriesterin schien in die Höhe zu wachsen, denn ihr Rücken drückte sich vor Anspannung immer weiter durch.

Als die Duxa die Festung wieder verlassen hatte, um mit ihrem Schimmel ins nahe gelegene Kriegslager zurückzukehren, schmückte ihr Gesicht ein breites Lächeln. Orden, Gold und Beförderung zur Obersten Duxa sowie die Mitgliedschaft im Senat sollten ihr gewiss sein. Sie war so in ihre Vorstellungen vertieft, dass sie gar nicht die vier Sklaven links und rechts des Weges wahrnahm, die nackt und gepfählt auf einem dicken Pflock „saßen“, der nur eine vorbestimmte Tiefe in ihren Unterleib eintauchte, weil die Männer auf Fußtritten standen. Die Hände waren hinter dem Rücken gefesselt und mit einem Seil gen Boden gezogen, wo es verankert war. Vor den Pfählen waren Schilder aufgestellt: Eierdieb, Faulpelz, Lustmolch und Simulant waren die Bezeichnungen für die vier Verurteilten. Die Köpfe der Sünder hingen schlaff auf der Brust. Auch die Staubfahne des Gauls weckte sie nicht aus ihrem Halbschlaf der Erschöpfung und der andauernden Marter. Aber von Reisenden waren eh nur Spott, Gelächter oder Kieselwürfe zu erwarten. Trotzdem hofften die Bestraften noch immer, dass sie wieder erlöst wurden, bevor sie in die Unterwelt reisten. Zwar wohnte im Reich der Toten ebenfalls Erlösung von der Qual, doch eine bittere.

Als die Reiterin am Zeltlager neben den Arbeitsstätten mit den großen Essen anlangte und vom Ross stieg, fühlte sie wieder die drückende Hitze der Mittagsglut. Im flirrenden Glast des großen Feuerballs gewahrte sie seitlich von ihrem Zelt einige Steinwürfe entfernt zwei Soldatinnen, die eine Kreatur an den Handgelenken mit Seilen zwischen zwei Pflöcke gebunden hatten. Auch die Beine hatten sie mit Stricken gespreizt. An der Männlichkeit hingen zwei mehr als faustgroße Bronzeglocken, soweit die Offizierin dies aus der Ferne erkennen konnte – ein beliebtes Spiel der Soldatinnen, um störrische Sklaven zu bestrafen. Die Gerüsteten hatten jeder einen langen Weidenstock und geißelten damit abwechselnd das Gesäß des Delinquenten. Sobald die Glocken erklangen, wurde wieder von vorne begonnen. Aber für solch Pläsier hatte Duxa Victoria nun keine Zeit. Sie wollte mit einem Pokal Rotwein, für den sie einen Faible hatte, auf den kommenden Sieg anstoßen. Tagara hatte ihr aufgetragen, einen Sturmangriff auf die feindlichen Anlagen vorzubereiten. Ihre strahlenden Augen bekundeten die Vorfreude, die sie in selbstgerechtem Wohlbefinden befiel.

Während sie feuchtfröhlich das neue Lorbeerblatt an ihrem Ruhmeskranz feierte, und den um sie versammelten Centurias ihren Plan erläuterte, meldete sich eine Soldatin, die wissen wollte, was nun mit dem Sklaven Zelos zu geschehen habe. Victoria schnaubte anmaßend. „Lasst ihn die sengende Sonne begrüßen“, sagte sie in pathetischen Tonfall und widmete sich wieder den Uniformierten in ihrem Zelt. „Die sengende Sonne begrüßen“ - das war ein weiteres Vergnügen aus dem reichhaltigen Repertoire der im Flore stehenden cassandrischen Armee. Kurz nach dem Befehl wurde Zelos von vier Kampfsklaven abgeführt. Schreiend und geifernd rief er nach der Duxa, der er sich anvertraut hatte. Als die Wächter ihn verhöhnten und ihm aufzeigten, dass es gerade diese Duxa war, die ihn hatte abführen lassen, brüllte und zürnte Zelos. Doch gegen die Kolosse aus Muskelbergen hatte er keine Chance. Er wurde auf einem freien Platz wie ein X an vier Pflöcke am Boden gestreckt und dankte den Alten Göttern in diesem Moment, dass die sengende Hitze bereits abnahm. Doch trotzdem würde er bis zum Abend fürchterliche Qualen erleiden, wenn ihn die Soldaten hier im schattenlosen Staub und ohne einen Tropfen Wasser liegen ließen. Irgendwann würden seine tapfer zurückgehaltenen Tränen fließen. Und noch später würden auch diese vertrocknet sein.

Am nächsten Morgen tauchte eine Soldatin bei Zelos auf und schlug Alarm. Der ehemalige Oberste Gardist der Leda lag leblos wie ein Bündel Dörrfleisch in seinen Fesseln. Kurz darauf standen einige Soldatinnen um ihn herum, gafften und konnten sich das frühe Ableben des Gefangenen nicht erklären. Die Haut hatte wohl der Sonne ihren Tribut gezollt, aber der Sklave hätte den kommenden Tag noch überstehen können. Duxa Victoria ließ den mysteriösen Fall von einer Medica untersuchen. Genauestens prüfte diese, ob etwas Fremdes auf Zelos eingewirkt haben könnte. Schließlich aber war es ihr nicht möglich Beweise hervorbringen, jedoch vermutete sie, dass der Gefangene erdrosselt worden war. Seltsam war nur, dass keine Spuren an seinem Hals zu finden waren. Die Medica konnte sich daher nur ein Kissen oder eine Decke als Meuchelinstrument vorstellen. Und dann bemerkte sie zufällig den seltsamen Belag an Zelos Lippen. Kaum noch zu sehen, aber ihrem Adlerblick entging er nicht. Sie schnupperte daran und nahm einen Abstrich.

Einige Stunden später war ihr ein neuer Verdacht gekommen. Doch den behielt sie dieses Mal für sich. Sie nahm sich den Leib noch einmal vor. Dieses Mal galt ihrem Augenmerk seine Männlichkeit. Ja! Es war schließlich eine recht delikate Angelegenheit, und da wollte sie niemanden beschuldigen. Aber Tatsache war, dass die angetrocknete Feuchtigkeit an Zelos Mund und Nase einer Dame gehörte. Sollte da ein frivoles Liebesspiel missglückt sein? Solche Praktiken waren nicht ungefährlich – besonders, wenn der Partner gefesselt war. Oder hatte eine Soldatin etwa sogar absichtlich… Man munkelte, dabei würde ein Weib den stärksten Höhepunkt der Lüste haben… Nein, das wäre… Schließlich waren die Arbeitssklaven Eigentum der Krone!

Auf jeden Fall war dieser… wie hieß er noch? Die Medica zuckte mit den Achseln. Dieser Sklave war auf jeden Fall Geschichte. Die Hauptsache war doch, dass er sein Wissen bereits ausgeplaudert hatte. Und in seinem letzten Moment hatte er noch einmal seinen Samen vergossen. Ob er davon noch etwas gespürt hat? Oder blieb ihm die finale Sinnlichkeit im Dunkel verborgen? Die Medica stellte sich das definitiv letzte und ultimative Getändel vor, wie es sich vielleicht abgespielt haben mochte. Als sie später in ihrem Zelt auf ihrem Nachtlager lag, träumte sie davon, dass sie die Glückliche gewesen war, die im „Sattel“ saß, und sich am finalen Ritt des nach Luft Gierenden berauschte, während sich unter dem Himmelszelt eine schwarze Wolke vor den versilberten Sichelmond wälzte, als wollte er die unzüchtigen Gedanken ersticken.




246. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von sheeeep am 27.12.22 00:34

Tolle Fortsetzungen!!! Z.B. die Unterhaltung der Damen....als Beispiel:„Schade, dass ich nicht die Peitsche schwingen darf! Nun ja, ich werde es in meiner Residenz heute Nacht nachholen.“ Grossartig.... Dazu Treidelsklaven etc...Und die Herrin , die sich auf einem der Schiffe vom Arbeitssklaven verwöhnen lässt,während draussen sich die anderen Sklaven unter der Peitsche abschuften müssen , wobei die Schiffseignerin sich durch das Klatschen der Schnüre auf die Sklavenrücken und die zweifelsohne folgenden Schreie sicher noch mehr anregen lässt....Kopfkino...
247. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von M A G N U S am 29.12.22 06:48

... oder auch das:

"... erhob sich Tagaras Aufmerksamkeit aus einem Meer lässiger Selbstgefälligkeit."

Ach, könnte auch ich mich tagaragleich aus meiner Selbstgefälligkeit erheben, um nicht immer und immer wieder mich am Lesen meiner eigenen Geschichte zu ergötzen, während es hier ein Meer an berauschenden Erzählungen gibt, in welches man nur einzutauchen braucht; freilich hat man alsdann größte Mühe, daraus wieder aufzutauchen!
248. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von sheeeep am 29.12.22 09:45

Sehr schön ausgedrückt,Magnus ! Die Geschichte ist nicht nur erotisch höchst anregend sondern auch feingeistig und von geradezu lyrischem Gehalt...ein Meisterwerk !!!

249. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 29.12.22 13:57

Danke an die Kommentatoren für ihr Feedback! Ob Tagara ihre Selbstgefälligkeit auf die Füße fällt, erleben wir demnächst...
250. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 31.12.22 13:07

In Ledanien machte sich der Kriegsrat zu Hofe große Sorgen, und diese Last lag schwer wie ein Alb auf seiner Brust. Die schwarzen Rauchsäulen der feindlichen Essen waren fast verblasst. Dies konnte nur bedeuten, dass alle Waffen und Kriegsgeräte fertig waren. Der Angriff stand kurz bevor, da waren sich auch Königin Leda und Schultheiß Gladius in ihren Bedenklichkeiten einig. Der Berater schlug mit seiner mit Nieten besetzten Lederunterarmschiene auf den dicken Holztisch, um seine Worte zu unterstreichen. „Wir müssen jetzt alle verfügbaren Kräfte an die Wehrmauern verlagern. Sonst können wir einer Attacke nicht widerstehen. Späher haben von 16 Trollen berichtet, die die feindliche Armee verstärken. Die Ungetüme haben neben monströsen Äxten, Hämmern und Keulen auch noch Rüstungen. Ein Gerücht geht um, dass ihnen sogar das Gebiss mit eingesetzten Eisendornen verstärkt worden ist.“

„Die Leute erzählen viel, dass wisst Ihr doch, Schultheiß“, merkte der Königsgemahl Abas sauertöpfisch an und nahm einen kräftigen Schluck aus einem Kelch mit Honigbier. „Das ist nichts als Mückengesumm!“ Der königliche Medikus Aphron betonte: „Mit Verlaub, Hoheit, aber wir sollten die Gefahren wirklich ernst nehmen.“ Königin Leda und Gladius nickten zustimmend. Doch Abas stellte seinen Kelch heftig auf dem Tisch ab, dass der Inhalt hochschaukelte und einige Schlucke auf die Platte spritzten. „Ich nehme die Gefahren ernst! Was will überhaupt ein Heiler hier am Tisch des Kriegsrats?“ Abas lallte bereits vom vielen Gebräu. Wütend wollte er weiter sprechen, doch Leda erwiderte streng: „Lieber Gemahl, beruhigt Euch. Ich muss mir diesen Ton zu meinen engsten Beratern verbitten!“ Abas verzog sein Gesicht zu einer zornigen Fratze. „Dann gehöre ich wohl nicht mehr zum Kriegsrat, was?“ Er stand ruckartig auf, so dass sein schwerer Stuhl polternd umkippte und auf dem Steinboden liegen blieb. „Er oder ich!“, forderte Abas wie von Sinnen und zeigte mit dem beringten Finger in einer dramatischen Geste auf den Medikus.

Aphron stand ebenfalls auf und versuchte die Wogen zu glätten, indem er sich entschuldigte und eiligst aus dem Fahnensaal flüchtete. Leda stützte ihren Kopf mit einer Hand ab und rieb sich eine Schläfe, müd´ von all dem Geplänkel. Der Zank war wie geträufeltes Gift in ihre Ohren. Gladius senkte seinen Blick und konzentrierte sich verlegen auf einen Tropfen des Honigbiers, das bis fast vor ihn geschwappt war. Im Saal herrschte bedrückende Stille ob des Zwists. Der pikierte Aphron eilte derweil durch die Gänge der Burg und ließ eiligst sein Pferd satteln, ritt über die Zugbrücke ins nächste Dorf. Nur weg! Vielleicht würde es ihm vergönnt sein, bei der hübschen Schmiedetochter Forma ein wenig Zerstreuung zu finden.

Als der Medikus das Ziel erreichte und nach der jungen Maid frug, wies ihn ein zahnlückiger Knecht zum Fluss, wo Forma in einem Zuber Leibwäsche wasche. Sie wrang gerade ein weißes Tuch, nachdem sie es im Fluss gereinigt hatte, und wollte es nun in den Zuber werfen, der die übrige Wäsche in einer Lauge bereit hielt, da sah sie Aphron heran reiten. „Sieh an!“, sagte sie spitzbübisch und hob ihr Kinn. „Der königliche Heiler geruht, das arme Waschweib im Dorfe zu besuchen.“ Aphron sprang vom Ross und umarmte sie. „Ich habe dich so vermisst, Liebste. Wo Liebe keimt, da schlägt sie Wurzeln. Und ich will immer bei Euch sein. Meine Sinne sind trunken und meine Leidenschaft berauscht mich ganz und gar“, schwärmte er ihr vor. „Mich vermisst? Wohl eher dieses Kleinod hier?“, frug sie mit milder Lippe und holte einen kleinen Schlüssel hervor, der an ihrer Halskette baumelte – der Schlüssel zu seinem Keuschheitsgürtel. Der kleine Anhänger funkelte im Sonnenschein.

„Ihr seid kein Waschweib, edle Gebieterin. Ich werbe lechzend zu Euren Füßen nach Eurer süßen Liebe“, sprach Aphron und zagte im gleichen Lidschlag, ob er da nicht ein wenig zu dick aufgetragen hatte. „Fürwahr!“, grinste die Maid. „Gebieterin. Das bin ich.“ Aphron nahm sie eng an sich und hob sie mit den Armen an seine Brust. „An deinen Küssen möcht ich mich laben. Küss deines Liebsten Mund bis dass der Morgen graut. Meine Liebe zu dir glüht, sie loht, und mein Herz will Purzelbäume schlagen.“ Aphron mühte sich sehr darum, die Tochter des Schmiedes zu verführen, doch die Maid drohte ihm mit dem Zeigefinger: „Willst du wirklich mich oder deine Wollust lieben? Ich entscheide, wann ich den Schlüssel zu deinem… Herzen verwende. Und jetzo steht mir nicht der Sinn nach einem Recken. Fasse Vertrauen! Murre nicht, sondern schicke dich ins Schicksal, das dir gegeben ist.“ Verschmitzt sah sie ihn an. Pfiffig. Schelmisch. Triumphierend. Aphron seufzte tief. „Also gut. Obwohl mein Sehnen ungestillt bleibt. Ich werde mich fügen und deiner harren bis zum Ende der Ewigkeit.“ Er zog sich mit einer kraftvollen Bewegung das Wams vom Leib und sprang in den kleinen Fluss, um sein Verlangen abzukühlen und seine Enttäuschung zu verstecken, die sich in sein Antlitz gegraben hatte. Das frische Wasser strömte langsam sein Bett entlang, als schliefe es, und ein Blättchen drehte sich träge auf der Oberfläche und spülte an dem erregten Mann vorbei. Die stoische Ruhe schien seine Hektik zu verhöhnen.

Ein winzig schlechtes Gewissen funkte in der jungen Dame auf. Hatte sie mit Aphron Schindluder getrieben? Hatte sie ihn gar verführt? Nein, kam sie zu einem befriedigenden Schluss. Wenn ihrem Aphron seine Beinkleider arg zu eng wurden, so war das nicht ihre Schuld. Glucksend kicherte sie in sich hinein. Das Gemächt eines Mannes war eben Lustspender und Geißel zugleich – so hatten es die Alten Götter geschaffen. So sollte es sein. Und wenn die Mannesfreiheit entflohen war, so wog es doch um so süßer, wenn sie in warmer Flut zurück in seine Lenden strömte, die ihn auf die Knie zwangen. Das sollte der Preis für die Tür zu ihrem Herzen sein, an die er ruhig klopfen durfte, doch ob sie ihm Eintritt gewährte, das war eine andere Frage.

Als die beiden später gemeinsam zur Schmiede ihres alten Herrn liefen, trug Aphron ihr galant die Wäsche in einem großen Korb aus Weidengeflecht. Zusammen mit dem Schmied und einem Gesellen nahmen sie anschließend eine warme Mahlzeit aus Schweinebraten, Bohnen und Erdäpfeln ein. Im Vergleich zu den Festessen zu Hofe war es für wahr ein kärgliches Mahl, dem eine Prise Salz und die kostbaren Gewürze fehlten, doch es machte ebenso satt. Und Aphron musste nicht die Aversion ertragen, die Abas in jüngster Zeit gegen ihn aufbrachte. Vielleicht würde Forma ja doch noch den Schlüssel zücken und sich ihm hingeben. Zunächst sah es danach sogar aus. Die Schmiedtochter zog sich mit Aphron in ihre Kammer zurück. Sie verdunkelte das kleine Fenster und zündete einige Kerzen an. Eine von ihnen kohlte ein wenig, aber zumindest waren es echte Wachszylinder und keine qualmenden Talgfunzeln. Der Medikus hatte gerade einen Arm um seine Angebetete gelegt und ihr kleines Kinn in seine Richtung geführt, um einen zärtlichen Kuss einzufordern, da klopfte es laut an der Kammertür und zerbrach die zauberhafte Stille.

Forma sprang auf. Der Vater reichte ihr einen Sack aus brauner Jute. „Der Händler hat das Flachs gebracht.“ Die Tochter bedankte sich mit einem kleinen Knicks und schloss die Türe wieder. Aphron sah sie fragend an. Forma deutete auf den Beutel. „Daraus spinne ich Leinen. Baumwolle oder gar Seide ist Vater zu teuer.“ Erst jetzt bemerkte Aphron das Spinnrad neben dem Bett. Er versuchte die romantische Stimmung zu retten, aber Formas Fleiß war nun Herr geworden über ihre Liebelei. Sie sortierte einige Spindeln mit Garn und lächelte. Aphron stand vom Nachtlager auf wob einen Plan. „Lass uns in die Burg reiten. Ich werde dich der Königin vorstellen, wenn du magst.“ Seine Angebetete wirkte schüchtern und gar ein wenig ängstlich. „Der Königin?“ Aphron versprach weiter: „Ja. Ich führe dich durch die Zitadelle, zeige dir die Waffenkammer, die große Küche, geleite dich zu meinen alchimistischen Gerätschaften, und auch den ehrwürdigen Fahnensaal wirst du erblicken, wenn die Wachen uns hineinlassen.“ Forma grinste breit und unverschleiert. „Das wäre fein!“

Aphron schöpfte Hoffnung. In der Bastei werde ich sie verführen können, erwartete er mit geschwollener Brust. Das junge Paar verließ die Kammer und verabschiedete sich vom Schmied, der gerade einen groben Holzeimer mit Wasser aus einer Zisterne vor dem Haus zog. Der Medikus befürchtete schon, dass der Alte etwas dagegen haben könnte, doch seine Sorge war grundlos, und so machten sie sich auf dem Ross des Medikus auf den Weg zu Ledas Burg. Die Wachen erkannten den Hofheiler auf den ersten Blick und zogen das Fallgitter hinauf, damit der Ankömmling über die Zugbrücke in die Festung reiten konnte. Stolz präsentierte er einigen der Männer seine Braut, als trüge er einen Beuteschatz mit sich, und führte das junge Ding in sein Gemach. Staunend sah sich Forma um. Mit großen Augen betrachtete sie die starken Mauern aus großen Steinquadern, die Schränke mit reichem Schnitzwerk, die Lederuniformen und Kettenhemden der Wachleute.

Als ihnen einige Gardisten in edlem Zwirn und feinstem Tuch mit dem Emblem der Regentin entgegenkamen, blieb Forma der Mund offen stehen. Peinlich berührt, als sie dies bemerkte, schloss sie schnell ihre Lippen und lächelte Aphron mit gerötetem Hals an. Sie liefen weiter. In der großen Küche der Burg drehte sich ein ganzer Ochse am Spieß über einem breiten Holzkohlefeuer. An den Wänden der Flure und Gänge hingen Gobelins und die Flaggen von Ledanien. Schließlich kamen sie an der Therme der Festung vorbei. Forma zeigte sich interessiert und bat Aphron darum, mit ihm in einem der großen Zuber und Becken zu baden. Ihr Verehrer stimmte zu und schon bald waren die zwei Liebenden nackt, wie sie die Alten Götter geschaffen hatten, in dem warmen Wasserbecken abgetaucht.

Aphron war zwar zunächst bang davor, seinen Keuschheitsgürtel öffentlich zu präsentieren. Davon musste schließlich niemand etwas wissen. Zumindest niemand am Hofe. Aber dann wagte er es doch, denn heute waren alle Soldaten bei einem Manöver und würden erst nach Sonnenuntergang zurückkehren. Den einfachen Bediensteten war der Besuch der Therme untersagt, und Königin Leda verfügte über ein eigenes Badegemach. Außerdem war die Versuchung, mit Forma alleine zu baden, einfach viel zu groß, um der Maid ihren Wunsch abzuschlagen. Der Medikus konnte sich kaum satt sehen an der gebräunten Haut der Schmiedtochter, an dem zarten und doch kräftigen Leib, den er so begehrte. Ihre Schürze lag zusammengefaltet auf einem kleinen Holzschemel, darüber hatte sie ihr Kleid gelegt. Mieder und Leibwäsche lagen daneben. Aphron lechzte förmlich nach der nackten Haut der jungen Frau. Sie war flugs aus ihrem Gewand gestiegen und hatte doch so viel weibliche Sinnlichkeit in ihre Bewegungen gelegt, dass Aphron völlig gebannt war von ihr.

Das Weib hatte die langen Haare mit einer Nadel aus Hirschhorn hochgesteckt, so dass nur vereinzelte Strähnen, die sich nicht bändigen ließen, im Wasser badeten. „Es duftet so herrlich!“, schwärmte sie. Aphron war ebenfalls in das Becken gestiegen und entgegnete: „Das ist Rose und Jasmin. Diese Öle habe ich selbst hergestellt. Selbst die Königin badet darin.“ Oh, von diesem Bade mit der Angebeteten würde er noch Jahre zehren. Forma war beeindruckt. Aphron griff nach einem großen, weichen Schwamm und strich seiner Geliebten damit über Schultern und Rücken. „Du bist das Ebenbild reiner Schönheit.“ Kichernd ließ Forma ihren Kopf in den Nacken fallen und schmiegte sich an ihren Recken. Aphron stöhnte wohlig auf, als er ihre Hand in seinem Schritt spürte. Aus seinem munteren Blick züngelten Flammen der Begierde.

Als die Finger des schmachtenden Medikus an Formas Schlüsselbein entlang strichen und sich dem Lederband näherten, dass die Maid um den Hals trug, und daselbst als Anhänger den Schlüssel für den Keuschheitsgürtel trug wie ein Kleinod, zog sie die fremde Hand beiseite und setzte sich breitbeinig auf den Mann, forderte leidenschaftliche Küsse ein und rieb mit ihren nun aufgerichteten Brustwarzen über die Brust des Geliebten. Er fuhr mit seinen Händen ihren zarten Rücken entlang und spürte die Glut, die in seinen Lenden aufstieg. Endlich fingerte Forma an ihrem Lederschnürchen, um es von ihrem Hals zu nehmen. Jetzt konnte sie den Aufschluss ihres Kämpen kaum noch erwarten, denn ihre Hitze hatte sich wie eine Feuerwalze entzündet und brannte lichterloh wie ein trockener Zunderhaufen. Sie nahm den Schlüssel, kniete im Wasser neben Aphron und wies ihn an, aufzustehen. Der Medikus ließ sich das nicht zwei Mal sagen. Als die Schmiedtochter gerade den Schlüssel in das Schloss stecken wollte, nahmen die Badenden die knarrende Tür wahr. Schlagartig ließ sich Aphron wieder ins Wasser sinken, um seine Blöße zu bedecken. Wer störte sie?

Aphron wappnete sich bereits, um im Brustton eine Zofe oder andere Dienerschaft streng zurechtzuweisen, doch dann erkannte er den langen Gehrock aus Seide und die darunter eng anliegende Hose mit den unversehrten blanken Stiefeln. „Schultheiß Gladius!“, konstatierte Aphron verdutzt. „Ich glaubte Euch auf dem Schlachtfeld, um eine Defensive einzustudieren.“ Gladius lächelte unverbindlich. „Nein, heute habe ich mir die Formationen vom Nordturm aus angesehen und meiner statt einen Stellvertreter hinaus geschickt. Doch an den Zinnen der Mauerkrone ist es recht windig und kalt geworden. Da wollte ich mich ein wenig im heißen Zuber aufwärmen. Doch ich sehe, dass er bereits… eine feine Dame beherbergt...“ Forma sah überrascht und stumm zu dem edel gewandeten Mann. Aphron blieb ebenfalls stumm und presste seine Lippen zusammen. Schließlich zwang er sich zu einer Erwiderung. „Gladius. Dies ist Forma… die Schmiedtochter aus dem Dorf…“

Gladius näherte sich dem Zuber und deutete eine Verbeugung an. Forma machte noch größere Augen, als ihr Antlitz schon besaß. Als Gladius seine rechte Hand aus seinem Handschuh zog und sie ihr reichen wollte, reagierte Forma zögerlich und streckte auch ihren Handrücken hervor, so dass der Schultheiß ihn küssen durfte. „Verehrte Forma“, hauchte Gladius mehr, als er sprach. „Welch kleine Hand voll Anmut!“ Die Schmiedtochter kniete noch immer im Zuber und starrte den Schultheiß mit offenem Mund an. So viel der Ehre und des Schmeichels hatte sie nicht erwartet. Eher war sie davon ausgegangen, dass sie als dummes Liebchen des Medikus mit Schimpf und Schande aus der Burg geworfen würde wie faules Gesinde. Sie schloss ihre Lippen, als ihr bewusst wurde, dass sie den Besucher unverwandt anstarrte und schluckte. „Gnädig Hochwürden“, sprach sie, weil sie nicht wusste, wie sie ihn anreden sollte. Gladius lächelte sie nonchalant an. „Ob denn wohl noch Platz neben der wunderschönen Holden frei wäre?“

Aphrons Mut sank, und er machte gute Miene zum bösen Spiel, obwohl sich alles in ihm dagegen sträubte. Erkannte der Schultheiß denn nicht, dass hier ein Liebespaar ungestört sein wollte!? Doch dafür war des Satyrs Auge wohl blind und sein Ohr taub. „Warum reitet Ihr eigentlich nicht auf dem Felde?“, wollte Gladius von dem Heiler wissen. „Auch bei einer Kampfübung gehört Ihr an die Seite der Truppe. Oder wankt Eure Treue etwa?“ Aphron brummte. „Davon hat mir niemand etwas gesagt.“ Missvergnügt bemerkte er, wie sich Gladius, nachdem sich dieser schamlos entkleidet hatte, zwischen die Badenden drängte und den Zuber mit Begierde überschwemmte. Der Schultheiß griff nach dem Schlüssel, den Forma noch in der Hand hielt und warf ihn aus dem Zuber. „Was benötigt eine Schönheit wie Ihr solchen Tand? Kein Juwel kann sich mit Eurem Leib messen.“ Schließlich frug Gladius, dessen Augen tief in die der Schmiedtochter versunken waren: „Aphron – warum sorgt Ihr nicht für einen trefflichen Tropfen für unsere ausgetrocknete Kehlen? Ein Honigwein wäre doch genau das Passende für diesen hübschen Anlass.“

Der Medikus stöhnte leise auf. „Jawohl, Schultheiß.“ Was sollte er auch anderes als willfährig gehorchen? Auch, wenn ein dummer Bock, der blökte, ihn zum Lakai degradierte, so war er doch ein Schultheiß. Er stieg, betrübt, um des Vergnügens beraubt, mit dem Rücken zu den beiden aus der behaglichen Wanne und wickelte sich flink ein Leinentuch um die Hüften. „Oh“, lachte Gladius, „seht ihn Euch an! Unser guter Alchimist ist schüchtern und verschämt wie eine frisch erblühte Jungfer. Ob er bang ist, dass das holde Weib ihm etwas wegschaut?“ Das Pärchen im Zuber kicherte. In Aphron öffnete sich ein gähnender Abgrund aus Demütigung, Schimpf und Schande, während ein rauschender Fall aus Blut in seinen Ohren dröhnte und seine Kehle wie zugeschnürt war. Ein schales Gefühl begleitete ihn hinaus.

Nicht weit entfernt riefen Pauken und Fanfaren zum Kampfe. Leda führte auf einem kräftigen Schimmel ihre Garde an. Mehrere Kampfeinheiten auf Rössern und in schwere Rüstungen gesteckt ritten von den Flanken herbei, einige Fußsoldaten, die meist aus freiwilligen Ledaniern bestand, formierten sich zu diversen Figuren und stürmten tapfer vorwärts. Banner und Fahnen flatterten knatternd im Wind an langen Standarten. Hoch am Himmel wiegten sich Bussarde in der Luft und verfolgten den Aufruhr am Boden unter ihnen mit ihren großen Schwingen gelassen und kommentierten ihn ab und zu mit einem Schrei. Noch kämpfte die Armee nur gegen einen imaginären Gegner, doch schon bald sollte aus dem Übungsmanöver bitterer Ernst werden, denn die cassandrische Streitmacht stand bereit, um Ledanien dem Erdboden gleichzumachen. Es konnte sich nur noch um wenige Tage handeln, die der Aggressor ihnen gewährte, bevor er zuschlug und wie eine vernichtende Flut über die Lande fegte.

Nur wenige Steinwürfe entfernt lagerte das größte Heer, dass der Alte Kontinent jemals gesehen hat. Im Führungsquartier, einer eilig errichteten Bastei, berieten Regentin Cassandra, die Statthalterin Prodita und die eigentliche Herrscherin Tagara, die Hohepriesterin des Maluskultes, den großen Angriff auf den Feind. Die Priesterin, die in Wahrheit die alte Tyrannin Megara war, schloss die Konferenz mit den Worten: „So soll es im Namen der Götter also geschehen! Morgen ist der große Tag des Sturms. Bei Sonnenaufgang setzen wir die Kampfsklaven in Bewegung und führen einen Scheinangriff an der nördlichen Mauer durch. Wenn die Kräfte der Ledanier dort gebunden sind, folgen vier Einheiten je vier Trolle mit schwerer Bewaffnung mit einer Attacke auf das Haupttor. Gleichzeitig nähern wir uns mit der zweiten Hälfte der Soldaten, sie sich mit Ruß schwärzen, heimlich dem Südtor und nutzen den geheimen Öffnungsmechanismus, den uns dieser Dummkopf von Zelos in seiner geistigen Verlumptheit verraten hat. Eine kleine Einheit wird mit Blasrohren ausgestattet, die unseren Schlafmohn verschießen können. Damit werden die äußeren Wachen überwältigt. Wenn die Wehranlage erst einmal gefallen ist, so wird Ledas Burg eine Petitesse, ein Kinderspiel sein! Und ich schwöre euch allen hier und heute: Noch bevor die Sonne wieder erlischt, werden wir die neuen Herrscher über den gesamten Kontinent sein. Wir werden nach dem Rausch der Schlacht blühen und gedeihen. Wir sind die Zukunft der Lande.“





251. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 06.01.23 19:33


Die Meisterin des Maluskultes verschwand mit stolzem Schritt, der ihr einen gefälligen Anstrich von Würde verlieh, in ihr privates Gemach und stellte sich inmitten eines Pentagramms aus Alabasterintarsien in den Raum, beschwor mit einer alten Formel Geistwesen aus der Unterwelt und trachtete danach, sie in ihren Bannkreis zu fesseln. Mit ihrer Willenskraft und einer magischen Geste saugte sie ihnen die schwarze Energie aus, um sie dem höchsten Nachtdämon zu opfern. Der sollte den Cassandriern am morgigen Tage auf dem Schlachtfeld mit seinem Wirken zu Hilfe kommen. Es galt den Sieg zu garantieren. Und als zusätzliche Belohnung würde er die Seelen der Besiegten fressen dürfen, die dem Untergang geweiht waren. Tagara lachte grausam, und ihre Stimme hallte an den kalten Steinwänden schrill wider, wie die Klingen, die sich auf dem Schlachtfeld kreuzten. Daraufhin sank sie in ihrem schwarzen Gewand in der Mitte des Pentagramms nieder auf die Knie und verfiel in eine Art Trance, schaukelte mit ihrem Torso in kreiselnder Bewegung und schloss die Augen.

Cassandra lustwandelte derweil in einem edlen Damastkleid im Hof der Bastion und schaute vergnügt zu, wie zwei Soldatinnen zwei Sklaven dazu anhielten, einen Wettkampf der besonderen Art durchzuführen: Die Leibeigenen hatten eine Kette zwischen ihren Brustwarzen hängen, die mit Klemmen an ihnen befestigt waren. Zwischen den Ketten spannte sich ein dünnes Seil. Die Soldatinnen peitschten auf die Gesäße der Geschöpfe ein und schrien ihnen zu, sie sollten rückwärts marschieren. Die Brustnippel der Gepeinigten waren so lang, wie Cassandra noch nie welche gesehen hatte. Das Seilziehen faszinierte nicht nur die Königin. Auch Duxas schauten zu und wetteten eifrig auf den einen oder anderen Athleten. All das Jammern der Niederen wurde von Beifall und Jubel der aufgestachelten Frauen übertönt, obwohl die quiekenden Laute denen von Schweinen beim Schlachter in nichts nachstanden.

Ein wenig Gaudium am Abend vor dem großen Sturmangriff sollte den Soldatinnen gegönnt sein und ihnen vortrefflich munden, denn morgen würde sich das Schicksal um den Alten Kontinent erfüllen. Der morgige Tag sollte in die Chroniken der Lande eingehen. So gab es auch in den Heerlagern für die Uniformierten reichlich Rotwein, Met und Dünnbier. Außerdem drehten sich an zahlreichen Spießen duftende Braten. Nur die Kampfsklaven gingen leer aus. Ihnen blieb Wasser, das sie aus den so genannten Sklaventränken schöpften, und der spärlich schmackhafte Haferbrei, der ihnen als Vieh zustand. Sie waren gemacht, bedingungslosen Gehorsam zu lieben, nicht eigenen Willen oder Bedürfnisse zu fühlen. Sie brannten hell und kurz wie ein Holzspan und waren ebenso nützlich, denn es galt nicht, ihren Daseinsdurst zu tilgen, sondern ihrer wahren Bestimmung zu dienen.

Für den großen Angriffstag standen hinter den Lagern viele kleine Käfige bereit, die mit Gefangenen gefüllt werden sollten – nur mit denen, die geheimes Wissen bei sich trugen. Exzellent geschulte Befragerinnen der großen Cassandra würden meisterlich eine Symphonie der Schmerzen auf ihnen spielen, um verborgene Erkenntnisse, die hinter fest versiegelten Lippen verborgen waren, zu erlangen, um die Elenden danach mit einem Schierlingstrunk zu erlösen, der durch ihre dann nutzlosen Kehlen der bald Entschlafenen fließen würde.

Im weit entfernten Osten ahnte Vesta noch nichts vom bevorstehenden Einfall nach Ledanien. Freilich war ihr über den Kriegszug berichtet worden, aber das genaue Datum war ihr nicht geoffenbart. Sie war völlig damit beschäftigt, rauschende Feste zu feiern, in Saus und Braus zu leben, sich an Delikatessen, Sklavenspielen und Orgien zu laben, und schließlich auch potentielle Mitstreiter zu gewinnen, um die fern von ihr regierenden und verhassten Hoheiten vom Thron zu stoßen. Denn nichts wünschte sich Vesta mehr, als eines Tages selbst das große Reich zu regieren. Cassandra, Prodita, Tagara… alle sollten sie im Kerker enden – wie ihre Schwester Aurora. Das Volk musste doch erkennen, wer die einzige und wahre Herrscherin des Kontinents war und sie wertschätzen, ehren und huldigen, wie es ihr gebührte!

Bei dem Gedanken an die Darbende im Gewölbe lächelte sie breit und jauchzte vor Freude. Sie leckte sich in Vorfreude über die rosafarbenen Lippen, ihr Schwesterherz im Verlies, tief unter dem Palast, zu besuchen. Die Quell ihres Frohsinns. Auf ihren Befehl hin wurde Aurora täglich rasiert und ihre Weiblichkeit aufs Genaueste kontrolliert. Vesta stöhnte auf vor Wolllust. Aurora musste in ihrer frustrierenden und unbefriedigten Geilheit schmoren wie eine brünstige Stute im verriegelten Stall, während sie in den feinen Gemächern des Palastes jeden saftigen Jüngling vernaschen konnte, den sie haben wollte. Und so ging auch dieser Tag zuneige, während Vesta sich von zwei Liebesjünglingen, auf Seide gebettet, verwöhnen ließ, während Aurora wütend schrie und sich gegen die rauen Gurte wehrte, die sie hielten, während zwei Aufseherinnen ihren Leib blank scherten und mit ihren frivolen Fingern die Geilheit der Gefangenen sinnbetörend ins Unermessliche trieben… nur, um im entscheidenden Augenblick zu früh aufzuhören und sie wieder in den grausamen Keuschheitsgürtel zu stecken. Für die Gemarterte war es jedes Mal aufs Neue wie ein Fall ins dunkle Bodenlose einer endlos tiefen Klippe.

Die Sonne tauchte blutrot am Horizont auf und kündigte symbolträchtig den Tag der großen Schlacht an, während der Mond vom Firmament flüchtete. Der Medikus stieg auf den Nordturm der Bastei und suchte seinen Gesichtskreis nach Feinden ab. Die meisten Fußsoldaten, die sich aus dem einfachen Volk Ledaniens rekrutierten, hatten die Wehrmauern besetzt, die an der Ostgrenze des Landes Schutz vor Eindringlingen bieten sollten. Aphron lehnte sich an die Steinbrüstung und versuchte sich auf seine Aufgaben zu konzentrieren. Sobald die Attacke der Cassandrier begann, würde er im Dauereinsatz mit Mut und Herzblut die Verletzten versorgen müssen. Aber trotz des Ernstes der Lage schweiften seine düsteren Gedanken ab. Er konnte die Demütigung nicht aus dem Kopf bekommen, die ihm Gladius bereitet hatte.

Gestern hatte der Schultheiß mit Forma geturtelt und sie völlig in seinen Bann gezogen, die Holde mit Tand behängt und ihr süße Verheißungen ins Ohr geflüstert. Er freite um sie wie ein liebeshungriger Ziegenbock, brütete der Heiler über dieser Schmach bitter. Aphrons Herabsetzung schien dem Weibertollen, diesem eitlen Gockel, gleichgültig, und was noch herzzerreißender war: Auch Forma beachtete ihn nicht mehr. Dagegen schmachtete sie den Schultheiß mit leuchtenden Augen an, als lege er ihr ein Königreich zu Füßen. Ihr Betragen hatte sie völlig aus den Augen verloren. Die honigsüßen Versprechungen des Schürzenjägers hatten ihr Gebaren, die Schicklichkeit und alle Zucht verklebt statt sich ihrer zu erwehren.

Aphrons Augen blitzten unbemerkt den zeihenden Konkurrenten so scharf an, als wollten sie dem Mitbuhler dessen Männlichkeit zerreißen und die Augen wie faule Stellen eines Apfels herausschneiden. Der Medikus fröstelte bei der galligen Erinnerung an den gestrigen Tag. Die aufkeimende Liebe war zerstört worden von dem gesäuselten Süßholzraspeln eines Grobians, noch bevor sie in voller Pracht erblühen konnte. Noch zwei weitere Male hatte der Schultheiß ihn wie einen niederen Laufburschen weggeschickt. Schließlich hatte Aphron nicht mehr gewusst, wie er wieder in den Zuber steigen konnte, ohne dass der Schwerenöter sein Geheimnis bemerkte. So hatte er daneben gestanden und sich schließlich zurückgezogen, als das frivole Paar immer näher rückte und sich nicht darum scherte, ob ein Zaungast ihrem tollen Verlangen nach Wonnerausch im Honigland beiwohnte. Der Nebenbuhler wusste die Qual eines einsamen Herzens wahrlich zu lindern und ließ den Heiler in brennender Eifersucht zurück. Wie vergänglich doch die Liebe des Weibes war! Es war nur Schein und Hexenwerk! Kein Hauch davon war wahr gewesen.

Aphron seufzte tief. Könnte er diesem Hurenbock doch ein Mittel in den Wein schütten, der ihm die Manneskraft raubte! Aber der Verdacht würde sofort auf den Heiler fallen. Jäh bemerkte er ein glockenhelles Kichern hinter sich. Blitzartig dreht er sich herum: Forma stand am Ausstieg, einer quadratischen Falltür, die auf die oberste Plattform des Nordturmes führte, und sah den Medikus amüsiert an. „Du bist… noch hier?“, frug Aphron. Oder war sie erneut hier? Hatte sie etwa des Nachts bei Gladius gelegen? Sie war die Konkubine des Schultheißen geworden! Jetzt bemerkte er auch, dass Forma nicht ihr Magdkleid, sondern feinste Seide trug. Sie hatte ihm nicht nur die kalte Schulter gezeigt und sogar Hörner aufgesetzt, sondern sonnte sich auch noch dafür vor ihm. Er wollte sie packen und schütteln ob dieser Demütigung, doch da hielt sie auf einmal ein Lederriemchen mit einem Schlüssel daran am ausgestreckten Arm, lief zur Brüstung und hielt die Tür zu Aphrons Gemächt über den tiefen Burggraben, der mit brackigem Wasser gefüllt war. Ihre Lippen tönten ihm steif entgegen: „Wenn du nur ein Scherflein Manns bist, dann nähere dich noch einen Schritt.“

Jetzt provozierte sie ihn auch noch! Diese Dirne! Der Medikus zitterte vor Grimm entbrannt, aber er wagte keinen noch so kleinen Schritt mehr auf sie zu. Er stand händeringend da wie festgewachsen und durchbohrte sie stattdessen mit seinem Blick. „Was willst du von mir, du…?“ Forma konstatierte kühl: „Mein Treu, solange Ihr mir trefflich als wackerer Zungenakrobat dient, habt Ihr kein Ungemach zu befürchten. Wenn Ihr mich brav bittet, öffne ich Euch vielleicht hin und wieder den Keuschheitsgürtel….“ Aphrons Herz pochte ihm bis zum Hals und schien ihm von innen gegen die Rippen zu treten. Dieses Weib hatte ihn in der Hand und wollte einen Lustsklaven aus ihm machen. Welch Schmach ihm da entgegenschlug! Formas Locken fielen ihr wie windende Schlangen auf die Brust. „Was soll ich sonst mit einem Heiler, der nicht viel mehr Münzen nach Hause bringt als ein Kalkbrenner oder fahrender Kesselflicker? Geschmeide und Macht gibt mir dagegen Gladius. Und sein Luststab ist im Vergleich zu Eurem schmeichelhaft…“ Aphron musste tief durchatmen. Er wusste, dass die Lüge auf ihrer Zunge lag, aber es machte ihn rasend und gab seiner Wut neue Nahrung. Er wollte sich verzweiflungsvoll gegen alle Vernunft auf das junge Weib stürzen, da ertönten tiefe Rufhörner überall vom Grenzwall. Der Feind griff an!

Forma und Aphron starrten gebannt und schreckensbleich auf die weit entfernte Wehrmauer, die von cassandrischen Kampfsklaven attackiert wurde. Von innen besetzte die ledanische Infanterie mit allen Kräften die gefährdeten Bereiche, um den übermächtigen Feind abzuwehren, doch schon bald zeigte sich, dass gewaltige Trollhorden am Haupttor den Durchbruch versuchten. Den gigantischen Kolossen, die auch noch über dicke Panzerungen und Waffen verfügten, war kaum standzuhalten. Selbst die zwei Ellen dicken Eichenholztore, die mit vier Balken verriegelt, und deren Außenseite mit daumendicken Eisenplatten verstärkt waren, knackten und barsten, als die Trolle voll Groll mit einer Ramme heranstürmten, die sogar für zwei Dutzend kräftige Kämpen zu schwer gewesen wäre. Selbst ein Maschikuli, aus dem Wachsoldaten siedendes Pech schütteten, beeindruckte die Trolle kaum, denn ihre Panzerungen und ein mobiles Dach schützten sie vor der kochenden Masse. An der Nordmauer wurden Verteidiger in die Tiefe gerissen, als mächtige Felsbrocken von knarrenden cassandrischen Tribocks, großen Hebelarmschleudern, gegen die wegbrechenden Zinnen geworfen wurden, die bald aussahen wie der Mund eines beinahe zahnlosen Greises.

An anderen Stellen fielen cassandrische Kampfsklaven in Scharen in die tiefen und gespickten Fallgruben. Myriaden von sirrenden Pfeilen hagelten wie ein schwarzer Teppich vom Himmel und nagelten gnadenlos jedes Ziel fest, durchbohrten Leder, Kettenhemden und Leiber, spickten Wände, Dächer und Wege. Strohhaufen brannten, ein hölzerner Wachturm stand lichterloh in Flammen, und wieder und wieder folgten neue Pfeilschauer aus beiden Richtungen. Lanzen splitterten oder durchbohrten ihr Ziel auf grausige Weise. Die Opferwilligkeit des Feindes war schier maßlos. So maßlos wie ihre kaum enden wollende Anzahl. Die Oberste Gardistin Nike, die in ihrem Waffenrock eine Formation anführte, wagte den Ausfall, um die Trolle zurück zu zwingen, doch gegen 16 der Giganten waren auch diese Elitekämpfer machtlos. Unter schweren Verlusten mussten sie die Flucht ergreifen. Nur zwei Trolle fielen vor dem großen Eingangstor hunderten Pfeilen der Bogenschützen zum Opfer. 14 der Kolosse jagten jedoch ungehindert ins ledanische Reich und griffen nun Wachsoldaten aus dem Hinterhalt an. Einige der riesigen Bestien rannten weiter ins Landesinnere. Einer der Trolle schwenkte brüllend einen Balken, dessen anderes Ende brannte wie eine riesige Fackel und fauchende Funkenregen versprühte.

Königin Leda wurde von ihrer Leibgarde in die Burg eskortiert. Die Oberste Gardistin Nike, die selbst eine Wunde erlitten hatte, als ein Troll sie wild durch die Luft gewirbelt hatte, jagte mit ihrem schäumenden Ross und einer sechsköpfigen Begleitung samt Majestät in die Burgfeste. Aber trotz der Eindringlinge konnten die Ledanier die Hauptstreitkräfte der Cassandra aufhalten und hatten somit einen verheißenden Teilsieg erkoren, der ihnen Hoffnung einhauchte. Der Kampf hatte Nikes Knopfaufschlag an der Brust zerfetzt, und doch war sie den feindlichen Klingen haucheng durch eine gewagte Pirouette entkommen. Nur ihre Rippen schmerzten fürchterlich durch den Wurf des Titanen. Vereinzelt hatten es feindliche Einheiten geschafft, die ledanische Grenze zu übertreten, aber der Großteil der cassandrischen Armee staute sich vor dem Grenzwall, denn immer noch leisteten die Verteidiger trotz des Jochs tollkühnen Widerstand. Doch schon ertönten dumpfe Trommelschläge, in deren Takt weitere feindliche Krieger heranmarschierten, bereit, alles niederzuwalzen, was ihnen im Wege stand.

Und da sendete das Schicksal die nächste Hiobsbotschaft: Große Truppenverbände waren am Südwall fast ohne Verluste nach Ledanien eingedrungen. Verwüstung und Mordbrand breiteten sich aus. Prekärerweise war ihnen irgendwie der geheime Öffnungsmechanismus in der Mauer gewahr geworden. Die Soldaten auf der anderen Seite hatten, durchtränkt mit Feiglingsblut, ihre Schwerter fahren lassen und waren geflüchtet wie ein Hühnerhaufen, in dem ein Fuchs schmauste. Mancher Kämpe musste es teuer zollen, die schnelle Flucht versäumt zu haben und wurde vom Getümmel ganz und gar verzehrt. „Eine Katastrophe!“, urteilte Leda totenblass. „Was können wir noch tun?“ Unter ihren Worten barg sich tiefe Verzweiflung. Der Schultheiß Gladius atmete seufzend tief aus. „Wir hoffen, dass die Infanterie und die berittenen Soldaten den Feind von hinten attackieren. Es gibt immer noch Regimenter, die sich unmittelbar an der Burg befinden. Wenn sie dem Feind entgegen reiten und gleichzeitig vom Grenzwall unsere Truppen die Aggressoren in die Zange nehmen, könnten wir noch siegen.“

Leda schüttelte resignierend den Kopf, alle Glauben an einen Sieg zu Grabe tragend. „Die Wehranlage hatte mich angefüllt mit trügerischer Hoffnung. Die Cassandrier sind in so großer Überzahl, auf dass in wenigen Tagen das Schicksal Ledaniens besiegelt sein wird.“ Sie runzelte in Sorgen ihre Stirn. „Mein armes Volk! Diese Bestien werden brandschatzen und marodieren, sie werden alle Männer, die sie finden, versklaven oder sogar schänden. Der Alte Kontinent geht unter in ein radikales Matriarchat, dass sich wie ein eiterndes Geschwür ausbreitet.“ Mit trotzig vorgestrecktem Kinn sprach sie erstarkt gegen ihren Schwermut an: „Die Niederlage ist unser, wie mich dünkt, aber auch wenn mein Leben hier enden sollte, so wird meine Überzeugung zum Wohle der Menschen doch niemals weichen.“ Eine Träne rollte ihre Wange hinab, als ihr Stolz ihren Lippen diese Worte entlockte.

Ledas Befürchtungen bewahrheiteten sich. Durch den Durchbruch in der Südmauer konnten die cassandrischen Kampfsklaven die wehrhaften Ledanier in die Zange nehmen und aufreiben. Schwerlich entkamen wenige Gerüstete dem beidseitigen Ansturm. Wer nicht auf dem Schlachtfeld blieb, wurde in Ketten in die Leibeigenschaft nach Osten geführt. Lange Karawanen der Kriegsgefangenen bildeten sich auf den staubigen Straßen und steinigen Wegen zur ehemaligen Hauptstadt und auch noch weiter nach Osten zur Metropole und dem in der Umgebung liegenden ursprünglichen Cassandria. Am Himmel zeigten sich einige Aasgeier und Krähen, die auf Nahrungssuche über den Menschenschlangen kreisten. Auf Geheiß der Duxas gingen die meisten Gefangenen für ein Scherflein an Sklavenhändlerinnen über, die ihre Ware weiter an Plantagen-, Minenbesitzerinnen und zivile Galeeren verhökerten.

Einer unter ihnen war Boreas, der als treulich Fußsoldat an der Wehrmauer seine Klinge geschwungen hatte. Zwei Kampfsklaven hatten ihn niedergeschlagen und in die eigenen Reihen verschleppt. Unter zahlreichen anderen Gefangenen war Boreas auf dem Weg nach Osten, zunächst in den ehemaligen Stadtstaat. Sein Weib Maia, das ebenfalls unter den Soldaten am Grenzwall mit wonnigem Mute versucht hatte, den Ansturm der Cassandrier zu unterbinden, schaute mit gebrochenem Blick zum Himmel. Zwei Pfeile ragten aus ihrer Brust, und der Schwertstreich eines Berserkers hatte sie endgültig ins Reich der Unterwelt reisen lassen. Nun saß eine Krähe auf ihrer Brust und wetzte ihren Schnabel an einem Knopf ihres Wamses. Boreas und Maia hatten sich einigen Wohlstand auf einer Kate erarbeitet, doch dies sollte nun alles der Vergangenheit angehören. Ledanien war gefallen. Die dräuenden Furien aus dem Osten waren über das Land mit Tosen hereingebrochen wie eine teuflische Plage. Und eitel wäre das Hoffen auf ein hehres Mirakel, das den Feind noch aufhalten könnte.

In den folgenden Wochen versehrten die Truppen der Kampfsklaven und Kavalleristinnen das ganze Königreich der Leda. Nur wenige kleine Bollwerke, darunter die königliche Burganlage, waren gewappnet und konnten sich noch gegen Feuer und Stahl halten. Von den 14 überlebenden Trollen waren nur sechs zu ihren Herrinnen zurückgekommen, acht blieben verschollen. Man vermutete, dass sie ungezügelt durch Ledanien liefen und in ihrer zerstörerischen Wut alles zermalmten, was den tumben Unholden in den Weg geriet. Die frohe Kunde kam per Briefraben auch in die Metropole und die anderen östlichen Teile Cassandrias. Vesta jauchzte vor Vergnügen und schlug ihr Händchen zusammen, dass die vielen feinen Goldreifen an ihren dünnen Handgelenken rasselnd erklangen. „Welch Freude! Welch Wonne! Hoffentlich wird diese Leda endlich im Feuer enden – wo sie hingehört! Oder auf das Rad geflochten, wie es sich geziemt! Und die paar lumpigen Kampfsklaven, die ihr Leben lassen durften, interessieren doch nicht im Massengrab des Weltenschicksals. Einfach wundervoll, diese Botschaft des nun kommenden Friedens! Endlich dürfen die Waffen schweigen.“ Ihre gleisnerische Zunge troff vor Scheinheiligkeit und trotzdem schmeckte sie Süße.





252. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von M A G N U S am 09.01.23 10:00

Mag der lustgierende Geist ganz andere Höhepunkte in dieser Episode ausgemacht haben, wage ich als einen der vielen Glanzstücke höchster literarischer Qualität diesen sprachlichen Leckerbissen herauszustellen, welcher im Fortgang der Handlung im Brausen des Kampfgetümmels schnell aus der Erinnerung hinfortgedrängt zu werden droht:

"Exzellent geschulte Befragerinnen der großen Cassandra würden meisterlich eine Symphonie der Schmerzen auf ihnen spielen, um verborgene Erkenntnisse, die hinter fest versiegelten Lippen verborgen waren, zu erlangen, um die Elenden danach mit einem Schierlingstrunk zu erlösen, der durch ihre dann nutzlosen Kehlen der bald Entschlafenen fließen würde."

"Und eitel wäre das Hoffen auf ein hehres Mirakel", das auch meiner Tastatur einmal solche schriftstellerischen Meisterleistungen entspringen ließe...
253. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 09.01.23 19:45

Das Ende der großen Invasion befleckte ihre Zukunft allerdings auch mit dem Wermutstropfen, dass ihre Putschversuche, Cassandra vom Thron zu stoßen, wohl erfolglos bleiben würden, denn die Königin war gewisslich schon auf dem Heimweg. Ganz zu schweigen von Tagara, der mächtigen Hohepriesterin des Maluskultes. Das sollte aber nicht ihre Laune verderben. Die wohlgemute Vesta wies sofort die Höflinge an, ein superbes Freudenfest zu organisieren. Neben einem verschwenderischen Festbankett mit Pasteten und Küchleins in Saus und Braus sollten auch lustige Spiele in der Arena stattfinden. Leibeigene würden Loblieder und Tänze präsentieren. Dabei musste zum Ausdruck kommen, wie sehr Vesta, die geliebte Statthalterin, verehrt wurde. Auch an Opferungen hatte sie gedacht, doch Beraterinnen hatten ihr diese Gedanken flugs ausgetrieben, „da es zu Tumulten führen könnte“. Vestas Kompromiss war eine Massenauspeitschung, bei der sich die Sklaven selbst oder gegenseitig geißelten – als Treuebeweis für die Hochwürdige Vesta.

Auch sollte ein Sklavenrennen auf allen Vieren unterhalten, Gewichte würden gezogen werden, die mit den Gemächten der Leibeigenen verbunden waren. Vesta hatte noch viele schillernde Vorschläge, zum Beispiel einen Wettkampf zwischen Sklaven um den dicksten Zapfen, den ein Teilnehmer versenken konnte… Wo, dass benötigte wohl keiner genaueren Beschreibung. Und zu guter Letzt durften auch die Damen bei einer Tombola mitmachen: Jede Lady erhielt eine Losnummer auf einem kleinen Stück Pergament. Jede Zahl war einer der Kreaturen zuzuordnen. Die Leibeigenen hatten die Ehre ihrer neuen Eigentümerin eine kleine Vorführung nach den Wünschen der Grazie zu präsentieren. Den Fräuleins entwuchsen gar reichhaltige Ideen.

Eine ließ ihren Gewinn einen Handstand machen und dann in die Hände klatschen; eine junge Dame wollte ein quiekendes und grunzendes Schwein, dass mit der Nase im Boden wühlt; eine dritte Lady ließ ihren Leibeigenen einen Lobgesang über sie anstimmen; eine weitere Edelfrau verlangte, dass sich der Sklave so schnell wie möglich im Kreis drehte. Ein anderer Sklave fand sich kopfüber an einem Seil baumelnd, ein weiteres um seine Männlichkeit, an der ein Fräulein zog und ihn in Schwingung brachte; ihre Freundin knallte mit ihrem Stock auf das Gesäß, sobald der Hängende sich ihr näherte. Später wechselten sie ihre Positionen. Die Einfälle waren so vielfältig wie es unterschiedliche Seidenkleider und bunt funkelnde Edelsteine an Ketten und Ringen der jungen Damen glitzerten. Die Kapriolen waren ansteckend wie ein Pockendecke, nur gefielen sich die Ladys in ihren Eskapaden wohler als in einem kratzigen Mantel.

Im Anschluss bewertete die Eigentümerin dann mit dem ausgestreckten Daumen die Darbietung: Ein nach oben zeigender Daumen bedeutete, dass der Leibeigene Mahl und Kleidung erhielt; ein nach unten deutender Finger jedoch besiegelte das Schicksal des Mannes. Verlierer wurden über ein liegendes Fass gespannt, gegeißelt und mit einer Spreizbirne im Gesäß aus der Arena gejagt. Dabei konnten die Sklaven nur breitbeinig und unter Schwierigkeiten watscheln, während sie mit Stöcken und langen Peitschen traktiert und mit Schmährufen und Gelächter verjagt wurden. Eine Kakophonie aus silbernem Lachen, Stimmengewirr der plaudernden Ladys und fröhlichen Melodien bildete sich als Hintergrund der Szenerie des Festes. Was danach mit ihnen geschah, erfuhr das Publikum nicht, doch munkelte man von einem drakonischen Straflager im Osten des Kontinents, wo die Sklaven sühnen durften, bis ihre Abbüßung von den Priesterinnen des Maluskultes als abgetragen galt – und das war ganz willkürlich nach Monaten, Jahren oder nie der Fall. Die rechte Gunst der Geistlichen zu genießen, war ein teuer verdientes und seltenes Gut.

Forma blieb in der königlichen Burg, meist in einem für sie eingerichteten Boudoir, wie Gladius ihr empfohlen hatte. Mit Aphron sprachen die beiden fortan kein Wort mehr. Der Medikus brütete über der Demütigung, die ihm Forma angetan hatte. Dann kam auch noch zu allem Überfluss der Königsgemahl Abas in seine Stube gepoltert und blaffte ihn an. „Ich brauche eines seiner Elixiere gegen die bösartigen Wichte, die in meinem Kopf herumhämmern! Beeile er sich!“ Aphron konnte sich nicht beherrschen und brüllte: „Lasst mich in Ruhe! Ich bin gerade dabei…“ Da bemerkte er seinen Fauxpas und versuchte zu retten: „Ach, Ihr seid es, werter Königsgemahl. Verzeiht. Ich glaubte, der Stiefelknecht…“ Abas unterbrach ihn schroff. „Unsinn! Er hat genau gesehen, dass Ich es bin! Aber Ich bin ja nur ein Krüppel, der im Kerker der Megara gehockt hat und halbtot zurückgekehrt ist. Er glaubt wohl, Ich bin der Manneskraft beraubt? Glaube Er das ja nicht!“ Abas schrie immer lauter, schäumte und seine Stimme überschlug sich. Er hatte offenbar mehr Wein getrunken, als er vertrug. Aphron flog eine Wolke aus säuerlichem Alkoholgeruch entgegen.

Im nächsten Moment, als zufällig gerade eine blassgesichtige Zofe eintrat, um einige gespülte Glasphiolen zu bringen, da packte Abas sie an der Schulter und verkrallte seine Finger in dem Stoff des Kleides. „Komm her, Maid“, befahl er schnarrend und stieß das junge Weib grob vorwärts gegen einen wurmstichigen Tisch. „Beug dich vor!“, wies er sie an und drückte ihren Oberkörper über die Platte. „Dein Schoß soll mir Paradies sein.“ Jetzt wandte sich Abas wieder dem Medikus zu. „Ich werde ihm beweisen, dass meine Manneskraft ungebrochen ist! Er hat mir gefälligst Respekt zu erweisen! Und alle anderen Höflinge und Diener in dieser armseligen Burg auch!“ Er zerrte und riss an der Schürze der armen Zofe, die den Medikus entsetzt ansah. Abas geiferte dem Medikus zu: „Da schau nur genau hin, Quacksalber, und sei geläutert! Ich besorge es jedem Weib tausend Mal besser als du!“

Aphron war fassungslos und bestürzt. Hatte der Königsgemahl den Verstand verloren? Die Zofe sah den Medikus hilfesuchend und ungläubig an. Aphron durfte es sich nicht erlauben, den Königsgemahl zu kritisieren oder gar Hand an ihn zu legen. Er lief aus der Kammer. Vielleicht würde er Gladius irgendwo treffen. Der Heiler rannte aufgebracht durch den Gang der Burg, sein Gewand flatterte dabei durch die Luft. Und da fand sein Auge ihn: Vor ihm erschien der Schultheiß. Aphron kam mit brennenden Lungen bei Gladius an und berichtete hastig, dass der Königsgemahl außer Sinnen schien und eine Zofe auf seinem Arzneitisch… Den Rest seiner Worte vernuschelte er, da er die tadelvolle Wahrheit nicht wagte.

Es war nicht leicht, die pikante Wahrheit diplomatisch über die Zunge entschlüpfen zu lassen, doch Gladius merkte, wie aufgelöst der Medikus war, und eilte mit klapperndem gerüstetem Wams in großer Unruhe durch den Gang. Als der Schultheiß die Alchemiekammer betrat, sah er die Zofe völlig entsetzt mit zerrissenem Kleid an dem Arzneitisch stehen. Doch weniger wegen der schändlichen Tat war sie verstört; vielmehr konnte sie kaum glauben, was danach geschehen war: Der Königsgemahl war, nachdem er sich in ihr ergossen hatte, weinend und schluchzend vor ihr auf die Knie gefallen und hockte nun ihr gegenüber auf dem Steinboden, wimmerte vor sich hin wie ein kleines Balg. Gladius räusperte sich und schickte die Zofe hinaus, die hinfort eilte, als sei ein Dämon hinter ihr her.

Zur gleichen Zeit war Königin Leda in den dunklen Gemäuern unter der Burg unterwegs. Zwei Gardistinnen begleiteten sie mit lodernden Fackeln. Schnapphähne, Beutelschneider, Totschläger und vielerlei finstere Gestalten waren in den Kellern eingekerkert. Doch für zusätzliche Esser würde Leda bald keine Verwendung mehr haben. Die cassandrischen Truppen zogen ihre Kreise immer enger um die Burgfestung. Bei einer Belagerung würden schon genug Mäuler gestopft werden müssen. Gefangene waren da überflüssig wie ein Kropf. Die Regentin verlas ein gerolltes Pergament mit rotem Wachssiegel, auf dem sie die Häftlinge für vogelfrei erklärte. Sie entließ sie in die Freiheit, doch gleichzeitig mussten sie die Burgmauern verlassen. Hatten sie Glück, so schlugen sie sich in Ledanien durch und konnten den cassandrischen Kampfsklaven und ihren Anführerinnen entkommen. Der Norden des Alten Kontinentes war wild und unerkundet, so dass sie daselbst untertauchen konnten – falls sie bis dorthin gelangten. Leda war dies einerlei. Die Kreaturen waren keine unschuldigen Lämmer, die sie der Hut der Raubtiere überließ; sie waren übel Sünder, die unter Ihresgleichen leben sollten.

Der Wachmann Winand öffnete einen quietschenden Gitterverschlag nach dem nächsten und schaute grimmig drin, denn ihm wurden seine liebsten Spielzeuge genommen. Vermutlich musste er nun Dienst auf der Wehrmauer tun. Ein gefährlicher Ort - besonders zu begebnisreichen Kriegszeiten wie diesen. Lieber wäre er mit einer Fackel in eine Flachskammer gelaufen. Das gefiel ihm gar nicht. Die Gefangenen wurden nach oben in den Burghof geführt. Sie trugen nur schmutzige Fetzen am Leib und waren ausgemergelt. Wenige besaßen noch Schuhwerk. Eine Reihe aus gerüsteten Wächtern schob die Geächteten mit silberfarbenen Schilden zum Fallgitter. Einige der Männer jammerten und fielen auf die Knie, denn sie ahnten, welche Gefahr ihnen nun drohte. Andere sahen nur den blauen Himmel und die Sonne über sich und konnten nicht schnell genug hinaus gelangen. Manche von ihnen hatten viele Jahre lang keine Wolken und den freien Himmel oder grüne Bäume gesehen. Und selbst die, die nur wenige Wochen unter dem sadistischen Wächter Winand hatten leiden müssen, waren verzweifelt genug, um in der ungewissen Reise durch die feindlichen Reihen ihr Glück zu suchen, selbst die Barfüßigen.

Bald schon waren sie wie flüchtende Hasen hinter einem Hügel verschwunden. Winand beobachtete den Auszug des Pöbels und verächtlich spuckte er aus. „Die Ratten verlassen das sinkende Schiff.“ „Würdest du mit dem Geschmeiß tauschen wollen?“, frug eine dunkle Stimme plötzlich neben ihm. Winand drehte sich zu dem unerwarteten Besucher und blieb die Antwort schuldig. Es war Bertram, sein Wachkamerad, ein schlaksiger Kerl mit einem leichten Buckel, aber doch hochgewachsen. „Sieh an! Bist du nun auch für die Mauer eingeteilt, da der Kerker leer ist?“ Bertram nickte. Dabei knarrte sein dicker Lederbrustharnisch. „Ja, und mir behagt es hier an der frischen Luft sogar besser. In den modrigen Verliesen siecht man selbst als Wärter vor sich hin. Dort herrscht der Tod. Und irgendwann frisst er an dir.“ Winand rümpfte seine Nase und zog den Rotz hoch. „Na ja, mir hat´s daselbst gut behagt.“ Er grinste schmierig. Er würde sich ein neues Opfer für seine dunklen Neigungen suchen müssen. Vielleicht den jungen Pferdeknecht. Der hatte einen trefflich süßen Arsch – fest und weich zugleich wie seine Lederkappe. Allerliebst.

Die Oberste Gardistin Nike schritt herbei, und die beiden Männer standen augenblicklich stramm. „Haltet sorgfältig Ausschau auf die Hügel! Sobald ein Feind naht, meldet ihr Alarm mit diesem Horn!“ Sie reichte Bertram ein Signalhorn, das an einem Lederriemen befestigt war. Dann ging sie forschen Schrittes zur Falltür und stieg hinab in den Burghof. Der Soldat hängte sich den Rufer um und lugte in das dicke Ende, als erwarte er hier wie in einem Trinkhorn einen guten Schluck Bier. Statt zu den Waffen zu greifen würde er gewiss lieber hinter einem Krug voll kühlem Gerstenbräu sitzen und dem Sieger zuprosten. Fahnentreue und Feigheit hießen die beiden Herzen in seiner Brust. Nike wurde bereits von einer Ehrenformation kräftiger Gardisten ersehnt, die salutierten und ihr dann im Gleichschritt folgten. Die Oberste steuerte die Rüstkammer an. Dort besprach sie mit den leitenden Soldaten den Wachplan und Verteidigungsstrategien für den Fall eines direkten Angriffs auf die königliche Burg. Jeder erhielt genaue Aufgaben und Anweisungen. Nicht weniger als ihr aller Leben hing davon ab.

Bei einer anschließenden Beratung im Fahnensaal mit Königin Leda und Schultheiß Gladius beschlossen sie ihr weiteres Vorgehen. Viel Hoffnung gab es nicht, denn die cassandrische Übermacht war überwältigend. Es war nur eine Frage der Zeit, bis auch die letzte Bastion Ledaniens fallen würde. Das Volk war bereits großteils versklavt worden. Innerlich bekümmert, aber nach außen stark, saß die Majestät auf ihrem lichtumflossenen Thron und wusste sich keinen Rat. „Wir werden uns so teuer wie nur möglich verkaufen“, schwor sie in vollem Trotz. „Wir werden bis zum letzten Mann und zum letzten Weibe kämpfen! Wir werden niemals aufgeben!“ Ihr Antlitz war unnachgiebig wie Stein, nur die tiefen Schatten unter ihren Augen verrieten ihre Müdigkeit.

Abas war nicht bei der Beratung anwesend gewesen, denn sein Gemütszustand war völlig durcheinander. Er fieberte und fantasierte von Hochverrätern, Waldgeistern und Giftmördern. Aphron hatte ihm einen Schlaftrunk aus Mohn bereitet, der den Königsgemahl beruhigte, so dass die Stille seines Leibes nun nur noch von seltenem Zucken und Ächzen unterbrochen wurde. Gladius berichtete Leda von Abas` Zusammenbruch. Dabei sparte er die frivole Tat des Königsgemahls feinfühlig aus der Schilderung aus. Aphron wisperte später in seiner Medikuskammer seinem Spiegelbild zu: „Abas hat den Verstand verloren. Aber wie sage ich es der Königin?“ Er nahm einen großen Schluck aus seiner Brandweinflasche. Alles war verloren, sinnierte er. Abas war am Ende. Das Königreich war am Ende. Er selbst war am Ende. Forma hatte ihm Hörner aufgesetzt. „Solange habe ich als Liebessklave bei diesen Furien verbracht! Und nur, um jetzt wieder in einem Keuschheitsgürtel zu hocken? Diese Verräterin Forma hat den Tod verdient! Und Gladius ebenso!“ Er biss sich voll Groll auf die Lippen, bis er Kupfer schmeckte.

Sollte er alles auf eine Karte setzen und eine Giftmixtur auf den Festtisch schmuggeln? Oder sollte er Forma zwingen, ihm den Schlüssel zu geben und aus der Burg flüchten? Gar gen Norden, wo die cassandrischen Truppen nicht die Umgegend unsicher machten? Doch wer würde ihn dort in der Wildnis erwarten? Sein Gemächt quälte ihn von Tag zu Tag mehr. Wie konnte Forma nur so grausam sein!? Warum hatte sie ihm das angetan? Und wenn sie für den Schultheiß ihre Schenkel spreizte, so sollte sie ihm wenigstens den Schlüssel zu seinen Lenden zurückgeben!

Doch es sollten erbarmungslose Woche folgen. Während sich die cassandrische Armee eng und in mehreren Ringen um die Burg zog und inzwischen kein Fluchtweg mehr offen stand, erwartete Leda jeden Tag den definitiven Sturmangriff, der ihr den Garaus machen sollte. Indes unterblieb er noch. Vielleicht wollten Cassandra, Tagara und Prodita sie aushungern. Vielleicht wollten sie sie lebendig ergreifen, um an ihr ein Exempel zu statuieren. Nur die Alten Götter kannten die Zukunft. Leda grübelte und vertiefte sich immer mehr in dunkle Vorstellungen. Aphron quälten jedoch andere Gedanken. Seine Manneskraft zeterte um Aufschluss und peinigte ihn Tag und Nacht. Der Medikus nahm bereits täglich einen Sud aus Kräutern, die den Trieb dämpfen sollten, doch der Gepeinigte merkte nichts von der angeblichen Wirkung. Im Gegenteil: Sein Verlangen wurde größer und größer. Immer wieder sah er Forma in den Armen des Schultheißen, bei dem sie logierte. Ihre Blicke waren schadenfroh und gemein. Am liebsten wäre er ihr an die Kehle gesprungen ob dieser Gemeinheit.

Es war der Tag, an dem alle Nerven blank lagen, denn die Mahlzeiten waren inzwischen streng rationiert. Kaum jemand wurde davon noch satt. Aphron war durch die dunklen Gänge der Burg gewandelt, um auf andere Gedanken zu kommen und war die Wendeltreppe hinab in die Kerkergewölbe geschritten. Dort hörte er merkwürdige Geräusche. Der Gemahl der Leda näherte sich dem Gefangenentrakt mit vier Zellen. Im Schein der Fackeln, die in schmiedeeisernen Halterungen an den Wänden loderten, sah er den nackten Hintern eines Mannes, wie er über eine zierliche Gestalt gebeugt war, und sich offensichtlich der Lust hingab. Spasmisch zuckten seine Lenden, als er sich in die Person ergoss. Es konnte sich nicht um den Schultheißen handeln, denn die herabgelassenen Beinkleider des Mannes waren eher die eines einfachen Wachmannes. Und das Wams aus altem, speckigem Leder erinnerte ihn an die Wächteruniformen. Sollte es ein Soldat etwa hier unten in den nun leeren Verliesen mit einer Magd treiben?

Aphron schlich näher. Doch dabei tauchte er in den Lichtschein eines Feuerkorbes, der neben den beiden Liebenden stand. Jäh schrie die kleinere Person, die Aphron bemerkte. Der Heiler stand wie gebannt da: Unter dem Wächter tauchte ein jungenhafter Mann auf – der Pferdeknecht. Und das narbige Gesicht des Wachmannes kannte er doch auch! Das war Winand, bekannt für seine ausufernde Zügellosigkeit. Dabei war es dem Wächter offenbar gleich, ob er mit Weib oder Recke seiner Lust frönte! Aphron gedachte zur Wendeltreppe zu eilen, aber Winand hastete hinterher und zog ihn am Gürtel. „Wartet! Wo wollt Ihr hin? Kann das… nicht unser Geheimnis bleiben?“ Der Heiler war in höchstem Maße erregt von seinen Beobachtungen. Sein Gemächt stemmte sich mit aller Kraft gegen den Keuschheitsgürtel. Neid wuchs in seiner Brust. „Ich muss das melden!“ Winands Stimme wurde fast winselnd. „Ich bekomme Ärger. Bitte! Untertänigst bitte ich Euch!“ Er zeigte auf den Jüngling. „Der da hat mich gezwungen! Ja, der Bengel hat mich gefügig gemacht! In ihm wohnen böse Geister.“

Der flachsblonde Pferdeknecht hatte seine hellbraunen Leinensachen zusammengerafft und seine Blöße bedeckt: „Das ist nicht wahr! Genau andersherum wird ein Stiefel daraus! Er hat mich bedrängt.“ Winand schickte dem Jüngling blitzende Blicke. „Halt dein Maul! Was wagst du für Worte? Ich werde dir Milchbart wieder…“ Er verstummte. Den Moment nutzte Aphron, um hinfort nach oben zu eilen. Die beiden ungleichen Männer konnten ihm nur hinterher starren. Winand knirschte mit den Zähnen. Der Knecht zitterte vor Angst. Was würde der Medikus den Oberen berichten? Was würde geschehen? Er hatte gehört, dass Mordbrand, Hexerei, Münzfälschung und Unzucht mit dem Scheiterhaufen bestraft wurde.









254. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 15.01.23 16:06

Am nächsten Tag wurden zwei Pranger im Burghof aufgestellt. In einem steckte Winand, im anderen der junge Knecht. Leda, in ein hochgeschlossenes Kleid aus dunkelgrünem Seidentaft gewandet, richtete ihre Augen von einer Holz-Brüstung hinab auf den Hof. Neben ihr saß Abas, der mit fiebrigem Blick ins Leere starrte und sich unruhig am Hals kratzte. Auf der anderen Seite hatte der Schultheiß in einem prachtvollen Wappenrock mit Goldstickerei Platz genommen. Neben ihm schmiegte sich Forma unverhohlen an Gladius. Aphron stand im Hof in der Nähe von der Obersten Gardistin Nike, die eine kleine Abordnung Gardisten in Reih und Glied an einer Seite der Pranger aufgestellt hatte. Der Medikus schaute eifersüchtig hoch zur Brüstung. Forma trug Tand und Geschmeide. „Sie hat sich kaufen lassen wie eine billige Hure!“, grummelte er in sich hinein, so dass es niemand hören konnte, doch tief in ihm brüllten die schmutzenden Fantasien, in denen Formas Schoß sich schamlos für den Gockel öffnete.

Zwei zottige Jünglinge schlugen mit ihren Stöcken im Gleichtakt auf ihren Pauken. Auf ein Zeichen der Königin verstummten die Trommler, und Nike verkündete laut das Strafmaß. „Wegen Unzucht werden der Wächter Winand und der Stallbursche Jeremias zu jeweils zwei Dutzend Rohrstockhieben auf das blanke Gesäß verurteilt.“ Ein leises Aufraunen drang bis zu Leda empor. Nike sprach weiter. „Des Weiteren sollen sie für ihr unziemliches Verhalten im Pranger stehen bis zur nächsten Morgenröte.“ Die Oberste schritt eine Reihe Gardisten ab und wies zwei ausgewählte Büttel an: „Im Namen der Königin. Waltet eures Amtes!“ Die Männer waren zuvor aus den Reihen der Soldaten ausgesucht worden. Sie trugen schwarze Kutten und passende Gugeln aus Wolle. Von der gegenüberliegenden Seite schauten einige Neugierige der Bestrafung zu: Mägde, Knechte, Soldaten, die Freigang hatten. Mit kraftvollen Griffen rissen die beiden Büttel den Delinquenten die Beinkleider hinab und schoben das Wams den vorgebeugten Torso hoch. Vereinzelt erschallte helles Kichern, als die weißen Ärsche der Öffentlichkeit preisgegeben wurden.

Die Oberste war zurück geschritten und stand nun breitbeinig mit den Händen hinter dem Rücken verschränkt da und wippte auf ihren Fußballen. Der Kragen ihres Uniformrocks zeigte feinste geklöppelte Spitze. Ihre Schultern waren mit Lederplatten verbreitert. Ihre engen Beinkleider steckten in hohen Stulpenstiefeln. Sie war eine respektvolle Erscheinung und verzog keine Mine in ihrem stolzen und ehernen Gesicht, als die Büttel zur Tat schritten und abwechselnd die Streiche verteilten. Die frischen Haselnussruten waren lang und prasselten mit bewunderungswürdigem Eifer und laut auf das Sitzfleisch der Männer. Zu Anfang versuchten diese noch ihre Würde zu wahren, doch nach dem sechsten Hieb drangen ihre haltlosen Schreie in die Ohren der Umstehenden, deren Faszination durch die Schmerzenslaute genährt wurde. Der Pferdeknecht wimmerte nach zwölf Schlägen wie ein Knabe am Busen seiner Mutter. Doch auch das zweite Dutzend führten die Kapuzenträger stoisch kraftvoll aus.

Mägde und Zofen hielten sich erschrocken die Hände vor das Gesicht, lugten aber neugierig zwischen den Fingern hindurch. Bei einigen Männern und Weibern war ein schadenfrohes Grinsen nicht zu übersehen. Einige der Zuschauerinnen sahen eher grimmig, aber voller Genugtuung drein. Denn Winand hatte sich schon mit so mancher Maid und gar einigen jüngeren Recken vergnügt. Dabei hatte die Freude nicht immer auf beiden Seiten geglüht. Eine ältere Magd murmelte: „Da bekommst du sie, die wahrlich heißen Küsse der Rute, die deine verderbte Seele verdient!“ Ein junger Bursche mit feuerrotem Schopfe und spindeldürrem Leib nickte und schaute gebannt der Züchtigung zu. Eine Magd starrte auf das Geschehen und flüsterte: „Was er gesät, er nun erntet.“ Nach der offiziellen Maßregelung durch die sausende Geißel marschierte die Garde paradierend hinter Nike ab, und auch die anderen Schaulustigen gingen wieder ihrer Wege. Leda stand wortlos auf und zog sich in ihre Gemächer zurück. Gerade in diesen schweren Zeiten war Disziplin und Autorität das wichtigste Gut, das nur rar gesät - obwohl Prügelstrafen gewöhnlich nicht nach ihrem Gusto waren.

Während der Stallbursche kraftlos in seinem Pranger hing und wie ein Häuflein Elend und leise das Tal der Tränen durchwanderte, rätselte er darüber, wie er die lange Nacht überstehen sollte. Das Weinen hatten schmutzige Bahnen in seinem Gesicht hinterlassen. Winand sah abschätzig zu seiner Seite und prophezeite: „Warte nur, Bursche! Heute Nacht kommt die eigentliche Strafe!“ Jeremias schaute mit großen Augen ängstlich hinüber. „Was sollen deine Worte bedeuten?“ Winand grunzte abschätzig. „Was wohl? Glaubst du, wir bleiben bei Dunkelheit alleine im Burghof?“ Er lachte gehässig und resignierend. „Wenn die Sonne schlafen geht, erwachen die Incubi und Succubi – Dämonenwesen, die es dir so richtig besorgen werden.“ Wieder brach er in ein freudloses Lachen aus. „Und glaube mir, es wird auch weltliche Lüstlinge geben, die sich an einem Wehrlosen gütlich tun wollen. Und widerliche Faune nicht zu vergessen.“ Der Pferdeknecht schluckte schwer und brach erneut in Tränen aus. Hatte er nicht schon genug gelitten?

In den nächsten Stunden durchlebte der Jüngling die fürchterlichsten Szenen vor seinen inneren Augen. Und als die Dämmerung eintrat, betete er leise vor sich hin zu den Alten Göttern. „Die werden dir auch nicht helfen, du Dummkopf!“, kreischte Winand hysterisch und lachte wieder. Danach wurden beide still. Die Geräusche aus der Burg wurden leiser, seltener. Ein Licht nach dem anderen wurde gelöscht und tauchte den Burghof in immer tiefere Schatten. Nur das Flattern einer Fledermaus war zu vernehmen. Oder war es ein Greif gewesen? Und dann blieb das Herz des Jünglings vor Schreck fast stehen: Leise Schritte knirschten über den Kieselsteinen eines Weges am Rand des Hofes. Sie kamen näher… Das Herz des Stallburschen hämmerte ihm von innen gegen die Rippen. Seine Atmung wurde hektisch. Er biss seine Zähne zusammen und verkrampfte am gesamten Leib. Kalter Schweiß bildete sich auf seiner Stirn. Lag die Hand des Todes bereits auf ihm? Das fremde Wesen verbarg sich just hinter ihnen stehend und betrachtete ihre blanken Hintern…

Doch statt sich am Jüngling zu vergehen, vernahm der junge Mann einen unterdrückten Laut von Winand. Jeremias drehte seinen Kopf so weit es ihm möglich war. Über Winands Schädel war eine alte Wolldecke gelegt worden, und den dumpfen Geräuschen nach zu urteilen, hatte jemand ihn geknebelt. Was ging hier vor? Nun wackelte der Pranger, als würde der Dämon Unzucht mit Winand treiben… Jeremias betete wieder zu den Alten Göttern, dass er verschont bleiben möge. Nach einer Weile endeten die Laute und Bewegungen, aber nur, um kurz darauf wieder einzusetzen. Dies wiederholte sich mindestens ein Dutzend Mal. Als Jeremias es wagte, wieder zur Seite zu schauen, hatte Winand keine Decke mehr über dem Kopf und auch keinen Knebel mehr im Mund. Der Pferdeknecht konnte sogar trotz der Dunkelheit erkennen, dass Winand puterrot war. Als sich die Blicke der Männer trafen, schaute Winand zu Boden. Beschämt und jammervoll. So hatte Jeremias den gemeinen und frechen Wächter noch nie erlebt. Auch, wenn sich der Jüngling das Vorgehen zusammenreimen konnte, ahnte er noch nicht, wie peinlich heiß Winands Wangen glühten, weil er sich während der peinigenden Besuche selbst zwischen seine Beine ergossen hatte.

Von einem offenen Wandelgang aus sah eine zwölfköpfige Gruppe auf den Innenhof hinaus. Die letzte Person war gerade erst vom Hof erschienen und stellte sich nun dazu. Sie reichte den Holzzapfen, den sie über ihrer Magdschürze gegürtet hatte, mit dem Geschirr weiter. Es wirkte wie eine Zeremonie. Niemand sprach ein Wort. Jemand zog dem Kolben den Schafsdarm ab. Der hölzerne Phallus war noch ganz warm und feucht. Er ging durch alle Hände bis zur ersten Person, die ihn in eine kleine Binsenmatte einwickelte. Dann schritten alle leise in die Burg zurück und gingen ihrer Wege, als sei nichts geschehen. Der Gerechtigkeit war genüge getan in dieser schwülen Nacht. Winand würde sich so schnell wohl keine Maid mehr oder einen Burschen schnappen, um seine verderbten Neigungen an ihnen zu sättigen.

Derweil lag Forma willig geöffnet unter Gladius und genoss die mit Verve geführte Hüfte ihres Liebsten. Ihr warmer und üppiger Busen wackelte im Takt. Das pralle Schwert des Schultheißen war von gutem Wuchse und rauschte in die enge Spalte – rein und raus und rein und raus – wie es auch ein dicker Holzpflock, mit Butterschmalz eingerieben, zwischen zwei lasterhaften Arschbacken tun würde. Ein sanftes Beben führte die Liebenden ungestüm und voll Wonne in ein entzückendes Paradies als sich der Recke ergoss, und Formas Herz glühte vor Leidenschaft. Für einen kostbaren Augenblick verdeckte ihre pulsierende Glückseligkeit die bösen Kriegswirren.

Zu dieser späten Stunde befahl Despotin Cassandra auf Weisung der Hohepriesterin Tagara eine hochrangige Duxa in die Festung an der ehemals ledanischen Grenze. Bereits im Vestibül hieß sie sie willkommen. „Lasst sieben Briefraben nach Osten zur Metropole fliegen. So schnell wie möglich soll Unsere Galeerenflotte über das Nordkap ins Westmeer manövrieren.“ Die Duxa stand in ihrem mit Troddeln verzierten Waffenrock stocksteif vor der Herrscherin und öffnete erstaunt den Mund. Über das Nordkap? Das hatte noch keine Flotte gewagt. Schiffe im Westozean waren in den Redereien der Westküste gebaut worden. Die Ostflotte würde einen gefährlichen und unerkundeten Weg fahren müssen. Cassandra, geschmückt mit einem aufwändigen Kleid aus Goldmoiré, sah die Zweifel der Uniformierten und sprach: „Die Galeeren werden durch das Eis müssen! Und sie werden es schaffen oder drakonisch bestraft werden!“ Die Offizierin verbeugte sich zackig, salutierte und verschwand.

Sie ahnte, warum dieser gewagte Schachzug von der Imperatorin gefordert wurde. Es sollte in jedem Falle vermieden werden, dass die besiegte Leda erneut über das Meer flüchten könnte, wie sie es ihr vor Jahren schon einmal mit ihren letzten loyalen Mitstreitern gelungen war. Doch die Duxa wusste auch von der gefährlichen Route über das Eismeer, wo Sturm und Kälte den Galeerensklaven Unmenschliches abverlangten. Und sollten sie den Westozean erreichen, so wartete daselbst der Legende nach ein wütender Leviathan mit gärendem Brodem, der alle Schiffe, die sich zu weit von der Küste entfernten, in die schwarze Tiefe zog, um ihnen ein nasses Grab zu bescheren. Ob Garnspinnerei oder nicht, Furcht kroch ihr ins Gebein. Nicht mal einige tiefe Schlucke aus der Weinkaraffe konnten ihre Furcht zerstreuen.

Noch am selben Tage flogen sieben Briefraben gen Osten, um den Befehl der Königin zu überbringen. Auch Vesta würde ihn erhalten und einige Befehlshaberinnen an die Küste schicken müssen. Ansonsten hielt sie sich aus der Politik heraus. Bald schon würde Cassandra zurückkehren in ihr altes goldenes Heim. Vielleicht dürfte Vesta darauf hoffen wieder in der Metropole Stadthalterin zu werden. Im Westen war bereits Prodita an der Macht und regierte im Terrain des ehemaligen Stadtstaates. Sollte sie zum alten Palast ihrer Mutter Fama zurückkehren, so würde sie ihre Schwester Aurora mitnehmen, um ihr eben da in den Kerkern ein neues Heim zu bieten, wo diese weiterhin hungern und dürsten dürfe – auch nach Gesellschaft.

Ihr versuchter Putsch war missglückt. Hoffentlich verriet sie keine Duxa an Cassandra. Doch sie wusste, wenn Wort gegen Wort stand, so würde die Herrscherin wohl eher Famas Tochter glauben. Und die Denunziantin würde als verlogene Schlange der Henkerin überantwortet. Zuvor würde sie dafür sorgen, dass ein Büttel ihr öffentlich mit einer heißen Zange das Falsch stahl. Genüsslich suhlte sich Vesta bei der Vorstellung, wie die Zunge der Duxa in einen Weidenkorb fiel. Sie würde den Inhalt als Talisman aufhängen, der ihr zur Zierde gereichen würde wie der Drudenfuß aus Gold, den sie trug. Oder ihr Respekt beim Pöbel verschaffen. In Cassandria wurde nicht lange gefackelt. Zwar war eine Verurteilung einer Dame nicht so einfach und schnell zu bewerkstelligen, wie bei den Schnellverfahren bei niederen Mannsbildern, aber Hochverrat war da etwas ganz anderes. Die Richtstatt hieß Sünder schneller willkommen, als die Axt den Gänsehals.

Einen Scharfrichter hätte sich auch Leda im Falle des Renegaten Zelos gewünscht. Im Nachhinein konnte sie sich verfluchen, den Abtrünnigen ins Exil verbannt zu haben, wo er weiteres Ungemach entfesseln konnte. „Hätte er sein Leben ausgehaucht oder wäre er im Kerker unter der Burg verreckt, dann wäre der Grenzwall nicht gefallen!“, war sich die Königin sicher und rümpfte verärgert ihr Näschen. „Mich deucht, der geheime Zugang und die Schwachstellen in der Mauer sind durch Verrat an den Feind gefallen. Und wer sonst hätte diesen gewissenlosen Treuebruch begehen können, wenn nicht Zelos!?“ Die Frucht des Verrats war der Niedergang Ledaniens; die Frucht des Verräters war der Tod. Und das ahnte Leda. „Wer sich mit dem Bösen einlässt… Fürwahr! Wie konnte er sich so erfrechen? Er wird seinen gerechten Lohn erhalten haben. Verderben soll kommen über sein Haupt!“ Und über das Antlitz der Königin zog ein harter Ausdruck der tiefen Enttäuschung.

Der Todesstoß für Ledas Burgfeste war jedoch zunächst aufgeschoben, denn der finale Angriff sollte erst erfolgen, wenn die Westküste vor cassandrischen Galeeren nur so wimmelte. In den folgenden Tagen und Wochen kam Trubel und Leben in die Osthäfen des Kontinents. Cassandrische Centurias statteten die Kampfgaleeren mit frischen Sklaven aus, organisierten breitbäuchige Schiffe für Proviant und Waffen, und unterschrieben großzügige Heuer-Verträge mit Soldatinnen und weiblichen Seeoffizieren. Nur die Schlangen aus Galeerensklaven waren noch länger, als die der Rekrutierungsstellen. Die Rümpfe einiger Dutzend Schiffe mussten eilig überholt, Tonnen von Segel genäht und verstärkt werden. Einige Transportkähne waren bis zum Deck mit Wurfgeschossen beladen. In sämtlichen Osthäfen hämmerten, zimmerten, schmiedeten und schleppten Sklaven Transportgut und Schiffsteile.

Und schon bald machten sich die ersten Galeeren auf den weiten Weg, um die Wogen des Schicksals über Ledanien hereinbrechen zu lassen. Immer mehr schlossen sich dem gewaltigen Verband an. Als die Flotte komplett war, besiedelte das Ostmeer eine Armada, die vor lauter Segeln und Schiffsrümpfen so weit das Auge reichte die Wellen verdeckte und die schäumenden Wogen durchfurchte. Vielen Duxas war unverständlich, warum Cassandra eine so große Streitmacht in den Westozean schickte, denn es hieße doch lediglich eine Flucht der Königin Leda zu verhindern. Aber die Armada sollte auch einem symbolischen Zwecke dienen. Cassandra – und damit auch Hohepriesterin Tagara – wollte ihre Macht demonstrieren, um die Bevölkerung der Westküste einzuschüchtern. Wankelmütige Untertanen durfte es nicht mehr geben. Einzig und allein Cassandras königlicher Wille zählte. Jeder, der sich gegen sie stellte, würde ihren scharfen Stahl schmecken.

Zumindest ließ Tagara sie in diesem Glauben. Sobald jedoch die Machtergreifung über den Alten Kontinent abgeschlossen war, würde sie offenkundig ihre Rechte ergreifen wie ein Habicht mit seinen Krallen eine leichtsinnige Feldmaus. Die Hohepriesterin würde sich krönen und zur neuen allumfassenden und einzigen Herrscherin des Großreiches ausrufen lassen. Dankte Cassandra nicht freiwillig ab, so würden die Schergen des Maluskultes dafür sorgen, dass die Tyrannin von der Bildfläche verschwand und ihr Schicksal besiegeln.

Im Nordmeer kämpften sich die Galeeren durch die vom Wind gepeitschte See. Die Rudersklaven stemmten sich mit aller Kraft in die Riemen. Die anstrengende Arbeit an Bord hielt sie warm, so dass sie auch bei dem nun rauen Wetter splitternackt auf den Holzbänken angekettet waren. Nur während der Ruhezeiten, wenn andere Leibeigene ihre Plätze annahmen, und die Erschöpften ins enge Unterdeck liegend angekettet wurden, erhielten sie dicke Wolldecken zum Schutz gegen die eisige Kälte. Der ununterbrochene Schlagrhythmus der großen Stand-Trommel trieb die Ruderer weiter und weiter in enormem Tempo an. Hin und wieder hatte die Schiffsführung ein Einsehen und gönnte den Sklaven ein oder zwei Stunden langsamere Fahrt voraus. Aber wer aus dem Takt geriet, weil er aufzehrt war, schmeckte die lange Peitsche der Aufseherinnen, die zwischen den Reihen der Niederen entlang stolzierten, um den Ruderern ihr Leder zu gerben, denn Ermattung war nicht gern gesehen.

In den kurzen Pausen gingen Kampfsklaven mit Eimern durch die Reihen und reichten den Ruderern Wasser aus einer Kelle. Das erfrischende Gut war streng rationiert - zumindest für die Leibeigenen. Die Kapitänin saß währenddessen in ihrer Kajüte, gewärmt von einem Hermelinpelz, dicken, edlen Stoffen, einem Hut mit bauschigen Federn und einem Ofenfeuer in ihrem Rücken. Sie nippte an einem Kristallglas und genoss den süßen Rebsaft. „Morgen werden wir in engerer Linie fahren müssen. Nur einige wenige Meilen sind eisfrei. Wir sollten das Nordkap tunlichst zügig umqueren, denn in wenigen Wochen wird auch die letzte Fahrrinne zugefroren sein.“

Nur wenige Schiffe konnten die Spitze des Konvois bilden, denn gefährliche Eisschollen im Meer mussten zunächst von eisernen Rammspornen aus dem Fahrwasser geschoben oder zerbrochen werden. Über solche kräftigen Bugvorrichtungen verfügten längst nicht alle Galeeren. Das Weib in Lederrüstung und hohen Stiefeln salutierte. An der Kajüttür hielt sie die Kapitänin zurück: „Wartet! Bringt mir einen ausgeruhten Recken. Mir steht der Sinn nach ein wenig Kurzweil, bevor mich morgen die Navigation einnimmt.“ „Aye, aye“, entgegnete die Centuria. „Ein Rudersklave oder wieder ein Krieger?“ Überraschenderweise verlangte es der Kapitänin nach einem Riemensklaven. Die Centuria suchte aus dem Unterdeck einen wohl gebauten Jüngling, ließ ihn mit Seewasser übergießen und den frierenden und schlotternden Mann anschließend zur Kapitänskajüte bringen. Er trug die Hände an eine kurze Eisenstange geschmiedet. Bevor die Centuria ihn ablieferte, raunte sie dem Recken zu: „Mach mir keine Schmach und Schande! Sonst wirst du es bereuen!“

Der junge nackte Mann wurde von zwei Soldatinnen in die Kajüte gestoßen, dann schloss sich hinter ihm die bewachte Tür aus Kirschholz. Es war angenehm warm in dem Raum, doch zitterte der Sklave noch immer – vor Kälte und vor Furcht. Vor einem kleinen Feuer saß die Kapitänin. Sofort fiel der Leibeigene demütig auf die Knie und senkte seinen Blick zu Boden. „Was sehe ich da?“, rief die Skipperin aus. „Mir dünkt, ich hätte einen Heißsporn verlangt. Stattdessen kommt mir ein kalter Fisch gekrochen! Vielleicht sollte ich ihn zurück ins Meer werfen.“ Der Sklave schlotterte noch mehr. „Sieh mich an!“, forderte sie in befehlsgewohntem Tonfall. Der Mann, dessen zartes Kinn ein feiner Flaum umfloss, gehorchte aufgeregt.



255. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 21.01.23 13:32

Die Kapitänin trug eine bequeme Uniform aus weichem Hirschleder und Wolle sowie hohe Stiefel. Ihr Wams hatte einen Stehkragen. Das Weib trug ihre langen dunkelblonden Haare zu einem kunstvollen Zopf gebunden. Ihre hohen Wangenknochen sorgten für ein würdiges, fast schon erhabenes Aussehen; die großen und scharfen Augen blickten mit Überheblichkeit auf den Sklaven hinab. Sie schmückte sich fürwahr mit eitel Selbstherrlichkeit. Dünkelhaft bohrte sie ihren Blick in die angstvollen Augen des nackten Galeerenruderers. „Wir wollen sehen, ob wir dein Feuer noch entfachen können.“ Sie griff beinahe zärtlich nach einer kurzen Peitsche mit sieben Lederriemen und wenige Wimpernschläge darauf floh die Stille aus der Kajüte und machte dem Timbre des Jünglings Platz, als wohne ihm entsetzte Pein inne.

Die Zahlmeisterin stand auf dem Achterdeck unter einem weißen horizontal gespannten Sonnensegel mit cassandrischem Wappen und horchte auf die klatschenden Peitschenhiebe und das unterdrückte Stöhnen des Sklaven. Sie holte ein Büchlein aus der Innentasche ihres Gehrocks aus edlem Zwirn hervor, der unter einem Pelzumhang geschützt war. Stolz nahm sie einen Bleistift dazu, ein modernes Schreibgerät, das viel einfacher als die Tinten-Feder zu handhaben war. Sie setzte der Kapitänin eine Sklaveneinheit auf ihre private Rechnung. Die Leibeigenen waren Eigentum der königlichen Cassandra. Wenn die Skipperin einen Lustjüngling haben wollte, musste sie die Einheit auch berappen. Außerdem erinnerte sich die Zahlmeisterin daran, was in der Hafenschänke erzählt worden war: Die Schiffsführerin war berüchtigt für ihre Lustburschen auf hoher See – von denen aber keiner wieder das Ufer betreten haben soll. Man munkelte, das Weib habe ein Teufelsmal am Schenkel, und alle Mannsbilder, die es gesehen haben, wurden von ihr zum Schweigen gebracht. Aber das war vielleicht auch nur Seemannsgarn, das an langen Tagen auf See gesponnen wurde.

An der Kimm ragten imposante weiße Eisberge in den hellblauen Himmel. Die Zahlmeisterin fröstelte trotz ihres dicken chamoisfarbenen Stoffes und des Pelzes aus Luchs. Als sie ihre gebundenen Papierblätter wieder einsteckte und unter Deck gehen wollte, wäre sie fast über einen Sklaven gefallen, der mit einem Feudel die Planken schrubbte. „Pass doch auf, wo du herumkriechst, du Hundsfott!“, schalt sie, eine Wolke aus Odem ausatmend, und versetzte dem zitternden Nackten einen kräftigen Tritt in den Allerwertesten.

Am nächsten Tag war der Galeerensklave noch immer in der Kajüte. Nun mussten die Ruderschichten neu eingeteilt werden. Eine Aufseherin murmelte unzufrieden mit schlecht verhehlt garstigem Tone: „Nur weil die hohe Dame ihrem Pläsier nachstellt, ist uns nun eine Einheit verlustig gegangen.“ Dann zuckte sie fatalistisch die Schultern. Sie würde die faulen Hunde schon in fleißigen Rhythmus bringen. Doch genau nach diesem Streben hakte es unter Deck offenbar, denn eine der Einpeitscherinnen - oder offiziell auch Treiberinnen – spie just einem Ruderer ins Gesicht und schlug auf ihn ein. „Wirst du wohl im Takt bleiben, du faules Stück Dreck!“ Kurz darauf erschienen zwei kräftige und wenig sanftmütige Kampfsklaven in ihren Ledergeschirren, lösten klirrend die Ketten des Ruderers und brachten ihn aufs Achterdeck. Sie trieben ihn mit spitzen Piken auf eine Planke, die an der Heckreling angebracht war und sieben Ellen über das eisige Wasser reichte.

Der Sklave - mit einem Ausdruck aus Panik auf seinen Zügen - balancierte angestrengt auf dem nur eine Elle breiten Holz. Die Piken zwangen ihn bis zum Ende, wo er wackelnd versuchte, das Gleichgewicht zu halten. Die Zahlmeisterin und zwei Offizierinnen schauten zu und ließen sich von der Treiberin das Versagen des Sklaven schildern. Die Zahlmeisterin zückte erneut ihr Büchlein, setzte den Stift aufs Papier und notierte: „1 Einheit – Schwund“. Der Leibeigene jammerte und bettelte um Gnade. Die Treiberin schrie ihn an. „Was soll ich mit einem Ruderer, der den Takt aus Schwäche oder Blödheit nicht halten kann? Hier ist mannigfaltig Rudervieh vorhanden. Du bist ein unnützer Ballast und Fresser an Bord. Da halten wir es lieber andersherum und machen aus dir Grütze für die Fische.“ Sie grinste breit und hämisch. Die anderen Offizierinnen und weitere Soldatinnen, die aufmerksam geworden waren, schauten interessiert zu und weideten sich an der Angst des nackten Mannes, die sich mehr und mehr nährte. Sein bedauernswerter Leib zitterte vor Kälte und Furcht zugleich. War sein Todestag gekommen?

Auf ein Nicken der Treiberin stachen die Kampfsklaven mit ihren langen Piken vorwärts zwischen die Füße des Sklaven, rissen die Stangen dann auseinander, und die Schenkel des Sklaven spreizten sich unter der Einwirkung, so dass die Füße von der Planke rutschten. Mit Wucht landete der Mann auf seinem Gemächt und stöhnte auf. Lautes Gelächter erschallte an Bord. Die Treiberin befahl: „Auf die Füße mit dir!“ Als die Kreatur wieder wackelnd und zitternd auf der Planke stand, wiederholten die Kampfsklaven ihre gemeine Blitzaktion, und erneut landete der Leibeigene unsanft auf seiner empfindlichsten Stelle. Endlich durfte er zurück aufs Deck. Die Zahlmeisterin hob die Augenbrauen: „Doch kein Schwund?“ Die Treiberin brachte den Sklaven zurück an die Ruderbank. „Du sollst noch eine letzte Chance erhalten“, meinte die Frau gönnerhaft mit hochgereckter Nase. „Enttäusche mich nicht!“ Dabei blickte sie die armselige Gestalt vor sich an, als wolle sie sie durchbohren. Ein kräftiger Kampfsklave in Brustgeschirr und düster umwölkter Stirn packte den Ruderer und schob ihn auf seinen Platz. Mit einem Belegnagel trieb er den Mann eifrig an.

Einige der Galeerensklaven trugen Hand- und Fußketten, mit denen sie auf ihrer Sitzbank angebunden waren, andere jedoch waren mit einem perfiden Hodenring und einer kurzen Kette direkt an der Bank oder dem Schiffsboden verankert. So auch dieser Sklave: Der hünenhafte Krieger schloss dem Ruderer eine eiserne Schelle um die Männlichkeit und trieb mit einem Schmiedehammer einen Eisenpflock in den Boden, an den eine Kette angebracht war. Sie war gerade so lang, dass der Unglückliche das Ruder führen konnte. Die Treiberinnen zwischen den Sklavenreihen grinsten dreckig und lachten über zotige Scherze, wie sie sonst nur in schmutzigen, dunklen Tavernen und Schänken ertönten, wo sich Soldatinnen mit blutrotem Wein, frischem Met und Jünglingen auf äußerst frivole Art vergnügten. Doch dann begann erneut der Schlag der Trommel, der von einem kahlköpfigen Krieger mit zwei großen Paukenschlägeln geführt wurde, und die Riemen bewegten sich in Einklang des vorgegebenen Taktes. Knackend und quietschend quälten sich die Riemen in den Dollen und die Ruderblätter im kalten Salzwasser. Auch das Gestöhne und Geächze der Leibeigenen war allgegenwärtig. Waren in sonnigeren Gefilden Abkühlungen für die Ruderer üblich, indem Krieger Pützen und Zuber voll Meerwasser über die Schwitzenden schütteten, so wäre dies bei dieser Kälte tödlich gewesen.

Nach einigen weiteren Tagen verteilten die Treiberinnen sogar alte, zerlumpte Decken, denn mit blau gefrorenen Fingern und Beinen war der beste Ruderer wertlos wie Spreu. Manche Einpeitscherin bedauerte die Anweisung der Duxa, denn nun waren die wegen der Kälte klein geschrumpelten Gemächte nicht mehr zu sehen, über die sich die Treiberinnen so gerne lustig machten. Aber die Stimme der Vernunft raunte ihnen warnend ins Ohr, keine Offizierin zu kritisieren. Die Luft war so bitterkalt, dass der angestrengte Atem der Galeerensklaven dicke sichtbare Wolken bildete. An Deck durften die Leibeigenen, die die Segel bedienten, sich ebenfalls Decken umhängen. Eine Gruppe, die mit Ketten an ihren Halseisen verbunden waren, zog im Gleichtakt an einem dicken Seil, um das Hauptsegel aufzuziehen. Der Frost war überall: an der Reling, der Takelage, den Segeln, den Tauen, den Planken und den Ruderblättern – und mehr und mehr kroch er auch in die Knochen der Männer.

Dagegen war die Hitze in der cassandrischen Hauptstadt, in der Vesta kommissarisch regierte, fast unerträglich – unerträglich für Sklaven; die feinen Damen ließen sich frische Luft zufächeln und tranken gekühlte Limonade und den in Mode gekommenen Trunk Kakao, um sich zu erquicken. Vesta stand im Zentrum des cassandrischen Palastes, einer Rotunde mit Mosaikboden, Marmorwänden und weißer Stuckdecke. Die feine Dame positionierte sich einer goldenen fast zwei Mann hohen Statue der Cassandra gegenüber, die auf einem Podest thronte, und träumte voll freudiger Rührung davon, wie die Plastik ihr eigenes Konterfei tragen würde. Sie stolzierte versonnen auf ihren hochhackigen Stiefeln einen weißen Säulengang entlang, um zu einem der Lustgärten zu gelangen, wo kleine Zierbrunnen und Wasserspiele die Sinne erfreuten. Hinter ihr schleifte eine buntseidene Schleppe über den glänzenden Boden. Ihre langen Haare hatte sie sich von einer Zofe zu einem makellosen Turm aufbinden lassen. Prunkgeschmeide kleidete ihren Hals, ihre Handgelenke, ihre Finger.

Ihr Weg führte sie in einen der protzigen königlichen Räume, in denen Leibeigene sich bereithielten, um den zarten Körper der Vesta zu pflegen, zu verwöhnen und zu baden. Die Vertreterin der Cassandra ließ dort ihr teures Kleid von zwei Zofen ablegen und positionierte sich auf eine weiche Liege, nur mit einem hauchdünnen Seidenschal um die Lenden, um ihren Rücken, den Nacken und auch die Beine mit einem parfümierten, warmen Öl einmassieren zu lassen. In einen Tagtraum versunken stellte sie sich dabei vor, wie sie nach dem großen Kriegszug einige Trolle in der Metropole als Reittiere dressieren würde: Prächtig geschmückt wie Streitrösser würden sie ihre Trolle tragen, Glöckchen an den Brustwarzen, vielleicht einen Stab mit großem Schweif im Gesäß ausstaffiert, denn die Kreaturen würden auf allen Vieren laufen lernen müssen. Seufzend genoss sie die Massage.

Aber bis zum Sieg würde sie sich mit ihren drei Lieblingssklaven als Rösslein abgeben müssen. Lächelnd dachte sie daran, wie sie gleich in das große Harem der Cassandra gehen würde, wie sie ihre drei persönlichen Lustjünglinge wählen würde, die jeden Fingerbreit ihres edlen Leibes kannten und jede Regung einzuschätzen wussten. Zwei von ihnen sollten einen Aufschluss aus ihren Keuschheitsgürteln erhalten und sich gegenseitig befriedigen. Auf diese demütigende Art liebte Vesta es, zuzusehen. Der dritte Jüngling dagegen würde erneut verschlossen bleiben. Das focht die Herrscherin nicht im Geringsten an. Sein frustrierter und bettelnder Blick war für Vesta im Gegenteil das reinste Fest der Freude. Ein Genuss. Eine delikate Köstlichkeit. Besser als so manche herrliche Leckerei, der sie sich anschließend widmen würde, schwelgte sie mit wölfischem Grinsen. Vielleicht würde sie seine Brust mit heißem Wachs versiegeln, vielleicht die Peitsche oder den Stock über seinem Leibe schwingen. Ach, es gab so viele schöne Spiele mit diesem zitternden und wehklagenden Fleische!

Am Nachmittag wollte sie hinab in den Kerker wandeln, wenn sie fein getafelt hatte, um dort einigen ausgemergelten Gefangenen Brotkrumen zuzuwerfen, die diese Kreaturen auflesen durften. Und Aurora sollte auch die Gnade einer Audienz bekommen. Während sich das warme Öl über Vestas vollendeten Leib ergoss, standen zwei Wächter vor der Tür stramm in Habachtstellung. Sie trugen schwarze Stiefel mit dicker Sohle sowie Eisenrändern, ein Ledergeschirr mit Schultergurten, ein enges und kurzes Lederhöschen, metallene Armschienen, die bis fast zu den Ellenbogen hinaufreichten, und einen Cassis, der den rasierten Schädel und die Seiten des Gesichtes bedeckte und oben mit einem Federbusch geschmückt war. An den äußeren Oberschenkeln prangten große schwarze Tätowierungen, die in einer alttraditionellen Sprache von „ewiger Treue für Cassandra“ zeugten. Die kräftigen Schultern waren mit schwarzen Mustern verziert. Bewaffnet waren sie mit einem Krummschwert, das in einer Art Wehrgehänge um die Hüfte hing, und einem schlanken Dolch sowie einer Hellebarde, die sie senkrecht vor sich positioniert hielten wie ein Phallussymbol.

Ihre Augen schauten exakt geradeaus und ließen sich auch nicht davon ablenken, als zwei Centurias, die zur Palastwache gehörten, zügig vorbei schritten und mit ihren langen Piken zwei Sklaven in Hand- und Fußketten klirrend vor sich hertrieben. Sicherlich würden diese Exemplare zur großen „Empore der Geißel“ gebracht, wo von Morgengrauen bis Sonnenuntergang Unwillige, Faule, Ungeschickte oder Bösartige ihrer Sühnung entgegengingen. In diesem Falle waren es zwei Unglückliche aus dem Kerker, die am gestrigen Tage zur Unterhaltung der Statthalterin gedient hatten – und zwar nicht gut genug, wie Vesta befunden hatte. „Die Turteltäubchen in meinem Garten gurren hübscher, wenn ich ihnen Krumen zuwerfe. Ihr beleidigt meine edlen Ohren!“ Diese Aussage hatte den zwei Männern zwar eine volle Stunde an der frischen Luft eingebracht. Und nach neun Monden ohne Sonne zuvor war das ein vortrefflicher Genuss – obwohl die Helligkeit anfangs geschmerzt hatte, als hätten glühende Schürhaken ihre Augenäpfel geküsst. Doch die unbequeme Kunde folgte für sie noch: Der Weg führte direkt zur Geißelempore, wo allerhand Werkzeug der Maluspriesterinnen auf sie wartete – erfindungsreich und fantasievoll geführt.

„Fürbass“, grollte eine sommersprossige Uniformierte gebieterisch. Beim Anblick der vielen Gerätschaften der Tortur wurde den Sklaven übel vor Angst, und sie wähnten sich bereits im Reich der Schmerzen. Hätten sie sich doch mehr Mühe dabei gegeben, wie eine Turteltaube zu gurren! Sie hatten den Unbill der hochwürdigen Herrin auf sich gezogen. Ihr Fortune war hinfort. Nun war ihr Schicksal besiegelt! Eine Gruppe junger Edel-Fräuleins in prächtigen Kleidern und Goldgeschmeide schaute bei den Züchtigungen zu – ein beliebter Zeitvertreib. Einige der Damen kicherten verlegen und bewegten aufgeregt ihren Seidenfächer vor dem geschminkten Antlitz, einige forderten selbstbewusst lautstark eine harte und gerechte Bestrafung, einige wirkten gelangweilt und feilten sich die gepflegten Fingernägel, spähten aber hie und da zu dem Podest der Schmerzen.

Später nahm eine Uniformierte aus dem Publikum den Ruf einer anmutreichen Edeldame wahr. „Was kostet der da am rechten Pflock mit den gekreuzten Striemen auf seinem süßen Arsch? Mich dünkt, den will ich haben!“ Die Interessierte hatte auffallend blonde Wimpern und güldenes Haar, geheimnisvolle blaue Augen und ein Stupsnäschen. Sie klimperte schon mit ihrem prallen Säckel und suchte nach einer kleinen Münze für ihr neues Spielzeug. Eine Centuria, die daselbst offenbar das Sagen hatte, erwiderte: „Ich setze den Sklaven auf Eure Rechnung, gnädige Frau. Ihr könnt ihn mitnehmen, sobald er rein von Sünde ist. Wir werden sie ihm ausmerzen.“ Bei diesen Worten nickte sie einem Weib mit grausamen Zügen zu, die ein Brandeisen in eine Feuerschale warf, so dass alle die Flammen aufstieben sahen. Der Käuferin ging das Herz auf. Sie liebte das Brennen wie Zuckerwerk und wurde ihm nicht satt.

Gladius und Forma standen nebeneinander an den mit Moos und Flechten bewachsenen Burgzinnen des Nordturmes. Der Himmel zeigte ein verwaschenes Grau. Vor dem Horizont türmten sich zahlreiche Belagerungsmaschinen und Unheil versprechende Angriffsgerüste in die Höhe wie mystische Obelisken oder monströse Monolithen in schwarzen Umrissen. Vereinzelt zogen Rauchfahnen in den Himmel. Außerhalb der Reichweite von ledanischen Bögen und Armbrüsten stand eine Zeltstadt der cassandrischen Armee. Zum Teil versteckt hinter Felsen waren die höchsten Türme einer neuen Festung des Feindes zu erkennen, wo dieser Tage Cassandra, Prodita und Tagara residierten. Hinter den Hügeln vermuteten die Ledanier noch weitere kampflustige Truppenverbände aus Kriegssklaven, Trollen und cassandrischen Reiterinnen. Letzte Gewissheit hätten nur todesmutige Späher gebracht.

Der Umhang des Schultheißen flatterte in dem wispernden Wind. Unter dem Stoff trug Gladius ein ledernes Wams mit zahlreichen Nieten. Er zeigte nach Osten. „Sieh dort, Forma! Der Belagerungskreis wird immer enger gezogen. Ich weiß nicht, worauf die Cassandrier noch warten. Sie könnten jederzeit zum großen Sturmangriff blasen.“ Forma legte ihre flache Hand auf die Brust des Recken und schaute zu ihm sorgenvoll auf. „Ich glaubte, die Burg sei nicht zu erstürmen?“ Gladius presste die Lippen zusammen. „Unter gewöhnlichen Bedingungen hat ein Angreifer keine Chance. Und einer Belagerung könnten wir mehrere Monate standhalten. Aber diese höllische Übermacht ist so unglaublich überlegen, dass keine Mauer und keine Bewaffnung standhalten können. – Aber wir werden nicht kapitulieren! Nimmer!“ Forma frug verängstigt: „Dann ist das Reich endgültig gefallen?“ Gladius nickte grimmig, obwohl er sich immer noch sträubte, sich die Wahrheit einzugestehen.

Er fühlte sich wie eine Ameise, über dem der schwere Kampfstiefel eines Ritters schwebte. Er frug sich, warum Cassandra noch zögerte. Eine Belagerung war nicht notwendig. Wozu hatten die Aggressoren sonst die vielen Kriegsgeräte für eine Stürmung herbeigeschafft? Forma machte große Augen. „Und wir? Sind wir auch verloren?“ Gladius blieb stumm und nahm Forma in die Arme, hielt sie an der schlanken Taille fest und hüllte sie mit einem Kuss in Schweigen. Sollte er ihr Honig triefende Reden über glorreiche Helden der wilden Schlacht halten? Nein, er würde sie nicht belügen. Die Flamme des Kriegsmutes war dabei zu erlöschen. Die Schmiedtochter schloss die Augen, aber dann schaute sie zum Fahnenmast, an dessen Ende in schwindelerregender Höhe die ledanische Flagge flatterte: Noch blickte die aufrechte Löwin auf dem Wappen scheinbar stolz über das Land. Doch, oh Jammer, würde sie wohl schon bald zerfetzt zur staubigen Erde sinken…



256. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von M A G N U S am 22.01.23 17:44

Wilhelm Busch schreibt von dem lieben Federvieh, mit welchem sich Mancher viele Müh gäbe, und zu meiner Jugendzeit, vor 50 Jahren, sprach man vom Spannvieh, wenn keine Unterscheidung getroffen werden sollte, ob es das Pferd sei oder der Ochse, der vor das Fuhrwerk oder vor den Pflug gespannt wird; neu ist mir der Begriff des Ruderviehs, welcher hier am Anfang der vorstehenden Episode eingeführt worden ist, und wieder einmal gibt uns der Autor neben den brillanten Formulierungen eine phantasiereiche Wortneuschöpfung, Sklavenmaterial, Rudervieh, was wird noch alles auf uns zukommen!
257. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 24.01.23 13:12

Zitat
Wilhelm Busch schreibt von dem lieben Federvieh, mit welchem sich Mancher viele Müh gäbe, und zu meiner Jugendzeit, vor 50 Jahren, sprach man vom Spannvieh, wenn keine Unterscheidung getroffen werden sollte, ob es das Pferd sei oder der Ochse, der vor das Fuhrwerk oder vor den Pflug gespannt wird; neu ist mir der Begriff des Ruderviehs, welcher hier am Anfang der vorstehenden Episode eingeführt worden ist, und wieder einmal gibt uns der Autor neben den brillanten Formulierungen eine phantasiereiche Wortneuschöpfung, Sklavenmaterial, Rudervieh, was wird noch alles auf uns zukommen!


Es kommt "eins, zwei, drei im Sauseschritt..."
258. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 24.01.23 13:31



Winand und Jeremias waren unehrenhaft aus den Reihen der Wachmannschaft entlassen worden. Die Oberste Nike hatte verkündet: „Dient fortan im Stall und der Küche mit den niedersten Arbeiten, die euch ebenbürtig sind – oder verlasst die Burganlage auf alle Zeiten!“ Winand und Jeremias blieb keine Wahl, denn eine Flucht aus der Festung hieße einen sicheren Tod sterben, solange die cassandrischen Aggressoren vor den Toren lauerten. Da war selbst ein Latrinendienst die klügere – wenn auch nicht mutigere - Wahl. Winand ging zaghaft der närrische Gedanke im Kopfe umher, zu den feindlichen Truppen überzulaufen. Doch als Mannsbild fände er bei einer matriarchischen Kultur kein stattliches Auskommen. Da blieb er lieber Küchenjunge und schleppte für den Koch das Tragejoch mit Milchbutten oder Kübeln voll Hühnersuppe.

Sie erschienen in einfacher Leinenkluft in der Küche und meldeten sich zur Arbeit. Nachdem sie einen riesigen Bottich Kartoffeln geschält hatten, wurden sie auf den Innenhof gerufen, wo sie Pferdemist kehren sollten. Winand, der einen runden Bauch vor sich über seinem alten speckigen Ledergürtel hertrug, schaute neidisch auf die vier athletischen Ritterpaare, die in voller Rüstung mit blanken Schwertern und Schilden für das Feld der Ehre übten. Klirrend und krachend knallten die Klingen aufeinander, auf Rüstpanzer und Schilde; einer führte einen gewagten Streich mit seinem Schwert, der andere parierte die Parade und warf sich in eine Riposte. Die Männer gehörten zur königlichen Garde unter dem Befehl der Obersten Nike. Sie selbst war eine der wenigen Weiber in diesem Regiment auserwählter Soldaten und war eine Meisterin der Klinge voll Tüchtigkeit und Geschick. Geringere Körperkraft machte sie mit Schnelligkeit und Technik mehr als wett.

Als Winand und Jeremias noch den Mist kehrten und auf einen Karren warfen, beendeten die Gardisten ihre Übungen und nahmen ihre Helme ab. Einer der Männer kam herbei, dabei stolzierend wie ein eitler Gockel, und nickte Jeremias arrogant zu. „Bursche mit den struppigen Haaren! Komm her und putz mir die Stiefel!“ Jeremias entgegnete: „Ich habe Befehl den Mist wegzuschaffen. Deshalb habe ich keine Zeit…“ Der Rittersmann schritt geschwind auf den jungen Mann zu und packte ihn am leinenen Wams. „Willst du gehorchen, Bengel!?“ Dann rümpfte er die Nase. „Du stinkst wie ein Kübel voll Scheiße.“ Jeremias schluckte und nickte angelegentlich. Er sah sich nach einem Tuch um. Der Gardist riss mit einem kraftvollen Ruck am unteren Ende des Wams des ehemaligen Wachsoldaten ein Stück ab, spuckte darauf und reichte es seinem Gegenüber: „Nimm das!“

Winand kicherte über die Behandlung seines Kameraden. Nun wurde der Gardist auch auf ihn aufmerksam. „Du da, Dickwanst! Komm her! Was ist so ulkig, Kerl?“ Der ehemalige Wächter eilte beflissen herbei. „Nichts, mein Herr. Gar nichts.“ Der Gardist drehte sich zu zwei anderen Gerüsteten um, die noch im Hof verblieben waren, um ihre Schwerter zu ölen. Einer von ihnen meinte: „Lass den Fettsack da deine Stiefel säubern!“ „Ja“, mischte sich der andere süffisant ein. „Mit seiner Zunge. Gewiss ist dies eine Ehre für diesen Wurm.“ Die meisten Gardisten wussten, was Winand für ein verkommener Spießgeselle war, und was er schon so manchen Schwächeren angetan hatte. Und so sah Jeremias mit aufgerissenen Augen zu, wie Winand auf allen Vieren vor dem Gerüsteten krabbelte und mit seiner Zunge den Staub von den Stiefeln leckte. „Nicht so zaghaft, oder ich feuere dich ein wenig an!“, gelobte der Ritter und legte demonstrativ eine Hand auf das Heft seines Schwertes. Er lachte grölend. „Lass uns tauschen. Ich gebe dir ein paar Hiebe, und du mir dafür deinen Stolz.“

Die beiden anderen Gardisten hatten sich teilweise aus ihren schweren Rüstungen befreit und das schwere Wehrgehänge abgelegt, aber aufgeplustert und mit vor der Brust verschränkten Armen standen sie um den Stiefellecker herum und amüsierten sich plaudernd. Hin und wieder spien sie vor ihm aus, um ihre Abfälligkeit gegenüber dem Diener zu zeigen. Winand stellte sich indes vor, wie er auf der Zugbrücke stand, und die Ritter in ihren schweren Rüstungen im brackigen Burggraben versanken: Langsam… Und bevor sie gänzlich in dem schwarzen Dreckwasser untertauchten, grinste und winkte er ihnen zu… Durch eine schmerzhafte Kopfnuss wachte Winand aus seinem Tagtraum auf. Der Rittersmann strich sich gockelhaft mit dem Finger über den spitzen Bart und betrachtete seinen polierten Stiefel. „Wenigstens dazu bist du zu gebrauchen, Speckbauch!“

Als dann auch noch die zwei Zuschauer ihr Schuhwerk gesäubert haben wollten, kam Nike herbei und frug streng, was es hier für ein Getümmel gebe. Kleinlaut machten sich alle Beteiligten aus dem Staube. Jeremias und Winand kehrten zuvor nur hastig den Rest zusammen und schoben und zogen den quietschenden Karren dann Richtung Stall. Die Oberste hatte genau gesehen, was sich im Hof abgespielt hatte, aber Winand gönnte sie die „Heilkur“. Doch eigentlich glaubte Nike nicht daran, dass irgendetwas Winand den Garaus machen könnte. Bodensatz blieb Bodensatz, egal wie sehr sich selbst ein Alchemist auch bemühen würde, etwas Edleres daraus zu zaubern. Trotzdem: Sollte sie den Kerl erneut bei einer Untat erwischen würde er das Spießrutenlaufen schmecken. Vielleicht war das dann die geeignete Medizin für diesen Grobian.

Nur wenige Meilen weiter westlich nahe der Küste trieben sich zwei Trolle durch den Wald, brachen grob und rücksichtslos Bäume auseinander, um sich freien Weg zu erzwingen. Dann sahen sie auf einer Lichtung eine Kate, die mit einem angespitzten Palisadenzaun geschützt war. Hier würden Menschen sein. Die Ungeheuer brüllten laut und dröhnend auf und jagten trottend auf die Behausung zu, während unter ihren massiven Füßen der Boden zu beben schien. Doch die Giganten fanden nur eine verlassene Kate vor. Entweder hatten sich die Bewohner vor den Invasoren an der Küste aus dem Staub gemacht, oder waren bereits gebrandschatzt worden. Die Trolle zertrümmerten und zerschlugen alles, was zwischen ihre mächtigen Pranken und stampfenden Füße geriet. Darunter war kein Mensch. Keine Kuh. Keine Ziege. Nicht einmal ein winziges Huhn!

Einer der Trolle riss grollend einen mannslangen Dachbalken vom First und rammte anschließend so lange gegen eine Mauer, bis das ganze Gebäude staubend zusammenkrachte. Mit dem Balken als Keule lief er weiter über die Lichtung und zurück in den Wald. Seine Nase roch bereits das salzige Meer. Dort würde er Opfer finden. Für Furore sorgen bei Fischern und ihrer Brut. Der Hunger trieb den Riesen an. Sein Begleiter folgte ihm breitbeinig. Er hatte zuvor noch eine Pferdetränke aus der Verankerung gerissen, mit beiden Händen angehoben und daraus wie aus einer Schale getrunken. Zurück zu den bösen Menschenfrauen, die ihn dressiert und gequält hatten, wollte er niemals wieder. Wenn er doch diesen elenden mehrere Pfund wiegenden Metallring um sein Gemächt abstreifen könnte! Dafür hasste er dieses Hexenvolk am meisten! Aber er war nun ansonsten frei! Er hatte aufbegehrt und war den Truppen davon gelaufen. Niemals wieder sollte ihn eine Wurfkugel dieser Furien fällen. Niemals wieder würde er Befehle entgegennehmen.

Wenige Stunden später hatten die Untiere die Küste erreicht. Wild brüllte der Troll neben seinem Kumpanen am Rand einer tiefen Klippe, an dessen Fuß das Meer dröhnend gegen den Fels schlug und hohe Gischtfetzen in die Luft peitschte. Eine Windbö versuchte den Riesen zu ergreifen und die steile Felswand hinabzuschleudern, doch der schwere Leib widerstand dem hinterhältigen Angriff, stemmte seine Beine in den Boden, und sein Blick schweifte die Küste entlang. Nach Süden hin senkte sich die Felskante bis zu einem Strand. In der Ferne war ein kleiner Hafen mit einer Besiedelung zu sehen. Der Troll grunzte laut und machte sich mit seinem Gefährten auf den Weg. Zerstören, zermalmen, zertreten, fressen - das war sein instinktives Verlangen, nach dem er gierte. Die gewaltigen Zweibeiner trampelten ihrem Ziel entgegen. Nichts würde sie aufhalten auf ihrem Weg zum Menschenvolk.

Allerdings fand er in dem ehemals pittoresken Fischerdorf ebenfalls nur verlassene Holzhütten und einen verwaisten Hafen vor. Die cassandrische Armee hatte auch hier schon gewütet, die Männer verschleppt ins Landesinnere gen Osten, um sie als Sklaven zu nutzen, die Frauen umgesiedelt oder in den ehemaligen Stadtstaat gebracht, wo die Weiber in großen „Schulen“ begreifen sollten, dass sie die Krönung der Schöpfung darstellten - ganz im Gegensatz zum ehr- und wertlosen Mannsbild, das keine Rechte besaß. So ward es vom Maluskult dogmatisch verkündet. So war es von Regentin Cassandra gewünscht.

Der Troll stampfte vor Wut auf ein Kettenhemd, das im Staub vor dem Kai lag, so dass die Eisenringe auseinanderspritzten und sich rasselnd auf dem Boden verteilten. Dann sah er neben einer halb eingefallenen Hütte, die offenbar von einem cassandrischen Wurfgeschoss getroffen war, ein Laken aus Leine hängen. Er nahm es mit seinen gewaltigen Pranken von der Schnur und versuchte es sich ungeschickt um die Lenden zu wickeln. Seit er in den Händen der Cassandrier war, hatte er Schamhaftigkeit kennen gelernt und probierte nun eine Art Lendenschurz zu knoten, der sein Gemächt und den Ring um seine dicken Nüsse verdecken würde. Nach einer Weile gelang es ihm, und zufrieden schaute er auf den Stoff, der ihn nun kleidete.

Der zweite Troll, der in der Nähe gerade krachend die Rippen einer toten Kuh auseinanderbrach, sah die Gewandung und verspürte plötzlich ebenfalls das brennende Bedürfnis, sich zu bedecken. Seine Nacktheit war ihm zum ersten Mal wahrlich bewusst. Er leckte sich die dicken Finger ab, brach in ein Haus ein und schleuderte einen Eichenschrank durch den Raum, so dass er gegen die getünchte Steinmauer prallte und zerbarst. Eine braune Wolldecke fiel ihm ins Auge, die er nach dem Vorbild seines Gleichen um die Hüften und durch die Schenkel wickelte. Ein Seil verwendete er dabei als Gürtel. Als er seine Beinkleider an sich sah, lächelte er zufrieden. Doch ein Außenstehender hätte diese Darstellung wohl eher als gefährlich bleckendes Raubtiergebiss bezeichnet. Die Trolle brachen noch in die eine oder andere Hütte ein, dass die Schieferplatten von den Dächern nur so hinab prasselten, wühlten in den zurückgelassenen Kisten, Schränken und Truhen und suchten nach Futter. Großteils vergeblich. Nur ein alter Vorrat Stockfisch und einige Portionen Trockenfleisch bekamen sie in ihre Klauen, doch dies konnte kaum ihre Mägen füllen.

Später standen sie am Strand und kniffen die wimpernlosen Augen zusammen, um nicht von der Sonne geblendet zu werden, die das Wasser des Westozeans zu einer spiegelnden, glänzenden Fläche verzaubert hatte. Eine Meile vor der Küste ragte eine Insel aus den Fluten heraus. Es roch bis zum Ufer aufreizend nach Menschenfleisch. Trolle konnten nicht schwimmen, daher war das Eiland für sie unerreichbar. Genau aus diesem Grund hatten sich einige ledanische Weiber dort zurückgezogen. Sie waren von den cassandrischen Centurias auserwählt worden, die Insel zu besiedeln. Die meisten Weiber waren in den Stadtstaat gebracht worden, doch diese etwa zwei Dutzend Weiber hatten auf die cassandrische Fahne und den Maluskult geschworen, dem neuen Großreich ewig treu zu sein und die matriarchalische Kultur zu übernehmen. Ihre Männer waren ihnen zwar genommen worden; dafür hatten die Soldatinnen ihnen zahlreiche Sklaven überlassen.

Anfänglich war den Frauen die Situation widernatürlich vorgekommen, und insgeheim wollten sie, sobald die Streitmacht abgezogen war, den Mannsbildern die Freiheit schenken, doch schon bald waren sie der Versuchung des gemütlichen Lebens erlegen. Innerhalb weniger Tage führten sie ein strenges Regime auf der Insel. Die Leibeigenen fühlten sich wie zu Hause. Sie kannten es nicht anders. Kleine Äcker, Viehzucht und vor allem Fischfang sorgte für das Überleben der Bevölkerung. Luxus gab es zwar auf der Insel nicht, doch lebten die Weiber ein angenehmes Leben ohne Schufterei. Die Leibeigenen aus dem Osten waren trefflich dressiert, so dass Ungehorsam äußerst selten vorkam, doch konnte es geschehen, dass ein Sklave die Aufgabe, die ihm von seiner Herrin gestellt worden war, nicht ausreichend gut genug nachkam. Die Weiber, die auf die cassandrische Flagge geschworen hatten, zeigten sich in der Bestrafung ihrer Arbeitskräfte bald schon als sehr einfallsreich: Es gab Flutkäfige am Strand, Brandeisen, Strafpflöcke, Halsgeigen, Stachelgürtel und Strafsitze, auf denen der Delinquent entweder auf einer Pyramidenspitze oder dem Ende eines Stocks Platz nehmen durfte und von seinem eigenen Körpergewicht gequält wurde, um ihn Fleiß und Gehorsam zu lehren.

Die berüchtigte „Grotte der Finsternis“ war ein auch als „Angstloch“ bezeichneter tiefer Spalt an einem felsigen Strandabschnitt, in den bei Flut eine gewisse Menge Meerwasser floss. Die Vertiefung war etwa zehn Mann tief. Die steilen und glatten Wände verhinderten eine Flucht aus dem Hohlraum. Sünder wurden mit einer Kette hinab gelassen. Ob sie Brot und Wasser erhielten, entschied täglich aufs Neue eine Malus-Zeremonie: Die Frauen warfen Runensteine aus einem Beutel auf den Boden. Konnten sie daraus den Willen der Alten Götter lesen, dem Gefangenen gnädig zu sein, so warfen sie ihm altes Brot und einen Schlauch Wasser hinab, doch sollte der Übeltäter zur Ehre der Götter Hunger und Durst leiden, so musste er dieses Opfer bringen und sich als Löhnung seiner Sünden mit einem knorrigen Leibe zufrieden geben. Es war die Fügung der Alten Götter, die niemand infrage stellte.

Nicht allzu weit von der Küste entfernt ragte eine steinerne Bastion in den Himmel empor. Im letzten ledanischen Refugium, der Burgfestung der Königin Leda, hielten sich die Wachmannschaften und Soldaten zur Verteidigung bereit. Das Warten zermürbte die Gemüter mehr und mehr. Worauf wartete der Feind noch? Vom höchsten Turm, dem Nordturm, konnte der Königsgemahl Abas die entfernten Formationen und Schlachtordnungen sehen, wenn er gen Osten und Norden schaute. Des Nachts leuchte dort ein Lichtermeer aus Lagerfeuern. Auch im Süden waren Regimenter aus Kampfsklaven postiert. Nur im Westen schien Ledanien noch nicht ausgeplündert und gebranntschatzt. Doch Abas wusste, dass auch dort schon Truppen lagen, versteckt im Hinterhalt. Die Burg war längst eingekreist. Es gab kein Entkommen. Ihr Schicksal war besiegelt.

Selbst dicht gedrängte Verteidiger auf den Wehrgängen der Zitadelle, die Salve um Salve Pfeilhagel auf den Feind würden abschießen können, waren kein Garant dafür, dass sie die Burg lange hielten. Es waren kleine Stiche, die sie den Cassandriern einbrachten, aber sie glichen eher den Mückenstichen, die einen Kämpen nervten, bevor er die kleinen Insekten mit der flachen Hand zerquetschte. Einen Wimpernschlag sann Abas, nur zu träumen. In den vergangenen Tagen fiel es ihm immer schwerer, zwischen Tag und Traum zu unterscheiden. In der letzten Nacht hatte er geglaubt neben der alten Tyrannin Megara in einem dunklen Verlies tief unter der Erde eingesperrt zu sein. Doch die Despotin trug die Robe einer Malus-Priesterin aus dem Ostreich der Cassandra. Sie trank aus einem Schädel den roten Lebenssaft ihrer Opfer und stach jäh mit einem goldenen Dolch auf ihn ein… Da war er mit kaltem Schweiß überströmt und schreiend erwacht, hatte nach der Wunde getastet und erleichtert festgestellt, dass er unversehrt in seiner Bettstatt lag.

Zu Beginn des Traumes, der ihn schon mehrfach gepeinigt hatte, trug sie ein fremdes Gesicht. Doch dieses blätterte ab wie alte Farbe, das Fleisch löste sich von den Knochen und rubinrote Augen strahlten ihm entgegen. Dann entwickelte sich Megaras Antlitz auf dem Schädel. Sie grinste ihn an, als sei sie immer noch nur ein Totenschädel. „Komm, mein Abas! Mein Goldlöckchen! Komm zu mir! Wurm! Du willst mich doch freien!“ Jedes Wort war wie gehauchtes Gift, das in seinen Ohren süß und verlockend klang. Abas wischte sich den Schweiß mit dem Laken vom Körper. Wie lange seine erste Begegnung mit der alten Hexe in Wahrheit her war! Damals war er als naiver Bauernjunge in die Hauptstadt gereist, um im Palast des verstorbenen Talos vorzusprechen. Überall im Reich hatten Herolde von der Suche verkündet. Die Suche nach einem Nachfolger, einem Gatten für die königliche Witwe Megara. Doch was er dann erlebt hatte, war der Beginn eines wahnsinnigen Nachtmahrs.

Im dreckigen Kerker fern von Bequemlichkeit hatte er sich wiedergefunden – als Lustsklave der Tyrannin. Wäre er nimmer in die Hauptstadt gezogen – vielleicht hätte es die Geschicke des Alten Kontinents zum Guten verändert. Vielleicht schätzte er sich aber auch nur als zu wichtig für die Geschichte des Reiches ein. Die Alten Götter hatten den Kontinent in ein Fiasko gelenkt. Sie hatten sich für den Untergang Ledaniens entschieden. Sie wollten ein matriarchalisches Reich, eine Welt, in der Weibsbilder die Männer dominierten, versklavten und ihnen jegliches Recht auf ein freies Leben oder einen eigenen Willen absprachen. Ein dröhnendes Geräusch weckte Abas aus seinen betrüblichen Gedanken. Was war das? Es hörte sich an, als sei ein gewaltiges Gebäude zusammengestürzt. Oder eine Felswand. Ein Erdbeben? Ein Geschoss? Oder… Jetzt erkannte er es: Es war das mächtige dunkle Brüllen eines Trolls. Abas eilte auf den Wehrgang hinter den dicken Zinnen der Zitadelle und suchte den Horizont nach den Untieren ab.

Hinter einer Hügelkuppe, die Abas seinen Blick verwehrte, war einer der desertierten Ungetüme von cassandrischen Soldatinnen und Kampfsklaven eingefangen worden. Ein abgedecktes großes Loch war dem Troll zum Verhängnis geworden. Er war durch die dünnen Äste gebrochen und in einem Netz aus dicken Seilen und Ketten aufgefangen und schließlich mit einer riesigen Winde in die Luft gezogen worden. Nun hing der Koloss zwischen zwei Baumriesen, die sich unter dem Gewicht des Kolosses bogen und knarrten. Centurias auf ihren Rössern pieksten mit langen Lanzen auf den Hintern des Flüchtlings ein, damit er Ruhe gab und keine Faxen machte. Endlich merkte das Urtier, dass Gegenwehr keinen Sinn ergab und ergab sich seinem Schicksal. Eine Reiterin auf einem Grauschimmel grinste grausam. Ihre lederne Augenklappe und harten Gesichtszüge verstärkten ihre Miene noch. Sie zog einen Säbel und zeigte damit auf ihren Fang. „Lasst ihn hinab und bringt das Vieh auf den Wagen!“


259. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von AlfvM am 24.01.23 17:07

Hallo Prallbeutel,
nach wie vor eine Geschichte die mich begeistert. Vielen Dank dafür.
VG Alf
260. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 28.01.23 12:21


Der Karren war ein gewaltiges Fuhrwerk mit einer großen Ladefläche, auf der ein mächtiger Käfig befestigt war. Selbst ein Troll würde diese schwere Konstruktion nicht zerbrechen können. Zwei Dutzend Kampfsklaven zwangen den Gefangenen mit ihren Piken vorwärts. Noch immer befand sich der Troll in dem Netz. Eine Seilwinde zog das Gefängnis aus Seilen und Ketten auf den Transporter, vor dem mehrere Dutzend Sklaven in ihren Geschirren standen. Unter knallenden Peitschen setzte sich das massive Gebilde von Fahrzeug in Bewegung. Dicke und fast mannshohe Räder, die mit Eisen ausgeschlagen waren, drehten sich und zermalmten unter ihrem Gewicht jeden Ast und jede Wurzel, die im Weg lagen. Dieser imposante Wagenbau war für schwerste Lasten geschaffen.

Der Troll tobte mittlerweile im Käfig, doch vier Kampfsklaven mit Lanzen bestraften ihn für sein wildes Zappeln. Trotzdem wollte sich der Troll sich seinem neuen Schicksal dieses Mal nicht fügen. Daraufhin kletterte eine cassandrische Centuria auf das Fuhrwerk und schleuderte ihre Bola zielgenau durch das Gitter auf das Gemächt des Trolls. Aufheulend dröhnte sein Brüllen durch die Landschaft. Doch anschließend beruhigte sich der Koloss und sah mit einer fast unterwürfigen Miene auf die Reiterin. Die Bola hatte es wie ein wundervoller Zauber geschafft, dem Wüterich eine erholsame Ruhe anzuschmeicheln.

Die Kolonne hatte nach wenigen Stunden die neue Trutzburg der cassandrischen Armee erreicht. Die Festung, in der Cassandra, Prodita und Tagara residierten, war in Windeseile aus dem Boden gestampft worden und schaute nun mit ihren hohen Türmen bedrohlich auf die Ebene hinab. Hunderte Arbeitssklaven hatten Tag und Nacht geschuftet, um die Bastion zu bauen. Nahe zur Grenze des früheren Ledanien gelegen, bot sie strategisch eine gute Lage, um die letzte Rückzugsmöglichkeit der alten Regierung zu entmachten. Das dreifache Machtgespann aus der Imperatorin Cassandra, der Statthalterin Prodita und der Malus-Priesterin Tagara wartete auf die Ankunft der größten Armada, die der Alte Kontinent je gesehen hatte. Sobald die Flotte aus Galeeren an der Westküste eintrafen, würde der finale Schlusspunkt gesetzt: der Ansturm auf die Burg der Leda. Die Duxas und Centurias dürsteten bereits seit langem nach Kampf, nach Sieg, nach dem Kopf der Leda und ihrem Gefolge.

Der Troll rollte auf seinem massiven Transportfuhrwerk in den Hof der Festung. Von einer Balustrade sahen die drei Führerinnen auf ihn mit Genugtuung hinab. Zumindest einen der flüchtigen Trolle hatten sie gefangen. An ihm würden sie ein Exempel statuieren. Er sollte vor den Augen der anderen Kriegstrolle streng gezüchtigt werden. Tagara befahl einer Duxa: „Schickt Briefraben über die See nach Norden. Ich will wissen, wo die Galeeren sich befinden. Sie müssen das Eismeer inzwischen durchbrochen haben.“ Die Offizierin salutierte zackig und verließ die Balustrade. Kurz darauf ging auch die Hohepriesterin mit wehender schwarzer Robe in ihre Gemächer, um einer rituellen Zeremonie zu frönen.

Die edle Cassandra begab sich in Begleitung der Statthalterin Prodita auf den höchsten Turm der Festung und schaute auf einen Teppich aus Kampfsklaven hinab. Schwer gerüstet und bis auf die Zähne bewaffnet brüllten sie Kampflieder, skandierten Jubelrufe der „edelsten und einzigen Herrscherin Cassandra“, und die Flut aus Heeresscharen bewegte sich nach den Befehlen Dutzender Centurias auf ihren Rössern, die mit ihren Säbeln und Degen die Richtung wiesen. Sechs Trolle in dicke Eisenplatten gerüstet und mit gigantischen Streitkolben bewaffnet, warteten ungeduldig auf ihren wilden Waffengang. Es dürstete sie nach dem Gegner. Noch ging ein Manöver vor sich, doch schon bald würden die Massen an Kämpfern auf Ledas Zitadelle zustürmen und keinen Stein mehr auf dem anderen belassen. Der Untergang der letzten Bastion Ledaniens stand kurz bevor.

Tagara befand sich derweil in ihrem Tempelraum und stand vor einer großen runden Schale mit blakenden Flammen. Die Meisterin des Maluskultes hatte ihre Robe auf den Steinboden gleiten lassen und entblößte ein weißes Seidengewand, durch das ihre feingliedrige Silhouette schimmerte und atemberaubende Einblicke gewährte. Goldfäden zogen sich durch den edlen Stoff. Am hohen Kragenansatz bauschte sich die Seide wie eine Stola. Schlagartig drehte sie sich vom Feuer weg und sah nun links und rechts vor ihr an jeweils eine dicken Marmorsäule einen nackten Sklaven mit Ketten gebunden. Tagara streckte ihre Arme in ihre Richtungen. Die Ärmel ihres Kleides hingen weit geschnitten hinab. Die Hohepriesterin schloss die Augen und flüsterte einen geheimen Zauber.

Vor ihren Augen entstanden Visionen der nahe Zukunft: surrende Pfeile, die den Himmel schwärzten und den gefiederten Tod brachten, auf Ledas Burg anstürmende Horden von Kampfsklaven, bewaffnet mit Bihändern, Streitäxten, Kriegshammern, Breitschwertern und runden Schilden mit großem Dorn in der Mitte. Unter der vorpreschenden Masse an brüllenden Kriegern ragten sieben Trolle heraus, mit gewaltigen Plattenpanzern gewandet, die mit zwei Mann langen Streitkolben armiert waren und die Wehrmauer der ledanischen Anlage zerschmettern würden. Riesige Ungetüme von Angriffstürmen und weiteren Konstruktionen wurden von ächzenden Sklaven herbei geschoben. Zahlreiche Feuer brannten, als die entflammten Pfeile der Angreifer auf Dächern und im Hof der Burg landeten.

Dem ersten Ansturm hielten die Mauern noch stand, und kaum ein Krieger erreichte die hohen Zinnen an dem äußeren Wehrgang. Die ledanischen Soldaten verteidigten ihr Refugium mit aller Kraft, die ihnen verblieb. Sturmleitern wurden mit langen Stäben und Spießen von der Mauer gedrückt. Die darauf kletternden Krieger kippten schreiend in ihre Kameraden oder spritzten in den Burggraben. Schwarze Rauchsäulen stiegen in den Himmel. Eine Truppe Sklaven, von oben geschützt durch eine Holzkonstruktion, die zuvor mit Wasser übergossen war, um gegen Flammen geschützt zu sein, schleppte eine schwere Platte aus Balken herbei und schob sie über den Wassergraben der Burg. Jetzt war die hochgeklappte Unterseite der Zugbrücke erreichbar: Zwei gewaltige Trolle schlugen wie monströse Berserker auf die dicken Bohlen ein und rissen armdicke Stücke heraus. Bald würde sie zerfetzt zur Seite kippen. Dann mussten die Cassandrier lediglich noch ein Fallgitter und die letzte Pforte durchdringen, um ins Innerste der Festung zu gelangen.

Im Hof versammelten sie die Elitegardisten unter der Führung der Nike. Sie würden dem Feind gegenüberstehen, falls er eindringen sollte. „Standhaft bleiben!“, rief Nike. Die Gardisten schlugen sich rhythmisch mit ihrem Schwertheft an den wappenformigen Schild. „Hoch lebe Königin Leda!“ Die Rufe waren so laut, dass selbst die Trolle sie hören mussten. Doch dann verschwamm die Vision undeutlich in einem Nebel, und Tagara konnte nichts mehr erkennen. Die Eroberung der Burg würde schwerer werden, als sie gedacht hatte. Aber Leda würde fallen. Früher oder später. Die Hohepriesterin konzentrierte sich erneut, murmelte magische Sprüche und warf einige Runensteine in eine Schale, doch es erschien keine Vision mehr. Verärgert verließ sie den Tempelraum und hinterließ zwei ängstlich zitternde Sklaven in ihren Fesseln, die um ihr Leben fürchteten.

Noch viele Meilen entfernt näherte sich eine gewaltige Armada aus Galeeren und anderen Schiffen der Westküste von Norden her. Nur wenige Verluste hatte das Eis den Cassandriern beschert. Die Alten Götter hatten nur vereinzelte Opfer geerntet. Die Duxas waren zufrieden. Mit Briefraben hielten sie Kontakt zu ihrer Königin Cassandra. In wenigen Tagen würden sie die Westküste Ledaniens erreichen. Zu Kämpfen würde es für die Kampfsklaven künftighin nicht mehr kommen, denn die Landstriche waren bereits befriedet worden. Doch bis zu ihrem eigentlichen Ziel waren es für die Rudersklaven noch anstrengende Meile um Meile durch die dunkelblauen Wellen des kalten Meeres. Ruderschlag um Ruderschlag eine Plackerei mit gekrümmten Rücken unter der Knute der Anpeitscherinnen, die mit ihren langen Lederriemen nicht sparten, um die Leibeigenen im Takt des Trommlers anzutreiben.

Erst nach und nach vertrieb die kräftigere Sonne die frostige Luft, das Eis und den Schnee, aber bald schon wurde aus der angenehmen Wärme eine unerträgliche Hitze unter Deck. Schweißtreibend stützten sich die Sklaven in ihre knarrenden Ruderriemen. Die Decken, die vor der Kälte geschützt hatten, waren ihnen wieder genommen worden, so dass sie splitternackt auf ihren harten Bänken hockten. Einige Sklaven waren mit Hand und Fußketten am Boden oder der Bank gefesselt, andere mit einem Eisenring, der ihnen um das Gemächt geklemmt worden war. Das forderte seinen Tribut: Die Niederen klagten über ausgeleierte Haut, blieben aber so wortkarg wie möglich, um den beißenden Geißeln zu entkommen. Dabei konnten sie von Glück sprechen, dass die alte Mode im Reich der Forma nicht mehr zeitgemäß war, Sklaven durch schwere Gewichte um ihre Männlichkeit diese zu verlängern. Manche Besitzerin meinte es damals für wahr zu gut, denn einigen Leibeigenen steckten die Damen regelmäßig mehr und mehr Ringe an, bis die Mannsbilder kaum noch laufen konnten. So manche Träne perlte vor Scham über die Wangen der Geschöpfe, doch für die Fräuleins war es schön anzusehen.

Ein Zuckerschlecken war das Leben als Galeerensklave trotzdem keineswegs. Während die Ruderer schufteten, saß die Kapitänin mit einer Duxa auf dem hohen Achterdeck auf gepolsterten Möbeln und labte sich an gesüßtem Zitronentee. Ein weißes Sonnensegel spendete den beiden angenehmen Schatten, seit die Sonne wieder mit ungebremster Kraft herunterbrannte. An den Rändern des Segels waren Taue angebracht, um es am Deck oder dem Mast festzuzurren, doch stattdessen hielten zwölf Sklaven das Schattendach an Ort und Stelle. Der Vorteil dabei war, dass die Position des Leinenstoffs schnell geändert werden konnte, denn sobald die Galeere den Kurs wechselte, stach der Feuerball am Himmel aus einer anderen Richtung hinab. Für die Leibeigenen war ihre Aufgabe zwar ermüdend, und sie standen dabei die meiste Zeit schwitzend in der prallen Sonne, doch dafür waren sie den Ruderriemen und den Peitschen entkommen – was sicherlich die bessere „Wahl“ war, als im Unterdeck auf den Bänken zu schuften und sich zu placken. Aber wehe dem, der in der Hitze schwächelte und strauchelte! Die schmalen Wasserrationen machten es nicht einfacher.

Am besten hatten es während der Reise noch die Kriegssklaven, denn bis auf einige militärische Übungen und Waffengänge hatten sie nicht viel zu tun. Für die Führung der Segel und der Ruder gab es genügend Schiffssklaven. Die Krieger sollten ihre Kraft sparen. Plötzlich rief der Ausguck mit rauer Stimme: „Land in Sicht auf Südost!“ Die Kapitänin und Duxas sahen in die angezeigte Richtung. Tatsächlich: Ein feiner grauer Streifen am Horizont war zu erkennen – die Westküste Ledaniens! Das Schiff war eines der führenden Fahrzeuge und ließ sofort Fahnen hissen, die die Folgenden über ihre Ankunft informierten. Durch die Seemanöver unterbrach man auf allen Schiffen vorgesehene Bestrafungen. Einige Leibeigene waren gerade an der Gräting festgebunden worden, um eine Züchtigung zu erhalten, doch die Ankunft an der ledanischen Küste änderte alles. Die Kreaturen wurden unter dem Murren der Soldatinnen wieder abgebunden und zurück in ihre Quartiere oder auf die Ruderbänke gestoßen. Aufgeschoben war nicht aufgehoben, versprachen sie den Delinquenten.

Einer der Geschöpfe sollte auf einer Galeere zwei Dutzend Peitschenhiebe mit einer siebenschwänzigen Riemengeißel erhalten, weil er beim Rudern aus dem Takt gekommen war. Er hatte gefleht: „Ich habe mir doch nur über das Gesicht gewischt“, denn eine Treiberin hatte ihn angespuckt, aber seine Worte verhallten an einer sturen Offizierin, die ihn erneut zielsicher mit ihrem Sabber bespritzte. „Das ist kein Grund, du faules Schwein!“ Verärgert, dass durch die Fahnensignale alle Züchtigungen unterbrochen wurden, trat sie dem Leibeigenen wuchtig mit ihrem Lederstiefel in sein Gesäß: „Bringt ihn zurück! Und markiert ihn, damit wir ihn nicht vergessen!“ Die Soldatin salutierte und befolgte den Befehl. Bald darauf schrillten Bootsfraupfeifen über die Decks. Die Kampfeinheiten stellten sich in voller Montur auf. In wenigen Stunden sollten sie anlanden. Die Kapitänin der führenden Galeere, einem monströsen Schiff mit drei Mal so hoher Anzahl an Ruderplätzen wie bei den anderen Halbseglern, stand auf dem hohen Achterdeck und überragte alle anderen Cassandrier.

Mit fein gedrehten Locken, die keck unter ihrem bauschigen Federhut hervorlugten, stellte sie einen Stiefel auf den Rücken eines vor ihr kriechenden Sklaven, um eine bequeme Haltung einzunehmen, als sie die Küste musterte. Eine Hand spendete ihr zusätzlichen Schatten zu dem Hut und einem Sonnensegel. „Lakai!“, befahl sie ihren persönlichen Leibsklaven herbei. Er trug nach der aktuellen cassandrischen Mode für Lakaien kniehohe Riemensandalen, ein knappes Lendentuch, dass dünn genug war, um seine Männlichkeit äußerst deutlich allen Augen zu präsentieren, einen breiten Ledergürtel mit einem Geschirr aus Leder und runden Metallringen. Um den Hals stützte den Lakai eine Art breites Korsett aus steifem Leder, so dass sich der Mann nur hocherhobenen Kopfes bewegen konnte – ein Tribut, der den Stolz symbolisieren sollte, für eine cassandrische Edeldame, in diesem Fall sogar der Flottenführerin, zu dienen. Um die Stirn war ein breites Stoffband gebunden, an dem zahlreiche dünne Ketten hinab hingen. Sie klingelten und rasselten hell bei jeder Bewegung.

Nur tief vorgebeugt oder während einer schwungvollen Bewegung störten sie das Sichtfeld des Lakaien nicht. Doch der Leibeigene wollte nicht klagen, denn wer wusste schon, was die nächste Mode an Schrullen schaffen würde? Mit Schaudern dachte er an die Zeit zurück, als jeder Sklave schweren Gewichtsschmuck an seinem Beutel zwischen den Beinen trug - und die vornehmen Ladys sich gegenseitig mit dem Gewicht überbieten wollten. Welch abgeschmackte Vorstellung! Die Kapitänin forderte in messerscharfem Ton: „Bring mir und meinen Offizierinnen einen Kelch mit Wein. Den guten Roten. Wir wollen den Landgang feiern.“ Der Lakai stolperte davon. Eine Duxa berichtete pflichtbewusst: „In wenigen Stunden wird die Flotte plangemäß Aufstellung genommen haben. Einige Steinwürfe vor der Küste werden die kleinen Galeeren und Boote ankern. Die Kriegssklaven landen an. Eine Meile auf See positioniert sich die Armada und bildet wie befohlen drei Sicherheitsringe. - Hier wird es kein Durchkommen für Flüchtlinge geben.“

Die Kapitänin nickte zufrieden und hob eine Augenbraue. „Davon gehe ich aus. Sollte im Verantwortungsbereich einer Galeere eine Lücke entstehen, rollen Köpfe.“ Sie ließ eine Kunstpause nach ihrem Versprechen und sah hochnäsig zu der Offizierin. Die Duxa wirkte nicht besonders beeindruckt. Was interessierte sie ein paar hundert Kreaturen mehr oder weniger. „Alle Köpfe an Bord“, präzisierte die Flottenführerin. Die Duxa schluckte und salutierte zackig. „Wo bleibt der Wein?“, rief die ungeduldige Kapitänin in ihrer mit Brokat besetzen Uniform und fügte hinzu: „Mein Lakai leidet unter lahmen Beinen. Er sollte sie besser drillen. Bootsfrau!“, sprach sie ein Weib in Seglerkluft an, „sorgt dafür, dass ihm Muskeln wachsen!“ Die Bootsfrau verneigte sich, salutierte und verließ das Achterdeck. Für den Lakai hieß dies wohl, dass er heute noch einige Male die Takelage am Mast hochklettern sollte, vielleicht auch Kniebeugen oder den Watschelgang über das Deck hin und zurück und hin und zurück…

Eine andere Kapitänin auf einer Galeere in Luv zum Führungsschiff, betrachtete die Küste. „Welche Hinterwäldler, die Ledanier! Nur winzige Fischerhäfen. Keine Befestigungen. Kein Kastell, um einen Landgang feindlicher Schiffe zu verhindern. Wenn ich das hier mit den gigantischen Festungen in unseren Osthäfen vergleiche… Riesige Ketten sichern unsere Häfen, Felsschleudern beherrschen die See davor. Kein Wunder, dass die Ledanier untergegangen sind. Fischer!“ Das letzte Wort spuckte sie förmlich aus.
Aber der Landstrich und das Hinterland waren bereits von armierten Truppen der Cassandrier befriedet worden. In Gefechte würde die Marine sowieso nicht mehr verwickelt werden. Die Uniformierten auf den Schiffen freuten sich stattdessen auf zärtliche Minnespiele in Liebeshäusern. Doch gab es die überhaupt schon im Westen? Ledanien hatte kulturell vieles nachzuholen.

An Leibeigenen sollte es bald nicht mehr fehlen, waren die Damen optimistisch. Denn die Schwemme der gefangenen Mannsbilder würde den Sklavenpreis weit nach unten schrauben, wie es schon einmal zu Formas Zeiten der Fall war. Hinzu kam, dass die meisten Kriegssklaven nach dem Großen Feldzug nicht mehr benötigt würden. Eine Duxa hatte erfahren, dass an der Westküste keine Affen lebten. Eine zwei Offizierin sah sie an. „Was ist mit Euch? Ihr wirkt niedergeschlagen.“ Die Duxa zuckte mit den goldfarbenen Schulterklappen ihres Waffenrocks. „Ich habe meiner Nichte versprochen, ihr ein Äffchen mitzubringen, mit dem sie spielen kann.“ Die Offizierin wollte wissen: „Warum bringt Ihr ihr nicht einen Prügelsklaven mit? Oder ist sie noch nicht zur jungen Dame gereift?“ Die Duxa lächelte unverbindlich. „Doch, fürwahr! Sie ist eine junge Schönheit, die zur vollen Blüte erstrahlt ist und allen männlichen Bediensteten im Hofe den Kopf verdreht. Aber einen belanglosen Prügelsklaven hat sie schon. Sie möchte ein Äffchen.“ Die Offizierin schlug vor: „Warum richtet Ihr nicht einen Ledanier ab? Schmiedet ihn in Eisen, so dass er sich nur gebückt fortbewegen kann, und lehrt ihn, wie ein Äffchen zu tönen und sich zu bewegen.“ Die Augen der Duxa glänzten. „Oh, fein! Das ist eine prächtige Idee! Habt tausenden Dank! Das wird meine Nichte begeistern!“







261. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 04.02.23 13:06


Schon morgen, wenn alle Einheiten der Flotte ihre endgültigen Positionen eingenommen hatten, und die Führerin über den Landurlaub der Duxas bestimmt hatte, würde sie sich ein Exemplar, süß wie Fondant, aussuchen und einige Soldatinnen damit beauftragen, es zu dressieren. Vielleicht würde sie gar einen ganz neuen Trend in der Modewelt der Edelfräuleins setzen, wie es seit einer Weile breitkrempige Hüte taten, die von voluminösen Federn umwallt waren. Doch bevor es dazu kommen sollte, blieb der Landgang der cassandrischen Armada ein gefährliches Unterfangen, denn zwar war die ledanische Bevölkerung annektiert worden, doch trieben in der Wildnis mehrere freie Trolle ihr Unwesen. In den kommenden Wochen machten größere Reitertrupps Jagd auf die desertierten Ungeheuer und wollten sie haschen. Dabei kam es mehrfach zu riskanten Begegnungen, doch immer wieder konnten die Trolle im Unterholz oder zwischen Felslabyrinthen verschwinden.

Erst nach weiteren Nerven aufreibenden Verfolgungen und einem Kampf, bei dem sich für die Damen glücklicherweise ausschließlich Kriegssklaven an der vordersten Front befanden, ernteten die Großwildjägerinnen in ihren enganliegenden Lederanzügen schließlich einen Troll. Nicht ohne Opfer ging diese Auseinandersetzung von sich, doch die leitende Duxa konnte der Königin durch Briefraben die frohe Kunde schicken, dass nun nur noch sechs Flüchtige dieser Giganten in den Wäldern des Westlandes umherstreiften. Kurz darauf kam das gesiegelte Antwortschreiben: Jeder erhalte seine verdiente Belohnung. Der Duxa seien hundert Goldtaler gewährt, den beteiligten Soldatinnen jeweils zehn Münzen. Und auch die Kampfsklaven sollten nicht leer ausgehen. Cassandra schickte ihnen einen königlichen Dank: Die Mannbilder erhielten das königliche Wappen der Regentin als Brandzeichen, dass sie fortan stolz trugen und ihren Wert damit vervielfachten.

Es gab nun keinen Grund mehr für eine weitere Verzögerung, den finalen Angriffssturm auf die Burg der Leda zu beginnen. Auch das letzte Refugium der entmachteten Königin sollte dem Erdboden gleichgemacht und ihr Haupt auf einer Pike präsentiert werden. Cassandra und Tagara berieten im neuen Bollwerk in den Hügeln Ledaniens mit den höchsten Duxas das strategische Vorgehen auf dem Feld der Ehre. Es blieb trotz der schier endlosen Übermacht der Belagerer ein gefährliches Unterfangen, die Zitadelle der Leda zu stürmen, denn die Mauern waren fast uneinnehmbar und von elitären Gardisten beschützt.

Bereits jetzt feierten die cassandrischen Aggressoren ihren Sieg über das eingenommene kleine Königreich Ledanien. Am Strand der Westküste hatten Dutzende Arbeitssklaven ein tiefes Loch gegraben und hievten nun über eine gewaltige Winde einen Baumstamm, groß wie der Hauptmast eines Handelsschiffes, in seine Verankerung. An der Krone des himmelstürmenden Holzpfahls flatterte stolz und erhaben die cassandrische Flagge: ein dickes Tuch, das drei Mann hoch und fünf Mann lang war. Sogar von der Burg der Leda konnte es bei klarem Wetter gesehen werden. Das Symbol der Usurpatoren brannte eine schwärende Wunde in Ledas Ehre.

Drei Tage später war es soweit: Die cassandrische Armee blies zum Angriff. Nebelhörner und Fanfaren erschallten laut von den Hügeln. Und ähnlich der Versionen, die die Hohepriesterin gesehen hatte, rückten die Cassandrier vor und ließen den Himmel durch den gefiederten Tod, Myriaden von Pfeilen, schwarz werden. Kolosse in Panzerplatten und mit gigantischen Streitkolben und Kriegshämmern rückten brüllend wie Berserker vor. Einige schleppten den größten Rammbock der Geschichte des Alten Kontinents. Hunderte Kampfsklaven folgten in militärisch exakten Linien. Duxas und Centurias führten die Verbände vorwärts und riefen hoch zu Ross ihre Befehle. Bis zum Horizont bedeckten stampfende Kriegssoldaten den Boden. Im Takt marschierten sie vorwärts. Es gab kein Zurück!

Leda stand mit Abas auf dem höchsten Turm der Burg und sah den Feind aus allen Richtungen sich nähern. Die letzte Hoffnung auf Rettung war dahin. Wäre eine Schwalbe hoch in den Wolken geflogen, sie hätte Ledas Bastei als grauen Punkt gesehen, umgeben von einem hunderte Male größeren Teppich aus Formationen der Kampfsklaven. Die Gardisten und verbliebenen Wachmannschaften der Festung machten sich bereit – bereit für Widerstand oder Tod. Alle Verteidigungsmaschinen und Waffen waren einsatzbereit. Und doch wusste die Königin isgeheim, dass sie heute mit ihren letzten Getreuen untergehen würde…

Nike eilte mit hämmerndem Herzen auf die Königin und ihren Gemahl zu. „Eilt die Wendeltreppe hinab, Regentin! Eilt, sonst trifft Euch ein Pfeil!“ Doch just in diesem Augenblick schwirrte ein Bolzen durch die Luft, unsichtbar in der schwarzen Masse der Fluggeschosse, doch ein fieses Zischen und Schwirren war zu hören. Er näherte sich unbeobachtet in anderem Winkel, als die meisten anderen Pfeile. Erst im letzten Augenblick sah die Königin die tödliche Gefahr. Wie steil einige der Bolzen auf die Reise geschickt worden waren. Sie sollten die Plattform des höchsten Turmes treffen und alles niedermähen, was sich eben da befand. Leda duckte sich ruckartig weg, und auch Abas wollte sich schützend zu Boden werfen, um hinter den niedrigen Zinnen aus mit Moos und Flechten bewachsenen Quadern Deckung zu finden, da jagte ein feindlicher Pfeil vom Himmel hinab und fand seinen Weg in die Brust des Königsgemahls und überbrachte seine tödliche Grußbotschaft.

Leda schrie auf und rollte den zusammengesunkenen Gatten auf den Rücken. Abas sah sie mit entsetzt weit aufgerissenen Augen an und versuchte erfolglos zu sprechen. Weitere Geschosse landeten klackend auf dem Boden zwischen den Personen auf dem Granitboden, andere bohrten sich in Holz. Nike zog den leblosen Körper die Falltüre hinab und bugsierte ihn ächzend die Stufen entlang, bis der Versehrte in die Obhut von Gardisten genommen wurde, die ihn sofort zum Medikus brachten. Sorgen um den Gemahl umwölkten die Mine der Regentin.

Der Ring der Cassandrier zog sich zu. Unerbittlich. Die Entscheidungsschlacht hatte gerade erst begonnen, und Leda sollte schon den höchsten Preis bezahlen? Sie schnallte sich wütend ein Wehrgehänge um, zog das scharfe Schwert und rief: „Haltet die Mauern! Haltet sie unbedingt! Nike! Sucht Euch die besten Eurer Kämpen heraus. Wir wagen einen Ausfall!“ Nike saß ein dicker Kloß im Hals. Erst nach einem vor Schock starrenden Moment bestätigte sie den königlichen Befehl. Er war der völlige Wahnsinn! Doch sie gehorchte ihrer Königin bedingungslos. Der Obersten war bewusst, dass es nicht mehr galt, den Kampf gegen die Aggressoren zu gewinnen. Es galt nur noch die Frage, wie ehrenvoll man unterging.

Einige Herzschläge lang fühlte sich Nike wie gelähmt, doch dann durchzuckte sie eine enorme Kraft wie ein Blitz, der durch ihren Leib jagte. Alle Energie und Kraft mobilisierte. In der Stunde ihres Unterganges würde sie hocherhobenen Hauptes neben ihrer Königin reiten. Doch nimmer würde sie vor Cassandra und ihren Schergen knien! Heute würde sie ins Licht der Alten Götter reiten! Ins Heim ihrer Ahnen. „Verflucht!“, murmelte sie. „Und ich habe die letzten Tage keusch wie eine Priesterin gelebt. Jetzt ist es zu spät, um einen hübschen Jüngling zu verführen - für einen letzten fi**k!“ Doch vor ihrem Ende würde sie auch so manchem feindlichen Recken zukünftige Gelüste nehmen!

Kurz darauf saßen zwei Dutzend Gardisten auf ihren Rössern bereit für das Gefecht ihres Lebens. Nike und Leda führten sie an – die Oberste auf einem rabenschwarzen Rappen, ganz in schwarzer Uniform mit silbernen Nieten, silbernem Helm und silbernem Schwert, das in der Sonne blitzte und funkelte. Königin Leda ritt einen glänzenden Schimmel mit weißem Zaumzeug. Die Königin trug einen weißen Waffenrock, weiße Beinkleider, und auf ihrem Schopf saß ihre bescheidene aber würdevolle Krone. Wenn sie sterben musste, dann wollte sie es mit dem Zeichen ihrer Herrschaft auf dem Haupte. Leda war bereit. Ihr Schimmel tänzelte aufgeregt mit Schaum vor dem Maul. Auch Nikes Rappe spürte die Erregung und war kaum noch zu halten. Wie ein Blitz würde er vorwärts preschen, hinaus, mitten in die endlosen Massen der Feinde. Und mit ihr würden die zwei Dutzend Gardisten der Königin folgen.

Das Zuggitter war bereits hochgezogen. Die Regentin nickte der Obersten zu. Nike befahl mit rauer Stimme zwei Wachmännern: „Öffnet das Außentor!“ Sie fühlte ihr goldenes Gardistenamulett zwischen ihren verschwitzten Brüsten kleben, unter dem Schnürhemd allen fremden Blicken verborgen. Die dicken Ketten rasselten und drehten sich auf, während die Wachmänner an den Winden hebelten. In Windeseile senkte sich die Zugbrücke über den Burggraben. Die Todesmutigen begannen todesmutig und willensstark und galoppierend ihren Ausfall. Nur wenige Steinwürfe entfernt sahen sie, was auf die Burg und sie zukam: gigantische Kampftrolle, und dahinter ein Meer aus Kriegssklaven, angeführt von cassandrischen Soldatinnen. Eine Kakophonie aus rohen Rufen, scharfem Geklapper von Rüstung und Waffen, stampfenden Pferdehufen und Rufhörnern sowie das animalische Gebrüll der Trolle erklangen wie ein morbider Schallteppich.

Der Anblick war nicht minder imposant und musste jedem Lebewesen Todesangst einflößen,das dieses Heer erschaute. Jeder gewöhnliche Söldner wäre so schnell weggelaufen oder geritten, wie er konnte – und noch weiter. Doch die kleine Gruppe jagte weiter unbeeindruckt auf den Feind zu. Die Höllenpforten schienen sich vor ihnen zu öffnen. Doch trotzdem ritten sie voran. Gladius übernahm die Befehlsgewalt innerhalb der ledanischen Mauern. Der Schultheiß hatte die Zugbrücke wieder hochziehen lassen, als er erkannte, dass die Regentin niemals zurückkehren würde. Das starke Tor wurde schwer verriegelt, das Fallgitter zusätzlich verankert. Nun standen sämtliche Wachleute an den Zinnen, den Wehrgängen und in Bereitschaft. Vielleicht machten sich einige der Soldaten noch Hoffnung. Aber Gladius wusste, dass Ledanien gefallen war, dass die Zitadelle der Leda fallen würde – in wenigen Stunden.

Der Schultheiß hastete zu Aphron. „Wie sieht es um unseren Königsgemahl aus?“, erkundigte er sich besorgt. Der Medikus und Alchemist seufzte und erwiderte: „Wundbrand. Ich habe alles versucht, aber – mit Verlaub - die Alten Götter werden ihn noch vor Sonnenuntergang zu sich holen.“ Gladius stand da in seinem langschößigen Rock und blinzelte, als könne er seinen Ohren nicht trauen. Er spürte ein Kratzen im Hals und ein Brennen in den Augen. Seine Stimme zitterte vor Wut, als er feststellte: „Du hast versagt, Heiler.“ Aphrons Augen blitzten, als er sah, wie Gladius Hand zum Schwert griff. Der Medikus nestelte in einer Innentasche seines Wamses und holte geschwind eine kleine Phiole hervor. Gladius zog seine Klinge, die kreischte, als sie die Scheide verließ. Der Schultheiß holte zum enthauptenden Hieb aus, doch Aphron spritzte ihm einen Lidschlag zuvor den Inhalt der Phiole ins Gesicht. Die Flüssigkeit zischte und rauchte. Gladius brüllte auf und ließ sein Schwert fallen. Aphron holte einen geschwungenen Dolch hervor und näherte sich dem Schultheiß, der beide Hände vor das Gesicht hielt und stöhnte.

„Du Teufel!“, schrie Gladius darauf. Aphron schnaubte. „Und du? Mir meine Forma wegzuschnappen und mich im Keuschheitsgürtel verrecken zu lassen! Ist das nicht auch teuflisch? Du Hurensohn! Du sollst deinen Lohn erhalten.“ Damit trat er direkt vor Gladius und stach ihm den schmucken Dolch in die Brust. „Wo ist der Schlüssel zu meinem Keuschheitsgürtel? Sprich!“ Gladius würgte, sank auf die Knie, dann sackte er zu Boden. „Nimmer wirst du das erfahren, du elender Verräter!“

An Aphrons Ohr drangen Stimmen aus dem Flur, und er verließ die Hinterkammer, in der Abas und Gladius nun lagen – der Königsgemahl auf dem Holztisch, auf dem der Medikus operierte, der Schultheiß auf den nackten Steinplatten des Fußboden. Aphron schloss die Tür und verriegelte sie. Nun erhellte die Kammer, die keine Fenster besaß, nur noch eine kleine Laterne, die am Kopfende des sterbenden Königsgemahls stand, die Umgebung. Die Destilliergerätschaften und Glaskolben an den Wänden tauchten in eine dumpfe Schattenwelt.

Schon erschienen im vorderen Raum, wo Heilkräuter und Tinkturen gelagert waren, zwei Wachleute. „Wir suchen den Schultheißen. Habt Ihr ihn gesehen?“ Aphron schüttelte den Kopf. „Nein. Entscheidet selbst, was zu tun ist. Lauft auf die Wehrgänge! Jeder Mann wird gebraucht. Hier stört ihr mich nur. Ich kümmere mich um das Wohl unseres Königsgemahls. Ihm geht es schlecht.“ Die gerüsteten Männer eilten mit klappernden Lauten den Flur entlang. Aphron atmete tief durch und wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn. Ein Schwindel erfasste ihn und ließ ihn taumeln. Was waren das nur für finstere Zeiten? Er hatte den Schultheiß gemeuchelt, den Königsgemahl sterben lassen, steckte in einem Keuschheitsgürtel fest, und draußen wütete der Feind. Für dieses schwarze Schicksal fehlten ihm die Worte…

Vesta, Statthalterin der Metropole und Stellvertreterin der hoheitlichen Cassandra im Osten des Kontinents, bekam von all den Kriegswirren kaum etwas mit. Sie wartete nur auf eine Botschaft von Briefraben, die ihr endlich den Sieg über Ledanien verkündete, naschte auf ihrem Fauteuil Weintrauben und ließ sich ihre Füßchen massieren. Sie gähnte und streckte ihre Glieder genüsslich auf den weichen Kissen. Erste Mannsbilder von der Westküste waren inzwischen mit großen Sklavenkolonnen eingetroffen. Der Marktpreis der Kreaturen war auf dem Tiefpunkt – Pech für die Händlerinnen, Glück für wenig solvente Damen, denn nun konnte sich auch ein kaum begütertes Weib gleich mehrere Leibeigene gönnen.

Im Palast der Cassandra, wo Vesta residierte, nahm dies neue Züge an. Bei Hofe galt es nun, nur „jungfräuliche“ Sklaven zu halten. Mannsbilder, die noch so unbedeutende Makel aufwiesen, wurden sofort ausgetauscht und in Minenstollen oder Plantagenfelder geschickt, um nicht die Augen der feinen Gesellschaft zu beleidigen. Heute hatte Vesta zu einem ausgefallenen Spektakel nur die feinsten Edeldamen des Adels eingeladen. Süßer Trug, der ihr von speichelleckerischen Hoffräuleins schmeichlerisch in die Ohren gesäuselt wurde, der sie doch nur blenden und ihren Geist vernebeln wollte, war ihr ein Gräuel geworden. Niemand durfte sie einfach ansprechen.

Neben diversen Darbietungen, die unterhaltsam, faszinierend und amüsant zu werden versprachen, traten auch zwei Kunstpeitscherinnen auf. Diese Frauen verstanden es meisterhaft mit vielerlei Schlaginstrumenten umzugehen. Höhepunkt des Abends aber sollte ein akrobatischer Tanz werden, bei dem sich das Duo zu Rhythmen bewegte und mit drei Mann langen Bullenpeitschen aufgestellten Leibeigenen auf ihrem Gesäß kunstvolle Muster zauberten. Es zwickte und zwackte den quiekenden Sklaven, die versuchten mannhaft zu schweigen, doch das eine oder andere Fiepen entfleuchte ihren liederlichen Lippen. Einmal erschufen die Akteurinnen sogar das Monogramm einer der Zuschauerinnen. „Prima!“, riefen ihre Freundinnen begeistert. „Was putzige Kunst!“, riefen andere.

Vesta und ihre Damenrunde waren begeistert und applaudierten euphorisch den Meisterinnen der Peitsche. Es war unglaublich, wie exakt sie mit den endlos langen Lederschlangen trafen, teilweise mitten im Tanz miteinander, während sie sich drehten und wirbelten. Und das war noch lange nicht alles, was die Könnerinnen in ihrem Repertoire hatten. Auch mit Fackeln jonglierten sie und streiften mit den rauschenden und fauchenden Flammen an Gemächt und Hintern der Sklaven vorbei, die angstvoll zuckten, und sich doch zu Ruhe zwangen, um nicht ungewollt durch eine unbedachte Bewegung getroffen zu werden. Die Artistinnen des Riemens und der Fackel brachten die Niederen zum Schreien, die passend zur Musik wie komponierte Sangeseinlagen wirkten. Immer wieder belohnte sie die ergötzte Zuschauerschar mit Ovationen, enthusiastischen Rufen und bewundernden Blicken. „Was für ein Ohrenschmaus“, befand eine junge Lady, „wie die Süße von Honig“.

Später lud Vesta die beiden Künstlerinnen ein, mit ihren Edeldamen gemeinsam zu speisen und zu trinken. Nur vom Feinsten wurde von knapp bekleideten Jünglingen Tablett um Tablett und Weinkelch um Weinkelch aufgetragen. Das Fest wurde ausgelassener, je mehr Kristallgläser mit Rebsaft geleert wurden. Schließlich boten die Kunstpeitscherinnen die Fräuleins ein, ihnen die Technik der Bullenpeitsche zu erklären. Viele der jungen Damen freuten sich auf eigene Versuche und scheiterten zunächst kläglich, denn die Leibeigenen waren bald am gesamten Körper mit Striemen überzogen, doch nicht so gemustert wie gewünscht, sondern wild kreuz und quer. Offenbar waren sie geübter darin, sich mit Flitter, Glitzerkram und allerlei Juwelentand zu behängen, als die Peitsche punktgenau zu schwingen.

Vesta ließ eine neue Gruppe Leibeigener zur Bespaßung ihrer kapriziösen Gäste herbeibringen. Die alten geschundenen Exemplare waren mittlerweile so verschlissen, dass die Treffer nicht mehr zu erkennen und zuzuordnen waren. Sie waren nutzlos geworden. Die Fräuleins, vom roten Beerensaft angetrieben, übten mit glühenden Wangen und lautem Gekicher noch bis tief in die Nacht. Vesta musste noch ein Dutzend weiterer frischer Sklavengruppen herbeibringen lassen, bevor auch die Ambitioniertesten sich ihrer Erschöpfung und dem Schwindel geschlagen gaben.

Vesta dankte am nächsten Tag still den Alten Göttern für das Ende, denn der Abend war zur Posse geworden: Je mehr Weinkelche geleert wurden, desto toller und frivoler waren die Ideen der Ladys: Einige der Damen stellten sich provozierend aufreizend vor die Sklavenreihe und öffneten die obersten Knöpfe ihrer Kleider. Die Etikette war gefallen, und es kam ein Sturm aus ausschweifenden Trieben zum Vorschein, der unter Oberfläche der feinen Damen gelauert hatte. Selbstredend war es den Leibeigenen nicht erlaubt, die Fräuleins mit lüsternen Blicken zu beschmutzen. Doch einige der Damen trieben ihr grausames Spiel mit den keuschen Männern auf die Spitze, öffneten Knopf um Knopf um Knopf… Da glühten sogar Vestas Wangen. Nervös fächelte sie sich affektiert und hastig Kühlung zu. Sollte sie das bunte Treiben unterbinden? Vielleicht dezent in eine weniger lotterhafte Art eingrenzen, bevor es völlig ausuferte?

Doch schließlich hielt es sie nicht mehr auf ihrem Polstersitz und stoppte nicht etwa das ausgelassene Gebaren, sondern schloss sich den obszönen Verführungskünsten ihrer Gäste an. Gut, dass sie kein kleines Mädchen mehr war, das für diese dreiste Orgie der Tollheit von ihrer Gouvernante bestraft werden konnte. „Diese unterdrückten Zeiten sind für immer vorbei, Mutter“, dachte sie still und befriedigt, als sie sich daran erinnerte, wie sie Fama zu den Alten Göttern geschickt hatte. Mit ihrem Sonnenschirmchen aus Seide poussierte sie vor den nackten Spielzeugen und übernahm in persona die Bestrafung, falls eine Dame glockenhell und gespielt empört rief: „Er hat geschaut! Dieses impertinente Schwein!“ Vesta lief geschwind um die Reihe und stach den Schuldigen mit der Spitze ihres Schirms in die apfelförmigen Hinterbacken. Wieder und wieder. Welche eine spitzfindige Wonne! So ausgelassen und beglückt hatte sie sich schon lange nicht mehr gefühlt!








262. RE: "Schwärende Wunde"

geschrieben von M A G N U S am 05.02.23 13:19

"Das Symbol der Usurpatoren brannte eine schwärende Wunde in Ledas Ehre."

Schmerzlich erinnert mich diese vorzügliche Formulierung an das Symbol des Finanzamts in Form des grünlich-beigen Formulars der Steuererklärung, welche seit geraumer Zeit an der hinteren Schreibtischkante herumflattert, indes noch etwas entfernt davon ist, eine schwärende Wunde zuzufügen.
263. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 19.02.23 16:59

Und schließlich durften die Sklaven ihre eigenen Künste des Jonglierens vorführen. Mit brennenden Holzscheiten gaben sie in der Dunkelheit ein wunderschönes Bild ab, nachdem das Abendrot entflohen war. Wer schnell und geschickt genug war, der spürte kaum die Gluthitze des Holzes, aber einige Mannsbilder stellten sich zur Belustigung der Damen recht ungeschult an. Ein Gaudium höchsten Genusses! Noch vergnüglicher war ein Wettkrabbeln, das die Kreaturen mit einem heißen Kiesel zwischen den Pobacken absolvierten. Selten hatten die Ladys so herzlich gelacht, spornten ihren Favoriten an und gackerten vor Freude.

Als die ehrenwerte Vesta am Morgen in ihrem großen Himmelbett hinter der feinen Wand aus Damaststreifen aufgewacht war, begab sie sich ins marmorne Bad und ließ sich von ihren Leibdienern waschen und mit aromatischen Ölen pflegen. Als sie ein kupferfarbenes Seidenkleid übergestreift hatte, das sie wie Flor gedeckte, begab sie sich vor dem Frühmahl anmutig zu einer großen bronzenen Schale, um sich daselbst die Händchen zu waschen – in Wasser und Unschuld.

Jede der prachtvollen Damen ging am nächsten Tag anders mit ihren Kopfschmerzen vom Festbankett und der Zecherei um, aber jede hatte sie: die gemeinen, kleinen Kobolde in ihrem Schädel, die scheinbar mit Hämmern und Hacken schlugen, polterten und mit großen Bohrern schraubten und sich sträubten zu verschwinden. Ein Edelfräulein ließ sie sich sanft von einem Leibsklaven wegmassieren. Warmes Öl und ein heißer Kräutersud brachten ihr Linderung. Eine andere Dame, die für ihren unbescheidenen Durst am Vorabend Tribut zollte, lebte nach der Prämisse, dass Schmerz aus dem Leib wandern könne, wenn er ein neues Heim bekomme. Daraus resultierte sie, dass sie ihre Pein einfach an ihre Sklaven weitergab.

Vor ihr kniete ein Lustjüngling mit einer Kopfzwinge. Leider schienen die bösartigen Kobolde sich im Kopfe der Gebieterin wohlzufühlen. Der Leibeigene, der zu seinem Keuschheitsgürtel lediglich eine Mischung aus Kummerbund und Gräten-Korsett trug und darob die vielleicht zierlichste Taille der Männerwelt der Stadt hatte, zeterte: „Oh, hochwürdige Herrin! Die Kobolde sind bereits angekommen! Sie sind in mir! Oh, und es werden immer mehr!“ Verzweifelt fasste er an die Kopfzwinge, aber die Herrin schlug die Hände weg und drehte an der Schraube auf seiner Stirn. „Elender Lügner! Ich spüre sie doch noch in meinem edlen Leib!“ Sie drehte die Zwinge fester. Irgendwann gab sie verzagt auf, beließ aber den Sklaven noch in seinem Kopfschmuck. Geteiltes Leid war halbes Leid.

Ein anderes Edelfräulein, das ebenfalls nicht vor den Auswirkungen des süßen Trunks gefeit war, ließ sich kalte Luft zufächeln und ein kühlendes und feuchtes Tuch an die zarten Schläfen drücken. Sie befahl ihrem Lakai: „Lauf schnell zur Medica und bring mir Schlafmohn. Eil Er sich! Sonst gibt es die Peitsche zu schmecken!“ Der Lakai raste wie von einer Tarantel gestochen los, sprang die Marmorstufen des Hauses hinab, die am Atrium endeten, rannte den Flur entlang und stürzte aus der Haustür hinaus wie ein Kaninchen auf der Flucht vor einer Meute Jagdhunde.

Der livrierte Bedienstete kannte den Weg wie seine Westentasche, die sein bauchfreies, enges Oberteil verzierte. Um die Lenden war über seinen Keuschheitsgürtel ein Baumwolltuch geschwungen, das zwischen die Beine und um die Taille gezogen war und mit einem braunen Lederband gehalten wurde. An den Füßen trug er Sandalen, deren Riemen sich bis fast zum Knie hochrankten. Sein Hals war mit einem breiten, steifen Lederband gestützt, an dem vorne ein großer Metallring angebracht war. An den Oberarmen trug der Lakai schwarze Tätowierungen, die das Familienwappen seiner Gebieterin zeigten, auf dem kahl geschorenen Schädel war ein Rosenmuster mit Tinte eingraviert.

Der Diener hastete einige Minuten später kurzatmig in eine kleine Gasse zu einem Backsteinhaus. Ein eisernes Symbol an einem Hängeschild über der Tür zeugte davon, dass er sein Ziel erreicht hatte. Dank den Alten Göttern, betete er im Stillen, denn unterwegs hätte er auch von weiblichen Schnapphähnen belästigt werden können. Er war zwar für einen Raub ein eher ungeeignetes Ziel, denn viel trug er ja nicht bei sich – außer ein bisschen Würde, Stolz und sein Leben…

Er klopfte an die Tür. Auf einem Hinweisschild stand geschrieben: „Behandlung und Arznei für Niedere nur auf Anweisung.“ Das hieß in etwa so viel, dass kein Mann ohne Erlaubnis einer Dame die Dienste der Medica in Anspruch nehmen durfte. Heiß durchzuckte es den Lakai. „Verdammt! Ich habe keine Erklärung meiner Herrin dabei.“ Wie sollte er nun die gewünschte Arznei erhalten? Er trat trotzdem ein und sah die Medica an einem Tisch sitzen. Im Gegensatz zu der stechenden Gluthitze im Freien, war es hier schön kühl und etwas abgedunkelt. Gaze an den Fenstern schützte vor direkter Sonne und vor lästigen Stechfliegen. Die Medica war in eine schwarze Robe mit blutroten Paspeln gewandet. An ihren weiten Ärmeln wallten zahlreiche Rüschen.

Demütig senkte der Lakai seinen Kopf, doch hatte er für einen winzigen Zeitpunkt das göttliche Antlitz der Frau betrachten dürfen. Eine Augenweide! Ein Labsal für seine Sinne. Die schwarzen Locken, die ihr zartes Gesicht mit den hohen Wangenknochen umgaben, glänzten in dem Licht der Laternen wie feinste Seide. Die Medica besaß grüne, strahlende Augen, von denen er schon jetzt fast verzaubert war. Eine so liebliche Gestalt, einer Fee gleich. Doch nun musste er hurtig um Hilfe ersuchen, die Qualen seiner Gebieterin zu mindern – um nicht selbst welche geschenkt zu bekommen. Er wollte gerade berichten, wozu seine Herrin ihn beauftragt hatte, da wurde er bereits unwirsch unterbrochen: „Zeig mir deine Anweisung!“ Die Medica streckte fordernd und ungeduldig eine Hand aus. Der Lakai ächzte. Er erklärte in flehentlichem Ton, dass er kein Schreiben dabei habe… Just fiel ihm auf, dass er nicht einmal die nötigen Kupfermünzen mitgenommen hatte, und ihm wurde heißer, als ihm draußen in der sengenden Sonne gewesen wäre. Schweiß lief ihm die Wangen herab.

Die Medica sah ihn mit erhobenen Augenbrauen an – in ihrem Blick lag eine Mischung aus Ekel und Ungeduld. „Verschwende nicht meine Zeit, Bursche! Sonst hole ich meine Knochensäge und…“ Der Lakai schrak auf. „Nein! Ich bitte Euch! Meine Herrin heißt Victoria. Sie wohnt an der Paradenallee in dem weißen Domizil mit dem Kreuzgratgewölbe an der Front, und ich…“ Die Medica blieb unerbittlich. „Anweisung!“ Sie winkte gereizt mit ihrer Hand. Der Lakai wagte es, ihr in die Augen zu schauen. Erkannte sie in seinen blauen Augen denn nicht, dass er wahr sprach? Die Heilerin sagte mit mokantem Klang: „Bedürfet Ihr eines weisen Rates?“ Der Lakai war baff. Dann griff die Medica zu einer kurzen scharfen und gebogenen Klinge. „Höret, kleiner Drecksack! Ohne Münzen und Anweisung gibt es bei mir nur die Erlösung Eurer prallen Männlichkeit“, und dachte dabei: „Die werde ich danach im Weiher versenken, um den Fischen ein Festmahl zu bereiten.“

Der Lakai war nun vollkommen durcheinander. Die Medica wollte ihn aus dem Keuschheitsgürtel befreien? Sie konnte nur ahnen, dass er einen trug. Obwohl… welches Mannsbild tat das nicht!? Oder foppte sie ihn? Er stammelte irgendetwas Unverständliches. Seine metallene Hose war zwar eher eine Schelle für sein Gemächt, aber deshalb nicht weniger schwierig zu öffnen… Und endlich begriff er den tieferen und bitteren Sinn der Worte. Sie würde ihm den Keuschheitsgürtel abschneiden – ohne Rücksicht auf Verluste. Wie auf ein geheimes Kommando sprang die Medica auf und näherte sich ihrem Besucher, so schnell, dass ihre Robe flatterte. Der Lakai stürzte aus der Tür auf die Gasse, strauchelte und platschte in eine Pfütze mit schmutzigem Wasser. Schnell rappelte er sich auf und flüchtete zurück nach Hause. Hinter ihm hörte sie die Medica ironisch rufen. „Gehabt Euch wohl, Kleiner!“

Die Herrin erwartete ihn erbost. „Ich habe mich nicht genügend dem Drill meines Lakais gewidmet, so scheint es mir zu sein.“ Sie schüttelte bedauernd den Kopf. „Spare beim Lakaien an der Peitsche, und du wirst es ausbaden…“, zitierte sie eine alte Weisheit aus Megaria. Sie kramte eine siebenschwänzige Geißel hervor und befahl: „Knie nieder und küss mit deiner Stirn den Boden!“ Sofort gehorchte der junge Mann. Auf ein Zeichen der Herrin Victoria rissen ihm zwei Haussklaven das Lendentuch vom Leib. „Deine Zucht werde ich nachholen! Auf das sie dieses Mal gedeihe!“, frohlockte sie und holte aus, um sich nicht fehlender Erziehung lumpen zu lassen. Der Lakai versuchte mit zaghaften Worten sein Ungemach zu schmälern. Schließlich hatte Victoria auch nicht an ein Schreiben oder den Geldbeutel gedacht. Aber bald vergingen ihm die Worte. Victorias Peitschenhiebe fetzten ihm die Entschuldigungen von den Lippen und hinterließen dort nur gemarterte Schreie der Pein.

Als der Lakai sich kaum noch in seiner präsentierenden Position halten konnte und längst ein Höllenfeuer auf seinem Arsch zu brennen schien, warf Victoria die Geißel weg und schnaubte abfällig. Sie unterzeichnete ihm eine Anweisung auf einem kleinen Stück Pergament, reichte ihm einen Sack mit Kupfermünzen und schickte ihn erneut auf den Weg. Gleichzeitig trat sie das Lendentuch, das auf dem Boden lag, zur Seite. „Das bleibt hier! Los! Bewege dich!“ Schluchzend machte sich der Lakai nicht weniger geschwind auf zur Medica. Als er durch die Stadt eilte, verfolgten ihn zahlreiche lachende und kichernde Damen der Gesellschaft, die den frisch geprügelten Hintern betrachteten und dem Lakaien ulkige Bemerkungen mit auf den Weg gaben. Das leuchtend rote Sitzfleisch zog die aufmerksamen Blicke der Damen und Edelfräuleins magisch an. Die jüngsten unter ihnen, gerade zur Dame gereift, liefen dem Lakaien übermütig, beschwingt und fidel ein Stück weit hinterher, riefen Spottsprüche und schossen mit kleinen Schleudern tollkühn Metallkügelchen zielgenau auf das Gesäß des Verfolgten.

Der Sklave hüpfte jedes Mal, wenn er getroffen wurde, wie ein bockiger Esel empor und piepste und quiekte, als wolle er den Treffer bestätigen. Doch letztlich konnte der wackere Leibeigene die ausgelassene Frauenschar abhängen und bog in die kleine Gasse ein, in der die Medica ihre Heilstätte hatte. Schnell öffnete der Lakai die Tür zu dem Domizil und atmete schwer ein und aus. „Du schon wieder?“, erkannte die Heilerin den Burschen. „Hoffentlich hast du dieses Mal alles dabei. Sonst muss ich mein Versprechen doch noch einlösen und…“ Sie betrachtete ausführlich und interessiert die entblößten Lenden. Verschmitzt verschränkte sie ihre Arme vor der Brust und wartete darauf, was der Diener nun vorbringen werde.

Hektisch holte der Lakai aus seiner Kurzweste das Schreiben und reichte der Heilkundlerin es mitsamt dem Beutel mit den Münzen entgegen. Misstrauisch beäugte sie zunächst das Pergament, dann den Inhalt des Beutels. „Also gut, Jüngling. Was brauchst du?“ Der Lakai atmete erleichtert aus und berichtete über die Beschwerden seiner Herrin. Die Medica nickte langsam, wie in Gedanken verloren. Dann schritt sie zu einem Regal, auf dem schier Hunderte Tiegel, Phiolen, kleine Amphoren und Krüge standen. Sie nahm ein Gefäß aus Ton hervor und entkorkte den Hals. Dann schüttete sie ein bräunliches Pulver auf ein Papier, faltete es zusammen und reichte es dem Lakaien. „Macht ihr daraus einen Sud und zuckert ihn kräftig. Er schmeckt bitter. Drei Mal täglich ein halber Liter davon. In wenigen Tagen dürfte sich deine Herrin wie neugeboren fühlen. Das meiste Kopfweh vergeht bereits in wenigen Stunden.“

Sie wühlte in dem Beutel nach einem Silberling, fand aber nur Kupfermünzen. Seufzend schüttete sie den gesamten Inhalt auf ihren Tisch und zählte nach. Dann ließ sie zwei Münzen wieder in das Säckchen fallen und warf es dem Lakaien gegen die Brust, der schnell danach schnappte. In diesem Moment bemerkte er ein winselndes Gejammer einer Männerstimme aus der Nebenkammer. Die Medica rief barsch hinter sich: „Wirst du still sein, du Wurm? Je mehr du dich bewegst, desto arger ist die Pein.“ Wie zum Abschied sagte sie zum Lakaien gewand und mit einem Lächeln: „Ein Patient. Seine Besitzerin hat ihn in einen Kaktus gesetzt. Nun habe ich die Arbeit damit.“

Sie hatte die Tür geöffnet und den Lakaien hinausgeführt. Sie schloss die Tür gerade wieder und kehrte zu ihrem Patienten zurück, der mit breiten, schwarzen Lederriemen nackt und bäuchlings auf einer Holzpritsche fixiert war. Eine blakende Öllampe beleuchtete insbesondere das Gesäß, das einem Igel ähnelte. Unter dem Gesicht des Sklaven hatte sich eine kleine Pfütze aus salzigen Tränen gebildet. Die Medica nahm eine Pinzette zur Hand und rückte einen gepolsterten Schemel zur Pritsche, setzte sich und näherte sich mit ihrem Gesicht und dem Gerät dem Hintern des Mannes. „Wo waren wir stehen geblieben? Ich glaube bei hundertelf… Oder waren es schon hundertzwölf? Einerlei. Obwohl… Ich glaube, ich mache jetzt zunächst mal Mittagspause. Und du… läufst inzwischen nicht weg, klar?“ Schallend lachend steckte sie die Pinzette in die Ritze zwischen den Hinterbacken ihres Patienten, damit sie sie später leicht wieder finden würde, und verließ ihre Arbeitsstätte. Nach dem Essen in der Taverne „Zum tanzenden Jüngling“ würde sie noch ein Nickerchen einlegen. Der Igel konnte warten.

Der Lakai hastete wieselnd zurück zu seiner Herrin Victoria, um ihr die lindernde Ingredienz zu geben, die ihr als Teegebräu Entspannung bringen sollte. Victoria starrte in den fast leeren Geldbeutel. „So, so! Da bleiben in diesem Monat aber nur wenig Münzen für die Sklavenhaltung übrig. Ich fürchte, du wirst abspecken.“ Der Lakai seufzte tief. Er wusste, dass seine wohlhabende Herrin dies nur als Vorwand angab, um ihn piesacken zu können. Aber er wollte nicht sein Schicksal bejammern. Arbeitssklaven, die in Minen oder auf Plantagen schufteten, hatten es noch viel schwerer. Und da wollte er lieber nicht undankbar sein. Er wusste, dass die Hand, die sich bettelnd zu weit vorstreckte, unglücklicherweise abgebissen werden könnte…

Vestas Kopfweh war flugs vorbei – dank des kostbaren Trunks der königlichen Alchemistinnen. Sie fiel weich in einen weißen samtenen Diwan, der über und über mit weichen purpurroten Seidenkissen mit gestickten Rosen bedeckt war. So flauschig ihr Leib nun von den kunstvollen edlen Tüchern umschmeichelt wurde, so hart und unnachgiebig waren ihre Gedanken: Was war, wenn der Große Kriegszug gegen Ledanien beendet war? Würde Cassandra sie als Statthalterin in die Metropole zurückschicken? Damit würde sie leben können. Aber was war, wenn sie nicht mehr gebraucht würde? Wenn gar falsche und hinterhältige Weiber ihren Posten an sich reißen wollten? Eine diffuse Angst beschlich sie und wollte keine Ruhe geben.

Selbst die große Truhe mit den Edelsteinen und Goldtalern neben ihr, in der sie so gerne ihre Händchen vergrub, um die Juwelen durch die Luft klimpernd und klackend fliegen zu lassen, brachten sie nicht aus ihren düsteren Visionen. Noch war keine weitere Botschaft aus dem Westen gekommen. Ungeduldig wartete sie weiter auf eine Nachricht. Nur ein Begnadigungsgesuch eines eingekerkerten Sklaven wurde ihr von ihrer Majordoma gereicht. Vesta ließ es lässig in eine Feuerschale fallen. Das auflodernde Pergament teilte ihr Gesicht in Licht und Schatten. Die schwere Perlenkette, die sie trug, blitzte auf, als wolle sie den Bittsteller verhöhnen.

Am Vortag war eine kleine tapfere Schar ins sichere Verderben geritten. Auf dem Feld der Ehre kämpften Königin Leda, die Oberste Nike und ihre Gardisten einen aussichtslosen Kampf. Die kolossale Übermacht nahm kein Ende. Mit todesmutiger Courage warf die kleine Gruppe sich verzweifelt gegen den Feind und löschte ausgiebig den Durst ihrer Klingen und Äxte; doch schließlich fielen Ross und Reiter den tausenden Lanzen, Streitkolben, Schwertern, Morgensternen und Kriegshämmern zum Opfer. Die Oberste Nike stürzte mit pochendem Schädel in den Morast. Die Sonne blendete sie im ersten Augenblick, doch dann waberte eine Dunkelheit heran, die ihre Umgebung in Dämmerung und schließlich Finsternis verwandelte. Auch die gebrüllten Schlachtenrufe wurden leiser, dumpfer. Sie hörte alles nur noch wie durch dicke Watte. Und dann nichts mehr.

Ihre Leiber, fürwahr, so würden es wohl noch in tausend Jahren die Troubadoure stolz an den Lagerstätten von Soldaten und Volk singend und dichtend vortragen, waren gezeichnet von tapferer Gegenwehr. Die tollkühnen Gardisten – und mit ihr eine langjährige Begleiterin der Leda – zogen in das Reich der Alten Götter ein. Ihr Weg auf dem Erdenrund war nun beendet. Doch Leda selbst lebte noch. Sie war von sechs Kampfsklaven unter hohen Opfern gebändigt worden. Sollte man sie vielleicht unangetastet der Cassandra überbringen? So musste es sein. Leda konnte sich keinen anderen Grund dafür erklären, warum sie noch atmete. Voller Gram musste sie ihre Waffen strecken. Doch sie schwor sich: War auch ihr Schwert gebrochen – ihr Wille würde es niemals sein!







264. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 25.02.23 16:14

Sie wurde wie ein Stück Vieh über einen Pferderücken gebunden und hinter die Front geführt. Nach Schicklichkeit fragte hier niemand. Ihre Krone trug sie längst nicht mehr. Ein Hustenanfall beutelte sie. Nach dem ungemütlichen Weg über die Hügel, erreichte sie endlich die Felsen, auf denen die neue Festung der Cassandra stand. Leda hämmerte ihr Herz vor Wut bis an den Hals. Hier, mitten in Ledanien, hatten die Hexen ein gewaltiges Bollwerk gebaut. Die Burganlage war viel größer als Ledas Zitadelle. Eine Angst einflößende Trutzburg.

Die gedemütigte Leda fiel vom Ross, als zwei Kriegssklaven die Riemen mit Messern durchschnitten. Die entmachtete Monarchin knallte zu Boden wie ein Sack Mehl. Staubwolken nebelten auf, Dreck spritzte. Sofort ergriffen sie zwei andere Gerüstete und hakten sich unter Ledas Achseln ein, hoben sie grob und brachten sie in eiligen Schritten in die Festung, die Leda nun zum ersten Mal aus nächster Nähe sah: ein kaltes Gemäuer ohne Seele, aus dem Boden gestampft durch Sklavenarbeit. Von einer Tyrannin, dem Inbegriff des Bösen.

Ihr Weg führte sie über einen Paradeplatz im Innern der Mauern, dann einen Säulengang entlang zu einer massiven Eisengittertür. Die Männer übergaben ihre Ware zwei anderen Kriegersklaven, die eine etwas andere Art der Uniform trugen. Sie wirkte genauso martial, doch zeigte sich an ihrer Kleidung mehr Stoff. Die Männer brachten sie in engem, harten Griff einen kurzen Steingang entlang zu einer weiteren Tür, vor der zwei mit Hellebarden bewaffnete Wachen postiert waren, und anschließend eine lang Wendeltreppe hinunter.

Einige Zeit leuchtete noch durch Schießscharten ein wenig Sonne, doch dann gaben nur noch tropfende Fackeln an den Wänden ein trübes Licht. Weiter ging es einen Gang mit Gewölbedecke entlang. Einige Türen aus massivem Eisen gingen zu den Seiten ab, doch Leda führte es daran vorbei zu einer Pforte am Kopf des Korridors. Dort warteten erneut zwei Wachen. Hinter der schweren mit Eisenbändern ausgeschlagenen Tür erschien wieder eine tiefe Treppe. Hier waren noch weniger Fackeln angebracht, so dass Leda kaum noch etwas sah in der Düsternis.

Die Wachen mussten sich trefflich auskennen, sonst wären sie gewisslich gestolpert. Schwere Tritte trampelten die Stiege hinab. Endlich erreichten sie die letzte Stufe und entzündeten hier eine rußige Öllampe. Leda erkannte eine weitere Eisentür. Auch diese war mit schweren Riegeln versperrt. Dahinter tauchte eine Gitterwand aus rostigen, viereckigen Stäben auf. Eine Art niedrige Tür war eingebaut, so dass ein Teil geöffnet werden konnte. Leda wurde von den kräftigen Kerlen hineingestoßen. Sie folgten ihr und nahmen Hand- und Fußfesseln von einem Haken an der Wand. Die Gefangene verzichtete auf eine Gegenwehr, als die Schergen ihr die schweren Eisenteile anlegten – nur eine weitere Bürde, die sie ihr Schicksal tragen ließ, und es war vielleicht die leichteste von ihnen.

Die derben Männer ließen sie nun mutterseelenallein. Als die schwere Eisentür quietschend und knarrend ins Schloss knallte, erstickte sie die letzten Lichtstrahlen und mit ihnen die Hoffnung der Regentin auf eine gute Zukunft. Leda wollte ihre neue Umgebung ertasten, aber schon nach wenigen Momenten bemerkte sie, dass die Erschöpfung durch den Kampf und ihr unfreiwilliger Ritt bis zu ihrem Kerker ihre Kraftreserven aufgebraucht hatten. Sogar erfrischt und voller Tatendrang hätte sie die über zehn Pfund schweren Fesseln sehr ermüdend empfunden – die Ketten mitgerechnet würden das Gewicht gar fast verdoppeln. So aber sank sie auf den kalten Steinboden und schlief augenblicklich ein, als ob es sich dort mollig und behaglich läge. Der Schlaf nahm sich sein Recht.

Alles war aus! Ledanien lag am Boden. Ledanien war Historie. In ihren wirren Träumen vegetierte sie in ihrem Verlies bis ans Ende ihrer Tage. Bekannte Gesichter klagten sie an.
Abas: „Warum hast du mich aus den Klauen der Megara befreit, wenn ich doch sterben muss?“
Nike: „Du hast mich und alle anderen loyalen Untertanen in den Tod geschickt!“
Gladius: „Warum hast du deine Untertanen in der Burg alleine gelassen? Ihr Verderben zugelassen?“
Aphron: „Du bist schuld, wenn ich wieder als Liebessklave im Harem einer cassandrischen Edelfrau ende!“
Und längst von ihr gegangene Weggefährten wie Caduceus warfen ihr vor: „Ich habe den Alten Kontinent mit dem magischen Bann des Leviathan vor dem Westvolk gerettet. Und nun? Was hast du daraus gemacht? Soll der gesamte Kontinent ein Reich der gnadenlosen Herrinnen werden?“
Besonders tadelsüchtig klagte sie Majordomus Hagbard an: „Warum hast du das zugelassen? Ich bin Opfer einer Verwechslung geworden! Und du weißt es genau! Du hättest reinen Tisch machen müssen, als Abas mich erstochen hat, weil er mich für deinen heimlichen Liebhaber hielt! Und selbst da hast du Zelos, diese Ratte, noch gedeckt!“

Und immer wieder erschien Megaras fratzenhaftes Lachen vor ihrem Antlitz. Schweißgebadet wachte sie auf. Ihr schmerzten alle Knochen und Muskeln des Leibes. Rasselnd schabten die Ketten über den nackten Boden. Grimmig dachte sie: „Wenigstens Megara ist tot! Tot! Tot! Tot! Und egal, was mich bei Cassandra oder dem Maluskult um Tagara erwartet… Ich werde würdevoll abtreten. Ich bin eine Königin! Leda, Regentin von Ledanien!“ Vor Erbitterung kullerte ihr eine salzige Träne über die Wange. Dann schrie sie durchdringend und schrill, ließ alle Wut heraus. Doch niemand hörte sie in den dicken Gemäuern, tief unter der Erde – niemand, bis auf ein paar fette Ratten, die vor den kreischenden Lauten durch die Eisenstreben Reißaus nahmen.

Zum Zeitpunkt ihres Aufschreis hielt die verzweifelte Verteidigung der ledanischen Zitadelle ihren Widersachern keinen Stand mehr. Von allen Seiten erzwangen sich Kataklysmen Krieger den Eintritt in die umstellte Bastei. Die vorderste Front der Fußtruppen trug Helme mit einem spitzen Dorn obenauf. Pfeile regneten wie ein böser Hagel herab. Geschosse größerer Bauart folgten und zerschmetterten mit tödlichem Groll alles, was sie trafen. Die Mauern wurden regelrecht überschwemmt vom Feind, und auch die dicke Pforte brach berstend und splitternd und dröhnend den gewaltigen Kräften, die der Rammbock der Trolle freisetzte.

Das Fallgitter rissen die ungestümen Kreaturen kreischend aus den Angeln und schleuderten es krachend und deformiert zur Seite. Sofort folgten ihnen hunderte Kampfsoldaten, die den Hof in ihren Rüstungen und diversen Blankwaffen fluteten und alles vernichteten, was ihnen vor die Augen kam. Stahl krachte auf Stahl oder schnitt und bohrte in weichen Widerstand. In Windeseile war die letzte Gegenwehr brutal gebrochen.

Kaum waren Centurias auf ihren hohen Rössern im Zentrum der Besiegten angelangt, riefen sie bereits Befehle, die männlichen Ledanier gefangen zu nehmen und für neue Sklavenkolonnen nach Osten vorzubereiten. In Ketten gelegt würden sie den weiten Weg marschieren müssen. Die Weiber wurden vor die Wahl gestellt, fortan als cassandrische Bürger zu leben oder als Ketzerinnen in die Verbannung geschickt zu werden. Dabei ahnten die meisten der Frauen schon, dass die so genannte Verbannung nur eine Art Schule sein konnte, wo den Hadernden die Vorzüge der cassandrischen Lebensart gezeigt wurde – ein Drill- und Zuchtheim.

Noch vor Sonnenuntergang war die Zitadelle wie ausgestorben. An einigen Stellen flackerten noch kleine Brände, das meiste Holz war bereits schwarz verkohlt. Dünne Rauchschwaden zogen in die dunklen Wolken. Das Abendrot verzauberte Himmel und Kimm in ein Meer aus Blut. Über der Ebene hatte sich ein geisterhafter Nebel gebildet, als wolle er schon nach den verlorenen Seelen tasten. Die Fahne der Leda, einst eine stolze und aufgerichtete Löwin, war abgebrannt worden. Dafür flatterten nun die cassandrischen Kriegsfahnen auf den vier höchsten Türmen der Burg und höhnten auf die Besiegten herunter.

Eine Duxa sah stolz auf das schon halb im Dunkel liegende Schlachtfeld innerhalb der Mauern. „Cassandra und die Malus-Priesterinnen dürften mit uns zufrieden sein.“ Eine andere Duxa saß neben ihr auf einem zweiten Reittier. „Wir haben einen hohen Zoll für diesen Pöbel eingebüßt…“ Die erste Duxa winkte ab. „Wer einen Teich trocken legen will, der darf nicht die Frösche fragen!“ Die zweite Offizierin nickte. „Da mögt Ihr Recht haben. Der Lebenssinn unserer Sklaven ist es, uns zu dienen. Und wenn sie dafür Entbehrung erbringen müssen, so sind sie sicherlich stolz darauf, dass wir ihnen diese Gunst erweisen.“

Die Wachleute Winand, Bertram und der junge Jeremias hatten den Angriff unbeschadet überstanden und waren bereits in Hand- und Halsfesseln in einer Kolonne auf den Weg zu einem Sammelplatz vor der cassandrischen Festung unterwegs. Vom Sammellager würden die frisch gefangenen Leibeigenen zunächst entweder den Landweg in einer Fußkolonne nach Osten antreten und im ehemaligen Stadtstaat der Helena, nun regiert von der ehemaligen Senatorin Prodita, verkauft werden, oder man brachte sie weiter nach Osten, um sie dort preiszugeben. Bei der Schwemme an Leibeigenen würden sie jedoch nicht viel Profit abgeben, klagten die Händlerinnen bereits jetzt und zahlten Tiefstpreise für ihre Ware.

Winand hatte sich während des Kampfes mangels Mut hinter einem Mauervorsprung in der Zitadelle verborgen, um dann rechtzeitig einer Centuria kniend vor die Stiefel zu fallen und um ihre Gnade zu flehen. Lachend hatte diese einen staubigen Stiefel auf ihn gestützt und Kampfsklaven herbeigerufen. Als diese ihm die Hände auf den Rücken gefesselt hatten, kam die Centuria näher, packte dem Gefangenen mit aller Kraft in dessen Schoß und frug spöttisch: „Du hast wohl gar keine Eier, was? Schafft mir diesen elenden Wurm aus den Augen!“ Winand versuchte sich aus dem groben Griff zu befreien, aber seine erfolglose Gegenwehr wirkte nur lächerlich und ließ die Offizierin den Kopf schütteln.

Bertram war von einem etwa doppelt so schweren Kriegssklaven mit einem gewaltigen Hieb seines Schildes ohnmächtig geschlagen und überwältigt worden. Benommen schlug er die Augen wieder auf und fand sich liegend und in Fesseln wieder. Er fühlte sich nicht gerade auf Rosen gebettet, aber wenigstens lebte er, war sein erster Gedanke. Wenn ihn das Schicksal so arg anfassen wollte, dass er als Sklave den vornehmen Cassandrierinnen diente, so sollte es geschehen. Er wagte es nicht, den Willen der Alten Götter zu tadeln. Und so fand er in den kommenden Wochen nach einem langen Marsch und einer Sklavenauktion in der Metropole sein neues Zuhause auf einer Rohrzuckerplantage im Südosten, wo er täglich in schwüler Hitze bis zur völligen Erschöpfung schuftete. Die Plackerei und die beißenden Geißeln der Aufseherinnen in ihren Stulpenstiefeln, den Gehröcken und feinen Rüschenblusen und ihrem Dreizack auf dem Haupt ließen ihm kaum Kraft genug, um über seine Heimsuchung oder gar Flucht nachzudenken. Er hatte zu arbeiten. Das blieb seine einzige Daseinsberechtigung in dieser Welt voller böser Weiber.

Wer das Tagessoll nicht schaffte, wurde zur Läuterung zur Hazienda der Herrin gebracht. Wer von dort wiederkam, dem mangelte es nie wieder an Arbeitskraft. Bertram mühte sich, niemals diese Reise antreten zu müssen. Mit der Zeit wurde sein Leib trotz der kargen Kost hart und muskulös. Seine Haut erinnerte an gegerbtes Leder. Sogar der Kuss der Peitsche schmerzte nicht mehr so wie zu Anfang. Bertram fühlte keinen Hass auf die Wächterinnen. Sie waren so schön… Sie waren so elegant und liebreizend, so umblüht von Makellosigkeit. Würde er sie doch nur ausgiebig betrachten dürfen! Tagsüber hatte er keine Zeit dafür, und des Nachts versteifte sich sein Liebesdolch unter der eisernen Hose bei solchen unzüchtigen Gedanken.

Der junge Jeremias hatte mit seinem Schwert bis zum bitteren Ende gestritten, doch war er von der Übermacht in die Enge getrieben worden, war einen Turm hoch geeilt, und hatte sich auf der Plattform zunächst verbarrikadieren können. Eine Centuria rief zu ihm hinauf, er dürfe wählen, ob er freiwillig hinab komme und sich ergebe, oder ob sie ihn ausräuchern und anschließend Spießrutenlaufen lassen sollten. Der Jüngling entschied sich resigniert für die erstere Wahl. Eine selbstgerecht grinsende Offizierin begrüßte ihn mit den Worten: „Wir schmieden dir nun einen Keuschheitsgürtel um deine Lenden und bringen dich zu den anderen Glücklichen.“ Jeremias spuckte aus. Die Centuria hob eine Augenbraue und befahl: „Zwei Dutzend Hiebe für den Rüpel!“ Der Jüngling wurde entkleidet und bäuchlings über ein liegendes Fass gebogen, wo sein nacktes Hinterteil mit zwei klatschenden Riemen bearbeitet wurde. Die Centuria sah bei der Züchtigung ohne erkennbare Anteilnahme zu. Ihre Augen wirkten wie die einer Schlange, die eine Maus musterte.

Am nächsten Tag wurde er in einen Käfig gesteckt und von Soldatinnen begafft, verhöhnt, bespuckt und beschimpft und ausgelacht. Die Tränen, die der Jüngling vergoss, heizten die Kriegsfrauen nur noch weiter an und wetterten gegen die zarte Gestalt. Endlich machte eine Centuria der Schmach ein Ende und ließ ihn waschen und für ihre Bettstatt herrichten. Er würde ihr die Wonnen des Paradieses schenken. Jeremias hatte Angst vor der kommenden Nacht. Was würde die Offizierin mit ihm anstellen? Was würde sie erwarten? Konnte er ihre Wünsche, ihre Begierde erfüllen? Bald sollte er wissen, wonach die Centuria hungerte. Jeremias darb in einem Keuschheitsgürtel und musste sich dem Weib bis zum Morgengrauen widmen. Seine Zunge schmerzte wie nie zuvor. Doch die wahre Pein war die brennende Scham, weil die Centuria ihn mit einem umgeschnallten Holzpflock, eingerieben mit Butterschmalz, wie eine billige Dirne genommen hatte. Die Striemen der Züchtigung waren vergessen. Mehr brannte sein Anus. Doch seine Scham loderte am heißesten.

Im Laufe des Tages schickte die Centuria ihn zurück zu einer Sklavenkolonne, denn er war ihr überdrüssig. Es gab noch so viele hübsche und entzückende Ledanier zu beglücken, so viele Jünglinge, an denen es zu schnuppern galt. Viele staubige Meilen später kaufte ihn eine junge Dame für ihre kleine Mühle, in der Jeremias von nun an mit fünf anderen Leibeigenen den Mühlstein drehte. Tag für Tag. Ein wenig Hafer- oder Griesbrei gab es am Abend. Wer sich nicht genug mühte, den küsste die Peitsche der Maid. Wasser gab es aus der Tränke alle zwei Stunden. In den ersten Wochen nahm die Herrin hin und wieder einen ihrer Leibeigenen mit in ihr Nachtlager. Jeremias sehnte sich die Fürsprache auch herbei, doch ihm blieb die Gunst verwehrt.

Die schlimmste Zeit kam, als die Maid sich einen Hausdiener bei einer Auktion gekauft hatte. Der Mann spielte sich als Herr über die restlichen Sklaven auf und schwang auch gern die Peitsche. Doch eines Tages überspannte er den Bogen, als er sich vor die Tränke stellte, an seinen Beinkleidern nestelte und sich erleichterte. Jeremias verzog allein bei der Erinnerung angeekelt den Mund, denn das Wasser wurde nur wöchentlich ausgetauscht. Als die Sklaven ihrer Herrin von der Schandtat berichteten, wollte sie ihnen nicht glauben. Einige Tage später erwischte sie ihren Hausdiener jedoch dabei und züchtigte ihn dafür auf eine harte Weise, wie es die anderen Sklaven noch nie erlebt hatten. Anschließend ließ sie den Diener in einen Kerker der Maluspriesterinnen werfen: Der Sünder wurde in Ketten und in einer Halsgeige von Wächterinnen der Priesterschaft unter Schmährufen abgeführt. „Rotarsch! Sei gewiss, dass du im Tempel angemessenes Benehmen lernst!“

Die Wächterinnen zerrten ihn zwischen zwei Pferden den langen Weg entlang. Eine trug die gegabelte Standarte des Malus-Kultes an ihrer Hellebarde. Die Reiterinnen saßen stolz in ihren Sätteln. Ihre Uniform bestand aus ledernen Harnischen und Stoffumhängen. Sie trugen enge lederne Beinkleider, die an den Seiten ausgestellt waren, und schwarze Stiefel, in denen sich die Sonne grell spiegelte. Die Reise zum Kerker würde noch zwei Tage dauern. Doch während die Wachfrauen sich an Lagerfeuern Rebhühner brieten, würde der Mann erst im Kerker seine nächste karge Mahlzeit erhalten. Fortan lebte die Müllerin wieder mit ihren sechs Arbeitssklaven zusammen. Doch in die Bettstatt der Herrin gelangte Jeremias zu seinem Leidwesen nie. Hin und wieder gönnte die Müllerin ihren Leibeigenen sogar einen halben freien Tag. Drei der Sklaven lobten ihr Leben als Geschenk des Schicksals. Denn sie hatten vor Jahren auf einer Plantage ganz andere Erfahrungen gemacht. Jeremias erfuhr von zahlreichen Übergriffen sadistischer Wächterinnen und gemeiner Willkür, schlechter Verpflegung und stinkendem Brackwasser. Daher haderte er nicht mehr mit dem Schicksal, das ihm die Alten Götter ausgewählt hatten.






265. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von sheeeep am 26.02.23 13:37

Ganz tolle Fortsetzung !!!
266. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von aspangaw am 27.02.23 10:19

Interessant, dass man Leda in das tiefste Gefängnis bringt. Hätte eher gedacht, dass man sie am Marktplatz ausstellt und im Triumpfzug durch die Lande führt, so wie es ja die Römer mit ihren prominenten Gefangenen gemacht haben.

Aber eine tolle Geschichte ist es allemal.
267. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 26.03.23 18:24


Forma, die Schmiedetochter und Liebchen von Gladius, hatte kein schlechtes Gewissen schnell die Fronten zu wechseln. Opportunistisch ließ sie ihr Fähnchen im Wind drehen. Eine edle Dame mit eigenen Sklaven – Lustsklaven! – ja, das war doch ganz nach ihrem Geschmack. Bald würde sie mehr Aufsehen erregende Kleider tragen, als sie es sich jemals als einfache Handwerkstochter in ihrem Kittel hatte vorstellen können – zumal in Ledanien. Ja, sie würde mit atemberaubenden Dekolletes und wagemutig kurzen Kleidchen oder engen Beinkleidern der süßen Sünde frönen. Flegelhafte Flausen würden ihr in Cassandria zur Ehre gereichen. Eine feine Lady besaß keine Grenzen, feierte rauschende Festbankette und ließ sich frische Luft zufächeln. Was sie wollte, das nahm sie sich: leibeigene Mündel, Geschmeide, Gold und Juwelen, Leckereien und lieblichen Wein.

Sie sah sich in ihrer Vorstellung bereits in einer Sänfte: In einem filigranen und zugleich pompösen Palankin, rundum geschmückt mit goldenen Troddeln, würde sie sich tragen lassen, um ihre Sklaven auf dem Felde zu beobachten und züchtigen zu lassen, um sie zu fleißigerer Demut zu ermuntern – oder einfach zu ihrer profanen Unterhaltung. Sie würde sich huldigen lassen, einer Göttin gleich. Sie würde über deren Schicksal gebieten. Sie alleine. Absolut. Ganz und gar. Ihre Erinnerung an Aphron war schon lange entschlafen. Und Gladius…, nun ja. Er musste eben selbst aus der Misere steigen. Vermutlich war er gefallen… oder versklavt… Der frühere Schultheiß konnte ihr nun sowieso nichts mehr bieten. Er war weiland ein guter Fürsprecher gewesen, doch nun hatte sich das Blatt gewendet.

In einem bewahrheiteten sich Ledas Visionen: Aphron endete daselbst, wo er angefangen hatte - als Lustsklave bei einer solventen Dame. Ursprünglich sollte er als Ernter auf eine Kakaoplantage geschickt werden. Er warb für sich mit seinem alchimistischen Wissen und seiner Kunst als Medikus, doch das kümmerte niemanden. Als letzter Strohhalm gab er sich als ausgebildeter Lustsklave der berühmten Sklavenhändlerin Ceres zu erkennen, der später im Besitz von Hoheit Helena seine Dienste tat. Nach dem eingeforderten Beweis – dazu befreite eine Duxa ihn sogar von seinem Keuschheitsgürtel – erhielt er direkt wieder eine neue eiserne Unschuldshose. Mitsamt dem Schlüssel erzielte die Duxa bei einer Händlerin einen trefflichen Preis für den geschickten Liebesdiener. Eine feste Hand und ruhige Worte – das war das Rezept der Händlerin für gelungene Sklaven. Und sie durfte schon bald feststellen, dass die Duxa ihr keinen Verschnitt verhökert hatte. Aphron beherrschte die Kunst, die die Herrin von ihm einforderte ausgezeichnet, wie sie es sich nicht besser erhoffen konnte.

In ihrer engen Lederweste wies die Frau ein beachtliches Dekolleté auf. Zwischen den prallen Brüsten hing eine Kette mit einem großen Rosenquarz. Meist trug sie ihr langes Haar geflochten und über eine Schulter geworfen. Wenn sie aber der Lust frönte, öffnete sie ihre Mähne, die dann ungebändigt über ihren Leib floss, wie ihre Gelüste ebenso ungezügelt erwachten. Doch von ihrer Lederweste trennte sie sich niemals. Wohl ihre engen Beinkleider mussten der heiß atmenden Begierde ihrer Schenkel weichen, wenn die Herrin sich mit Sklavenfleisch vereinigen wollte; und so mancher Manne hatte sich schon dahin geschmolzen gewünscht, die berauschende Liebesnacht mit dieser Herrin würde nimmer zu Ende gehen, in der auch der letzte Rest Unschuld verlustig gegangen war.

Die Händlerin genoss seine zügellosen Künste auf dem Weg nach Osten unzählige Male, bevor Aphron schließlich mit einigem Gewinn an Hydra, eine berühmte Lusthausbesitzerin, verkauft wurde. Auch Hydra gönnte sich hin und wieder ein Stündchen mit ihrem Neuerwerb. Doch war Aphron leider nur selten unbeschäftigt. An solch süßer Blume wollten viele Nasen für ihr Pläsier schnuppern. Hydra konnte schon die Münzen klimpern hören, die ihr der Leibeigene bescheren würde, wenn er die Sinneslust der Gäste erweckte.

In den Kammern des ehemaligen Medikus hatte Abas für immer die Augen geschlossen. Verlassen. Allein. In Dunkelheit. Noch bevor die Burg endgültig gefallen war. Als sei er wieder in einem Verlies der Megara. Und in gewisser Weise führte ihn sein Weg auch wieder dorthin: Sein lebloser Körper wurde der Imperatorin in einer mit Eisen beschlagenen Truhe gebracht. Pietätlos wurde sie polternd auf einen Ochsenkarren geschoben und ohne Zier oder Ehrenzeichen durch die Lande gefahren. Megara betrachtete den Leib zufrieden. Sie griff in eine mit Intarsien verzierte Schatulle und warf den Überbringerinnen zwei Säckchen mit Goldmünzen zu. Die Frauen konnten beim süßen Klang der klimpernden Taler ein Lächeln nicht verhehlen. Klirrendes Gold und Sklavenschreie – was konnte es Schöneres geben? Heute würden sie sich vom besten Tropfen genehmigen, den sie bekommen konnten, und ihre Kameradinnen mit in die Schenke nehmen.

Auf dem Weg aus dem Palast bemerkten sie eine kleine Menschentraube. Sie näherten sich dem Geschehen und sahen einen nackten Leibeigenen, der an vier Pflöcken auf der Erde festgebunden war. Eine junge Maid stand über ihm und klopfte mehrfach mit dem dicken Ende eines Spazierstockes in den Schoß des Mannes. Dann übergab sie das Schlaginstrument an die Nächste, und alles wiederholte sich. Eine Edeldame sah die fragenden Blicke der zwei Zuschauerinnen und erklärte das rituelle Geschehen. „Das Klopfen soll Glück bringen. So hat es die Maluspriesterin im Tempel gepredigt.“ Kopfschüttelnd gingen die beiden Soldatinnen weiter. „Die jungen Damen von heute haben nur Kapriolen in ihren hübschen Köpfchen.“

Ihre Kameradin zog die Stirn kraus und wechselte das Thema. „Sag, was soll aus dem toten Königsgemahl werden? Soll er gemeinsam mit der gefallenen Leda dem Feuer übergeben werden?“ Die andere Soldatin zuckte mit den Achseln, dass die ledernen Schulterklappen hüpften. Sie strich sich ihren langen blonden Pferdeschwanz durch die Hand. „Das weiß nur die Imperatorin. Vielleicht wird der Richtblock auf dem Markt aufgestellt. Vielleicht bleibt sie für immer büßend in den dunklen Verliesen des Palastes. Vielleicht zahlt sie auf andere Weise für ihre Sünden.“

Abas war Geschichte. Gladius dagegen gelang es mit viel Glück, Tüchtigkeit und dem Segen der Alten Götter sich mal als Gefallener zu tarnen, dann sogar als vermeintlicher Kampfsklave in den Reihen der Centurias unterzutauchen. Bei der ersten Gelegenheit riss er eine Offizierin vom Ross, sprang in den Sattel und ritt in gestrecktem Galopp Richtung Norden, wo ihm Dutzende Pfeile folgten, doch schadlos hinter ihm am Boden zurückblieben. Doch damit waren die Gefahren des flüchtigen Schultheißen noch lange nicht gebannt. Neben zahlreichen Kopfgeldjägerinnen, die auf Profit aus waren, streiften auch noch sechs entlaufene Trolle durch die Wälder des Nordens. Doch als ausgebildeter Gardist konnte er den Ungeheuern trotzen und sich in der Wildnis bewähren. Stets auf der Hut vor Sklavenjägerinnen lernte er sich im Wald unsichtbar zu bewegen und den Siedlungen der Cassandrier fernzubleiben.

Die Häscherinnen zogen mehrfach durch die Wälder - sogar bis in die nördliche Ödnis -, um Gladius zu finden, denn auf seinen Kopf hatte Tagara einen Preis ausgesetzt, der kaum einer Söldnerin oder Abenteuerin widerstehen konnte. Dem ehemaligen Gefährten der Leda starb zu seinem Unglück schlagartig eines Tages das Pferd, aber auch das ließ den tapferen Recken nicht verzweifelt. Er hatte Blankwaffen und einen Bogen aus bestem Ulmenholz, um zu jagen, besaß einen Unterschlupf und konnte sich glücklich schätzen, nicht in die Fänge der Cassandrier geraten zu sein. Bis zu dem Tag, als Gladius erfüllt war von der Furcht, dass er doch noch Beute der Schergen werden sollte.

Er fiederte gerade einige Pfeile, mit denen er ein Wildschwein erlegen wollte, da vernahm sein geübtes Ohr leises Hufgetrappel. Schnell schob er sein Hab und Gut unter Blätterlaub am Boden. Dann kroch er unter einen Mispelstrauch, dessen vom Morgentau noch nassen Zweige und Blätter durch sein Gesicht strichen. Doch schon bald würde die kraftvolle Sonne heißes Licht schicken, dass auch die letzte Feuchte verdunstete. Sein Wams war mittlerweile zerrissen und schmutzig. Aber wenigstens besaß er noch seine Schnürsandalen. Wäre er darin schnell genug, um den Feinden zu entkommen? Ein Kampf war gewiss aussichtslos.

Sein Schwert hatte er auf einer Lichtung in einem umgestürzten Baumstamm versteckt. Und selbst sein Bogen lag außer Reichweite im Laub. Er trug nur einen Dolch bei sich. Wenn die Weiber ihn entdeckten, war es aus mit ihm. Gladius schnappte auf, wie die Harnische der Frauen schepperten, die Kettenhemden rasselten. Mit wie vielen Jägerinnen würde er es zu tun bekommen? Auf jeden Fall zu viele, dachte er und duckte sich noch tiefer und presste sich gegen den feuchten Boden, einige Schritt entfernt vom Waldsaum. Jetzt steckte er tief in der Bredouille. Das Getrappel der Reittiere wurden lauter. Sie kamen genau auf ihn zu. Nur einen Steinwurf entfernt hörte er ein Ross durch die Nüstern schnauben. Offenbar hatte es Witterung aufgenommen. Gladius krampfte seine Faust um den Dolch. Wehrlos würde er sich nimmer geschlagen geben. Er würde ihnen die Stirn bieten. Bis zum letzten Blutstropfen wollte er Widerstand leisten.

Unerwartet schoss ein Rehbock in Greifnähe an ihm vorbei. Kurz darauf ertönte ein Ruf eines Weibes, so nah, dass Gladius Herz stehen zu bleiben schien, und er konnte sogar den Oberkörper durch das Blattwerk eines Busches sehen: Die Unbekannte trug braunes Leder und eine Brünne. „Da hinten! Zu mir! Folgt mir!“, befahl sie autoritärer Stimme und schlug ihrem Pferd die Hacken der Stiefel in die Seiten. Sie hatte ihren Jagdbogen vom Rücken genommen und einen Pfeil mit eiserner Spitze aus dem ledernen Köcher gezogen. Die Pferde änderten ihre Richtung und jagten nun preschend keinen Steinwurf entfernt vor Gladius Versteck vorbei, dem flüchtenden Tier hinterher. Der Schultheiß seufzte erleichtert auf. Bald schon war die Schar nicht mehr zu hören. Erst jetzt bemerkte Gladius, dass er den Dolch immer noch mit aller Kraft umfasst hielt. Er öffnete die verkrampfte Faust und betrachtete die schmerzenden weißen Finger, in die nun prickelnd das Leben langsam zurückkehrte. Er rappelte sich aus gebückter Stellung auf und atmete erleichtert tief durch.

In den kommenden Wochen und Monaten durchreiste er unerkannt den Alten Kontinent. Lange hielt er sich im verwilderten Norden auf. Hin und wieder begegnete er kleinen Reitertrupps, die ihn aber nie entdeckten. Glück hatte er auch bei einer Begegnung mit einer Sechsergruppe aus gerüsteten Soldatinnen, die eines Tages ganz nah an ihm einige Sklaven an einem langen Seil hinter sich herzogen. Die Anführerin trug ein schwarzes Kettenhemd und eine metallene Halsberge. Gladius glaubte die Uniform einer cassandrischen Centuria zu erkennen. Vielleicht betätigte sich die Soldatin mittlerweile als Sklavenhändlerin. Es gab große Sklavenmärkte in der Umgebung, auf denen jede Art von Arbeitskräften feilgeboten wurden. Der Handel mit dieser Lebendware blühte. Je nach Brauchbarkeit, Angebot und Nachfrage schwankte der Wert. Weniger kraftvolle Exemplare gingen meist auf Plantagen: Rohrzucker, Tabak, Baumwolle, Kakao, Gemüse. Die Stärkeren durften in den Minen, Steinbrüchen oder auf Galeeren arbeiten. Kampfsklave wurden nur die wertvollsten Leibeigenen, die schnell lernten, mit diversen Waffen umzugehen und ihr Geschick auf dem Feld der Ehre bewiesen. Die Glücklichsten jedoch ergatterten einen der wenigen Dienstbotenränge in den Villen oder wurden persönliche Begleiter ihrer Dame. Doch darauf zu hoffen, war naiv. Zu wenigen war dieses Schicksal von den Alten Göttern vorbestimmt.

Die nackten gefangenen Niederen stolperten erschöpft und durstig durch den Staub, den die Hufe der Rösser aufwirbelten. Ihre Hände waren hinter dem Rücken streng in Ketten gebunden. Die Halsreifen aus Eisen waren mit einer Kette und dem Zugseil verbunden. Vom wolkenlosen Himmel kreischte ein Gänsegeier herab, der ruhig und behäbig seine Bahnen durch die Luft zog und die Kolonne schon seit etlichen Meilen verfolgte. Geduldig wartete das Federvieh auf seine Mahlzeit.

Gladius konnte aus seinem Versteck in einer Felsspalte erkennen, dass die Leibeigenen keine Keuschheitsgürtel trugen. Einem von ihnen hatten die Weiber einen schweren Eisenring um seinen Mannesbeutel geschmiedet. Die Kreatur verzog sein Gesicht vor Pein, denn bei jedem Schritt baumelte und zerrte das Gewicht in seinem Schoß gnadenlos und ohne Unterlass. Der Sklave ächzte und stöhnte vor sich hin, doch hatte er sich schon fatalistisch seinem Schicksal gefügt. Wenn er ein gehorsamer und fleißiger Sklave war, so sann er, würden ihm die Herrinnen auch früher oder später die eiserne Last wieder abnehmen und ihn von diesen unsäglichen und erniedrigenden Martern erlösen. Diese Hoffnung, an die er sich klammerte, ließ ihn die Qualen ertragen – mehr oder weniger.

Eine der Reiterinnen in engem Lederwams, Beinkleidern und mit dunklem Pferdeschwanz, mit dem sie ihre glänzenden Haare streng nach hinten gebunden hatte, trank aus einem Schlauch und verschüttete dabei die Hälfte. Sehnsüchtig schauten die Sklaven auf die nasse Stelle am Boden. Ihre Lippen waren vertrocknet, aufgesprungen, und ihre Zunge lag schwer und pelzig klebend am Gaumen. Aber erst beim nächsten Halt bei Sonnenuntergang würden sie wieder trinken dürfen – wenn sich ein Tümpel fand. Und das würde noch Stunden der Mühsal und Plagerei bedeuten. Würde es jemand wagen, nach einem Tropfen zu bitten, erwartete ihn eine geharnischte Antwort, die mit weiterer Marter einher ging. Aber zu mehr als einem Krächzen waren die Zweibeiner sowieso nicht mehr in der Lage.

Je weiter Gladius nach Südosten wanderte, desto häufiger waren ähnliche Begegnungen.
Schließlich musste er sich geschickt unter Sklaven und Arbeiter schmuggeln, und sich verkleiden. Diese Strategie ließ ihn mehr und mehr auch in die östlichen Gefilde des Landes eindringen. Zu diesem Zweck hatte er sogar zuvor Ketten und Sklavenfesseln gestohlen und so verändert, die er sie unbemerkt mit einer unauffälligen Nadel öffnen konnte. So zog er als vermeintlicher Leibeigener mit Kolonnen mit, arbeitete kurzfristig auf Plantagen und sogar in Minen. Er versuchte den Peitschenhieben der Wächterinnen zu entgehen, doch blieb dies ein frommer Wunsch. Bald schon war vor allem sein Gesäß mit Striemen übersät, weil er mancher Frau zu saumselig schien. Doch im Unterschied zu allen anderen Männern, war er jederzeit in der Lage, sich unauffällig wieder zu befreien und in eine neue und kommodere Rolle zu schlüpfen. Entweder fiel es gar nicht auf, oder die zuständige Wache wurde streng gerügt, weil sie einen Unfreien hatte entlaufen lassen. Aber niemals konnte sich jemand erklären, wo die fehlende Arbeitseinheit geblieben war.

Einmal stand er als Sklave mit vier anderen Leidensgenossen einer Händlerin an Pfosten gekettet, nur mit einem Eisenreif um den Hals. Eine Edelfräulein in einer kleinen Droschke hielt an und zeigte mit ihrer Reitgerte auf Gladius Nachbar. „Was kostet der da?“ Die Händlerin wollte zwei Silbermünzen, doch die junge Dame lachte nur abschätzig. „Was denn? Zwei? Ich biete eine. Ist er stark und gesund?“ Die Händlerin kettete ihn ab und befahl ihm, einen Steinblock, der in der Nähe lag, aufzuheben und zu stemmen. Der Sklave bewerkstelligte die Aufgabe bravourös. Die Händlersfrau nickte unterstreichend. „Er ist stark und gesund und fleißig und vor allem bedingungslos gehorsam. Seht! Keine frischen Striemen.“ Die Edeldame ließ sich überzeugen und zahlte die zwei Münzen, während er hinter ihre Droschke gebunden wurde wie ein gekauftes Schaf. Die Verkäuferin fragte, ob eine Gravur auf dem Halsreif gewünscht sei, doch das Fräulein lehnte dankend ab. „Ich mag lieber Brandmale. Das erledige ich selbst daheim.“ Sie lächelte in Vorfreude, und schon gab sie den beiden Pferden das Kommando, loszutraben. Der Neuerwerb lief artig an der Kette hinterher.

Stets frug Gladius seine Leidensgenossen nach einem gewissen Aphron aus. Hin und wieder erhielt er vage Hinweise. Dann zog der merkwürdige Fremde weiter, der sich unterwegs Ignotus, Obscurus oder Nemo nannte, um seine Spuren zu verwischen. Seine Suche führte ihn durch eine trockene Steppe mit harten Gestrüpp und Kakteen, durch düstere und dichte Tannenwälder und über schroffe Felsenlandschaften, wo er sich auch vor Schlangen hüten musste. Müde wurden Auge und Rücken, aber nimmer sein Wille, Aphron aufzuspüren. Eines Tages erreichte er das Freudenhaus der Hydra. Hier sollte er am Ziel seiner langen Reise sein. Doch schon zu oft hatte er falsche Hoffnungen begraben müssen. So wollte er nicht wahrlich daran glauben, hier Aphron tatsächlich zu finden. Zumindest wollte er es aber versuchen.

Ein dickes Eichenschild hing an zwei Ketten über der Pforte. Eine Ziegenhaut war mit dicken Nägeln über das Holz gespannt, und darauf standen die prahlenden Worte „Hydras Paradies“ eingebrannt. Hier gab er sich als Liebessklave aus, der von seiner Herrin geschickt worden sei, die ihn verkaufen wolle. „Entblöße dich!“, schallte der kurze Befehl der rassigen Bordellbesitzerin, die überraschend züchtig gewandet war. Gladius verbeugte sich zu einem tiefen Diener, schnallte sein fadenscheiniges Jutewams auf, schlüpfte hinaus, und löste seinen Lendenschurz aus grauer Baumwolle, den er drei Tage zuvor auf einem Markt stibitzt hatte. Hydra betrachtete Gladius genüsslich von vorne und hinten, ließ sich seine Zähne zeigen und verschränkte schließlich die Arme vor der Brust. „Kein schlechter Anblick. Doch wirst du auch beweisen müssen, was dein Leib verspricht…“

Gladius verneigte sich erneut demütig und erbat eine Kammer, wo er seine Liebeskunst präsentieren dürfe. Hydra warf ein weiteres Mal lüstern ein Auge auf die Männlichkeit des Neuerwerbs und wies ihm eine kleine Stube zu. „Bade dich im Zuber nebenan. Heute Abend werde ich mich von deinem Talent überzeugen. Sehen wir, ob du dich meiner würdig erweist. Aber wehe dir, wenn du mich enttäuscht. Dann schicke ich dich mit trefflich brennenden Striemen zurück zu deiner Herrin!“ Doch insgeheim war sie gewiss, ein treffliches Geschäft zu machen. Der gut bestückte Sklave war hier im Pfuhl der Lüste mehr als eine Hand voll Goldmünzen wert. Trotzdem würde sie um den Preis feilschen, um ihren Profit zu maximieren.

Gladius verschwand in dem Raum, in dem der Zuber bereitstand. Heißes Wasser und ein Schwamm taten seinem verdreckten Leib wohl, und er genoss die erfrischende Sauberkeit. Anschließend ging er in seine ihm zugewiesene Kammer und kleidete sich wieder in sein Gelumpe. Geduldig wartete er neben einer rauchenden Talgkerze. Er lag auf einer mit Stroh gefüllten Matratze und sah wie träumend an die Decke mit den dunklen Holzbohlen. Doch sein glasiger, schläfriger Blick täuschte. Seine Sinne waren geschärft wie sein Dolch. Er bereitete sich darauf vor, wozu er gekommen war, wozu er über den halben Alten Kontinent gewandert war, wozu er sich als Sklave und Arbeitstier verdingen lassen hatte. Durch Fortune und Geschick war er bisher um ein Brandzeichen herumgekommen. Doch Dutzende Striemen würden ihn für immer an seine Reise erinnern. Sein Rücken und Gesäß war zu lesen wie ein Foliant.

Als alles ruhig im Hause schien, schlich er sich hervor und erforschte das Gebäude. Und endlich fand er das Ziel seiner Reise: Aphron lag in einem Raum im Obergeschoss auf einem scharlachroten Diwan und knabberte gerade an einem roten Apfel. Leicht bekleidet wartete er auf Kundschaft. Als seine Tür sich öffnete, strahlte er dem Besuch entgegen, doch sein Lächeln gefror, als er Gladius im Türrahmen stehen sah. „Du? Wie… hast… du… mich gef… funden?“, stotterte Aphron mit aufgerissenen Augen. Konnte das wahr sein? Waren die Alten Götter so grausam? Gladius lächelte ihn kalt wie ein Eisberg des Nordmeeres an. „Glaubtest du mich schon bei den Alten Göttern?“, frug er und hob eine Augenbraue. Aphron schluckte schwer. Unauffällig nestelte er mit einer Hand hinter sich, um unter ein Kissen mit dicken Troddeln zu greifen. Ein kleiner verzierter Dolch lag dort verborgen.


268. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von DT1ZZ am 30.03.23 11:00

gute Geschichte bin schon auf die Firtsetzung gespannt
269. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 02.04.23 20:00



Blitzartig zog er ihn und wollte ihn auf den unerwünschten Gast schleudern, doch Gladius war flinker. Ein Lidschlag, bevor Aphron die Klinge in sein Ziel werfen konnte, zuckte er überrascht und entsetzt zugleich auf, und sah auf seine Brust hinab: Auf seiner vanillefarbenen Toga aus dünnem Leinen breitete sich ein roter Fleck aus und wuchs in dem Maße, wie seine Sinne ihm schwanden. Halb vom Diwan auf einen moosgrünen Knüpfteppich auf die Knie sinkend, sprach er mit schwacher Stimme: „Du hast mir Forma genommen…“ Gladius sah, wie Aphron seine Augen schloss und zur Seite kippte. Sein letzter Lebensfunke verglomm stumm.

Forma – vielleicht würde er dieses verräterische Biest auch noch aufspüren und ihren Wankelmut mit seiner Rache süß vergelten. Doch das würde viel schwieriger werden, als einen Liebesdiener zu finden. Gladius stülpte sich eine Gugel aus moosgrünem Filz über sein Haupt und schlich sich aus dem Bordell. „Ich möchte die großzügige Gastfreundschaft dieser alten Vettel nicht über Gebühr in Anspruch nehmen und werde nun geruhen, sie zu verlassen“, sann er lautlos und beinahe beschwingt vor sich her. Er musste schnell eine neue Gewandung finden und sein Haar schneiden, um den cassandrischen Ordnungshütern zu entkommen.

Eine Stunde später keimte ein großer Tumult in Hydras Freudenhaus auf. Die Herrin der Liebesdiener tobte. „Dieser hinterhältige Gauner! Hat das beste Zugpferd in meinem Stall auf dem Gewissen! Womöglich ein bestellter Assassin! Doch von wem bloß?“ Ohne Zagen war klar gewesen, wer der Schuldige war, denn der neue Lustsklave war verschwunden. Hydra rätselte viel mehr über das hanebüchene Motiv und den Auftraggeber. „Stecken die Maluspriesterinnen dahinter?“, frug sie leise, als könne sie durch ihr Wispern die schlimme Ahnung abschwächen. Doch warum sollten sich die Robenträgerinnen in ihr Geschäft mischen? Bisher waren sie ihr wohl gesonnen – und gute Kunden, wie Hydra sich erinnerte.

„Oh, ich dümmste aller Gänse!“, schalt sie sich zerknirscht. „Er hatte kein einziges Brandmal! Das hätte mir auffallen müssen. Wäre er ein gewöhnlicher Sklave gewesen, hätte ihn seine Herrin längst gezeichnet. Was hat es nur mit diesem ominösen Mannsbild auf sich?“ - Vielleicht wusste einer ihrer Sklaven mehr. Noch heute wollte sie peinliche Verhöre führen, die die Wahrheit ans Licht bringen sollten. Die Scharte würde jemand wieder auswetzen! Hydra war fuchsig ob des Verlustes ihres wertvollen Aphrons und schwor bittere Abrechnung, würde sie diesen lumpigen Mimen einmal in ihre Fänge bekommen. Wer auch immer ihn geschickt hatte, dieser Kerl und seine Auftraggeber würden sie noch kennen lernen!

Gladius konnte derweil in der kargen Felslandschaft um Hydras Haus untertauchen. In der nächsten Siedlung mimte er einen Sklaven in Ketten, der einen Karren mit Binsen durch die Gassen zog und verwischte so sein Spuren. Er würde noch zum Meisterdieb werden, wenn das so weiterginge und vonnöten war. Aber Angelpunkt war: Die Häscher, die ihn suchten, blieben erfolglos. Auch hier in diesem Dorf hatten sie nachgeforscht, ihn jedoch nicht erkannt. Auf dem Hof einer kleinen Waffenschmiede tauchte er im Schatten einer Fachwerkmauer unter und beobachtete durch ein schmutziges Glasfenster die Bewohner.

Ein hochgewachsenes Weib mit einem roten Gehrock und zwei gekreuzten weißen Schulter-Schärpen und Dreizack aus Filz auf dem Kopf beaufsichtigte drei Schmiedesklaven, die bis auf eine lederne Schürze nichts trugen. Zwei von ihnen waren an einem großen Amboss beschäftigt. Funken hatten schon etliche Narben auf ihren Oberkörpern hinterlassen. Während der eine ein Metallteil mit einer langen Zange hielt, bog der andere es mit einem weiteren Werkzeug zurecht. Vermutlich sollte ein Keuschheitsgürtel daraus entstehen. Der dritte Leibeigene fachte das Feuer in einer gewaltigen Esse an, indem er den größten Blasebalg betätigte, den Gladius jemals gesehen hatte. Wieder und wieder betätigte er dazu ein Pedal, welches Luft in die Esse strömen ließ.

In einer Waffenschmiede gab es gewisslich Klingen, hoffte der ehemalige Schultheiß. In der Aufregung hatte er seinen Dolch bei Hydra zurückgelassen. Seine anderen Waffen hatte er längst aufgeben müssen. Er würde bei der Waffenschmiede sein übliches Schauspiel aufführen, er sei ein Sklave, der von seiner Herrin geschickt worden sei… Und wenn er alles hatte, was er brauchte, würde er sich wieder in Luft auflösen, als sei er niemals da gewesen. Doch dieses Mal sollte er kein Glück haben. Die Schmiedemeisterin bat ihn herein und wies ihn an, „hinter der Tür dort kannst du warten. Ich komme gleich zu dir.“ Gladius ging zu der gegenüberliegenden Wand der Werkstatt und öffnete eine schwere Eisentür mit einem dicken Riegel. Ihm zeigte sich eine kleine Kammer mit einer einfachen Bank aus dicken Holzbalken gezimmert. Ein Fenster, gerade eine Spanne breit und hoch, ließ kaum Licht herein. Auf einem grob gezimmerten kleinen Tischchen stand eine Hirschtalgkerze, die das schummrige Licht kaum erhellte und vor sich hin rauchte und flackerte.

Kaum saß er, kam einer der Sklaven herein und bot ihm mit niedergeschlagenem Blick einen Becher Dünnbier an. Seine Hand zitterte, als er das Gefäß überreichte. Gladius, der seit Wochen nur Wasser getrunken hatte, dankte und leerte den Behälter aus braunem Ton in wenigen Zügen. Doch schon kurz darauf wurde ihm schwindelig. Als er begriff, dass er offenbar vergiftet worden war, sackte er bereits zusammen und rutschte zu Boden. Die Augen fielen ihm bleischwer zu. Und dann war da nur noch die Schwärze, die ihn in die Tiefe zog und verzehrte.

Gladius spürte, wie seine Augenlider unkontrolliert zuckten. Gemächlich kam er wieder zu sich. Wo war er? Was war geschehen? Langsam erinnerte er sich. Er war in die Schmiede gegangen, um eine Blankwaffe und weitere nützliche Dinge zu stehlen, die ihn frommten, und dann hatte ein Sklave ihm einen Becher mit Gebräu gebracht. Da musste Schlafmohn oder etwas Ähnliches in dem Gesöff enthalten gewesen sein. Sein Schädel brummte wie nach einem halben Dutzend Krügen Met. Aber viel schlimmer war, dass er gefesselt war. Nackt. Er sah sich um. Er befand sich immer noch in dieser Hinterkammer. Er lag bäuchlings auf der Bank, die Schenkel so gespreizt, dass seine Knie leicht angezogen und neben der Sitzfläche festgebunden waren. Seine Unterschenkel waren hochgezogen, so dass die Füße ebenfalls neben der Sitzfläche gefesselt fixiert waren. Er fühlte sich äußerst entblößt. Die Körperstellung ließ nichts Segensreiches erahnen. Um Hilfe zu rufen, wäre wohl zwecklos. Also wartete Gladius und lauschte auf jedes Geräusch. Aber in der Schmiede arbeitete offenbar niemand mehr.

Gladius probierte sich zu befreien, aber alle Versuche blieben erfolglos. Dann vernahm er Schritte in der Schmiede. Ein kalter Schauder rann seinen entblößten Rücken hinab. Die Stiefel näherten sich der Tür und schoben den Riegel zur Seite. Gladius verrenkte seinen Kopf, um den Ankömmling zu betrachten. Die Schmiedemeisterin stand vor ihm, eine Öllampe in der Hand, die ihr Gesicht unheimlich von unten beleuchtete wie eine Fratze eines Dämons. Der Gefesselte frug: „Sagt an, hat meine Erlöserin zu mir gefunden? Ist mir die Gunst des Schicksals hold? Oder muss ich Furcht um meine Jungfräulichkeit haben?“ Die Frau lachte herzlich. „Immer gut vergnügt, mein Gast.“ Sie näherte sich der Bank und beugte sich vor, packte mit ihren Lederhandschuhen, die sie trug, herzhaft das Gesäß und strich darüber. Ihre Augen funkelten amüsiert. „Ein strammer Bursche bist du. Aber meine Intuition hat mir sogleich verkündet, dass da etwas mit dir nicht stimmt. Und was sehe ich nun? Kein einziges Mal oder Zeichen ziert deinen Leib. Und du willst Sklave sein? Dein Lug und Trug steht dir ins Gesicht geschrieben.“

Gladius schluckte schwer. Diese Gegebenheit konnte er beim besten Willen nicht mehr verleugnen. „Ihr habt Recht, werte Dame“, antwortete er. „Wenn Ihr meine Handfesseln lösen würdet, könnte ich Euch den verdienten Beifall zollen.“ Die Schmiedemeisterin bewegte sich zu Gladius Haupt und hockte sich vor ihn, nahm seinen Schopf fest in die Hand und hob seinen Kopf an, so dass ihr Gefangener ihr in die Augen sehen musste. „Hör zu, du Wer-auch-immer-du-bist. Es kann kein Zufall sein, dass neulich eine Heroldin auf dem Markt von einem flüchtigen Sklaven berichtet hat, der bei Hydras Freudenhaus großen Schaden angerichtet hat. Auch dieser ominöse Kerl war ohne Zeichen. Sprich frei heraus: Bist du der gesuchte Assassin? Und was ich noch mehr begehre zu wissen: Wer hat dich beauftragt? Was für Ränke werden hier geschmiedet?“ Gladius spürte den dicken Kloß in seiner Kehle. Sein Mund war staubtrocken. Sein Blick flatterte unstet hin und her. Sollte er alles abstreiten?

Die Schmiedin ließ ihn los, stand auf und verließ die Kammer, doch kurz darauf kam sie mit einigen Utensilien zurück. Sie stellte die Öllampe auf das Tischchen und warf die Gegenstände daneben, so dass sie vom Licht beschienen, und Gladius sie betrachten konnte: ein Holzpflock, ein dicker Hammer, eine Zange mit langen Griffen, eine Eisenstange. Als er genauer hinsah, bemerkte er zu seinem Schrecken, dass die ellenlange Stange an einem Ende orange leuchtete. Jetzt spürte er auch die Hitze bis zu sich. Die Schmiedin klang fast gelangweilt, als sie ihn vor die Wahl stellte: „Entweder du dichtest mir eine Mär und wählst den Schmerz zum Geleit, oder du entscheidest dich für die Wahrheit. Du bestimmst, wie es weitergeht. Aber Mätzchen erlaube ich nicht in meinem trauten Heim.“

Gladius ächzte leise. Düstere Wolken legten sich über seine Gedanken. Würde das Weib die Wahrheit glauben? Das er weiland der Schultheiß der Leda war? Würde sie es als Posse abwinken und die peinliche Befragung beginnen? An Inspiration schien das Weib nicht zu darben. Und auch Gladius verfügte über genügend Fantasie, um zu wissen, wozu die Mitbringsel der Dame gut waren - insbesondere in seiner exhibierten Position. Seine ersten Worte kamen nur röchelnd aus seiner Kehle gekrochen. „Wollt Ihr mich ausliefern?“ Die Schmiedin grinste. „Hab Dank. Das war die erste Antwort. Und sie war offenbar wahr. Nun schildere mir auch den Rest!“ Gladius hatte nichts zu verlieren. Er raffte seinen Mut zusammen und berichtete von Anfang an. Vom Untergang Ledaniens, von seiner Flucht, von der Suche nach Aphron und der Ahndung seines Übergriffs. Die Schmiedin lauschte gebannt. Und sie schien ihm Glauben zu schenken. Er schilderte jedes Detail, das sich in seinen Kopf eingebrannt hatte. Und schließlich beendete er seine Beichte, als er von dem Versuch erzählte, eine Blankwaffe und vielleicht sogar ein Ross zu stehlen. Hier, in dieser Waffenschmiede.

Was hatte ihm seine Beichte nun gebracht? Die Stille, die herrschte, schmerzte ihm in seinen Ohren. Wie sah sein Kismet aus? Der einen Folterschergin aus den Klauen geschlüpft, dafür aber dem Scharfgericht überantwortet? Oder Hydras persönlichen Rache? Die Schmiedin zog einen scharfen Dolch. Gladius hielt die Luft an. Auf diese Weise würde es wenigstens schnell zu ende gehen. Er presste seine Lippen zusammen und schloss die Augenlider in Erwartung seines letzten Atemzuges. Doch er fehlte in seinem Glauben. Das Weib schnitt mit geschickten und flinken Bewegungen wie die eines Tuchscherers die Fesseln des Gefangenen auf. „Ich habe Hydra noch nie gemocht.“ Gladius rieb sich die geröteten Handgelenke und hatte schlagartig das dringende Bedürfnis, seine Blöße zu bedecken. Die Schmiedin lachte, warf ihm seine Gewandung zu und reichte ihm einen irdenen Krug mit Ale. „Ihr sollt nicht darben. Ich bringe Euch noch ein Fladenbrot, Trockenfleisch und ein paar reife Früchte. Dann könnt ihr von Dannen ziehen.“

Gladius bedankte sich herzlich für den als Bündel gepackten Proviant. Dazu überreichte seine Retterin ihm noch eine Karte der Umgebung auf einer gerollten Ziegenhaut. „Ich werde Euch das nie vergessen, Weib.“ Die Schmiedin grinste. „Eure Courage hat mich beeindruckt.“ Und in Gedanken fügte sie hinzu: „Und ein so prächtiger Recke sollte nicht als huldvoller Sklave irgendeiner Furie enden.“ Als Gladius sich zur Tür wendete, rief die Handwerksmeisterin: „Wartet! Etwas haben wir noch vergessen.“ Gladius drehte sich um. Die Schmiedin führte ihn zu der Esse, wo glühende Kohlen leuchteten. Ein Brandeisen lag darin. Sie holte es hervor: ein Wappen mit Amboss und Hammer, darunter ein verschnörkelter Buchstabe. „Das F steht für Flamma. Das ist mein Name.“ Gladius durchfuhr wallend ein heißkalter Schauder. „Ich verstehe. Ohne Brandzeichen werde ich nicht weit kommen.“ Die Worte schmeckten bitter auf seiner Zunge, aber sie waren die unerschütterliche Wahrheit.

Flamma nickte schmunzelnd. „Zieh deinen Schurz hinab und stütze dich da an dem Gitter ab. Halte dich gut fest.“ Sie fuchtelte mit dem Eisen vor ihm hin und her. Gladius stöhnte und biss die Zähne zusammen. Flamma reichte ihm ein Stück Leder, auf das er beißen sollte. Er versuchte, sich auf den Schmerz vorzubereiten, aber das war unmöglich. Und kurz darauf zischte es. Ein Männerschrei hallte durch die Schmiede, der mehr nach einem Waschweib klang. Das geschürte Eisen hatte ihn leidenschaftlich geküsst. Doch auch sein Brüllen frommte nichts gegen die glutheiße Pein, und Tränen erzählten in seinen Augen von seiner Not.

Derweil hockte Leda auf dem kalten Steinboden des Kerkers in den dicken Mauern der schwarzen Trutzburg, die Cassandra unter Tagaras Anweisungen in Windeseile auf Felsengrund im ehemaligen Ledanien hatte bauen lassen. Nur ein wenig altes Stroh bildete ihr Lager, und über ihr hauchte das Beinhaus einen morbiden Gestank aus, der dem eiternder Glieder glich. Die Hohepriesterin saß dagegen bequem auf einem purpurroten Samtkissen mit Troddeln an den Ecken auf einem hölzernen Sessel an einer Balustrade zum Innenhof, wo eine tiefe ovale Kampfgrube ausgehoben worden war. Zwei große Eisentore sorgten für den Zugang in die kleine Arena. Die massiven Wände waren mit großen Steinquadern verkleidet. Am oberen Rand sicherten daumendicke Eisendornen, die nach unten gebogen waren, dafür, dass nichts und niemand über die Mauern gelangen konnte.

Hin und wieder hatten Cassandra und Tagara dort Gladiatoren zu ihrem Vergnügen kämpfen lassen. Dreizack, Netz, Schwert, Axt, Morgenstern, Kriegshammer, Klingenschiene, Dolch und Streitkolben… Die Bewaffnung wechselte ständig, um Megara und den höchsten Ladys in ihren prachtvollen Kleidern vergnügliche Kurzweil zu garantieren, wie es sich geziemte. Gestern hatte ein nackter Hüne mit Dornschild und Breitschwert gegen drei Zwerge in Narrenkostümen mit Sicheln gekämpft – und verloren. Zur Belohnung der Sieger hatten drei Edelfräuleins die Kleinen in ihr Bett geholt; doch dem Hünen erging es schlecht. Er durfte in der Nacht das Lager mit einem Dutzend Kampfsklaven teilen, deren Keuschheitsgürtel für diesen Zweck sogar geöffnet wurden. Eine gelungene Lektion, wie Tagara befand. Eigentlich war das Strafmaß eher eine Gnade. Beim nächsten Mal würde er gewinnen, war sich die Maluspriesterin sicher. Oder sich in die eigene Klinge werfen.

Heute gab es ein außergewöhnliches Spektakel: ein Kettenziehen zwischen einem Troll und einem Elefanten – ein grauer Riese mit großen Stoßzähnen, der aus dem wilden Süden des Alten Kontinents stammte. Der Troll trug eiserne Bein- und Armschienen sowie monströse genietete Stiefel mit fingerlangen Spikes an der Sohle, damit er genügend Halt hatte, um die Kette zu ziehen. Die gewaltigen Kräfte spannten das schwere Eisenband über dem Boden. Die Zuschauerinnen hielten den Atem an und fächelten sich aufgeregt Luft zu. Gebannt starten sie hinab in die Grube. Doch trotz der vier Beine des grauen Riesen, der laut mit seinem Rüssel trompetete, gewann der kraftstrotzende Troll das Wettziehen.

Cassandra ließ einen zweiten Elefanten in die Grube bringen. Endlich wurde der brüllende Koloss von dem Duo besiegt. Die Tiere zerrten ihn mit gemeinsamer Macht im Gleichschritt über den Boden der Grube. Die Hoheit stand von ihrem Thronsessel auf und zeigte theatralisch auf den Verlierer: „Mag der Versager seine verdiente Strafe empfangen.“ Der Troll brüllte laut, ängstlich und wütend zugleich, und ließ sich nur mit Schlingen und Piken von acht Wachsklaven bändigen. Eine Palast-Centuria schoss eine eiserne Kugel mit ihrer Trollbola ab und traf den Schoß des Ungeheuers, der augenblicklich auf die Knie krachte und sich anschließend mit mehreren Halsschlingen triezend abführen ließ.

Eine bunte Parade aus Soldatinnen und Kampfsklaven präsentierte ihre facettenreichen Uniformen und marschierte zum Takt einer Pauke an der Brüstung der Hochwohlgeborenen vorbei. Stolz schwangen die uniformierten Weiber ihr Rapier, und die Muskeln der Krieger glänzten vom Schweiß in der Sonne. Die fürstliche Pracht auf der Balustrade nickte gnädig, und die Herrscherin schaute zufrieden auf die Elite ihrer preisenden Streitkräfte herab, die hinauf zur Tribüne salutierten.

In Hochlaune betrat Tagara derweil ihr Gemach und wies ihre Kammerdienerin an: „Heute ist der Tag gekommen. Bringt die versiegelte Truhe in den Kerker und übergebt sie meinem Gast.“ Die Bedienstete versank in einen tiefen Knicks. Die Palastwache wusste sofort, was die Priesterin meinte. Heute sollte Leda ihren Abas empfangen. Sie verneigte sich tief und verließ nach einem Knicks den Raum. Tagara goss sich aus einem Krug dunklen Rotwein in einen Silberkelch und trank ihn in einigen Zügen leer, ohne ihn zuvor von ihrem Mund abzusetzen. Ein Festtag! Fürwahr!








270. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 08.04.23 18:37

Das würde sie auf ihre ganz besondere, eben königliche Weise feiern. Sie lustwandelte in das Harem der Königin und winkte behufs drei Liebessklaven zu sich. Angeblich waren die frisch eingetroffenen Exemplare ausgezeichnet im Osten des Reiches ausgebildet worden und ganz auf ihre Gelüste geübt. Tagara würde sich an ihren Künsten laben und entscheiden, welcher der Jünglinge bei ihr bleiben dürfe. Die beiden anderen sollten fürbass auf einer Plantage oder einer Galeere unter der Knute von Wächterinnen ihr Können beweisen. Cassandra würde keine ihrer Entscheidungen in Frage stellen.

Keine halbe Stunde später erleuchteten mehrere Fackeln die Dunkelheit des Kerkers in den Tiefen des Bollwerks. Leda schaute auf und hielt sich einen Arm schützend vor die Augen. Das Licht brannte sich bis in ihren Schädel. Die Wachfrau, die ihr ihre frugale Speise brachte, kam sonst alleine. Leda verrottete hier in diesem dunklen Loch, ohne jemals eine andere Person zu sehen. Kummer und Gram sollten an ihr nagen. Mehrere Wachsklaven schleppten eine schwere Truhe herbei und schoben sie schrill scheppernd in das Verlies. Das Schloss der großen Kiste war geöffnet. Leda blickte irritiert zwischen dem Kasten und den Männern hin und her, dann hob sie den Deckel der mit Eisen ausgeschlagenen Truhe an. Im Hintergrund hielt sich die Majordoma und beobachtete die Gefangene dabei.

Leda erkannte in der Silhouette ihren Gemahl, obwohl er schon lange kalt und zu den Alten Göttern gegangen war. Hatte die anführende Centuria einen Schrei erwartet, wurde sie enttäuscht. Leda schlug den Deckel kraftlos wieder zu und kroch langsam in eine Ecke ihrer Zelle und verharrte daselbst wie gelähmt. Sie wirkte entrückt und geistesabwesend. Und sie entließ nicht den kleinsten Laut von ihren Lippen, denn längst war sie nicht mehr Gefangene der cassandrischen Armee. Längst war sie frei. Frei wie ein Vogel. Sie lebte in ihren Träumen wieder als Königin des blühenden Ledaniens und seinen Auen. Neben ihr saß ihr Gemahl Abas, ein würdiges Lächeln auf den Lippen. An den Seiten des Thrones saßen ihr Schultheiß Gladius, der Majordomus Hagbard und der Oberste Gardist Zelos. An der großen mit Holzschnitzereien verzierten Eingangstüre stand Nike, Gardistin und Weggefährtin. Auf dem Marmorboden in der Thronhalle zeigte ein großes rundes Mosaik das Wappen ihres Reiches: eine aufrechte Löwin mit einem glänzenden Schwert in der goldgelben Pranke. Und wenn sie nach oben schaute, blickte sie in einen blauen und strahlenden Himmel.

Keine Feinde bedrohten ihr Reich. Sie hatte ihr Glück gefunden, nachdem sie stets gestrebt hatte. Es wohnte in ihrem Herzen, das nun frei war von Qual. Und des Nachts entfachte ein Feuer der Leidenschaft in der Nachtstatt der Königin. Und Abas wusste es weiter anzufachen, bis er sich in Vereinigung in ihr entlud, süß wie Honigseim. Die Gefangene merkte nicht, wie die Fackeln aus ihrem Blickfeld verschwanden, wie die Schritte der Wachen leiser wurden, als sie den Gewölbegang und schließlich die Wendeltreppe hinaufstiegen. Den Uniformierten graute es vor diesem dunklen Ort. Aber Leda bekam nicht einmal das Dröhnen mit, als eine schwere Eisentür zugeschlagen und verriegelt wurde. Kein Kienspan, keine Kerze erhellte ihre Einsamkeit. Schwärze umgab das einsame Weib. Harter Fels, nasskalter Stein, rostige Ketten und alabasterfarbenes Gebein. Und doch breitete sich ein seliger Ausdruck in ihrem Gesicht aus, während sie ihre Augen geschlossen hielt, denn sie saß auf dem Thron neben Abas und regierte ihr Königreich. Die Flechten an den modrigen Wänden des Kerkers verwandelten sich in Flor aus blühenden Rosen und währten ewiglich.



Sieben Jahre gingen ins Land:

Stürmische Böen wirbelten Staubkörner und vertrocknete Blätter durch die Luft. Neue Muster bildeten sich auf dem Boden. Kleine Pflanzen knickten um, andere erstarkten und erhielten endlich mehr Sonne. Mutter Natur war in einem ständigen Wechsel von Aufstieg und Untergang – wie auch die Menschen auf dem Alten Kontinent einer neuen Ära entgegen gingen.

Die Macht war neu verteilt. Tagara hatte die Herrscherin Cassandra skrupellos durch Schwarzmagie und Korruption entmachtet und sie ohne Umschweife vor die splendide Wahl gestellt, entweder als Hohepriesterin in den Maluskult einzutreten und im Tempel der Robenfrauen in der ehemaligen Hauptstadt des cassandrischen Reiches ihrem Bund zu dienen – oder für immer willenlos auf dem Alten Kontinent umherzuirren.

Tagara hatte der Königin für ihr Unterfangen hinterhältig ein feines Pulver ins Gesicht geblasen, das sie in einem Schmuckstück verborgen hatte. Dieses Mittel war durch alchimistische Künste und schwarze Magie der Malus-Adeptinnen so machtvoll, dass es fortan, in seinem Opfer schwärend, Cassandra zu einer willenlosen Gestalt degradierte. Damit war Tagara faktisch und definitiv alleinige Herrscherin des neuen Großreiches. Ein leerer Blick hatte Cassandras früher so glänzenden und funkelnden Augen die faszinierende Ausstrahlung wie aus dem Stegreif genommen. Sie war mit verwunderlicher Akzeptanz als Hohepriesterin in den Malustempel gezogen. Ihre Vergangenheit als Königin schien ihr keines Gedanken mehr wert zu sein. Fürbass lebte sie als Oberste Machthaberin des Maluskultes im Osten abwechselnd in ihrem alten pompösen Palast und dem nicht weniger imposanten Tempel, als sei dies schon immer das Kismet gewesen, das die Alten Götter ihr zugewiesen hätten und gerade gut genug für sie.

Doch ihr mangelte an etwas Ungewissem. Sie vermochte in ihrem Wirrsal an Gefühlen niemals genau zu erkunden, was es war. Sie lebte, sie regierte, sie genoss ihre Position und Macht, ihren Reichtum, doch letztlich vernebelte etwas ihre Sinne, und sie kam nicht dahinter, worum es sich bei dieser Bürde handelte. Sie fühlte sich wie eine Marionette, konnte aber nicht erklären, was da in ihrem Geist vor sich ging. An ihre berüchtigte Vergangenheit als Despotin des Reiches erinnerte sie sich nicht.

Sie schwang sich die edle schwarze Robe mit den blutroten Paspeln um. Heute sollten fünf Leibeigenen das Böse ausgetrieben werden. Die Sieben Prüfungen standen an. Sie stiefelte in ihrem feinen Ornat durch den Gang, der zu der großen Halle des pompösen Tempels führte. Auf dem Boden war ein Rautenmuster aus schwarzem und weißem Marmor verlegt. Sieben Priesterinnen warteten bereits auf sie, um sie von ihren schmählichen Sünden zu reinigen – und ihre Unschuld zu rauben.

Cassandra erreichte eine mit Blattgold ausgekleidete Kanzel und hob ihre Arme als Zeichen, zu beginnen. Ihre weiten Ärmel bildeten im Licht der Feuerschale eine Silhouette, die an ausgebreitete Fittiche erinnerte. „Bringt die Prüflinge herbei!“ Wächterinnen erschienen mit fünf verängstigten Sklaven. Die Malus-Priesterinnen begannen mit der Zeremonie und prüften die Leibeigenen auf ihre Talente, ihre Loyalität und ihr Tauglichkeiten.

Am Abend musste Cassandra den Herrinnen der fünf Absolventen mitteilen, dass sie die Prüfungen nicht bestanden hatten. Um den versagenden Ausschuss war es nicht schade. Die Besitzerinnen würden morgen fünf neue Leibeigene zum Tempel schicken. Für die Hohepriesterin Cassandra bedeuteten die fünf Fehlgriffe nur, dass der Malus-Kult über fünf weitere heimliche Liebessklaven verfügte. Die Niederen wurden in den unterirdischen vertraulichen Harems der Priesterinnen versteckt und ausgebildet.

Zwei der Jünglinge hatten lange gekämpft und gerungen, um die Prüfungen zu bestehen, aber Cassandra hatte längst ein Auge auf sie geworfen und erwogen, dass die Kreaturen zu schade für die Außenwelt waren. Sie erwählte sie zu Haremsdienern. Und ihre Entscheidung galt. Schließlich war sie die höchste Priesterin des Malus-Kultes. Cassandra prahlte nach außen nicht damit. Für die Gesellschaft war sie die zwar mächtige, doch stets keusche und tugendhafte Hohepriesterin, rein wie eine weiße Blüte.

Doch des Nachts, wenn Mond und Sterne am schwarzen Himmel standen und ihr silbriges Licht über die Lande ergossen, stieg sie hinab und ließ sich von zahlreichen Lustjünglingen beglücken und verwöhnen. Nach dem Akt goss sie rote Wachskerzen mit Vorliebe über den Schoß der entblößten Körper und betrachtete dann ihre Kunstwerke. Hin und wieder nutzte sie die Geißel, um das erstarrte Wachs vom Leib zu fetzen. Solch Kurzweil bot sich wunderbar zwischen den Liebesspielen im Harem an, und sie erfreute sich an dem süß berauschenden Nachhall der hellen Schreie.

Die rauschenden Orgien unter dem Tempel standen den Feiern weltlicher Despotinnen wie Prodita und Vesta in nichts nach. Cassandra gewandete sich dann gern mit extravaganten Federkleidern, bunt und appetitanregend für das Auge. Sie gefiel sich in ihrer Rolle als Priesterin fürwahr und lebte ihre lustvollen Extravaganzen im unterirdischen Harem des Tempels in vollen Zügen aus.

In der benachbarten Metropole leitete Vesta die Amtsgeschäfte und erfreute sich an einem frivolen Gesellschaftsleben in der großen Stadt. Sie residierte in einer der vier mächtigen Festungen des Alten Kontinentes. Bei ihrem Umzug aus der Provinz Cassandria hatte sie ihre Schwester Aurora mitgenommen. Schließlich gab es in dem riesenhaften Palast, den einst ihre Mutter Fama in einem Anflug von Größenwahn schaffen ließ, genügend hübsche Kellerverliese, die Aurora würdig waren. Die bleiverglasten Butzenscheiben in Vestas Gemächern fehlten zwar im Kerker; dafür waren die Wände mit groben Steinquadern behauen, die schließlich auch ihren - wenn auch öden - Reiz hatten.

In Vestas Noblesse hatte sie dafür gesorgt, dass Aurora an nichts fehlte: Wärme, Mahlzeiten, frische Luft und fleischliche Gelüste wurden ihr gewährt – wenn auch anders, als vielleicht von ihr gewünscht. So erhielt sie ein neues Brandzeichen als Huldigung an Vestas Vorherrschaft; alte Brotrinden und Haferschleim gab es in reichlichen Mengen; frische Luft durfte sie schnuppern, wenn sie an jedem dritten Tage aus ihrem Kerker geholt und in einem engen Käfig auf dem Festungshof an einem Mast in die Höhe gezogen wurde; fleischliche Gelüste waren ihr vergönnt, wenn die Wachen ihr den Keuschheitsgürtel abnahmen und sie wuschen. Doch den Gipfel der Erfüllung ließen sie sie nie erreichen. Frisch rasiert und geschrubbt wurde Aurora sauber und völlig enthaart stets wieder versperrt, was sie die kurze Freiheit vergällen ließ.

Vesta besuchte ihre Schwester nur selten. Aber hin und wieder stieg sie hinab und aalte sich bei Fackelschein am Anblick des glatt rasierten Schädels. Gern erläuterte Vesta diese Anordnungen mit „Vorsichtsmaßnahmen gegen Läuse und anderes Ungeziefer“ und kicherte dabei gespenstisch. Gleichzeitig beschwerte sie sich heute über die stickige Luft und die Dunkelheit, den Unrat und die kahlen Wände. „Du bist schuld daran, dass mein Kleid nun einen Fleck hat“, monierte sie. „Ein Dutzend Hiebe mit der Geißel auf den weißen Po meiner lieben Schwester!“ Aurora winselte mit tränenverschmiertem Gesicht und rotgeweinten Augen. Gleich würde sie über einem Strafbock geschnallt liegen und die Härte der Wächterinnen empfangen. Ihre heißen Tränen tropften auf den Boden hinab.

Eilig verließ die Herrin den Kerker, der nicht nur ihre Augen, sondern auch ihre feine Nase beleidigte, um sich ihrem Taftkleid zu entledigen und in eine Bronzewanne mit Krallenfüßen zu steigen. Das heiße Bad, in das sie tauchte, tat ihr wohlig gut und ließ sie aufseufzen. Ein wenig Rosenöl aromatisierte das Wasser. Aus einem bronzenen Basilisken floss kontinuierlich frisches Wasser in die Wanne. Eine moderne Konstruktion machte dies möglich. Es wurden dazu nur wenige Sklaven benötigt, die ein Rad drehten – irgendwo in einer Hinterkammer. Doch solche Einzelheiten interessierte Vesta nicht. Über ihr strahlte das Licht eines Kandelabers, gebrochen durch zahlreiche Glaskristalle, und zauberte funkelnde Punkte auf das Badewasser. Für einen wonnesamen Moment schloss Vesta verzückt die Augen.

Sie freute sich schon auf den nächsten Tag: Eine große Sklavenjagd stand bevor. Ob sie Aurora auch in die Wälder schicken sollte? Reizvoll war die Vorstellung, dieses aufregende Abenteuer, die Trophäen, die Freude an der Pirsch und Hatz. Das würde ihre träge Langeweile von ihr spülen. Welch schwere Bürden sie als Provinzfürstin der Metropole trug. Sollte sie gleich in den Lustgarten schlendern und den Fiedeln und Schalmeien lauschen? Oder wollte sie lieber auf ihrem prächtigen Diwan Platz nehmen und bei dem Licht einiger Bienenwachskerzen den Worten eines Sklaven lauschen, der ihr Geschichten aus einem Folianten der alten Skalden vorlas oder ihre einmalige Schönheit und ihren Edelmut pries?

Vielleicht würde Vesta sich später in ihrer Sänfte durch die Metropole tragen lassen. Auf dem Markt könnte sie einige erlesene Delikatessen, Süßigkeiten, Stoffe, Kristall und zwei Sklaven kaufen. Ein anregendes Ringen der Auserwählten könnte sie und ihre Hofdamen erfreuen. Der Sieger würde ihre Warmherzigkeit und Güte spüren. Sie gluckste bei dem Gedanken. Der Verlierer konnte nur auf das Schicksal erwarten, dass jedem Schund mit Fehl und Makel übrig blieb.

Es gab so viele Möglichkeiten. So viel zu tun. Sollte sie eine Zofe rufen, die ihr in Honig geröstete Mandeln reichte? Oder stand ihr der Sinn nach einer passionierten Auspeitschung eines Jünglings? Direkt neben dem großen Zeughaus standen mehrere Geißelsäulen und Pranger zu ihrem Gaudium bereit. Besonders die Jünglinge hatten es ihr angetan. Sie waren nicht nur die ausdauernden Liebessklaven, die ihr so viel Freude bescherten; sie jammerten auch so süß, wenn sie gestäupt wurden. Und ihre Tränenflut erst, die so salzig schmeckte, wenn sie sie ableckte und ihnen ins Ohr flüsterte: „Sei tapfer und walle deine Schwäche nieder, dann gewinnst du meine Güte und Barmherzigkeit.“ Die Jünglinge durften sich ihrer allerhöchsten Gnade erfreuen. Welch Präsent!

Doch das Beste, was sie zu hoffen hatten, war, in ein Narrenkostüm mit Glöckchen und entblößtem Schritt gesteckt zu werden und zu Flöte und Pauke zu tanzen – bis auf denjenigen, den Vesta in ihr Bett befahl. Doch am nächsten Tag konnte er sie schon langweilen und in einem Kerker landen, in eine Mine geschickt werden oder als Gladiator in der Arena um sein Schicksal kämpfen. Es gab so viele bezaubernde Spiele im Fundus der Provinzfürstin. Trotzdem seufzte sie überdrüssig und boxte gegen ein azurblaues Seidenkissen. „Holt mir einen Hofnarren! Mir ist langweilig! Und wehe, er bringt mich mit seinen Possen nicht zum Lachen!“

Die Leibwache eilte aus dem Gemach, um dem Befehl der Gebieterin nachzukommen. Wen sollte sie wählen? Einer der neuen Jünglinge würde das Spaßvogelkostüm tragen müssen. Die Uniformierte schritt stracks zu der Kammer, wo die Jünglinge sich gerade mit scharfen Klingen ihre Leiber rasierten. Sie zeigte auf einen der jungen Männer. „Du da! Komm mit! Die Fürstin wünscht dich als Spaßmacher zu sehen.“ In einer Nebenkammer reichte die Wache dem überraschten Sklaven das drollige Narrenkleid. „Beeile dich! Sonst ergeht es dir schlecht.“

Sie führte ihn hastigen Schrittes durch die langen Gänge des Palastes. „Wenn ich dir einen Rat geben soll: Schadenfreude ist Vestas größte Freude. Also lass dir was einfallen!“ Die Leibwächterin wusste, dass es nicht nur dem Sklaven, sondern auch ihr selbst schlecht ergehen würde, falls er versagen sollte. Schließlich hatte sie ihn auserwählt. Sie flüsterte dem zitternden zum Hofnarren ernannten Mann zu, wie Vesta ihm eine missratene Vorführung vergelten würde. „Und von mir erhältst du dann noch einen Zusatzlohn, den du nimmer vergessen wirst!“

Als der schlotternde Possenreißer vor Vesta einen wirbelnden Veitstanz begann, weil er nicht wusste, was er sonst tun sollte, wirkte dies so unbeholfen und herzerweichend, dass sogar der Mundschenk, der neben Vesta kniete, Mitleid mit dem Jüngling bekam. Vestas Herz ging ebenso auf, allerdings in anderer Weise. Sie kargte an Erbarmen; seiner Statt frohlockte ihr Herz. Diesen Trottel würde sie auslachen und bedräuen, bis er vor Furcht und Scham im Boden versank. Abwehrend winkte sie. „Halte ein! Hör auf! Mir wird selbst ganz schwindelig. Hüpf im Kreis wie ein Häschen und grunze wie ein Schweinchen!“ Irgendwann winkte sie ab und jagte ihn von Dannen. Ihre Leibwache wies sie an, den Tollpatsch auf den Drehstuhl zu fesseln, bis ihm seine Narreteien abgefallen wären. Seufzend rief sie nach Musikanten. Vielleicht würden jene Instrumentenspieler ihre Laune verbessern.










271. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 23.04.23 18:02

Am Abend ließ sie eine große Platte mit den köstlichsten Braten und allerlei Vortrefflichkeiten zubereiten und in den Kerker zu Aurora bringen. Vesta ließ die Platte vor die Gitterstäbe ihrer Schwester stellen und besuchte sie in persona. „Freust du dich, dass ich dich beehre?“, frohlockte sie. „Wie ich denke, hast du beißenden Hunger, liebstes Schwesterlein. Ich habe dir die feinsten Delikatessen zusammengestellt.“ Aurora lief der Speichel im Mund zusammen, als sie die Köstlichkeiten roch und mit ihren umschatteten Augen erblickte. Diese zauberhaften Düfte…

Vesta schob die Platte zu der Gitterwand. Im Hintergrund flackerten zwei Fackeln und Funken fliegen nach oben wie ein wilder Insektenschwarm, der sich an der groben Gewölbedecke verlor. „Na, welch Ungemach! Ich fürchte, sie passt nicht hinein. Die Stäbe sind leider zu eng“, bedauerte Vesta scheinbar mitleidig säuselnd. Die Provinzfürstin schob und drückte und kippte dabei den Becher mit Wein um. „Hach, was bin ich ungeschickt. Verzeih mir, meine Liebe.“ Der rote Rebensaft ergoss sich über den Steinboden wie Blut und versickerte zum größten Teil zwischen den groben Steinquadern, die ihn durstig aufnahmen.

Schließlich zuckte sie mit den Achseln. „Es tut mir Leid, aber die wunderbaren Genüsse, die dir unser Koch zubereitet hat, erreichen dich nicht. Dabei hungert es dich doch so sehr. Du Arme!“ Vesta winkte zwei Wächterinnen herbei. „Wohlan! Nehmt davon, so viel euch beliebt. Erquicket euch daran. Es soll nicht umsonst zubereitet worden sein.“ Sie blickte mit einem lächelnden Auge zu ihrer Schwester. „Gehabt Euch wohl, meine Liebste.“ Mit diesen Worten verließ sie die Eingekerkerte. Die Wachhabenden grinsten und machten sich über den Hirschbraten her, das zarte Lammfleisch, den mit Trüffeln gefüllten Kapaun, die Rüben und den Räucherfisch. Auf der Platte lagen eine gewürzte Leberpastete, geröstete Zwiebeln, mit Schinken umwickelte Datteln, Käse, dazu Mandelgebäck, Mürbeteigkuchen, Nüsse und Trauben.

Auroras Ketten waren gespannt. Sie stand so nah am Gitter wie ihr möglich war, eingenebelt von kulinarischen Düften. Ihr lechzendes Antlitz konnte nicht verhehlen, dass sie grauenhaftes Bauchgrimmen litt und alles für einen Brosamen getan hätte. Bald schon hatten sich die Wächterinnen schmatzend satt gegessen. Fast ein Drittel des opulenten Festmahls war trotzdem noch übrig. „Bring es von dannen, den Hofhunden!“, sagte die uniformierte Frau der Kameradin und hielt sich den vollen Bauch unter ihrem Lederharnisch.

Aurora sackte ermattet zusammen, und die schweren Ketten brachten sie aus dem Gleichgewicht, so dass sie nach hinten plumpste. Ihr nacktes Gesäß war nur zum Teil von dem Keuschheitsgürtel bedeckt. Sie kroch auf allen Vieren auf den kalten Steinen in ihre Ecke, wo die Ketten an der Wand angebracht waren, zurück, und wo sie nur als Schemen zu erkennen war. Ihr Magen knurrte so laut, dass es bis zum Ohr der Wächterin drang, und diese herzhaft lachte. „Vielleicht hätte ich dich die Knochen abknabbern lassen sollen. Was meinst du, du Made?“ Sie leckte sich schnalzend die fettigen Finger ab und seufzte zufrieden und satt.

Einige Stunden später, als sich Vesta von ihrer Zofe in ein kostbares Nachtgewand, das mit Perlen verziert war, ankleiden ließ, hörte sie von der Bediensteten, dass die Wachen sich über den knurrenden Magen der Aurora ausbreiteten und darob scherzten. Vesta überlegte kurz und klingelte nach einer Palastwache. „Meine Schwester leidet Hunger. Das ist nicht hinzunehmen!“ Die Wachfrau schluckte und fürchtete eine scharfe Zurechtweisung oder gar Bestrafung. Doch dann befahl Vesta zu ihrer Erleichterung: „Kredenzt ihr einen großen Kübel Haferschleim, um sie zu erquicken. Und einen Trichter, der ihr hilft, ihn zu leeren.“ Eine Stunde später lag Aurora würgend mit einem aufgeblähten Bauch in ihrer Zelle, als habe sie vor neun Monaten den Samen eines Recken empfangen.

Am nächsten Tag ließ Vesta ihr Blut ausnahmsweise aus ihrem Kerkerloch. Doch nur, um es an den Rand des höchsten Turmes des Palastes, dem Bergfried, zu stellen und ihr sadistisches Spiel mit der Verhassten zu treiben. Mit verbundenen Augen und gekrümmtem Rücken wankte das kahle, weiße und entblößte Weib zwischen zwei Zinnen des Turms. „Stehen bleiben“, befahl Vesta mit schneidender Stimme, als Aurora die Kante vor dem Abgrund erreicht hatte. Sie trat näher zu ihrer verhassten Schwester und umfasste ihre spindeldürren Waden, dass die Blinde zuckte vor Schreck. „Nimm dir die Augenbinde ab, Schwesterlein.“ Als Aurora ihre noch mit einer zwei Spann langen Kette gefesselten Hände hob und die Binde wegzog, verlor sie vor Schreck fast das Gleichgewicht und wäre beinahe in die Tiefe gestürzt. Vesta lachte vergnügt gackernd und trieb ihr Schindluder weiter. „Sei gegrüßt, Schwesterlein! Siehst du, dass meine Macht über dich grenzenlos ist?“ Auf ein Fingerschnippen würde ihre Wache die Gefangene in den Tod hinabstürzen.

Aurora litt seit ihrer Jugend an Höhenangst und schlotterte nun in Panik auf dem schmalen Granit-Sims. Kalter Schweiß bildete sich auf ihrer Stirn und lief ihr in die Augen, denen die Brauen fehlten. Ihre Nasenflügel waren gebläht. Vesta erblickte ihr zitterndes und hechelndes Opfer und grinste sie an. „Und wenn die Sonne ihren Zenit erreicht, reiten wir auf Sklavenjagd aus. Soll heißen: Ich reite, du rennst…“ Vesta lachte herzhaft und volltönend. Sie grinste ihr Gegenüber sardonisch an. Aurora schrie unmittelbar laut los. So schrill, dass selbst Vesta erschrak. Schlagartig fuhr Aurora herum und schlang den Hals ihrer Schwester um die Handkette, zog sie zu sich hoch. Die Kette umschloss fest Vestas Hals. Die Provinzfürstin zappelte in der Luft, wischte mit ihren Armen umher. Vesta wehrte sich verzweifelt, drückte ihre Fäuste gegen Auroras nackte Brust, doch die Entblößte entwickelte unglaubliche Kraft und drehte sich mit Vesta herum…

… und stürzte mit ihr in die Bodenlosigkeit. Vor Vestas Augen tauchte das verzerrte Gesicht ihrer Schwester auf: der Kahlkopf, die brauenlosen Lider, der müde Blick, der auf einmal irr und gefährlich loderte und trotzig keinen Schlummer in ihre Augen ließ. Die Welt drehte sich wie eine Trollbola um die beiden wirbelnden Leiber. Vestas Fingernägel kratzten suchend durch die Luft. Die durchdringenden Schreie der Schwestern schallten gellend über den Innenhof und die gesamte Palastanlage und brannten sich in die Ohren der Augenzeugen ein wie glühende Schürhaken.

So jäh, wie die Laute aufgebrandet waren, so schlagartig endeten sie traun, würgte das Kreischen ab, als die beiden wie nasse Säcke auf dem Pflaster landeten. Nur einen Lidschlag lang herrschte gespenstische Stille. Eine Zofe stand in der Nähe und schrie jäh los wie am Spieß, als ihr Kleid und Gesicht von Nässe besprenkelt wurde. Centurias und einfache Wachen liefen im Laufschritt herbei, andere schauten vom Turm hinab zu den beiden leblosen Geschöpfen am Fuß des Bergfrieds. Aurora lag in obszöner Position auf ihrer Schwester, deren Kleid hochgerutscht war und ihre Leibwäsche entblößte. Das Dekolleté der Fürstin war zerrissen, und eine Brust schaute bar hervor, als wolle sie ein Mündel nähren. Ein Käuzchen, das auf einer Holzschindel eines Vordaches hockte, schrie drei Mal. Die Wächterinnen der Palastgarde fassten furchtsam nach ihren Amuletten, die sie alle um den Hals trugen und vor Unglück bewahren sollten. Ein Käuzchen mitten am Tage? Das konnte nur ein böses Omen bedeuten.

Die Nachricht von dem Unheil erreichte Cassandra einige Tage später durch einen Briefraben. Wochen darauf landeten auch Raben bei Tagara, alias Megara, und kurz darauf an der Westküste bei Prodita in der schwarzen Festung. Während Cassandra eine große Malus-Messe im Tempel für Vesta abhielt, bei der zwölf Sklaven ihre Opfer brachten, um die Alten Götter für die Aufnahme des Geistes zu entlohnen, frug sich Prodita, wie sie die Situation in der Metropole für sich nutzen konnte. In der westlichsten Bastei, tief in den Felsen des befriedeten Ledanien war Proditas neuer Regierungssitz, da es Tagara lieber war, wenn sie die ehemalige Senatorin und spätere Regentin des Stadtstaates aus ihren gewachsenen Verbindungen riss. Einen militärischen Putsch wünschte sich Tagara als allerletztes. Prodita sann fortan, wie sie ihre Macht erweitern könnte; und die politischen Wirren, die in der Metropole nun nach Vestas Abdankung aufwirbeln würden, kamen ihr zupass. Womöglich würde Tagara nach Osten ziehen und ihr, Prodita, den gesamten Westen überlassen, so sinnierte sie. Doch das wussten nur die Alten Götter.

Tagara ließ den mystischen Personenkult um Megara wieder aufleben und schaffte es in nur wenigen Wochen, die frühere Tyrannin beinahe zu einer Göttin hochzustilisieren. Sie hatte sich bewusst Zeit dafür gelassen, doch dann war der Schicksalstag da: Tagara, alias Megara, ließ sich als alleinige Herrscherin ausrufen. Längst war sie die eigentliche und tatsächliche Imperatorin und vertrat Cassandra, die als Hohepriesterin im Osten den Maluskult anführte. Doch nun sollte Tagaras Krönung ganz offiziell werden. Dafür war eine mächtige Krone, das Hoheitssymbol der Macht, gefertigt worden, die eher einer diabolischen Dämonenfratze ähnelte. Sie sollte Angst und Schrecken verbreiten. Und das würde sie wahrhaftig.

Bei ihrer Inthronisierung in ihrem alten Palast im ehemaligen Stadtstaat der Helena zur „Imperatorin“, wie sie sich fortan nennen ließ, waren links und rechts von ihr große Amphoren aufgebaut worden, aus denen Nebel waberte. Als „Tagara“ die Krone vom Kissen nahm und festhielt, verdichtete sich der Schleier. Als er langsam zu Boden sank, trug die Imperatorin die Krone auf dem Haupt. Und in ihrer königlichen Tracht manifestierte sich eine veränderte Gestalt. Die Menge raunte. Vor ihnen stand Megara. Welch Wonne! Die Göttin war zurückgekehrt!

Ihre Augen blitzten und flackerten wie Kerzen in den Höhlen eines Schädels. Durch ihre endgültige Fleischwerdung erstickte der Geist ihrer Schwester Tagara, deren Leib sie sich angeeignet hatte. Irgendwo im Osten in eine kleine Ampulle gesperrt, verloren in einem wüsten Durcheinander einer verlassenen Alchemistenkammer. Tagara hörte auf, zu existieren. Dafür lächelte Megara ihre Untertanen großmütig an und breitete die Arme aus. Das Volk jubelte der neuen Majestät zu. „Im –pe – ra – to – rin!“ Die Chöre schwollen so laut an, dass die Luft zu vibrieren schien. Die größte Glocke des Alten Kontinents läutete zur Thronfeier. Und mit ihr schlugen Glocken im ganzen Reich den ganzen Tag, die restliche Nacht und bis zur Morgenröte Schein. Fanfarenbläser und Bannerträger kündeten im ganzen Land von dem großen Ereignis.

Die pompöse Feierlichkeit verschlang Unsummen, ließ Tausende Sklaven bis zum Umfallen schuften, sorgte für die tausendeinhundertelf eingeladenen Gäste für größtmögliche Behaglichkeit, für ausufernden Luxus und Saus und Braus. Der gewaltigste und teuerste Ball aller Zeiten füllte alle Hallen des Palastes und Innenhöfe und Lustgärten dazu. Sieben Tage lang dauerten die Feierlichkeiten, bei denen spärlich bekleidete Tanzsklaven mit klirrenden Armringen, Gauklergruppen, Akrobaten, Schwertschlucker und Feuerspucker neben mehreren Musikkapellen für nie zuvor dagewesene Unterhaltung sorgten. Und Megara schwor sich: „Wer mich jemals wieder als Tagara betitelte, soll zunächst seine Zunge einbüßen, und dann bei Sonnenaufgang jeweils ein weiteres Stück, das auf einem Spieß gesammelt und ausgestellt wird. - Und nun steht mir der Sinn nach ein wenig Harfenspiel… Oder vielleicht spiele ich lieber mit einem Sklaven…“

Einige Tage, nachdem Megara ihre Regierungsgeschäfte als Imperatorin aufgenommen hatte, durchstreifte die hehre Reichsführerin mit Lust die vielen Gänge und Räume ihres Palastes. Von Monarch Talos erschaffen und ihr selbst erweitert worden, blieb er in seiner Pracht unerreicht. Die Imperatorin betrachtete mehrere goldene Lüster mit Kristallen daran, die tonnenschwer von der Stuckdecke hingen. „Blattgold! Jetzt weiß ich, warum die Decke so… unangemessen für meine Göttlichkeit ist. Es fehlt Blattgold!“ Die Majordoma, die ihr wie ein Schatten folgte, notierte den Wunsch der Imperatorin augenblicklich mit ihrem angespitzten Calamus auf ein Blatt gerolltes Pergament. Beim Schreiben rutschte ihr ständig ein Teil ihrer Toga über den Bogen. Verärgert musste sie mehrfach ansetzen. Ihre schlechte Laune würde sie sich später beim Sklavenreiten abreagieren.

Und auf dem Marktplatz sollte eine gigantische Statue ihres göttlichen Leibes gebaut werden – höher als jemals zuvor ein Monument gewesen war. Megara plusterte sich auf und präsentierte sich auf dem großen Balkon, der zum weitläufigen Marktplatz zeigte. Hinter der Balustrade aus Marmorsäulen schaute sie auf ihr Volk hinab. An den Seiten wurde sie von zwei Leibgardisten flankiert. Die Zweibeiner trugen jeweils einen großen bronzenen Nasenring, der ihnen fast bis zum Kinn reichte; die Füße steckten in hohen, schwarzen Lederstiefeln, deren Schaft bis über den halben Oberschenkel langte und vorne einen fingerlangen Dorn eingearbeitet hatte. Neben Keuschheitsgürteln waren sie mit einem kurzen Rock aus einzelnen Lederstreifen bekleidet, die in metallenen Spitzen ausliefen. Am breiten Gürtel hing ein scharfer Dolch, in der Hand hielten sie jeweils eine Hellebarde mit gefährlich gezackten Klingenblättern. Der Oberkörper war in ein genietetes Ledergeschirr gekleidet. Die Stirn war von einem Lederband bedeckt, an dem vorne ein geschliffener Turmalin prangte.

Megara beachtete ihre Leibeigenen nicht, die für sie nur unsichtbares Inventar darstellten. Ihre Gedanken führten sie zu Leda, ihrer Widersacherin, die seit über sieben Jahren unter den Argusaugen der Prodita im Kerker der westlichen Felsenfestung vegetierte. Megara hatte ihren Triumph nun so lange Zeit vor Leda verborgen, nun wollte sie der Konkurrentin endlich eröffnen, dass sie, Megara, die alleinige Herrscherin über den gesamten Alten Kontinent war. Die einzig wahre Imperatorin! Welch süße Genugtuung das werden würde!

Und die kleine Zitadelle des verhassten Weibes war vor sieben Jahren ebenfalls dem Erdboden gleichgemacht worden. Kein Stein stand dort mehr auf dem anderen. Längst wuchsen Büsche und sprossen junge Bäume zwischen den Steinbrocken, die im Wind flüsterten und einige brüchige Fundamentreste umzierten. In der Nähe hatte eine Küferin mit ihren Leibeigenen einen länglichen Kotten mit Fachwerk errichtet. Doch an das ledanische Banner erinnerte nichts mehr. Eine Herde braun gescheckte Färsen graste in der Nähe und betrachtete in stoischer Ruhe, wie zwei Arbeiter gerade die Dauben eines großen Bottichs mit eisernen Reifen zusammenpressten. Die Küferin stolzierte in ihrem feinen Paletot mit Stehkragen zwischen den Leibeigenen hin und her und gab Anweisungen.

Ein Sklave schärfte ein Werkzeug an einem großen Wetzstein. Die Küferin versetzte ihm eine schallende Ohrfeige und anschließend eine kräftige Kopfnuss. „Halte die Klinge in kleinerem Winkel!“ Der Sklave gehorchte und konzentrierte sich auf seine Arbeit. Er war nicht erpicht, die berüchtigten Lederriemen zu spüren, die die Herrin mit Nieten versehen hatte. Er erinnerte sich ungetrübt an die jüngste obligate Züchtigung für ungeschickte Hände. Da schauten sogar die Färsen und Heidschnucken in der Umgebung auf, wenn das weibische Greinen des Sklaven laut über die Felder und Wiesen drang.

Wenn ein Nordwest wehte, erreichten die leidenden Rufe sogar die Mühle. Zusätzlich zu den großen Windflügeln ließ die Müllerin das Getreide auch mit vier schweren Mühlsteinen mahlen. Sie versorgte Bäckereien und sogar die schwarze Felsenfestung der Prodita. Dutzende Sklaven schufteten unter den Peitschen und Stöcken der vier Aufseherinnen und der Müllerin, um die wuchtigen Steine zu bewegen. Regelmäßig machten sich auch Leibeigene auf den Weg zum Fluss, wo Treidelschiffe die Mehlsäcke weitertransportierten, Scheffel um Scheffel. Die Karren wurden von Sklaven gezogen, da Rösser oder Ochsen der Müllerin zu kostspielig waren. Treidelschiffe fuhren die Ware dann zum Beispiel in die große Stadt, die weiland König Talos I. gegründet hatte. Die Bäckereien buken die feinsten Brote für die feinere Gesellschaft und natürlich den Palast der Imperatorin.

Doch derzeit weilte Megara nicht in ihrem Domizil. Die Imperatorin reiste prunkvoll bis zur neu geschaffenen westlichen Bastion. Wahrlich fuhr sie wie eine Göttin: 120 Treidelsklaven zogen das pompöse Gefährt, auf dem ein kostbarer Thron weit über den Köpfen der Untertanen angebracht war. Die sechzehn Räder waren aus Stein und mit Eisenreifen ummantelt, um das kolossale Gewicht bewerkstelligen zu können. Eine breite und geschwungene Treppe, die mit kirschrotem Teppich ausgelegt war, führte hinauf zu dem mit Gold und Juwelen besetzten Sitz der Imperatorin. Die Oberfläche war mit purpurfarbenem Samt besetzt, ein vergoldetes Geländer umlief das Gefährt.

Als göttliche Gardistinnen begleiteten den Zug der Imperatorin auf jeder Seite 24 Centurias, als Nachhut folgten weitere 120 Treidelsklaven als Ablösung, 50 Kampfsklaven und zwölf Centurias. Als Vorhut ritten zwölf Centurias und vier Duxas an der Spitze. An den Seiten der Zugsklaven kümmerten sich links und rechts jeweils zehn Antreiberinnen mit langen knallenden Peitschen und kürzeren klatschenden Lederriemen um ein zügiges Vorkommen der göttlichen Gebieterin.

Es war ein Wunder, dass das Ungetüm von „Kutsche“ überhaupt über die Straße kam. An vielen Stellen mussten schwitzende und ächzende Kampfsklaven dafür sorgen, dass die Räder sich nicht im unbefestigten Untergrund festfraßen. Obwohl die Hauptstraße vor einigen Jahren für den Handel zwischen Ledanien und dem Stadtstaat der Helena großzügig ausgebaut worden war, überforderte den Pflasterweg das enorme Gewicht des monströsen Gefährts mehrfach. Die Peitscherinnen hatten tüchtig zu tun, die Leibeigenen vorwärts zu zwingen und die Helfer mit der Arbeit anzutreiben. Erbarmen oder Mitleid kreuzten nie ihren Weg.

Die Treidelsklaven mussten alle paar Wegstunden am Rande ihrer Kräfte ausgetauscht werden. Trotzdem verlangte der ununterbrochene Marsch alles von ihnen ab - und zuweilen auch darüber hinaus zu viel. Megara richtete einen arroganten Blick hinter sich hinab zu zwei Leibeigenen, die wankten und sich kaum noch auf den Füßen halten konnten. Die Imperatorin hob eine Augenbraue und rief: „Peitsche jemand diese liederlichen Kreaturen zurück in die Reihe! Das sieht ja furchtbar unordentlich aus.“ Zwei Centurias kümmerten sich sofort um diese leidige Sache.

Nachdem die zwei Erschöpften die Reitpeitschen geschmeckt hatten, die ihnen offenbar wieder Kraft schenkten, blieben sie einigermaßen im Schritt der restlichen Nachhut. Zur Sicherheit versprach die eine Centuria der Reihe Treidelsklaven, in denen die Misstäter marschierten, eine Massenzüchtigung, falls wieder jemand aus dem Tritt geriet. Megara rümpfte ihre Nase. Warum ging das nicht zügiger voran? Diese lahmarschigen Kreaturen! Sie ließ erneut eine Centuria zu sich winken. „Beschleunigt den Marsch! Sputet euch!“ Die Uniformierte salutierte, beugte ihr Haupt und bedauerte: „Hochwürdige Imperatorin! Wir schlagen bereits den schnellsten Takt. Die Sklaven ziehen fieberhaft mit aller Kraft.“ Megara fauchte: „Dann sorgt dafür, dass die faulen Köter mehr Kraft aufbringen! Oder wollt Ihr in ein Geschirr steigen und ihnen höchst selbst helfen?“ Die Centuria verneinte erschrocken und ein wenig beleidigt und salutierte erneut. „Sehr wohl, meine Imperatorin! Ich werde den Takt erhöhen.“ Zufrieden und gnädig nickte Megara und entließ die Offizierin.














272. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von sheeeep am 28.04.23 15:14

Ganz prima und nach meinem Geschmack! Bin gespannt ob und wie Megara noch ihren Willen bekommt......
273. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 06.05.23 18:27



Nach einem strapaziösen Weg erreichte Megara endlich die schwarze Felsenburg und ließ sich von ihrer Gouverneurin Prodita begrüßen. Nach der strapaziösen Reise nahm die Imperatorin zunächst ein Bad mit duftendem Rosenöl, dann ließ sie sich von zwei Liebesdienern entspannen, besuchte nur kurz das opulente und dekadente Empfangsbankett, das Prodita hatte auftragen lassen, und in der Folge verabschiedete sie sich zur Nacht in ein feudales Gemach mit prächtigem Himmelbett.

Morgen, nach einer kleinen Stärkung und einem heißen Bad, würde sie Leda besuchen und ihr die süße Botschaft überbringen, dass sie wieder die Alleinherrscherin über den Alten Kontinent war. Sieben Jahre lang verrottete die verfemte Leda in dem Festungsbunker. Morgen sollte sie die herrliche Wahrheit erfahren. Megara freute sich schon darauf, der ehemaligen Königin diesen zuckerigsten aller Augenblicke zu schenken, der für die Verhasste aufkeimen würde wie eine schwärende Wunde.

Als die Sonne bereits seit fünf Stunden am Himmelsrund stand, stolzierte Megara in den tiefen Kerker hinab. Doch was sie erblickte, ließ sogar die Tyrannin schlagartig den Atem anhalten: Eine zusammengekauerte jämmerliche und ausgezehrte Gestalt hockte in ihrer Zelle, an rostige Eisenketten gebunden. Megara entriegelte das schwere Gitter und trat in den kleinen düsteren Raum, in dem die einzige Bewohnerin seit Jahren dahinvegetierte. Mit einer Fußspitze tippte sie die elende Figur zu ihren Füßen an. Doch Leda reagierte nicht darauf. Megara schnaubte durch ihre Nase und rief: „Weißt du, wen du vor dir hast? Ich bin Megara! Die Imperatorin! Göttin des Alten Kontinentes!“ Doch wieder rief sie keine Wirkung hervor. „Erkennst du mich nicht, du blindes Ding?“, frug sie. Ledas vergrämtes Gesicht verzog sich fast unmerklich zu einem entrückten Lächeln. Megara wurde wütend. Sie hatte sich einen Aufschrei erhofft. Entsetzen. Bestürzung. Pein. Betroffenheit. Verblüffung. Doch nichts dergleichen geschah. Die Zeit schien still zu stehen.

War die Eingekerkerte bereits der Umnachtung anheimgefallen? Enttäuscht verließ sie die Zelle wieder. Der Wache befahl sie garstig mit einem gallebitteren Geschmack im Mund: „Mir dünkt, die Missgeburt sehnt sich nach mehr Müßiggang. Mauert sie ein! Eine milde Gabe für die Götter. - Oder die Würmer“, spie sie aus. Sie stiefelte unwirsch in die Gastgemächer hinauf, die Prodita ihrem hohen Besuch zu Ehren in der Festungsanlage zur Verfügung stellte. Dunkelheit und Dreck ließ sie hinter sich. Doch ihr Groll klebte an ihr wie Pech und Schwefel. Sie gab der Provinzfürstin von der einzumauernden Leda kund. „Appelliert nicht an mein Herz – ich habe keins.“ Prodita hatte dergleichen nicht vorgehabt. Sie war sogar froh, endlich diesen berühmten Schandfleck in ihrem Kerker los zu sein.

Maurer verschlossen kurz darauf Ledas Kerkerzelle mit dem letzten Ziegel. Der letzte Lichtschein erlosch – wie in einer Gruft. Doch Leda lächelte entrückt und schloss kurz darauf saumselig die Augen. Absolute Stille trat ein. Keine Kette klirrte mehr. Kein Rascheln war zu vernehmen. Es herrschte Frieden. Der gesamte Gewölbekeller des untersten Kerkerflügels war verriegelt worden und mit dem Siegel der Imperatorin verplombt. Prodita schmeichelte ihrer Majestät: „Eine weise Entscheidung, ehrenwerte Imperatorin. Überreifes Obst sollte man stets den Würmern überlassen.“ Dabei wusste sie genau, dass jede Person, der Megara überdrüssig wurde, schnell selbst zu Fallobst wurde. Mit einem eingefrorenen Lächeln knickste die Fürstin vor ihrem hohen Gast, um ihr den Respekt zu zollen.

Verdrießlich und griesgrämig reiste die Imperatorin noch am selben Tag mit ihrem Tross zurück zu ihrem Palast. Während der Reise zu ihrer Residenz und später auch dort durften zahlreiche Sklaven ihre mürrische Laune ertragen. Mit aller Härte trieb sie die Arbeiten an ihrer gigantischen Statue voran, die tunlichst bald zum Himmel hoch erstrahlen und von der unendlichen Macht der Megara künden sollte. Die Sklaven schufteten in aller Eile Tag und Nacht, und doch ging es der Regentin nicht schnell genug voran. Antreiberinnen peitschten sich die Arme lahm, und doch hinkten sie dem Zeitplan der Herrscherin hinterher.

Während unter Prodita in der schwarzen Westfestung ein strenges militärisches Regime erblühte, das hunderte Sklaven von den Häfen aus als Galeerenruderer und Fischerarbeiter unter ihrer Knute schuften und schinden ließ, erfreute sich auch Cassandra als höchste Priesterin des Malus-Kultes im Osten des Alten Kontinents stabiler politischer Verhältnisse. Nur in der nahe gelegenen Metropole herrschten unruhige Zeiten, denn nach der unfreiwilligen Abdankung Vestas stritten sich mehrere Edelfräuleins um die Nachfolge. Lautem Gegacker gleich, diskutierten die Senatorinnen und feinen Damen sowie Duxas um Vestas Erbe. Aus wohlfeilen und ausufernden Debatten von Ladys wurden zankende Drachen mit spitzen und scharfen Zungen, die ihr Feuer spuckten. Kleinere Scharmützel waren an der Tagesordnung, wenn die Herrinnen der respektablen Gesellschaft wie Furien ihre Sklaven und private Milizen aufeinander hetzten.

Bald schon ging die Provinz in ein Chaos über. Megara schickte ein Elite-Heer Kampfsklaven mit vierzig Centurias und einer Duxa an der Spitze gen Ostprovinz und forderte aus der Gegend Cassandria Unterstützung an, um Ruhe und Ordnung wieder herzustellen. Megara schwor sich, das Zepter nimmermehr wieder aus der Hand zu legen und verlangte eine harte Hand gegen alle Aufständischen und ein Ende der Tumulte. Sie würde das neue Reich nicht auf den Hund kommen lassen. Und alle, die sich gegen sie wandten, sollten einen gepfefferten Preis dafür berappen. Ungebührliches Betragen würde rigoros bestraft.

Ränke wurden geschmiedet, Höflinge auf ihre Loyalität peinlichst befragt, Duxas bereiteten einen Putsch vor, Adelsdamen in Glanz und Gloria versuchten mit Gold und Juwelen das freie Bürgertum auf ihre Seite zu ziehen. So manche Hofdame ließ sich von Tand und Geschmeide zügig umstimmen. Schmutzige Wäsche wurde gewaschen, um die Nebenbuhlerin ohne viel Federlesens in ein schlechtes Licht zu rücken, Gift und Galle gespuckt, Garn gesponnen, das die Konkurrentin mit Ehr abschneidendem Schmutz überschütten sollte. Doch als die bis auf die Zähne bewaffneten Truppen der Imperatorin eintrafen, schworen alle Fräuleins schlagartig der Megara ihre unbedingte Treue und wuschen ihre Händchen in Unschuld.

Eine Delegation Scharfrichterinnen prüfte alle Hinweise auf versuchte Aufstände, die das Tribunal vernahm, weil die Fräuleins sich gegenseitig löblich denunzierten, und urteilte die Prügelsklaven als amtliche Sündenböcke der beteiligten Damen mit harten aber gerechten Richtersprüchen zu schweren Züchtigungen ab. Die Imperatorin setzte eine vertraute und ihr gewogene Duxa in das Amt der neuen Provinzfürstin ein. „Zum Gedeih!“, prostete die Imperatorin der ernannten Statthalterin der Metropole zu. Die ehemalige Duxa namens Regula neigte vornehm ihr Haupt und nippte an dem Goldkelch, in dem edler Rotwein schwappte. Sie strotzte vor Hochmut und war stolz wie ein Pfau. Nun war sie die Herrin über die wichtigste Ostprovinz des Alten Kontinents. Ihr war ihre Position wie ein reifer Apfel in den Schoß gefallen, ohne die Lande verheeren zu müssen und setzte sich so ins gemachte Nest. Mit ihr würde nicht gut Kirschen essen sein, das war den Damen klar.

Später sollte ein wahrer Augen- und Gaumenschmaus folgen, wenn die Dienstboten unter tiefen Kratzfüßen eilfertig gewaltige Tabletts mit köstlichem Wildbret, Wachteln, würzigen Suppen, dicken Eintöpfen und deftigen Aufläufen mit Erdäpfeln, Bohnen und Kohl auftischten. Mit reichlich kaltem Cider erfrischten die Damen ihre Kehlen und feierten noch bis tief in die Nacht beim Licht zahlreicher schmucker Girandolen die neu gewonnene Gesellschaftsordnung.

Am nächsten Tage brach sie mit einer großen Reiterschar auf in den Osten, um in ihre Fürstenresidenz einzuziehen. Nicht ganz so pompös war ihr Gefolge, wie das der Imperatorin, doch auch ihre Sänfte zeugte nicht von allzu viel Bescheidenheit. Nichts an der ehemaligen Duxa erinnerte noch an die militärische Gewandung, die sie getragen hatte. Regula war fürderhin in ein edles Gewand aus Samt und Seide in Zinnoberrot gekleidet, verziert mit weißen Perlen und goldenen Borten. Sie trug Goldschmuck an Ober- und Unterarmen, hatte ein kostbares Collier angelegt und auf allen ihren Fingern steckten Ringe aus Gold und Silber. Sie saß auf ihrem thronartigen Sessel und hielt einen kleinen Zepterstab in der Hand, der mit Diamanten, Rubinen, Saphiren und Smaragden veredelt war – die Insignien ihrer Macht. Nur Eingeweihte erkannten, dass es ein stilisierter Phallus war.

Zwei Hünen in ledernen Harnischen beschatteten ihren Leib mit großen Palmwedeln. Das Gefährt wurde von zwanzig Sklaven gezogen, die zu jeweils vier Mann einen von fünf Holzpfählen drückten, der in der Mitte mit einer Deichsel verbunden war, die an dem Fuhrwerk der Regula endete. Die Holzpfähle waren mit Lederriemen vor die Brust der Niederen positioniert, so dass die Leibeigenen wie Pferde oder Ochsen eingespannt waren. Regula hatte an die Antreiberinnen die Anordnung ausgegeben, nicht mit der Peitsche zu sparen. Sie wollte die Reise so zügig wie möglich hinter sich bringen. Ihre Vergangenheit in der Streitmacht konnte sie jedoch nicht ganz verleugnen, und so achtete sie penibel darauf, dass alle Zugsklaven im Gleichschritt vorwärts trotteten. Die Leibeigenen im Zuggeschirr fürchteten nichts mehr, als zu stolpern und aus dem Takt zu kommen. So etwas war mit drakonischen Strafen belegt.

Hinter dem Gefährt trippelten bereits sechs Sklaven, die in der Herde unangenehm aufgefallen waren. Sie hatten die Geschöpfe mit kurzen Fußketten und Halsringen an das Gefährt gekettet. „Hier lernt ihr, nicht zu stolpern“, hatte eine Uniformierte in engen Lederhosen und passendem Wams hämisch gesagt. Die Länge der Fußkette war willkürlich von den Frauen gewählt. Einer der Männer konnte nur kleinste Trippelschritte machen, und musste sich sehr mühen, die Geschwindigkeit des Gefährts einzuhalten. Ein anderer war mit seinem Halsring mit einer ungewöhnlich kurzen Kette sehr niedrig an das Fuhrwerk gebunden, so dass er nur tief vorgebeugt laufen konnte. Regula lobte die Soldatin für „gutes Händchen mit den Kreaturen“, denn die Körperhaltung des Ungeschickten symbolisierte eine ständige Verbeugung vor seiner Fürstin, wie es sich geziemte.

Zum Zeichen ihrer Schande trugen die Sündigen außerdem keinerlei Kleidung, doch stattdessen eine Mundbirne, die ihre Kiefer weit aufspreizten. Der Speichel floss ungehindert aus ihrem Maul und tropfte zu Boden. Wer jedoch zum zweiten Mal versagte, also unbelehrbar und widerspenstiges Verhalten zeigte, der würde zusätzlich hundert Peitschenhiebe auf das Gesäß erhalten. Anschließend würden die Striemen mit Salz und Wasser gesäubert. Eine wahrhaft gesalzene Strafe! So war es bestimmt: Der Sturheit Sold ist das Salz. Diese teuflische Züchtigung hatten die Gardistinnen der Regula bisher noch nicht ausführen dürfen. Doch sie waren sich gewiss: Regula würde schon dafür sorgen, dass es dazu kam, wenn sie den Zug weiterhin so gnadenlos vorwärts trieb. Es war nur eine Frage der Zeit.

Einige Uniformierten freuten sich bereits darauf. Ein paar der Antreiberinnen hatten vor dem Aufbruch darum gewürfelt, wer in den Genuss kommen sollte, die Peitsche zu schwingen, wenn der Schuldige mit entblößtem Gesäß über einen Holzbock gelegt wurde. Vielleicht würden sich ja mehrere Soldatinnen die begehrte Tätigkeit teilen dürfen.
Regula war bereits während ihres Militärdienstes dafür bekannt gewesen, gern in ihrem Privatgemach junge Sklaven für ihre eigene Lust zu schlagen und mit Wachs zu begießen. Nichts feuerte ihre Leidenschaft so sehr an, wie ein weinerlicher Jüngling, der seine Zunge zwischen ihre Schenkel grub, bis sie vor Entzückung frohlockte. Die salzigen Tränen und ihr süßer Lustsaft vereinigten sich dann zu einer erregenden Melange. Daher würde sie insgeheim gar eine offizielle Auspeitschung befürworten und sogar ersehnen. Und als kurzweiliges Spektakel war so eine Züchtigung auf der langweiligen und anstrengenden Reise wohl wünschenswert.

Die Dienstboten in der Metropole trugen das Wappen der Vesta auf ihrer Tunika, eine enge Kurzhose und Stiefel mit Gamaschen. Ein Stirnband aus Leder gehörte ebenfalls zu ihrer Gewandung. Regula starrte das genähte Wappen der Metropole mit skeptischen Argusaugen an. Sollte nicht ausnahmslos Megaras königliches Zeichen zu sehen sein? Sie befahl, die Dienstboten mögen ihre Tuniken augenblicklich ausziehen und sich die Schande abschrubben. „Majordoma!“, wies sie ihre persönliche Begleiterin an. „Verbrennt diesen Plunder. Vestas Zeiten sind verstrichen. Lasst auf alle Gewandungen und Banner nur noch mein eigenes nähen. Das Tragen aller anderen Kokarden und Wahrzeichen steht ab dem heutigen Tage unter strenger Strafe!“ Megaras Farben waren natürlich ausgenommen.

In den folgenden Stunden hasteten Zofen und Leibsklaven durch den Palast, um sämtliche Embleme der Vesta niederzureißen. In einer Kemenate des Anwesens mussten die Wappen umständlich aus der Holzdecke gehobelt werden. Mehrere kleine Trupps Kampfsklaven, angeführt von Centurias, durchkämmten die Metropole penibel Gasse für Gasse, um Mosaiken, Fahnen, Wandgemälde und Büsten der Vesta zu entfernen. Herolde verkündeten laut auf allen Plätzen das Verbot von Vestas Wappen. Demonstrativ gehörte zu jedem Trupp Soldaten ein Standartenträger, der Megaras Abzeichen präsentierte. Wer mit dem obsoleten Zeichen erwischt wurde, musste mit bösen Konsequenzen rechnen und fand sich im Kerker wieder, gebissen von Wanzen und glühenden Zangen.

Einen Tag später fuhr Regula mit einem Einspänner in persona durch die Metropole, um sich davon zu überzeugen, dass nichts mehr an ihre Vorgängerin erinnerte. Regula bevorzugte an ihrem Einspänner einen kräftigen Sklaven in Rossgeschirr und Filzkappe mit Feder. Mit einem zweibeinigen Zugtier war sie viel beweglicher, als sie es mit einem vierbeinigen Kaltblüter gewesen wäre. Als Duxa war Regula noch an die militärischen Regeln gebunden und musste auf Kriegszug einen Hengst mit wallender Mähne reiten. Doch ihre wahre Liebe galt den Zweibeinern. Als Statthalterin der Metropole konnte sie nun aus einem umfangreichen Repertoire wählen: Sänfte, Ross, Equipagen, Einspänner, Mehrspänner, Tragesessel oder Palankin.

Für offizielle Anlässe würde sie den gewaltigen Wagen der Vesta nutzen, der von drei Dutzend Arbeitssklaven gezogen werden musste. Er war schwerer als drei Triböcke. Die Wappen an dem schwerfälligen Ungetüm waren bereits überpinselt worden. Manche Kampfsklaven der Vesta hatten das Pech, Vestas Abzeichen als Brandmal zu tragen, wie es bei einigen Legionen und Truppeneinheiten Usus war. Regula schwankte noch, ob sie das Mal einfach mit einem neuen größeren Zeichen überdecken oder die Unglücklichen in dunkle Stollen als Arbeiter schicken sollte, wo solch unerwünschte Hautzier kein vornehmes Auge beleidigen konnte.

Sie schlenderte in einem atemberaubenden Tournürenkleid durch den prachtvollen und feudalen Kuppelsaal des Palastes und betrachtete die großen Ölgemälde an den Wänden, die von der unbeschränkten Macht der feinen Damen Cassandrias erzählten, vom blühenden Leben auf dem Markt der Metropole und ihren Sklavenauktionen, von Züchtigungen widerspenstiger Kreaturen, von ehrenhaften Eroberungszügen und auch von den berüchtigten und gefürchteten Trollen. Des Weiteren waren Berühmtheiten wie Fama, Cassandra und Megara dargestellt – auf dem Thron oder auf einem hohen Streitwagen.

Einem Leibsklaven, der ihr dezent in Rufweite durch die Gänge folgte, befahl sie: „Bring er mir eine Karaffe mit ledanischem Met.“ Regula wusste genau, dass in der Metropole solch Gebräu nicht aufzutreiben war. Der Dienstbote lief augenblicklich los und versuchte, den Wunsch seiner Herrin zu erfüllen. Als er in der Weinkammer und die Köche ausfragte, wuchs in seinem Gesicht eine Bestürzung, die seines gleichen suchte. Er ließ sich eine Karaffe mit cassandrianischen Honigwein geben. Wenn die Fürstin den Unterschied bemerkte, würde ihn das etwas kosten. Mit zitternden Händen eilte er zurück zu Regula, die mittlerweile eine große Büste aus dunkelgrünem Jadestein betrachtete: Sie zeigte eine Succubus des Maluskultes. Schaudernd drehte sich die Fürstin herum zu dem Dienstboten, der unter einer tiefen Verbeugung seiner Gebieterin ein silbernes Tablett entgegenstreckte, auf dem eine Kristallkaraffe mit Honigwein und ein kleiner Pokal standen. Irgendwie schaffte es der Leibsklave, unter weiteren Bücklingen das Tablett mit einer Hand zu halten und gleichzeitig aus der Karaffe den Trank in den Pokal zu gießen.

Regula nahm ihn und schlürfte die kühle Erfrischung die Kehle hinab. Sie stellte das Gefäß leer wieder auf das Tablett und drehte sich grübelnd zu der Jadebüste um. Als der Diener schon aufatmen wollte, schoss Regula zu ihm herum und schalt: „Will er mich vergiften? Das ist Honigwein aus der Provinz Cassandria! Und Fusel dazu! Was hat er sich dabei gedacht!? Trink selbst!“ Der Sklave schlotterte am ganzen Leib. Pokal und Karaffe klapperten und klirrten auf dem Tablett. Der Mann goss sich vorsichtig ein und nippte daran. „Verzeiht, Euer Gnaden! Ich…“ Regula herrschte ihn an wie ein fauchender Drache: „Sauf die Karaffe aus!“ Der Leibeigene gehorchte, goss sich drei Mal den Pokal voll, bis die Karaffe schließlich leer war. Die Fürstin bestand darauf, dass der Diener nun ledanischen Met herbeischaffe. Wieder flitzte der Sklave, mittlerweile ein wenig schwingend und wankend, davon. Was sollte er nur tun?

Er taumelte durch die Gänge, zurück in die Küche, wo er jeden Bediensteten befragte, ob nicht irgendwo ledanischer Met aufzutreiben sei. Letztlich kehrte er resigniert und ergeben zurück. „Hochwürdige Fürstin! Es ist nichts zu finden, nach dem ihr begehrt. Es tut mir schrecklich Leid. Ich…“ Dem Dienstboten standen Tränen in den Augen. Er hatte seinen Kopf tief gesenkt. Regula stand gespreizt vor ihm und fiel ihm blaffend ins Wort. „Hüte dein Schandmaul! Du willst mir sagen, dass du meinen Wunsch nicht erfüllst? Du solltest dein loses Mundwerk besser im Zaum halten, wenn du nicht willst, dass es dir abhanden kommt!“ Sie winkte einen Wächtersklaven der Palastgarde herbei und befahl ihm: „Gib ihm seinen Lohn!“ Der Wachmann holte mit seiner ledernen Zuchtrute aus und prügelte auf den hilflosen Diener ein, auf dessen Leib zahlreiche Striemen erblühten. Mehr und mehr breiteten sich über den geschundenen Leib aus.

„Das reicht!“, entschied Regula schließlich. „Steh auf, du nichtsnutziger Wurm! Jetzt bedanke dich bei deiner Gebieterin für den Lohn!“ Der Sklave gehorchte und verbeugte sich vielmals hektisch vor seiner Fürstin. „Es kommt nie wieder vor! Ich schwöre es bei… Megara!“ Regula stolzierte um den Leibeigenen herum und tippte mit einem spitzen Finger mehrfach gegen dessen Schulter. „So bringe mir nun eine Frugalis ridiculus. Mir steht der Sinn seit heute Morgen danach. Mir läuft schon das Wasser im Munde zusammen…“ Der Sklave nickte und verneigte sich. „Sehr wohl, hochwürdige Fürstin! Ich eile, sie Euch zu bringen.“ Regula hob ihren warnenden Zeigefinger. „Und enttäusche mich nie wieder! Sonst wirst du auf dornigen Pfaden wandeln.“ Damit verschwand der Leibsklave hastig und mit pochendem Herzen. Das meckernde Lachen Regulas, das sich an den Marmorwänden brach, vernahm er nicht mehr.









274. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von sheeeep am 16.05.23 19:51

Unglaublich gut !Ich kann mich nur wiederholen : "Das Reich der Megara" ist ein Meisterwerk ! Es mögen dir deine Ideen nie ausgehen ! Wieder einmal herzlichen Dank dafür!

liebe Grüße
Christian
275. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 21.05.23 18:24



Gladius hatte es geschafft, die nördlichen Wälder zu durchqueren und schließlich eine unbesiedelte Hügellandschaft zu erreichen. Nach und nach baute der Eremit sich daselbst im Schweiße seines Angesichts eine Bleibe, die immer mehr einer mit großen Farnwedeln und Moos bedeckten Blockhütte ähnelte. Die Schmiedin Flamma hatte ihm noch einige weitere nützliche Utensilien mitgegeben, darunter Nadeln und Faden und Messer. Gladius war von Schopf bis Fuß in Hirschleder gekleidet und verfügte über zwei Bögen, eine Axt, zwei Beile und zwei Dolche sowie einen Spieß. In seiner Hütte gab es eine Feuerstelle, einen Kupfertopf und hölzernes Essbesteck. Einige seiner Habseligkeiten hatte er unterwegs frank und frei fahrendem Volk stibitzt, andere selbst hergestellt.

Bei seinen „Raubzügen“ musste er so manches Mal Fersengeld geben und wäre zwei Mal fast erwischt und wohl dem Hanfseil überantwortet worden. Doch die Alten Götter waren gnädig mit dem Schlagetot Gladius. So lebte er als Jäger in den Hügeln und Wäldern des Nordens. Auch richtete er sich eine kleine Alchemiekammer ein, wo er mit Pulvern und Kräuterextrakten experimentierte. Schon vor Jahren hatte er versucht, das magische Feuerpulver herzustellen, das das Westvolk in ihren Donnerrohren verwendete, doch es war ihm nicht gelungen. Er wusste zwar, dass Holzkohle und Schwefel nötig war - er hatte sich einen Vorrat beschafft -, aber irgendetwas fehlte ihm noch.

Wieder und wieder musste der Forschende erfolglos die Mischungen wegkippen. Bedächtig und gewissenhaft hielt er sich an die Rezepturen von Caduceus und Aphron, die er sich in Erinnerung rief, fügte eigene Kreationen hinzu, aber es blieb immer beim gleichen traurigen Ergebnis. Auch die Zugabe von Jod, Zinn, sogar Gold waren sinnlos. Jeden Abend betete er zu den Alten Göttern um Rat. Und bei Vollmond, wenn die helle Scheibe ihr Licht auf die Erde gießt, brachte er ihnen sogar Opfer dar, aber das Wissen um das Schwarzmagiepulver der Westler blieb ihm verschlossen wie ein Buch mit sieben Siegeln.

Gladius baute sich eine primitive Destillations- und Extraktionsapparatur, verflüssigte in einer kleinen Esse Edelmetalle und Eisen, Blei und Kupfer. Mit Mörser und Stößel zerrieb er Krallen eines Dachses, Kräuter und Knochen zu einem feinen Mehl. Schlangengift und andere Ingredienzien wie Salz und seltene Mineralien fügte er hinzu – zwecklos. Er versuchte mit Phosphor, den er selbst herstellte, eine Wirkung zu erzielen. Auf der Suche nach weiteren Möglichkeiten, erinnerte er sich an eine Schrift von Caduceus, in der etwas von Salpeter stand. Gladius machte sich sofort auf den Weg an eine Stelle, wo das Gesuchte zu finden sein könnte. Kalkreiche Böden gab es in der Umgebung. Des Weiteren sollte er die Notdurft von Tieren darin vermengen. Das Gemisch siedete er in Wasser und erhielt so salzige Kristalle.

In schlaflosen Nächten versuchte er zu erkunden, was der königliche Alchemist genau geschrieben hatte. Wie sollte der Salpeter bearbeitet werden? Und wozu? Gladius probierte herum und schüttete eines Tages den gesamten Vorrat an Salpeter in eine Schüssel mit etwas Holzkohle. Ungläubig und pessimistisch vermengte er die Zutaten. Daraus würde wieder kein Zauberpulver werden. Und Schwefel hatte er sowieso kaum noch. Den Rest wollte er eigentlich noch behalten, aber dann entschloss er sich doch dazu, ihn dazuzumengen. Mit einem Stößel mahlte er den Inhalt klein und fein. Dann entnahm er eine Portion, legte sie auf den Boden und hielt einen glimmenden Fidibus daran. Jäh fauchte eine Stichflamme auf und ein lauter Knall ertönte.

Gladius sprang in Deckung und erspähte die rauchenden Überreste durch die Luft rieseln. Sein Mund stand vor Überraschung und Staunen weit offen. Er hatte das Zauberpulver für die Donnerrohre gefunden! Und es funktionierte offenbar auch ohne die seltsamen Gerätschaften. Wie ein Prahlhans stolzierte er gockelhaft umher und träumte schon von der Herstellung eines eigenen Donnerrohres. Doch dazu fehlte ihm so viel geheimes Wissen, dass seine Hoffnungen nur gering waren, sein Ziel zu erreichen. Trotz aller Widerstände versuchte er sich an seiner kleinen Esse an diversen Kreationen, doch mit nichts ließ sich das Zauberpulver blitzartig verschießen.

Nach einigen Wochen der intensiven Forschung gab er schlussendlich frustriert auf. Dafür hatte er einen anderen Plan. Er hatte von Megaras Machtergreifung erfahren und wollte sie ein für alle Mal vernichten. Er würde ein ganzes Fass mit Zauberpulver mischen und in der Nähe der Tyrannin zerbersten lassen. Dafür würde er einen hohen Preis zahlen müssen: sein Leben. Aber dazu war er bereit. Mit dem Ende der Megara würde der Alte Kontinent für immer und ewig frei sein.

Es vergingen weitere sechs Monate, bis Gladius die beste Mischung gefunden hatte. Er stellte genügend Zauberpulver her, um damit ein Fässchen mit doppeltem Boden zu füllen. Nach weiteren Vorbereitungen machte sich der ehemalige Schultheiß der Leda auf den Weg zur Hauptstadt der Tyrannin. Endlich würde er den Geschmack der Rache genießen können. Er hatte in Erfahrung gebracht, dass die verhasste Megara in ihren alten Palast heimgekehrt und sich zur Imperatorin gekrönt hatte. Gladius tarnte sich als bärtiger Leibeigener mit Bettlerkappe, die er sich tief in die Stirn zog. Er lieferte das Fässchen als „besonders exquisiten Wein“ auf einem Handkarren eines Böttchers in den Palast der Herrscherin. Flammas Brandzeichen tat ihm nun trefflich Dienste, denn die uniformierten Wärter rissen ihm die Beinkleider vom Hintern, um nach einem Mal Ausschau zu halten. Die Wachen ließen sich damit überzeugen, ohne dass sie misstrauisch wurden.

An Gladius schien ein begnadeter Mime vorbeigegangen zu sein. „Ein Präsent seiner Herrin an die göttliche Imperatorin“, hatte er geflissentlich verkündet und virtuos den gossengeborenen Botensklaven gespielt. Im Gesindehof rollte er das Fässchen vom Handkarren und schleppte es in einen Eingang zur Kochstube. Ein Küchenknecht, den dicke schwarze Augenbrauen schmückten, zeigte ihm den Weg und heißte ihn: „Bring Er das Fass hinten in die Weinkammer. Dort, links an der Feuerstelle vorbei durch die Tür mit dem gusseisernen Rankenmuster.“ Gladius nickte dankend und brachte das Fässchen in die besagte Kammer. Mehrere Lieferanten und Boten schwirrten in den Gesindegängen umher, so dass er zwischen ihnen gut abtauchen konnte. In diesem Flügel des Palastes ging es lebhafter zu, als auf einem Markt: Handwerkssklaven vom Gürtler, Hufschmied, Schneider und Schlosser bis hin zu Webern, Steinmetzen und Sattlern eilten umher. Hin und wieder kostete einer der Leibeigenen einen kräftigen Hieb mit einem Lederriemen von den uniformierten Gardistinnen der Festung.

Erst viel später fiel dem Küchenknecht auf: „Sag mal, Libarius, hast du den Weinlieferanten gesehen?“ Der Koch mit seiner weißen und fleckigen Schürze zuckte mit den breiten Schultern. „Nein, welchen Lieferanten?“ Der Küchenknecht runzelte die Stirn und schaute in der Weinkammer nach. „Wo ist das neue Fass?“ Libarius frug: „Was für ein Fass?“ Der Küchenknecht berichtete von der Lieferung, doch Libarius war sich sicher, dass heute kein Wein gebracht werden sollte. „Vielleicht ein Versehen. Eine Falschlieferung. Er hat das Fass wohl wieder mitgenommen, so ein Schlendrian!“ Stände er nun vor ihm, würde er ihn mit der Gürtelschlaufe entlohnen. Oder ihn mit dem blanken Arsch in eine heiße Pfanne setzen. Er erinnerte sich an einen Kürschner, der vor einigen Tagen irrtümlich mehrere Ballen feuchtes Ziegenleder in den Palast geliefert hatte, das fürchterlich stank. Die Wächterinnen hatten nicht gezaudert, den Mann kurzerhand in seine Lederbahnen zu wickeln und ihn darin von Arbeitssklaven bis vor die Stadtmauern rollen zu lassen. Über Stock und Stein und durch die Gossen.

Der Knecht hob drohend seinen Schlehdornstab, den er stets bei sich trug, um die einfachen Arbeiter anzutreiben, und murrte: „Hoffentlich hat der Kerl nicht noch mehr mitgenommen! Das würde ihm schlecht bekommen, wenn die Palastwache davon erfährt. Bei Langfingern und Schabernack schwingen die Gardistinnen gern Prügel und Dreschflegel, um das Mannsbild von seiner Narretei zu heilen!“ „Kümmere dich um deinen Kram“, rief der Koch mit sonorer Stimme und wischte sich die Hände an einem schmutzigen Tuch ab. „Es gibt genug zu tun. Du weißt, was Megara alles für Delikatessen kosten will.“ Die Männer machten sich wieder an die Arbeit und vergaßen den ungewöhnlichen Vorfall schnell.

Gladius hatte seine Gewandung gewechselt und seine Haarpracht geändert: den falschen Bart nahm er ebenso ab. Megara hatte gewiss Vorkoster. Er musste so nah wie möglich an die Despotin gelangen, bevor er das Fässchen anzünden durfte. Der selbsternannte Rächer hatte zwar nach einer Formel des Caduceus berechnet, wie kraftvoll das Pulver sein musste, um sogar Mauern einstürzen zu lassen, doch wollte er kein Risiko eingehen. Er schlich sich durch einen Gang und legte sich auf die Lauer. Er musste an eine Uniform eines Dienstboten, eines Leibsklaven gelangen. Als einfacher Wächter würde er nicht unauffällig durch den Palast laufen können. Die Wachmannschaften bildeten Einheiten und kannten sich untereinander zu gut. Aber Leibsklaven gab es nicht viele außerhalb der Lustjünglinge im Harem. Gladius seufzte. War alles umsonst gewesen? Gab es denn keine Möglichkeit?

Als er Schritte durch den Gang hallen hörte, die nur von schweren Stiefeln der Wachen stammen konnten, öffnete er mit pochendem Herzen eine Tür und lugte hinein. Die Alten Götter waren mit ihm! Es war niemand in dem Gemach. Er schlüpfte hastig hinein und verriegelte hinter sich die Tür. Er traute seinen Augen kaum: Welch ein Luxus! Welch ein Prunk! Gladius staunte über den Stuck an den Wänden und Decken. Mit Blattgold war es überzogen. Die Möbel waren mit dicken Polsterkissen überzogen und mit feinsten Daunen gefüllt, wie er merkte, als er zur Probe Platz nahm. Felle bedeckten den Marmorboden. Ein mannshoher Kamin beherrschte den Raum. Auf seinem Sims stand ein silberner Kandelaber. Neben der Feuerstelle schien die Sonne durch ein großes Fenster mit runden, rötlichen Butzenscheiben.

Gladius schaute hinaus: Einer der Innenhöfe des Palastes war zu sehen. Gladius vermutete, einen der Lustgärten der Megara vor sich zu haben. Nicht weit entfernt kicherten einige Edelfräuleins in ihren taillierten und bauschigen Kleidern mit gesteiften Spitzenkragen und wedelten sich mit Seidenfächern frische Luft zu. Ihre langen Haare hatten sie kunstvoll zu hohen Turmfrisuren hochgesteckt und mit Perlenbändern und Haarnetzen geschmückt. Sie saßen und standen um einen kleinen Zierbrunnen, in dem ein fröhliches Wasserspiel plätscherte, als wolle es der Schönheit Pracht dieser weiblichen Wesen Beifall zollen. Der Beobachter musste zugeben, dass er einem Liebesspiel mit diesen bezaubernden Damen nicht abgeneigt wäre – ein schöner Tagtraum nur, der still in ihm wucherte.

Gegenüber liefen sieben nackte Sklaven scheinbar sinnlos im Kreis. Gladius sah genauer hin: Die Leibeigenen waren mit ihren Handgelenken über dem Kopf mit einer kurzen Kette an ein riesiges Holzrad befestigt, das sich wie ein Karussell horizontal zum Boden auf einem senkrechten Pfosten drehte. Aber wozu? Trieben die Kreaturen ein Mühlwerk an? Nein, Gladius erkannte auf der Seite, die den Damen zugewandt war, auf dem Boden einen breiten Streifen mit glühenden Kohlen. Gladius stockte der Odem. Die Gestalten mussten bei jeder Umdrehung durch die Glut laufen! Wehmut bebte in ihren Gliedern und Gesichtszügen, aber auch Verzweiflung. Aber warum blieben sie nicht einfach stehen? Gladius erblickte keine Wächterin mit Peitsche, die Kreaturen anzutreiben. Doch dann erkannte er das perfide System: Der Glutstreifen war so breit, dass er immer von einem Sklaven berührt wurde, egal, wo die Zweibeiner stehen bleiben würden. Der Gepeinigte hatte ein heißes Verlangen danach, das Rad augenblicklich weiterzudrehen. Die Anderen versuchten dagegen, das Rad zu stoppen, aber die Fußsohlen in der Kohle erweckte enorme Kräfte in dem Betroffenen.

Und so blieb diese Martermaschine niemals stehen, obwohl die Leibeigenen bereits mehr wankten und ihre Köpfe erschöpft hängen ließen. Wer wusste, wie lange sie schon im Kreis liefen, ohne Speis und Trank, ohne Pause? Die Kohlen weckten jedes Mal die schwankenden Männer wieder auf. Besonders, wenn der große Blasebalg aus Ziegenleder ohne Zartgefühl betätigt wurde, der an der Seite auf einem Gestell neben der Glut angebracht war und von einem Sklaven mit schwarzer Gugel betätigt wurde, wenn die Ladys mit den Fingern schnippten, die keine Höflichkeit oder Erbarmen kannten.

Gladius erschauerte. Spekulierten die Damen darauf, dass sich sechs Kerle verschworen und das Rad abbremsten, um sich zu verschonen, dafür aber den siebten der ihren zu opfern? Schlossen die feinen Luxusweibchen Wetten ab? Noch konnte der Siebte das Rad jedes Mal aus eigener Kraft in Gang setzen. Aber wie lange noch? Sechs gegen einen war ein schweres Los. Die entblößten und kahl geschorenen Kreaturen konnten durch Nummern auseinander gehalten werden, die auf ihren Gesäßen dick und groß eingebrannt waren. Gladius schüttelte angewidert ob der Grausamkeit seinen Kopf. Was nützte den Damen eine Schar Männer mit gegrillten Füßen?

Sein Fass hatte er hinter einer Säule in der Nähe einer Wand versteckt, wo es hoffentlich nicht auffiel. Wo befand sich in diesem riesigen Palais die Imperatorin?, fragte er sich. Gladius seufzte resignierend. Er wusste nicht einmal, wo die Thronhalle war. Wie sollte er das Fass in der Nähe der Tyrannin deponieren? Warum kam jetzt nicht just eine Maluspriesterin herein, deren Robe er sich nehmen und die Kapuze tief ins Gesicht ziehen konnte? Doch Wunschdenken brachte ihn nicht weiter.

Einige Räume weiter goss sich eine Centuria der Palastwache aus einer Korbflasche eine Erfrischung in einen Tonbecher und trank. Die Uniformierte trug ein braunes Lederwams mit geschwärzten Nieten und einem Kettenkoller darüber, darunter ein weißes Baumwollhemd mit Stehkragen. Enge Beinkleider aus dünnem Leder steckten in hohen Stulpenstiefeln. Auf dem Rücken verliefen von den Schultern hinab ab den Seiten Pailletten aus Perlmuttscheiben. Ihren Umhang hatte sie schon abgelegt und über einen Scherenstuhl geworfen. Nun befreite sich von ledernen Armstulpen und Handschuhen. Die Soldatin rief einen Leibsklaven herbei, der ihr aus dem engen Schuhwerk half. Sie setzte sich dazu, drückte dem Dienstboten eine Sohle gegen den Hintern, während der Mann den anderen Stiefel vom Fuß zog. Dann folgte der zweite.

Bald entledigte sich das Weib auch dem Kettenkoller und Lederwams. Nun zog sie eine Justaucour, einen engen Gehrock, an, auf dessen Rücken ein großer Mantikor abgebildet war, der ihre Einheit als Wappensymbol trug. Der seidige Innenstoff glänzte im Licht des Raumes. Die breiten Aufschläge aus goldfarbener Borte am Revers zeugten von ihrem militärischen Rang. Nachdem sie eine weite Reise durch zerklüftete Felslandschaften bis in den Osten des Alten Kontinentes hinter sich gebracht hatte, um die neue Provinzfürstin Regula in ihren Regierungsbezirk zu begleiten, war sie froh, wieder bequemere Gewandung tragen zu können und den Staub der Straße hinter sich zu lassen.

Der Sklave brachte eilfertig ein neues Paar sauberer Stiefel aus weichem Leder. Am Abend würde die Centuria ein heißes Bad nehmen und sich einen oder zwei Lustsklaven gönnen. Sie würden ihren Leib massieren und mit warmem Öl verwöhnen. Die Centuria würde ihr güldenes Haar öffnen, würde nur ein schwarzes Spitzenkorsett tragen – oder völlig entblößt sein. Sie hatte auf der langen Reise genug Stunden auf einem Hengst verbracht. Jetzt würde sie zur Abwechslung einen Recken reiten. Doch zunächst stand ihr der Sinn nach einer Erfrischung, die ein Livrierter zügig einschenkte. Die Soldatin nippte an ihrem Pokal, doch dann spie sie dem Dienstboten den Rotwein ins Gesicht. „Was ist das für ein saures Gesöff?“ Der Kammersklave schluckte und stotterte: „Ich bitte vielmals um Entschuldigung, ehrenwerte Centuria! Ich habe den Wein bringen lassen, der hier am liebsten getrunken wird.“ Das Weib schnaufte. „Süßer! Er muss süßer sein! Dieser Tropfen verdürbe meinen Gaumen. Lauf Er und bring Er mir lieblich Wein! Oder will Er ein liebliches Rendezvous mit meiner Gerte?“ Der Dienstbote stotterte unter tiefen Verbeugungen: „Nein, oh, edelmütige Centuria. Ich eile und bringe Ersatz, der Euch mundet.“ Weitere Bücklinge folgten, während der Gescholtene rückwärts das Gemach der Uniformierten verließ.

Als er die Tür geschlossen hatte, raste er durch den Gang, um schnellstmöglich zur Weinkammer zu gelangen. Er besorgte das gewünschte Fläschchen und hastete zurück. Doch er würde es ihr nicht recht machen können. Der Centuria ging es nur darum, den Leibsklaven zu schikanieren. Das hatte sie von ihrer früheren Duxa Regula gelernt. Die hatte dieses Spiel zur Perfektion getrieben. Und so verwunderte es nicht, dass der Sklave noch heute eine Tracht Prügel mit einem knallenden Ledergürtel erhielt, die ihm eine Zofe des Palastes verabreichte, während die sinistre Centuria sich mit zwei Jünglingen zur gleichen Zeit im gleichen Gemach verlustierte. In Hör- und Sichtweite zu der lüsternen Soldatin klatschte der Lederriemen auf das nackte Gesäß des Opfers ihrer sadistischen Begierde. Oh, und welch süßes Kribbeln ihr dabei durch ihren Leib floss! Sie versank in trunkene Euphorie und konnte gar nicht genug bekommen – weder von dem harten Stab des Jünglings, noch von der Zunge des anderen, noch vom Klatschen und Aufjammern des ungeschickten Nichtsnutzes.

Viel später erst, als der Tag zuneige ging, näherte sie sich dem Sklaven mit seinem rot glühenden Hintern und hob sein Gesicht zu ihr herauf. „Zeig mir dein Gebiss!“ Sie zog dem Mann die Lippen auseinander und kontrollierte die Zähne des Unfreien, als habe sie eine alte Mähre vor sich. „Wer hat dich bloß gekauft?“, frug sie verächtlich. „Du bist Ausschuss!“ Sie sprach ihre beiden Lustsklaven an. „Bindet den los und helft meiner Zofe, diese wertlose Kreatur mir aus den Augen zu schaffen!“ Als der Leibeigene, seine Hände schützend über seine Hinterbacken haltend, abgeführt wurde, rief die Centuria ihm belustigt hinterher: „Morgen habe ich eine neue Aufgabe für dich. Wenn du wieder versagst…“ Den Rest überließ sie seiner Fantasie. Morgen würde sie ihn vor die Tore des Palastes werfen lassen, auf dass sich ihre einfachen Soldatinnen mit ihm vergnügten. Am warmen Feuer, mit deftiger Fleischsuppe und dem Sklaven als willigem Lustjüngling. Denn weinende Unschuld hatte das hübscheste Antlitz.











276. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 02.06.23 19:24

Sicherlich würden sich die Milizweiber der Mantikor-Einheit um ihn streiten, an ihm zerren und ziehen: „Komm sofort zu mir, Bursche! Oder du schmeckst meine Peitsche!“ Die Kontrahentin würde rufen: „Nein! Sklave! Her zu mir! Beweg deinen süßen Arsch! Oder ich werde dich Gehorsam lehren!“ Vielleicht würde eine dritte Soldatin röhren: „Höre nicht auf sie, Sklave! Komm zuerst mit deiner Zunge zwischen meine Schenkel, oder willst du, dass du sie verlierst?“ Die Centuria war sich gewiss, dass der Leibeigene für beträchtliche Kurzweil bei ihrer Kompanie sorgen würde, während die Soldatinnen einen gegaukelten Händel austrugen.

Auf dem Weg zum Bankettsaal lief ihr das Wasser im Munde zusammen. Megara war bekannt für ihre Großzügigkeit und erlesene Delikatessen. Gut abgehangen muss Wildfleisch sein, wusste die Gardistin. Gut abgerichtet dagegen Sklavenfleisch. Und die passende Lektion würden ihre Soldatinnen dem Lustbengel schon verpassen. Vielleicht würde sie ihn nützlich dressiert zurückbekommen. Vielleicht auch nicht. Futter für die Kampfarena würde immer gern genommen. Die Uniformierte roch schon die verlockenden Düfte aus dem Saal. Sie rieb sich in Vorfreude über den Bauch und dachte schadenfroh an die Eingekerkerten in den Kellerverliesen, die abgemagert um Wasser und Essen bettelten.

In der Westprovinz, die von Prodita in der neuen Schwarzen Felsenfestung regiert wurde, bauten Sklaven große Häfen mit Anlegestellen für Dutzende Transporter und Galeeren. Megaras Anweisung, die Küste vor dem Westvolk zu behüten, war oberstes Gebot. Die Fürstin Prodita protegierte ihre Günstlinge, Edeldamen von hohem Geblüt, bei den vakanten Kapitänsrängen, bei Lieferungen der Schiffsausrüstung, bei dem Ankauf von Ruderern und den Befugnissen für Plantagen und Schürfrechten sowie dem Verleih von billigen Arbeitssklaven. Reiche Kauffrauen in prunkvollen Gewändern, die noch reicher werden wollten, obwohl sie bereits in Saus und Braus dem süßen Leben frönten, konnten sich dank Proditas „Bauwut“ sicherer Aufträge freuen.

Neben den Abgaben an die Hohe Imperatorin gönnte sie sich kühn auch abgezweigte Teile der Einnahmen für ihre eigene Schatulle. Sicherlich würden andere Fürstinnen dies ebenso halten - Fürstin Regula im weit entfernten Osten genau so, wie auch die Hohepriesterin Cassandria. Bis heute grübelte Prodita darüber, warum die Königin auf ihre Vormachtsstellung verzichtete und Tagara das Zepter überlassen hatte. Irgendein böser Zauber hatte Megara von den Toten geweckt und hatte Tagara vernichtet, just in dem Moment der Krönung. Prodita wusste sich keinen Reim darauf. Und doch würden diese Ereignisse eines Tages in den Chroniken stehen und auf edlen Gobelins gestickt sein, um der Nachwelt die Historie kundzutun. Oder Gaukler würden umherziehen und ein Theaterstück aus den sagenhaften Überlieferungen aufführen. Die Wahrheit jedoch würde niemals jemand erfahren.

Als oberste Maluspriesterin war Cassandra zwar Gebieterin über die cassandrische Provinz und den Maluskult, aber Megara war die Erhabene Imperatorin. Prodita, früher als Senatorin in der Politik bewandert, bewunderte die Winkelzüge der Tyrannin. Doch hier auf ehemals ledanischem Boden war sie, Prodita, die Herrin über Leib und Leben. Am größten Hafen sollte eine gigantische Statue entstehen, die mit gespreizten Beinen über der Einfahrt zwischen den Kaimauern stehen sollte. Schon weit auf dem Westozean sollte das Feuer zu sehen sein, dass in den Augen der gewaltigen Prodita aus Stein und Eisen brennen würde, um den Fischern und Galeeren den Weg zu weisen, aber auch, um einen Feind abzuschrecken – ein Wunder der Baukunst, das ihre Macht symbolisierte und ihr ein Denkmal setzte.

Eine alte Sage berichtete über ein fremdländisches Westvolk auf einem Kontinent jenseits des Westmeeres, weit hinter dem Horizont. Angeblich behütete ein archaischer Leviathan den Alten Kontinent vor den kriegerischen Fremden. Prodita würde die Nachricht auf die Probe stellen und ein Schiff mit Leibeigenen weit nach Westen schicken. Sie sollten berichten, ob eben da ein Drache oder anderes Ungetüm Wache hielt. Wenige Tage, nachdem der Plan in ihrem lieblichen Kopf gereift war, ließ sie eine Galeere ausrüsten. Kommandierende Kampfsklaven, denen die Freiheit versprochen wurde, falls sie das Seeungeheuer töteten oder gar den Westkontinent okkupierten, um damit der göttlichen Megara lobzupreisen – und natürlich auch ihrer Fürstin.

Die Angst und Furcht vor dem Leviathan war so groß, dass kaum ein kühner Freiwilliger zu finden war. Prodita beschloss in ihrer Güte: „So werde ich den Sklaven bei ihrer Entscheidung helfen.“ Schon bald machte sich die Galeere mit dem schicksalhaften Namen „Fatalis“ mit geblähten Segeln auf den Weg nach Westen ins Ungewisse. Nicht wenige Duxas glaubten an eine Reise ohne Wiederkehr. Proviant in endlos vielen Kisten und Fässern war zwar an Bord, um gegen Hunger und Durst zu bestehen, doch wie sollten sie sich einem Seemonster zur Wehr setzen? Halfen Pfeil und Bogen, Schwert und Axt? Noch schlugen nur kleine Wellen gegen den Rumpf und ließen das Wasser schäumen; doch wer wusste schon, was die Alten Götter ihnen schickte? Bald war der Alte Kontinent hinter der Kimm verschwunden, als wäre er im Meer ersoffen, und es breitete sich an Bord die erste Unruhe aus.

Sieben Tage später erreichten Briefraben die Schwarze Westfestung, den Malustempel in Cassandria sowie den Palast der Regula in der Metropole im Osten des Alten Kontinents mit einer Hiobsbotschaft: Hochverrat! Ein Anschlag auf die Erhabene Imperatorin Megara eines unbekannten Assassinen mit einer schwarzmagischen Substanz hatte das riesige Schloss niedergebrannt. Alchemistinnen und Duxas sowie Hofdamen spekulierten neben Schwarzmagie auch über Hexenwerk des Westvolks. Niemand konnte sich erklären, was da geschehen war. Aber ein unglaublich lauter Knall war zu hören gewesen. Lauter als jeder Donner des Himmels. Das dicke Mauerwerk war eingestürzt wie nach einem Angriff von tausend gewaltigen Rammböcken. Eine fatale Feuersbrunst hatte alles vernichtet und untergemangelt. Sogar Teile der Stadt waren niedergebrannt und schwarz wie die gewaltige Eiche an der Zufahrt, in die vor einigen Jahren der Blitz gefahren war und nun wie ein Mahnmal des Feuers wirkte.

Megara war der Flammenhölle nur knapp entkommen. Mit versengtem Kleide und schwarzen Rußstreifen im Gesicht wurde sie von ihrer Leibgarde durch die Trümmer in Sicherheit gebracht. Aus ihrer kunstfertigen Turmfrisur hatten sich einige Strähnen gelöst. Humpelnd kletterte sie über Gesteinsbrocken. Eine vergoldete Equipage mit sechs Rotschimmeln jagte kurz darauf aus der Stadt in Richtung Osten. An ihren Flanken und vor und hinter dem Fuhrwerk ritten schwer gerüstete Gardistinnen der Imperatorin auf ihren aus dem Maul dampfenden Gäulen.

Als sich ihr erster Schrecken senkte, und das Ungemach über ihre Flucht sich in Megaras Kopf einnistete wie ein ungebetener Parasit, schrie und keifte sie Gift und Galle. Ihre Stimme war für die gesamte Delegation zu vernehmen – wie eine Stahlklinge, die schrill über Glas schnitt. Den Schuldigen wollte sie eine Lektion lehren, wie sie nie zuvor ein Mensch erlernt hatte. Ihr Groll wuchs von Augenblick zu Augenblick. An einem Schragen festgebunden sollte der Lump geschunden werden und ihr süße Genugtuung sein. Befragerinnen, die von Maluspriesterinnen eingesetzt wurden, verhörten überall in der Stadt und Umgebung Leibeigene. Irgendjemand musste etwas wissen. Das Mordkomplott sollte nicht ungesühnt bleiben. Zur Abschreckung ketteten die Frauen Verdächtige an Kreuze, die auf Marktplätzen und bevölkerten Straßen aufgestellt wurden. Die sengende Sonne war erbarmungslos und ließ die Gefesselten nur auf gnädige Menschen hoffen, die ihnen Wasser brachten. Manch eine aufgedunsene Zunge wurde enttäuscht, andere hatten Glück.

In den kommenden Tagen und Wochen stellten die Schmieden viele Dutzend Nagelsitzbretter her, die für die Befragungen benötigt wurden. Unter der Marter berichteten Sklaven von Nachtmähren, von Ghulen, von gespenstischen Erdgeistern und Wechselbalgen. Ein Befragter unter emporgerungenem Elend schwadronierte von einer dreiköpfigen Riesenschlange, die aus dem Boden gebrochen war, ein weiterer hatte angeblich einen Feuer speienden Drachen vom Himmel hernieder jagen sehen. Die Priesterinnen waren außer sich. Nur, um dem Verhör zu entkommen, erfanden diese wertlosen Kreaturen Märchen! Aber das würde ihnen keine Labung senden. Sie erhaschten nur einen Augenblick der Ruhe – bevor die peinliche Befragung erneut begann.

Wieder kamen zwei Schwarzroben mit angeborener Liebenswürdigkeit herein. Der Befragte stöhnte in seiner strengen Fesselung. Eine Priesterin frug: „Sage die Wahrheit! Weißt du, wer die Imperatorin meucheln wollte?“ Der Mann jammerte: „Ich habe nichts gesehen. Ich bin doch nur der Küchensklave. Ich habe Zwiebeln geschält als…“ Die Priesterin versetzte ihm eine schallende Ohrfeige, aus der ihre Unzufriedenheit sprach. „Bist du taub oder dumm? Rede endlich oder ich stutze dich zurecht!“ Bei ihren harschen Worten nagelte sie ihn mit ihrem gestreckten Finger fest. Die gescholtene Küchenhilfe greinte: „Ein Fremder in einer Gugel! Er lief durch die Küche! Er hatte lange Eckzähne und fauchte wie ein wildes Tier…“

Doch die Maluspriesterinnen gaben sich mit den Fantastereien nicht zufrieden und forderten passioniert Antworten. Leider stets ohne Erfolg, obwohl die Fragen die Männer lebhaft zu beschäftigen wussten. Wenn Wahrheiten zu Tage kamen, dann keine, mit denen die Robenträgerinnen etwas anfangen konnten. Ein Sklave gab knausrig zu, der Herrin bei der Ernte eine Mohrrübe gestohlen und diese gegessen zu haben, da er solchen Hunger gelitten habe; ein anderer Leibeigener beichtete, dass er auf Verlangen seiner Besitzerin, einer adligen Jungfrau, mit ihr Unzucht getrieben habe. Die Maluspriesterin drohte dem Mann, er solle das Wissen für sich behalten. „Du hast die Reinheit einer feinen Dame besudelt! Schande über dich, du Unwürdiger! Zeig mir, was ihr getan habt! Wie hast du dich versündigt?“ Sie wollte alles ganz genau wissen. Die Beschreibung des Sklaven reichte ihr jedoch nicht. Und so lag sie bald stöhnend auf ihrer schwarzen Robe, die weit zur Seite geöffnet den kalten Steinboden bedeckte, und ließ sich von dem Schuldigen in Beflissenheit verdorbene und wollüstige Dinge zeigen.

Mal gab die schwarz gewandete Priesterfrau, die überraschend wenig Stoff unter ihrer Robe trug, schmachtende Laute von sich, mal zuckte sie konvulsivisch, während ihre Augenlider vor sie erquickender Lust flatterten. Mit dem Kleide zog das Weib auch ihre Scham aus, falls sie welche gehabt hatte. Später gab sie dem Sündigen ein Pergament mit, das der Herrin überbracht werden sollte. Darin erwähnte die Priesterin, was der Bengel gebeichtet hatte, und empfahl zur Reinigung: sieben Tage lang alle sieben Stunden sieben Streiche mit einer Lederrute. Und nach jeder weiteren Unzucht solle die Reinigung wiederholt werden.

Im ersten Moment war das Fräulein schockiert gewesen, dass der Sklave ihr Geheimnis ausgeplaudert hatte. Dafür würde er auf unbestimmte Zeit auf Wasser und Brot gesetzt. Aber dann war sie froh, dass es ein Rezept zur Reinigung gab. Und sie plante bereits die nächste lasterhafte Unkeuschheit mit ihrem Sklaven. Sie öffnete seinen Keuschheitsgürtel und starrte seine Männlichkeit an. „Oh, die Hitze in deinen Lenden ist unübersehbar! Wetten, ich würde meine zarte Hand versengen, wenn ich deinen Jadestab berührte?“ Sie kicherte, als der Leibeigene jämmerlich an die Strafe für Unzucht dachte. Die junge Dame kam näher und fasste ihr Eigentum an. Der Phallus war hart und warm und wuchs noch weiter in der kleinen Hand, die ihn hellwach machte und strammstehen ließ. „Plage dich nicht mit Keuschheit. Ich weiß nun, wie wir deine Sünden schnell und einfach wieder wegwischen können.“ Mit dem Reinigungsrezept der Malusfrau waren neuen Schandtaten Tür und Tor geöffnet. Das Edelfräulein begann mit flinken Fingern das Kleid und das Mieder aufzuknöpfen.

Solche und ähnliche Begebenheiten ergaben sich durch die Verhöre, doch keines brachte Gewissheit über den ominösen Vorfall im ehemaligen Stadtstaat ans Licht. Wodurch der magnifike Palast, den einst König Talos hatte bauen lassen, zerstört wurde, blieb ebenso im Dunkeln, wie das Schicksal des auf Westkurs geschickten Schiffs „Fatalis“ und seiner Mannschaft. Mit stampfenden und rollenden Schiffsbewegungen war die Fatalis aufgebrochen in unruhige See, in tiefe Wellentäler gedrückt und auf hohe Wogenkämme geschoben. War sie vom tollen Leviathan zu den Fischen geschickt worden? Oder waren die Reisenden Opfer des Westvolkes geworden? War ein Gischt sprühender Brausesturm ihnen zum Verhängnis geworden? Ein brodelnder Malstrom? Wilde Spekulationen und Geschichten verbreiteten sich wie Lauffeuer. Eine Fischerin wollte sogar eine Planke der Fatalis am Strand gefunden haben. Nur eines war gewiss: Die Klippen des Alten Kontinents sahen die Seeleute nie wieder.

Die Erhabene Imperatorin, auf dem Weg nach Osten, würde ihre neue Residenz in der Metropole einrichten. Regula würde eben wieder nach Westen zurückkehren müssen und beim Aufbau der alten Stadt helfen sowie weitere Untersuchungen anstellen und die Maluspriesterinnen dabei unterstützen. Ausgebildete Sklavenzähmerinnen gehörten zu den Delegationen, die das Reich der Megara durchstöberten. Die Imperatorin fühlte sich wie in einem Jammertal, das sie durchwandern musste. Sie wurde doch von ihrem Volk über alles geliebt! Wie konnte es da jemand diesen Frevel wagen…?

Natürlich wurden in einer umfangreichen Befragungswelle nicht nur Sklaven verhört. Auch Damen aus dem Stadtstaat, der Westprovinz, Cassandria und der Metropole mussten sich Besuche von Priesterinnen gefallen lassen, die von Soldatinnen begleitet wurden. Zwar war die Methode bei Ladys nicht so harsch wie bei Leibeigenen, aber reiche Kauffrauen, adlige Fräuleins und Duxas ließen sich ungern verdächtigen, so dass die Ermittlungen immer wieder stockten. Sie säten Zwietracht, Argwohn und Misstrauen unter die Damen der Gesellschaft.

Die Büttel der Megara waren mit einer gesiegelten Generalvollmacht ausgestattet, die die Imperatorin vor ihrer Abreise gesiegelt hatte, so dass bei den Untersuchungen nicht einmal vor den Fürstinnen Prodita und Regula Halt gemacht wurde. „Wie könnt Ihr es wagen!?“ und ähnliche Ausrufe mussten sich die Priesterinnen anhören. Die Erhabene Imperatorin hatte bewusst keine dem Geldbeutel schmeichelnde Belohnung zur Ergreifung des Meuchelmörders ausgesetzt. Zu viele Herrinnen wären sonst liebend gern ungebetene Sklaven losgeworden, indem sie den Sündenböcken eine Täterschaft andichteten. Das hätte die Gerichtsbarkeit in ihren langen schwarzen Roben nur unnötig aufgehalten, den wahren Schuldigen zu finden. Trotzdem blieben verdächtige Leibeigene eingekerkert. Der belangloseste Verdacht reichte aus, um in Ketten gelegt zu werden und sein Dasein in den feuchten, stickigen Gewölben zu fristen.

Bald schon quollen sämtliche Verliese im Alten Kontinent nur so über vor Gefangenen. Eilig wurden die Käfiganlagen erweitert. In jeder kleinen Bastion und Zitadelle des Alten Kontinents wuchsen große Gefängnisflügel, in denen auch der kleinste Platz mit Eingekerkerten besetzt war. Der Groll bei den Wächterinnen wuchs über die viele Arbeit. Entsprechend hart nahmen sie ihre Gefangenen heran. Vor einem großen Kerkerbau mit sechseckigen Wachtürmen aus Granitquadern trieben einige Uniformierte nackte Gefangene aus einem Gatter mit langen Stöcken vorwärts wie eine Gänseschar. „Die hier müssen auch noch in die Zellen“, rief eine der Wachfrau am Eingang zu. „Unmöglich“, entgegnete diese gallig, „die stehen da drin schon wie die Sardinen im Fass.“ Die Geschöpfe trugen schwere Halseisen, die mit dicken massiven Ketten verbunden waren. Die Wortführerin sah sich um und entdeckte eine schwere Steinplatte, an der ein Eisenring befestigt war. „Dorthin!“, befahl sie und zeigte zu der Platte. „Macht sie alle da fest, bis im Kerker wieder Platz ist. Aber mach die Kette schön kurz, sonst liegt das Dreckspack im Weg herum.“

Die Sklaven jammerten voll Gram nach Wasser. Die Sonne stach heiß und gnadenlos von oben hinab. Die Mannsbilder konnten den Trog der Pferde riechen, der nur wenige Schritte entfernt stand und flehten um einige Tropfen. Die Soldatin schimpfte: „Ruhe! Eines nach dem anderen. Erst werden die Rösser saufen. Dann werde ich mich waschen. Und dann – wenn ihr schön brav bettelt – bekommt ihr einen Schluck.“ Die Frau machte ihre Versprechung wahr: Sie füllte einen Schlauch ab und reichte ihn dem ersten Sklaven. „Teilt euch das. Mehr gibt es nicht.“ Amüsiert lachte sie mit ihrer Kameradin über die tumben Unbekleideten, die sich gegenseitig den Schlauch aus der Hand rissen und die Hälfte des trüben Wassers verschütteten. Einer von ihnen blieb in einer Ecke sitzen, das Haupt gesunken. Ihm fehlte die Kraft, um seine Kehle zu befeuchten.

Sogar vor den Zellen im Flur des Gewölbes waren kleine Käfige abgestellt worden, in denen meist zwei nackte Gefangene zusammengequetscht vegetierten. Voller Abscheu spuckte die Uniformierte auf die Männer in ihrer engen Behausung, an der sie gerade vorbei stapfte. Im nächsten Käfig zwickten und bissen sich die Insassen gegenseitig im Zorn übereinander. Gerade führte eine weitere Soldatin vier Sklaven mit einem weiteren Käfig den Flur entlang. In dem Gitterkasten steckten ebenfalls bereits zwei Männer. Ihre Last stellten sie knallend auf den anderen Käfig.

Je länger die Aufklärungen um den Hochverrat sich hinzogen, desto unzufriedener wurde Megara. Die Suche nach dem Meuchler blieb fruchtlos. So schön und makellos ihr Antlitz nach außen noch immer war, so grässlicher zeigte sich ihr Inneres: In den grausigen Rachegedanken der Imperatorin kamen Haken, angespitzte Pfähle, Riemenschneider, glühende Eisen und Schlimmeres vor. Sie ertrank ihre Wut und Frustration in dunkelrotem Wein. Lallend saß sie mit schwerer Zunge auf dem Thron, ihre Krone auf dem Kopf. „So schnöde und erbärmlich ist mein Volk! Ich plage mich tagein, tagaus sanft- und großmütig für sein Wohlergehen. Und wie dankt man mir diese Aufopferung? Auf welch erbärmliche und unziemliche Art?“







277. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von sheeeep am 02.06.23 23:00

278. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von M A G N U S am 03.06.23 19:35

"... und empfahl zur Reinigung: sieben Tage lang alle sieben Stunden sieben Streiche mit einer Lederrute."

Wieder kommt die kultische Zahl Sieben in's Spiel, hier zur Erfüllung der reinigenden Wirkung von Bußleistungen; waren es nicht auch der Weihegrade ihrer sieben, welche die Malus-Priesterinnen durchlaufen mußten?

Die geschliffene Sprache, die mannigfaltige Verwendung archaisch anmutender Begriffe legt die Vermutung nahe, daß ein Philosoph, ein Germanistikprofessor oder ein Geschichtsgelehrter sein schriftstellerischen Können zum besten gibt, indes sehe ich mich mehr und mehr in meiner Ahnung bestärkt, daß hier jemand nicht nur sieben Weihestufen durchlaufen hatte, sondern auch die krönende achte mit der sakramentalen Licentia, unter anderem Sünden zu vergeben und das Sakrifizium zu halten, eine freilich teuer erkaufte Würde, den Beutel stets gefüllt zu lassen, so prall er auch anschwelle!

Ergebenst,
M a g n u s .
279. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 04.06.23 16:17

Zitat
...
Die geschliffene Sprache, die mannigfaltige Verwendung archaisch anmutender Begriffe legt die Vermutung nahe, daß ein Philosoph, ein Germanistikprofessor oder ein Geschichtsgelehrter sein schriftstellerischen Können zum besten gibt, indes sehe ich mich mehr und mehr in meiner Ahnung bestärkt, daß hier jemand nicht nur sieben Weihestufen durchlaufen hatte, sondern auch die krönende achte mit der sakramentalen Licentia, unter anderem Sünden zu vergeben und das Sakrifizium zu halten, eine freilich teuer erkaufte Würde, den Beutel stets gefüllt zu lassen, so prall er auch anschwelle!

Ergebenst,
M a g n u s .


Ich danke für diesen Kommentar - ein Juwel! Und ich verbeuge mich vor dem Scriptor.
280. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 10.06.23 12:04



In der Schwarzen Felsenfestung im ehemaligen Ledanien schufteten zwei dressierte Trolle in derbem Lederschurz und Dutzende Arbeitssklaven mit schweren Hacken und Hämmern, um zwei erweiterte Wachtürme in den Fels zu bauen. Prodita war erpicht, ihren Regierungssitz zu vergrößern und sicherer machen. Natürlich streichelte die Größe des Bollwerks auch ihre Eitelkeit. Die Arbeiten hatten höchste Priorität. Dabei gerieten die Leibeigenen soweit in das Gestein, dass sie versehentlich Ledas Refugium öffneten, da der unterirdische Kerkerflügel tief im Innern des Felsgesteins eingegraben war. Eine Milizionärin kletterte auf einem Holzgerüst an dem Steilhang an die Durchbruchstelle, ließ sich eine Fackel reichen und leuchtete in die Dunkelheit. Eine zusammengesunkene Gestalt lag am Boden. Als sie genauer hinschaute, erkannte sie auf dem Boden gemalte Runen und andere Zeichen und Symbole im Staub – eingekratzt mit den Fingernägeln einer Todgeweihten. Ein schwarzer Käfer huschte, vom Licht der Flamme aufgescheucht, durch die Staubbahnen.

Die Soldatin konnte sich keinen Reim darauf machen, was hier vor sich gegangen war. Sie würde nimmer erfahren, dass Leda in ihren letzten Stunden ein geheimes Ritual mit einer magischen Formel zelebriert hatte. Ihr alter, treuer Alchemist Caduceus hatte es ihr vor langer Zeit anvertraut und sie gelehrt. Für einen Notfall, der niemals eintreten durfte, und doch nun Wirklichkeit geworden war: Megaras Alleinherrschaft. Als letzte und schicksalhafte Handlung, hatte Leda die Wache des Leviathans im großen Westozean beendet. Den Bann, der das Ungeheuer zum Wächter des Alten Kontinents zwang, gebrochen. Das Ungetüm würde langsam in einen Jahrhunderte andauernden Schlaf sinken. Und damit dem Westvolk ermöglichen, den Alten Kontinent zu erobern und die Tyrannin vom Thron zu stoßen. Leda wusste aus eigener Erfahrung, welch brutalen Konquistadoren sie Tür und Tor geöffnet hatte. Aber Megaras Reich musste unbedingt untergehen, selbst, wenn dafür der größte Krieg der Historie des Alten Kontinents entfesselt werden müsste.

Doch all das ahnte die Soldatin nicht einmal. Sie hielt die Runenlinien auf dem Boden für harmloses Hexenwerk einer Verrückten. Und auch dem Aaskäfer, der über die Glyphen krabbelte, war die fatale Bedeutung der Symbole egal. Er versuchte lediglich aus dem bedrohlichen Licht zu gelangen, um später zu seiner Mahlzeit zurückzukehren. „Mauert das hier wieder zu! Beeilt euch! Das muss die Fürstin nicht erfahren. Ansonsten ergeht es euch schlecht.“ Der Erweiterungsbau der Prodita musste fertig gestellt werden. Die Uniformierte wand sich von dem gruseligen Fund ab und marschierte davon.

Sieben Monate später gab Prodita die Hoffnung auf, dass die Galeere „Fatalis“ zurückkehren würde. Die Legende um den Leviathan war wohl wahr. So drohte ihnen wenigstens keine Gefahr aus dem Westen, beruhigte sie sich. Ein Wermutstropfen allerdings, denn die Fürstin hungerte nach Erfolgen, wollte ihre Westprovinz vergrößern, ihren politischen Einfluss bei Megara erhöhen. Es blieben noch Landstriche im wilden Norden oder kargen Süden für ihre Eroberungswünsche übrig. Doch gab es dort etwas zu erbeuten? Weitere Sklaven? Wertvolle Bodenschätze? Ihre Beraterinnen zweifelten daran und machten ihrer Herrin keine großen Hoffnungen.

Doch Proditas vermeintliche Sicherheit sollte sich als verhängnisvoll erweisen. Denn die Festung, an der Steilküste gelegen, war großteils ins Landesinnere verstärkt und armiert worden. Die Seeseite wurde kaum bewacht und geschützt. Niemand vermutete eine Gefahr vom Wasser aus, denn die Klippe war unüberwindbar hoch und steil. Eines Morgens erschallte der Warnruf eines Kriegshorns auf dem höchsten Turm der Bastion, einen viereckigen Monolithen aus Stein. Die Duxas, die sofort informiert wurden und den Horizont beobachteten, waren sprachlos: Die größte Flotte, die der Alte Kontinent jemals gesehen hatte, stand an der Kimm. Endlos viele bauschende Segel reihten sich aneinander und bedeckten das dunkelblaue Meer.

Die Fürstin ächzte. Was für eine Bürde würden die Alten Götter ihr noch auflegen!? Augenblicklich wurden Briefraben und Expressreiter losgeschickt, um sämtliche verfügbaren Kriegsschiffe zur Festung zu ordern. Noch am selben Tage sollte die Seestreitmacht der Megara schmerzhaft feststellen, dass der Feind nicht nur in Überzahl aufgetaucht war, sondern die Westler auch monströse Donnerrohre besaßen, die die Mauern des Bollwerks zerbersten ließen. Der Feind war erschreckend schnell in Schussweite gekommen und bildete eine deutliche Übermacht, die alles vernichtete, was sich ihr in den Weg stellte. Bresche für Bresche malmten sie in den Fels. Die Galeeren der Megara konnten nichts ausrichten. Noch bevor sie mit ihren Rammspornen auch nur in die Nähe einer feindlichen Galeone kamen, sanken sie durchlöchert in die Fluten. Eine nach der anderen verging in den Wogen des Meeres. Segel rissen, Planken splitterten, Rahen fielen herab an Deck oder über Bord und die Megaraner ersoffen in ihrem salzigen Grab.

Es entwickelte sich die größte Seeschlacht der Geschichte des Alten Kontinents. Und doch war sie so einseitig, dass Prodita noch in der Nacht beschloss, mit einer Delegation aus Leibgardistinnen und einer Kompanie Kampfsklaven ins Landesinnere Richtung Metropole zu flüchten wie eine Hasenschar. Überdrüssig der Gefahren durch die Invasoren zogen sich die hohen Herrinnen zurück, um glimpflich mit dem Leben davon zu kommen. Sogar die verfügbaren Trolle konnten gegen die Konquistadoren nichts ausrichten und mussten sich den gewaltigen Blitz- und Donnergeräten geschlagen geben. Bisher galten die Kampfriesen als schier unbesiegbar, die alles und jeden zermalmten, aber bei den Fremden fanden sie ihre Meister. Ihr mordlüsternes gutturales Berserkergebrüll endete in kläglichen heiseren Atemstößen, bevor sie wie Berge aus Fleisch, Leder und Stahl zusammensackten und mit gebrochenem Blick zum Himmel schauten.

Prodita und ihrem Gefolge kamen auf ihrer Route ins Landesinnere ganze Heerscharen Kampfsklaven aus der Metropole entgegen, die die Küste halten wollten. Die Fürstin lobte den Mut der Recken und Centurias. „Kommt als Sieger zurück und erhaltet höchste Ehre!“, versprach sie hochtrabend. „Viel Feind, viel Ehr!“, gab sie zu bedenken. „Eure Imperatorin steht hinter euch und brennt vor Rachegelüsten!“ Es werde Tapferkeitsorden und Goldmünzen regnen, sobald die Invasion gestoppt sei. Dann eilte sie flugs weiter gen Osten.

Doch die frommen Wünsche erwiesen sich als unmöglich. Das mutige Heer versprach lediglich ein wenig Aufschub für die Kapitulation der feinen Damen. Die Eroberer waren mit ihrem modernen Kriegsgerät unbezwingbar. Längst hatten sie die Landstriche an den Küsten eingenommen. Noch größere Donnerrohre auf Rädern und von Rössern gezogen, zwangen all die inzwischen siechen und matten Truppen der Megara zum Rückzug oder brachten ihnen den Einzug ins Reich der Alten Götter. Alle verzweifelten und weidlichen Versuche, den Invasoren Einhalt zu gebieten, blieben erfolglos. Selbst Gebete und Opfergaben von Sklavenvieh besänftigten die Schicksalsweberinnen nicht.

Regula hatte einer Duxa das Kommando über die Alte Reichsstadt übergeben, bevor sie mit einer Schar Elitekämpfern nach Osten Richtung Metropole aufgebrochen war. Megara würde nicht erfreut sein, ihre Fürstin schon wieder zu sehen, aber die alte Hauptstadt war in Feindeshand. Auch Magnatinnen retteten ihre umfangreichen Schätze und flüchteten mit Karren und Droschken voller Reichtümer, angetrieben von Fußsklaven, weiter Richtung Osten, um in der Metropole Unterschlupf zu finden. Lange Peitschen trieben das faule Zugvieh an.

Die Westprovinz wurde in wenigen Tagen von den Soldaten des Westvolks komplett überrannt. Die Männer trugen weiße, eng anliegende Kniehosen, schwarzes und kniehohes Schuhwerk, rote Gehröcke mit zwei weißen über Kreuz getragenen Schärpen. An ihren Donnerrohren war ein Dolch angebracht, um sie wie einen tödlichen Speer im Nahkampf gebrauchen zu können. Auf dem Kopf waren die Soldaten mit dreieckigen schwarzen Hüten ausstaffiert. Der megarischen Armee fiel auf, dass ausschließlich Mannsbilder des Westvolkes kämpften. Kein einziges Weib war in ihren Reihen zu sehen. Selbst die höchsten Offiziere waren Recken. Wo waren die Frauen dieses geheimnisvollen Westvolkes? Gab es sie überhaupt? Wurde es durch Hexenwerk geboren? Vielleicht schlüpften sie aus Eiern? Wie Drachen?

Die Duxas und Centurias diskutierten im Feldlager eifrig darüber. Doch dann ließen sie das Thema zunächst wieder fallen, denn wichtiger war es, die eigenen Streitkräfte zu mobilisieren und gegen die Invasoren in einer Phalanx zu kämpfen, wollten sie gegen diese mit magischen Waffen ausgerüsteten Feinde bestehen. Sogar Kampftrolle mit starken Panzerungen waren dem geheimnisvollen Gegner unterlegen. In nur wenigen Tagen besetzten die westlichen Soldaten den ehemaligen Stadtstaat sowie die umliegenden Landstriche. Wütend über die Verluste schickte Megara ihre Fürstin Regula mit einem gewaltigen Heer und allen restlichen Trollen zurück Richtung Westen, um die Eindringlinge aufzuhalten, doch schon bald verkündete eine Reiterin die kummervolle Nachricht, dass Regula gefallen und viele Kriegssklaven desertiert und geflüchtet waren. Die Westler hatten nun kaum noch mit Gegenwehr zu rechnen. Megaras Armee war wie ein Hühnerhaufen vor dem Fuchs auseinander gestoben.

Die Feinde fraßen sich vorwärts gen Osten wie ein hungriges Feuer, das einen Bogen Papier verschlingt. Prodita zitterte, dass Megara nicht auf die Idee komme, nun sie an die Front zu schicken. Doch die Imperatorin sann darauf, dass die westliche Invasion durch einen Flankenangriff aus der cassandrischen Provinz, angeführt von der Hohepriesterin Cassandra, die Westler aufreiben würde. Es war die letzte Chance, die Megara hatte. Der Feind sollte in eine tödliche Zange genommen werden. Doch schon bald stellte sich heraus, dass Cassandria nicht über genügend Kräfte verfügte. So manche Kompanie verweigerte sogar den Dienst und ergriff das Hasenpanier. Fahnenflüchtige suchten ihr Heil in den nördlichen Wäldern. Sogar Soldatinnen und Sklaven machten gemeinsame Sache und wendeten sich von ihren Herrinnen ab. Die wenigen loyalen Truppenteile versagten auf ganzer Linie. Zwar konnten sie den Sturm auf die Metropole aufhalten; dafür wurden sie nun von den Soldaten des Westvolks aufs Korn genommen und dezimiert, bis sie in der Bedeutungslosigkeit verschwanden.

Sieben Tage später war die Provinz bereits vollständig besetzt und besiegt. Sklaven wurden von ihren neuen Herren freigelassen und in den Dienst der Armee gestellt. Nur einige Auserwählte Robenträgerinnen des Maluskultes einschließlich Cassandra harrten im verbarrikadierten Tempel aus und hofften auf ein Wunder. Die Eroberer umzingelten die Anlage des Maluskultes und riegelten das Areal ab. Nicht wenige der soldatischen Kräfte wurden aus befreiten Sklaven der cassandrischen Provinz rekrutiert. Jetzt fanden sie sich also auf der Gegenseite wieder – und das nicht ungern. Bei den Westlern waren sie Soldaten mit unvergleichbar mehr Rechten. Keine Peitschen, keine Keuschheitsgürtel. Zwar bekamen sie keine der berüchtigten Donnerrohre in die Hand, doch gehörte zu ihrer Ausrüstung ein dünnes Schwert – die Westler nannten es Florett – und eine Lanze. Zudem erhielten sie gute Kleidung, rotweiße Uniformen, und erhielten nahrhafte und reichliche Mahlzeiten, die sehr gut schmeckten: dicke Bohnen und Rindfleisch, dazu ein hartes Gebäck namens Zwieback. Das Westvolk lebte offenbar wie im Paradies, waren sich die Befreiten sicher und schworen ihren neuen Meistern ewige Treue. Dazu mussten sie Worte aufsagen und ihre rechte Hand auf einen Folianten legen, der dem Westvolk heilig war.

Derweil der Malustempel belagert wurde, brachen die Westsoldaten in ein großes Anwesen ein, in dem sich zahlreiche Lustsklaven befanden. Die Leiterin des Liebeshauses namens Hydra wurde kurzerhand in Ketten gelegt und abgeführt. Unter lautem Gezeter schlug sie um sich, doch sollte ihr das nicht helfen. Die Sklaven erhielten ihre bedingungslose Freiheit. Die meisten von ihnen entschieden sich für die Gefolgschaft im Heer der Westler. Einige zogen es vor, nach Norden zu ziehen – als freie Männer. Doch alle waren sie satt vom süßen Spiel der Küsse. Einer der Leibeigenen hatte jedoch Pech. Ein Offizier der Westler hatte ein Auge auf den Sklaven mit Namen Amicus geworfen. Schmierig grinste er ihn mit seinem unrasierten Gesicht an und winkte ihn in eine Kammer, verriegelte die Tür und zerrte sich das Halstuch ab, knöpfte seinen Gehrock auf und nestelte an seiner weißen Kniehose. „Zeig mir, ob du auch einen Mann erfreuen kannst. Dann sollst du die Freiheit kosten. Ansonsten lernst du meinen eisernen Degen kennen.“

Der Lustjüngling ging auf die Knie und vergrub sein Gesicht in der herben Männlichkeit des Offiziers. Er hatte nicht viel Erfahrung damit, doch wusste er genau, was der Fremde verlangte, wonach er gierte. Wie gern wäre er selbst in dessen Lage gewesen! Seit Monaten hatte ihm Hydra den Keuschheitsgürtel nicht mehr geöffnet. Er verwöhnte den Mann so, wie er es selbst am liebsten erlebt hätte. Damit konnte er nicht fehl gehen. Sein Schopf bewegte sich vor und zurück. Der Offizier knurrte bald vor Lust. Er ließ lustvoll seinen Kopf in den Nacken fallen; dabei fiel sein Dreispitz vom Schopf auf die alten Dielenbretter. Der Offizier trug lange glatte Haare, die zu einem Pferdeschwanz gebunden waren. Mit seinen Händen packte er den Kopf des Lustsklaven und presste ihn enger an seinen Schoß. „Jaaaaa!“, grunzte er, und im nächsten Moment atmete er stockend und genauso stoßweise erblühte sein heißer Saft im Mund und Antlitz des Jünglings.

Anschließend nestelte der Offizier sein Gemächt wieder in die dünne, enge Hose. „Fein gemacht“, lobte er den Lustsklaven, dessen rosige Wangen glühten vor Aufregung. „Wo befindet sich der Schlüssel zu deinem eisernen Beinkleid? Sprich!“ Der Leibeigene Amicus schaute betrübt zu Boden. „Meine Herrin Hydra hat ihn versteckt.“ Der Offizier räusperte sich. „Damit können wir uns nicht aufhalten. Die anderen Keuschheitsgürtel haben wir auch aufgebrochen.“ Er schickte ihn zu einem Soldaten mit einer langen Zange, der ihn befreite. Der Offizier rief ihm schließlich zu: „Lauf, Bursche! Lauf in die Freiheit!“ Er lachte lauthals und ausgelassen. Der Jüngling glaubte kaum, dass seine Gefangenschaft beendet war. Verwirrt griff Amicus nach einer alten Hose aus Leinen, zog sie an und lief fort. Ein Seil diente als Gürtel. Schuhe hatte er nicht an den Füßen, genau so war auch sein Oberkörper bar jeglichen Stoffes.

Draußen in der Steppe und der Hügellandschaft erwarteten ihn vielleicht wilde Tiere, andere Kompanien der Invasoren oder gar versprengte Reiterinnen der megarischen Kavallerie. Oder Sklavenjägerinnen. Oder einer der verwilderten Trolle. Oder dunkle Strauchdiebe und Schnapphähne. Oder. Oder. Oder. Aber seine Angst war so groß, seine Verwirrung so umfassend, dass er nur noch weg wollte. Vor Hydras Lusttempel flüchten. Seine kleine Chance auf ein freies Leben nutzen. Wohin ihn das auch immer führen möge. Bevor es sich der Offizier noch anders überlegte.

Im Malustempel tanzten Flammen der großen Kohlebecken an den dicken Wänden des Altarraumes. Cassandra stand in ihrer pechschwarzen Robe mit den blutroten Paspeln und weiten Ärmeln auf dem Marmorboden und starrte in die Glut. Wie lange würden sie der Belagerung der infamen Invasoren widerstehen? Wie konnten es diese Mannsbilder überhaupt wagen, sich an den Frauen der Priesterschaft zu vergreifen!? Welch infamer Angriff! Wenn Megara sie besiegen würde, müssten die Westmänner für ihren Frevel bitter büßen. Doch vorerst hatte Cassandra nur einige Lustsklaven in den Kellergewölben des Tempels zur Verfügung, um ihre Wut und ihren Frust an ihnen auszulassen. - Nur, um die Leibeigenen zu reinigen, so verbesserte sie sich in Gedanken. Doch sie wusste insgeheim, dass es einen anderen Grund gab: ihre Hilflosigkeit gegenüber den Invasoren. So ein Gefühl war für die Hohepriesterin völlig unbekannt. Und von Tag zu Tag schwand ihre Hoffnung, dass Megara ihr zur Hilfe kam.




281. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 18.06.23 16:00

Die cassandrische Provinz war bis auf den großen Tempel besetzt. Die Imperatorin hatte selbst Truppenunterstützung angefordert. Also sah es vor den Toren der Metropole auch nicht rosig aus, und Cassandria konnte gewisslich nicht auf Hilfe von Megara hoffen, egal wie viel Opfer sie den Alten Göttern darbrachte. Zu spät war die Imperatorin auf den Gedanken gekommen, den tausenden Gefangenen wegen des Hochverrats eine Generalamnestie anzubieten und sie zu rekrutieren. Im ganzen Kontinent waren sie einfach zurückgelassen worden. Nun dienten sie dem Feind. Nur einige hundert Kerkerinsassen innerhalb der Metropole wurden von ihren Ketten und Prangern erlöst und als „von der Hohen Imperatorin auserwählte Befreite“ tituliert, die die Ehre hatten, dem Feind entgegenzutreten und später die Freiheit sowie andere süße Geschenke empfangen sollten.

Nur missmutig ließen sich die meisten der Sklaven darauf ein. Viele warteten wohl nur auf den rechten Augenblick, um zu den Belagerern überzulaufen, und waren nur scheinbar der Imperatorin gewogen. In den Augen der Regierenden waren die Invasoren nur primitive Barbaren. Doch die ehemaligen Leibeigenen erkannten in ihnen die gelobte Erlösung. Mit dem Niedergang Megarias keimte in den Männern die Hoffnung, dass das Westvolk von den Alten Göttern geschickt worden war. Eine Fügung, um sie von ihrem dunklen Joch zu befreien.

Megara stand auf dem Turm des Palastes und starrte auf die feindlichen Reihen weit vor den Stadtmauern hinab. Die Invasoren hatten ihn geöffnet: den Vorhof zur Unterwelt, den Pfuhl der ewigen Verdammnis. Die Imperatorin befand sich hinter den grauen Zinnen, ihr Kleid aus feinster purpurner Seide und ihr Umhang aus edlem schwarzem Samt wehten geschmeidig im Wind. Sollte so ihr Schicksal enden? Würden die ehrlosen Mannsbilder die Macht über den Alten Kontinent erringen? War das der definitive Untergang des Reiches? Megaras Reiches? Ihres Reiches? Das Ende aller Macht und der Anfang einer frevelhaften Welt, in der Männer regierten? Welche absurde Utopie! Das wollte, das konnte sie nicht miterleben.

Wenn es so weit sein sollte, würde sie bereit sein und sich ihrem Kismet stellen wie eine mutige Kriegerin. Megara würde auf die Zinnen steigen und mit ausgebreiteten Armen ihre letzte Reise tun. Schlagartig setzte trommelnder Regen ein, doch die Imperatorin schien nicht zu bemerken, wie ihre Gewänder und ihre Haarpracht durchnässten und an ihr klebten. Auf den verwitterten Steinen des Wehrganges spielte der Glanz der Göttertränen in Myriaden von Tropfen, die aus den tiefhängenden Wolkenschleiern prasselten. Ein Schwarm Krähen flog klagend über den Turm und suchte nach einem trockenen Unterschlupf. Ihre kreischenden Schreie schienen Megara wie höhnische Spottgrüße, die die Despotin aus ihrer Lethargie holten.

Dann vernahm sie weit vor den Toren der Metropole Paukenwirbel; seltsam schneidend hallten sie herauf zu ihr. Dazu gesellten sich metallische Flötentöne. Eine Duxa hatte ihr berichtet, dass die Soldaten verwunderliche Flöten spielten, die sie quer hielten. Megara konnte sie aus der Ferne nicht erkennen, nur ihre grausige Todesmelodie vernehmen. Die feindlichen Linien verschwammen mit dem Nebel zu weißen Wolkenwänden, in denen sich sogar ausgewachsene Drachen hätten verbergen können. Megara versank wieder in tiefe Gedanken. In ihrem Kopf erschienen viele Jahre alte Bilder. Mit Namen Crudelita als Schwester von Tagara geboren, erlebte sie als junge Maid mit, wie ihr Heim und ihre Eltern von marodierenden Plünderern gebrandschatzt wurden. Crudelita und Tagara versteckten sich in einem Gebüsch und sahen mit entsetztem Blick und aufgerissenen Augen, wie der Hof abrannte. Megara klangen noch heute die Schreie ihrer Mutter im Schädel, die verzweifelten Rufe ihres Vaters. Das raue Gelächter der Räuber und Schinder.

Die beiden Maiden konnten flüchten und irrten durch die Lande, in Lumpen und bitteren Hunger leidend. Lange Zeit waren sie auf sich allein gestellt. Eines Tages verliefen sie sich in einem dunklen und wildwüchsigen Tannenwald und waren fortan getrennt. Crudelita rief sich ihre Kehle heiser, doch ihre Schwester Tagara blieb verschollen. Monatelang irrte Crudelita weiter umher. Dunkle Haine, Hügellandschaften und Steppen waren ihr Zuhause, nachts war der schweigsame Sternenhimmel ihre Decke und Nachthaube zugleich. Sie lebte von Beeren, Bettelei und milden Gaben von Wanderern, Mägden, Burschen und ziehendem Volk, denen das arme verlotterte Mädel mit dem verfilzten Haar leid taten. Einige Samariter entpuppten sich als rohe Gesellen, die Crudelita jungen Leib begehrten. Sie verlor den Glauben an das Tugendhafte im Menschen und stahl und betrog, wo sie Gelegenheit fand. Doch nur so konnte sie ihr karges Leben fristen.

Einsam, nur begleitet von gefiederten Sängern, die auf Ästen trällerten, folgte sie dem Rauschen des Waldes immerfort und stets in Sorge, die sich wie eine Schlange in ihren Kopf geschlichen hatte. An einer Felsenschlucht, durch die sich ein kühler Fluss drängte, traf sie auf einen Knecht, der sie zu seinem Lehnsherren brachte. Der Bauer fand Gefallen an der schönen Crudelita und nahm sie auf dem Hof auf. Als Milchmagd mit Tragejoch und als Helferin des Stallburschen verdingte sie sich ihm für Kost und Logis. Ein warmer Platz im Stroh und eine deftige Suppe waren ihr täglich vergönnt. Und auch ein sauberes Kleid mit Schürze schmeichelte ihrem Leib.

Doch dann kam der gallebittere Tag, an dem der Bauer sie des Abends in seine Kammer rief und ihr verdeutlichte, dass er mehr von ihr begehrte, als ihre fleißigen Hände und Beine. Der Hofherr hatte Krüge mit Starkbier gebechert und war in bester Laune. Crudelita erwehrte sich seiner aufdringlichen Avancen, doch schon bald erkannte sie, dass des Bauers Kraft den Stoff ihres Kleides und ihren - obwohl kühnen - Widerstand spielerisch besiegte. Ein fatalistischer Nebel betäubte ihre Sinne, umfangen durch die animalische Begierde des Kerls, die die Reste der Unschuld der Magd verschlang wie ein Leviathan und eine ihr bisher unbekannte Taubheit zurückließ. Keiner ihrer Schreie entkam ihren zitternden Lippen. Die Blume, einst blühend und voll Herrlichkeit, war gerupft und lag nun welkend am Wegesrand.

An jenem Tage schwor sie sich, dass niemals wieder ein Mannsbild ihren Leib ungefragt berührte. Und dass nimmer wieder ein Geschöpf Macht über sie habe. Kurz vor Sonnenaufgang, als der helle Stern das Silberlicht des Mondes überstrahlte, riefen erschrockene Stimmen über den Hof: „Es brennt! Es brennt! Bringt Wasser vom Brunnen!“ Doch die lodernden Flammen fraßen sich ihren Weg unbezwingbar durch das große Gebäude des Bauern und die angrenzenden Schuppen und den Stall. Zu dunkler Pracht fügte sich die schwarze Himmelswand wie eine Wolkenschar der Unterwelt. Später sollte man im nahen Dorf von einem Feuerkobold sprechen, der den Bauern in sein Dämonenreich geholt habe.

Seit dem großen Unglück war die Magd Crudelita wie vom Erdboden verschluckt. Man ging davon aus, dass sie ebenso der Feuersbrunst zum Opfer gefallen war, doch Megara wusste es besser. Noch heute hatte sie die flackernde und fauchende Leidenschaft des Brandes vor Augen – hell wie die Sonne, die Stunden später nur noch schwarz verkohlte Holzbalken und ein wackeliges Gerippe eines Schuppens beleuchtete. Der Fidibus, den sie mit dem Feuerstein entzündet und ins Stroh geworfen hatte, sorgte in Windeseile dafür, dass aus dem schüchternen Flämmchen in heißer Furor ein Flammenmeer wucherte und den Missetäter von seinen Sünden reingewusch.

Crudelita irrte weiter durch die Lande. Schließlich strandete sie in der Hauptstadt des Alten Reiches. König Talos III. regierte damals auf dem Thron. Crudelita lernte behände, wie sie die Kerle um den Finger wickelte, dass sie alles für sie taten. Sie setzte alles daran, das schönste und begehrenswerteste Weib weit und breit zu sein. Bald schon musste sie sich nicht mehr mit stinkenden, ungeschickten Burschen und dunklen Gestalten abgeben, um eine Münze, ein wenig Wegzehrung oder eine Mitfahrgelegenheit auf einem Karren zu erlangen. Vornehme Herren schmolzen bei ihrem Anblick dahin und legten ihr Herz der Schönheit zu Füßen. Sie ahnten dabei nicht, dass sie ihr Herz auf kaltes Eis betteten.

Ihre Verehrer wurden feiner und wohlhabender. Sie trugen edle Stoffe und Schuhe. Crudelita, die schwermutsatt längst ihre Vergangenheit hinter sich gelassen hatte, lenkte die Geschicke bewusst die gesellschaftliche Hierarchie hinauf, so dass sie schon bald am Hofe des Königs bekannt wurde – längst selbst in edler und verführerischer Gewandung. Die Gemahlin des Regenten war jüngst verstorben. Und so suchte Talos III. händeringend eine würdige Nachfolgerin, die ihm einen Erben gebären würde, denn seine verstorbene Gemahlin hatte ihm keinen Sohn geschenkt. Megara erinnerte sich, wie eine ganze Traube Weiber um die Majestät tänzelte, um auf sich aufmerksam zu machen und im besten Licht dazustehen. Alberne Hennen, wie sie gackerten und sich mit Fächern frische Luft zu wedelten. Jede wollte die andere überstrahlen und am hellsten glänzen, doch keine konnte es mit der unbeschreiblichen Schönheit und dem Charme der Crudelita auf sich nehmen.

Sie verleugnete ihre einfache Herkunft, nannte sich fortan geheimnisvoll Megara und machte sich so interessant, dass Talos III. letztlich dieses Weib aus Anmut, Liebreiz und Pracht in einer prunkvollen Hochzeitszeremonie zur Gemahlin erwählte. Ihr missgünstig gesinnte Neiderinnen ließ sie von Schergen des Königs in tiefe Keller stecken, in denen Weh und Leid so sehr wüteten, dass jegliche Menschlichkeit aus den Gemäuern entfloh. Megara hatte den Duft der Macht gerochen und gierte nach noch mehr. Sie wähnte sich fast am Ziel ihrer Wünsche.

Die Imperatorin wischte sich dicke Regentropfen aus dem Gesicht und fröstelte. Vielleicht sollte sie sich doch ins Trockene zurückziehen. Sie stieg die Wendeltreppe des Turmes hinab. Doch Talos ging ihr nicht mehr aus dem Sinn. „Dieser Versager!“, rümpfte sie ihre Nase und schnaubte. Sie erinnerte sich: Ein Thronfolger blieb lange Zeit aus, obwohl sich Megara mühte und in ihrem Leib längst die Frucht für einen Erben hätte heranwachsen können. Aber der König war nicht mannhaft genug. Auf dem Feld, in glänzender ziselierter Rüstung, mit wehenden Bannern im Rücken und einer starken Streitmacht, mag er erfolgreich, würdig und ehrenvoll gewesen sein – doch zwischen den königlichen Laken verkümmerte seine Würde zu einem schwächlichen Fehlgriff, einem Schlappschwanz! Wollte Megara also nicht als unfruchtbare Schuldige dastehen, musste etwas geschehen. Und da kam ihr der königliche Stallknecht gerade recht. Ein stattlicher Bursche, blond und hochgewachsen, der heiß und hungrig seinen Samen in den Bauch der Königsgemahlin pflanzte.

Die Imperatorin rief nach einem Leibsklaven, der ihr aus den nassen Stoffen half. Megara schritt zu einem Badezuber und ließ ihren unbedeckten Körper in den heißen und erquickenden Inhalt sinken, der nach Vanille und Apfel duftete. Einen weichen Schwamm drückte sie über ihren baren Brüsten aus und genoss die Wärme, die sich auf ihrer Haut angenehm ausbreitete. - Der Dritte aus dem Hause Talos! Abwertend gab sie ein „Ta!“ von sich, spuckte über den Rand des Zubers und schüttelte den Kopf, während sie eine Haarspange löste, die ihre Mähne gebändigt hatte. Wie konnte dieser Dummkopf nur denken, dass dieser hässliche und dicke Sprössling sein eigener war!? Megara rätselte noch heute, wie sie diese Missgestalt gebären konnte. Schließlich waren weder sie, noch der Stallbursche unansehnlich. - Im Blute des Gesindes musste ein gar abstoßend hässlicher Fratzenwurm stecken. Megara zuckte mit den Schultern. Einerlei, dachte sie, Talos war zufrieden bis zu seinem Tode, obwohl sein Bastard wahrlich keine Seelengröße, dafür umso mehr fleischliche Perversion gezeigt hatte, die schon früh in ihm Wurzeln geschlagen hatte.

Da der Spross sich als ungeschickt und wahrlich dumm erwies, und seine Mutter sich nicht von diesem Hansel vom Thron drängen ließ, musste sie einen neuen Gemahl erwählen und schickte im gesamten Alten Reich Herolde aus, dass sie um Bewerber freie. Auch Abas, der Blondschopf, gehörte zu den Opfern, die in ihre Honigfalle tapsten. Megara dachte gar nicht daran, einen Recken neben sich auf den Thron zu winken. Stattdessen liebte sie die wilden und teils, so musste sie sich eingestehen, doch recht ausgefallenen und kapriziösen Abenteuer in den Gewölben ihres Palastes, in denen die Freier um ihre Hand endeten. Minenstollen, Kerker, Galeeren oder Harems beherbergten die Jünglinge, die voller Hoffnung am Königsthron vorgesprochen hatten.

Die Imperatorin schüttelte den Kopf und tauchte kurz unter, um sich aus den alten Erinnerungen zu lösen. Wie lange war sie noch sicher in ihrer Festung und vor Gefahren für Leib und Leben gefeit? Wann würden die Invasoren die Metropole überrennen? Sie tauchte wieder auf und wartete, bis sie sich im Spiegel des Wassers bewundern konnte. Megara schnippte mit den Fingern und verlangte nach einem heißen Gewürzwein. Der dampfende Trunk sollte sie auch von innen wärmen. „Und ein wenig Blaubeergebäck“, forderte sie dazu mit befehlsgewohnter Stimme. Der Leibsklave verließ unter zahlreichen tiefen Bücklingen den Raum und hastete den Gang entlang, um das Gewünschte eiligst zu besorgen. Die Imperatorin ließ niemand warten! Furcht, seine Herrin nicht zufriedenstellen zu können, kroch in seine Gebeine wie ein Morgennebel sich auf dem Feld schleichend ausbreitete.

Während Megara in der Metropole dem Ansturm der donnernden Feuerrohre der Invasoren dank der dicken Mauern und hunderter Bogenschützen noch widerstehen konnte, wurde es um die Hohepriesterin Cassandra im Malustempel eng. Nach und nach kämpften sich die Soldaten, großteils abtrünnige Kampfsklaven der megarischen Armee, durch das Mauerwerk und eroberten Raum für Raum. Nur wenige Tage später mussten sich die verbliebenen Priesterinnen in den Kellern des Tempels zurückziehen. Über eigene Wachen verfügten sie kaum noch. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis es zum unvermeidlichen Ende kam. Cassandra hatte die Hoffnung auf Beistand aus der Metropole längst aufgegeben. Die Niederlage war gekommen. Die Westler hatten endgültig gesiegt. Die oberste Robenträgerin grübelte über einen finalen Rettungsplan nach. Konnte sie unerkannt entkommen? Sich als einfache Bedienstete ausgeben, die vor den Herrinnen des Maluskultes flüchtete? Doch wie sollte sie nachweisen, dass sie nichts mit der regierenden Riege zu tun hatte? Sie sah sich in der Kammer um, die ihr als letztes Refugium geblieben war. Die karge Einrichtung bot nicht vielerlei. Sie durchwühlte einen Schrank ohne Erfolg. Dann suchte sie in einer Truhe nach Verwendbarem. Ein alter Keuschheitsgürtel für Damen! Cassandra betrachtete ihn interessiert. Er musste Jahrzehnte alt sein. Seit Ewigkeiten war für so etwas kein Gebrauch mehr. Da schoss ihr der Gedanke durch den Kopf, dass sie ihn anlegen und sich als Lustsklavin ausgeben könnte.

Aufgeregt nestelte Cassandra an ihrer Robe und dem Gewand darunter. Vielleicht war der Keuschheitsgürtel ihr letzter Notanker. Sie putzte das Stück und betrachtete es. Mit Freude und Eifer legte sie sich das eiserne Gefängnis um die Lenden. Dann zog sie sich einige alte Lumpen an, die noch von irgendeinem Sklaven stammten. Cassandra nahm all ihren Schmuck ab und versteckte ihn unter einer alten fadenscheinigen Decke. Nun verzauste sie ihr langes Haar. Nichts durfte an ihr noch an die Führerin des Maluskultes erinnern. Die Hohepriesterin spürte die dumpfen Einschläge der Invasorenpest. Lange konnten auch die dicksten Mauern des Tempels nicht mehr halten. Eine Flucht war nur noch jetzo möglich. Sie schritt zu der Holzvertäfelung mit den vielen Schnitzereien und drückte gleichzeitig zwei Punkte. Die Vertäfelung öffnete sich knarrend. Cassandra duckte sich zu einer niedrigen Gittertür, die dahinter erschien. Sie öffnete den Riegel und kroch durch den geheimen Gang. Mühsam schloss sie hinter sich erst die Holzwand, dann das Gitter.

Sie musste sich auf allen Vieren vorwärts bewegen. Ein kleines Flämmchen einer Kerze war ihr einziges Licht. Sie krabbelte den steinernen Tunnel entlang, während der kleine Docht die Wände, Boden und Decke flackernd nur schüchtern beschien. Der Gang würde sie bis in den großen Altarraum des Tempels, und von dort hinaus bis in ein Gebäude führen. Vielleicht konnte sie von dort entkommen. Doch zu ihrem Schrecken hörte sie einen gewaltigen Knall. Der Gang vibrierte wie durch ein Erdbeben. Es rieselte von der Decke. Cassandra horchte auf. Was war da geschehen? Hatten die Soldaten mit ihren Donnerrohren den Tempel gestürmt? Da war sie ja gerade noch rechtzeitig entfleucht. Die Hohepriesterin kroch weiter und weiter und kümmerte sich nicht darum, dass ihre Knie über den harten Boden schrammten und schmerzten. Wenn der Geheimgang einstürzte, war sie verloren, zerquetscht wie eine Kakerlake unter dem Stiefel eines Kriegers.

Als sie sich dem großen Altarraum näherte, vernahm sie seltsame Laute: Männer, die sich vergnügten, aber auch Weiber, die vor Lust stöhnten und schrien. Cassandra erkannte die Stimmen einiger Priesterinnen. Sie trieben es mit den Eindringlingen, um sich so freizukaufen. Sie trieben es frivol wie räudige Hündinnen! Die Robe hochgerissen, die schmierigen Soldaten hinter ihnen... So stellte sich Cassandra die sündige Szenerie vor. Sie kroch langsam auf ihren zerschundenen Knien weiter. Schließlich schon führte ihr Weg direkt unter dem Altar hindurch. Die vielen großen Kerzen, die an diesem Orte brannten, ließen ein wenig von ihrem Licht durch einige Spalten hindurch, die in der Decke des Geheimganges angebracht waren. An den Wänden klebte reichlich altes Wachs, und es floss auch neues nach. Cassandra zog sich ihr Wams über den Kopf und versuchte, das heiße Hindernis wegzuwischen. Bald schon war ihr Lumpen so verklebt und verkrustet, dass sie ihn nur noch liegenlassen konnte. Barbusig kroch sie weiter auf allen Vieren, ihre Wangen puterrot vor Scham, während ihre Brüste dem Takt der Vorwärtsbewegung schaukelnd folgten.

Als sie die Spalten unter dem Opfertisch passierte, tropfte frisches Wachs auf ihren Rücken. Cassandra stöhnte unterdrückt auf, als die Hitze ihre Haut traf. Schnell presste sie sich die Hände vor den Mund, um nicht laut aufzuschreien. Ein gemeiner Spritzer der flüssigen Qual tropfte auf ihren unteren Rücken und bahnte sich seinen Weg zwischen ihre Pobacken. Die Kriechende zwang sich zur Ruhe. War sie gehört worden? Doch so sündhaft und wild, wie es daselbst oben in der Halle vor sich ging, war niemand auf sie aufmerksam geworden. Cassandra krabbelte weiter. Es war noch ein weiter Weg und plötzlich erlosch durch einen Windzug von oben die Flamme ihrer Kerze. Cassandra hockte im Dunkeln. Sie schob sich langsam blind vorwärts, weiter und weiter. Sie musste das Ende des Ganges erreichen. Es gab kein Zurück.




282. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 01.07.23 16:28

Die Soldaten hatten den Tempel gestürmt und die letzten Liebessklaven und Bediensteten befreit. Selbst die Hartgesottenen unter den Söldnern waren von den vielen Folterinstrumenten der Priesterinnen beeindruckt und erlösten die Opfer der zahlreichen Reinigungsrituale und Bestrafungszeremonien. Wie Cassandra schon vermutet hatte, wollten die Robenträgerinnen ihr Schicksal besänftigen, indem sie den Eroberern schamlos ihre Liebesdienste anboten. Ordinär. Unsittlich. Anstößig. Ehrlos. Zuchtlos. Anrüchig und beschämend. Die Flüchtige zog sich weiter durch den engen und niedrigen Gang, ihre Brüste hingen unter ihr wie die Zitzen einer Wölfin und schwangen hin und her. Dann erreichte sie endlich mit verschrammten Knien das Ende: Eine Holztür versperrte den Ausgang dort. Cassandra quetsche sich herum und konnte so mit den Füßen voraus gegen die Barrikade treten. Einmal, zwei Mal, drei Mal. Mit aller Kraft, die ihr geblieben war. Wenn es hier kein Weiterkommen gab, so musste die ehemalige Imperatorin umkehren und ihren Schändern in die Arme krabbeln: barbusig, als bettele sie darum, mit festem Griff gemolken zu werden wie eine Ziege und ihr die Schenkel zu spreizen wie eine Dirne.

Endlich sprang die hölzerne Platte auf. Cassandra rutschte aus dem Gang in die kleine Kellerkammer, in die der Tunnel geführt hatte. Als erstes schaute sie sich nach einem Stück Stoff um, um ihre Brust zu bedecken, doch die Kammer war völlig leer. „Ein verdammter Kartoffelsack! Oder irgendein Schmierlaken! Ich will doch kein Seidenkleid mit eingewirkten Goldfäden, verflucht! Oh, ihr Götter! Welche Gottheit rettet mich vor diesen Barbaren? Tausend Sklaven schenke ich ihr, wenn sie mich entrinnen lässt. -Zehntausend!“ Aber niemand reagierte auf ihr Begehr. Sie schlich zur Tür der Kammer, öffnete sie knarrend und horchte furchtsam, ob sie vernommen worden war. Doch nirgends war ein Laut zu vernehmen. Cassandra kletterte eine alte Holzstiege empor. Bald stand sie in einem Schuppen mit Lehmboden und löchrigen Bretterwänden, durch die die Sonne herein schien. Schützend nahm sie ihre Arme vor die bare Brust. Wieder war nirgends ein Fetzen Stoff zu finden.

Langsam näherte sie sich dem Tor der Baracke. Nur in alter schmutziger Hose, deren Beine aufgeschlitzt waren, öffnete sie den Eingang und lugte hinaus. Ferne Rufe und bettelnde Ansinnen schallten hinüber. Die Eroberer waren dabei, die cassandrische Bevölkerung in Ketten zu legen. Vor allem drangen Schreie von Weibern an ihr Ohr. Und dann stieg ihr Brandgeruch in die Nase. Als sie um den Schuppen schlich, erspähte sie die gewaltigen Flammen, die hoch in den Himmel ragten: Der Tempel brannte lichterloh. Es war das größte Feuer, dass Cassandra in ihrem Leben gesehen hatte. Die Luft flirrte. Es prasselte und fauchte. Schwarze Bahnen zogen sich hoch bis zum Gewölk. Sie lief in entgegengesetzter Richtung los. Doch schon bald hörte sie von der Seite Männerstimmen. „Hey, holdes Weib! Wohin so eilig?“ Cassandra drehte sich flüchtig zu den Rufern. Drei Soldaten kamen auf sie zu, ihre Donnerrohre mit den Klingen in der Hand. Cassandra rannte keuchend los.

Die Männer folgten ihr geschwind. Und schon nach einer Pfeilschussweite stolperte Cassandra über eine knorrige Wurzel und fiel ungeschickt auf ihre Brust. Die Soldaten holten sie flugs ein und überwältigten sie. „Was für eine wilde Katze!“, sagte einer der Männer und grinste dabei mit seinem Pferdegebiss. Die Gegenwehr des Weibes gefiel ihm offenbar. Er drehte sie auf den Rücken, setzte sich breitbeinig auf die Flüchtige und drückte ihre Hände neben ihren Kopf zu Boden in den Staub. Alle drei Männer starrten der barbusigen Unbekannten auf ihre Brüste. Cassandra konnte die nur schwer zu zähmende Lust in den begierigen Blicken der Recken sehen. Einer nestelte gar an bereits an seinen Beinkleidern. „Was machen wir mit ihr?“, frug einer des heiteren Trios. Cassandra wollte mit befehlsgewohnter Stimme sprechen, doch aus ihrer Kehle kamen nur heisere Piepstöne. „Ich bin eine Sklavin der Malus-Priesterinnen. Bitte helft mir!“ Der schwer auf ihr sitzende Mann griente. „Und ob wir dir helfen, meine Kleine.“ Seine Kameraden lachten dreckig. Ihr Reiter zerrte sich die Hose auf. Die beiden anderen Kämpen zogen der Liegenden die Beinkleider von den Schenkeln und warfen sie zur Seite. Dann stutzten sie: ein Keuschheitsgürtel.

Sagte das Weib die Wahrheit? Der Reiter packte beide dünnen Handgelenke seines Fangs mit der linken Hand, drückte sie über ihrem Kopf zu Boden und fasste mit der anderen an Cassandras linken Busen, um ihn lustvoll zu kneten. „Wie kannst du es wagen, Mannsbild!?“, keifte Cassandra speiend. Der Söldner lachte rau. „Du bist keine Sklavin, Weib! Mein Auge kann die Spreu vom Korn trennen. So tritt nur eine Herrin auf. Oder eine der Priesterinnen. Diese abartige Dämonenbrut.“ Er stand von der Fasernackten auf und stieß sie einem Kameraden in die Arme. „Das ist eine von den ach so hohen Fräuleins. Fessele sie sorgsam und führ sie zu den anderen ihresgleichen!“ Der Mann salutierte und packte sich die Gefangene wie eine Schweinehälfte über die Schulter. Die Entblößte schlug trommelnd mit ihren Fäustchen auf dem Rücken des Soldaten herum, doch dieser schien dies nicht einmal zu bemerken, obwohl er keinen verstärkten Lederharnisch oder gar eine Panzerung, sondern nur einen Uniformrock aus Stoff trug. Seine Kameraden grinsten ihm frivol zu.

Bald schon fand sich Cassandra bei anderen Priesterinnen wieder. Einige riefen denunzierend: „Das ist Cassandra! Die Hohepriesterin! Sie ist es!“ Die Frauen waren in Leibwäsche und ohne ihre Roben mit den Händen an einer langen Kette gefesselt. Eine der Malusfrauen verhieß einem Wächter beschwörend: „Lasst mich Euch gefällig sein! Ich verspreche Euch höchste Lüste, wenn Ihr mich frei lasst.“ Doch die Männer in den roten Kurzmänteln und den schwarzen Dreispitzen auf dem Haupt ließen sich von keiner Versuchung erweichen. Cassandras Unterarme wurden ihr streng auf den Rücken gefesselt, so dass sich die Hände zwischen den Schulterblättern befanden und die Ellbogen sich fast berührten. Zu ihrer Empörung band ihr ein Soldat ein Seil um ihre einzelnen Brüste, dann nutzte er die Verbindung dazwischen als Zügel und zog daran. „Vorwärts, Weibstück!“ Cassandra keifte und zeterte, drohte, bettelte, warnte, spuckte Gift und Galle, flehte, sprach eindringlich auf den Mann ein, befahl, betete, maulte. „Halt dein dummes Schandmaul, oder ich stopfe es dir!“, rief der Soldat genervt und zerrte kräftig an seinem Zügel.

Und es sollte noch viel schlimmer kommen: Ein Soldat brachte aus dem Tempel eine rostige Spreizstange aus massivem Eisen mit, die er der Gefangenen an die Knöchel band. Nun musste Cassandra mit gespreizten Beinen vorwärts wackeln, gezogen von dem Soldaten, der ihre Brüste geknebelt hatte. Linker Fuß, rechter Fuß, linker Fuß, rechter Fuß. Der Führer zupfte und ruckte an dem Seil und genoss die ächzenden und stöhnenden Laute des Weibes. Der Fußmarsch führte in ein nahes Schlammloch, wo hinein die Gefesselte gestoßen wurde. Sie versank darin und mühte sich wieder auf die Füße, um angestrengt aus dem hüfthohen Dreckpfuhl zu waten. Ihr ganzer Leib war mit Schlick und Morast bedeckt. Zumindest fühlte sie sich nun nicht mehr so nackt wie zuvor, redete sie sich ein.

So, wie sie war, ketteten zwei Soldaten sie zu den anderen Frauen. Anschließend mussten die Weiber hinter einem Ross eines Uniformierten herlaufen, an dessen Sattelknauf die Kette befestigt war. Scheppernd und rasselnd folgte die Schar aus etwa zwei Dutzend Weibern stolpernd und erschöpft dem Pferd. Zumindest hatte man Cassandra die Spreizstange abgenommen. Ihr staubiger und mühsamer Weg führte über eine Flussfurt in Richtung Westen. Dabei wusch sich der Schlamm der Geschundenen und Gedemütigten ab, als einige der Weiber auf dem unebenen Grund des Wasserlaufs umknickten und seitlich ins Nass fielen – vielleicht auch absichtlich, um wenigstens für einen kurzen Augenblick der unerbittlichen Hitze und dem grausamen Durst zu entkommen, doch der hatte sich tief in ihre rauen Kehlen eingenistet.

Viele Stunden mussten die Gefangenen unter diesen harten Bedingungen marschieren. Stöhnend trottete die Gruppe stumpfsinnig und aufgezehrt in zerrissener Bruoch vorwärts. Die Mückenschwärme machten alles nur noch unerträglicher und zerstachen ihre Haut erbarmungslos. Endlich machte der Reiter eine Pause. Vier weitere Kavalleristen eskortierten die kleine Karawane und saßen von ihren Tieren ab. Während der Pause aßen die Männer Dörrfleisch und tranken Wein und Wasser. Für die Weiber blieb der Proviant unangetastet. Einer der Soldaten spielte mit einer Gefangenen ein gemeines Unterfangen: Er hielt ihr den Trinkbeutel hin und verlangte als Gegenleistung ihre Gefälligkeit. Seine Kameraden kümmerten sich nicht darum, als der Soldat das Weib abband und hinter einen Mispelstrauch führte. Er täuschte den galanten Ritter vor wie ein talentierter Mime und verbeugte sich vor dem schmutzigen Fräulein. „Schenkt mir die Ehre, Euch Gesellschaft zu leisten, werte Dame“, sagte er mit sonorer Stimme und gebärdete sich wie ein dandyhafter Gockel dabei und zeigte sich doch ungeschickt wie ein unreifer Fant.

Die Gefangene wusste anfangs gar nicht, wie ihr geschah. Noch vor wenigen Wochen war sie stolze Besitzerin von rund 150 Arbeitssklaven gewesen, die ihre Plantage pflegten. Verspürte sie fleischliche Gelüste, so nahm sie sich den hübschesten der Kerle für eine Nacht zu sich. Und nun? Vor Schmutz und Dreck starrten ihre Lumpen. In Ketten gelegt waren ihre Glieder. Und ein dahergelaufener Soldat benutzte sie nach Belieben. Sitte und Moral waren untergegangen. Die Unterwelt hatte ihre Dämonen ausgespuckt. Was war das Schicksal doch flatterhaft! Er drückte, nun allerdings gar nicht mehr der Kavalier, sondern eher flegelhaft und grob die Schenkel der Lady auseinander und tastete mit seinen Händen unter dem Gewand herum, riss es hoch und betrachtete seine Beute. „Gegrüßt seiest du mir, du süßes Pfläumchen!“ Er zerrte das Gewand bis über den Kopf und starrte auf die blanken Knospen der Maid. „Es wäre doch schade, dich nicht zu ernten, bevor du verblüht bist!“ Dann fiel er über die Wehrlose her. Doch in der Hoffnung auf ein wenig Wasser, zeigte sich das Weib mit ihren mandelförmigen Augen ergeben und willig. Sie fügte sich unterwürfig und schien die gierigen Hände und sogar den eifrigen Rammsporn des Grobians zu genießen, der ihr die Leibesfrucht einpflanzte. Sie bemühte sich trotz des Ekels und der Schmerzen um ein Lächeln.

Die Frau wurde jedoch um ihren Lohn betrogen, denn es bekamen schließlich alle Kettenträgerinnen von den Wasserbeuteln süße Labung und die Überreste des Dörrfleisches zwischen die Zähne. Cassandras Bitte um ein Gewand schlugen die Männer dessen ungeachtet ab. Auf sie aufmerksam geworden, holte einer der Soldaten nun aus einer Satteltasche eine schwere Handfessel aus Eisen hervor. Cassandra musste entrüstet erleben, wie der Kämpe ihr die Schellen anlegte und mit dem Keuschheitsgürtel verband. Nun trug Cassandra noch schwerer an ihrer „Rüstung“, die Hände an den Seiten ihrer Hüften gefangen. Jeglich adliges Gehabe war ihr vergällt. Sie schluckte den Rest ihres Stolzes hinunter und bettelte darum, die Schnüre um ihre Brüste zu entfernen. Schließlich nahm sich einer der Männer ihrem Begehren an. Dabei sparte er jedoch nicht an beherzten Griffen an ihren entblößten Busen. Die Hohepriesterin verging fast in Grimm und Rage, hielt ihren Mund jedoch verbissen verschlossen. Nachdem alle Weiber wieder in Reih und Glied standen, ritten die Soldaten unerbittlich weiter der Westküste entgegen.

Viele Tage war der Trupp unterwegs, bis er die Küste des ehemaligen Ledaniens erreichte. Die Reise war eine Tortur für die Sklavinnen, die entkräftet mit ihren Ketten in einer endlosen Kolonne dahin wankten. Die Hitze nahm zunächst immer weiter zu, bis es endlich etwas akühlte, je näher sie der Küste kamen. Die Luft roch und schmeckte nach salziger See. Die Hitze nahm weiter ab, der Wind frischte auf. Doch obwohl der peinigende Fußmarsch beendet war, konnte Cassandra nicht aufatmen. Was würde nun geschehen? Sollte sie als Galeerensklavin rudern? Mit schmerzenden Füßen und Gliedern fielen sie zu Boden, als endlich eine Rast eingelegt wurde. Einige Schiffe lagen an der Pier und waren am Ufer vertaut. Cassandra wurde von den restlichen Weibern getrennt und auf eine prunkvolle Galeone gebracht. Als ehemalige Hohepriesterin und Fürstin, ja ehemals sogar Königin, hatte sie eine Sonderstellung und sollte zum Admiral geführt werden. Der Kriegsherr wollte seine Beute begutachten, bevor er sie als Trophäe in den Heimathafen auf dem Westkontinent brachte. Der Admiral vernahm schon die Jubelrufe des Volkes, und sah den glänzenden Orden, den ihm der Minister für seine erfolgreiche Fahrt anheftete.

In der Hauptstadt der Provinz Cassandria erstickte auch die letzte Gegenwehr. Das letzte megarische Banner flatterte zu Boden und wurde von derben Stiefeln in den Staub gestampft. Götzenstatuen der Megara und von Cassandra zerbarsten unter den Kanonen, zerbröckelten zu Staub und mehligen Steinkrümeln. Prächtige Mosaike aus Jade und Marmor, auf denen ein Mantikor mit Megaras Antlitz sowie drei Zentauren mit Cassandras, Proditas und Regulas Gesichtern abgebildet waren, wurden dem Erdboden gleichgemacht. Einige Damen, die sich im fürstlichen Palais der Cassandra verbarrikadiert hatten, gaben auf, nachdem auch die letzten Sklaven entweder davon gelaufen oder den Invasoren in die Hände gefallen waren. Nun war die Provinz Cassandria völlig in der Hand des Westvolks. Zur einzigen übrig gebliebenen Bastion des Reiches der Megara war die einst stolz thronende und blühende Metropole mutiert. Die Invasoren hatten sie gnadenlos umringt und in einen Würgegriff gezwungen, wie eine Riesenschlange ein Kaninchen packen würde.

Keine gewaltigen Triböke und andere Wurfmaschinen oder Belagerungsgeräte, wie sie im Alten Kontinent genutzt wurden, um den Gegner in die Knie zu zwingen, waren vor den Toren der Stadtmauer aufgebaut; lediglich die Donnerrohre, die die Westler mit Karren herbeigeschafft hatten, warteten auf ihre Opfer. Doch so unscheinbar die Waffen aussahen, so effizient zeigten sie ihr wahres Gesicht. Wieder und wieder röhrten sie dumpf und laut los und schossen schwere Kugeln aus Eisen gegen die Verteidigungswände, als würden die Alten Götter Felsenstücke vom Himmel schleudern. Megara und Prodita standen auf einem der Türme des Palastes, der außerhalb der Reichweite des fliegenden Donners stand, und sahen verzweifelt auf die feindlichen Reihen der uniformierten Männer, in deren Linien auch mehr und mehr ehemalige Leibeigene ihren Dienst taten.

Nur noch wenige verbliebene loyale Kampfsklaven stürmten dem übermächtigen Feind vor den Toren mit Dreizacken und schartigen Schwerterklingen brüllend entgegen. Doch die wahre Kriegslust war längst gebrochen, und die in die Luft gereckten Fäuste schienen nur von Zorn und Mut zu zeugen. Die Angst lähmte sie. Die Furcht vor dem Verderben. Die Alten Götter waren ihnen nicht mehr hold. Die geschleuderten Blitze der Aggressoren betteten die Sklaven auf der Ebene in das Gras zum letzten Schlaf. Megara verzog ihr Antlitz zu einer bösen Fratze, die so gar nicht zu ihrem lieblichen Diamantendiadem passen wollte. „Wie können mich diese Dreckssklaven nur so hintergehen! Diese erbärmlichen Verräter! Bei aller grenzenloser Zuneigung, die ich meinem Volk entgegengebracht habe! So dankt man mir meine Liebe!“ Prodita stimmte in das Selbstmitleid der Imperatorin ein. Ihre Brust hob und senkte sich aufgebracht unter dem feinen azurblauen Seidenstoff. Die Damen schaukelten sich in ihren gegenseitigen Zustimmungen über die Ungerechtigkeit und den Undank des Volkes schäumend hoch und bedauerten sich voller Anteilnahme.

Als die edlen Ladys den hohen Turm verließen, zogen sie ihre Gerten hervor und peitschten wahllos auf einige Bedienstete in ihren Livreen los. Die Ledergeschirre der Männer boten genügend nacktes Fleisch als Angriffsfläche für die beißende Rute. Ein verängstigter Dienstbote wagte kniend die Frage, was er sich habe zu schulden kommen lassen. Megara schnaubte: „Nichts! Aber es keimt in mir die Leidenschaft!“ Und auch Prodita verausgabte sich mit zahlreichen Schlägen, bis sie außer Atem die Gerte zur Seite warf. „Hat denn niemand eine Idee, wie wir diese Barbaren besiegen? Sprecht frank und frei heraus!“ Stumm schauten die Angestellten zu Boden und schluckten. Alle wussten, dass sie längst besiegt waren. Megara stolzierte durch einen breiten Korridor in ihre Gemächer. Wie lange konnten sie der Belagerung widerstehen? Würden die Mauern halten? Würden ihre letzten Vasallen das Lager wechseln wie Ratten, die das sinkende Schiff verlassen?



283. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 16.07.23 12:12

Die Imperatorin riss sich ihr pompöses Kleid vom Leib und schlüpfte in eine einfache Tunika und Beinkleider aus Rehleder, deren Seiten jeweils drei untereinander liegende dünne Metallschichten aufwiesen. Es herrschte Krieg! Sie würde nun als Erste Duxa um ihr Reich kämpfen. Die Despotin stieg auf den höchsten Turm ihrer Zitadelle und blickte mit erhobenem Kinn über die Lande, während der Wind mit ihrem Haar spielte und es zerzauste und die Wolken zu fliehen schienen. Sie würde dafür sorgen, dass die Invasoren und dieses fahnenflüchtige Gewürm nie wieder aufrührerischen Märschen frönten. Persönlich begehrte sie notfalls das scharfe Beil zu schwingen. Megara sah schon die nackten und festgezurrten Füße der Mannsbilder vor sich auf dem Richtklotz. „Ich werde dem Westvolk ihre Schiffe zurücksenden. Mit einem herzlichen Gruß von mir! Die Laderäume werden überquellen mit den Stümpfen“, giftete sie hartherzig, und ein grimmiges Lächeln hatte sich in ihrem Antlitz eingemeißelt.

Prodita dagegen blickte eher pessimistisch in die Zukunft und haderte. In ihre Stirn hatten die düsteren Gedanken Sorgenfalten geschlagen wie Narben. „Ist es wahrlich meine Bestimmung, dem Tode geweiht zu sein? Können die Alten Götter das wollen?“ Sie ertrank in Selbstmitleid wie eine Ratte in einem Wasserfass. Alles sah danach aus, als wollten die Götter sie bestrafen. Am gleichen Tag erreichte ein Briefrabe die Metropole. Eine Zofe hatte den schwarzen Vogel im letzten Moment abgeschickt, bevor sie von Soldaten überwältigt worden war. Drei Mal war der Rabe auf seinem Flug nur knapp dem gefiederten Tod durch einen übergelaufenen Kampfsklaven entkommen, streifte die Wipfel alter Pinien und flatterte davon, und mit letzter Kraft erreichte er die Stadt. Die Hiobsbotschaft, die er brachte: Cassandria war nach wackerer Gegenwehr gefallen. Der Malustempel, der einst blühte, war niedergebrannt. Die Metropole war nun also der letzte Rückzugsort des siechenden Reiches. Und schon bald würden auch ihre Mauern bersten. Megara wollte in ihrem Übermut oder ihrer Verzweiflung gar einen tollkühnen Ausfall wagen, doch ihre sonst verwegenen Kampfsklaven schienen ihr nicht vertrauenswürdig. Sie würden bei erster Gelegenheit das Hasenpanier ergreifen oder sich gar gegen sie wenden. Sie wusste nicht mehr, wem sie trauen sollte. Gerüchte über eine geplante Machtergreifung der Duxas gingen um. Ein bösartiger Komplott schmiedete sich in der Dunkelheit und wucherte wie ein geschürtes Feuer. Die opportunistischen Offizierinnen wollten sich dem Feind ergeben und somit Strafmilderung genießen.

Megara hatte ihren autoritären Einfluss eingebüßt. Als sie herausfand, welcher Zirkel der Duxas den Putsch plante, war es zu spät: Als sie die Verhaftung der verräterischen Personen befahl, wendeten sich die Gardistinnen von ihr ab und hörten auf die Anweisungen der Duxas, die die Imperatorin kurzerhand in eine Kerkerzelle werfen ließen. Das Undenkbare war geschehen. Megaras Herz blieb vor Schreck und Empörung fast stehen ob des Frevels, der sie einhüllte in ihr grausames Geschick. Doch es war kein Albtraum, den sie durchlebte. Es war ihre fatale Entmachtung. Sie zitterte vor Wut und blickte mit flatterndem Blick rastlos umher, doch sie hatte alle Macht verloren. Alles um sie schien wie durch einen brausenden Sturm zu zerbrechen und sie in einen schwarzen Schlund zu ziehen. Schnöde Leere und kalter Tod umschlichen sie wie Hyänen das verletzte Kitz. All ihre Vorhaben waren nur noch leerer Schall in ihrem Schädel, der wie ein Eiswind in Mark und Bein kroch und sie, alle Hoffnung fahrenlassend, zurückließ, alle Pein zu tragen.

Prodita hatte nicht gezaudert, zügig die Seiten zu wechseln und sich Liebkind bei den kollaborierenden Militärs zu machen. Sie mimte die Geläuterte, die um eine friedliche Einigung bemüht war. Einer ausliefernden Kapitulation stand nun keine unbelehrbare Tyrannin mehr im Wege. Die abtrünnigen Offizierinnen hofften auf eine gnädige Behandlung der Unterlegenen, womöglich gar Amnestie. Doch Gerede über die Versklavung sogar edelster Fräuleins überall in den Landen zeugten vom Gegenteil. Allerdings war alles besser, als das Leben im sinnlosen Kampf um eine bereits verlorene Stadt auszuhauchen… Oder?

Die entmachtete Imperatorin schrie gellend durch die Gänge des Palastes, als sie in die tiefen Kellergewölbe gezogen und geschleift wurde. An den kahlen Steinwänden tanzten die Schatten der Fackeln wie zum Hohn und flirrende Lichtblitze schmerzten in den Augen der Gefangenen. Als sie hinter die Gitter ihres neuen Heims gestoßen wurde, keifte sie beschwörend: „Meine Rache wird fürchterlich sein!“ Doch eine Gardistin in verstärktem Lederharnisch und mit einer Lampe in der Hand, erwiderte: „Ach, bevor ich es vergesse… Reißt der Hexe das Kleid herunter! Sie ist nicht würdig, Seide einer Ladyschaft zu tragen.“ Megara raffte ihr edles Gewand und wich eilig zurück. Zwei Gardistinnen in mit Nieten besetzter Uniform und mit harten Gesichtszügen betraten zagend die Zelle, aber dann legten sie grob Hand an, um den zarten Stoff von der zierlichen Gestalt zu zerren. Auch den Schmuck, den sie mit gierigen Augen erspähten, entrissen sie ihr kurzerhand und teilten ihn unter ihresgleichen. Geschwind versanken die kostbaren Juwelen und das filigran gearbeitete Edelmetall in den Lederbeuteln und Taschen der Uniformen.

Erst als Megara splitternackt vor ihnen stand, gaben sie sich zufrieden und verschwanden aus dem Verließ. Die Gardistin leuchtete der Imperatorin ins Gesicht und frug sardonisch: „Seid Euer Hoheit bereit, Eure brünstiglichen Liebesdiener zu empfangen?“ Die Gedemütigte, die mit einer Hand ihr Brust, mit der anderen ihren Schoß zu bedecken versuchte, quiekte: „Was für Liebes… diener?“ Die Gardistin wisperte ihr schmunzelnd zu: „Sind die Sklaven, die ihr für die Liebe habt ausbilden lassen, Euren Sinnen entfleucht? Sie sehnen sich dankschuldig und voller Drang nach einem beglückenden Schäferstündchen mit ihrer Herrin - oder dem, was von der Zier des Venusgartens übrig geblieben ist.“ Megara ächzte. „Wie kannst du Drecksweib es wagen! Ich bin die königliche Imperatorin!“ Spöttisch versetzte die groß gewachsene Gardistin: „Wahrlich königlich bist du, wie du da würdevoll stehst mit schmutzigem Angesicht! Nackt wie eine schleimige Schnecke.“ Sie ging hohnlachend und ließ die Entmachtete mit einer Funzel allein, die von der gegenüberliegenden Wand mit einem diffusen Licht in ihre Zelle leuchtete.

Das bissige Lachen der Uniformierten hallte in dem alten Mauerwerk noch einige Herzschläge lang nach. Aber noch viel länger echote es in Megaras Kopf. - Liebessklaven… In ihrer Erinnerung waberten horrende Bilder aus dem finsteren und feuchten Höhlensystem, in das sie geflüchtet war, als Leda vor den Toren des späteren Stadtstaates stand. Damals. Als die Leibeigenen sie in dem Labyrinth aufgespürt und gepackt hatten und sie die Qualen der Unterwelt erschaut hatte. Sie fühlte auf einmal wieder die zahlreichen schmutzigen Leiber über ihr, neben ihr, auf ihr… Megara keuchte und schnappte nach Luft wie ein Karpfen im Boot eines Fischers. Zu jener Zeit hätte sie ein Königreich für einen Keuschheitsgürtel gegeben. So wäre ihr zumindest ein Teil ihres unheilvollen Schicksals erspart geblieben. Sie roch die Schänder und spürte sie schmierig auf und in ihr. Sie erkannte die lüsternen Stimmen, die grunzenden Mannsbilder, die nach ihr gierten, um Rache einzufordern und zugleich ihren animalischen Trieb zu sättigen und erstickte im Meer der Wollust und Ausschweifung, das über ihr zusammenschlug.

In der kommenden Nacht machte sie kein Auge zu, obwohl ihr Leib nach Schlaf hungerte. Sie hockte in der hintersten Ecke der kahlen Zelle auf dem grob behauenen kalten Boden und zitterte gleich Espenlaub. Ihre Finger streichelten zaghaft über den rauen Stein, der an einigen Stellen mit Flechten und Moos überwachsen war. Alle ihre Reichtümer, die Truhen voller Goldmünzen und Juwelen, hatten ihr letzten Endes nichts eingebracht. Nun sollte sie den wollüstigen Sklaven zum Fraße vorgeworfen werden? Im Morgengrauen nickte sie übermüdet und entkräftet wie eine Ertrinkende ein und wachte kurz darauf schweißgebadet und gellend und spitz schreiend wieder auf. Sie war in ihrem Alptraum in den Flammen ihrer Sünden vergangen wie ein Pergament im Kaminfeuer. Doch der junge Tag stolzierte in warmem Glanz und scheinbar friedlich herbei. Die gemeine Gardistin hatte sich wohl nur einen infamen Jux erlaubt, denn auch in den folgenden Tagen und Nächten kam kein begehrender Mann zu ihr. Nur eine üppige Wachfrau brachte ihr stumm eine schäbige Zinnschüssel mit einer grauenhaften Grütze und eine alte, verbeulte Kanne mit abgestandenem Wasser, in dem Speichel schwamm. Megara harrte ihres grausigen Schicksals. Das Ende war nah… Aber sie würde niemals vor ihren Feinden knien, war sie sich gewiss. Gegen ihren Willen entfleuchte ihr eine Träne und lief über ihre schmutzige Wange hinab, und sie schalt sich wegen ihres Anflugs von Schwäche, der größten Sünde, der sie sich schuldig machen konnte.

Prodita, die mit den verbliebenen Duxas den Invasoren die Metropole übergeben wollte, hatte alle Schuld auf Megara geschoben. Der Kreis der Überläuferinnen schwor die Mannsbilder darauf ein, wie gut sie es unter den Militärs nach Megaras Sturz gehabt hätten. Und als sie die Tore öffneten, schien ihr Plan zunächst aufzugehen: Einige ehemalige Sklavenbesitzerinnen wurden zwar als „Bauernopfer“ in Ketten abgeführt, doch die Putschführerinnen blieben unversehrt. - Zunächst. Prodita atmete erleichtert auf. Sie würde bald gen Norden reiten und eine Weile untertauchen, um eine neue Identität aufzubauen. Einfach ihre Haut abstreifen wie eine Schlange, und unerkannt entkommen. Dann war es ihr möglich, in der westlichen Gesellschaft unbescholten zu leben. „Unter neuem Namen werde ich meine Vergangenheit hinter mir lassen. Und bald schon werde ich wieder reich und mächtig sein“, versprach sie sich stillschweigend. „Dann wird wieder jede Kreatur den Boden küssen, auf dem ich gewandelt bin!“ Dazu fühlte sie sich von Geburt erkoren und ließ sich, trunken von Selbstverliebtheit, von einer Seherin ob ihrer grandiosen Zukunft schmeicheln, die ihr die Worte zuschnurrte, wie ein gut geführtes Spinnrad, und von gescheffeltem Gold und Sklaven schwadronierte.

Doch bald schon sprach sich die unwiderlegbare Wahrheit herum, als die Leibeigenen sich in Sicherheit wähnten. Die Zungen der Männer lösten sich wie von selbst; all die tadeligen Gräueltaten der feinen Frauen mit ihrer Spitze an den Ärmelsäumen kamen ans Licht. Und die Wahrheit stieß wie ein scharfes Messer zu. Die Konquistadoren ließen nun auch Prodita und die Duxas verhaften und in Kerker schleppen, bevor diese untertauchen konnten. Zwei Offizierinnen sträubten sich so wild und entschlossen gegen ihre Gefangennahme, dass man sie in lange Eisenketten einwickeln ließ. „Verräter!“, schrien sie ihre Wachen hasserfüllt an. Aber all wacker Gegenwehr nutzte ihnen nichts. Sie gelangten in einen dunklen Kerker unter dem großen Palast, den einst Fama für aufsässige Sklaven und politische Feinde hatte bauen lassen. Auch die Forderung nach Prügelsklaven, die anstelle der edlen Ladys bestraft werden sollten, fand kein Gehör. Die Westmenschen hatten eine völlig andere Rechtsprechung, die den hohen Damen mehr als fremd war. Die Wünsche der Ladys stießen auf taube Ohren.

Schließlich fand man dort Megara in ihrer schäbigen Zelle. Mehrere Dienstboten bezeugten, dass es sich um die Imperatorin handele. Auch Prodita gehörte zu den „ehrenwerten Gästen“ des Palastes und bezeugte Megaras Identität. Die Regentin spuckte vor ihrer einstigen Fürstin aus, und ihre Wangen erglühten wie Rosenflor. „Du Geschwür von Verräterin! Aus deinem stinkenden Maul wachsen nur Lügen!“ Dann wurde sie vor ein Tribunal im Hof des Palastes gezerrt. Ein Offizier mit auffallend langen rötlichen Koteletten schnalzte mit der Zunge und befahl mit rauer Stimme: „Bringt die Imperatorin zum Admiral!“ Zwei Soldaten packten die Gefangene unbarmherzig und schleiften sie fort wie ein geschächtetes Schaf.

Dieser Tag sollte als Zäsur in die Geschichte des Alten Kontinents eingehen: Die Armada des Westvolks hatte Megaras Reich endgültig besiegt und den Alten Kontinent befriedet. Die Galeeren und anderen Kriegsschiffe der Megara tummelten sich auf dem Meeresgrund. Fortan gehörten die Provinzen zur Nation des Westvolks. Die Donnerrohre auf den vielen Schiffen schossen zur Feier Salut, um danach zu schweigen. Die zuvor an den Verteidigungsmauern züngelnden Flammen, brannten nieder und erloschen. Der Pulverrauch der Kanonen verzog sich. Die ersten Reparaturarbeiten an den Mauern der Stadt und den Gebäuden begannen. In Kürze präsentierte sich die Metropole wieder als pittoreske Siedlung aus hübschen Bauwerken und kleinen Gassen, aber auch mit dem großen Marktplatz, auf dem nun die westlichen Kompanien marschierten und paradierten. Im Stechschritt polterten die schwarzen Stiefel der Soldaten über das Pflaster und zeugten von Kraft und Macht. Die Klingen an ihren Donnerrohren blitzten silberfarben in der Sonne und schärften den Menschen Respekt ein.

Die Namen Ledanien, Cassandria, Metropole und Stadtstaat blieben zunächst erhalten, sollten aber in den Folgejahren denen der höchsten Offiziere der westlichen Eroberer weichen und auch in den Köpfen der Menschen verblassen. Es gab keine Frauenherrschaft mehr. Sie war einem Patriarchat gewichen, wie es das Westvolk kannte. Zwar waren noch harte Strafen für Gesetzwidrige – auch öffentliche Züchtigungen – üblich, doch nutzte man das Kolosseum und die Arenen der Megara nur noch für Theateraufführungen und Pferderennen. Hin und wieder vergnügten sich die Zuschauer auch bei Boxkämpfen und wetteten auf den Sieger.

Nur wenige Weiber führten machtvolle Positionen. Das Gros sorgte sich um Mann und Kinder in der Sippe oder buhlte um das Herz eines Mannes, der gegen eine Konkubine oder Gespielin auch nichts einzuwenden hatte, mit aller Hingabe, der die Weiber fähig waren und spreizten die Schenkel für ihn, angespornt von den Möglichkeiten, die diese ihnen offenbarten. Die Herrschaften zeigten sich fast alle mit geflochtenem Zopf aus eigenem Haar oder gepuderter Perücke. Enge Beinkleider waren bei den Männern die Norm, während die Damen weite Kleider trugen – je nach gesellschaftlicher Stellung imposant oder eher dezent. Sklaven gab es auch in der Neuen Welt, doch war dabei nicht das Geschlecht ausschlaggebend. Personen, die gegen die Gesetze verstießen, verloren die so genannten Bürgerrechte und mussten als Leibeigene eine festgesetzte Zeit dienen. Sie konnten in diesem Zeitraum beliebig feilgeboten und willkürlich für sämtliche Arbeiten eingesetzt werden. Meist wurden Weiber als Zofe oder Faktotum eingesetzt, da sie für schwere Arbeiten nicht kräftig genug waren. Die wenigen männlichen Sklaven schufteten in Minen oder auf Plantagen – denn auch das Westvolk liebte Silber, Gold, Tabak, Baumwolle und Zuckerrohr. Die Peitsche knallte dort ebenso eifrig wie im alten Matriarchat.

Die meisten Edelfräuleins, Duxas und Großgrundbesitzerinnen des Alten Kontinents wurden ohne viel Federlesen in die Leibeigenschaft geführt, denn sie hatten sich der ungenehmigten Sklavenhalterei schuldig gemacht. Ihnen standen zahlreiche entbehrungsreiche Jahre voller Strapazen und Mühen bevor. Statt ihrer wertvollen Gewänder trugen sie fürderhin einfache Leinenröcke oder Beinkleider und Wams, statt der feinen Riemchenstiefel plumpe Magdschuhe oder dicke Arbeiterstiefel. Endgültig vorbei war die Zeit, in der die Damen lustvoll im Takt der Geißeln maunzten und sich erregt an den Züchtigungen ihrer Leibeigenen weideten. Nimmermehr würde es wieder so sein. Nun biss die Peitsche die Weiber bis diese den richtigen Arbeitsrhythmus gefunden hatten und alle Dünkelhaftigkeit war verraucht.

Was aus der ehemaligen Fürstin Prodita geworden ist, ist nicht genau überliefert. Sie soll ihre letzten Tage in einem Steinschlag nahe der Ostküste verbracht und Felsbrocken geschleppt haben, obwohl ihr schmales Kreuz unter der schweren Last ächzte. So wurde ihr Schicksal besiegelt – in einem anonymen Grab. Einen Hauch ihrer Würde hielt sie bis zum bitteren Ende fest. Niemand sah sie je auf den Knien, bis sie schließlich ausgelaugt mit gebrochenem Blicke in den Staub fiel. Die meisten Duxas und auch viele feine Ladys schafften es dagegen mit der Zeit aus der Leibeigenschaft wieder heraus und vermählten sich mit einem Manne, um eine Sippe zu gründen und ihr Auskommen zu haben. Die Sklavenarbeit, von der sie gekostet hatten, lehrte sie Demut und Respekt. Als Eheweiber erging es ihnen viel besser. Zwar mussten sie sich dem Gatten unterordnen, aber Schläge gab es nur in Ausnahmen bei Ungehorsam. Abgesehen davon war ihr Leben in einer Familie das Beste, was sie sich erhoffen konnten und brachte einige Freiheiten mit sich.

Statt der Gerte und dem autoritären Befehlston trugen sie nun mit scheuem Schritte Nähnadel und Fibel, wenn sie wohlhabend geheiratet hatten; war ihr Gemahl jedoch weniger solvent, so waren die meisten dieser Weiber sich nicht zu schade, um die Ziege zu melken, Brennscheite und Reisig im Wald zu klauben oder die Wäsche im Fluss zu schrubben, Kartoffeln zu schälen und am Herd zu kochen, während sich der Rauch der Esse durch den Schlot davonstahl und sich der Duft eines deftigen Eintopfes oder Bratens im Raum ausbreitete. Statt Seidenkleid schmeichelte dann eine Leinenschürze ihren Beinen, aber so war das nun mal im Patriarchat des Westens, egal, ob auf dem Westkontinent oder in der Kolonie des ehemaligen Megarareiches, wo die Kultur der Eroberer triumphierte. Statt vornehme Alabasterhaut zu tragen, hatte die Sonne ihre Leiber nun braun gebrannt. Statt manikürter Fingernägel, mussten sich weniger begüterter Frauen mit kurzen Nägeln zufrieden geben, die bei der Arbeit in Haus und Hof nicht störten.

Die kleinen autonomen Frauenreiche innerhalb des Alten Kontinentes, die sich nach Ledas Niederlage gebildet hatten, wurden genauso aufgelöst wie alle Gemeinschaften im Norden und Süden der Lande. Die meisten der Weiber dort blieben straffrei, sofern sie einen männlichen Zeugen für ihre Unschuld fanden. Wie sie das anstellten, blieb den westlichen Offizieren ein Rätsel, aber zahlreiche Mannsbilder bürgten für die Frauen. Man munkelte, dass sie sich dies bei den Recken mit zarten Versprechungen voll kosender Wonne erkauften. Einige der Paare suchten sich auf dem Westkontinent ein neues Heim, andere zog es noch weiter in den wilden Norden der Kolonie, um daselbst in den Wäldern eine eigene Sippe zu gründen. Wenige wanderten mit Eselskarren und ihrem Hab und Gut in den tiefen Süden, wo nur verdorrtes Land und Wüste auf sie warteten; aber es gab Schilderungen von Reisenden, die dort das Paradies mit fischreichen Seen, Palmen und Obstbäumen gefunden haben wollten.

Cassandra und Megara wurden mit der Galeone des Admirals auf den Westkontinent gebracht und in einem Aufsehen erregenden Prozess vor dem höchsten Strafgerichtshof zu lebenslanger Kerkerhaft verurteilt. Ihre Zellen lagen in einem zoologischen Garten der Hauptstadt der Westnation. Dort konnten die freien Damen und Herren bei einem Flaniergang vielerlei Kreaturen vom Alten Kontinent hinter dicken Gitterstäben betrachten und sich an ihnen ergötzen: So gab es dort zwei Trolle zu bewundern, kletternde Äffchen, fauchende Großkatzen, krächzende Stelzenvögel und auch zwei gewisse Ostweiber, die einst auf dem Thron der neuen Kolonie gesessen hatten. Zwar frönte das Westvolk einem eher biederen Lebenswandel mit hochgeschlossenen Gehröcken und Halstüchern beziehungsweise Kleidern, doch waren die fast nackten Weiber hinter den Gitterwänden längst keine Sensation mehr - schließlich waren dies keine westlichen Damen sondern wilde Ostweiber, und damit waren sie nicht mit zivilisierten Ladys des Westens zu vergleichen oder gar auf eine Stufe zu stellen, so dass die Besucher des Geheges nonchalant auf den Wegen flanierten und die ausgestellten Weibstücke als exotische Kreaturen des Alten Kontinents betrachteten.

Megara hatte man ebenfalls einen Keuschheitsgürtel gegönnt, der ein wenig ihrer Blöße bedeckte. Schon bald merkte sie zu ihrem Leidwesen, wie sehr ihre Weiblichkeit sie quälte und marterte. Sie sehnte sich nach fleischlicher Befriedigung ihres wildlodernen Verlangens, die endlich das unerträgliche Jucken ihrer süßen Knospe beenden würde. Doch sollte sie nie wieder Erlösung finden. Stattdessen war sie gezwungen eine Narrenkrone zu tragen, deren zahlreiche Glöckchen bei jeder Bewegung in unterschiedlicher Höhe klingelten und jeden Versuch von noch so wenig Würde im Keim erstickten. Mit zwei seitlichen Eisenstäben war die Kopfbedeckung mit einem massiven ehernen Halsband verbunden, so dass Megara sie nicht abnehmen konnte. Die Konstruktion war so schwer, dass das Ostweib ihren Kopf kaum aufrecht halten konnte. Darob erinnerte sie zuweilen an ein zweibeiniges Tier mit Geweih, dass zum Angriff ansetzte: Mit tief gesenktem Haupt taumelte Megara umher und gab gar besonderliche Laute von sich, während sich Speichelflüsse von ihren Mundwinkeln auf den Boden des Geheges ergossen und sich die Zaungäste entweder schaudernd abwendeten oder spöttisch lachten und Häme über die Kreatur ausschütteten.







284. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 05.08.23 10:46

Epilog

Zu jener Zeit erschien in einem neu errichteten Dorf im schwer zugänglichen nördlichen ehemaligen Ledanien, das direkt an die nördlichen Wälder grenzte, ein verwirrtes und völlig verwildertes Weib mit verfilztem Haar und in Lumpen gekleidet. Die Eremitin wirkte bang und unsicher. Ständig suchte sie mit angstvollen Augen nach Verfolgern und faselte von Meuchelmördern, die ihr die Kehle aufschneiden wollten. Angeblich habe sie in einem Höhlenlabyrinth gelebt.

Ein Pferdezüchter nahm sich ihrer an und brachte sie auf dem Kutschbock seines Planwagens auf seinen Hof. Helena, wie sich die ominöse Frau nannte, durfte sich mit Mistschaufeln Kost und Logis verdienen. Selten wechselte sie mit den Mägden und Waschweibern einige karge Worte. „Ich bin eine Königin“, wisperte sie dabei hin und wieder verstohlen. Die Weiber lachten sie deswegen aus und hänselten sie nur noch „Rossknödel-Königin“. Eine Magd, die einen Kober trug, rief spöttisch: „Nimm deine Mistgabel. Sie ist dein Zepter!“ Das Gesinde wurde aus dieser Irren mit dem fiebrigen Blick nicht schlau, und bald munkelte man von einem Fluch, der auf der Unbekannten lag.

Einige Wochen später lief das obskure Weib flügge davon und kehrte nie wieder zurück. Eine Gruppe Knechte machte sich im Auftrag ihres Herrn auf den Weg, die Verlorene zu suchen, doch ihre Spuren verliefen sich in einem tiefen Moor. Nur ihre Mistgabel schaute noch mit ihren vier Zinken aus dem Sumpf empor. Der Züchter befahl, mit Werg und Zunder ein Feuer zu entfachen und den Stab des Werkzeugs zu verbrennen, und die Metallzinken in einer Esse einzuschmelzen. Alles andere werde Unglück bringen.

Erst viele Jahre später forschte ein Chronist nach und stellte die These auf, dass es sich bei der „Rossknödel-Königin“ um die vor langer Zeit in den Höhlen verschollene Regentin des Stadtstaates gehandelt haben könnte. Helena musste jahrelang in dem unterirdischen Labyrinth und später in der Wildnis als Eremitin gelebt haben, wo sie längst irre geworden war. Doch einen Beweis blieb der Chronist letztlich schuldig, denn Zeugen des damaligen Geschehens konnte er nicht mehr finden. Noch mysteriöser war die Geschichte dadurch, dass der Pferdezüchter ein Jahr nach Helenas Verschwinden in eben dem Moor verschwand, wo die Mistgabel gefunden worden war.

In der Nähe der ehemaligen Metropole tauchte ein sinnliches Weib auf, das behauptete, von den Hohepriesterinnen in einer altertümlichen Katakombe festgehalten worden zu sein. Niemand erkannte den Lug und Trug, die sich die Hand gaben, und erließ der Unbekannten die Leibeigenschaft. Ein Verbrechen an Mannsbildern war ihr nicht nachzuweisen. Insidia, wie sie hieß, heiratete bald darauf einen reichen Kaufmann, der als Siedler vom Westkontinent emigriert war, und gebar ihm zwei starke Söhne. War der Kaufmann nach außen ein strenger und herrischer Mann, so genoss er doch insgeheim Insidias dominante Ader zwischen den Laken ihres Schlafgemachs. Sein Eheweib wusste ihm sehr zu gefallen. Sie band seine Handgelenke gern an die schmiedeeisernen Pfosten des Bettes mit schwarzen Seidenschals fest und ritt ihren Hengst dann zu Fanfarenstößen voll süßer Erfüllung. Für diesen Lohn war sie die insgeheime Herrin, wurde von ihrem Gemahl vergöttert und lebte jetzo in Saus und Braus.

Auch die Schmiedetochter Forma hatte den Machtwechsel unbeschadet überstanden. Sie hatte sich ebenfalls erfolgreich gegen eine Versklavung gewehrt. Früh genug war sie zur westlichen Armee übergelaufen – als Liebchen eines hohen Offiziers. Sie lebte nun als seine Gemahlin auf dem Westkontinent und hatte auch einmal die zur Schau gestellten Megara und Cassandra in dem Tierpark besichtigt. Schockiert über die monströsen Vogelscheuchen, die dort hinter den Gitterstäben in ihrer Tristesse vegetierten, verließ sie in ihrem feinen opalblauen Kleid fluchtartig den Ort des Schreckens und kehrte nie wieder dorthin zurück, doch die grausigen Laute der Hexen klangen ihr noch lange Zeit im Ohr.

Formas Gatte war liebevoll und treu, doch ihre Wollust ließ sie immer wieder nach jungen Mannsbildern gieren. Sie träumte des Nachts von Lustsklaven, obgleich diese Ära für immer vorbei war. Ihre Blicke erwanderten die hübschen Burschen und schließlich spreizte sie für so manchen jungen Soldaten oder Kaufmann willig die Schenkel, wenn ihr Gemahl wieder einmal zu einem Seemanöver aufgebrochen war. Die Mannhaftigkeit ihres Gemahls reichte ihr nicht. Sein Gemächt schwächelte hin und wieder. Und außerdem… Sollte eine kluge und fruchtbare Frau sich gar mit einem einzigen Recken zufrieden geben? Sie war kein solch Weib, das auf beschränkten Wegen wandelte und entfloh daher gern aus der Rolle der fügsamen Gattin, um sich, feucht wie eine Aue, zu verlustieren.

Eines Tages schaffte sie es, ihren Ehemann mit vor Tränen gefüllten Augen davon zu überzeugen, einen Keuschheitsgürtel unter seiner Uniform zu tragen. Als Schmiedetochter konnte sie den ehernen Schmuck selbst klammheimlich herstellen. Ein Seemann, der ständig zu fremden Gestaden segelte, sollte aus reiner Willenskraft keusch und treu bleiben? Forma weinte bitterlich Bäche salziger Tränen über ihre rosig glühenden Mädchenwangen und warf ihm so manchen Fehlgriff, Seitensprünge und lüsterne Gedanken vor in dieser welken Welt. Schließlich willigte der Offizier ein und ließ sich schweren Herzens von seiner geliebten Forma in einem Keuschheitsgürtel sperren und konnte die Contenance so gerade bewahren. Es blieb das Geheimnis der beiden, denn gesellschaftlich war die eiserne Hose seit Megaras Zeiten verpönt – erst recht bei einem uniformierten Kämpen der Marine. Doch die knielange Bundhose und der darüber hängende Waffenrock verbargen das Geheimnis gut und sicher.

Doch so naiv, sie nicht nach ihrer eigenen Treue zu fragen und sie zu bitten, ebenfalls einen Keuschheitsgürtel zu tragen, war er nun doch nicht. Allerdings gab es einen entscheidenden Unterschied zwischen den eisernen Hosen: Forma hatte einen Zweitschlüssel, den sie stets zu benutzen gedachte, sobald ihr geliebter Mann aus dem Hafen fuhr. Schmunzelnd winkte Forma ihm, als er das erste Mal verschlossen auf die Reise ging. Über ihr schrie eine Möwe, als lache sie über das unmoralische Schauspiel, das Forma zum Besten gab, und noch mehr über den närrischen Gemahl.

Mit der Zeit schenkte Forma ihrem Manne vier kraftvolle Söhne und drei allerliebste Töchter. Die Nachbarn munkelten zwar hinter vorgehaltener Hand, dass kein Sprössling dem vermeintlichen Vater ähnlich sehe, doch vielleicht war das ja der Laune der Natur zuzuschreiben. Nie erfuhren der Weinhändler, der Sattler, der Hufschmied, der Barbier, der Korbmacher, der Matrose und der Knecht des Milchbauern von ihrem Nachwuchs, doch einige von ihnen und noch mehr Kämpen kehrten gerne bei Forma in die warme Stube ein und genossen die frohlockende Gattin des Marineoffiziers und ihre heißen Küsse und Liebeskünste mit voller Wonne.

Vidar, ein befreiter Sklave, brachte es auf dem Westkontinent zu einem gewissen Ruhm als Schreiber einer historischen Novelle über Abas, den Königsgemahl der Leda – die schärfste Widersacherin der berüchtigten Megara. Vidar schilderte in der Biographie von seiner gemeinsamen Kerkerzeit mit Abas. Doch nirgends in seinem Buch, das er meist nachts vor einer blakenden Laterne niedergeschrieben hatte, erwähnte er, dass er Abas Vertrauen missbraucht und ihn skrupellos an den Feind verraten und dafür sich die Freiheit erworben hatte. Dieses Geheimnis nahm er schließlich mit ins einsame Grab, als er eines Tages, gebeugt vom Alter, in seinen Pantalons und einem langen Gehrock aus Samt eine Prachtallee entlang schlenderte und sich ans Herz fasste und wenige Lidschläge später tot zu Boden stürzte, wo ihn sein bald kalter Leib nur harter Stein koste.

Weitere drei befreite Sklaven, die früher als Wachleute in Königin Ledas Burg gedient hatten, waren Winand, Bertram und Jeremias. Winand übernahm das alte, fast gänzlich zerstörte Freudenhaus der Hydra, baute die Ruine erneut auf und ließ ein Dutzend Weiber für ihn arbeiten. Er liebte es, die jungen Damen, die bisher nur dekadenten Luxus und Kurzweil gekannt hatten, für ihre neuen Aufgaben auszubilden, teilweise selbst zuzureiten, wie er es nannte. Somit hatte der sadistische Grobian seine Berufung gefunden, die er mit Herz und Leidenschaft als gestrenger Rittmeister ausübte und das Etablissement mit einigem Erfolg führte.

Dann, an einem bedeutungsschweren Tage, geriet er in die Bredouille, als er eines Abends in einer Taverne glaubte, eine Maid für sein Haus der Lüste werben zu können. Die üppige Schönheit gehörte bereits einem Jägersmann, der den ungeduldigen Winand mit seiner Faust in die Schranken wies und ihn kopfüber in ein großes Daubenfass stopfte, um ihm Manieren beizubringen. Die Kampflustigen wurden von dem mächtigen Wirt und seinen drei rüstigen Gehilfen des Gasthauses verwiesen, bevor ein Tumult unter den Gästen ausbrechen konnte. Niemand war Zeuge, was die beiden Raufbolde vor der Schenke „besprachen“; aber seit diesem Tage war Winands Nase schief, und der Grobian behandelte seine „Damen“ mit mehr Respekt.

Bertram erlernte in der früheren Provinz Cassandria das Tischlerhandwerk und siedelte später auf den Westkontinent über, um dort eine Sippe zu gründen und einen kleinen Laden zu eröffnen, in der er Körbe aus geflochtenen Binsen anbot. Doch seine Vergangenheit als Wachsoldat der Regentin Leda vergaß er bis zu seinem Tode nicht und sollte sogar seinen Enkeln noch von dem großen Krieg, den die cassandrischen Truppen angezettelt hatten, erzählen. Gern schmückte er seine Erlebnisse reichhaltig und blumig aus und wurde in seinen Abenteuergeschichten zum heroischen Berserker, der über die Schlachtfelder wütete – voller Rage, schäumender Wut und zornbebender Kampfeslust, die ihm im Blute gärte, beherrschte er die Walstatt. Nur zu der Zeit seiner Leibeigenschaft blieben seine Lippen fest verschlossen, wenn er seinen zahlreichen Abkömmlingen in geselliger Runde aus seinem Leben schilderte. Zu grausam waren die Sklavenzähmerinnen mit ihm umgesprungen, als dass er sie die langsam verlöschenden Bilder sich erneut ins Gedächtnis rufen wollte.

Der dritte ehemalige Wachmann im Bunde, Jeremias, verdiente sich als Seematrose der westlichen Marine seinen Unterhalt. Mehrfach überquerte der mittlerweile verhutzelte und sonnenverbrannte Recke den Westozean zum Alten Kontinent und zurück, doch niemals entdeckte er Spuren des berüchtigten Leviathans, der das weite Meer so lange Jahre unüberwindbar gemacht hatte. Dafür fand er Befriedigung von Fernweh, Frieden, Muße und Stille im Einklang mit dem endlosen Wasser. Doch auch die arg beschwerliche Arbeit erwartete ihn jeden Tag, die ihm von Jahr zu Jahr schwerer fiel.

Er sparte die Heuer viele Jahre und ließ sich dann eines Tages auf dem Westkontinent als Mais-Bauer nieder, um dem harten Drill der Marine zu entkommen, und heiratete ein junges Weib aus der Umgebung, die das Matriarchat des Alten Kontinents nie kennen gelernt hatte. Doch schon nach wenigen Jahren zog es ihn erneut aufs Meer, inzwischen als Kapitän. Inzwischen durfte er sich mit seiner Gattin über einen gesunden Sohn freuen, der sich als kluges Bürschchen erwies und sogar die Schule in der Stadt besuchte, um die Mathematik und Schreiben und Lesen zu erlernen. Als Jüngling studierte er Jahre später sogar auf der ehrwürdigen Fakultät, was seine Eltern vor Stolz strotzen ließ.


Eine Dekade war seit dem Untergang des Reiches der Megara vergangen.

Das Westvolk breitete sich in den Folgejahren auch auf dem Ostkontinent aus und befriedete dort das wilde Amazonenvolk. Gegen Glasperlen und anderen billigen Plunder tauschten sie kostbare Gewürze, Kakao, Kaffee, Jade, Edelsteine und Marmor ein. Der Wohlstand auf dem Westkontinent wuchs von Jahr zu Jahr. Tausende Menschen siedelten auf dem Ostkontinent und trieben die verbliebenen Amazonen immer weiter nach Osten in karge Regionen, wo sie darben mussten und ihre Kultur dräute, zu Grabe getragen zu werden.

Eines Tages verstarb Cassandra röchelnd in ihrem Zwinger an Fieber, Husten und gelbem Auswurf, der sich ihrer Kehle entrang. Sie war ohne Trost und Labe in den Schlund der Unterwelt eingezogen. Doch ihre Knochen und das daran faulende Fleisch hingen noch Wochen lang an einem Haken, den Menschen zur Erinnerung ausgestellt.

Kurz darauf hauchte auch Megara ihr Leben aus und fiel in den ewigen Schlummer. Doch ihr Ableben stellte alle Studierten vor ein Rätsel. Noch absonderlicher wurde der Fall, als die Totengräber die Leichname am nächsten Tag im Morgengrauen mit einem Karren abholen wollten: Megaras Leichnam war verschwunden. Nur ihr Keuschheitsgürtel und die Narrenkrone lagen am Boden der Klause. Beide verschlossen und unversehrt.

Mit den leeren Käfiggehegen der beiden Tyranninnen verblasste mit der Zeit das Entsetzen, das Megaras Schreckensherrschaft einst verursacht hatte, wie ein abgefallenes Rosenblatt. In der Folgezeit brachte man in den Gehegen zwei wilde Trolle unter, die im Norden des Alten Kontinents gefangen worden waren, und die nun zur Belustigung für die Besucher des Parks dienten, die einen Blick auf die Ungetüme erhaschen wollten.


Weitere Jahre waren ins Land gezogen.

Ein junger Magister der größten Fakultät des Landes betrat die ehrwürdige Universitäts-Bibliothek, um sich Lektüre über das Matriarchat der Megara zu besorgen, und fand dort in einem abgelegenen Bereich eine verstaubte Kladde, in Straußenleder eingeschlagen und mit bronzenen Ecken versehen. Es handelte sich um eine Ansammlung von alten Schriften verschiedener Autoren. Die ältesten stammten von einem Alchimisten namens Caduceus, der eine Zeitlang am Hofe der Leda gelebt hatte. Seine Schilderungen reichten bis zu den Zeiten von Talos I. zurück. Als Zeitzeuge der Epoche um Talos III. beschrieb er die Anfänge des Reiches der Megara, den Untergang der Diktatur und die Ära der Kleinstaaten. Andere Chronisten ergänzten die historische Dokumentensammlung mit eigenen Berichten über Megaras erneuten Aufstieg und schließlich ihren endgültigen Untergang.

Viele der historischen Schriften und Aufsätze kannte er bereits, doch einige Details dieser Fibel aus Originalpergamenten waren ihm neu. So war hier eine mit Megaras Siegel versehene Botschaft eines Briefrabens an das Edelfräulein Vesta erhalten, die die Niederlage Ledaniens verkündete. Ebenso fand sich ein Liebesbrief des ledanischen Schultheißen Gladius an eine gewisse Dame namens Forma. Der Magister suchte nach einem Hinweis darauf, wer diese Forma wohl gewesen sei, fand aber keinen Anhaltspunkt. Spielte sie im politischen Gewirr der damaligen Zeit womöglich eine gewichtige Rolle? Er blies über die alten gelben Pergamentseiten, um den dicken Staub aufzuwirbeln, und blätterte vorsichtig weiter.

Noch so vieles war ihm rätselhaft. Warum berichten die alten Dokumente zunächst von einer Tagara als Hohepriesterin des Maluskultes, und dann war von einem Tag auf den nächsten Cassandra die Oberste Robenträgerin des Tempels? Wie wurde aus der einstigen Königin eine Frau des Glaubens? Und die angeblich tote Megara soll eines Tages einfach so erschienen sein und sich selbst gekrönt haben? Der Magister schüttelte ungläubig den Kopf. Die Historiker würden noch viele Jahre daran arbeiten müssen, um Licht in das wirre Dunkel der Geschichte zu bringen. So viele Legenden und Gerüchte rankten in den Landen, so viele Erzählungen ergossen sich kühn von den Lippen der Menschen, die Gehörtes weiter verbreiteten, und pflanzten sich ausgeschmückt immer weiter fort.

Der Gelehrte griff nach einem feinen Teeglas und nippte an dem heißen Kräutertrunk, einer Mischung aus Minze und Himbeere. Als er die Kladde wieder an seinen Platz legen wollte, fiel ein kleiner Gegenstand klimpernd heraus. Der Mann betrachtete ihn und nahm ihn in die Hand: ein flaches Amulett aus Rotgold. Es zeigte Megaras Antlitz mit einem Löwenkörper. Der Magister murmelte: „Ein Mantikor.“ Er wusste, dass Megara sich früher als Göttin hatte anbeten lassen. Mit zitternder Stimme flüsterte er: „Eine wahrlich dunkle Epoche – das Reich der Megara.“ Er legte den Anhänger wieder in die Kladde. Der Magister grübelte noch lange über die ungelösten Fragen nach. Vielleicht würde man eines fernen Tages alle Wahrheiten aufdecken. Oder auch nicht. Eventuell blieb das Reich der Megara zumindest teilweise für immer und ewig in undurchsichtiger Dunkelheit – wie so manch andere Legende aus uralten Epochen ebenso.

Sein Vater, Kapitän Jeremias, hatte ihm auf seinem Sterbebett noch einige Geschichten von Königin Leda erzählt, aber über die Alleinherrscherin Megara wusste er nicht viel zu berichten – oder hatte schließlich nicht mehr die Kraft dazu. Erst diese Worte seines Vaters hatten das flammende Interesse an der Historie des Megarareiches bei dem Sohn geweckt, woraufhin er an der Fakultät die Geschichte des Alten Kontinents studierte. Der Chronist wurde in späteren Jahren ein angesehener Historiker, der sein gesamtes Leben versuchte, Wissen über das Reich der Megara zu sammeln, und sieben in Frakturschrift verfasste wissenschaftliche Abhandlungen über den Alten Kontinent und seine Gesellschaften aufschrieb.

Als die Sonne blutrot unterging, tauchten auch die beiden größten Grabsteine aus Granit auf dem Friedhof hinter der Kirche nach und nach in Finsternis. Um Mitternacht schlug eine Glocke dumpf im aufziehenden Nebel. Trotz lautstarker Diskussionen und Proteste im Parlament, ob die wilden Ostfrauen denn überhaupt als zivilisierte Menschen zu bezeichnen seien, setzte sich der zuständige Geistliche durch und ließ Cassandra auf dem Kirchhof unter einem kleinen Mahnmal beisetzen, auf dem eingemeißelt stand:

Cassandra – Königin Cassandrias und Kultführerin des megarischen Reiches

Neben dem Stein stand ein zweiter, dem ersten nicht unähnlich. Und auch, wenn sich dort keine Gebeine befanden, so sollte er an die große Despotin des Alten Kontinentes erinnern oder mahnen:

Megara – einst Alleinherrscherin des Alten Kontinents. Mit ihr war die böse Saat erwacht. Sie führte die Weiber in sündhafte Versuchung. Sie unterjochte niederträchtig alle Mannsbilder ihres Reiches

Wohin Megara verschwunden war, blieb für immerdar im Dunkeln verschleiert. Doch noch fast hundert Jahre lang erzählte man in vielen Städten, Dörfern und Siedlungen des Westkontinents von einer geisterhaften Erscheinung, die nachts wie ein Nebel durch die Gassen waberte. Und wer dem Geistwesen gewahr wurde und in seine glühenden Augen schaue, verlöre den Verstand. Es sei die tote Megara, die nach Rache giere und im Dunkel Unheil webe.

Eines Nachts wankte ein betrunkener Seemann in seinen blauweiß gestreiften Hosen aus grobem Leinen und dem Matrosenhemd am Hafenkai der Hauptstadt des Westkontinents entlang, eine fast leere Flasche Rum in der Hand; unter den Fingernägeln zeigten sich schwarze Ränder vom Teer, mit dem er seinen kurzen Zopf eingestrichen hatte. Um den Hals baumelte an einem Lederriemen eine Muschel von entfernten Gestaden als Talisman. Das linke Auge des Kerls zierte eine schwarze Stoffklappe, das Gesicht war pockennarbig und unrasiert. Er wirkte fast wie ein Pirat oder anderes lichtscheues Gesindel. Er taumelte von einer anrüchigen Hafenspelunke in das nahe gelegene Bordell, um sich dort mit einer billigen Hure zu vergnügen – die Würze, die seinen Abend abrunden sollte.

Der Neumond erhellte als scharfe Sichel die blauschwarze Nacht nur schwach. Der Mann pfiff eine schräge Melodie und schlurfte auf dem unebenen Pflaster langsam seines Wegs. Jäh blieb er stehen, als sei er gegen eine Wand geprallt, und starrte in die Dunkelheit. Ein Nebel war aufgezogen. In den weißlichen Schwaden glaubte der Saufbold eine Dämonenfratze zu erkennen. Vor Schreck ließ er seine bauchige Flasche fallen, die auf dem steinernen Boden klirrend zerplatzte. Die letzten Tropfen des billigen Fusels versickerten zwischen den Steinen im Erdreich. Waren da in der sich zäh bewegenden grauen Masse nicht zwei lauernde Augen, die ihn wie glühende Kohlen anstierten? Er glotzte in die schwarze Nacht und lauschte dem traurigen Flüstern der laubschweren Baumwipfel.

Von Angst gepackt taumelte der Matrose wie benommen rückwärts. Dabei verlor er das Gleichgewicht und kippte mit den Armen rudernd über die Kante des Kais und stürzte ins Hafenbecken, wo er im schwarzen Nass versank. Einige Luftblasen im Wasser zeugten noch einige Augenblicke von seinem tragischen Unfall, blubberten als wollten sie Hilferufe des Mannes soufflieren, dann war wieder alles still, als sei nichts gewesen.

War das Megaras letzte Schandtat? Niemand würde jemals mit Gewissheit die Wahrheit erfahren.

Nur der einsame Uhu, der auf einem Anlegepfahl gesessen hatte, und sich nun schwerfällig in die Lüfte schwang, war einsamer Zeuge des Vorfalls gewesen. Die Augen des Federviehs schienen in der Finsternis zu glühen. Kurz darauf verschwanden sie mit ihrem Besitzer im Nebel, der sich wabernd wie Brodem über dem trüben Hafenwasser ausbreitete, gleich einer Decke, die ein sinistres Geheimnis verbergen wollte.


Ende









285. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von M A G N U S am 07.08.23 11:59

Ein grandioses Werk höchster schriftstellerischer Leistung hat sein Ende genommen, ich wage für die gesamte Leserschaft hier zu schreiben: Die in kurzer Folge erschienenen Fortsetzungen werden uns fehlen!

Das einzigartige daran sind neben der in den Kommentaren bereits geäußerten Feststellung des geschliffenen Schreibstils auf höchstem Niveau die profunden Kenntnisse im Bereich der Geschichte und Theologie, welche zwischen den Zeilen stehend immer wieder zu erkennen sind, zuletzt in dem Verschwinden von Megaras Leichnam, eine Vorstellung, welche in der Antike ein berühmtes Vorbild hat: Das Grab war leer.

Vielleicht hat ja der junge Gelehrte folgendes in Frakturschrift verfaßt Pergament gefunden, eines der sieben, wieder ist es die kultische Zahl 7, mit dessen Widergabe ich den Verfasser des Historienromans in größter Anerkennung hochachtungsvoll meine Referenz erweisen möchte,
ergebenst M a g n u s.


286. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 08.08.23 08:20

Herzlichen Dank für deine abschließende Bewertung. Mir hat es auch viel Spaß gemacht, die Geschichte zu schreiben.
287. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von sheeeep am 08.08.23 09:36

Lieber Prallbeutel....Haach wie werde ich die bis zum Schluss stetig kommenden Fortsetzungen vermissen! Ich habe ja schon oft geschrieben welches Meisterwerk dir da gelungen ist! Mir ist keine ähnliche Geschichte dieser Qualität und Grösse im Internet bekannt! Noch einmal herzlichen Dank dafür! Herrinnen und vor allem männliche Sklaven ...mein favorisiertes Thema! Solltest du irgendwann wieder einmal Lust verspüren zu schreiben : Es gab das Land Kush in Afrika wie du sicher weisst.Dort herrschten grausame dunkelhäutige Königinnen , die Männer (schwarze wie weisse) waren Sklaven ! Meist aus den Grenzgebieten von Ägypten ... Galeeren,Mühlen,Chariots von Sklaven gezogen etc...ein Paradies für Femdom-Liebhaber. Sicher ein lohnendes Thema , schon gar bei deinem Schreibtalent ...
Liebe Grüsse Christian (sheeeep)
288. RE: Das Reich der Megara (Neuauflage)

geschrieben von prallbeutel am 08.08.23 19:00

Danke dir, für dein Feedback.


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