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Thema:
eröffnet von gag_coll am 15.07.17 16:41
letzter Beitrag von ronn2321 am 04.04.24 17:17

1. Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von gag_coll am 15.07.17 16:41

Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)
Vorwort
Autor: Karl Kollar

Ich denke, ich habe lange genug Fragen gestellt, jetzt es an der Zeit, Taten sehen zu lassen. Hier ist das erste Kapitel der überarbeiteten Geschichte.

Die Figuren sind die gleichen, Hegels und die Studentin Julia. Aber ich habe mich jetzt auch bei den weiteren Details festgelegt.

Aber lest selbst...
2. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung) - Kapitel 1 - Ankunft im Paradies - Teil Eins von Zwei

geschrieben von gag_coll am 15.07.17 16:44

Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)
Kapitel 1 - Ankunft im Paradies - Teil Eins von Zwei
Autor: Karl Kollar

Immer wieder hatte die junge Studentin Julia Sommer die Anzeige am schwarzen Brett der Universität gelesen. ´Mietfrei für Studentinnen gegen die eine oder andere Dienstleistung´, so stand es da in kleinen unauffälligen Buchstaben. Der restliche Inhalt der Anzeige klang eigentlich recht viel versprechend, denn versprochen war ein eigenes Appartement in einem großen Haus mit Familienanschluss, falls gewünscht. Doch so verlockend es auch klang, der Zusatz konnte über die eigentlichen Mietbedingungen natürlich nicht hinwegtäuschen.

Als die Anzeige das erste Mal dort hing, gab es vor allem bei den Studentinnen einen großen Aufschrei, denn eine so sexistische Anzeige war einfach nicht akzeptabel. Der Zettel wurde in der Regel spätestens nach einer Stunde abgerissen, doch genauso regelmäßig wurde er anscheinend in der Nacht wieder erneuert. Mittlerweile hatten sich die Wogen geglättet, und der Zettel wurde hauptsächlich ignoriert.


Heute morgen hatte sie all ihre Habseligkeiten in die zwei Koffer gepackt, die jetzt all ihren Besitz darstellten, und hatte die kleine Studentenbude verlassen, in der sie bisher mit ihrer Freundin gewohnt hatte. Natürlich hatte sie schon seit langem gewusst, dass ihre Freundin die gemeinsame Wohnung aufgegeben hatte und zu ihrem Freund ziehen wollte, doch Julia hatte es einfach ignoriert.

Irgendwie hatte sie noch auf ein Wunder oder etwas ähnlich Unwahrscheinliches gehofft und sich nur um ihr Studium gekümmert. Sie hatte schon immer den Wunsch, Innenarchitektin zu werden und diesem Wunsch hatte sie bisher alles andere untergeordnet. Für ihren Traum war sie bereit, zu kämpfen, doch dieses Mal schienen ihr die Probleme trotz ihrer Natur als Kämpferin zu entgleiten.

Zu Beginn ihrer Flucht vom elterlichen Bauernhof hatte sie es gut durch kalkuliert und war der Meinung gewesen, dass ihre Ersparnisse für die Zeit des Studiums reichen müssten. Doch schon bald hatte sie erkennen müssen, dass ihre Kalkulation falsch war. Die Miete war deutlich teurer und auch das Studentenleben kostete Geld. Mit etwas Bedauern hatte sie sich um einen Job bemüht, doch das Jobben in der Studentenkneipe brachte ihr gerade mal so viel ein, dass sie sich das Essen und die Monatskarte davon leisten konnte. Seufzend dachte sie daran, dass sie auch das Geld aus der Erbschaft ihrer Oma schon aufgebraucht hatte, obwohl sie es ursprünglich als die eiserne Reserve eingeplant hatte.

Bisher hatte sie sich die Miete mit ihrer Freundin geteilt, und Julia hatte ihren Anteil von dem Geld bezahlt, welches sie seit ihrer Konfirmation gespart hatte. Doch jetzt war das Geld aufgebraucht, und Julia konnte das Angebot des Vermieters, die Wohnung allein zu übernehmen, nicht annehmen, denn sie konnte die verlangte Miete bei weitem nicht aufbringen. Trotzdem war sie immer noch entschlossen, ihr oberstes Ziel zu verfolgen und Innenarchitektin zu werden.

Mit Tränen in den Augen hatte sie sich heute morgen von ihrer Freundin und der gemeinsamen Zeit verabschiedet und stand gleich darauf mit ihren zwei Koffern wortwörtlich auf der Straße. Zunächst hatte sie ihr Weg in die vertraute Universität geführt, und dort lauschte sie anbetungsvoll den Worten der Professoren, während ihre beiden Koffer auf dem Platz neben ihr standen.

Während der Vorlesungen konnte sie ihre Probleme ein wenig verdrängen, doch eines wusste sie sicher: Sie wollte nicht auf den Bauernhof ihrer Eltern zurück. Sie war auch vor dem Leben geflüchtet, das dort auf sie gewartet hatte und wohl auch noch wartete. Sie hätte den ungehobelten Klotz vom Nachbarhof heiraten sollen und hätte dann das traurige Leben einer Bäuerin führen müssen. Immer wenn sie an ihre Heimat dachte, wurde sie wütend, auch heute noch. Ihre Eltern hatten sie einfach so verkuppelt, weil es schon immer so Brauch war in ihrem Dorf.

Immerhin hatten sie ihr und ihren Brüdern sehr früh den Führerschein finanziert. Doch jetzt im Rückblick wusste sie auch den Grund dafür. Für den Beruf als Bauer war Mobilität einfach wichtig. Doch in ihrer jetzigen Lage half ihr das auch nicht weiter.


Seufzend hob sie ihre zwei Koffer hoch und schlich langsam zum Ausgang des Unigebäudes. Das Wort ´obdachlos´ drängte sich langsam in ihre Gedanken, doch auch jetzt war sie noch nicht bereit, dies als die traurige Realität anzuerkennen.

Doch auf dem Weg zu dem großen Portal fragte sie sich, wohin sie eigentlich gehen wollte. Zu den Eltern zurück wollte sie auf keinen Fall, und die Schlüssel für die gemeinsame Wohnung hatte sie heute morgen abgegeben. Wieder seufzte sie und stellte ihre Koffer ab.

In der Tageszeitung hatte sie natürlich die Mietanzeigen studiert, doch selbst für die billigsten Angebote fehlte ihr das nötige Geld, und neues war auch nicht in Aussicht.

Fast wie in Zeitlupe drehte sie sich um und blickte wieder zu der Anzeige, die sie jetzt fast zu rufen schien. Bis vor kurzem hatte sie sich noch zusammen mit ihren Kommilitoninnen noch darüber lustig gemacht und spekuliert, wie verzweifelt ein junges Mädchen wohl sein müsse, um auf so ein Angebot einzugehen. Jetzt stellte sie mit viel Sarkasmus fest, dass sie alle diese Kriterien erfüllte. So traurig es auch war, jetzt stellte der Zettel so etwas wie ihre letzte Hoffnung dar. Und dafür hasste sie sich.

Doch dann ertappte sie sich schon dabei, dass sie dabei war, das Guthaben auf ihrem Handy abzufragen. Noch würde das Geld für einen Anruf ausreichen, auch weil sie ansonsten sehr sparsam damit war.

Wieder seufzte sie, dann steckte sie das Handy zurück in ihre Tasche und hob die Koffer hoch, um dann mit traurigen Schritten zu der Anzeige zu gehen.

Seufzend riss sie sich einen der Zettel mit der Telefonnummer herunter und griff zu ihrem Handy. ´Dann mache ich eben die Beine breit´, überlegte sie sich und verachtete sich aber gleichzeitig dafür. ´So schlimm wird es schon nicht sein. Danach gleich unter die Dusche und die Miete wäre bezahlt.´ Seufzend und mit etwas Tränen in den Augen begann sie die Nummer zu wählen.

Sie hörte, wie die Nummer gewählt wurde, dann kam der Rufton. Es klingelte zwei Mal, dann meldete sich eine sympathische Frauenstimme. »Hegel«

Julia war ziemlich verwirrt, sie hatte eine Männerstimme erwartet und stotterte etwas. »Es... es ... geht um die Wohnung... den Zettel... Ähm.« In ihrer Verwirrtheit hatte sie sogar vergessen, sich vorzustellen.

Frau Hegel schien sofort Bescheid zu wissen. »Ja, die Wohnung ist frei und zu besichtigen. Kommen sie doch einfach vorbei, ich bin den ganzen Tag zuhause.« Sie nannte eine Adresse und beschrieb den Weg, dann fragte sie Julia noch ihrem Namen und ihrer Telefonnummer.

Julia nannte ihre Daten und versprach, dass sie sofort vorbei kommen wollte, dann legte sie auf und machte sich mit ihren Koffer auf den Weg.

Erst jetzt fiel ihr auf, dass die Adresse, die die nette Frau ihr gegeben hatte, sich in Grünwald befand, dem sehr noblen Vorort von München. Früher war sie öfters mit ihrer Freundin zusammen in der Straßenbahn hinaus gefahren und hatten die recht mondäne Atmosphäre genossen.

Die nette Frau hatte ihr sogar beschrieben, wie sie am besten fahren sollte und dass es das Haus gleich neben der Haltestelle wäre.

Ein wenig ermutigt nahm sie ihre Koffer und ging in Richtung U-Bahn. Dass sie sofort einen Besichtigungstermin bekommen hatte, kam ihr nicht verdächtig vor, im Gegenteil, sie empfand es eher als Glück.

* * *

Frau Hegel legte den Hörer auf und ging das Telefonat in Gedanken noch einmal durch. Das Mädel hatte eine sympathische Stimme, und sie hatte nicht sofort nach den Bedingungen gefragt. Ein kleines Fünkchen Hoffnung glimmte auf.

Sie schaute auf die Uhr und erkannte sofort, dass sie sich beeilen musste, wenn bis zu der Ankunft der neuen Mieterin alles bereit sein sollte.

Sie hob noch einmal den Hörer ab und wählte die vertraute Nummer.

Ihr Mann meldete sich.

Ihre Stimme zitterte leicht, sie bemühte sich, sie im Zaum zu halten. »Stell Dir vor, mein Schatz, wir bekommen vielleicht eine neue - ´Tochter´.« Vor dem Wort Tochter hatte sie eine bedeutungsvolle Pause gemacht. »Sie kommt gleich und stellt sich vor.«

Ihr Mann Professor Hegel freute sich deutlich hörbar.

»Ich fange wieder mit dem Mantel und dem Nachthemd an.« Sie seufzte. »Vielleicht klappt es dieses Mal.«

»Mach, was Du für richtig hältst.« Ihr Mann stimmte ihr zu. »Vielleicht ist es ja dieses Mal die Richtige. Ich liebe Dich.« Er legte auf. Er wollte seine Frau nicht daran erinnern, dass es von der Terminlage her ihre letzte Gelegenheit war.


Sofort machte sich Frau Hegel auf in den Raum, den sie wie jedes bisherige Mal auch als das Zimmer ihrer Tochter ausgegeben hatte. Eigentlich war es schon perfekt für eine neue Mieterin vorbereitet, doch seit sie Frauke erlaubt hatte, es gelegentlich zu benutzen, wollte sie doch sicher sein, das alles in Ordnung war.

Wie üblich stand das Dienstmädchen an dem Erkerfenster nach Osten und blickte hinaus, als Frau Hegel das Zimmer betrat. »Frauke, bitte betreten sie ab sofort dieses Zimmer nicht mehr.«

Frauke zögerte ein wenig.

»Wir bekommen eine neue Mieterin, und ich möchte nicht, dass sie sie stören.« Frau Hegel zeigte energisch auf die Tür.

Frauke setzte eine Schmollmiene auf, dann ging sie mit langsamen Schritten aus dem Zimmer. An der Tür blickte sie noch einmal sehnsüchtig zurück in den Raum, der für sie so etwas wie Hoffnung darstellte und der ihr jetzt scheinbar versperrt war. Doch insgeheim wusste sie, dass auch eine neue Mieterin sie nicht davon abhalten konnte, ihren Träumen nachzugehen.

Nachdem sich die Tür geschlossen hatte, blickte Frau Hegel noch einmal recht kritisch durch den Raum. Es sah so aus, als hätte ihre Tochter das Zimmer nur mal kurz verlassen. Ein klein wenig Unordnung und doch auch sauber und gepflegt. Es hatte sie beide auch viel Mühe gekostet, das Zimmer in diesen Zustand zu bringen, und Frau Hegel musste oft an ihre eigene Jugend zurück denken, um es richtig einzurichten. Denn eine eigene Tochter hatte es nie gegeben.

* * *

Julia war sehr beeindruckt von dem großen zweistöckigen Haus, vor dem sie jetzt angekommen war. Es stand allein auf einem großen Grundstück, und zu den Nachbarhäusern, die nicht viel kleiner waren, war viel Abstand. Es war das Haus oder besser die Villa, die ihr schon bei den vielen Straßenbahnfahrten durch Grünwald aufgefallen war.

Gerade wollte sie auf das eher bescheidene Messingschild drücken, als das Tor schon surrte und sie nur noch dagegen drücken musste.

Die Haustür ging auf und eine Frau im mittleren Alter trat heraus. Julia war sehr überrascht, als sie feststellte, dass die Frau genauso sympathisch aussah, wie ihre Stimme geklungen hatte, wenn es denn Frau Hegel war.

»Hallo! Sie haben eben angerufen?« Frau Hegel konnte es nicht verhindern, dass ihre Stimme ein wenig zitterte, als sie sich vorstellte.

Julia war wie bei dem Telefonat etwas überrumpelt und konnte erst einmal nur kurz nicken. Sie räusperte sich und nannte dann ihren Namen.

»Dann kommen sie herein, sie möchten sich sicher die Wohnung ansehen.« Frau Hegel machte eine einladende Handbewegung.

Julia hatte ihre Sorgen wegen der Miete schon fast vergessen, denn die Frau machte einen sehr sympathischen Eindruck. Doch sie wusste, dass das Thema sicher noch kommen würde. Ob Frau Hegel etwa...? Nein, das konnte doch nicht sein. Sie schalt sich eine Närrin.


Das Haus war wirklich schön und gemütlich, und es wirkte viel größer, als sie es sich vorgestellt hatte. Es war sehr geschmackvoll eingerichtet und es gab wenig, was Julia mit ihrem Blick als angehende Innenarchitektin störte.

Ihre Augen leuchteten jetzt schon. Ja, hier würde sie wunderbar wohnen können. Doch wie würde es mit der Miete sein? Wieder legten sich ein paar Sorgenfalten auf ihre Stirn.

Es schien, als könne Frau Hegel ihre Gedanken lesen. »Sie wissen, das wir wegen der Miete kein Geld wollen.«

Julia nickte. Jetzt kam es. Sie wollte gerade den Mund aufmachen, als Frau Hegel schon weiter sprach. »Wir möchten, dass sie die Kleidung unserer Tochter tragen. Sie könnte ihnen sogar ohne Änderung passen.«

Julia war noch ganz in ihren Vorurteilen gefangen. »Ja, so einmal pro Monat, oder?« Ihre Stimme klang traurig, dann erst realisierte sie, was Frau Hegel gerade gesagt hatte.

Doch die Frau des Professors hatte ihre Antwort schon aufgenommen und ihre Stimme klang scheinbar etwas verwundert: »Naja, wir hatten schon an ´täglich´ gedacht.«

Julia riss es erst jetzt aus ihren Vorurteilen, »Bitte, was haben sie gesagt?«

Frau Hegel spürte die Verunsicherung, aber auch die Erleichterung von Julia und macht mit ihrem vorbereitetem Plan weiter. »Wir möchten, das sie so oft wie möglich die Kleidung unserer Tochter tragen.« Sie versuchte einen glaubhaften Seufzer und gab sich Mühe, ihre Stimme traurig klingen zu lassen. »Sie ist nicht mehr bei uns und wir vermissen sie sehr. Sie würden uns damit auch eine große Freude machen.«

Julia war sichtlich überrumpelt, »Ich hatte an ganz was Anderes gedacht.« Dabei wurde sie ziemlich rot.

´Es klappt jedes Mal´, dachte Frau Hegel bei sich. »Nein, mein Kind, so etwas würden wir doch nicht von ihnen verlangen. Haben sie das wirklich gedacht?« Es war zwar gemein und hinterhältig, so mit den Vorurteilen junger Mädchen zu spielen, doch es erfüllte seinen Zweck, und das ziemlich zuverlässig.

Julia war sehr erleichtert und versuchte ihrerseits, das unangenehme Thema zu überspielen. »Welche Kleidung soll ich denn tragen?« Was sie nicht wusste, war, dass ihr Gegenüber das so sogar vorhergesehen und erwartet hatte.

Frau Hegel sah sich auf dem richtigen Weg. »Wir dachten für den Anfang an ihren Ledermantel und das seidene Nachthemd.«

Julia schaute etwas unsicher, weil sie es noch nicht so recht glauben wollte.

»Den Mantel natürlich nur, wenn sie draußen sind«, fügte Frau Hegel geradezu beiläufig hinzu.

»Und das wäre meine Miete?« Julia wollte es immer noch nicht glauben. »Das kann doch nicht sein.«

»Doch, genau das wird ihre Miete sein.« Sie zögerte etwas und dachte bei sich, dass sie jetzt scheinbar ehrlich sein müsste. »Okay, die Kleidung ist etwas ungewöhnlich, unsere Tochter hatte da einen ganz eigenen Geschmack.«

»Das wäre zu schön«, Julia sah auf einmal alle ihre aktuellen Sorgen gelöst.

»Ich würde ihnen gern ihr Zimmer zeigen.« Frau Hegel spannte ihr Netz weiter.

»Oh ja, natürlich.« Julia erinnerte sich nur langsam daran, dass es vielleicht noch ein paar Hürden geben könnte.

* * *

Julia war sofort angetan von dem sehr großen und freundlichen Zimmer, und verglichen mit ihrem früheren Zimmer auf dem Bauernhof war das hier purer Luxus. Sie begann wirklich Vertrauen zu fassen. Und das mit dem Mantel wäre sicher eine läppische Sache. Sie war zu glücklich, um misstrauisch zu werden. Fragend blickte sie Frau Hegel an: »Ist denn an dem Mantel so was besonderes?«

Diese hielt innerlich den Atem an, denn sie wusste nicht, wie Julia wirklich auf den Mantel reagieren würde. »Augenblick, ich würde ihnen den Mantel einfach zeigen.« Sie verließ den Raum und kam kurz darauf mit dem Kleidungsstück zurück. Sie hatte Julias Größe geschätzt, jetzt hoffte sie, dass ihr Augenmaß sie auch diesmal nicht um Stich gelassen hatte. Ansonsten hatten die Mäntel alle die gleichen Eigenschaften. Sie hielt Julia den Mantel hin.

Julia war sofort fasziniert von dem glatten und leicht glänzendem Leder. Zärtlich strichen ihre Finger über das weiche Material. Schließlich steckte ihre Arme in die Ärmel und ließ sich von Frau Hegel in den Mantel helfen.

Diese trat vor sie und machte den langen Reißverschluss zu. Dann blickte sie die Studentin neugierig an.

»Das ist doch ein ganz normaler Mantel, oder?« Julia begriff zuerst nicht.

Frau Hegel hielt innerlich den Atem an, denn es war immer ein spannender Moment, wenn die Mädchen ihre Hilflosigkeit entdeckten. »Na, dann versuchen sie mal, ihre Arme zu bewegen.«

Julia stellte erstaunt fest, das ihre Arme zwar in den Ärmeln zwar ein wenig Spiel hatten, aber die Ärmel gaben nicht nach. Wenn Julia ihre Arme wirklich bewegen wollte, zwangen sie sie dazu, ihre Arme längs am Körper zu halten. Sie blickte Frau Hegel fragend an. »Das ist aber ein seltsamer Mantel. Hat den ihre Tochter wirklich getragen?«

»Carolin hatte sich das so gewünscht.« Frau Hegel war über Julias Antwort erleichtert, denn einige der anderen Mädchen hatten schon weitaus schlimmer reagiert. »Wir haben ihn nach ihren Wünschen umarbeiten lassen.«

Julia zögerte, so ganz geheuer war ihr das Ganze noch nicht.

»Ihre Miete besteht darin, draußen wann immer es sich anbietet, diesen Mantel zu tragen.« Frau Hegel setzte nach. »Natürlich werden wir dabei auf sie aufpassen, denn wir wissen, dass sie damit etwas behindert sind.« Sie holte scheinbar tief Luft. »So wie der Mantel jetzt ist, müssen sie ihn für die Miete tragen.«

Julia glaubte, mit ihrem noch vorhandenen Misstrauen etwas zum Nachfragen gefunden zu haben. »Was meinen sie damit?«

Frau Hegel war erleichtert, dass ihre zukünftige Vermieterin den Köder anscheinend schon geschluckt hatte. »Der Mantel kann auch noch strenger sein.« Sie lächelte hintergründig. »Darf ich ihnen das eventuell vorführen?«

»Gehört das auch zur Miete?«, fragte Julia immer noch recht unsicher.

»Nein.« Frau Hegel schüttelte mit dem Kopf. »Aber vielleicht gefällt es ihnen ja trotzdem.«

Julia nickte vorsichtig. Sie wollte es nicht riskieren, kurz vor dem Ziel doch noch abgewiesen zu werden.

Frau Hegel kniete sich vor Julia hin und bat diese, ihre Beine einmal eng aneinander zu stellen. »Carolin wollte hier einen zweiten Reißverschluss haben, und wenn ich den zumache, dann wird der Mantel noch etwas enger.«

Julia hörte das dieses typisches Ratschen und als Frau Hegel sich wieder aufrichtete, versuchte sie, ihre Beine zu bewegen. »Oh, das ist allerdings etwas strenger.« Sie lächelte verlegen, dann versuchte sie ein paar Schritte zu gehen. »So kann ich nur ganz langsam gehen.«

»Wie gesagt, die strenge Variante müssen sie nicht tragen.« Frau Hegel gab sich verständnisvoll. »Das ist gefährlich, weil sie dann wirklich sehr hilflos sind.«

Julia war über die scheinbare Ehrlichkeit sehr beeindruckt. Und doch war da noch ein Rest von Misstrauen, denn es erschien auf einmal alles so einfach. »Und wie lange kann ich hier wohnen?«

»So lange sie wollen, und sie bekommen einen normalen Mietvertrag.« Erleichterung machte sich bei Frau Hegel breit. »Nur die Miete wird anders geregelt.«

Für Julia schienen sich auf einmal alle Sorgen aufgelöst zu haben, die sie bis vor kurzem noch plagten. Sie hatte eine neue Unterkunft und konnte sogar die Miete selbst erbringen. Das war der Punkt, der ihr bisher am meisten Sorgen gemacht hatte. Jetzt würde sie sich wieder ungestört ihrem Studium widmen können.

Jetzt blieb aus ihrer Sicht nur noch ein Punkt: »Ab wann könnte ich einziehen? Ich stehe nämlich wortwörtlich auf der Straße.« Es kostete sie etwas Kraft, dies auszusprechen.

»Von mir aus könnten sie gleich hier bleiben.« Frau Hegel macht innerlich ehrliche Freudensprünge, weil es dieses Mal sehr viel versprechend verlief. »Das Zimmer steht leer und ist sofort bezugsfähig. Hier wäre der Mietvertrag zum Unterschreiben.«

Alle möglichen Gedanken gingen Julia durch den Kopf, doch stets blieb Eines über, es wäre traumhaft. Immer noch im Mantel blickte sie Frau Hegel an und sagte leise, »Ja, ich möchte das Zimmer haben.« Etwas leiser sprach sie weiter. »Ich würde aber gern noch den Mietvertrag lesen.« Aus dem Internet kannte sie diverse Erzählungen mit versteckten Klauseln in den Verträgen, entsprechend wollte sie sich abgesichert wissen.

Frau Hegel zeigte auf den Tisch, wo der Vertrag lag. Julia trippelte an den Tisch, setzte sich und begann zu lesen. Erst als sie umblättern wollte, fiel ihr auf, dass sie ja noch den Mantel trug. Sie war so aufgeregt, dass sie es erst jetzt bemerkte. Unsicher blickte sie ihre Vermieterin an. »Ich kann nicht umblättern.«

»Dann stehen sie bitte noch einmal auf.« Frau Hegel ging zu ihr hin und half ihr aus dem Mantel.

Julia bedankte sich und setzte sich wieder an den Vertrag. Soweit sie das beurteilen konnte, war es ein ganz normaler Mietvertrag. Trotzdem las sie auch das Kleingedruckte und inspizierte die Zusatzvereinbarungen, in denen allerdings nur die besonderen Modalität bezüglich der Miete geregelt wurden. Dort war allerdings sowohl von dem Mantel als auch von einem Nachthemd die Rede war. Auch von einem gemeinsamen Abend war die Rede. Julia fragte diesbezüglich nach. »Das Nachthemd ist wahrscheinlich so etwas ähnliches der Mantel?«, fragte sie Frau Hegel.

»Ja, das ist auch von meiner Tochter.« Frau Hegel zögerte ein wenig. »Wenn sie möchten, kann ich es ihnen auch zeigen.«

Julia schüttelte den Kopf, denn das war ihr Antwort genug. Doch dann stieß sie ganz am Ende doch noch über einen Punkt, der sie zögern ließ. Es betraf das Taschengeld, das ihr unter bestimmten Bedingungen zustehen würde. »Mir steht unter bestimmten Bedingungen noch ein Taschengeld zu?« Sie war etwas erstaunt, denn sie wusste, dass es nie etwas umsonst gab, vor allem kein Taschengeld. »Wofür bekomme ich das?«

Frau Hegel war sich sicher, dass ihre zukünftige Mieterin darüber stolpern würde. »Sie können sich etwas Geld dazu verdienen, in dem sie noch weitere Kleidungsstücke unserer Tochter tragen.«

Julia überlegte einen Moment und blickte dabei auf den Mantel, der jetzt auf dem Tisch lag und leicht in der Sonne glänzte. »Das sind dann sicher wieder solche komischen Sachen, oder?«

»Und was heißt ´gemeinsamer Abend´?« Julia konnte es nicht verhindern, dass ein wenig Misstrauen in ihrer Stimme mit schwang.

»Wir erwarten für die Miete, dass sie einen Abend pro Woche mit uns verbringen und uns darüber berichten, wie sie mit der Kleidung zurecht kommen.« Frau Hegel holte tief Luft. »Ich denke, immer Donnerstag wäre doch ein guter Termin.«

»Muss ich dabei den Mantel tragen?« Julia blickte immer noch unsicher auf das schwarze Leder, was sich vor ihr ausbreitete.

»Nein, natürlich nicht.« Frau Hegel zeigte ein ehrliches Lächeln. »Aber es gäbe vielleicht das eine oder andere Kleidungsstück aus Carolins Schrank, welches wir gern wieder einmal getragen sehen würden.«

»Und dafür bekäme ich dann das Taschengeld?« Julia versuchte instinktiv, möglichst gut zu verhandeln.

»sie bekommen das Geld dafür, dass sie die Kleidung tragen.« Frau Hegel wollte in diesem Punkt Klarheit. »Die Anwesenheit am Donnerstag Abend betrachten wir als Teil der Miete.«

Die Aussicht, auch noch Taschengeld zu bekommen, ließ bei Julia die letzten Zweifel verschwinden.

»Sie haben bei uns keine Kündigungsfrist, dürfen jederzeit ausziehen und müssen nichts zurück zahlen.« Frau Hegel lächelte. »Wir bieten ihnen eine Kündigungsfrist von drei Monaten. Sind sie einverstanden?«

Julias Augen glänzten, als sie wieder zum Mietvertrag griff und ihn mit dem bereitliegenden Stift unterschrieb. Glücklich stand sie auf und blickte sie Frau Hegel an.

Diese gab ihr die Hand. »Willkommen in unserem Haus. Es wird ihnen sicher bei uns gefallen.«

Julia war mehr als erleichtert und glücklich. Doch jetzt erst fiel ihr Blick auf den Stuhl. Auf dem sie gerade gesessen hatte und sie bemerkte die seltsame Rückenlehne. Das Stück in der Mitte war frei, die Lehne bestand quasi nur aus zwei Brettern links und rechts. »Was ist denn das für eine komische Lehne?«

Frau Hegel war über die immer noch etwas misstrauische Frau sehr erleichtert, denn sie spürte, dass sie mit ihrer neuen Mieterin auf der richtigen Spur war. »Carolin hat oft ihren Monohandschuh getragen und mit der Lehne konnte sie dann trotzdem gut darauf sitzen.« Insgeheim wusste sie, dass sie hier die vorbereitete falsche Wahrheit sagen konnte, denn Julia würde nicht nachfragen. Aber ein zartes Pflänzchen Neugier war in die Erde gesetzt.

Julia ließ ihren Blick durch das Zimmer gleiten und sie glaubte, an dem Sessel, der am Fenster stand, eine ähnliche Aussparung zu sehen.

»Sie sollten sich jetzt gleich auf dem Amt vorstellen und ihre neue Adresse als ihren Wohnsitz melden.« Frau Hegel wollte die gute Stimmung nutzen und auch testen, wie Julia reagieren würde, wenn sie den Mantel in der Öffentlichkeit tragen würde. »Wenn sie möchte, begleite ich sie.«

Julia blickte etwas erstaunt auf und wunderte sich, dass Frau Hegel an so etwas dachte. Sie ging zum Tisch und nahm sich den Mantel zur Hand. »Ich nehme an, den muss ich jetzt tragen, oder?«

»Ja.« Die Vermieterin lächelte. »Das haben sie zugesagt.«

Julia lächelte verlegen, dann begann sie, sich den Mantel anzuziehen, doch sie musste bald feststellen, dass sie wegen der festgenähten Ärmel nicht alleine hinein kam.

Frau Hegel unternahm zunächst nichts. Erst als Julia sie ansah, trat sie auf sie zu und half ihr in den Mantel. Als sie vorn den Reißverschluss schloss, hörte sie ein leises Seufzen von Julia. Sie blickte auf.

Julia lächelte wieder etwas verlegen. »Jetzt bin ich gefangen.« Ihre Stimme war leise und zitterte ein wenig.

»Sie werden sicher leicht mit dem Mantel zurecht kommen.« Frau Hegel strich ihr über den Kopf. »Lassen sie uns gehen.« Sie blickte zur Tür und ging dann langsam darauf zu.

Julia seufzte wieder, dann ging sie langsam hinterher. Sie fühlte bei jedem Schritt, dass sie unbewusst ihre Arme bewegen wollte und jetzt aber nur die Enge der Ärmel spürte. Ein seltsames Gefühl überkam sie.

* * *

Auf dem Amt mussten sie etwas warten. Julia saß neben Frau Hegel und hatte den Mantel auf ihrem Schoß liegen. Sie betrachtete ihn genauer und bestaunte zunächst das schöne weiche Leder, doch dann fielen ihr ein paar Besonderheiten auf. Sie entdeckte die Nähte, die den Ärmel an der Seite festhielten und auch den zusätzlichen Reißverschluss für die Beine. Sie spielte etwas damit herum, denn es faszinierte sie, das dieses unschuldige Leder sie so gefangen halten konnte.

Nach einiger Zeit blickte sie Frau Hegel an. »Es ist ein sehr seltsamer Mantel.« Sie machte eine kleine Pause. »Aber er gefällt mir gut. Ich werde ihn gern tragen.« Ihr fiel auf, dass die Ärmel recht dick gearbeitet waren und sie fragte Frau Hegel danach.

»Die Ärmel sind doppelt gearbeitet.« Frau Hegel kam nicht umhin, mit der Stimme etwas zu zittern, weil sie gerade die Wahrheit sagte. »Sie können mit dem langen Reißverschluss ganz eng gemacht werden.«

Julia war sichtlich verunsichert. »Gehört das auch zur Miete?«

»Nein, natürlich nicht.« Frau Hegel wurde nervös, weil Julia fast so etwas wie Interesse zeigte. »Wenn sie wollen, dann können wir nachher noch etwas spazierengehen und ich werde es ihnen zeigen.«

»Ja gern« Julia spielte weiter mit dem Mantel herum. »Der Kragen ist auch ziemlich dick, und da sind auch noch mal Reißverschlüsse?«

»Ja, dort kann man den Mantel auch noch strenger machen, aber das gehört auch nicht mehr zur Miete, weil es sehr restriktiv sein kann.« Ihre Stimme war etwas leiser, denn sie war innerlich angespannt. Sie spürte Julias ehrliches Interesse und war sehr gespannt, wie weit ihre neue Mieterin wohl gehen würde.

»Ihre Tochter hatte aber seltsame Wünsche?« Julia sprach es beiläufig aus, doch ein Schatten im Gesicht ihrer Vermieterin ließ sie inne halten. Es wurde ihr bewusst, dass sie bisher gar nichts über den Verbleib der Tochter wusste und insgeheim Angst hatte, durch falsche Fragen vielleicht traurige Erinnerungen zu wecken. Ihre Miene zeigte, dass sie über ihre Gedanken selbst erschrocken war.

Doch zu ihrer Erleichterung strich ihr Frau Hegel nur leicht über den Kopf. »Bei Gelegenheit werde ich ihnen ein wenig über Carolin erzählen.«

Dermaßen ermutigt sprach Julia weiter. »Ausprobieren mag ich die Kleidung schon mal.« Die Studentin war sichtlich beeindruckt, und ein gewisses Leuchten erschien in ihren Augen. »Ich will ja meine Miete ordentlich zahlen.«

Wieder strich ihr Frau Hegel über den Kopf. Julia war über diese eigentlich recht intime Geste sehr erfreut.

Sie wurden aufgerufen.


Es ging dann sehr schnell auf dem Amt, und als sie das Rathaus wieder verließen, war Julia an ihrem neuen Wohnsitz angemeldet. Jetzt wo sie es schwarz auf weiß hatte, fühlte sie so etwas wie große Erleichterung und zugleich auch Abenteuerlust. Sie trug den Mantel noch auf dem Arm, blieb stehen und blickte Frau Hegel fragend an. »Wir wollten noch spazieren gehen?« Sie senkte den Kopf und wurde leiser. »Mit dem strengen Mantel.«

»Sind sie sich wirklich sicher?« Frau Hegel war ehrlich erstaunt. »Der Mantel kann sehr restriktiv sein.«

Julia hielt den Kopf gesenkt, um ihre Röte zu verbergen. »Bitte zeigen sie es mir.«

»Nun gut.« Frau Hegel lächelte. »Aber dann sagen sie bitte nicht, dass ich sie nicht gewarnt hätte.« Das Lächeln verwandelte sich in ein Grinsen. Sie griff zum Mantel und half Julia, ihre Arme in den Ärmel zu stecken, dann schloss sie den vorderen Reißverschluss.

Julia keuchte leise.

»Stellen sie bitte ihre Beine zusammen.« Frau Hegel gab sich große Mühe, ihre Stimme nicht zittern zu lassen. Sie beugte sich zu Julias Beinen hinunter und zog den Reißverschluss langsam zu. In dem Rockteil war ein Gummizug eingearbeitet, der es ermöglichte, dass sich das Leder sehr eng um Julias Beine legen konnte.

Die Studentin keuchte etwas, als sie den zunehmenden Druck spürte. »Ob ich damit wirklich noch gehen kann?« fragte sie mehr zu sich selbst.

»Naja, große Schritte sind jetzt nicht mehr möglich.« Frau Hegel genoss die Situation. »Aber wir haben jetzt ja Zeit.« Sie erhob sich wieder. »Kommen sie, wir gehen ein paar Schritte.« Insgeheim war sie sehr interessiert, wie ihre neue Mieterin auf die Strenge reagieren würde.

Julia versuchte keuchend die ersten Schritte. »Das wird aber mühsam.« Sie blieb stehen. »Ihre Tochter hat das wirklich so getragen?« Sie begann zu erkennen, dass sie dabei war, in die Fußspuren von Carolin zu treten. Und zwar in anscheinend sehr große Fußstapfen.

»Wir haben den Mantel nach ihren Angaben fertigen lassen.« Frau Hegels Stimme zitterte vor Erregung. »Es hat richtig lange gedauert, bis Carolin mit allem zufrieden war.«

Julia ging wieder ein paar Schritte. Sie hatte erkannt, dass ihre Vermieterin begann, sie mit ihrer Tochter zu vergleichen und darauf bezog sie eine gewisse Verpflichtung. Doch dann blieb sie wieder stehen. »Wie war das mit den Ärmeln?« Irgendwie war ihr auf einmal nach Abenteuer zumute, und der Mantel versprach, ein ganz tolles zu werden. Doch zugeben wollte sie es noch nicht.

´Sie fragt auch noch von selbst.´ Frau Hegel war mehr als fasziniert. »Bitte legen sie ihre Arme dicht an ihren Körper.« Sie sprach etwas leiser, weil sie sehr angespannt war.

Julia kam der Aufforderung nach und gleich darauf fühlte sie an den Armen den gleichen Druck wie schon bei den Beinen. »Sind da Gummibänder eingearbeitet?« Sie keuchte wieder.

»Wie kommen sie darauf?« Frau Hegel war verwundert. »Aber ja, sie haben Recht.«

»Es ist dieser gleichmäßige Druck, der mir sehr gefällt.« Julia versuchte, ihre Arme zu bewegen, doch sie stellte fest, dass sie nur noch ihre Hände bewegen konnte. »Und es fühlt sich toll an.«

»Lassen sie uns ein paar Schritte gehen.« Frau Hegel ermutigte Julia. »Darf ich den Arm um sie legen? Sie werden feststellen, dass sie jetzt nicht mehr mit den Armen balancieren können.«

Julia stellte schon nach wenigen Trippelschritte fest, dass ihre Vermieterin Recht hatte. »Oh ja bitte.« Sie war erleichtert, als sie den zusätzlichen Halt spürte. »Erst jetzt merkt man, wie wichtig doch die Arme beim Gehen sind.«

»Und auch der Hals ist wichtig, weil man ja sehen möchte, wohin man tritt.« Frau Hegel führte ihren Schützling langsam vorwärts.

»Warum erwähnen sie den Hals?« Julia drehte den Kopf zu Frau Hegel, doch dann grinste sie. »Es hat mit dem Mantel zu tun, richtig?«

»Es ist sehr mutig von ihnen, gleich alle Restriktionen des Mantels auf einmal ausprobieren zu wollen.« Frau Hegel war sichtlich beeindruckt. »Aber ja, in den Mantel ist auch eine Art Halskorsett eingearbeitet. Damit wird der Kopf fixiert und macht sie noch ein wenig hilfloser.«

»Dann möchte ich es ausprobieren.« Julia war durch die ganz neuen Gefühle sehr ermutigt. »Ich möchte meine Miete doch ordentlich zahlen.« Sie fühlte in der zunehmenden Enge vor allem so etwas wie Geborgenheit. Sie blieb stehen, drehte sich zu Frau Hegel und blickte sie fragend an.

Frau Hegel griff an den langen Kragen, klappte ihn hoch und schloss dann einen weiteren Reißverschluss. »Carolin wollte hier erst noch kleine Korsettstangen eingearbeitet haben, doch dann wäre der Kragen sehr auffällig gewesen.«

Julia wollte erst fragen, was Korsettstangen seien, doch dann erinnerte sie sich an die alten Fotos von ihrer Oma, die sie ihr einmal gezeigt hatte. Trotzdem spürte sie, dass ihr Hals von dem Leder gut festgehalten wurde und ein Beugen des Kopfes war jetzt richtig anstrengend. »Ja, ich merke es.« Sie versuchte ihren Kopf zu drehen, doch wegen des großen Widerstandes gab sie den Versuch bald auf. »Es ist ungewohnt.« Sie keuchte etwas.

Nach den nächsten Schritte blieb sie wieder stehen. »Jetzt verstehe ich, was sie meinen.« Sie keuchte erneut. »Ich kann nicht mehr vor mir auf den Boden sehen.«

Frau Hegel lächelte nur. Sie war von der Situation mehr als gefangen.

»Ich frage mich, wie es sich wohl mit Korsettstangen anfühlen würde.« Julia begann leise zu stöhnen. Sie spürte, wie sie immer erregter wurde. Natürlich wusste sie, wie sich ein Orgasmus anfühlte, doch es war noch nie passiert, dass sie einfach so, im Freien und auch noch in Begleitung einer Fremden zu einem Höhepunkt kam. Sie schloss die Augen und spürte überall die Enge des Mantels. Sie keuchte immer lauter.
3. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung) - Kapitel 1 - Ankunft im Paradies - Teil Zwei von Zwei

geschrieben von gag_coll am 15.07.17 16:46

Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)
Kapitel 1 - Ankunft im Paradies - Teil Zwei von Zwei
Autor: Karl Kollar

Es war nur der kleine Bogen auf dem Wegenetz im angrenzenden Stadtpark und er hatte auch nur eine Länge von knapp 100 Meter, doch es dauerte über eine Stunde, bis sie wieder am Auto waren.

»Zum Schluss sind sie ganz allein gegangen.« Frau Hegel erklärte, dass sie gegen Ende ihre Umarmung gelockert hatte.

»Das ist mir gar nicht aufgefallen.« Julia war ein wenig verlegen. »Ich war so sehr auf den Mantel fixiert.«

»Sie meinen ´von´ oder?« Frau Hegel lachte trotz der inneren Anspannung.

Julia lachte ebenfalls, als sie das Wortspiel ebenfalls begriffen hatte.

»Im Auto muss ich sie leider von den Restriktionen befreien.« Frau Hegel hatte ein deutliches Bedauern in der Stimme. »Es ist sonst viel zu gefährlich.«

Julia war ein wenig enttäuscht, doch sie wagte nicht, zu widersprechen. Wortlos sah sie zu, wie Frau Hegel nach und nach die Reißverschlüsse wieder öffnete.

»Wenn ein Unfall passiert, müssen sie in der Lage sein, sich selbst aus dem Auto zu befreien.« Sie öffnete die Wagentür.

Julia war ein wenig verlegen, als sie die Fürsorge bemerkte, an die sie bisher nicht gedacht hatte. »Das Mietezahlen wird mir leicht fallen«, sagte sie mehr zu sich selbst.

Frau Hegel schloss die Beifahrertür, dann stieg sie selbst ein und startete den Motor.

Julia saß verträumt auf dem Beifahrersitz und streichelte mit der Hand über das Leder des Mantels, während sie aus dem Fenster schaute. »Eine schöne Wohngegend.«

»Ruhig und verschwiegen.« Frau Hegel ergänzte Julias Eindrücke. »Die Eltern von meinem Mann haben das Haus hier gekauft.« Sie hielt vor einem Grundstück und wartete, bis sich das breite Tor geöffnet hatte.

»Es ist ja eher eine Villa.« Julia studierte zwar Innenarchitektur, doch einen gewissen Blick für Häuserformen hatte sie trotzdem schon entwickelt.

* * *

Frauke stand an dem großen Erkerfenster in Carolins Zimmer und blickte der Straßenbahn nach, die gerade von der vor dem Haus befindlichen Haltestelle in Richtung München abgefahren war. Als sie das Auto von Frau Hegel sah, welches gerade auf das Grundstück fuhr, seufzte sie und mit einem letzten Blick nach draussen ging sie langsam aus dem Zimmer.

Frau Hegel hatte ihr verboten, dass Zimmer zu betreten, doch das war ihr egal, sie betrachtete es als ihr Zimmer, immerhin durfte sie selbst dort einige Zeit wohnen, bis es passiert war.

Sie hatte versagt, und deswegen hatte sie das Zimmer räumen müssen und wohnte jetzt in der kleinen Kammer unter dem Dach.

Sie hatte es akzeptiert, denn es war immer noch bei weitem besser als zurück in die Vergangenheit, zurück dorthin, woher sie Hegels sie geholt hatten, zurück in das Gefängnis. Dorthin wollte sie auf keinen Fall zurück, lieber ließ sie sich all die kleinen Demütigungen und Anspielungen auf ihr Versagen gefallen, und natürlich zählte sie die Tage, die sie noch bei Hegels bleiben musste. Es war immer noch eine vierstellige Zahl.

Seufzend ging sie zu dem pompösen Treppenhaus und stieg langsam die Stufen hinunter.

* * *

»Ja, ich bin sehr stolz, dass wir hier wohnen können.« Frau Hegel wartete, bis sich der Torflügel und das Garagentor geöffnet hatten, dann fuhr sie das Auto in die Garage. »Herzlich willkommen bei der Familie Hegel.« Sie reichte Julia die Hand, und nur nebenbei fiel ihr auf, dass sie fast ´in´ statt ´bei´ gesagt hätte. Doch so weit war es noch nicht. »Ich hoffe, es gefällt ihnen bei uns.«

Julia hatte leichte Schwierigkeiten, den Gruß mit den im Ärmel gefangenen Arm zu erwidern, doch sie gab sich alle Mühe. Insgeheim gefiel es ihr, so gegen die Enge kämpfen zu müssen. »Ja, ich denke schon. Ich bin sehr erleichtert, dass ich bei ihnen wohnen darf.« Sie öffnete die Tür und stieg aus. »Es ist alles so schön, fast wie ein Traum. Ich habe fast Angst, ich würde aufwachen und alles wäre vorbei.«

»Ich kann ihnen versichern, dass sie nicht träumen.« Frau Hegel lächelte. »Es ist alles echt.«

Julia ging vor die Garage und blickte nachdenklich auf die wenigen Stufen, die zur Haustür empor führten.

Frau Hegel hielt inne, als sie Julias nachdenkliche Gestalt sah. Langsam folgte sie ihrem Blick und erkannte auf einmal, was Julia bewegte. »Der Zugang über die Terrasse wäre ohne Stufen.«

Julia wurde knallrot, weil sie sich ertappt fühlte. Sie wagte nicht, ihre Bitte zu äußern.

»Den Rock könnte ich ihnen wieder zumachen.« Frau Hegel hoffte, dass sie Julias Zögern richtig interpretierte. »Aber das Halsteil sollten sie erst dann benutzen, wenn sie hier das Grundstück gut kennen.«

Julia fühlte sich ertappt und schallte sich selbst eine Närrin. Es würde in der Zukunft noch viele Gelegenheiten geben, bei denen sie den Mantel streng tragen konnte. Außerdem war sie sich gar nicht sicher, ob ´es´ wieder passieren würde. »Danke, aber ich denke, das braucht es nicht.« Sie konnte erst nach einem Räuspern antworten. Die wenigen Meter bis zum Haus wirkten jetzt eher lächerlich.


Frau Hegel blickte etwas ungeduldig zum Haus, denn sie vermisste ihr Mädchen für alles. Es war vereinbart, dass Frauke stets zum Auto kommen sollte, um eventuelle Einkäufe ins Haus zu tragen.

Julia blickte etwas verwundert auf die Gestalt, die erst nach einiger Zeit aus dem Haus kam. Sie trug ein wadenlanges und hochgeschlossenes geradezu altmodisch wirkendes schwarzes Kleid mit einer weißen Schürze, die sie recht deutlich als Dienerin kennzeichnet. Sie ging auf die Garage zu und blickte fragend auf das Auto.

Julia entdeckte zu ihrem Erstaunen, dass die Dienerin trotz ihres sehr altmodisch aussehendem Kleid noch sehr jung war. Sie schätzte sie auf keine Dreißig, nur etwas älter als sie selbst.

Frau Hegel schaute mit einem recht strengen Blick auf die Dienerin, die etwas verwundert stehen geblieben war.

»Verzeihen sie, Madame, ich war gerade auf der Toilette.« Frauke blickte verlegen zu Boden.

»Es ist gut, Frauke.« Der Blick von Frau Hegel entspannte sich. »Das ist Julia, unsere neue Mieterin.« Sie zeigte mit der Hand auf die Studentin. »Bringen sie sie bitte auf ihr Zimmer.«

Frauke knickste übertrieben, dann drehte sie sich wieder um und ging langsam zum Haus, ohne sich allerdings zu vergewissern, ob die neue Mieterin Julia ihr auch folgte.

Julia blickte ihr einen Moment lang wortlos zu, dann ging sie der seltsamen Dienerin hinterher.

* * *

Die Koffer hatte Julia noch nicht ausgepackt. Frau Hegel hatte sie gebeten, damit noch etwas zu warten, bis sie in Carolins Schränken etwas Platz gemacht hatten. Julia war viel zu glücklich, um sich darüber zu wundern.

Heute morgen stand sie noch auf der Straße und hatte das Gefühl, nicht mehr tiefer sinken zu können, und noch immer hörte sie ihr Herz klopfen, als sie die Nummer von der obskuren Anzeige gewählt hatte. Doch jetzt befand sie sich in einer geradezu traumhaften und luxuriösen Villa, und all ihre Probleme schienen gelöst.

Nur tief in ihrem Unterbewusstsein regte sich etwas Mißtrauen, doch Julia befahl ihren Gefühlen einfach, der Situation zu vertrauen. Es war fast genau das Gegenteil von dem geworden, was sie erwartet hatte, doch dann fragte sie sich zum ersten Mal, warum die Anzeige so zweideutig formuliert war, wenn doch das Paradies dahinter zum Vorschein kam. Sie beschloss, insgesamt wachsam zu bleiben und sich nicht einlullen zu lassen.

Zum ersten Mal blickte sie sich auch in ihrem neuen Zimmer etwas genauer um. Es enthielt alles, was sich eine junge Studentin nur wünschen konnte und eigentlich wäre der Name Appartement besser gewesen, denn es enthielt neben einem geradezu luxuriösen Bad auch noch eine abgeteilte kleine Küche mit gut gefüllten Schränken.

Doch das Prunkstück war der Erker, der ihr Zimmer nach Osten hin schmückte. Die Sessel waren zwar nicht nach ihrem Geschmack und als angehende Innenarchitektin hätte sie den Raum ganz anders eingerichtet, doch er strahlte trotzdem sofort sowohl Ruhe und als auch Wohlbehagen aus. Und sie freute sich schon darauf, auf dem großen fast freistehenden Bett ihren Kopf für die Nacht zur Ruhe zu betten. Nur das Kopfende des großen französischen Bettes stand an der Wand, so dass das Bett von drei Seiten aus zugänglich war. Und trotzdem wirkte der Raum nicht überladen, weil er so groß war.

Selbst der Gegenstand ihrer Mietzahlungen, dieser seltsame Ledermantel störte sie nicht. Zärtlich strich sie über das weiche Leder, welches in der Abendsonne glänzte.

Es machte ihr überhaupt nichts aus, dass sie in dem Mantel nicht mehr über ihre Arme verfügen konnte, so lange sie wusste, das jemand dabei war, der sie beschützen würde. Zu Frau Hegel hatte sie jetzt schon grenzenloses Vertrauen, obwohl sie sie überhaupt nicht kannte. Doch sie spürte, dass sie ihr nicht wirklich etwas Böses wollte. im Gegenteil, ohne das es ihr so richtig bewusst war, wurde sie von der Hilflosigkeit, die sie im Mantel spürte, regelrecht erregt. Es hing bestimmt auch damit zusammen, dass sie in ihren Armen zu einem völlig unerwarteten Orgasmus gekommen war, nur bedingt durch die Enge im Mantel. Allerdings war sie froh, dass ihre Vermieterin sie auf dieses besondere Erlebnis nicht angesprochen hatte. Sie hatte sie einfach nur festgehalten und sie gestreichelt, und dass war genau das, was Julia in dem Moment gebraucht hatte.

Jetzt fragte sie sich, ob das nicht sogar eine erwartete Reaktion war. Doch dann nannte sie sich selbst eine Närrin. Warum sollte Frau Hegel so etwas machen wollen.

Sie war schon öfters mit der Straßenbahn an dem Grundstück vorbei gefahren und stets hatte sie den großen fast parkähnlichen Garten bewundert. Er erinnerte sie an den großen Bauernhof daheim, vor dem sie geflüchtet war und den sie sehr vermisst hatte. Als sie bei ihrer Freundin wohnte, hatte sie nicht einmal einen Balkon und wenn sie einmal etwas Grünes sehen wollte, musste sie mit der U-Bahn in den englischen Garten fahren. Und hier hatte sie den gefühlt halben englischen Garten vor der Haustür. Und sie wusste jetzt schon, dass sie es genießen würde, wenn sie mit einem Liegestuhl im Garten für ihre Karriere lernen würde.

Ein brummendes Geräusch störte sie in ihren Gedanken. Sie ging zum Fenster und blickte hinaus. Gerade eben sah sie, wie die Straßenbahn, die an dem Grundstück vorbei führte, weiter fuhr. Etwas neugierig blickte sie auf die Passanten, die ausgestiegen waren. Zunächst sahen sie ganz gewöhnlich aus und Julia fragte sich, was sie eigentlich erwartet hatte. Doch auf einmal wurde ihr Blick von einer Gestalt gefangen genommen, die sie ziemlich gut kannte. Ihr Professor kam die Straße entlang. Julia schaute ihm zu, bis er aus ihrem Blickfeld verschwunden war.

´Witzig, dass er auch in Grünwald wohnt. Das wusste ich gar nicht.´ Sie ging zum anderen Fenster, welches den Blick nach Norden zur Straße hin freigab, und als sie hinaus schaute, entdeckte sie verwundert, dass er vor dem Haus stand und in seiner Tasche etwas zu suchen schien.

´Will er zu mir?´ Julia hatte automatisch ein schlechtes Gewissen, weil sie bestimmt irgendeinen Termin übersehen hatte oder eine gewünschte Arbeit nicht gemacht hatte. Doch dann meldete sich ihre Vernunft zu Wort. Er konnte doch gar nicht wissen, dass sie hier wohnte. Das wusste im Moment nur das Amt und ihre Vermieterin.

Auf einmal schlug sie sich mit der Hand vor die Stirn und ließ sich völlig verblüfft in den Sessel fallen. Ihr Professor hieß auch Hegel, es war ihr bisher nur nicht aufgefallen, weil alle seine Studenten ihn immer nur mit ´Prof´ oder mit ´Winfried´ anredeten.


Auf einmal klopfte es. Doch erst als Julia von draußen eine Stimme hörte, die ihren Namen rief, realisierte sie, dass sie antworten musste.

»Bitte entschuldigen sie, ich bin es nicht gewöhnt, dass an meiner Tür geklopft wird.« Julia entschuldigte sich verlegen, als sie die Tür öffnete.

Doch zu ihrer Verwunderung stand Frauke, die Dienerin vor der Tür. »Frau Hegel wünscht, dass sie ins Wohnzimmer kommen.« Frauke richtete ihre Botschaft aus, drehte sich um und war genauso schnell wieder verschwunden, wie sie gekommen war.


Alle möglichen Gedanken spukten Julia durch den Kopf, als sie sich jetzt langsam auf den Weg machte. Sie war es von daheim überhaupt nicht gewohnt, dass jemand an ihre Tür klopfte. Im Gegenteil, meistens standen alle Türen auf, denn es gab in dem uralten Bauernhaus nur einen zentralen Ofen, der das ganze Haus heizen musste. Und ihre Eltern waren nie zu Modernisierungen bereit gewesen, auch wenn sie sie oft genug darauf angesprochen hatte. In der kleinen Studentenwohnung gab es nicht einmal eine Tür, nur ein Vorhang versprach scheinbar etwas Privatsphäre. Wichtiger in dieser Beziehung waren die Absprachen mit ihrer Freundin, wer wann in der Woche die Wohnung für sich hatte.

Auf der Treppe fiel Julia ein, dass sie das Wohnzimmer noch gar nicht kannte, doch sofort sah sie die offene Tür gegenüber der Treppe und entdeckte ihre Vermieterin, wie sie gerade die große Tür zur Terrasse öffnete. Mit zitternden Beinen ging Julia zu der Wohnzimmertür. Im letzten Moment fiel ihr ein, dass sie vielleicht am Türrahmen anklopfen sollte.

»Ah, Julia, schön, dass sie gekommen sind.« Frau Hegel drehte sich um und deutete auf die Sitzgruppe vor dem Fenster. »Darf ich ihnen meinen Mann vorstellen?«

Julia war sichtlich verlegen, als sie das Wohnzimmer betrat. Sie suchte noch nach Worten, um zu sagen, dass sie den Mann ihrer Vermieterin schon kannte. Doch ihr fiel nichts passendes ein. Langsam kam sie näher.

»Guten Tag, Julia.« Herr Hegel war sichtlich überrascht, eine seiner Studentinnen vor sich zu sehen. »Ich bin etwas überrascht, sie hier zu sehen.« Er blickte etwas verwundert zu seiner Frau.

»Ich hatte dir doch gesagt, dass wir eine neue Mieterin haben.« Frau Hegel war über die Reaktion ihres Mannes ebenfalls etwas verwundert.

Herr Hegel lächelte. »Das ist schon richtig, Elisabeth, das hattest du.« Er reichte Julia die Hand. »Aber du hattest mir nicht gesagt, dass es eine meiner Studentinnen ist.« Er wandte sich an Julia. »Na dann herzlich willkommen im Hause Hegel. Ich hoffe, sie werden sich bei uns wohl fühlen.«

Frau Hegel war sichtlich überrascht und hatte etwas mit ihrer Fassung zu kämpfen. Es war ihr deutlich anzusehen, dass sie in diesem Moment gern mit ihrem Mann allein gesprochen hätte.

Julia hingegen war viel zu glücklich, um die veränderte Stimmung zu bemerken.


Ein Klopfen war zu hören. »Das Abendessen ist bereit.« Frauke stand in ihrem altmodischen Dienstbotenkleid in der Tür und blickte zu Boden.

»Haben sie wie verlangt für drei Personen gedeckt?« Frau Hegel blickte allerdings zu Julia, als sie sprach.

»Jawohl, Madame, das habe ich.« Frauke hatte Mühe, beim Anblick von Julia ein freundliches Gesicht zu machen.

»Julia, dürfen wir sie zum Abendessen einladen?« Herr Hegel zeigte auf eine weitere Tür. »Ich nehme an, dass sie noch nichts für sich eingekauft haben.«

»Und natürlich werden sie morgen früh auch mit uns frühstücken«, ergänzte Frau Hegel.

Julia bedankte sich höflich und realisierte nebenbei, was ihre neuen Gastgeber ihr damit zu verstehen gaben. Sie erwartete von ihr, dass sie sich wie bisher auch selbst um ihren Haushalt zu kümmern hatte. Gleichzeitig waren sie aber auch gütig genug, um ihre aktuelle Situation anzuerkennen.

»Dann lassen sie uns ins Esszimmer gehen.« Herr Hegel schritt voran und öffnete die Tür, auf die er vorhin gezeigt hatte. »Übrigens, ich fahre morgen mit dem Wagen zur Universität, wenn sie möchten, kann ich sie gern mitnehmen.«

»Sehr gern.« Julia hatte schon abgewogen, ob sie Schwarzfahren riskieren sollte, denn Grünwald war nicht durch ihre bisherige Monatskarte abgedeckt. Doch jetzt erkannte sie, dass sich das Problem zumindest morgen früh nicht stellen würde.

Nur am Rande bemerkte sie, dass sie von Frauke unauffällig gemustert wurde, bevor sie den Raum wieder verließ. Doch aus der Miene der Dienerin war nicht zu erkennen, was sie gerade dachte.


Der Tisch war wirklich reichlich gedeckt und mit etwas Wehmut dachte Julia zurück an die Zeit auf dem Bauernhof ihrer Eltern. Dort war der Tisch auch immer reichlich gedeckt, wenn auch nicht so festlich.

»Ich möchte euch bitten, nicht über die Uni zu reden.« Frau Hegel nahm gegenüber ihrem Mann Platz und bot Julia den Platz dazwischen an. »Ich habe keine Lust auf endlose Fachgespräche.«

»Wir werden uns zusammenreißen.« Herr Hegel lächelte und blickte kurz zu Julia.

Julia fiel erst jetzt ihr großer Hunger auf. Ihr wurde bewusst, dass sie nur heute morgen eine Winzigkeit gegessen hatte. Nach anfänglichem Zögern langte sie kräftig zu.

* * *

Sehr glücklich und vor allem satt ließ sich Julia auf ihr Bett fallen. Mit einem Schlag waren fast alle ihre Probleme beseitigt und sie sah sich selbst auf der sprichwörtlichen Wolke Sieben schweben. Durch die großen Fenster fiel der Abendsonnenschein herein und trug ebenfalls zu Julias guter Laune bei.

»Julia, sind sie wach?« Auf einmal war die Stimme von Frau Hegel zu hören.

»Bitte kommen sie herein.« Die Studentin richtete sich auf und setzte sich auf das Bett.

»Ich habe geklopft, aber sie haben nicht geantwortet.« Frau Hegel trat ein und schloss hinter sich die Tür.

»Ich habe geträumt.« Julia war verlegen. »Ich habe das Klopfen wohl überhört.«

»Ist ja kein Problem.« Frau Hegel tat, als würde sie auf Julias Einwand eingehen. »Es hätte ja sein können, dass sie schon geschlafen hätten.«

»Ich bin es einfach nicht gewöhnt, dass bei mir geklopft wird.« Julia erzählte kurz von ihrer Kindheit auf dem Bauernhof. »Es gab nur ein Zimmer für meine vier Brüder und mich und ich hatte nur einen Vorhang für mich.« Das war übrigens auch der Grund, warum sie in ihrer Studentenwohnung auch nur einen Vorhang hatte. Sie kannte es einfach nicht anders.

»Die Zeit ist jetzt vorbei.« Frau Hegel legte ein glänzendes Stoffbündel auf das Bett. »Es ist vielleicht noch etwas früh, aber sie möchten sich vielleicht schon einmal mit dem Nachthemd vertraut machen.«

»Oh ja, gern.« Julia erinnerte sich sofort wieder daran, dass dies auch Bestandteil ihrer Miete war. Sie blickte ihre Vermieterin etwas unsicher an.

»Sie möchten vorher vielleicht noch ins Bad.« Frau Hegel ging langsam ans Fenster und blickte hinaus. »Mit dem Nachthemd wäre das sehr viel mühsamer.«

Julia war recht dankbar für den Hinweis. Langsam begann sie zu erkennen, dass Hegels von ihr ein ganz bestimmtes Verhalten erwarteten, dies ihr aber nicht aufzwingen wollten. Bedingt durch diese Erkenntnis und die Neugier auf das Nachthemd beeilte sich Julia mit dem Ausziehen, auch weil sie erkannte, dass Frau Hegel sich anscheinend höflich weg gedreht hatte.

* * *

Als Julia aus dem Bad kam, trug sie nur noch ihre Unterwäsche. Erwartungsvoll trat sie an das Bett und blickte neugierig auf das rosa Stoffbündel. Der Glanz ließ darauf schließen, dass es sich um Seide handeln musste.

»Sie sollten sich ganz ausziehen, das Nachthemd ist ziemlich eng.« Frau Hegel trat ebenfalls an das Bett. »Außerdem ist es schön, die weiche Seide wirklich überall zu spüren.« Ohne das sie es wirklich steuern konnte, wurde sie bei diesen Worten etwas rot.

Irgendwie kam es Julia seltsam vor, doch sie verspürte gegenüber Frau Hegel so gut wie überhaupt keine Scham, sondern eher eine großes, aber völlig unbegründetes Vertrauen. Zügig zog sie sich ihre restliche Unterwäsche aus und blickte Frau Hegel erwartungsvoll an. Sie hatte nicht wirklich Schamgefühle, sich so in ihrer Nacktheit zu präsentieren, und kurz dachte kurz wieder an die Zeit auf dem Bauernhof, wo solche Gefühle auch eher unbekannt gewesen waren, dort aber eher aus Mangel an Räumlichkeiten.

»Setzen sie sich bitte auf das Bett.« Frau Hegel nahm den Seidenstapel und schüttelte ihn auseinander.

»Das ist ein schöner Glanz.« Julia strecke ihre Hand aus und nahm ein Stück Stoff vom Nachthemd in die Hand. »Und es ist sehr weich.«

»Das ist ein ganz spezieller Stoff.« Frau Hegel versuchte, ihre steigende Nervosität zu überspielen. »Wir haben sehr lange danach gesucht, bis Carolin damit zufrieden war.«

Gedankenverloren spielt Julia mit dem Stoff. Eine ganz bestimmte Frage lag im Raum, doch Julia wagte nicht, sie auszusprechen.

»Das ist eine Spezialseide, wie sie auch bei Fallschirmen zum Einsatz kommt.« Frau Heels Stimme zitterte ein wenig. »Sie ist praktisch nicht zu zerreißen.«

»Und überall sind Dreifach-Nähte.« Julias Hände beschäftigten sich jetzt etwas ausführlicher mit dem Nachthemd.

»Darin werden sie sich geborgen fühlen.« Frau Hegel rief sich ein paar der vorbereiteten Sätze ins Gedächtnis. »Sie werden sicher ganz ruhig schlafen.«

»Wie muss ich das anziehen?« Julia hielt die Seidenhülle vor sich und betrachtete sie etwas rätselnd.

»Ich zeige es ihnen.« Unwillkürlich lächelte Frau Hegel. »Strecken sie bitte ihre Beine aus.« Sie kniete sich vor das Bett und schob Julia die Hülle von unten über ihre Beine.

»Da ist auch ein Gummizug eingearbeitet?« Julias Stimme wurde leiser. »Es fühlt sich schön an.«

»Es sollte ein angenehmer Druck werden.« Frau Hegel erzählte von Carolins Wünschen, während sie das Nachthemd langsam bis zu Julias Hüften hoch zog. »Ich hoffe, es wird ihnen genauso gut passen wie unserer Tochter.«


»Ach so, das ist nur ein Beinteil.« Julia blickte fasziniert auf ihre Beine, die langsam in der rosa Seidenhülle verschwanden. »Eigentlich nicht überraschend, wenn ich an den Mantel denke.« Trotz ihrer Nervosität versuchte sie so etwas wie ein Lachen.

»Jetzt müssten sie bitte aufstehen.« Frau Hegel reichte Julia die Hand und zog sie vom Bett hoch. Sie wartete, bis Julia sicher auf ihren Füßen stand, dann zog sie das Beinteil noch etwas nach oben. »Hier müssen sie ihre Arme hineinstecken.«

»Bis jetzt fühlt es sich schön an.« Julia wusste, dass sie aufgrund des Mietvertrages das Nachthemd tragen musste und deswegen war sie erstaunt, wie einfach das ´Mietezahlen´ sein würde.

»Bevor sie sich wundern, die Ärmel sind seitlich an den Körper angenäht.« Die vielen bisherigen Fehlversuche hatten Hegels dazu gebracht, die Restriktionen lieber vorher zu erwähnen, zumal ihre Mieterin ja auch die Verpflichtung eingegangen war, das Nachthemd auf jeden Fall zu tragen. »Sie werden ihre Arme dann nur noch wenig bewegen können.« Vor allem war es damit nicht mehr möglich, den Reißverschluss des Nachthemdes zu erreichen, doch das würde Julia sicher bald selbst entdecken.

Als Antwort steckte Julia ihre Arme zügig in die bereitgehaltenen Ärmel, sie wollte zeigen, dass sie davor keine Angst hatte. Außerdem war die Aussicht, in der Nacht etwas eingeschränkt zu sein, wesentlich leichter zu ertragen als der Gedanken, unter irgendeiner Brücke übernachten zu müssen. Auch wenn sie letzteren Gedanken lange verdrängt hatte.

Frau Hegel zog danach das Nachthemd bis zu Julias Schultern hoch, zupfte es noch etwas zurecht, dann blickte sie ihre Mieterin fragend an. »Sitzt es gut?« Nach einer kurzen Pause fuhr sie fort. »Kann ich den Reißverschluss schließen?«

Julia ahnte noch nicht, welch gravierenden Konsequenzen der Reißverschluss für ihre Bewegungsfreiheit haben würde, doch sie spürte aber auch keinerlei Unbehagen. Der Stoff fühlte sich sehr gut an auf ihrer Haut und das Nachthemd saß sehr bequem, fast als wäre es eine Maßanfertigung. Doch zu einer Antwort war sie in diesem Moment nicht fähig. Sie nickte nur und blickte fasziniert an sich herunter.

Frau Hegel griff langsam an den Anfasser und zog ihn langsam nach oben.

Julia keuchte etwas, als sie den zunehmenden Druck auf ihrer Haut spürte.

Frau Hegel hielt inne. »Geht es?«

»Es passt alles.« Julia hatte Schwierigkeiten zu antworten, weil sie von ihren Gefühlen überwältigt wurde. Der Stoff auf ihrer Haut fühlte sich immer mehr an wie eine feste Umarmung und war sehr angenehm. Sie hatte bisher keine konkrete Vorstellung davon, was das Tragen des Nachthemdes wirklich bedeuten würde, doch das es etwas so angenehmes sein würde, damit hatte sie nicht gerechnet.

Beim Oberkörper musste Frau Hegel erst die beiden Teile des Nachthemdes zusammenziehen und mit einer Hand festhalten, bevor sie den Reißverschluss weiter zuziehen konnte. Dann schließlich war das Nachthemd ganz geschlossen. »Das war es schon.«

Julia hatte bisher höflich still gehalten, jetzt begann sie sich ein wenig zu bewegen und sie stellte sofort fest, dass sie sehr viel ihrer Bewegungsfreiheit eingebüßt hatte. Doch sie traute sich nicht, sich diesbezüglich zu äußern.


»Hier am Bett ist ein Kabel mit einem Notfallknopf angebracht. Wenn sie Hilfe brauchen, dann scheuen sie sich nicht, ihn zu bedienen.« Die Vermieterin griff an das Bett und zeigte Julia das angesprochene Kabel. Als sie sicher war, dass Julia her schaute, drückte sie auf den Knopf.

Es dauerte keine Minute, als es an der Tür klopfte und gleich darauf trat Frauke ein.

»Danke Frauke, ich wollte es nur demonstrieren.« Frau Hegel blickte kurz zu der Dienerin, die mit erwartungsvollen Blick in der offenen Tür stand.

Es war zwar auf den ersten Blick etwas ungewöhnlich, doch diese Alarme waren eine der wenigen Abwechslungen in ihrem sonst so traurigen Alltag. Frauke deutete einen Knicks an, dann schloss sie die Tür wieder.

»Bitte scheuen sie sich nicht, das Signal zu geben, wenn sie in einer Notlage sind.« Frau Hegel versuchte ihrer Stimme eine gewisse Wichtigkeit zu geben. »Es wird sich auf jeden Fall jemand um sie kümmern.«

Julia legte sich auf das Bett und blickte ihre Vermieterin dankbar an. Antworten konnte sie in diesem Moment nicht.

»Sie sollten es sich gemütlich machen.« Sie griff zur Schublade im Nachttisch und holte eine Fernbedienung heraus und legte sie so auf das Bett, dass Julia sie gut erreichen konnte. Dann ging sie zu dem Schrank, der gegenüber dem Bett stand, und öffnete ihn. »Hier ist der Fernseher.«

Insgeheim war Frau Hegel froh, dass sie Julia so weit hatte, ohne dass sie groß Gelegenheit gehabt hatte sich im Zimmer genauer umzusehen. Dann hätte sie nämlich die im Moment noch leeren Schränke entdeckt, für die sie keine Erklärung gehabt hätte.

* * *

»Was macht sie?, fragte Frau Hegel mit leiser Stimme, als sie den kleinen Überwachungsraum betrat.

»Sie macht einen sehr glücklichen Eindruck«, antwortete Herr Hegel, ohne den Blick von dem kleinen Überwachungsmonitor zu heben. »Noch liegt sie einfach auf dem Bett.«

»Naja, was soll sie auch mehr machen.« Frau Hegel kicherte.

»Wird es Probleme machen, dass es eine meiner Studentinnen ist?« Seine Stimme zeigte, dass er ernsthaft besorgt war.

»Ich hoffe nicht.« Frau Hegel setzte sich neben ihren Mann. »Aber wir müssen es nehmen, wie es kommt. Das ist unsere letzte Gelegenheit. Wenn es dieses Mal nicht klappt, dann müssen wir es aufgeben.«

»Nach all dem, was wir investiert haben, wäre es sehr schade.« Herr Hegel seufzte. »Wie hat sie denn auf den Mantel reagiert?«

»Bestens.« Frau Hegel gab ihre Eindrücke wieder und berichtete fast atemlos von den zwei Orgasmen, den Julia in ihrer Gegenwart hatte. »Am Ende wollte sie den Mantel fast gar nicht mehr ausziehen.«

»Und das Nachthemd scheint ihr auch zu gefallen.« Er ergriff ihre Hand und streichelte sie. »Was meinst du, wird es klappen?«

»Es muss klappen, es muss.« Frau Hegel seufzte. »Du weiß, es ist unsere letzte Möglichkeit. Wir müssen ganz vorsichtig sein und es langsam angehen.«

»Langsam?« Frau Hegel versuchte einen Widerspruch. »Wir haben nur noch drei Wochen, dann müssen wir sie vorstellen.«

»Du hast recht.« Er seufzte, dann blickte er wieder auf den Monitor. »Ich glaube, jetzt passiert etwas.«


So nach und nach bemerkte Julia ihre Erregung. Sie war heiß und sehnte sich nach Erlösung. Erst jetzt wurde ihr ihre jetzige Situation bewusst. Sie wollte sich Erlösung verschaffen und dachte fast verliebt an den Vibrator, den sie wie ihr Heiligtum aufbewahrte. Sie hatte auch stets Geld für Batterien zurückgelegt und lieber verzichtete sie auf das Abendessen, als auf das einzige Vergnügen, zu dem sie nur ihren Körper und diesen kleinen vibrierenden Stab brauchte. Doch der Freudenbringer lag jetzt unerreichbar in ihrem Koffer. Sie ärgerte sich, dass sie nicht daran gedacht hatte, ihn rechtzeitig heraus zu nehmen, bevor sie sich in dieses so faszinierende Nachthemd einschließen ließ.

Natürlich hatte Frau Hegel ihr den Ausweg gezeigt, den sie in Notfällen benutzen durfte, doch dies war kein Notfall, auch wenn ihr Körper dies anders empfand. Gegenüber ihrer Vermieterin hätte sie vielleicht den Mut aufgebracht, sich diese Blöße zu zeigen. Doch wenn sie daran dachte, dass sie dieser seltsamen Dienerin erklären müsste, was sie vorhatte, dann verzichtete sie lieber. Nur langsam fielen ihr die Handgriffe aus ihrer Jugend wieder ein und langsam bewegte sie ihre Hände in Richtung ihres kleinen Paradieses. Zu ihrer Erleichterung stellte sie fest, dass ihr das Nachthemd diese Bewegung noch bequem erlaubte.

»Und, war sie erfolgreich?« Herr Hegel hatte sich bewusst von dem kleinen Monitor weggedreht.

»Ihrem glücklichen Gesicht und ihren Zuckungen nach ja.« Frau Hegel schüttelte den Kopf. »Warum hast du nicht selbst hingesehen?«

Doch Herr Hegel blieb die Antwort schuldig.

»Es ist, weil sie deine Studentin ist.« Seine Frau hatte es als Feststellung formuliert, doch in Wirklichkeit war es eine Frage.

»Sie ist so kreativ und zugleich so unkonventionell.« Seine Stimme war sehr nachdenklich. »Ich frage mich wirklich, ob wir das Richtige tun.« Er holte tief Luft. »Sie ist die beste seit Jahren. Es wäre schade, wenn sie das Studium deswegen abbrechen würde.«

»Den Weg müssen wir jetzt beide gehen, Winfried.« Frau Hegel seufzte.

4. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von Rowdypiper am 15.07.17 19:45

Hallo gag_coll,

lass mich der erste sein, der sagt: WOW.

Diese Überarbeitung steht im Moment dem Original in nichts nach, obwohl die Geschichte an sich ein wenig anders verläuft.

Ich jedenfalls habe diese beiden Teile sehr gerne gelesen und kann auch gut nachvollziehen, wie sich alles gibt.

Ich bin sehr gespannt, wie die Geschichte im Gegensatz zum Original weitergeht.

Denn das Original war schon super, und diese hier wird auch nicht schlechter werden.

Vielen Dank für diese Geschichte.

Dein Rowdypiper
5. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von marmas71 am 15.07.17 21:45

Hallo gag_coll,

schön das du den Weg aus der Sackgasse gefunden hast.

Schöne Fortsetzung.

Viel Spass beim weiterschreiben.

Gruß marmas71
6. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von *Gozar* am 15.07.17 22:56

Hi gag

Schön wieder gewohnt guten Schreibstoff, aus deiner Feder, lesen zu dürfen.
Du hast mit "Maria" die Messlatte fast unerreichbar hoch gelegt, bist aber, meiner Meinung nach, auf dem besten Wege diese zu erreichen!

Wie schon bei deinen anderen Geschichten, brenne ich auf die Fortsetzung. Lass uns bitte nicht lange schmoren.

Danke für deine Geschichte

Gruß Gozar
7. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von Wölchen am 16.07.17 08:34

Hey.

Nach dem du mit Maria eine solch Fantstische Geschite abgeliefert hast,freu ich mich schon darauf zu lesen,was du aus dieser Geschichte machst.Auf alle Fälle bin ich gespannt wie es weiter geht.

mfg Wölchen
8. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von gag_coll am 16.07.17 08:58

Hallo Rowdypiper
Zitat
lass mich der erste sein, der sagt: WOW.
Danke
Zitat
Diese Überarbeitung steht im Moment dem Original in nichts nach, obwohl die Geschichte an sich ein wenig anders verläuft.
Nachdem ich jetzt endlich weiß, was Hegels vorhaben, kann ich die Geschichte ganz erzählen. Ich habe nur die zeitliche Reihenfolge der Ereignisse neu organisiert.
9. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von Edwin Prosper am 16.07.17 09:36

Ich finde die Geschichte gut aber wo ist die Originalfassung, worin unterscheidet sie sich nun von dieser Geschichte?
10. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von gag_coll am 16.07.17 09:55

Zitat
Ich finde die Geschichte gut aber wo ist die Originalfassung, worin unterscheidet sie sich nun von dieser Geschichte?
Stimmt, gute Frage. Die "Originalfassung" (ich würde lieber "die alte Version" sagen) befindet sich hier: http://www.kgforum.org/display_5_2407_89835.html

Ich hatte die Geschichte damals angefangen, ohne das Konzept ganz durchdacht zu haben. Ich habe ewig lange gebraucht, bis ich eine Hintergrundgeschichte gefunden habe, die einigermaßen zu den bisherigen sechs Kapiteln passt.

Jetzt erzähle ich die gleiche Geschichte noch einmal neu, und dieses Mal weiß ich, was Hegels in Wirklichkeit vorhaben und welches "schwere" Schicksal auf Julia wartet.
11. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von ecki_dev am 23.07.17 21:12

Dann hoffe ich mal sehr das dieser Zweite Teil nicht wirklich der letzte war und Du uns teilhaben lässt an ihrem Schicksal
12. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von gag_coll am 24.07.17 20:50

Zitat
Dann hoffe ich mal sehr das dieser Zweite Teil nicht wirklich der letzte war und Du uns teilhaben lässt an ihrem Schicksal
Keine Sorgen... der nächste Teil ist schon zur Hälfte fertig... und dieses Mal ist die Geschichte komplett konzipiert...
13. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von ecki_dev am 29.07.17 06:21

super ich freue mich drauf
14. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung) - Kapitel 2 - Die ersten Schritte ins neue Leben - Teil Eins von Vier

geschrieben von gag_coll am 29.07.17 20:51

Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)
Kapitel 2 - Die ersten Schritte ins neue Leben - Teil Eins von Vier
Autor: Karl Kollar

Es war noch sehr früh am Morgen. Frauke hatte sich in das Zimmer geschlichen, in dem sie einmal für eine gewisse Zeit wohnen durfte und in dem jetzt dieses neue Mädchen friedlich schlafend auf dem Bett lag.

Sie ging sehr zielstrebig auf den Erker zu und blickte sehnsüchtig aus dem großen Fenster hinaus. Von hier aus hatte sie den besten Blick auf die Straßenbahnen, wie diese regelmäßig in die Stadt abfuhren. Für sie war dieses Verkehrsmittel zu einer Art Symbol für die Freiheit geworden, die ihr verwehrt war; und sie träumte immer von dem Tag, an dem sie allein mit der Straßenbahn abfahren durfte. Abfahren in die Stadt, abfahren in die so lange ersehnte Freiheit. Und nie mehr zurück kommen.


Sie wusste, dass ihr Aufenthalt in diesem Haus für sie ein großes Geschenk war, denn die vorgesehene Alternative hätte viel schrecklicher ausgesehen. Und auch mit den Auflagen, die sie stattdessen bekommen hatte, kam sie bisher sehr gut zurecht. Es machte ihr nichts aus, dieses hoffnungslos altmodische Kleid tragen zu müssen und im Haus das Mädchen für alles spielen zu müssen.

Ein weiterer Grund für ihre Zufriedenheit war, dass die Nachbarn in das Arrangement eingeweiht waren. Und in dieser Nachbarschaft gab es genügend alte Leute, die nichts Besseres zu tun hatten, als jeden Tag aus dem Fenster auf das Grundstück zu sehen, nur um zu kontrollieren, ob sie auch wirklich alle Auflagen einhalten würde.

Die wichtigste Auflage war, dass sie das Haus nicht verlassen durfte, wenn sie nicht in der Nähe von Herrn oder Frau Hegel war, und damit hatte Frauke bisher auch wenig Schwierigkeiten. Immerhin waren ihren sogenannten Gasteltern ihr bei den Bedingungen ihres Aufenthaltes schon sehr entgegen gekommen, und so durfte sie immer zum Auto kommen, wenn einer der beiden Eheleute damit auf das Grundstück fuhr. Offiziell hatte sie sich zu erkundigen, ob es vielleicht Einkäufe gab, die sie ins Haus hätte tragen können. So war es auch mit dem Vollzugsbeamten abgesprochen.

Sie war dankbar für diese Gelegenheiten, denn in diesen Momenten konnte sie in den Himmel sehen, und auch dieser Blick nach oben war für sie so etwas wie der Blick in die Freiheit. Denn für sie war der Himmel wirklich grenzenlos.

Manchmal durfte sie auch mit in den Garten gehen, wenn es sich Hegels auf der Terrasse oder auch im Garten gemütlich gemacht hatten, doch das kam höchstens einmal am Wochenende vor.

Bei besonders gutem Wetter suchte auch gern das kleine Dachrondell auf, welche sich oben im Dachgeschoss in Höhe des Dachfirst befand. Doch dieses war so klein, dass dort kein Liegestuhl Platz gehabt hätte, selbst wenn sie in der Lage gewesen wäre, ihn dort hinauf zu tragen. So blieb ihr nur, sich an dem schmiedeeisern Geländer festzuhalten und die Aussicht zu genießen. Sie liebte diesen Ort, denn obwohl sie ´draußen´ war, zählte es nicht als ein Verlassen des Hauses.

Es war für sie der ultimative Blick in die Freiheit, denn von hatte sie nicht nur den wirklich freien Blick in den Himmel. Wenn sie nach Norden blickte, konnte sie die Silhouette von München sehen, unter anderem die signifikanten Türme der Frauenkirche und den Olympia-Turm. Nach Süden gedreht konnte sie bei gutem Wetter die imposante Bergkette der Alpen sehen, und vor allem bei Föhn waren die Berge und damit quasi die Freiheit schon fast zum Greifen nahe.

Allerdings war der Aufstieg zum dem Aussichtsrondell auf dem Dachfirst sehr mühsam, denn sie musste eine senkrechte Eisenleiter erklimmen, und da sie Schenkelbänder tragen musste, konnte sie die Leiter nicht einfach hochsteigen, sondern musste sich sehr mühsam mit den Armen immer bis zur nächsten Stufe hochziehen.

Sehr oft war sie nicht dort oben, doch es war für sie stets ein sehr bewegender Moment. Und der Muskelkater, den sie die Tage darauf in den Armen hatte, erinnerte sie zusätzlich an die schönen Momente, die sie stets auf dem Dach mit der schönen Aussicht gehabt hatte.

Natürlich wusste sie, warum sie all diesen Bedingungen unterworfen war, und sie hatte diesem Versuch ja auch selbst zugestimmt. Ihre Anwältin hatte ihr damals dazu geraten, obwohl sich ihre Strafdauer damit verdoppelte. Jeden Tag stand sie vor dem kleinen Reißbrett und schrieb ´ihre´ Zahl des Tages hinauf. Die Zahl war immer noch vierstellig, aber an der zweiten Stelle würde die Zwei bald durch die Eins abgelöst werden.

* * *

»Was weißt du über deine Studentin?« Frau Hegel blickte ihren Mann eindringlich an.

»Eigentlich nicht viel.« Er zuckte mit den Schultern. »Wir haben eigentlich immer Fachgespräche geführt. Aber ich glaube, sie kommt von einem Bauernhof.«

»Sie sagte gestern, sie stünde quasi auf der Straße. Ich habe das erst nicht so wichtig genommen, aber ich glaube, sie hat das wirklich wörtlich gemeint.« Frau Hegel gab sich nachdenklich. »Du kannst sie ja einmal unauffällig aushorchen, wie ihre wirkliche Situation ist.«

»Immerhin war sie verzweifelt genug, um auf unsere zweideutige Anzeige einzugehen.« Der Professor grinste zunächst, doch dann wurde er ernst. »Was machen wir heute mir ihr?«

»Du fährst heute mit dem Auto in die Universität und nimmst sie mit.« Frau Hegel gab wieder, was sie sich schon überlegt hatte. »Ich muss sicher sein, dass sie heute nicht im Haus ist. Dabei kannst du sie auch gleich etwas aushorchen.«

»Was hast du denn vor?« Herr Hegel war über die Eile etwas verwundert.

»Ich werde die Kleiderschränke heute schon einräumen.« Sie holte tief Luft. »Ich habe mit den Größen bei Mantel und Nachthemd richtig gelegen, ich denke, darauf können wir aufbauen.«

»Und was wirst du ihr zur Verfügung stellen?« Ihr Mann lächelte wissend.

»Alles, das ganze Programm.« Frau Hegel strich sich die Haare aus dem Gesicht. »Ich glaube, sie wird es mögen. Ich habe da so eine Ahnung.«

»Du hast bisher selten daneben gelegen.« Er bewunderte insgeheim die Menschenkenntnis seiner Frau. »Es wäre schön, wenn sie von den Lacksachen nicht abgestoßen wäre.«

»Sie wird sie lieben, glaube mir.« Frau Hegel berichtete davon, wie geradezu zärtlich Julia den Mantel gestreichelt hatte, als sie auf dem Amt warten mussten. »Ich glaube, sie ist für das ganze glänzende Zeug recht empfänglich.«

»Es wäre schön, wenn du recht hast.« Herr Hegel lehnte sich zurück.

»Nach den Vorlesungen musst du ihr gleich die Jahreskarte kaufen, dass wird sie noch stärker an uns binden.« Sie zog die Stirn in Falten.

»Das werde ich machen.« Er grinste. »Wir sollten eigentlich vom MVV Provision verlangen.« (Anmerkung des Autors: MVV ist der umgangssprachliche Begriff für den öffentlichen Personennahverkehr in München)

»Die Situation ist ernst genug.« Doch dann lachte sie auch. »Ich habe ihr gestern angedeutet, dass sie für sich selbst einzukaufen hat. Ich glaube, dass war ein Fehler und nicht zielführend. Ich werde das heute korrigieren. Sie darf unsere Küche und Lebensmittel mitbenützen. Ich biete ihr an, dass wir für sie mit einkaufen.« Sie seufzte. »Ich hoffe, sie wird bald nach Carolin fragen.«

Herr Hegel richtete sich wieder auf. »Wie machen wir es dieses Mal?«

Seine Frau legte kurz den Kopf in den Nacken. »Du gibst dich berührt, ziehst dich zurück, und ich werden dann mit ihr reden.«

»Und du meinst, sie wird fragen?« Es war seinem Blick anzusehen, dass er Zweifel hatte.

»Ich werde ihr eine Perle auf den Schreibtisch legen, und ich erstelle eine neue Taschengeldliste, dann wird sie sicher fragen.« Frau Hegel war zuversichtlich. »Und falls alle Stricke reißen, fange ich selbst mit dem Thema an. Das hatte wir ja auch schon einmal.«

»Ich hoffe, ich erinnere mich noch an meinen Text.« Er grinste.

»Ich werde ihr heute schon mal den engen Rock heraus legen.« Sie ergriff seine Hand. »Ich bin sehr gespannt, wie sie damit zurecht kommt.«

»Sag ihr am besten gleich, dass der Rock Carolin gehört hat und dass es Taschengeld dafür gibt.« Er grinste wieder. »So wie ich sie einschätze, dürfte sie für Bargeld recht empfänglich sein.«

»Sie sollte nur nicht den Eindruck bekommen, wir würden es ihr aufdrängen.« Sie nahm ihre Hand wieder zurück. »Sie muss es sich schon verdienen.« Sie holte tief Luft. »Sie hat übrigens gestern schon nach den Stuhllehnen gefragt und ich habe ihr gesagt, dass es für Carolins Monohandschuh ist. Der Begriff ist also schon gefallen, und wenn ich ihn auf der Taschengeldliste hoch bepreise, wird sie sicher danach fragen.«

»Wann bekommt sie das Tagebuch?« Der Professor dachte an das übliche Vorgehen.

»Ich wollte es ihr auf jeden Fall heute schon geben.« Sie hielt kurz inne, so als wolle sie über den Entschluss noch einmal nachdenken. »Wir müssen es einfach riskieren, wir haben nicht mehr soviel Zeit.«

Herr Hegel lehnte sich zurück. »Ich frage mich, wie sie reagieren wird.« Er hatte sich schon ein gewisses Bild von seiner Studentin machen können, aber das war bisher weitgehend fachlich geprägt. Als angehende Architektin zeigte sie eine große Begabung, doch wie es um ihre privaten Leidenschaften bestellt war, darüber wusste er nur wenig.

»Es ist so geschrieben, dass es sehr zu Herzen geht.« Frau Hegel blickte kurz auf dem Fenster. »Wer nicht gerade ein Herz aus Stein hat, sollte sich eigentlich von Carolins Wünschen angesprochen fühlen.« Sie stand auf und ging Richtung Tür. »Ich will dann mal nach ihr sehen und ihr ein Bad einlassen.«

»Willst du das jeden Tag machen?« Er runzelte die Stirn.

»Nein, nur heute.« Sie drehte sich noch einmal zu ihm um. »Ich habe so eine Ahnung, dass ich damit den Stein bei ihr im Brett noch vergrößern kann. So wie ich sie einschätze, wird sie sich morgen lieber duschen wollen. Aber heute möchte ich sie in der Wanne sehen.«

»Aber warum?« Er hakte nach. »Das haben wir doch sonst auch nicht gemacht?«

Frau Hegel lächelte. »Falls sie diese Nacht irgendetwas Schlechtes erlebt haben sollte, soll sie es in der warmen Wanne vergessen können.«

»Mach was du für richtig hältst.« Er machte eine abwinkende Handbewegung.

* * *

Ein leises Stöhnen klang durch das Zimmer. Die Dienerin zuckte zusammen und blickte erschrocken auf das Bett, auf dem dieses Biest von Julia lag, die jetzt das Zimmer mit der schönen Aussicht blockierte.

Frauke warf einen Blick auf die kleine Uhr auf der Kommode und überlegte, dass Zimmer besser zu verlassen, doch noch zögerte sie. Bald würde die neue Mieterin erwachen und dann sollte sie sie lieber nicht in ihrem Zimmer sehen.

Doch es war zu spät, Julia schlug die Augen auf und blickte direkt in Fraukes Gesicht.

Frauke erstarrte und wurde rot, doch dann beugte sie sich zu der wegen dem Nachthemd sehr hilflosen Studentin hinunter. »Wenn du etwas sagst und mich verrätst, dann sorge ich dafür, dass du wieder auf der Straße stehst.« Sie sagte es in dem Ton, den sie eigentlich seit Beginn ihrer Strafe eigentlich nicht mehr benutzt wollte. Doch jetzt war es wichtig, möglichst einschüchternd zu wirken.

Gleich darauf ging sie zügig aus dem Zimmer und eilte in Richtung der Treppe zum Dachgeschoss. Als sie sah, dass Frau Hegel die Treppe heraufkam, drehte sie sich um und tat so, als käme sie gerade aus ihrem Zimmer. »Guten Morgen, Frau Hegel.« Sie hatte Schwierigkeiten, ihre Stimme unter Kontrolle zu halten.

»Ihnen auch einen Guten Morgen, Frauke.« Frau Hegel drehte ihre Kopf in Fraukes Richtung. »Ist unsere Prinzessin schon wach?«

»Ich weiß es nicht«, antwortete Frauke und hoffte, dass ihr Gesicht wieder eine normale Farbe angenommen hatte. Sie hatte schon früh gelernt, ihre wahren Gefühle und Gedanken möglichst gut zu verbergen.

»Gehen sie bitte in die Küche und decken den Tisch für drei Personen. Julia wird in Zukunft jeden Tag mit uns essen.« Frau Hegel zeigte kurz mit der Hand in Richtung von Julias Zimmer. »Wir wollen dieses Mal gleich bei dem engen Kontakt bleiben.«

Frauke zögerte einen Moment. Sie wusste natürlich von Hegels Absichten und dass sie selbst mit ihrem heimlichen Besuch in Julias Zimmer einiges davon riskierte. Sie hätte gern gewusst, ob ihre Drohung gegenüber Julia stark genug gewesen war, doch sie konnte natürlich nicht danach fragen, ohne sich selbst zu verraten.

»Ich werde ihr ein Bad einlassen.« Frau Hegel hatte die Treppe passiert und war kurz vor Julias Tür.

Frauke wollte die Augen verdrehen, erst im letzten Moment konnte sie sich beherrschen. »Purer Luxus für die Prinzessin?« Sie gab sich Mühe, ihre Stimme neutral klingen zu lassen, obwohl sie innerlich kochte, sowohl vor Eifersucht als auch vor Angst vor dem Verrat. »Fragen sie sie doch, was sie in der ersten Nacht geträumt hat. Sie wissen schon, man sagt, das wird in Erfüllung gehen, sagt man.« In Wirklichkeit wollte sie natürlich erfahren, ob Julia dicht halten würde.

»Wie wird sie wohl reagieren, wenn sie in dem Nachthemd erwacht?« Frau Hegel wusste, dass sie nicht mehr viel Optionen hatten. Es musste dieses Mal einfach klappen.

»Machen sie sich keine Sorgen.« Frauke konnte beruhigt abwinken. »Das Nachthemd ist sehr bequem und es schläft sich darin sehr gut.«

»Ach ja, sie kennen es ja auch.« Frau Hegel lächelte.

»Und das Aufwachen ist schön.« Nur weil Frauke selbst das Nachthemd schon getragen hatte und wusste, wie hilflos es machte, hatte sie es gewagt, sich in Julias Zimmer zu schleichen.

»Ich möchte sie gleich wecken, damit sie keine Gelegenheit hat, sich im Zimmer umzusehen.« Frau Hegel ging weiter.

Frauke versuchte ein Grinsen als Antwort, was ihr aber nur leidlich gelang.

* * *

Julias Bett stand so, dass das Licht der aufgehenden Sonne durch das Erkerfenster auf der Ostseite des Hauses direkt auf ihr Gesicht fiel.

Von draußen war schon länger das morgentliche Konzert der Vögel zu hören, doch Julias schlief noch tief und fest. Die Unterarme, die sie in dem besonderen Nachthemd noch ein wenig bewegen konnte, lagen seitlich neben ihrem Körper. Sie hatte sich nicht mehr gedreht, sondern lag noch so da, wie sie am Abend eingeschlagen war. Lediglich die Bettdecke zeigte, das sie sich trotz des strengen Nachthemdes wohl etwas bewegt haben musste.

Es war nur zu sehen, wie sich ihr Brustkorb ganz leicht mit ihrem Atem bewegte. Sie war gestern sehr glücklich eingeschlafen.

Sie blinzelte, als sie die Sonnenstrahlen in ihrem Gesicht spürte. Von draußen drang so gut wie kein Verkehrslärm herein, obwohl die Villa nicht wirklich abseits lag. Sie blickte sich um. Eben hatte sie noch davon geträumt, dass diese seltsame Dienerin neben ihrem Bett gestanden hatte und sie bedroht hatte, doch jetzt hielt dies für einen schlechten Traum. Es ermutigte sie hingegen, sich dem ersten Tag in der neuen Wohnung zu stellen.

Innerhalb von nicht einmal acht Stunden hatte sich ihr Leben vollständig gedreht, erst stand sie wortwörtlich auf der Straße, und jetzt hatte sie ein tolles Zimmer in der schönsten Villa von Grünwald gemietet.

Geborgenheit und Privatsphäre kannte Julia bisher überhaupt nicht, und nur langsam begann sie zu ahnen, wie ihre Kindheit auf dem elterlichen Bauernhof auch hätte verlaufen können.

Erst seit sie bei den Hegels wohnte, wusste sie, was ihr bis dahin entgangen war. Es störte sie auch nicht, dass ihr Vermieter Herr Hegel an der Uni auch ihr Dozent war. Im Haus war davon nichts zu spüren.

Sie war einfach nur glücklich. Alle ihre bisher so großen Probleme hatten sich alle in Luft aufgelöst. Sogar eine sehr komfortable Bleibe hatte sie gefunden, so dass sie ihr Studium ganz ohne Sorgen weiter führen konnte und sich um nichts mehr kümmern musste. Im Gegenteil, die Hegels gaben ihr anscheinend sogar das Gefühl, ein wenig zur Familie zu gehören.

Für einen kleinen Moment hatte sie Angst und fürchtete, gleich wieder in der kleinen Studentenwohnung aufzuwachen.

Doch dann spürte sie die Enge des Nachthemdes, dass sie umgab. Sofort erinnerte sie sich an die besonderen Bedingungen der Miete und sie erkannte erleichtert, dass ihr das Tragen des Nachthemdes genauso wenig etwas ausmachte, wie das Tragen dieses faszinierendes Mantels, in dem sie sogar zweimal einen Orgasmus hatte. Etwas, was ihr noch nie in dieser Form passiert war. Und sie fragte sich, ob es wieder passieren würde.


Es klopfte an der Tür.

Julia hatte sich immer noch nicht daran gewöhnt, dass jemand an ihre Türe klopft. Wieder dauerte es bis zum zweiten Klopfen, bis sie herein endlich ´Herein´ antwortete.

Frau Hegel steckte den Kopf zur Tür herein. »Ich wollte nur kurz schauen, ob sie schon wach sind.

Julia versuchte sich etwas zu räkeln, als sie feststellte, das sie in dem Nachthemd doch ziemlich gefangen war. Zudem war sie es nicht gewöhnt, das jemand an ihrer Tür klopfte. Sie musste an ihr kleines Zimmer auf dem Bauernhof denken. Damals wäre sie schon froh gewesen, wenn sie überhaupt erstmal eine Tür gehabt hätte und nicht nur eine Vorgang, der eine Privatsphäre nur vorgab.

Wieder war von von der Tür die Stimme zu hören: »Darf ich reinkommen?«

Das jemand fragte, war Julia noch weniger gewohnt. »Ja natürlich.«

Als Frau Hegel den Kopf zur Tür herein steckte, hatte Julia das Gefühl, sich entschuldigen zu müssen. »Ich bin es nicht gewohnt, das jemand anklopft oder fragt, ob er reinkommen darf.«

Frau Hegel tat so, als würde sie Julias Bemerkung überhören, doch insgeheim hatte sie es sich gemerkt, denn es könnte sich noch einmal als nützlich erweisen. Sie trat an das Bett und beugte sich zu Julia herab. »Darf ich ihnen beim Aufstehen helfen?«

Ein ganz verwunderter Blick kam von Julia, denn eigentlich hatte sie bisher noch nie Hilfe angeboten bekommen noch nötig gehabt. Doch dann spürte sie wieder das besondere Nachthemd und dankbar blickte sie ihre Vermieterin an. »Ja danke, das wäre nett. Mit dem Nachthemd bin ich doch nicht ganz so beweglich.« Sie grinste über ihren morgendlichen Scherz.

Frau Hegel nahm die Bettdecke zur Seite und legte sie bewusst etwas umständlich zusammen, damit Julia noch etwas Zeit hatte, sich in dem Nachthemd etwas zu strecken, aber auch damit sie noch etwas von der Strenge des Nachtgewandes spüren konnte.

Es lief wie gewünscht. Die Studentin versuchte, mit dem Nachthemd aufzustehen, doch sie merkte, das es ganz ohne fremde Hilfe wohl nicht so ganz einfach werden würde.

Frau Hegel sah die Bemühungen und blickte genauso liebevoll wie fasziniert auf Julia. »Warten sie einen Moment, ich helfe ihnen.« Sie legte die Bettdecke fertig zusammen und trat dann an Julias Bett. Sie legte ihre Hand auf die Schulter der Studentin und zog sie hoch.

Julia schwang die Beine aus dem Bett und blickte fasziniert auf die Stoffhülle, die ihre Beine leicht zusammen drückte. Sie bewegte ihre Beine etwas und genoss dabei den weichen Stoff, der geradezu zärtlich ihre Beine umschloss.

Derweil machte sich die Vermieterin daran, den Reißverschluss des Nachthemdes zu öffnen. Sie befreite Julia aus dem Nachtgewand und half ihr dann in einen flauschigen Bademantel. »Dein Bad wartet und dann gibt es Frühstück.« Frau Hegel hatte die Gelegenheit genutzt, heimlich Julias nackten Körper zu betrachten und war insgeheim begeistert, Julia hatte einen tollen Körper und war wirklich bestens geeignet. Sie wagte es, ein ganz kleines bisschen Vorfreude zu spüren.

Es hätte Julia vielleicht auffallen können, das sie hier für ein gemietetes Zimmer etwas zu sehr umsorgt wurde, doch sie war noch ziemlich benommen von den Eindrücken und ihrer plötzlichen Sorgenfreiheit. Sie machte sich im Moment diesbezüglich keine Gedanken.


Gestern war sie natürlich schon im Bad gewesen, aber die große Badewanne hatte sie irgendwie nicht wahrgenommen. Jetzt verriet der dicke Badeschaum, das dort wirklich ein verlockendes Bad auf sie zu warteten schien. Julia wollte es gar nicht so recht glauben, denn von ihrem Bauernhof her kannte sie den Vorgang des Baden als ganz was Anderes. Sie dachte mit Schrecken an die große Zinkwanne, in der immer gleich die ganz Familie badete.

Jetzt sollte sie hier allein baden dürfen in einer super tollen Badewanne. Sie war überwältigt. Der Badeschaum sah schon sehr verlockend aus. Sie wickelte sich aus dem flauschigen Bademantel und steckte ihren Fuß vorsichtig in den Schaum. Das Wasser war angenehm warm. Julia ließ sich mit einem wohligen Seufzer in das Wasser hinab.

Ihre Gefühle fuhren Achterbahn. So ein schönes Bad hatte sie noch nie gehabt.

Das Wasser war fast cremig und sie genoss es sehr, sich mit den Händen über ihren Körper zu streicheln. Sie dachte wieder an die alte Zinkwanne vom Bauernhof und musste innerlich fast darüber lachen. Wie primitiv das alles doch gewesen war.


So langsam wurde Julia so richtig wach und freute sich auf den Tag. Vor alllem dachte sie daran, dass sie wieder diesen tollen Mantel tragen durfte. Ihre Hände verirrten sich schon wieder zwischen ihre Beine. Sie streichelte sich sanft.

Doch dann ließ sie verlegen davon ab. Der Tag sollte erst mal anfangen.


Es klopfte und gleich darauf steckte Frau Hegel steckte den Kopf zur Tür herein. »Trinken sie lieber Tee oder Kaffee?«

Diesen andauernden Luxus war Julia überhaupt nicht gewöhnt. Sie war noch ganz in ihren Gedanken. Doch dann fing sie sich. »Ja.. äh.. Bitte Kaffee.«


Als Julia eingehüllt in den flauschigen Bademantel das Bad verließ, stand Frau Hegel in ihrem Zimmer und hielt ein Stück Stoff in ihrer Hand. »Ich wollte dich fragen, ob du vielleicht Lust hast, Carolins Rock auszuprobieren.« Sie blickte kurz auf das Stück Stoff in ihren Händen. »Es würde dir 20 Euro Taschengeld einbringen, wenn du ihn heute den ganzen Tag trägst.«

Julia war verwundert. Für 20 Euro musste sie normalerweise mindestens drei Stunden in der Kneipe arbeiten. Da diese hauptsächlich von Studenten besucht wurde, gab es deswegen höchst selten ein nennenswertes Trinkgeld. »Wofür genau bekomme ich das Geld?« Sie konnte es nicht verhindern, dass ihre Stimme misstrauisch klang.

Mit der Reaktion hatte die Vermieterin gerechnet. »Du erinnerst dich an die Taschengeld-Klauseln aus dem Mietvertrag?«

»Ach ja!« Julia war verlegen. »Ich dachte nicht, dass es so einfach werden würde.« Doch dann stutzte sie. »Oder ist ein Haken dabei?«

Frau Hegel grinste. »Es kommt auf deinen Geschmack an. Ihr jungen Mädchen seid heute ja fast nur in Hosen unterwegs.«

»Ja, weil es einfach praktischer ist.« Sie lächelte etwas verlegen.

»Carolin war da etwas anders.« Frau Hegel wunderte sich, wie leicht es ihr fiel, sentimental zu klingen. »Sie hat gern Röcke getragen.«

Julia blickte ein wenig verwundert auf.

»Natürlich darfst du auch gern deine Jeans anziehen.« Sie wusste, dass sie so gut wie gewonnen hatte. »Aber ich und vor allem mein Mann würden es gern sehen, wenn die Sachen von Carolin wieder einmal getragen werden.«

»Was ist es denn für ein Rock? Ein breiterer Gürtel?« Julia bereute ihre sarkastischen Worte, kaum dass sie sie ausgesprochen hatte, denn sie erkannte sie sofort auch als sehr unhöflich.

Doch zu ihrer Erleichterung übersah Frau Hegel die Spitze und zeigte Julia den Rock. »Nein, eher das Gegenteil.« Sie hielt den Rock hoch, so dass Julia ihn in ganzer Länge sehen konnte.

»Der ist mir doch viel zu eng.« Julia hätte sich das Geld schon gern verdient, doch sie sah sofort, dass sie nie in den Rock hinein passen würde. »Außerdem halten sie ihn verkehrt herum.«

Insgeheim lächelte Frau Hegel, weil sie diese Reaktion vorhergesehen hatte. »Das ist ein sogenannter Humpelrock.« Frau Hegel zeigte Julia den Reißverschluss, der den Gehschlitz komplett verschließen konnte und erläuterte dies. »Die waren ganz früher einmal in Mode und Carolin hat sie sehr gern getragen. Sehr oft war er bei ihr ganz geschlossen«

»Nie gehört.« Julia blickte den Rock genauer an. »Außerdem kann ich dann ja nur noch Trippelschritte machen.«

»So ist es.« Frau Hegel legte den Rock auf das Bett. »Wie wäre es, wenn du ihn einfach einmal zum Frühstück anziehst. Dann kannst du dir immer noch überlegen, ob du damit auch zur Uni gehen möchtest?«

»Das können wir so machen.« Julia wusste zwar nicht, auf was sie sich wirklich einließ, doch sie wollte ihre Vermieter auch nicht unnötig brüskieren. Außerdem war sie heute schon in einige Fettnäpfchen getreten.

Auf ein Detail wollte ihre Vermieterin sie noch hinweisen. »Dies ist ein besonderer Reißverschluss. Du kannst ihn an jeder Stelle, die Du möchtest, fixieren.«

»Warum sollte ich das machen wollen?« Julia war verwundert.

»Nun, der ganz enge Mantel hat dir ja auch gefallen.« Sie blickte während der Antwort zum Fenster, um Julia in diesem Moment nicht ansehen zu müssen. Denn natürlich hatte sie die beiden Höhepunkte bemerkt und sie insgeheim über die Reaktion sehr gefreut, weil es bestens in ihre Pläne passte.

»Ja, sie haben recht.« Julia wurde etwas rot. »Ich glaube ich mag das.« Sie ging zum Bett und begann, den Rock genauer zu inspizieren.

Frau Hegel spürte, dass es der richtige Zeitpunk war zu gehen. »Komm dann bitte ins Esszimmer. Mein Mann und ich warten auf dich.« Sehr unauffällig versuchte sie noch etwas Druck aufzubauen, damit Julia nicht auf den Gedanken kommen würde, sich jetzt schon in dem Zimmer umzusehen und eventuell die leeren Schränke zu entdecken. Denn das konnten sie jetzt noch nicht brauchen.
15. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von Moira am 29.07.17 23:00

Hallo gag_coll,

sehr spannend, die Story ... mag ich

DANKE!

Gruß ~~ M
16. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von fiasko am 29.07.17 23:01

Eine schöne neue Fassung der Geschichte.
Die alte Variante war schon gut, aber wenn diese nun so weitergeht, kann die neue Fassung noch viel besser werden!

17. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von Moira am 30.07.17 00:10

obwohl ja der Link zur früheren Fassung hier zu lesen war, hab ich bislang der Versuchung widerstanden, dort zu "spicken" *stolz guck
18. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung) - Kapitel 2 - Die ersten Schritte ins neue Leben - Teil Zwei von Vier

geschrieben von gag_coll am 30.07.17 07:18

Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)
Kapitel 2 - Die ersten Schritte ins neue Leben - Teil Zwei von Vier
Autor: Karl Kollar


Ein wenig keuchend betrat Julia schließlich das Esszimmer. Sie lächelte schüchtern. Der Reißverschluss des Rockes war bis weit über die Knie geöffnet. »Ich wollte ihn erst ganz schließen, aber dann kam ich nicht die Treppe hinunter«, berichtete sie, nachdem sie Herrn Hegel einen guten Morgen gewünscht hatte.

»Ja, das ging Carolin genauso.« Frau Hegel grinste offen. »Sie hat ihn aber nur für die Treppe immer geöffnet.« Sie hoffte, damit einen gewissen Druck aufzubauen.

Julia blickte an sich herunter. Sie begriff erst nach einiger Zeit, was von ihr erwartet wurde. Verlegen beugte sie sich herunter und schloss den Reißverschluss ganz.

Frau Hegel lobte sie dafür. Es lag in ihrem ureigenen Interesse, wenn sich Julia im Haus nicht so schnell bewegen konnte.

»Drinnen war der Rock eigentlich immer ganz zu.« Herr Hegel gab sich ganz nüchtern. »Nur draußen hat sie ihn etwas geöffnet.«

Julia blickte mit leicht rotem Kopf an sich herunter. Sie hatte eigentlich äußern wollen, dass sie den ganz geschlossenen Reißverschluss schon ausprobiert hatte und ihn für zu streng begutachtet hatte, doch jetzt fühlte sie, dass dies nicht Hegels Erwartungen waren.

Innerlich seufzend beschloss sie, den Rock von jetzt ab oft zu tragen und ihn dann auch immer wenn sich die Gelegenheit bot, ganz zu schließen. Immerhin war der Rock innen mit Seide gefüttert und schmiegte sich sehr weich an ihre Beine, auch wenn die Dreifachnähte einen Hinweis darauf gaben, dass er wohl auch sehr robust gearbeitet war. Sie fragte sich mittlerweile, was sich wohl noch alles in Carolins Kleiderschränken finden lassen würde. Doch noch traute sie sich noch nicht, dort einfach herum zu stöbern.

»Nehmen sie Platz und genießen das Frühstück mit uns.« Herr Hegel war extra aufgestanden und hatte ihre Stuhl zurückgezogen.

»Darf ich euch daran erinnern, dass ich beim Frühstück keine Fachgespräche wünsche?« Frau Hegel blickte dabei sowohl ihren Mann als auch Julia ernst an.

»Ja, natürlich.« Julia war insgeheim dankbar darüber, dass Frau Hegel es vorher gesagt hatte, denn sie hätte bestimmt die eine oder andere Fachfrage gehabt.

Es war einfach eine außergewöhnliche Situation, in die sie jetzt geschliddert war. Noch immer nannte sie sich dumm wegen ihrer Vorurteile bezüglich der Anzeige. Sie hatte es einfach falsch verstanden, denn der wahre Inhalt war so schön. Dann fiel ihr wieder ein, was sie noch äußern wollte. »Das Vollbad war schön, aber eigentlich reicht mir eine morgendliche Dusche.« Sie sprach bewusst etwas leiser.

»Ganz wie sie wünschen.« Frau Hegel lächelte. » Sie sollten nur wissen, dass ihnen die Badewanne jederzeit zur Verfügung steht.«

Wieder musste Julia an die alte Zinkbadewanne und den Heißwasserkessel denken, in dem nur einmal für Alle heißes Wasser gemacht wurde. Doch sie wollte diese Gedanken für sich behalten, denn sie schämte sich für diese Primitivität.

»Wie sind sie eigentlich mit dem Nachthemd zurechtgekommen?« Herr Hegel blickte seine Studentin neugierig an.

»Ich hatte am Anfang Probleme mit dem Einschlafen.« Sie lächelte verlegen. »Aber das lag nicht am Nachthemd, sondern daran, dass es so neu und ungewohnt war.«

»Schön zu hören.« Frau Hegel schenkte den Kaffee aus. »Und jetzt lasst es euch schmecken.«

* * *

»Ich habe noch einmal mit meinem Mann gesprochen.« Frau Hegel setzte ihre leere Kaffeetasse ab. »Ich möchte ihnen anbieten, dass sie sich bezüglich der Lebensmittel auch bei uns bedienen dürfen. Es müsste eigentlich genügend vorhanden sein. Sie müssen nicht für sich selbst einkaufen.«

»Und wenn sie etwas Besonderes möchten, sagen sie einfach Frauke Bescheid«, ergänzte ihr Professor. »Sie führt die Einkaufsliste.«

Julia schluckte ihren letzten Bissen hinunter und nahm ebenfalls einen Schluck Kaffee. »Vielen Dank.« Sie wurde wieder ein wenig rot. »Ich denke, ich bin bescheiden.«

»Das denken wir auch.« Es sollte wie Smalltalk aussehen, tatsächlich hatte es den Zweck, Julias Neugier in gewisse Bahnen zu lenken. Sie sollte sich hauptsächlich in Carolins Zimmer umsehen, und dort die Spuren entdecken, die Frau Hegel heute noch legen wollte.

»Oh, es ist ja schon nach Neun Uhr.« Herr Hegel blickte scheinbar erschrocken auf die Uhr. »Ich muss eilig in die Uni.« Scheinbar überrascht blickte er auf den Tischgast. »Sie kommen mit mir. Holen sie sich bitte, was sie für die Vorlesungen brauchen.«

Julia blickte ihren Professor verwundert an, sie war nicht sicher, ob sie ihn richtig verstanden hatte.

»Ich fahre heute mit dem Wagen in die Uni und ich möchte sie gleich mitnehmen.« Er stand auf und blickte auffordernd auf die Mieterin.

Julia stand auf und zögerte einen Moment. Sie war sich nicht sicher, ob sie sich vielleicht nicht doch den Rock wieder öffnen durfte, denn ihr Professor schien es eilig zu haben.

Zu ihrer Erleichterung bemerkte Frau Hegel ihr Zögern und schien auch ihr Anliegen erkannt zu haben. »Bitte sorgen sie dafür, dass sie bequem gehen können.«

»Und bringen sie auch gleich ihren Mantel mit.« Herr Hegel schien sie an ihre Mietverpflichtung zu erinnern.

Julia beugte sich herab, löste die Verriegelung des Reißverschlusses und zog sie ihn bis über ihre Knie auf, dann ging sie mit eiligen Schritten in Richtung ihres Zimmers. Die Enge des Rockes war ihr nicht unangenehm, und solange sie sich im Haus befand, würde sie ihn auch ganz schließen. Sie nahm sich vor, das gleich heute Nachmittag auszuprobieren.


Erst als sie außer Hörweite war, blickte Herr Hegel seine Frau zufrieden an. »Ich denke, dass ist doch gut gelaufen.«

»Sie hat gewartet, bis wir ihr die Erlaubnis gegeben haben, sich den Rock zu öffnen.« Frau Hegel stand auf und stellte sich hinter ihren Mann. »Ich denke, darauf können wir aufbauen.« Sie gab ihrem Mann einen Kuss. »Danke, dass du heute mit dem Auto fährst. Dann kann ich sicher sein, dass sie hier nicht plötzlich auftaucht.«


Julia ging mit eiligen Schritten in ihr Zimmer. Sie hätte sich gern dort etwas umgesehen, doch unten wartete ihr Professor, um sie mit in die Uni zu nehmen, deswegen musste sie sich beeilen, denn sie wollte ihn nicht warten lassen. Sie griff sich ihre Tasche und kontrollierte kurz den Inhalt. Dann nahm sie sich noch den Mantel und legte ihn sich über den Arm.

Sie hatte kurz überlegt, ob sie ihn gleich anziehen sollte, doch ihre Erfahrungen von gestern hatten ihr gezeigt, dass es ohne Hilfe recht schwierig war. Mit eiligen Schritten verließ sie danach wieder ihr Zimmer, nicht ohne noch einmal einen Blick auf die Schränke zu werfen und sich zu fragen, was für andere seltsame Kleidungsstücke sich dort wohl verbergen würden.

Herr Hegel wartete schon im Flur und Julia sah sofort, dass er jetzt etwas verlegen war. Doch sie ahnte nicht, warum.

»Ich hoffe, es stört sie nicht, dass ich ihnen mit dem Mantel helfen muss.« Herr Hegel nahm ihr den Mantel aus der Hand und hielt ihn bereit.

Julia ließ formvollendet hinein helfen und sah dann fasziniert zu, wie ihr Professor den Mantel mit dem einen Knopf schloss. Sie war sehr fasziniert von dem Mantel, denn die Ärmel waren so weit an der Seite angenäht, dass sie den Reißverschluss nicht erreichen konnte. Doch auch den einzigen Knopf, mit dem der Mantel jetzt verschlossen werden konnte und der eher wie eine Verzierung aussah, bewirkte, dass sie in dem Mantel gefangen war, denn ihre Arme reichten nicht weit genug, um sich den Knopf zu öffnen.

Herr Hegel gab seiner Frau noch einen Kuss, dann bat er Julia, ihm zu folgen.

* * *

Mit etwas Wehmut hörte Frauke, wie sich das Auto von Herrn Hegel vom Grundstück entfernte. Sie seufzte ein wenig. Auch das Auto war für sie ein Symbol für die ihr verwehrte Freiheit.

Natürlich wusste sie, was Hegels mit dieser neuen Mieterin vor hatten, doch es war ihr gleichgültig. Das Einzige, was sie ein wenig störte war, dass Julia jetzt in ihrem ehemaligen Zimmer wohnte.

Dabei ging es der Dienerin gar nicht um das Zimmer sondern lediglich um die Aussicht aus dem Erkerfenster auf das Symbol ihrer nicht vorhandenen Freiheit, der Blick auf die Straßenbahn.

Ja, manchmal blickte sie auch einfach nur auf die Schienen und folgte ihnen mit ihrem Blick, bis sie in der Ferne hinter der nächsten Kurve verschwanden. Wenn sie dürfte, würde sie sogar auf den Schienen in die Freiheit laufen.

»Frauke, wo sind sie?« Die Stimme von Frau Hegel schallte durch das Haus.

Die Dienerin ging mit zügigen Schritten zur Treppe und antwortete.

»Kommen sie bitte herunter, sie müssen mir helfen.« Frau Hegel wartete, bis Frauke in ihr Gesichtsfeld kam. »Ich möchte Carolins Schränke wieder einräumen.«

Frauke versuchte einen kleinen Protest. »Sie wissen, dass ich nicht besonders schnell gehen kann?« Es war ihr unangenehm, ihre Aufpasserin an ihr Handicap in Form der Schenkelbänder erinnern zu müssen.

»Das weiß ich doch.« Die Frau des Professors gab sich verständig. »Wir packen alles in die große Wanne, dann müssen wir nicht so oft laufen.« Sie blickte Frauke ins Gesicht. »Und sie geben das Tempo vor.« Sie drehte sich um und ging in den Keller des Hauses.

»Ja, Frau Hegel.« Frauke seufzte, dann folgte sie ihrer Herrin.

* * *

Als Julia im Universitätsgebäude die eigentlich vertrauten Räumlichkeiten betrat, kam es ihr doch vor, als sei sie an einem ganz anderen Ort. All ihre Sorgen, die sie bisher an diesem Orten begleitet hatten, waren verschwunden und es blieb nur das Glück über die glückliche Lösung all ihrer akuten Probleme.

Jetzt hatte sie wieder eine Wohnung mit einem belastbaren Mietvertrag, und sie konnte sich die Miete leisten, weil sie sozusagen in Naturalien bezahlte.

Und selbst das machte ihr nichts aus, denn sowohl der Mantel als auch das Nachthemd gefielen ihr sehr gut. Irgendwie bezog sie aus der Enge Geborgenheit, teilweise empfand sie sogar Zärtlichkeit, wenn sie überall von dem weichen und dennoch so unnachgiebigen Leder umgeben war.

Sehr gern erinnerte sie sich an die ganz plötzlich aufgetretenen Orgasmen, die sie in dieser Form noch nie erlebt hatte.

Und auch der enge Kontakt, den sie jetzt zu ihrem Professor hatte, steigerte ihr Wohlbefinden. Sie hatte die Gelegenheit genutzt und auf der Fahrt in die Uni gleich die eine oder andere Fachfrage gestellt, nachdem er sie dazu ermutigt hatte.

Dann war da noch der Rock der Tochter, den sie jetzt trug und der ihr schon ein paar bewundernde Blicke eingebracht hatte. Wenn sie Hegels richtig verstanden hatte, dann war der Rock etwas mit dem sie sich auch noch ein Taschengeld verdienen konnte. Damit könnte sie vielleicht auf den Job in der Kneipe verzichten, der ihr mehr als lästig war.

Sie hatte sich selbst die Verpflichtung auferlegt, den Rock so oft wie möglich geschlossen zu halten, besonders wenn sie in einer Vorlesung ihres Vermieters saß. Aber auch sonst hielt sie den Rock geschlossen und genoss das Gefühl des Seidenfutters auf ihrer Haut.

Der Mantel hing meistens neben ihr auf dem Stuhl und oft verirrten sich ihre Finger auf dem glatten als auch glänzendem Leder, und sie streichelte es gedankenverloren, während sie anbetungsvoll den Worten des Vortragenden folgte.

Demnächst waren wieder ein paar Scheine fällig, doch Julia machte sich diesbezüglich keine Sorgen. Und ihre bisherigen Ergebnisse gaben ihr diesbezüglich Recht.

* * *

Frau Hegel saß vor dem Computer und arbeitete an der Taschengeld-Liste für ihre neue Mieterin, nachdem sie zusammen mit Frauke die Schränke in Julias Zimmer eingeräumt hatte.

Das Zimmer war jetzt schon in dem Zustand, den Julia dann heute Nachmittag vorfinden sollte und in dem sie sich umsehen durfte.

Besonders gespannt war Frau Hegel, wie Julia wohl auf den Ballknebel reagieren würde, den sie quasi beiläufig auf dem Schreibtisch unter ein paar Papiere gepackt hatte. Bei den anderen Mädchen hatte die Strategie, sie als Perlen zu verkaufen, stets recht positiv gewirkt.

Auf dem Schreibtisch legte sie die eben ausgedruckte Taschengeldliste, die sie durch ein paar Tricks etwas hatte altern lassen. Dazu gehörten ein Zusammenfalten, darauf setzen und ein paar Kaffeeflecken. Gleich darauf sah das frisch gedruckte Papier aus, als hätte es schon lange in Carolins Zimmer gelegen.

Doch die Liste war wichtig für Hegels Ziele und ihr der Liste war ganz genau ausgetüftelt. Zum einen standen zwar viele Kleidungsstücke darauf, doch sie waren so ausgewählt, dass es nur wenige sinnvolle Kombinationen gab. Und sie waren alle recht niedrig bepreist. So gab es zum Beispiel für zwei Stunden den Rock tragen gerade mal fünf Euro.

Doch wenn man auf die Rückseite des Blattes schaute, sah die Sache schon anders aus. Hier standen zwar viel weniger Gegenstände, dafür waren sie wesentlich höher bepreist. Das einfachste war der ´ganz geschlossene und versiegelte Rock´, der pro Stunde 50 Euro einbrachte.

Das meiste Geld würde das Tragen des Monohandschuhs einbringen, falls Julia nachrechnen würde. Denn hier brachte jede angefangene Minute 4 Euro, so dass sie selbst bei Tragedauer von 30 Minuten schon über 100 Euro verdient haben würde. Doch Hegels rechneten damit, dass Julia zu Beginn spätestens nach 10 Minuten aufgeben würde. Und natürlich hatten sie kalkuliert, dass Julias Ehrgeiz damit geweckt werden konnte.

Das Tagebuch hatte sie schon vor einigen Versuchen geschrieben und stets hatte es die Wirkung gehabt, die das Ehepaar erwartet hatte. Die bisherigen Kandidatinnen waren dann meist an anderen Sachen gescheitert.

Julia war ihr letzter Versuch, dass wussten sie beide. Wenn es bei ihr nicht klappen würde, dann mussten sie schweren Herzens aufgeben. Doch bisher waren Julias Reaktionen sehr ermutigend und so langsam fassten sie Hoffnung, dass es mit ihrem Vorhaben vielleicht doch noch etwas werden könnte.

* * *

In einer eher langweiligen Vorlesung begann Julia, mit dem Reißverschluss zu spielen, und zum ersten Mal machte sie ihn ganz zu. Sofort spürte sie, wie sich die Seide geradezu zärtlich um ihre Beine schmiegte und ihr eine Geborgenheit vermittelte, die sie bisher so gar nicht kannte. Sie war sehr neugierig auf Carolins weitere Kleidung und freute sich schon darauf, in den drei Schränken zu stöbern. Immerhin hatte Frau Hegel sie ausdrücklich dazu ermutigt und ihr schon jetzt die Erlaubnis gegeben, alles tragen zu dürfen, was sie fand und ihr gefiel.

Sie begann über die Tochter von Hegels nachzudenken und sie fragte sich, was ihr wohl passiert war. Offensichtlich bewohnte Julia jetzt das Zimmer oder besser das Appartement, welches früher von ihr bewohnt wurde. Irgendwie umgab die Tochter von Hegels ein Geheimnis, und Julia dachte darüber nach, was sie bisher über die Tochter wusste.

Den deutlichsten Hinweis gab es bisher in Form der Möbel, denn viele der Sessel und Stühle hatte an der Armlehne eine Aussparung, und Julia konnte sich bisher nicht erklären, welchen Zweck diese hatte. Im Gegenteil, es müsste doch eher unbequem sein, im Rücken so ein Loch zu spüren.

Ansonsten war sie von den Mietbedingungen sehr angetan, und sie fragte sich, ob sie wirklich die erste war, die auf die Anzeige reagiert hatte. Sie fand es schon plausibel, denn nur wenige Studenten hatte es wirklich so weit kommen lassen wie sie. Sie war jetzt mit dem Blick zurück schon sehr blauäugig gewesen, und obwohl ihr eine innere Stimme immer wieder gesagt hatte, dass sie sich kümmern müsse, hatte sie es doch bis zum sprichwörtlich letzten Sekunde vor sich her geschoben.

Und dann hatte es so eine schöne Wendung genommen. Julia blickte auf den Vortragenden und empfand ungeheures Glück, dass sie jetzt auch noch bei ihrem Lieblingsprofessor im Haus unter gekommen war. Sein Fach hatte sie schon immer interessiert, und wenn sie auf dem Bauernhof ihrer Eltern einmal eine ruhige Minute gefunden hatte, dann hatte sie sich dabei ertappt, wie sie darüber nachdachte, die ganzen Räumlichkeiten neu einrichten würde, wenn es die vielen Tiere nicht gäben würde. Auch wenn sie die Tiere und die Arbeit mit ihnen prinzipiell mochte, es waren anderen Sachen, die sie in die Stadt getrieben hatte.

Trotzdem nahm sie sich vor, die Nähe zu ihrem Professor nicht zu missbrauchen, auch weil sie hatte mittlerweile erfahren, dass seine Frau keinen Wert auf Fachgespräche im Haus legte.

Immer wieder spürte sie, wie sich die Seide des Rockfutters um ihre Beine schmiegte und sie fragte sich, wie es wohl sein würde, wenn sie damit versuchen würde, ein paar Schritte zu gehen. Doch natürlich kannte sie ihre Kommilitonen und sie wusste, dass sich die sofort den Mund zerreißen würden, wenn sie sich mit dem ganz geschlossenen Rock sehen würden. Sie hatte sich schon dumme Sprüche anhören müssen, als sie heute mit dem Rock in der Vorlesung eintraf.


So lange sie auf ihrem Platz saß, blieb der Reißverschluss geschlossen, erst gegen Ende der Vorlesung öffnete Julia das Beingefängnis, wie sie es scherzhaft nannte und ging dann langsamen Schrittes zur nächsten Vorlesung.

Den Mantel trug sie die ganze Zeit auf dem Arm. Sie wollte ihn erst anziehen, wenn sie bei ihrem Professor war. Nicht nur wegen der Mietverpflichtung, sondern auf, weil der Mantel sie, auch wenn er nicht verschlossen war, wegen der engen und fixierten Ärmel sehr behinderte. Außerdem hatten Hegels angedeutet, dass sie wegen der Miete den Mantel nur in ihrer Gegenwart zu tragen hatte. Sie hoffte, dass sie letzteres so richtig verstanden hatte.

Andererseits hatte sie große Angst, gegen die Bedingungen des Mietvertrages zu verstoßen, der zu ihrer Besorgnis genau an dieser Stelle etwas ungenau formuliert war. Sie hatte den Mietvertrag sogar von einer ihr bekannten angehenden Juristin prüfen lassen, und auch diese hatte keine versteckten Klauseln oder ähnliches entdeckt. Immerhin hatte sie sie darauf aufmerksam gemacht, dass es keine Vorgaben gab, wie oft und wie lange sie den Mantel zu tragen hatte. Sie gratulierte ihr zu der preiswerten Miete. »Oder ist an dem Mantel etwas besonders?« hatte sie gefragt.

Julia hatte einen längeren Moment überlegt, ob sie ihrer Bekannten von den besonderen Eigenschaften des Mantels berichten sollte, doch dann hatte sie sich dagegen entschieden. Vor allem weil sie nicht zugeben wollte, dass es allein die Enge des Mantels war, die sie in Kombination mit der Freude über ihre plötzliche Sorgenfreiheit hatte einfach kommen lassen.

Julia war immer noch erstaunt darüber. Sie hatte beim Spaziergang in dem Mantel in der strengen Form zwei Mal einen Orgasmus bekommen, und sie hatte bisher nicht verstanden, warum ihr Körper so außergewöhnlich reagiert hatte. Natürlich wusste sie, wie sich so ein Orgasmus anfühlte, aber das sie ihn ganz ohne ihr eigenes Zutun bekam, war schon sehr außergewöhnlich.

Insgeheim fragte sie sich, ob es in Carolins Garderobe vielleicht auch noch andere ähnliche Kleidungsstücke geben würde. Sie hoffte, dass sie bald einmal in den Schränken stöbern dürfte. Sie nahm sich aber vor, dass sie Frau Hegel deswegen trotzdem noch einmal um Erlaubnis fragen würde. Insgeheim hoffte sie, dass es ihre Vermieterin erfreuen würde, wenn sie Interesse an dem Leben ihrer Tochter zeigen würde.

Doch dann zögerte sie. Was war wohl mit Carolin passiert? Eine innere Stimme warnte sie, sie solle vorsichtig sein, denn es könne gut sein, dass sie frische Wunden aufreißen und ihren Vermietern damit weh tun könne. Und letztes wollte Julia wirklich vermeiden.


Gegen Ende ihrer Vorlesungen fragte sie sich, wie weit sie den Rock wohl schließen könne. Es war eine Abwägung zwischen der Aufmerksamkeit ihrer Kommilitonen und ihrem Wunsch, in ihrer Bewegung eingeschränkt zu sein. Sie spürte, wie sich die Seide an ihren Beinen rieb und sie hoffte darauf, dass sich die Aufmerksamkeit der anderen eher auf den freien Nachmittag richten würde. Sie zog den Reißverschluss langsam ihre Beine hinunter und hielt inne, als sie die enge um ihre Knie herum spürte. Sie sagte sich, dass sie dann noch schnell genug gehen konnte, ohne dass es großartig auffallen würde.

* * *

»Danke, dass du mich gleich informiert hast.« Der Beamte nahm sich die Akte von Frauke Wiesl zur Hand und griff zu einem Stift. »Ich werde die Änderung bezüglich des Haushaltes sofort notieren. Wird eure Mieterin davon erfahren?«

»Bisher hatten wir nicht vor, ihr davon etwas zu sagen.« Frau Hegel trippelte etwas nervös vor dem Telefon.

»Wie macht sich Frau Wiesl? Gibt es irgendwelche Anlässe zum Klagen?« Herr Buchelbauer machte sich eine Notiz.

»Ich bin sehr zufrieden mit ihr.« Frau Hegel dachte über die neuesten Ereignisse nach. »Ich glaube, sie schaut gern der Straßenbahn nach.«

»Wie kommst du denn darauf?« So etwas hatte er bisher noch nicht gehört.

»Du weißt doch, dass direkt an unserem Grundstück die Tram nach München vorbei fährt.« Frau Hegel erinnerte den Beamten an die Begebenheiten ihres Hauses.

»Ach ja, ich erinnere mich.« Herr Buchelbauer war verlegen. »Ich war schon lange nicht mehr bei euch.«

Frau Hegel bestätigte die Anmerkung, nicht ohne einen kleinen Vorwurf durchschimmern zu lassen.

»Was habt ihr Frau Wiesl eigentlich über eure Mieterin gesagt?« Er überhörte die Anspielung wie jedes Mal.

»Bisher noch gar nichts.« Frau Hegel war verwundert. »Sollten wir?«

»Naja, sie könnte euch doch bei euren Zielen helfen.« Der Beamte wusste von Hegels besonderem Vorhaben.

»Sollten wir das wirklich riskieren?« Frau Hegel war verwundert.

»Gute Frage.« Herr Buchelbauer zögerte ein wenig. »Ich lasse mir das einmal durch den Kopf gehen. Ich würde es auf jeden Fall in der Bewertung von Frau Wiesl positiv aufnehmen.«

»Wir haben nicht mehr viel Zeit, bis wir Julia vorstellen müssen.« Frau Hegel dachte laut.

»Julia ist eure neue Mieterin, vermute ich.« Er machte sich wieder eine Notiz.

»Ja, das ist richtig«, bestätigte Frau Hegel. »Auf den Mantel hat sie schon einmal sehr positiv reagiert.«

»Ihr habt euch eine sehr seltsame Aufgabe gestellt.« Herr Buchelbauer klang besorgt. »Seid ihr sicher, dass es den Aufwand wirklich wert ist?«

»Das verstehst du nicht.« Frau Hegel verdrehte die Augen.

Er lachte. »Ja, das hast du schon oft gesagt.«

»Es ist uns halt sehr wichtig.« Sie holte tief Luft.

»Also haltet mich bitte auf dem Laufenden, was den Fall Frau Wiesl betrifft und auch über euer Vorhaben.« Er verabschiedete sich und legte auf. Dann wandte er sich an den Polizisten, der die ganze Zeit neben ihm gestanden hatte. »Wer ist ist der nächste Fall?«

* * *

Frauke ließ sich erschöpft in ihren kleinen, aber gemütlichen Sessel fallen. Sie hatte zusammen mit Frau Hegel die Schränke von Carolin eingeräumt und das Zimmer gemeinsam in den Zustand versetzt, der für eine neue Anwärterin vorgesehen war.

Sie war natürlich über Hegels Ziele informiert, und sie schämte sie immer noch, dass sie selbst versagt hatte. Schon als sie bei einem Besuchstermin das Professorenehepaar kennenlernte, war sie sich sicher, dass sie die Chance nutzen wollte, auch wenn sich ihre Strafe dadurch verdoppeln würde. Auch mit ihrer Anwältin hatte sie sich diesbezüglich unterhalten, und auch diese hatte ihr zu dem besonderen Arrangement geraten.

Ihre Finger spielten ein wenig mit ihrem Körper, der er gefühlt nicht mehr gehörte, seit sie dieses Keuschheitsgeschirr tragen musste. Bis zu der Frage hatte sie überhaupt nicht gewusste, dass es so etwas gab, doch das wollte sie nicht zu geben.

Sie wusste nur eines. Alles war besser, als weitere Zeit im Gefängnis zu verbringen. Sie wusste nicht mehr, wann sie den letzten Orgasmus hatte, es musste gewesen sein, lange bevor sie die Haft antrat.

Sie hatten ihr ihre empfindsamste Stelle genommen, hatten sie einfach mit Eisen verschlossen. Und auch ihre beiden Brüste hatten sie genommen, gesichert hinter den beiden glänzenden Halbkugeln. Sie trug auch kleine Metallbänder um ihre Hand- und Fußgelenke, mit denen sie einfach fixiert werden konnte.

Einmal in der Woche kam eine Vollzugsbeamtin mit dem passenden Schlüssel vorbei und schaute nach ihrem Wohlbefinden und vor allem nach ihrer Haut. Dies war die einzige Gelegenheit bei der sie den Gürtel los wurde. Doch die Beamtin benutzte ein Kältespray, und obwohl sie bis zu dem Termin sehr erregt war, tat die Beamtin doch alles, um ihr den erlösenden Orgasmus zu verweigern. Es ging ausschließlich um die Körperhygiene, und Frauke wurde dabei festgebunden und dabei fast wie ein Baby gepudert.

Es war jedes Mal schrecklich demütigend, doch Frauke wusste, dass sie es auf der einen Seite verdient hatte und dass andererseits die Alternative viel viel schrecklicher ausgesehen hätte. Dafür nahm sie lieber diese jedes Mal sehr demütigende halbe Stunden in Kauf.


Jetzt war wieder eine neue Mieterin im Haus, die sich ebenfalls an der Aufgabe versuchen würde, an der sie selbst gescheitert war. Sie war sich noch nicht sicher, wie sie ihr gegenüber traten sollte. Bisher war es nur die Person, die ihr jetzt die Aussicht auf die Straßenbahn verwehrte. Heute morgen hatte sie sich trotz aller Warnungen ihres Gewissens und auch von Frau Hegel in das Zimmer geschlichen und hatte den abfahrenden Bahnen nachgeschaut, auch wenn es nur zwei Stück waren.

Immer wieder träumte sie davon, dass sie in einer der Straßenbahnen sitzen würde und sie in die Freiheit fahren würde. Doch dieses Ereignis lag noch in weiter Ferne.
19. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung) - Kapitel 2 - Die ersten Schritte ins neue Leben - Teil Drei von Vier

geschrieben von gag_coll am 30.07.17 14:01

Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)
Kapitel 2 - Die ersten Schritte ins neue Leben - Teil Drei von Vier
Autor: Karl Kollar


Julia hatte zu ihrer eigenen Überraschung überhaupt keine Probleme, sich von ihrem Professor in den Mantel helfen zu lassen, als sie das Gebäude verließen und auf das Auto zugingen. »Wir fahren noch kurz zur Poccistraße, dort kann ich besser parken.« (Anmerkung des Autors: In der Poccistraße ist die zentrale Verkaufsstelle des Münchner Verkehrsverbundes, MVV)

Julia ahnte noch nicht, was dort passieren würde, sie beschloss, erst einmal nur brav zu nicken.

»Wenn sie bei uns wohnen, benötigen sie alle vier Ringe und die Jahreskarte ist sehr teuer.« Herr Hegel ließ den Motor an.

Julia bestätigte dies. Mit den seltsamen Tarifen des MVV hatte sie sich schon befasst. Erst nach einiger Zeit realisierte sie, was ihr Professor wirklich gesagt hatte. »Eine Jahreskarte über vier Ringe? Die kann ich doch nie abbezahlen.«

Doch Herr Hegel lächelte nur. »Die müssen sie nicht bezahlen. Es ist nur gerecht. Sie können ja schließlich nichts dafür, dass wir in Grünwald wohnen.«

»Aber...« Julia keuchte.

»Kein Widerspruch.« Herr Hegel gab sich resolut. »Ich kann sie ja schließlich nicht jeden Tag mit dem Auto fahren.« Er erinnerte seine Studentin daran, dass auch er oft mit der Straßenbahn fuhr.

Julia war ein wenig verlegen. »Ja, sie haben recht.« Doch ihre schlechtes Gewissen plagte sie. »Gibt es etwas, mit dem ich mich dankbar zeigen kann?«

»Darüber reden wir später einmal.« Herr Hegel fuhr die Lindwurmstraße entlang und hielt nach einem Parkplatz Ausschau. Schließlich fand er einen freien Platz direkt vor dem Geschäft.


Julia war mehr als erstaunt, denn ihr Professor kaufte ihr doch tatsächlich eine Jahreskarte für den gesamten innenraum. Und sie hatte immer noch Schwierigkeiten, das Tarifsystem überhaupt zu verstehen.

»Damit sind sie auf der sicheren Seite und können so gut wie überall hinfahren.« Er reichte ihr die Jahreskarte.

Julia wurde etwas rot. »Wie kann ich mich dafür bedanken?« Sie wiederholte ihre Frage.

»Die Zeit wird kommen, wo sie erkennen, wie sie sich erkenntlich zeigen können.« Er wollte diesbezüglich bewusst etwas unklar bleiben.

»Vielen Dank noch einmal.« Julia schnallte sich an.

»Sie erinnern mich an meine Tochter.« Herr Hegel schnallte sich ebenfalls an. »Sie wollte auch am liebsten Schwarz fahren.«

Julia fühlte sich ertappt und versuchte einen Themenwechsel. »Sie haben ein schönes Haus.«

»Ja.« Er gab sich etwas wortkarg.

Julia spürte, dass ihr Professor sich auf den Verkehr konzentrieren musste.

»Ja, wir haben es von meinen Eltern geerbt«, antwortete er nach einer kleinen Pause. »Es ist eine schöne Gegend.«

»Eine noble Gegend.« Julia lächelte.

»Wenn sie es so nennen wollen.« Er lachte kurz. »Sie haben ja einen Kennerblick.«

»Fahren sie oft mit dem Auto zur Uni?« Julia öffnete das Fenster ein kleines Stück.

Herr Hegel geriet ein wenig ins Schwitzen, denn für diese Frage hatte er keine Antwort bereit. Er versuchte die Flucht nach vorn. »Eigentlich fahre ich auch lieber Straßenbahn, dann kann ich noch mal schauen, was ich ihnen und den anderen Studenten erzählen will.« Er hoffte sehr, dass sie nicht nach dem heutigen Grund fragen würde.

Doch zu seiner Erleichterung wirkte es wie gewünscht, Julia war in Gedanken schon wieder bei ihrem Studium. Sie war sich immer noch unsicher, ob sie den nahen Kontakt zu ihrem Professor wirklich so ausnutzen durfte. Für das Haus hatte Frau Hegel sich Fachgespräche verbeten, doch im Auto galt dieses Verbot ja nicht, vor allem weil seine Frau selbst nicht anwesend war. »Warum muss mich die Dicke des Wandputzes interessieren? Das habe ich nicht verstanden.«

Herr Hegel lächelte, dann erklärte er ihr, dass der jeweilige Raum dann kleiner wird. »Es sind zwar nur Millimeter, aber es spielt oft eine Rolle.«

Julia lächelte verlegen, so als hätte er sie bei einer Unaufmerksamkeit ertappt.

»Den Fehler machen viele...« Er blickte seine Studentin kurz an. »Und es ist mehr als ärgerlich, wenn die Schrankwand nur Millimeter zu breit ist und deswegen nicht hinein passt.«

»Verständlich.« Julia spürte die rote Farbe im Gesicht.

»Sie sollten den Raum am besten noch einmal ausmessen, wenn er fertig ist.« Er betätigte den Schalthebel. »Oder nichts planen, was eine ganze Wand beansprucht.«

Julia lächelte verlegen und beschloss insgeheim, erst einmal keine Fachfragen mehr zu stellen. Denn jede ihrer Fragen zeigte auch, dass sie nicht gut genug aufgepasst hatte. Lieber würde sie es noch einmal nachschlagen, als sich noch einmal so eine Blöße zu geben.

»Wie kommen sie eigentlich mit der Miete zurecht?« Auch Herr Hegel spürte, dass ein erneuter Themenwechsel nicht verkehrt war. Außerdem wollte er hören, wie sich seine Studentin über die besonderen Vereinbarungen äußern würde.

»Oh, sehr gut.« Julia biss sich auf die Lippen, denn von ihren drei Orgasmen wollte sie ihrem Professor nichts erzählen.

Auf einmal keuchte sie, denn sie hatte erkannt, dass ihr Vermieter für die so heiß diskutierten Zettel am Anzeigebrett gesorgt hatte. Zum ersten Mal fragte sie sich, welchen wirklichen Zweck der Zettel wohl hatte, denn er hing schon lange dort. Julia hätte gern gefragt, ob auch schon andere Studentinnen auf den Zettel geantwortet hatten, doch sie traute sich nicht. Außerdem wusste sie nicht, ob sie die Antwort wirklich hören wollte.


Sie passierten das Ortsschild von Grünwald. Julia griff es auf, um das Gespräch in eine ganz andere Richtung zu lenken. »Es ist wirklich eine schöne Wohngegend.«

Insgeheim war ihr Herr Hegel für den Themawechsel dankbar. »Ja, es ist eine noble Gegend.« Er schmunzelte. »Wussten sie, dass Grünwald eigentlich eine eigene Gemeinde ist und mit München nichts zu tun hat?«

Julia blickte überrascht auf. »Nein, das wusste ich nicht.«

»Viele der Einwohner sagen gern, dass sie in München-Grünwald wohnen, doch eigentlich haben wir gerade die Stadt München verlassen.« Das Lächeln war deutlich in seiner Stimme zu hören.

»Es sollen ja viele Prominente hier wohnen?« Julia gab wieder, was sie aus der Klatschpresse erfahren hatte.

»Ja, das ist wohl war.« Herr Hegel grinste. »Ich bin immer froh, wenn wir nicht eingeladen werden. Es ist immer so anstrengend.«

Julia war für einen kurzen Moment enttäuscht, doch dann erinnerte sie sich an ihren eigentlichen Status und sie lächelte verlegen. »Ich frage mich, wem ich gern einmal begegnen möchte.«

»Bei den richtig prominenten Leuten wären sie bestimmt eher enttäuscht, weil sie eigentlich ganz normal sind.« Er seufzte. »Es gibt leider nur einige, die sich für etwas besseres halten.«

»Ohne das sie es sind?« Julia setzte den Satz fort.

»Ja, genau das meine ich.« Er hielt an und öffnete das Garagentor mit der Fernbedienung.

Julia blickte an der imposanten Fassade der Villa hoch und für einen winzigen Moment glaubte sie in ihrem Zimmer ein Gesicht am Fenster gesehen zu haben, doch dann schüttelte sie innerlich den Kopf. Sie hatte doch abgeschlossen.

Andererseits gab es auch keinen sich Sorgen machen, denn sie besaß so gut wie nichts. Alles was sie hatte, passt in zwei Koffer. Man sollte eigentlich erwarten, dass mindestens einer der Koffer mit Fachliteratur gefüllt war, doch da sie sehr vorsichtig mit ihrem Geld umgehen musste, hatte sie auf den Einkauf verzichtet und sich die nötigen Bücher lieber in der Bibliothek ausgeliehen.


Frauke hatte sich sofort zurückgezogen, als sie erkannte, dass sich der Wagen von Herrn Hegel auf das Grundstück bewegte. Bis vor kurzem hatte sie zusammen mit Frau Hegel die Schränke in ´Carolins Zimmer´ eingeräumt. Ein Procedere, das sie selbst in der Rolle der Mieterin auch schon kennengelernt hatte. Doch zu dem großen Enttäuschung ihrer Mieter konnte sie Carolins angeblicher Lackkleidung nichts Reizvolles abgewinnen. Im Gegenteil, sie hatte sich penetrant an die wenigen Stoffkleidung gehalten, die im Schrank vorhanden war. Sicherlich war das ein Grund, warum sie für die Ziele ihrer Vermieter nicht infrage kam, doch die wahren Gründe waren noch andere.

Frauke überlegte, ob sie es riskieren sollte, zum Auto zu gehen. Sie kannte die Gewohnheiten von Hegels, und wusste, dass es für heute die letzte Gelegenheit sein würde, einmal in den Himmel zu blicken.

Früher hätte sie über so ein seltsames Anliegen gelacht, doch heute bedeutete ihr dieser Blick in die Ferne sehr viel. Immer bei diesen Gelegenheiten ging ihr das schöne Lied von Reinhard Mey durch den Kopf, und sie fühlte, dass sie Freiheit dort oben wirklich grenzenlos war.

Grenzenlos und doch auch für sie nicht erreichbar. Es war schon etwas Aufbauendes, es überhaupt zu sehen. Auch wenn sie jedes Mal nach kurzer Zeit Tränen in den Augen hatte.

Doch da war auch noch diese neue Mieterin, diese Julia. Frauke wusste bisher noch überhaupt nicht, was sie von dem Mädchen halten sollte, die sie einerseits an die kleine Schwester erinnerte, die sie selbst nie hatte und die sie sich immer gewünscht hatte. Die ihr aber andererseits das Zimmer weggenommen hatte, dass für sich auch zu einem Symbol der Hoffnung auf Freiheit geworden war.

Doch bisher hatte Frauke immer ein Mittel gefunden, um ihrem Traum nachzugehen. So oft es ging, schlich sie sich an das Fenster, und auch wenn vor lauter Tränen nichts sehen konnte, wusste sie doch, wie sie eines Tages sich die Fahrkarte lösen würde, den Kopf auf der Straßenbahntür drücken und dann einsteigen würde. Sie würde sich einen Platz suchen, natürlich in Fahrtrichtung, denn sie wollte auf keinen Fall zurückblicken. Ihr Weg würde sie in die Freiheit führen auch wenn sie wusste, dass diese Freiheit noch in weiter Ferne lag. Sowohl räumlich als auch zeitlich.

Sie würde nie mehr zurückkehren, und doch würde sie bestimmt Kontakt zu Hegels halten, denn sie wusste, dass sie ihnen sehr viel zu verdanken hatte.

Natürlich verfluchte sie Tag für Tag das Eisen, dass sie am Körper tragen musste, doch sie wusste, dass die Alternative noch viel schrecklicher ausgefallen wäre.

Der gemeinsame Einkauf mit Frau Hegel war immer der Höhepunkt der Woche, wenn sie das Haus verlassen durfte und sogar im Geschäft den Einkaufswagen schieben durfte. Selbst die vielen Blicke der anderen Konsumenten, von denen die meisten natürlich über ihren Status Bescheid wussten, machten sie in dem Moment nichts aus.

Sie blickte noch einmal aus dem Nordfenster und sah, dass das Auto mittlerweile in der Garage stand. Jetzt wäre es für sie ohnehin zu spät, sich jetzt noch auf den Weg zu machen, wie sie es normalerweise getan hätte.

Irgendetwas hielt sie davon ab und tief in ihrem Unterbewusstsein wusste, sie, dass es an der neuen Mieterin lag. Frauke wusste immer noch nicht, wie sie ihr gegenübertreten sollte, und dass hielt sie davon ab, eine Begegnung mir ihr von sich aus zu provozieren. Seufzend verließ sie das Zimmer und ging mit schweren Herzen in ihr eigenes Zimmer.


Seltsam, wo nur Frau Wiesl bleibt?« Herr Hegel dachte es mehr laut, als das er bewusst eine Frage stellte. »Sie kommt sonst immer zum Auto und fragt, ob sie etwas tragen kann.«

Julia sah eine Chance, vielleicht etwas mehr über diese seltsame Dienerin zu erfahren. »Sie ist ihre Hausmädchen?«

Erst im letzten Moment hatte Herr Hegel sich unter Kontrolle. »Das ist komplizierter als es aussieht.« Er wich bewusst aus. »Fragen sie bitte meine Frau, um was für ein Verhältnis es sich genau handelt.«

Julia zuckte etwas zusammen. Anscheinend war sie, ohne das sie es ahnen konnte, schon wieder in ein Fettnäpfchen getappt. Sie beschloss für sich selbst, dieser Aufforderung oder Bitte nicht nachzukommen. Sie würde es bestimmt auch selbst herausbekommen, wenn sie nur aufmerksam genug sein würde.

Sie stand etwas unsicher neben dem Auto und wusste nicht, ob sie wegen dem Mantel ihren Professor um Hilfe bitten konnte. Mittlerweile kannte sie die Enge ganz gut und sie wusste, dass es schwierig sein würde, sich den Mantel ganz allein anzuziehen. Selbst wenn sie es schaffen würde, würde sie den Knopf nicht erreichen können und den Reißverschluss erst recht nicht.

Herr Hegel blickte sie nachdenklich an und nach einem kurzen Moment lächelte er gönnerhaft. »Legen sie sich den Mantel über den Arm, ich erkenne ihren guten Willen an.«

Julia war sehr erleichtert, denn so konnte sie problemlos das Haus betreten. Doch tief in ihrem Inneren war ihr Ehrgeiz geweckt.

Es musste doch eine Möglichkeit geben, wie sie sich selbst in diesen Mantel einsperren konnte. Es war ihr egal, dass sie ihn eventuell nicht mehr selbst ausziehen konnte, doch so eine Situation wie jetzt am Auto wollte sie in Zukunft vermieden. Ihr Stolz war angeknackst. Wenn sie diesen Mantel zu tragen hatte, dann wollte sie sich ihn zumindest auch selbst anziehen können.

Frau Hegel erwartete ihren Mann an der Haustür. Dass das Ehepaar einige geheime Zeichen vereinbart hatten, mit denen sie unbemerkt von ihrer Mieterin kommunizieren konnte, davon wusste Julia selbstverständlich nichts. Seine Frau gab ihm das Zeichen, dass alles wunschgemäß vorbereitet war und dass Julia nun für einige Zeit in ihrem Zimmer verbringen durfte. Sie würde ihm später berichten, was sie alles vorbereitet hatte.

Er verließ sich dabei ganz auf seine Frau. Sie hatte das besseres Gespür dafür, was so junge Frauen erwarteten und wie man ihre Neugier erwecken konnte. Bisher hatte es bis zu diesem Punkt eigentlich immer gut funktioniert.

Er drehte sich zu seiner Studentin. »Wir erwarten sie um Sechs beim Abendessen.« Er sagte es in einem Ton, der obwohl höflich sehr respekteinflößend war. Mit diesem Ton hatte er bisher fast immer Erfolg gehabt.

Es wirkte wie gewünscht. Julia blickte zu ihm hin und nickte verschüchtert, dann ging sie langsam in Richtung des Treppenhauses weiter, ohne sich noch einmal umzudrehen.

Sie empfand es als großes Glück, dass sie hier auch so etwas wie Familienanschluss gefunden hatte. Denn wenn es etwas gab, was sie von dem Bauernhof daheim vermisste, dann waren es die gemeinsamen Mahlzeiten.


Doch sie war noch nicht an ihrer Zimmertür, als sie noch einmal Herrn Hegel ihren Namen rufen hörte. Sie blieb stehen und drehte sich um.

»Wenn sie noch einen Moment Zeit haben, würde ich ihnen gern meine kleine Privatbibliothek zeigen.« Er machte eine einladende Handbewegung. »Wenn sie möchten, dürfen sie sich dort bedienen.«

Julias erster Impuls war, den Vergleich mit der sprichwörtlichen Briefmarkensammlung zu ziehen, doch dann wischte sie den eher lächerlichen Gedanken beiseite. Sie blieb stehen und wartete, bis Herr Hegel die Treppe herauf gekommen war.

»Folgen sie mir bitte.« Er ging die Treppe nach oben in Richtung des Dachgeschosses.

Julia ging mit unsicheren Schritten hinterher. Der obere Teil des Treppenhauses war nicht so mondän, sondern wirkte eher schlicht. Es sah fast so aus, wie sie es auch von daheim kannte. Vor allem nur eine einfache Holztreppe, bei der die Stufen ein wenig knarrten.

»Sie kommen mit dem Rock ja ganz gut zurecht«, bemerkte er, als er oben an der Treppe stand und Julia beobachtete, wie sie ein wenig mit der Enge des Rockes zu kämpfen hatte. Nur nebenbei hatte er bemerkt, dass der Reißverschluss nicht ganz geöffnet war. Er verzichtete allerdings darauf, Julia darauf aufmerksam zu machen. Es war gut, wenn sie sich langsam an die Enge des Rockes gewöhnen würde.

Julia lächelte verlegen. »Er trägt sich gut.« Sie es liebte, wenn sie die Seide an ihren Beinen spürte, wollte dies dann doch lieber für sich behalten. Mit Frau Hegel hätte sie sich vielleicht darüber unterhalten, aber gegenüber ihrem Professor war ihr das Thema eher unangenehm.

Er öffnete ein kleine unscheinbare Tür, trat ein und machte Licht, dann er blieb innen neben der Tür stehen.

Julia sah sofort, dass der Raum nur ein einziges kleines Fenster hatte und auch sonst nicht allzu groß war. Doch das war nur ein Detail, welches sie nur am Rande mitbekam. Sie war viel mehr davon beeindruckt, dass der Raum über und über mit Büchern gefüllt war.

Es gab in die vielen Regalen nur ganz wenig freien Platz, und alle Regale waren bis zur Decke mit Büchern voll gestellt. Von den eigentlichen Wänden des Raumes war nichts zu sehen, stellte Julia fasziniert fest. »Woh!«

»Sehen sie sich ruhig um.« In den Worten von Herrn Hegel schwang ein gewisser Stolz mit. »Wenn sie etwas für ihre Arbeit brauchen, bedienen sie sich hier.«

Julia stand wortwörtlich der Mund auf. Sie war sprachlos.

»Bitte achten sie lediglich darauf, dass sie die Bücher pfleglich behandeln. Aber ich glaube, dass muss ich ihnen eigentlich nicht sagen.« In diesem Moment hatte er einen fast liebevollen Blick für seine Studentin.

Julia war noch wie gelähmt. Hier standen sogar die Bücher, auf die sie sonst in der Bibliothek sonst manchmal wochenlang warten musste.

»Bitte achten sie aber darauf, dass die Bücher das Grundstück nicht verlassen.« Seine Stimme wurde eine Spur bedeutsamer.

»Sie meinen ´das Haus´, oder?« Julia glaubte, sich verhört zu haben.

»Nein, ich meinte schon das Grundstück.« Jetzt war ein deutliches Grinsen zu sehen.

Julia blickte ihn verwundert an, doch sie sagte nichts.

»Man kann auch gut auf der Terrasse und im Garten lesen.« Er zeigte mit der Hand in die Richtung, in der der Garten war. »Ich möchte sie ausdrücklich dazu einladen.«

Julia war mehr als verwundert. »Es ist wie im Traum.«

»Genießen sie es.« Herr Hegel blickte seine Studentin liebevoll an. »Nutzen sie die Chance, um eine gute Innenarchitektin zu werden. Sie könnten es weit bringen.«

Doch zuvor galt es noch ein anderes Ziel zu erreichen, an das sie ihre Mieterin aber ganz behutsam heranführen mussten.

* * *

Seufzend ließ Julia die Tür ihrer neuen Wohnung hinter sich ins Schloss fallen. Soeben hatte ihr Frau Hegel mitgeteilt, dass sie in Carolins Schränken ein wenig Platz gemacht hatte. Sie entschuldigte sie dafür, dass sie viele von den Sachen ihrer Tochter noch nicht weggeworfen hatte. »Wenn ihnen etwas davon passen sollte, können sie es gern anziehen.«

Julia fragte sich sich im Nachhinein, was sie eigentlich erwartet hatte, als sie die erste Schranktür öffnete. Denn sofort waren ihr zwei Sachen ins Auge gefallen. Das eine waren natürlich die leeren Fächer, die ihre Vermieterin angekündigt waren. Genauso aber fiel ihr dieses Glänzen in den anderen Fächern auf, und mit zitternden Händen nahm sich Julia eines davon in die Hand.

Es entpuppte sich als eine schwarze Lackhose. Julia musste sich vor Begeisterung setzen. Genau von so einer Hose hatte sie seit langem geträumt, seit sie sie einmal im Schaufenster einer sehr teuren Boutique gesehen hatte. Dort hatte sie einen vierstelligen Betrag gekostet und hier lag sie einfach so im Schrank.

Julia wagte es fast nicht, jetzt den gesamten Schrank zu inspizieren, doch sie erkannte trotzdem, dass in vielen Fächern das eine oder andere Kleidungsstück aus Lack zu entdecken war. Und sie hatte erst einen der drei Schränke geöffnet.


»Ich habe dir doch gesagt, es das funktionieren wird.« Frau Hegel hatte so etwas wie einen Triumph in der Stimme.

»Es wäre zu schön«, antwortete Herr Hegel, ohne seinen Blick von dem kleinen Überwachungsmonitor zu nehmen.

»Ich werde zu ihr gehen, um ihre Faszination gleich in die richtige Richtung zu lenken.« Frau Hegel öffnete die Tür des kleinen Überwachungsraumes.

»Sei vorsichtig.« Herr Hegel blickte weiterhin nicht auf. »Überfordere sie nicht.«

Frau Hegel lächelte. »Keine Sorge, ich habe meinen Text gelernt.« Sie lächelte zuversichtlich, dann schloss sie hinter sich die Tür.


Julia war so in Gedanken, dass sie weder das Klopfen realisierte noch bemerkte, wie Frau Hegel in ihr Zimmer gekommen war.

»Mir scheint, sie möchten Carolins Lieblingshose einmal anziehen?« Frau Hegel gab sich Mühe, ihre Stimme ganz bewusst weich klingen zu lassen.

Julia nickte zunächst ganz gedankenverloren, erst dann realisierte sie, dass Frau Hegel in ihrem Zimmer stand und blickte erschrocken auf. Eine Antwort wusste sie in diesem Augenblick nicht.

»Wir fänden es gut, wenn Carolins Sachen wieder einmal getragen werden.« Sie lächelte. »Zumindest hier im Haus.«

»Sie meinen, ich dürfte?« Julia hielt die Hose vor sich. »Ob sie mir passen würde?«

»Probieren sie es doch einfach einmal aus.« Der Satz war ausnahmsweise sogar ehrlich gemeint. »Wenn sie mutig genug sind, dann kommen sie damit einfach zum Abendessen.« Sie machte eine bedeutsame Pause. »Sie würden mir und meinem Mann eine große Freude machen, wenn sie sich das zutrauen würden.«

Julia legte die Hose auf ihr Bett und setzte sich daneben. Ohne das sie es bewusst steuern konnte, drehte sich ihr Kopf noch einmal den drei Schränken, die nebeneinander an der Wand stand.

Frau Hegel war dem Blick gefolgt. »Sie dürfen sich überall bedienen, auch in den anderen Schränken. Sie werden sicherlich einige Sachen finden, die ihnen passen könnten.«

Julia begann langsam Vertrauen zu fassen. »Von dieser Kleidung habe ich immer schon geträumt. Aber die war immer viel zu teuer.«

Sie dachte mit viel Wehmut an das Preisschild, dass sie bei einem ihrer Schaufensterbummel im Nobelviertel von München gesehen hatte. Sie wusste noch, dass die Zahl vierstellig war und mit einer Eins begann. Damals fragte sie sich, ob sie sich jemals so eine Hose würde leisten können. Und sie fragte sich auch, wer von den vielen Münchnerinnen so etwas trug. Und auch zu welcher Gelegenheit.

Frau Hegel tat ein wenig verlegen. »Ich habe ihnen Carolins Taschengeldliste auf den Schreibtisch gelegt. Wenn sie möchtest, dann können sie sich mit dem Tragen ihrer Kleidung auch etwas Geld verdienen.« Und sie hatte die vorbereitete Danksagung daneben gelegt, ohne dies allerdings zu erwähnen. Ihre neue Mieterin würde sicher darauf aufmerksam werden.

Julia blickte etwas verunsichert zwischen dem Schreibtisch und den Schränken hin und her.

»Ich lasse sie jetzt allein, dann können sie sich etwas umschauen.« Frau Hegel ging langsam zur Tür. Sie hoffte sehr, dass es die richtige Dosis an Ermutigung war. »Vielleicht finden sie ja das eine oder andere, was ihnen auch gefällt.«

Julia blickte ihrer Vermieterin verwundert hinterher. Selbst als die Tür ins Schloss gefallen war, saß sie noch wie starr auf dem Bett. Nur langsam kam wieder Leben in ihren Körper.

Mit zitternden Händen griff sie noch einmal zu der Lackhose und legte sie sich über den Schoß. Sie ertappte sich schon wieder bei der Frage, ob sie ihr vielleicht passen würde. Aus den ersten Blick schien es ihre Größe zu sein.

Fast wie in Zeitlupe legte sie die Hose noch einmal neben sich, dann zog sie sich ihre Rock aus. Sie griff sich die Lackhose und hielt sie hoch. Als der glatte Lackstoff ihre Haut berührte, zuckte sie zusammen und ermutigte sie zugleich, mit ihrem Vorhaben weiter zu machen.

Jetzt wollte sie wirklich wissen, ob ihr die Hose passen würde. Ob sie damit auch wie vorgeschlagen zum Abendessen gehen würde, dass wusste sie noch nicht. Durch die Lackkleidung war Julia noch neugieriger geworden auf Carolin. Sie schien ein aus Sicht der Studentin sehr faszinierendes Leben geführt zu haben.

Wie der Rock auch war die Hose innen mit Seide gefüttert und fühlte sich fast genau wie der Rock auf ihrer Haut an. Und als sie sich in dem großen Spiegel sah, weinte sie vor Glück.


»Sie weint.« Herr Hegel hatte weggesehen, als Julia sich den Rock auszog, denn an ihrer Unterwäsche hatte er kein Interesse. Doch jetzt, als er sah, dass Julia die schwarze glänzende Hose trug, wagte er es wieder, auf den Monitor zu sehen. Und seine Stimme klang besorgt.

»Das sind Freudentränen.« Frau Hegel hatte sich neben ihn gesetzt. »Siehst du das nicht?«

»Ich werde die Frauen nie verstehen.« Er lächelte.

»Dafür hast du ja mich.« Sie gab ihm einen Kuss.

»Jetzt ist sie am Schreibtisch.« Er zeigte auf den Monitor.

»Sie schaut sich die Taschengeld-Liste an.« Frau Hegel hielt die Luft an. »Ob es glücken wird?«

»Wir werden es bald wissen.« Er ergriff seine Hand und drückte sie.
20. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung) - Kapitel 2 - Die ersten Schritte ins neue Leben - Teil Vier von Vier

geschrieben von gag_coll am 30.07.17 17:22

Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)
Kapitel 2 - Die ersten Schritte ins neue Leben - Teil Vier von Vier
Autor: Karl Kollar


Julia stand mit zitternden Knien vor dem Schreibtisch und begutachtete die Taschengeld-Liste. Zunächst war sie etwas ernüchtert, denn mit der Liste war nicht wirklich viel Geld zu verdienen. Es standen zwar viele Röcke auf der Liste, aber sie konnte ja immer nur einen Rock anziehen.

Fast beiläufig entdeckte sie, dass die Rückseite der Liste ebenfalls bedruckt war, und auf den ersten Blick sahen die Preise aus wie die auf der Vorderseite. Doch dann sah sie etwas genauer hin und verglich auch noch einmal die Vorder-- und die Rückseite.

Auf der Vorderseite waren die Preise pro Stunden angegeben. Auf der Rückseite hingegen standen Minutenpreise. Julia schluckte. Damit sah die Rückseite schon ganz anders aus.

Sie suchte sich den nächsten Minutenpreis und sah sofort, dass es mit vier Euro der Monohandschuh war. Sie verstand aber nicht, was das war, und sie konnte sich unter einem Monohandschuh auch nichts vorstellen.

Aber wenn sie so einen Handschuh tragen würde, dann würde sie nach einer halben Stunde schon über 100 Euro verdient haben. Sie blickte noch einmal auf der Vorderseite. Den Rock müsste sie fast eine ganze Woche ununterbrochen tragen, um auf die gleiche Summe zu kommen.

Dabei war der Begriff ´Monohandschuh´ schon einmal gefallen, als Julia sich nach diesen seltsamen Rückenlehnen der Stühle und Sessel erkundigt hatte. Und auch die zwei Stühle in ihrem Zimmer zeigten diese seltsame Lehne.

Die Stühle waren trotzdem nicht unbequem, weil die beiden quasi Säulen sich glatt an den Rücken der Sitzenden anschmiegten und genau dort keine unangenehmen Kanten hatten. Was auch immer so ein ´Monohandschuh´ war, Carolin schien ihn wohl oft getragen zu haben, weil eigentlich alle ihre Sitzmöbel über die gleiche Aussparung verfügten. Aber warum die Mitte ihres Rückens freigelassen wurde, dafür konnte Julia bisher keine Erklärung finden.

Der nächste Eintrag auf der Liste war ´Perle mit Netz´ mit 3 Euro und ´Perle einfach´ mit einem Euro. Julia war verwundert. Selbst mir der einfachen Perle konnte sie in der Stunde 60 Euro verdienen, in der Studentenkneipe hätte sie dafür mindestens zwei Abende arbeiten müssen.

Doch dann kam sie ins Grübeln. Es musste bestimmt einen Grund geben, warum hier in Minuten abgerechnet wurde. Vielleicht war das Tragen ja sehr anstrengend, das wäre eine plausible Erklärung. Doch sie hatte noch eine keine Idee, warum das Tragen eines einfachen Handschuhs so anstrengend sein konnte. Auch mit den Perlen konnte sie wenig anfangen, doch auch sie schienen etwas besonderes zu sein.

Denn sie sagte sich, dass der hohe Preis sicherlich der Anreiz war, etwas Unangenehmes lange auszuhalten. Aber was es sein könnte, dazu hatte sie keine Idee. Doch ihre Neugier und genauso ihr Ehrgeiz waren geweckt.

Weiter unten standen Beträge, die sich auf die Zeitdauer von 10 Minuten oder einer halben Stunden bezogen. Doch bei den meisten konnte sie es nicht direkt mit Kleidung in Verbindung bringen. Lediglich unter einen versiegelten Rock konnte sie sich etwas verstellen, auch wenn sie keine Idee hatte, was genau an dem Rock hätte versiegelt werden können.

Oft war bei den Begriffen auch von Geschirr die Rede, manchmal in Verbindung mit Leder. Doch auch dazu konnte sie sich nichts vorstellen. In Gedanken sah sie eine Tasse aus Leder vor sich und musste darüber den Kopf schütteln. Das konnte damit nicht gemeint sein. Wieder stutzte sie, denn ihr fiel ein, dass sie den Begriff ´Ledergeschirr´ doch schon kannte, aber von dem Zaumzeug der Pferden auf dem elterlichen Hof.

Neben der Taschengeldliste lag noch eine Karte mit einem aufgedruckten schwarzen Rand. Sie hatte ungefähr die Größe einer Ansichtskarte und Julia fiel sofort der Name ´Carolin´ auf, der in der Mitte aufgedruckt war. Daneben befand sich ein schlichtes Kreuz.

Julias Hand zitterte, als sie die Karte in die Hand nahm. Es war eine Danksagung, in der sich Frau Hegel auch im Namen ihres Mannes für die Hilfe und den Beistand in den schweren Stunden bedankte. Es folgte ein Satz über die Hoffnung, dass Carolin es jetzt besser haben würde und ihre plötzliche und so tückische Krankheit jetzt keine Rolle mehr spielen würde.

Julia war schwer getroffen, als sie den Inhalt der Karte vollständig begriffen hatte, und sie schämte sich, weil sie den bisherigen Andeutungen über Hegels Tochter mit etwas Misstrauen begegnet war. Dass auf der Karte nur Tag und Monat angegeben war, fiel ihr allerdings nicht auf.


Sie grübelte einige Zeit, dann legte sie die Karte beiseite und ging noch einmal an das Fenster. Wieder sah sie eine Straßenbahn abfahren, und so nebenbei blickte sie auf den Schreibtisch, auf dem jetzt ihre Jahreskarte mit vier Ringen lag. (Anmerkung des Autors: Das Münchner Tarifsystem ist einigermaßen kompliziert, eine Karte mit vier Ringen entspricht dem Bereich der Stadt München ohne die Außenbezirke.) Sie wurde fast schwindelig, als sie die Summe sah, die auf der Karte aufgedruckt war. Fast 800 Euro hatte ihr Professor dafür gezahlt. Das entsprach in etwas der Geldmenge, mit der sie normalerweise ein halbes Jahr zurecht kommen musste, wenn sie Miete und Essen abgezogen hatte. Sie fühlte ihren Gasteltern gegenüber einen große Dankbarkeit und bezog daraus auch eine gewisse Verpflichtung.

Doch dann zögerte sie . ´Gasteltern´ war falsch, eigentlich waren es nur ihre Vermieter. Doch obwohl sie gerade mal 24 Stunden bei ihnen war, hatten sie ihr doch sofort das Gefühl gegeben, zur Familie zu hören oder zumindest zum Haushalt.


Es klopfte. Es war die Dienerin.

»Das Abendessen wäre bereit.« Nebenbei realisierte Frauke, dass Julia sich schon mit den Lacksachen vertraut gemacht zu haben schien, denn sie trug eine schwarze Lackhose. Sie seufzte ein wenig, denn mit dem Ende ihres Versuches, die ganzen Wünsche von Hegels zu erfüllen, war es auch vorbei mit Hosen, denn sie musste wieder die verhassten Schenkelbänder tragen. Sie hatte sich zwar mittlerweile daran gewöhnt, doch die Sehnsucht nach Hosen blieb. Sie wusste, dass in ihrer zukünftigen Garderobe Hosen eine sehr große Rolle spielen würde.

Röcke wollte sie nur noch in begründeten Ausnahmen tragen. Und im Moment fiel ihr nicht einmal eine einzige Ausnahme ein. Sie hatte aber mittlerweile gelernt, dass sie sich in Zukunft keine Wege mehr verbauen wollte. Denn aus ihrem aktuellen Schicksal hatte sie gelernt. So hatte es wenigstens etwas Gutes.


Julia legte die Taschengeldliste verträumt weg und fragte sich, ob sie sich bei Frauke nach dem seltsamen Handschuh erkundigen könnte. Auch zu den Perlen, bei denen es pro Minute immerhin einen Euro gab hätte sie gern etwas gewusst, doch Frauke mit ihrer abweisenden Art hielt sie davon ab.


»Das ist sehr schön, dass sie sich trauen.« Frau Hegel empfing ihre Mieterin im Esszimmer.

Julia blickte ihre Vermieterin verwundert an. »Sie hatte mir doch zu verstehen gegeben, dass ich mit ihnen Abendessen soll.«

»Ich meinte ja auch Carolins Hose.« Frau Hegel lächelte bewundernd. »Sie habe sich getraut.«

Julia wurde rot und blickte erschrocken an sich herunter. »Ich habe gar nicht mehr daran gedacht.« Sie überlegte, ob sie wieder auf ihr Zimmer gehen sollte, doch dann sah sie, dass auch Herrn Hegel zum Essen gekommen war.

»Mutig wie immer.« Herr Hegel lächelte, als er Julias Hose sah. »Ich freue mich sehr über ihren Entschluss.« Dieser Satz war ausnahmsweise einmal grundehrlich gemeint.

Julia hatte das Gefühl, im Erdboden versinken zu müssen. Sie hatte sie sich die zugegeben sehr faszinierende glänzende schwarze Lackhose angezogen und es dann einfach vergessen? Wie konnte sie nur so nachlässig sein.

»Sie sind mindestens so mutig wie Carolin.« Frau Hegel bat mit einer Handbewegung zu Tisch.

Julia begriff nur langsam, dass sie mit dem ungeplanten Auftritt ihren Vermietern anscheinend eine Freude gemacht hatte. Sie kam der Aufforderung nach, sich an den Tisch zu setzen.


Julia hatte immer noch die traurige Anzeige im Kopf, die sie so abgelenkt hatte und der sie es vor allem zu verdanken hatte, dass sie die Lackhose ganz vergessen hatte. Immer wieder verirrte sich eine Hand von ihr auf ihre Beine, und ganz fasziniert streichelte sie über ihre jetzt so spannend verpackte Haut.

Sie überlegte immer wieder, ob das, was sie vor hatte, wohl richtig war. Schließlich fühlte sie sich mutig genug, um die vorbereitete Frage zu stellen. Sie holte unauffällig noch einmal tief Luft, dann sprach sie die vorbereitete Frage aus. Sie hoffte, dass sie dabei die richtige Mischung zwischen Anteilnahme und Neugier erwischen würde. »Hat ihre Tochter sehr leiden müssen?«

Doch kaum hatte sie die Frage ausgesprochen, als sie ihren Entschluss schon wieder bereute. Herr Hegel war sofort aufgestanden und hatte das Esszimmer langsam, aber mit traurigem Blick verlassen.

Julia blickte ihm erschrocken hinter her. Sie ärgerte sich sehr über ihre Neugier. Jetzt hatte sie ihn verletzt und das hatte sie nicht beabsichtigt.


»Bitte fragen sie ihn nicht nach Carolin.« Frau Hegel blickte Julia erklärend an. »Die Wunden sind bei ihm besonders frisch.« Sie stand auf und ging zur Tür. »Warten sie bitte kurz, ich möchte ihnen noch etwas geben.«

Julia blickte ihr verwundert hinterher, sie begriff so langsam, dass sie die bisherige Stimmung offensichtlich falsch gedeutet hatte.

Auf einmal ertönte leise Musik und Julia erkannte sofort, dass es von Richard Wagner ´Siegfrieds Trauermarsch´ war. Ihre Betroffenheit wuchs noch ein Stück, das hatte sie mit ihrer Frage wirklich nicht bewirken gewollt. Sie beschloss, in Zukunft in der Richtung der Tochter lieber etwas zurückhaltend zu sein.

Gleich darauf kam Frau Hegel zurück, doch sie blieb zunächst in der Tür stehen und tat, als ob sie nachdenken würde.

Julia sah, dass sie irgendwie gemustert wurde und sie zwang sich, die Blicke zu ertragen. Sie hatte den Blick zu Boden gesenkt, so sah sie nicht, dass ein kleines Büchlein schon vor ihrer Ankunft auf der Kommode gelegen hatte. Das hätte sie vielleicht noch misstrauisch machen können, doch sie hatte es nicht bemerkt.

»Ich denke, sie hätte nichts dagegen, wenn ich es ihnen gebe.« Frau Hegel ging langsam auf die Kommode zu.

Julia blickte auf und wunderte sich, über was ihre Vermieterin gerade sprach. Doch sie traute sich nicht, danach zu fragen.

Frau Hegel blieb vor der kleinen Kommode stehen und griff sich das Buch. »Darin werden sie sicher einige Antworten auf ihre Fragen finden.« Sie reichte es ihrer Mieterin.

Julia war noch dabei, die Reaktion ihres Professor zu verarbeiten. So betroffen wie jetzt hatte sie ihn bisher noch nicht erlebt. Sie blickte unauffällig auf den Titel des Buches und entdeckte dort eine Prägung in Goldfarbe ´Mein Tagebuch´.

Frau Hegel reichte Julia die Hand. »Bis morgen früh.«

Julia blickte ihre Vermieterin fragend an, stellte jedoch keine Frage.

»Frauke wird ihnen mit dem Nachthemd helfen.« Frau Hegel ging langsam zur Tür. »Sie werden sich sicher an ihre Verpflichtungen halten, wenn sie zu Bett gehen wollen.«

Julia schluckte. »Aber natürlich, Frau Hegel.«

Doch bei den ersten Schritte auf der Treppe hörte Julia, dass Frau Hegel nach Frauke rief, und als sich die Dienerin meldete, forderte ihre Vermieterin sie auf, Julia mit dem Nachthemd zu helfen, wenn sie danach verlangen sollte.

Frauke gab sich zuerst etwas unwillig, doch dann realisierte sie aber, dass sie so einen offiziellen Grund hatte, Julias Zimmer zu betreten.


Julia stand mit dem Tagebuch in der Hand im Zimmer und blickte sich um. Was sollte sie jetzt tun? Nach dem Abendessen waren sie noch etwas ins Plaudern gekommen, bis sie die verhängnisvolle Frage gestellt hatte. Als sie jetzt auf die Uhr sah, stellte sie fest, dass es eigentlich Zeit fürs Bett war.

Wenn ein Buch der Trivialliteratur las, dann folgte sie immer ihrem liebevoll gepflegten Spleen und schaute sich zuerst die letzten drei Seiten an. Sie wollte erfahren, wie das Buch ausging und wer wohl die Hauptperson war. Natürlich wusste sie, dass sie sich damit etwas die Spannung nahm, doch bei dieser Art von Literatur mochte sie eigentlich nur Happy Ends, und wenn der Schluss des Buches traurig war, dann beschloss sie, es lieber doch nicht zu lesen.

Julia überlegte sich also, noch schnell die letzten drei Seiten zu lesen, und dann nach Frauke zu rufen, damit diese ihr bei dem Nachthemd helfen könne. Sie setzte sich in den Sessel, schlug das Buch auf und versuchte, zunächst einen gewissen Überblick zu bekommen.

Das Buch enthielt knapp fünfzig Blätter und diese waren doppelseitig mit einen offenbar weiblichen Handschrift beschrieben. Das Tagebuch war bis ungefähr zu drei Viertel der Seiten gefüllt.

Die Aufzeichnungen begannen im Februar, und es gab manchmal einen Eintrag pro Woche, manchmal sogar drei. Dass keine Jahreszahl angegeben war, fiel ihr allerdings nicht auf.

Schließlich suchte Julia die letzte Seite, blätterte dann eine Seite zurück und begann dort zu lesen.

Es war ein Bericht aus dem Mai, sie lehnte sich kurz zurück. Das war also ungefähr vor knappen halben Jahr. Sie wunderte sich ein wenig, denn ihr Professor hatte sich zu der Zeit eigentlich nichts anmerken lassen. Es wunderte sie ein wenig, dass er heute so heftig reagiert hatte.

Sie las weiter. Carolin berichtete mit Begeisterung davon, dass für sie ein Gürtel bestellt war und dass sie sich schon darauf freute. Auch berichtete sie von einer ganz besonderen Aufgabe, die auf sie wartete und die sie mit Bravour hinter sich bringen wollte. Der Rest war belanglose Schreiberei.

Doch als sie die letzte beschriebene Seite anschaute, hielt sie kurz inne. Die Schrift war verändert, die Schreiberin schien gezittert zu haben. Julia hatte teilweise sogar Schwierigkeiten, es zu lesen.

Gegen Ende entdeckte sie einen ganz traurigen Satz: ´Ich muss nun gehen und ich gebe dir alles in deine Hände. Wenn du das hier liest, dann bist du würdig genug, meine Aufgaben zu erfüllen. Ich werde es leider nicht mehr tun können.« Das Papier war etwas wellig und Julia ahnte, dass die Schreiberin geweint haben musste.

Sie legte das Buch beiseite und blickte lange aus dem Fenster.


Jetzt verstand sie die Reaktionen ihres Professors, denn es schien, als sei Carolin wegen einer schweren Krankheit gestorben. Es schien ihr wichtig zu sein, ihre letzte Botschaft noch in ihr Tagebuch zu schreiben und damit quasi ihr Testament zu hinterlegen.

Julia fragte sich, ob Frau Hegel selbst das Buch wohl gelesen hatte. Der Schluss war doch recht traurig und las sich fast so wie ein Vermächtnis.

Sie fühlte sich sofort verpflichtet, dass Erbe von Carolin anzutreten. Es kam ihr nicht in den Sinn, den Inhalt des Tagebuchs zu hinterfragen. Vor allem, weil einfach alle Indizien, die sie bisher hatte, so gut zueinander passten.

Sie wusste jetzt, dass sie sich mit allem, was Carolin betraf, vertraut machen wollte. Sei es der seltsame Handschuh und die anderen Sachen von der Taschengeldliste, als auch dieser Gürtel, auf den Carolin sich so gefreut hatte. Und sie würde sich auch Carolins Aufgabe stellen, auch wenn sie noch gar nicht wusste, um was es sich dabei handelte.


Sie überlegte, wie sie es am Besten angehen konnte. Ihren Professor einmal in der Uni anzusprechen, verbat sich gleich aus mehreren Gründen. Zum einen hatte sie seine Reaktion von eben noch im Gedächtnis, und außerdem gab es natürlich auch die nicht ausgesprochene Regel, in der Universität nicht über Privates zu reden.

Ob sie lieber Frau Hegel ansprechen sollte oder doch Frauke, diese merkwürdige Dienerin? Julia war etwas unentschlossen. Doch zunächst einmal wollte sie das Tagebuch ganz gelesen haben. Vielleicht erfuhr sie dann auch noch mehr über das Verhältnis von Carolin zu ihren Eltern. Das würde ihr die Entscheidung vielleicht etwas erleichtern.

Doch jetzt galt es erst einmal, sich ihren weiteren Mietverpflichtungen zu stellen. Sie packte das Tagebuch in die Nachttischschublade und legte sich das Nachthemd zurück.

Aber dann stutzte sie. Sie sollte Frauke Bescheid sagen, doch sie wusste überhaupt nicht, wo sie in dem großen Haus zu finden war. Und sie selbst hatte bisher nur wenige Räume kennen gelernt. Dann fiel ihr Blick auf die Notfallklingel, und sie fragte sich, ob sie diese dafür benutzen durfte, um Frauke zu rufen. Sie nahm sie in die Hand und dachte noch einmal über die Worte nach, die sie dazu gehört hatte.

Es war ja eigentlich kein Notfall, doch welche andere Möglichkeiten hatte sie? Sie hätte natürlich zu Frau Hegel gehen können und sie fragen, doch sie spürte, das das nicht richtig war. Ihren Professor wollte sie deswegen auch nicht bemühen, aus mehreren Gründen.

Sie könnte natürlich in das Treppenhaus gehen und nach Frauke rufen, doch sie ahnte, dass das sehr unhöflich war, weil sie ja auch Hegels dabei stören würde.

Schließlich holte sie noch einmal tief Luft und drückte auf den Knopf.


Frauke legte das Buch weg, das sie gerade las, dann machte sie sich auf den Weg, um die letzte Pflicht des Tages zu erfüllen. Insgeheim freute sie sich auf den Auftrag, denn es gab ihr die Gelegenheit, ganz ohne schlechtes Gewissen in ihr ehemaliges Zimmer zu gehen und von dort den Blick auf die Straßenbahn zu genießen.

Es war mittlerweile dunkel, die beleuchteten Straßenbahnen sahen besonders hübsch aus, und sie konnte die roten Lichter noch länger in der Nacht verfolgen.

Mit für ihren Verhältnisse schnellen Schritten ging sie den Weg zu Julias Zimmer, klopfte kurz und trat gleich darauf ein, ohne auf Julias Antwort zu warten. Immerhin hatte sie nach ihr geklingelt.

Das Mädchen saß noch angezogen auf dem Bett und blickte sie verlegen. »Entschuldigen sie bitte, ich wusste nicht...«

»Zieh dich aus.« Frauke wollte nicht hören, was dieser Eindringling zu sagen hatte. Sie wollte sie nur schnell in das Nachthemd stecken und dann ihre Hilflosigkeit ausnutzen, um lange aus dem Fenster zu sehen, so wie sie es bisher oft getan hatte.

Julia blickte sie verwundert an. »Ich...« Sie stotterte, weil sie sich wegen des Tones erschrocken hatte. »Warum... ?«

»So wird dir das Nachthemd nicht passen.« Frauke wusste natürlich, was die neue Mieterin bewegte, doch sie sah nicht ein, warum sie ihr eine falsche Freundlichkeit vorspielen sollte. Sie hatte ihr das Zimmer weggenommen, und dafür durfte sie keine Dankbarkeit erwarten.

Julia blickte sie erstarrt an.

»Hast du nicht gehört?« Frauke musste sich nicht verstellen, um ihre Stimme unfreundlich klingen zu lassen.

Julia war es eigentlich gewohnt, das sie andere Leute nackt sahen, der Bauernhof mit dem einzigen Zimmer brachte es so mit sich. Sie kannte es einfach nicht anders. Und doch hatte sie irgendwie Skrupel, sich vor der Dienerin auszuziehen.

»Was ist jetzt?« Fraukes Stimme zeigte, dass sie ungeduldig war. »Warst du schon im Bad?«

»Nein«, schluckte Julia und begann zu zittern.

Frauke blickte ungeduldig auf das Bett. Auf einmal hatte sie eine Idee. Scheinbar etwas liebenswürdiger sprach sie weiter. »Soll ich weg schauen.«

Sie wartete die Antwort nicht ab, sondern ging zum Erkerfenster und blickte scheinbar gelangweilt hinaus. »Beeil dich«, brummte sie, doch in Wirklichkeit hoffte sie, dass es möglichst lange dauern würde. »Hast du wenigstens schon geduscht?« Innerlich grinste sie, weil ihr mit dieser Frage ein Ton gelungen war, der suggerieren würde, dass Julia vor dem Nachthemd anziehen unbedingt noch duschen müsste.

»Nein.« Es wirkte wie gewünscht. Julia war noch eingeschüchterter.

»Dann mach hin, ich warte nicht gern.« Frauke sprach, ohne sich zu Julia umzudrehen. Gerade fuhr eine der Straßenbahnen vorbei. Ob Julia wohl länger als zehn Minuten brauchen würde? Dann könnte sie noch einem Fahrzeug zusehen, wie es in die Stadt fuhr.


Julia trödelte im Bad, obwohl sie wusste, dass sie damit die Dienerin verärgern würde. Aber irgendwie fürchtete sie sich davor, ihr nackt und damit vor allem ungeschützt gegenübertreten zu müssen. Vorhin, als sie sich auszog, hatte Frauke sich zum Fenster gedreht und hinaus geschaut.

Doch nachher beim Anziehen des Nachthemdes würde das nicht gehen. Jetzt bereute sie, dass sie vorhin so viel Zeit mit dem Tagebuch verbracht hatte, statt mit der Kleidung zu üben.

Es war das Gleiche wie mit dem Mantel. Es wäre ihr lieber, sie könne sie selbst anziehen und es müsste dann nur noch der Verschluss geschlossen werden. Julia nahm sich vor, dies am Wochenende etwas zu üben, dafür würde sich sicher Zeit finden.


Auch Frauke fürchtete sich davor, Julias nacktem Körper gegenübertreten zu müssen, wenn auch aus ganz anderen Motiven. Sie war eifersüchtig wegen des so unschuldigen Körpers, der auch keine solchen Restriktionen ertragen musste, wie es bei ihr selbst der Fall war.

Doch um nicht aus ihrer Rolle zu fallen, ging sie nach der nächsten Straßenbahn, also nach ungefähr zehn Minuten an die Tür und klopfte. »Wird es bald?« Sie versuchte weiterhin, ihre Stimme unfreundlich klingen zu lassen.

Julia zuckte zusammen, als sie die Stimme hörte. »Einen Moment noch« Es war zu hören, dass sie gerade mit der Zahnbürste beschäftigt war.


An der Tür hing innen ein Bademantel und Julia hatte ihn bisher ignoriert, doch jetzt, da Frauke hinter der Tür wartete, entschloss sie sich doch, ihn zu benutzen. Es kam ihr zwar eigentlich lächerlich vor, insbesondere wenn sie an ihre Vergangenheit auf dem Bauernhof dachte, doch mit dieser seltsamen Dienerin war es etwas anderes. Julia hatte das Gefühl, ihren Körper vor ihr schützen zu müssen, auch wenn sie ihr Gefühl überhaupt nicht begründen konnte.

Sie seufzte, dann griff sie zu dem flauschigen Mantel, wie sie feststellte und hüllte sich darin ein. Schließlich seufzte sie noch einmal, dann öffnete sie leise die Tür und betrat ihr Zimmer. Zu ihrer Erleichterung stand Frauke immer noch am Fenster und schaute hinaus.

»Ich wäre dann soweit«, äußerte sich Julia nach einem Räuspern.

»Fang doch schon einmal an.« Frauke hatte am Geräusch gehört, dass gerade noch eine Straßenbahn auf die Haltestelle zu gefahren kam und die wollte sie noch abwarten. So konnte sie nicht nur ihrer Sehnsucht Zucker geben, sondern auch das Unvermeidliche, die Begegnung mit Julias nacktem Körper noch etwas hinauszögern.

Sie wollte es eigentlich gar nicht wissen, doch sie fragte sich, ob Julia wohl auch rasiert war. Sie selbst war bezüglich dieser Frage überhaupt nicht gefragt worden. Die Frau, die einmal pro Woche vorbei kam, um sich um ihre stählerne Unterwäsche zu kümmern, hatte sie nicht gefragt, und Frauke hatte es erst bemerkt, als ihr Heiligtum schon hinter Stahl verschwunden war. Die Frau hatte ihr natürlich noch erklärt, warum sie das gemacht hatte, doch Frauke wollte es anfangs nicht hören.

Doch der Grund war langfristig betrachtet schon plausibel. Es war viel zu leicht möglich, dass sich Haare in dem Gürtel verklemmen und dann unnötig Schmerzen verursachen. Sie hatte das bei einem späteren Rasieren einmal erklärt. Frauke war es mittlerweile egal geworden, da es nicht mehr unter ihrer Kontrolle stand. Sie hatte die Kontrolle darüber abgegeben und das nicht einmal freiwillig.

»Ich wäre dann soweit.« Wieder riss sie Julias Stimme aus ihren Gedanken.

Als sie sich zum Bett umdrehte, sah sie, dass Julia das Nachthemd schon fast ganz angezogen hatte. Sogar ein Arm befand sich schon in dem dafür vorgesehenen Stoffgefängnis.

»Weiter schaffe ich es noch nicht.« Julia blickte die Dienerin verlegen an. Sie schwitzte leicht, denn der Kampf mit dem Nachthemd hatte sie einige Anstrengung gekostet.

Frauke war insgeheim ein wenig erleichtert, als sie sich schließlich umdrehte. Julia hatte sich das Nachthemd schon selbst fast bis zur Schulter hochgezogen und saß jetzt etwas verlegen lächelnd auf dem Bett. Mit ihrer vom Schweiß leicht feuchten Haut sah sie fast etwas erotisch aus, doch Frauke weigerte sich, dies auch nur zur Kenntnis zu nehmen. Entschlossen griff sie zum Ärmel und zog ihn über Julias rechten Arm hinauf, dann trat sie vor sich und musste nur noch den Reißverschluss weiter hinauf ziehen. Auch hiermit hatte Julia ganz stolz schon angefangen. Doch für die Gefühle der Studentin hatte Frauke im Moment keine Blick übrig.

»Kommst du allein ins Bett?« Frauke versuchte, um eine weitere Berührung von Julias Körper herum zu kommen und zur ihrer Erleichterung konnte sie sehen, wie sich die Studentin ganz selbstverständlich auf das Bett setzte und sich mit den Beinen langsam in die richtige Position schob.

Für einen Moment war Frauke von der hilflosen und gleichzeitig so geschickten Julia begeistert, doch dann kamen ihre eigentlichen Gedanken wieder hoch und sie wandte sie ab, denn sonst hätte sie ihr mühsam aufgebautes Image kaputt gemacht.

»Frauke?« Julia war eingefallen, dass sie nach den seltsamen Kugeln auf dem Schreibtisch fragen wollte.

»Ja?« Frauke antwortete wieder ein wenig mürrisch.

Julia erkannte zwar die Stimmung, doch ihre Neugier war größer. Sie hatte diese Kugeln auf einem Lederriemen und einer kleinen Gürtelschnalle am Ende so noch nie gesehen und wenn sie auf dem Schreibtisch lagen, dann waren sie für Carolin sicher wichtig. »Was sind das für Kugeln, die auf dem Schreibtisch liegen?«

»Das sind...« Die Dienerin täuschte einen Hustenanfall vor, um etwas Zeit zu gewinnen. Sie hätte Julia gern die Wahrheit gesagt und ihr mitgeteilt, dass es Knebel wären, die einzig und allein die Aufgabe hätten, sie daran zu hindern, dumme Fragen zu stellen. Doch sie wusste um Hegels Ziele und auch, dass es nur ein Wort von Frau Hegel braucht und ihr Aufenthalt hier im Haus wäre beendet. Wo sie dann sei würde, darüber wollte sie gar nicht erst nachdenken.

Sie war froh, hier sein zu dürfen. Deswegen musste sie kurz nachdenken, was mit Hegels abgesprochen war. »Das sind Carolins Beruhigungsperlen.« Sie hob die Stimme etwas an und tat, als würde sie ein Gedicht aufsagen. »Süß umschließen die Lippen der Trägerin die Perle, und also bald kehrt wunderbare Ruhe ein.«

Insgeheim stellte sie fest, dass es ihr gefiel, der offensichtlich ahnungslosen Julia die Knebel näher zu bringen. Sie nahm einen der Knebel in die Hand und hielt ihn hoch.

»Aber die Bälle fallen doch wieder heraus, wenn man den Mund aufmacht?« Julia war im Moment dabei, alles aufzusaugen, was mit Carolin zu tun hatte. Und natürlich wollte sie auch diese Perlen ausprobieren, wenn Carolin sie getragen hatte.

»Wenn du einen Moment wartest und brav bist, dann zeige ich dir, wie sie zu tragen sind.« Es reizte Frauke, Julia wegen ihrer Hilflosigkeit ein wenig aufzuziehen. Sie legte den Knebel wieder auf den Schreibtisch. »Ich hole mir schnell ein Handtuch.«

Julia nickte neugierig und blickte Frauke hinterher, als sie ins Bad ging und gleich darauf mit einem Handtuch zurück kam. »Das solltest du auch machen, wenn du sie ausprobiert.«

Sie nahm sich wieder einen Knebel vom Tisch und wischte ihn noch einmal ab. Dann nahm sie die beiden Riemenenden jeweils in eine Hand und hielt sich den Ball vor den Mund. »Jetzt einfach hinein mit dem Ball und dann den Riemen hinter dem Kopf schließen.«

Sie führte den Ball in ihren Mund, umschloss ihn mit ihren Lippen und drehte sich dann herum und zeigte Julia, wie dort die Schnalle zu schließen war. Dabei erinnerte sie sich an die Zeit, als sie öfters mal so einen Ball im Mund haben musste, weil Hegel es von ihr verlangten oder wünschten, und sie war dem auch immer sehr gern nachgekommen. Daran lag es nicht, dass sie gescheitert war.

Als sie sich wieder zu Julia drehte, sah sie auf einmal leuchtende Augen. Sie nahm sich den Ball wieder aus dem Mund und rieb ihn anschließend mit dem Handschuh trocken, dann legte sie ihn wieder ab.

»Das probiere ich morgen früh gleich aus.« Julia strahlte.

»Mache es ruhig.« Doch dann fiel ihr noch der abgesprochene Hinweis wieder ein. »Carolin hat diese Perlen aber nur im Haus getragen. Damit solltest du nicht nach draußen gehen.« Ihre Stimme klang etwas ernster bei dem Satz. Insgeheim ertappte sie sich dabei, dass sie sich auf die geknebelte Julia freute. Und sie wusste nicht genau, warum das so war. »Ich wünsche dir eine gute Nacht.«

* * *

»Was haben wir schon alles erreicht?« Herr Hegel setzte sich in den Sessel und blickte gespannt zu seiner Frau, die sich einige Notizen machte.

»Sie hat die Taschengeldliste bekommen und ich glaube, sie hat sie auch schon entdeckt.« Elisabeth grinste. »Es könnte teuer werden für uns.«

»Kein Thema.« Herr Hegel lächelte ebenfalls. »Und sonst? Hat sie das Tagebuch schon?«

»Ja, das hat sie bekommen.« Frau Hegel legte den Stift beiseite. »Du warst übrigens sehr überzeugend vorhin beim Essen. Im ersten Moment habe ich es selbst auch geglaubt.«

Er lächelte etwas verlegen. »Hauptsache, ich muss ihr nichts über unsere Tochter erzählen, sonst würden ihr vermutlich Widersprüche auffallen.«

»Ach komm, wir haben das jetzt schon so oft gemacht.« Frau Hegel wollte den Einwand ihres Mannes nicht gelten lassen. »Eigentlich kennen wir die Lebensgeschichte von Carolin doch ziemlich gut.«

»Ja schon.« Herr Hegel wollte seine Frau gewarnt wissen. »Julia ist sehr intelligent und begreift größere Zusammenhänge sofort. Du braucht ein gutes Gedächtnis.«

»Ich weiß.« Frau Hegel seufzte. »Im schlimmsten Fall hat mich halt meine Erinnerung getrübt. Es ist ja schon ein wenig her.« Sie grinste.

21. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von ecki_dev am 01.08.17 00:04

Weshalb ist Frauke bei den Hegels und was ist das eigetliche Ziel von Ihnen
bin gespannt drauf wie es weiter geht
22. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von freeway am 19.08.17 15:46

Oh, ja! Ich bin auch gespannt.
Eine kurze Rekapitulation des Auftakts.

Und Frauke stand wie so oft am Fenster, am Nordfenster, am Fenster des Erkers und schaute sehnsüchtig hinaus, sah denjenigen hinterher, die das Haus, ihr Gefängnis verlassen konnten.
Ihr Wunsch nach Freiheit war ungebrochen, was den Hegels nicht unverborgen geblieben war.
Frauke hatte sich als ungeeignet erwiesen. Teils lag es an ihrem Charakter, teils an dem Umstand, dass sie nicht freiwillig bei ihnen war.
Dabei war der Plan, eine junge Frau aus dem Gefängnis in den Hausarrest, in ihr Haus zu überführen, erfolgversprechend.
Doch den natürlichen Drang der Freiheit hatten sie letztendlich unterschätzt.
Die Hegels brauchten einen neuen Plan und in ihrem Studierzimmer nahm er Gestalt an.
Eine Untermieterin sollte es sein. Jung, weil so leichter manipulierbar. Mittellos, was ihre Unabhängigkeit von vornherein begrenzte. Ohne soziales Umfeld, um lästige, äußere Störungen zu vermeiden. Und schließlich: Die Kandidatin musste ein gewisse Empfänglichkeit für die Dinge haben, die die Hegels im Sinn hatten.
Die Anfangshürde sollte deshalb ein Mietvertrag mit Vereinbarungen sein, die von den allermeisten Menschen rundweg abgelehnt würden.
Und so kam es auch. Den Hegels kostete es viel Zeit und viele Nerven. Naive, Verzweifelte, Normale. Alle völlig ungeeignet.
Aber dann kam schließlich noch ein weiterer Anruf und der Funken Hoffnung glimmte auf. "Guten Tag. Julia ... Ich melde mich auf ..."
... Und Julia zeigte keine sofortige Ablehnung und keinen misstrauischen Verstand.
Die Hegels ließen sie den Mietvertrag unterschreiben.
23. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von gag_coll am 20.08.17 07:38

Hallo freeway,

Danke für deine "Zusammenfassung". Ich möchte nur ein paar unwichtige Sachen richtigstellen...

Frauke stand am Ostfenster... (nur von dort kann man zur Straßenbahn blicken.)

Als Frauke das Angebot bei Hegels sein zu dürfen angenommen hatte, wusste sie noch nicht, was Hegels mit ihr vorgehabt hatten.

Das Frauke letztendlich gescheitert war, lag nicht an ihrem durchaus vorhandenen Freiheitsdrang, es hatte andere Gründe.

Und ja, Julia verhält sich bisher aus Sicht von Hegels sehr vielversprechend.

Und nochmals ja, das nächste Kapitel ist in Arbeit...

Viele Grüße
gag_coll
24. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von fiasko am 20.08.17 09:15

Zitat


.........


Und nochmals ja, das nächste Kapitel ist in Arbeit...

Viele Grüße
gag_coll


Schade!

Ich hatte gehofft, es lauert darauf, daß das Forum wieder große Textteilen zulässt.

25. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von gag_coll am 20.08.17 16:23

Zitat
Zitat
Und nochmals ja, das nächste Kapitel ist in Arbeit...
Schade! Ich hatte gehofft, es lauert darauf, daß das Forum wieder große Textteilen zulässt.
Nein, das hat andere Gründe... Ich muss mich nebenbei auch noch um meinen Brötchenerwerb kümmern... und der stresst im Moment ein wenig...
26. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von supercat am 25.08.17 05:05

Gute Gechichte , wie deine und Andere auf der Seite mit den Bondagetten Weiter So
27. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von gag_coll am 25.08.17 10:22

Zitat
Gute Gechichte , wie deine und Andere auf der Seite mit den Bondagetten Weiter So
Danke... Es freut mich, dass mein Knebelreich hier auch einmal Erwähnung findet...
28. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von SteveN am 23.09.17 09:52

Hallo Karl !

Da möchte ich dir weiteren ""Honig ums Maul schmieren"".
In deinem "Knebelreich" kann man sich sooooo schön
zu Hause fühlen ... ... ...

Viele Grüße SteveN



29. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von Rainman am 05.10.17 23:02

Hallo gag_coll


Der Anfang ist ja schon nicht schlecht. Bin ja mal gespannt, wie es weitergeht.


MfG Rainman
30. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von Moira am 07.10.17 18:37

Ich würde mich auch sehr freuen, wenn es hier in dieser spannenden Story mal wieder bisschen weiter ginge (UND natürlich sich Dein Stress im realen Job-Leben etwas gelegt hätte)

Beste Grüße ~~ M
31. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von gag_coll am 08.10.17 20:14

Zitat
Ich würde mich auch sehr freuen, wenn es hier in dieser spannenden Story mal wieder bisschen weiter ginge
Es wird weitergehen, versprochen...
32. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 3 - Probleme mit der Miete - Teil Eins von Vier

geschrieben von gag_coll am 14.10.17 20:40

Der Mantel der Studentin
Kapitel 3 - Probleme mit der Miete - Teil Eins von Vier
Autor: Karl Kollar

In der Nacht musste Julia Immer wieder an das Tagebuch mit so dem traurigen Schluss denken. Sie hatte zwar nur die letzten drei Seiten gelesen, doch sie ahnte unbewusst, dass sie damit den wichtigsten Teil des Tagebuchs erwischt hatte.

Immer wieder grübelte sie über das, was sie jetzt wusste. Carolin war anscheinend an einer schweren Krankheit gestorben, denn anders konnte sie sich die letzte Seite nicht erklären. Offensichtlich hatte sie noch Gelegenheit gefunden, so etwas wie ein Testament zu hinterlassen. Und Julia fühlte sich den Worten aus dem Tagebuch sehr verpflichtet. Sie würde sich nach Carolins Aufgabe erkundigen, und sie würde auch diesen Gürtel tragen wollen, auf den Hegels Tochter sich offenbar so gefreut hatte.

Heute abend würde sie bei Hegels sein und sie hatte sich fest vorgenommen, ihre Vermieter nach den Sachen ihrer Tochter zu fragen. Auch auf die Perlen, die so scheinbar unauffällig auf dem Schreibtisch lagen, war sie neugierig.


Frauke schloss leise die Tür zum Geheimgang hinter sich. Schon vor einiger Zeit hatte sie sich etwas Öl besorgt und den Mechanismus zum Öffnen geölt, bis sich die Tür ohne Quietschen öffnen ließ. Genauso hatte sie die Kamera, die das Zimmer von Carolin beobachtete, unauffällig so gedreht, dass ein schmaler Streifen an der Ostwand nicht im Bild war. So konnte sie sicherstellen, dass sie nicht entdeckt wurde, wenn sie wieder einmal in das Zimmer mit der besten Aussicht auf die Straßenbahn nutzen wollte.

Auch den Geheimgang, den sie vor einiger Zeit entdeckt hatte, hatte sie mühsam von allen Spinnenweben befreit und geputzt, damit sie sich nicht durch Schmutz auf dem Kleid verraten würde, wenn sie sich wieder einmal durch den schmalen Gang in das Zimmer schleichen würde.

Bei einem kurzen Blick zum Bett sah es für Frauke aus, als würde Julia noch schlafen, und das ermutigte Frauke, mit ihrem Vorhaben weiter zu machen.

Normalerweise ließ sie die Tür offen stehen, damit sie auch wieder durch den Geheimgang verschwinden konnte. Doch jetzt hatte sie Angst, dass die neue Mieterin die Tür entdecken und verraten könnte, deswegen hatte sie die Tür geschlossen, denn sie konnte das Zimmer immer durch die normale Tür verlassen. Nur das Klacken des Mechanismus war zu hören, als sie die Tür langsam zu drückte.


Das leise und doch deutlich hörbare Klicken hatte Julia aus ihren Gedanken gerissen. So wie sie es vom elterlichen Bauernhof her kannte, hielt sie die Augen weiterhin geschlossen, doch innerlich war sie sofort hell wach und alle ihre Sinne waren geschärft. Sie hörte das leise aber heftige Atmen und sie ahnte, dass sich diese komische Dienerin wieder in ihr Zimmer geschlichen hatte.

Sie öffnete leicht ihre Augen, doch als sie die Gestalt von Frauke am Fenster stehen sah, schloss sie ihre Augen sofort wieder. Der Blick aus dem Fenster musste der Dienerin viel bedeuten. Auch gestern stand sie, während sie eigentlich auf ihre Bemühungen mit dem Nachhemd gewartet hatte, die ganze Zeit am Fenster und blickte hinaus. Julia hatte erst angenommen, sie würde wegblicken, doch dann war ihr aufgefallen, dass Fraukes Körper sich immer dann etwas versteifte, wenn das Geräusch einer Straßenbahn zu hören war.

Wieder zeigte das Brummen an, dass eine Tram vorbei fuhr, und Julia öffnete vorsichtig ihre Augen. Jetzt war es ganz deutlich sichtbar, und sie glaubte sogar einen Seufzer von Frauke gehört zu haben.

Julia wusste, dass sie nur einen Versuch haben würde. »Sie schauen den Straßenbahnen nach?«

Mit der Tram hatte sie nur geraten, doch durch Fraukes Reaktion wusste sie sofort, dass sie richtig lag.

»Von diesem Zimmer hier hat man den besten Blick.« Frauke fühlt sich ertappt.

»Aber warum?« Julia versuchte sich aufzurichten, doch sofort spürte sie die Restriktionen des sogenannten Nachthemdes. »Es sind doch nur Straßenbahnen.«

»Das verstehst du nicht.« Zu Julias Erstaunen klang die Dienerin sehr wehmütig.

»Erklären sie es mir trotzdem?« Julia hakte nach.

»Ich möchte nicht darüber reden.« Es war deutlich zu sehen, dass sie sich schämte. Einerseits wollte sie ihre Sehnsucht nicht offenbaren, andererseits wollte sie es sich auch nicht mit Julia verderben, denn der Blick auf das Verkehrsmittel war ihr wirklich wichtig.


In diesem Moment klopfte es und Frau Hegel trat ein. »Was machen sie denn hier?«, fragte sie sofort, als sie Frauke erblickte.

»Julia hatte geklingelt.« Frauke blickte kurz, aber mit einem sehr flehenden Blick zum Bett.

Die Studentin erkannte sofort die Gelegenheit. »Ich wollte von Frauke wissen, was es mit den Bällen auf dem Schreibtisch auf sich hat.« Es war ihr klar, dass sie so eine gute Gelegenheit hatte, um sich mit der Dienerin anzufreunden. Denn eine innere Stimme sagte ihr, dass es nicht gut wäre, sie als Feindin zu haben.

Frau Hegel blickte misstrauisch zwischen Julia und Frauke hin und her. Mit dieser Aussage hatte sie nicht gerechnet. »Ich wollte sie nur daran erinnern, dass wir heute etwas früher frühstücken.« Sie verließ das Zimmer.


Frauke drehte sich langsam zum Bett. »Danke, dass du mich nicht verraten hast.«

Julia blickte Frauke lange an. »Jetzt möchte ich aber auch wissen, was es mit den Perlen auf sich hat. Bitte helfen sie mir dabei?«

Auf einmal glitt ein Lächeln über Fraukes Gesicht. »Aber nur unter einer Bedingung.«

»Und die wäre?« Julia war erleichtert, dass ihr Vorgehen anscheinend richtig war.

Die Dienerin streckte die Hand aus. »Ich bin Frauke, bitte sage 'Du' zu mir.«

Julia hatte die drohende Peinlichkeit der Situation sofort bemerkt und versuchte, ihr jetzt entgegenzusteuern. Sie blickte etwas verwundert auf die ausgestreckte Hand und begann sich unter der Bettdecke zu bewegen. »Ich fürchte, ich kann dir die Hand nicht reichen.« Das 'Dir' hatte sie besonders betont.

Jetzt bemerkte auch Frauke ihre Fehler. Sie setzte ihr breitestes Lächeln auf und strahlte Julia an. »Du bist faul. Du willst dich nur nicht anstrengen.«

Julia zuckte zusammen. Hatte sie die Situation doch falsch gedeutet?

Doch dann sah sie das breite Lächeln von Frauke und sie beschloss, das kleine Spiel mitzuspielen. »Ich bitte dich um Entschuldigung, Frauke. Ich werde mich anstrengen.« Es reizte sie, einmal die Grenzen ihres Nachtgefängnisses auszutesten. Außerdem ahnte sie, dass das Nachthemd sehr robust gemacht war.

Frauke war von der Antwort verblüfft, doch dann zog sie ihre Hand zurück und blickte sehr gespannt auf das Bett. »Na dann mach mal.« Es lag ein deutliches Lächeln in ihrer Stimme.

Als Julia mit den ersten Bewegungen anfing, fielen ihr die Spiele ihrer Kindheit wieder ein. Es war oft vorgekommen, dass ihre Brüder, um Ruhe vor ihr zu haben, sie einfach in ihre Bettdecke eingewickelt und sie dann auf ihr Bett gelegt hatten. So nach und nach konnte sie ihre Erinnerungen daran abrufen, und sie machte die Bewegungen, die sich schon damals als sehr effektiv erwiesen hatten.

In diesem Moment war erneut eine Straßenbahn zu hören und Frauke drehte sich nach kurzem Zögern wieder zum Fenster. Während sie der abfahrenden Tram nachblickte, hörte sie hinter sich die keuchende Julia.

Das Keuchen wurde immer heftiger und es klang nach großer Anstrengung. Doch Frauke wusste aus eigener Erfahrung, wie sicher das Nachthemd war. Als sie selbst in dieser Position befand, war sie in dem Nachthemd völlig hilflos.


Auf einmal streckte Julia ihr die Hand entgegen. »Bitte, es geht doch.« Sie keuchte noch heftig.

Frauke war verblüfft. »Wie hast du denn das geschafft?« Sie blickte Julia verwundert an und reichte ihr die Hand. Nur nebenbei bemerkte sie, dass Julia sehr ins Schwitzen gekommen war.

Julia lächelte verlegen. »Darüber möchte ich nicht reden.«

»Na, dann sind wir ja quitt.« Frauke blickte sehr fasziniert auf den so reizvoll verpackten Körper, der schwitzend und keuchend vor ihr stand. »Ich glaube, du möchtest jetzt ins Bad.«

Julia war immer noch dabei, wieder zu Atem zu kommen. Die Bettdecke hatte sie mit gezielten Bewegungen sehr schnell wegstoßen können, und dabei erinnerte sie sich an die Zeit mit ihren Brüdern, die ihr, um Ruhe vor ihr zu haben, öfters die Beine zusammen gebunden hatten. Natürlich hatte sie sich als die kleine Schwester davon nicht entmutigen lassen, und so war sie ihren Brüdern einfach hinterher gehopst.

Mit einem Lächeln dachte sie daran, dass ihr das früher einmal überhaupt nichts ausgemacht hatte. Jetzt hatten die fünf Meter bis zu Frauke sie schon völlig außer Atem gebracht.

Doch etwas anderes hatte sie noch viel mehr fasziniert. Sie hatte wirklich alle ihre Kraft aufgewandt, um sich in dem Nachthemd zu bewegen, doch sie hatte nicht geschafft, es auch nur irgendwo zu beschädigen. Es war auch kein einziges Mal so etwas wie das Geräusch von Stoff zu hören, der zerreisst. Julia erkannte so langsam, dass sie in dem Nachthemd wirklich gefangen war.

Doch selbst diese Erkenntnis bewirkte bei ihr keine Angst, sondern vermittelte ihr eher Wohlbefinden. Und die kleine Sportübung von eben zeigte ihr, dass sie sich trotz der aller Strenge noch bewegen konnte, wenn auch sehr mühsam. Beim Springen bestand immer die Möglichkeit, dass sie umfallen würde, doch sie war immer noch sehr geübt darin, ihr Gleichgewicht zu halten. Es gab auch noch die andere Methode, sich mit beiden Füßen auf dem Boden fortzubewegen, doch damit kam sie nur Millimeterweise voran.


»Ich mache dir jetzt das Nachthemd auf und helfe dir heraus.« Frauke erwähnte noch, dass sie dann etwas zum Anziehen für Julia heraussuchen würde.

Julia blickte sie kurz an. Sie war zunächst ein klein wenig empört, weil sie durchaus in der Lage war, sich selbst um ihre Kleidung zu kümmern, doch dann erkannte sie, dass dies eine weitere gute Gelegenheit war, dem Leben von Hegels Tochter näher zu kommen. »Was hat Carolin denn so getragen?«

»Ich lege dir ein paar Sachen heraus, dann kannst du dir etwas aussuchen.« Frauke stutzte einen Moment. Es sollte nicht der Eindruck entstehen, sie würde sie sich um Julias Kleidung kümmern. »Aber du kannst natürlich auch gern selbst noch in den Schränken stöbern.«

* * *

Als Julia aus dem Bad kam, war Frauke verschwunden, aber es lagen wie angekündigt eigene Kleidungstücke auf dem Bett. Zudem standen bei den ersten beiden Schränken die Türen auf. Auf den ersten Blick sah es aus, als würden auf dem Bett zwei Ensemble der gleichen Art liegen. Julia erkannte sofort den dunkelblauen Rock und eine hellgelbe Bluse.

Doch als sie an das Bett trat, erkannte sie, dass die Materialien beider Ensembles unterschiedlich waren. Zudem sah sie, dass Frauke offenbar Botschaften in Form von kleinen Zetteln hinterlassen hatte. 'Zum Frühstück' stand auf dem einen und 'Zur Uni' auf dem anderen.

Julia wunderte sich zunächst und fragte sich, warum sie zwei gleiche Kombinationen noch einmal wechseln sollte. Doch dann fiel ihr Blick auf das Frühstücksensemble, und auf einmal war sie elektrisiert. Das Glänzen des Materials hatte sie bisher gar nicht wahrgenommen, doch jetzt erkannte sie es deutlich: Das Frühstücksensemble war aus Lack. Sie nahm sich Rock und Bluse in die Hand und schon auf den ersten Blick erkannte sie die hochwertige Verarbeitung. Sie kam ein wenig ins Grübeln. Carolin hatte eine sehr faszinierende Garderobe, und die war bestimmt nicht billig gewesen. Sie fragte sich, wer Carolin wohl gewesen war. Es reizte sie immer stärker, mehr über die Tochter zu erfahren.

»Kommst du zurecht?« Frauke steckte den Kopf zur Tür herein. Sie hatte Probleme, ihren Blick abzuwenden, als sie sah, dass Julia in Unterwäsche vor dem Bett stand und auf ihre Vorschläge blickte.

Julia hob langsam ihren Kopf und drehte sich zur Tür. »Hast du Carolin noch kennengelernt?«

Frauke musste verneinen. Sie lächelte insgeheim, denn in diesem Moment sagte sie wirklich die Wahrheit. Doch dann erinnerte sie sich an die Absprachen mit Hegels. »Sei aber vorsichtig, wenn du nach ihr fragst. Besonders der Professor ist da sehr empfindlich.«

»Danke für die Warnung.« Julia verdrehte ein wenig die Augen, denn Fraukes Hinweis kam für sie ein wenig zu spät. Doch sie wollte noch etwas anderes fragen. »Hat sich Carolin immer nach dem Frühstück noch einmal umgezogen?«

»Das weiß ich nicht.« Frauke überlegte, was abgesprochen war. »Aber ich glaube, im Haus war Carolin fast immer mit ihrem Lieblingsstoff unterwegs.«

»Nach draußen traue ich mich damit aber nicht.« Julia seufzte ein wenig. Es reizte sie schon sehr, sich schon wieder in das so faszinierend glänzende Material zu hüllen.

»Das soll bei Carolin auch so gewesen sein.« Frauke improvisierte ein wenig. »Deswegen habe ich dir auch Beides heraus gelegt.« Sie machte eine Pause. »Aber wie schon gesagt, es sind nur Vorschläge.« Sie zeigte auf die beiden geöffneten Schränke.

»Aber es gefällt mir.« Dermaßen ermutigt griff Julia zu der Lackbluse und hob sie hoch. Das Zittern ihrer Hände versuchte sie tapfer zu ignorieren.


»Wird sie darauf eingehen?« Frau Hegel blickte neugierig auf die Dienerin, die gerade langsam die Treppe herunter kam.

»Ich denke schon.« Frauke gab einen kurzen Überblick über die Ereignisse. »Sie machte einen sehr faszinierten Eindruck. Ich habe ihr geraten, ihren Mann nicht nach Carolin zu fragen.«

»Das ist gut so, danke Frauke.« Frau Hegel nahm einen kleinen Block zur Hand. »Ich notiere das als Pluspunkt.« Sie schien sich eine Notiz zu machen. »Aber was wollten sie wirklich in Julias Zimmer?«

Frauke erstarrte mitten im Schritt. »Ich möchte nicht darüber reden.«

Sie wusste, dass sie sehr viel riskierte, wenn sie ohne Erlaubnis das Zimmer betrat. Doch ihre Sehnsucht war nicht minder groß, und sie wusste, dass sie sich weiterhin in Julias Zimmer schleichen würde. Denn mit dem von ihr entdeckten Geheimgang war dies problemlos möglich.

»Bitte gefährden sie unser Vorhaben nicht.« Sie blickte die Dienerin lange an. »Natürlich haben wir nichts dagegen, wenn sie sich mit Julia anfreunden und sie sie dann in ihr Zimmer einlädt.« Sie zeigte auf das Esszimmer. »Und jetzt servieren sie bitte den Kaffee.«

»Sehr wohl, Madame.« Frauke machte einen Knicks der Erleichterung, denn trotz der Ermahnung hatte sie sich eben einen Pluspunkt verdient.

Sie hätte tausend Antworten im Kopf gehabt. Es wäre ihr Recht, in das Zimmer zu gehen, denn sie stand bisher jeden Abend in Carolins Zimmer, und sie musste schon gestern darauf verzichten. Sie liebte den Blick zur Straßenbahn, die für sie den Weg in die Freiheit darstellte, doch sie schluckte all ihre Worte herunter. Seufzend akzeptierte sie es, dass ihr die täglichen Traumstunden damit gestrichen waren. Jetzt blieb ihr nur noch, auf die leichten Vibrationen zu achten, wenn die Tram vorbei fuhr. Frauke konnte mittlerweile allein durch das Geräusch sagen, ob die Tram stadteinwärts oder stadtauswärts unterwegs war.


Julia war fast schwindelig, als sie vor dem großen Spiegel stand und sich langsam die Bluse zuknöpfte. Sie legte sonst nicht so viel Wert auf ihr Äußeres, und sie war auch eher selten geschminkt. Natürlich hätte sie sich gern schick angezogen und auch geschminkt, doch es gab zwei Gründe, warum sie schweren Herzens darauf verzichtete.

Zum einen kannte sie es von daheim überhaupt nicht, und den Kühen im Kuhstall war es herzlich egal, ob sie nun rote Lippen hatte oder sich ein leichtes Rouge aufgetragen hatte. Sie lief daheim viel lieber in den einfachen Stallklamotten herum. Ein weiterer Grund war, dass sie für die anderen Jungbauern nicht attraktiv aussehen wollte. Denn auch wenn sie den Stalldienst nicht ungern machte, wusste sie doch, dass dies nicht ihre Zukunft war.

Der andere Grund war, dass gute Kosmetika und schicke Kleidung stets Geld kosteten und davon hatte sie bisher nur sehr wenig.

Immer wieder strichen ihre Finger über den so wunderbar glatten Stoff, und sie sah fasziniert, wie sich das Sonnenlicht auf ihrer Bluse spiegelte.

Fast schon volltrunken ging sie wieder zum Bett und hob den Rock hoch. Er war verglichen mit der Bluse viel schwerer und Julia legte ihn wieder auf das Bett. Sie hatte eine Idee, warum er so schwer war, und diesem Verdacht wollte sie zunächst nachgehen. Außerdem liebte sie es, den Stoff mit den Händen zu fühlen.

Erst als sie den Taillenreißverschluss öffnete, erkannte sie, warum der Rock so schwer war. Er war doppellagig gearbeitet, und sie sah auf den ersten Blick, dass der innere Rock ein Humpelrock war, denn die Seitenteile waren mit einem langen und recht robust aussehenden Reißverschluss zu verschließen.

Julia keuchte, als sie sich jetzt langsam auf das Bett setzte. Schon jetzt sah sie sich in Gedanken, wie sie den langen Reißverschluss langsam zuziehen würde. Und dieser Rock würde ihre diesbezügliche Entscheidung sogar nach außen verbergen, sei es, dass sie in der Uni nicht zeigen wollte, dass der Rock ganz geschlossen war oder umgekehrt bei Hegels, dass sie ihn eben nicht geschlossen hatte. Doch letzteres hatte sie wirklich nicht vor, im Gegenteil, sie freute sich schon darauf, dass ihre Beine in der faszinierenden Hülle gefangen sein würden.

Doch dann fiel ihr ein, dass sie den Lackrock in der Uni gar nicht tragen durfte, und ihr Blick fiel auf den zweiten Rock, der ziemlich ähnlich aussah. Dieser war aus normalem Jeansstoff gefertigt, und nur die Dreifach-Nähte verrieten, dass auch er sicher sehr robust gearbeitet war.

Julia stutzte einen Moment. Ob dieser Rock wohl auch doppelt gearbeitet war? Sie legte den Lackrock neben sich und griff sich den Rock aus Stoff. Doch schon beim Hochheben fand sie ihren Verdacht wegen des Gewichtes bestätigt. Auch dieser Rock war doppelt gearbeitet, und auch hier war ein sehr robust aussehender Reißverschluss über die ganze Länge eingearbeitet.

Julia ließ sich für einen Moment auf das Bett zurückfallen. Das würde ein sehr spannender Tag werden.


»Kommen sie zurecht?« Frau Hegel steckte ihren Kopf zur Tür herein. »Wir warten mit dem Frühstück auf sie.« Sie gab sich Mühe, ihre Stimme freundlich klingen zu lassen, dennoch schwang ein kleiner Vorwurf mit.

Julia zuckte zusammen. »Natürlich, Frau Hegel.« Sie legte den Jeans-Rock beiseite und griff sich das Pendant aus Lack. Sie hätte das Anziehen gern genossen und den Reißverschluss ganz langsam zugezogen, doch jetzt spürte sie, dass sie sich besser beeilen sollte.

Beim Verlassen ihres Zimmers blickte sie sich noch einmal um, und ihr Blick fiel auf den Schreibtisch, auf dem noch immer diese rätselhaften Perlen lagen. Doch dafür war jetzt keine Zeit mehr. Julia seufzte.

Sie hatte sich vorgenommen, Carolins Röcke immer ganz zu schließen, auch wenn sie nicht in der Nähe von Hegels war. Einerseits wollte sie Vertrauen aufbauen und sie wollte sich an die Wünsche und Leidenschaften von Hegels Tochter halten. Andererseits fand sie in dem Rock eine ungeheure Geborgenheit, und sie mochte das Gefühl, wenn sie um jeden Zentimeter kämpfen musste und der Rock ihr bei jedem Schritt ihre neuen Grenzen aufzeigte. Denn vor allem vermittelte ihr der Rock eine Art von Geborgenheit, die sie bisher nicht kannte.

* * *

Julia hatte ein schlechtes Gewissen, als sie mit kleinen aber eiligen Schritten der Einladung zum Frühstück nach kam. Sie konnte gar nicht sagen, was der Grund war, doch sie spürte, dass sie noch nicht ganz Hegels Erwartungen entsprach und das wurmte sie. Außerdem war sie noch nie in so faszinierender Lackkleidung unterwegs gewesen, und auch deswegen war sie sehr unsicher, weil sie immer noch das Gefühl hatte, etwas Falsches zu tun. Solch eine Kleidung war für eine Bauerntochter einfach ungehörig, vor allem wenn es sich um den zweitgrößten Hof des Dorfes handelte.

Doch zu ihrer großen Erleichterung hatten Hegels zunächst ein ganz anderes Thema. Sie waren zu einer Hochzeit eingeladen und jetzt beratschlagten sie, was man denn wohl einem jungen Mädchen und Oberengel wohl schenken konnte.

Julia war sich sicher, dass sie sich wegen des 'Oberengels' verhört hatte, doch sie traute sich nicht, diesbezüglich nachzufragen.

»Ah, da sind sie ja, Julia« Herr Hegel war extra noch einmal aufgestanden. »Dann können wir ja anfangen.«

Die Erkenntnis, dass Hegels offensichtlich auf sie gewartet hatten, verstärkte Julias schlechtes Gewissen. »Ich bitte um Entschuldigung, ich kann in dem Rock noch nicht so schnell gehen.«

»Carolin ist immer ein klein wenig früher losgegangen, damit sie rechtzeitig da war.« Obwohl Herr Hegel sehr liebevoll gesprochen hatte, fast etwas sentimental, empfand es Julia als einen deutlichen Tadel. Sie nahm es sich sehr zu Herzen. Tief in ihrem Inneren und eher unbewusst begann sie, sich mit den ihr auferlegten Restriktionen zu arrangieren.

Auf die Frage, über was sich ein Mädchen in ihrem Alter freuen wurde, musste sie mit den Schultern zucken. »Ich bin bestimmt nicht repräsentativ, aber im Moment würde ich mich über Geld freuen. Studiert sie noch?« Das Wort Oberengel hatte sie zwar gehört, doch sie konnte es nicht einordnen. Sie erinnerte sich lediglich daran, dass sie beim Durchblättern des Tagebuchs öfters das Wort 'Engel' gesehen hatte. Sie wurde immer neugieriger auf das kleine Buch.

Frau Hegel kam Julia zur Hilfe. »Ich glaube, sie spart auf einen LKW-Führerschein. Wenn wir ihr ein paar Fahrstunden schenken?« Sie blickte dabei ihren Mann lächelnd an.

Julia hatte größere Schwierigkeiten, die Worte LKW und Oberengel in einen Zusammenhang zu bringen. »Was ist eigentlich ein Oberengel? Ich habe den Begriff noch nie gehört.« Julia merkte, dass die Frage ein Fehler war, denn gleich nach dem sie sie ausgesprochen hatte, setzte Stille ein.

»Hat Carolin darüber nichts in ihrem Tagebuch erwähnt?« Frau Hegel hatte insgeheim mit dieser Frage gerechnet. »Ich glaube, sie strebte dieses Amt auch an.«

Ohne dass es von Frau Hegel wirklich beabsichtigt war, wuchs Julias schlechtes Gewissen, und sie nahm sich vor, so schnell wie möglich alles über Hegels Tochter zu erfahren. Und sie war sich sicher, dass sie ihr nacheifern wollte. Sie würde sich der Aufgabe stellen, zu der Carolin nicht mehr gekommen war.

Sie wusste, dass sie mit Hegels nicht darüber reden konnte, doch sie fühlte sich als die Erbin von Carolin. Und sie war sich sicher, dass sie ihre Vermieter nicht enttäuschen würde, so schwer es auch werden würde. Doch im Moment war es fast zu einfach. Es hatte gereicht, diese mehr als faszinierende Kleidung anzuziehen, und mit jeder ihrer Bewegungen fühlte Julia, dass sie auf den Spuren von Carolin unterwegs war.

Bisher hatte sie nur zwei der drei Schränke geöffnet, und vor allem der zweite Schrank offenbarte faszinierende Kleidung. Sie fragte sich, was wohl im dritten Schrank sein würde. Doch bisher hatte sie es nicht geschafft, ihn zu öffnen. Die anderen beiden Schränke waren einfach nur aufzuziehen, doch der dritte Schrank schien sich zu weigern, denn auch wenn Julia noch so sehr zog, blieb er geschlossen.

Doch sie wollte sich auch nicht die Blöße geben, wegen so einer Lappalie Frauke oder gar Hegels zu belästigen. Sie würde schon noch herauskriegen, wie der Schrank zu öffnen war. Dnen insgeheim fühlte sie , dass sie dort einige Antworten auf die Fragen finden würde, die sie im Moment noch nicht zu stellen wagte.
33. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von Chrissi1 am 14.10.17 21:06

Tja was soll man jetzt dazu sagen?

Schön das es weitergeht und wie immer SUPER erzählt.

Danke dafür.

Gruß
Chrissi
34. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von *Gozar* am 15.10.17 00:19

Oh GaG

Wie lange hast Du uns schmoren lassen!
Toll das es weitergeht. Und schon ist mein Kopfkino wieder hell in Flammen.

Gruß Gozar
35. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von Moira am 15.10.17 02:40

und es bleibt me-ga-span-nend ... danke ...

und lass uns diesmal nicht wieder so lang warten, GAG

lieben Gruß ~ M
36. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von mpwh66 am 16.10.17 16:25

Moin so noch mal ganz vom Anfang verschlungen ,eine klasse Geschichte besten Dank ich bin sehr gespannt wie es weiter geht 😉
37. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 3 - Probleme mit der Miete - Teil Zwei von Vier

geschrieben von gag_coll am 16.10.17 18:21

Der Mantel der Studentin
Kapitel 3 - Probleme mit der Miete - Teil Zwei von Vier
Autor: Karl Kollar

»Wo hat Carolin die Perlen denn getragen?« Julia ahnte, dass so eine Perle im Mund sicher genauso wenig für die Öffentlichkeit geeignet war wie die Lackkleidung.

»Haben sie die Perlen schon ausprobiert?« Herr Hegel wischte sich den Mund ab. In seiner Stimme klang ein leichter Vorwurf mit.

Julia legte das letzte Stück ihrer Semmel kurz auf den Teller. »Zuerst habe ich mich nicht getraut... Und dann war keine Zeit mehr.«

»Etwas anderes.« Herr Hegel wechselte das Thema. »Elisabeth, reichst du mir bitte mal meine Geldbörse.«

Julia blickte etwas unsicher auf den Tisch.

»Sie haben gestern ja gleich zwei Sachen von Carolin getragen und das hat uns sehr gefreut.« Er nahm das Portemonnaie entgegen, öffnete es und nahm 40 Euro heraus. Er legte die Scheine neben Julia auf den Tisch.

»Aber so lange habe ich den Rock doch gar nicht getragen.« Julia hatte insgeheim schon ausgerechnet, wie viel Geld ihr gemäß der Taschengeldliste zustehen würde, doch sie hatte sich nicht getraut, dieses auch einzufordern.

»Sehen sie es auch als Dankeschön an.« Herr Hegel legte die Börse vor sich auf den Tisch. »Außerdem waren sie gestern schon so mutig mit der Lackhose.«

Julia lächelte dankbar und war trotzdem immer noch verlegen, weil sie gestern die Hose einfach vergessen hatte.

»Wie sind sie mit dem Rock zurechtgekommen?« Frau Hegel schenkte noch einmal Kaffee nach.

Julia zögerte mit der Antwort.

»Seien sie bitte ehrlich.« Herr Hegel blickte sie interessiert an. Er hatte bewusst mit sehr liebenswürdiger Stimme gesprochen.

»Der Reißverschluss ist immer wieder aufgegangen.« Julia blickte beschämt vor sich auf den Tisch.

»Sehen sie sich bitte den Anfasser noch einmal genauer an.« Frau Hegel lehnte sich mit der Kaffeetasse in der Hand zurück. »Eigentlich müsste der Verschluss in jeder Position fixierbar sein. Carolin wollte das so haben.«

Herr Hegel seufzte. »Es war teuer.«

Julia holte tief Luft. »Ich möchte mir das Taschengeld für den verriegelten Rock verdienen, das ist immer hin vier mal so hoch.«

»Wissen sie was?« Frau Hegel stellte ihren Tasse wieder ab. »Sie geben uns ihr Ehrenwort und versprechen uns, dass sie den Rock immer nur dann öffnen, wenn es wirklich nötig ist.«

»Zum Beispiel, wenn sie Treppen steigen müssen oder noch schnell die Tram erwischen müssen«, ergänzte ihr Mann.

»Ja, das werde ich machen.« Julia musste schlucken, als sie begriff, wie viel Vertrauen ihr entgegen gebracht wurde. Doch dann fragte sie, was sie dazu bringen würde, sich selbst und ganz freiwillig in den strengen Rock einzusperren. Es war dieses besondere Gefühl der Enge, welches sie dann verspürte.

»Könnte man nicht auch eine Art Siegel anbringen?« Die Frage von Herrn Hegel war im Vorhinein so nicht ausgemacht, doch sie lag nahe.

»Das könnte man schon machen«, antwortete seine Frau. »Aber erstens ist das höchst unpraktisch, wenn man mal ein dringendes Bedürfnis hat, und außerdem vertrauen wir ihnen. Sie werden uns nicht enttäuschen.« Sie blickte Julia in diesem Moment ernst an.

Julia schluckte. »Natürlich, Frau Hegel.« Sie ließ sich die Worte noch einmal kurz durch den Kopf gehen. »Ich werde den Reißverschluss nur öffnen, wenn ein ernster Grund vorliegt.« Sie sagte es in einem sehr feierlichen Ton.

»Für das Einsperren in die Kleidung gibt es bessere Möglichkeiten.« Frau Hegel lächelte Julia an. »Carolin hatte da ein paar ganz raffinierte Ideen.«

Julia nahm den Inhalt dieses Satzes nur nebenbei wahr.

»Wie gefällt ihnen ihre jetzige Kleidung?« Herr Hegel ließ seinen Blick kurz über den Körper seiner Studentin gleiten.

Julia senkte den Kopf und wurde etwas leiser. »Sehr faszinierend.«

»Das ist schön, Julia. Das ist schön.« Er lächelte. »Carolin hat diese Kleidung immer sehr gern getragen.«

»Sehen sie sich ruhig in ihren Schränken um und trauen sie sich auch, sich die Sachen selbst auszusuchen.« Frau Hegel bekräftigte die Worte ihres Mannes.

Julia trank ihren Kaffee aus. »Ich wollte mich noch einmal für die Jahreskarte bedanken.« Sie war mehr als erleichtert, dass ihre sonst ziemlich große Sorge jetzt verschwunden war. Einmal war sie schon beim Schwarzfahren erwischt worden, und die Strafe hatte ihren Etat für das lange Wochenende komplett aufgebraucht. Seit dem hatte sie jeden Monat auf die nächste Monatskarte gespart.

»Wie ich schon gestern sagte, sie können doch nichts dafür, dass wir hier draußen wohnen.« Herr Hegel wischte sich den Mund ab. »Die Karte gehört einfach zur Wohnung dazu.«

»Wenn wir schon die Straßenbahn direkt vor dem Haus haben.« Frau Hegel lächelte.

»Sie denken daran, dass sie gemäß des Mietvertrages ihren heutigen Abend mit uns zu verbringen haben?« Herr Hegel wollte Julia an den Pflichtabend erinnert wissen.

»Natürlich.« Julia nickte vorsichtig. »Wie wird der Abend denn ablaufen?«

»Wir sitzen einfach zusammen und sie erzählen uns etwas von sich.« Herr Hegel lächelte zuversichtlich. »Von ihrer Kindheit und von daheim.

»Ja, das kann ich machen.« Julia konnte nicht verhindern, dass sie das Gesicht verzog.

Frau Hegel hatte Julias Reaktion bemerkt und war innerlich alarmiert. Sie wollte für den Abend keine schlechte Stimmung haben und beschloss für sich, dass Thema Eltern und Kindheit lieber doch nicht anzusprechen. Sie versuchte eine Ablenkung. »Aber bitte keine Fachgespräche, mein lieber Winfred.«

»Versprochen, Elisabeth.« Herr Hegel lächelte. »Versprochen.«

»Suchen sie sich bitte etwas Schönes aus Carolins Schrank aus.« Frau Hegel begann, das Geschirr zusammenzustellen. »Sie wissen ja jetzt, was sie gern getragen hat.«

»In einer halben Stunde fährt die Tram.« Herr Hegel stand auf und gab Frauke, die ins Zimmer gekommen war, ein Zeichen. »Sie können abräumen.«

* * *

Während sie sich für den Tag fertig machte, behielt Julia die ganze Zeit die Uhr im Blick. Sie hätte sich gern noch etwas in den Schränken umgesehen und vielleicht auch die Perlen probiert, doch sie erkannte bald, dass dafür die Zeit nicht reichen würde.

Fast hätte sie vergessen, sich das Tagebuch einzustecken. Sie wollte es unbedingt so schnell wie möglich lesen, und in den heutigen Vorlesungen würde sich das leicht machen lassen.

Seufzend zog sie sich die Lackkleidung aus und schlüpfte in die Kleidung, die Frauke ihr schon heraus gelegt hatte. Obwohl es ein wenig ihren Stolz verletzte, war sie über Fraukes Vorschlag doch sehr erleichtert, denn sie fragte sie, ob sie wirklich den Mut aufgebracht hätte, sich schon am dritten Tag in Lack zu zeigen. Gedankenverloren strich sie noch einmal über den so faszinierend glatten Stoff.

* * *

'Lies mich bitte.' Irgendwie schien das kleine schwarze Buch die ganze Zeit zu rufen. Julia glaubte fast, die Stimme von Carolin zu hören, die durch das Tagebuch zu ihr sprach. Sie war durch das Vertrauen, welches Hegels ihr schon nach so kurzer Zeit entgegen brachten, sehr geehrt, und sie entnahm dem auch eine gewisse Verpflichtung, es nicht zu missbrauchen.

Als sie den Hörsaal betrat, steuerte sie entgegen ihrer sonstigen Vorlieben gezielt die letzte Reihe an, was sich im späteren Verlauf allerdings als Fehler erwies. Ihre Hand zitterte, als sie das Buch aus ihrer Tasche nahm, und sofort begann sie darin zu lesen.

Die ersten Seiten enthielten viel Belangloses - die Sorgen eines Teenagers, die erste Liebe, Krach mit den Eltern und ähnliches. Doch dann wechselte der Stil und die Schreiberin schien so nach und nach ins Schwärmen zu kommen. Es war immer häufiger von Engeln und einer ganz bestimmten Aufgabe die Rede und ein Begriff tauchte wiederholt auf: 'ARCANVM ANGELARVM'.

Julia vermutete, dass es Latein sein könnte, doch das hatte sie nie gelernt.

»Was liest du denn da?« Eine ihrer Kommilitoninnen stand neben ihr und zeigte auf eine Stelle in dem Tagebuch. »Das Geheimnis der Engel?«

Julia blickte sich erstaunt um und sah, dass sich einige ihrer Mitstudentinnen um sie gestellt hatten. »Was macht ihr denn hier?«

»Wenn sich unsere Streberin in die letzte Reihe setzt, dann muss es einen Grund dafür geben.« Das blonde Mädchen lachte und wiederholte ihre Frage. »Was liest du denn da so Spannendes, dass du uns nicht einmal bemerkst?«

Julia wollte im ersten Moment das Tagebuch zuklappen, doch dann hielt sie inne. »Du kannst das lesen: 'ARCANVM ANGELARVM'?« Die eigentliche Frage ignorierte sie allerdings.

»Das ist Latein in der alten Schreibweise und bedeutet eben 'das Geheimnis der Engel' oder so ähnlich.« Das Mädchen erklärte Julia die Übersetzung aus dem Lateinischen.

»Danke.« Julia konnte nicht verhindern, dass ihre Stimme etwas ungehalten war. »Und jetzt lasst mich bitte weiter lesen.« Sie sah, dass in diesem Moment die nächste Vorlesung begonnen hatte.

Wenn Julia bisher noch ein paar Zweifel wegen Hegels Tochter gehabt hatte, war sie jetzt, wo sie das Tagebuch las, vollkommen überzeugt, dass es Carolin wirklich gegeben hatte, und sie hatte wegen ihrer diesbezüglichen Gedanken ein schlechtes Gewissen. Natürlich standen viele Belanglosigkeiten in dem Buch, doch gerade das ließ in Julia das Gefühl wachsen, dass sie tatsächlich das Tagebuch von Hegels Tochter in den Händen hielt.

Gegen Ende ungefähr ab den Seiten aus dem April war immer wieder von einer Aufgabe die Rede, die Carolin zu erledigen hatte und einer Verpflichtung, der sie sich zu stellen hatte. Die Vorbereitungen dazu wurden von der Schreiberin immer konkreter beschrieben, und ging es soweit, dass sie sogar das Maßnehmen für einen Gürtel beschrieb. Auch das Tragen eines Handschuhs wurde immer häufiger erwähnt.

Julia hielt kurz inne und sah in Gedanken vor sich die besonderen Möbel, die es überall im Haus gab. Sie war sehr neugierig, etwas mehr über diesen besonderen Handschuh zu erfahren, auch wenn sie noch keine Ahnung hatte, worum es sich dabei wirklich handelte.

Und immer wieder gab es Bezüge zu einer Gemeinschaft und Erwähnungen von Engeln. Einmal erwähnte Carolin sogar, dass sie die Engel gehört hatte. Julia dachte im ersten Moment an einen besonders heftigen Orgasmus, wie sie ihn letztens beim Spaziergang gehabt hatte, doch dann wurde es ihr beim Weiterlesen klar, dass Hegels Tochter anscheinend einen Chor gehört hatte, denn sie sprach über die einzigartige Verteilung der Stimmen. Und dass sie sich schon darauf freute, dort mitsingen zu dürfen.

Sie erwähnte auch, dass sie den Handschuh jetzt schon einige Stunden tragen konnte, bevor es begann weh zu tun, und dass sie sehr zuversichtlich war, ein guter Engel werden zu können.

Julia verstand die Bezüge immer weniger, doch im Unterbewusstsein reifte in ihr langsam ein ganz bestimmter Gedanke: Sie wollte aus Dankbarkeit für die tolle Aufnahme für Hegels ein guter Ersatz für ihre Tochter werden. Sie wollte versuchen, sie über den Verlust hinweg zu trösten.

Ein wenig wunderte sie sich, dass Carolin fast nie ihre besondere Kleidung erwähnte, bis auf eine Stelle, als sie einmal das kleine Dachrondell erwähnte, weil sie sich beim Hochklettern ihre schöne Lackbluse zerrissen hatte. Insgesamt gewann Julia den Eindruck, dass Carolin mit ihrem besonderen Leben sehr glücklich gewesen sein musste. Zumindest bis zu dem Zeitpunkt, als sie von ihrer Krankheit erfuhr, und dass sie offenbar nicht mehr lange zu leben hatte.

Ein dicker Kloß steckte in Julias Hals, als sie wieder die letzte Seite aufschlug und wiederholt die Zeilen las, die sie als Carolins Testament interpretierte.

Ja, sie würde sich Carolins Aufgabe stellen, was auch immer es sein würde. Sie wollte so ein Engel werden, im Chor mitsingen und auch den Gürtel und den Handschuh tragen, auch wenn sie nicht wirklich wusste, auf was sie sich einlassen würde. Selbst die Warnung, die Carolin offenbar bekommen hatte, schreckte sie nicht ab. Wenn sie sich einmal für die Aufgabe entscheiden würde, gäbe es kein Zurück mehr, dann müsse sie das Vorhaben vollständig durchführen.

Stellenweise hatte Julia geglaubt, mit Engel könnte Carolin schon ihre Krankheit gemeint haben, doch dann verwarf sie den Gedanken wieder, denn mit Erwähnung der Krankheit änderte sich fast alles in dem Buch und die wackelige Schrift der letzten Seiten ließen Julia vermuten, dass es der Tochter nicht leicht gefallen sein musste, die letzten Seiten zu schreiben.


Julia war sehr in das Buch vertief und bemerkte nicht einmal, dass sie Vorlesung schon lange aus war. Nur allmählich realisierte sie die Stille um sich herum und nur langsam betrat sie wieder die Wirklichkeit.

Sie steckte sich das Buch wieder in ihre Tasche, und während sie langsam zum Ausgang ging, reifte in ihr ein Plan. Sie würde an Carolins Stelle treten, egal wie schwer es auch sein würde. Sie würde den Gürtel tragen wollen und den Handschuh und sie würde ein Engel werden wollen. Sie wusste nur noch nicht, wie sie Hegels gegenüber ihre Wünsche äußern sollte.

Auf dem Weg zum Uniportal formte sich in ihren Gedanken ein Plan. 'Ich möchte das für Carolin machen. Ich möchte ihre Aufgabe vollenden.' Sie sah so nebenbei auch eine sehr gute Gelegenheit, sich bei Hegels für die so freundliche Aufnahme zu bedanken.

Und sie wollte auch wissen, was 'ARCANVM ANGELARVM' wirklich bedeutete.

* * *

Stolz verließ Julia die Verkaufsstelle des MVV in der Poccistraße. Sie hatte genau das Modell einer Straßenbahn bekommen, welches sie sich vorgestellt hatte. Gestern hatte sie gesehen, dass es neben Fahrkarten auch die Möglichkeit gab, einzelne Modelle der Fahrzeuge zu erwerben.

Julia hatte sich für eine der modernen Straßenbahnen entschieden, und das erste Taschengeld reichte sogar noch für ein kurzes Stück Schiene, so dass sich das Modell sogar richtig aufstellen ließ. Sie wollte es Frauke schenken, denn offenbar liebte sie es, den Straßenbahnen nachzublicken.


In einem Anflug von Sentimentalität stieg sie an ihrer alten U-Bahnstation noch einmal aus und ging den vertrauten Weg zu ihrer alten Wohnung, aus der sie erst vor wenigen Tagen ausziehen musste, weil sie sich die Miete nicht leisten konnte und ihre Freundin zu ihrem Freund gezogen war.

»Schön, dass ich dich hier treffe, Schwesterherz.« Auf einmal stand Michael, der jüngste ihrer fünf Brüder vor ihr. Er allein wusste, wo sie vor ihrem Umzug nach Grünwald gewohnt hatte, auch weil sie den Kontakt zur Familie nicht ganz abbrechen wollte. Einmal hatte er sie schon in ihrer kleinen Studenten-WG aufgesucht und hatte sie über den Tod des Opas informiert. Erst jetzt, als er ihr über den Weg lief, fiel Julia ein, dass sie ihren Bruder noch gar nicht über ihren neuen Wohnsitz informiert hatte.

»Ich muss dir unbedingt etwas mitteilen. Gut, dass ich dich hier treffe.« Ihr Bruder blickte sie sorgenvoll an. »Sei ja vorsichtig.« Er wusste von Julias Lage und hatte als einziger der Brüder immer zu ihr gehalten.

Julia wollte sich entschuldigen. »Ich wohne jetzt in ...«

Doch ihr Bruder unterbrach sie. »Wenn ich es nicht weiß, dann kann ich es nicht ausplaudern.«

Julia stutzte. Eigentlich kannte sie ihren Bruder gut. »Was ist passiert?«

Michael holte tief Luft. »Leos Vater ist gestorben, kurz nachdem er den Hof übergeben hat.«

»Ja und?« Doch dann stutzte sie. »Ich sollte ihn heiraten.«

»Genau... Und jetzt suchen sie dich.« Michael blickte an ihr herunter.

»Warum, sie kennen doch meine Einstellung.« Julia verstand die Zusammenhänge noch nicht.

»Ja schon.« Der Bruder holte noch einmal tief Luft. »Aber jetzt will Leo sich seine Frau holen, und er steht bei uns auf der Matte. Wir hätten uns an das gegebene Versprechen zu halten.«

»Ich habe nichts versprochen.« Julia stöhnte ein wenig, weil sie dieses Argument schon so oft gebraucht hatte.

Er verdrehte die Augen. »Du weißt genau, wie ich das meine.«

»Und was heißt das jetzt?« Julia trippelte nervös auf der Stelle.

»Sie suchen dich.« Es war Michael unangenehm, weiter zu sprechen. »Sie wollen zu ihrem Wort stehen.«

»Das ist aber nicht mein Problem.« Julia gab sich empört.

»Ich weiß. Deswegen bin ich ja auch gekommen, damit ich dich warnen kann.« Michael lächelte. »Und deswegen will ich auch gar nicht wissen, wo du jetzt wohnst, dann kann ich es nicht versehentlich ausplaudern.«

Julia war gerührt. »Danke Michael.«

»Du studierst noch?« Der Bruder versuchte das Thema zu wechseln.

Julia war darüber sehr dankbar. »Drei Semester muss ich noch.«

»Und dann?« Michael blickte auf die Uhr.

»Dann bin ich Innenarchitektin«, antwortete Julia mit stolzer Stimme.

»Und keine Bäuerin«, ergänzte ihr Bruder.

»Ganz bestimmt keine Bäuerin.« Sie lächelte, doch dann wurde sie nachdenklich. »Wie geht es denn den Kühen?«

»Es geht allen gut.« Michael lächelte. »Ich glaube, sie vermissen dich. Du warst gern im Stall.«

»Ja, die Tiere kennen keinen Hochmut.« Die winzige Spitze übersah Julia. »Was macht Waldi, der Hund?« Sie gingen langsam die Treppe zur U-Bahn hinab.

Die Miene des Bruders verzog sich. »Wir mussten ihn einschläfern lassen.«

Julia war für einen Moment ebenfalls traurig. Doch dann hellte sich ihre Miene auf. »Er hatte ein schönes Leben auf dem Hof und musste sicher nicht lange leiden.«

»Ja, so sehe ich das auch. Wann sehe ich dich mal wieder?« Er fühlte die Unruhe, die Julia ergriffen hatte.

»Das weiß ich noch nicht.« Doch dann glitt ein Grinsen über ihr Gesicht. »Vielleicht auf Leos Hochzeit.«

Michael blickte seine Schwester verwundert an. »Aber nicht als die Braut, oder?«

»Ganz sicher nicht.« Die U-Bahn fuhr ein. »Ich muss dann weiter.« Sie umarmte ihren Bruder noch einmal, dann sprang sie in die U-Bahn und suchte sich einen Platz, so dass sie ihn nicht mehr ansehen konnte. Sie wollte nicht, dass er ihre Tränen sah.
38. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von marmas71 am 16.10.17 18:41

Hallo gag_coll,

danke fürs schreiben.

Freue mich über jede fortsetzung von dir.

Gruß marmas71
39. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von *Gozar* am 16.10.17 21:18

Hallo gag_coll

...du machst es wieder einmal spannend.
Aber gerade das ist es was ich an deinen Geschichten so mag!

Und wieder einmal bitte ich Dich, sein gnädig mit meiner Ungeduld.

Tolle Fortsetzung, aber wie immer viiieel zu kurz!


Gruß Gozar
40. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von mpwh66 am 17.10.17 08:10

Moin
Ja bitte gleich weiter schreiben wird immer spannender ,erst das Tagebuch mit den fragen und dann ihr Bruder mit der Warnung ⚠
Danke bin sehr gespannt
41. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 3 - Probleme mit der Miete - Teil Drei von Vier

geschrieben von gag_coll am 18.10.17 05:46

Der Mantel der Studentin
Kapitel 3 - Probleme mit der Miete - Teil Drei von Vier
Autor: Karl Kollar

Die spontane Begegnung mit ihrem Bruder hatte Julia doch mehr mitgenommen, als sie es sich selbst eingestehen wollte. Sie hatte auf der ganzen Fahrt mit der U-Bahn mit den Tränen zu kämpfen, und nur langsam wurde ihr klar, was sie gerade von ihrem Bruder erfahren hatte. Ihre Brüder würden nach ihr suchen. Und sie konnten hartnäckig sein, dass wusste sie aus eigener Erfahrung.

Jetzt stand sie an der Haltestelle der Straßenbahn und wartete auf die Linie Richtung Grünwald.

Als die Tram kam, musste Julia lächeln, denn es war genau die Tram, die sie von ihrem ersten Taschengeld als Modell gekauft hatte.

Während sie einstieg und sich einen Platz suchte, dachte sie an Frauke, und sie hoffte, dass sich die Dienerin über das Geschenk freuen würde. Sie fragte sich, ob sie wieder in ihrem Zimmer stehen und aus dem Fenster sehen würde, wie sie es jetzt schon mehrmals beobachten konnte.

Julia wusste immer noch nicht, warum die Tram für Frauke so wichtig war, doch sie hoffte, dass sie ihr mit dem Modell eine Freude machen würde.


Doch es kam ganz anders. Als Julia wieder in ihrer Wohnung war und ihre Tasche ausgepackt hatte, nahm sie sich den kleinen Karton mit ihrem Geschenk und machte sich auf, um Frauke zu suchen.

Erst jetzt fiel ihr auf, dass sie immer noch nicht wusste, wo Fraukes Zimmer war. Sie sah Frau Hegel im Treppenhaus, ging auf sie zu und fragte sie nach Fraukes Zimmer.

»Was wollen sie denn von ihr?« In der Stimme ihrer Vermieterin schwang ein wenig Misstrauen mit. Doch dann ging sie zu der Treppe nach oben und rief kurz den Namen der Dienerin.

Als Frauke kurz darauf erschien, sagte sie ihr, dass Julia nach ihr gefragt hätte.

Die Dienerin kam die Treppe herunter und ging langsam auf die Studentin zu. »Was möchtest du?«

»Damit du nicht immer an mein Fenster kommen musst.« Julia überreichte ihr den kleinen Karton, bei dem durch eine Klarsichtfolie der Inhalt zu sehen war.

Statt einer Antwort brach Frauke in Tränen aus und hatte Mühe, sich auf den Beinen zu halten.

»Sie wissen, dass sie kein Geschenk annehmen dürfen?« Frau Hegel war näher gekommen.

Julia fiel wortwörtlich die Kinnlade herunter. Sie schluckte und blickte ihre Vermieterin mit Tränen in den Augen an. »Habe ich etwas falsch gemacht?«

Frau Hegel erkannte die Gesamtsituation und musste nur kurz überlegen. »Frau Wiesl darf keine Geschenke annehmen. Aber natürlich kann ich sie nicht daran hindern, das kleine Modell in ihrem Zimmer aufzustellen.«

»Danke, Frau Hegel.« Julia und Frauke sagten es fast gleichzeitig, dann blickten sie sich überrascht an und mussten lachen.

Schließlich wurde Julia ganz mutig. »Ich weiß aber nicht, wo dein Zimmer ist.« Sie blickte zwischen Frauke und Frau Hegel hin und her.

Es brauchte erst eines aufmunternten Blicks von Frau Hegel, dann drehte sich Frauke um und ging wieder in Richtung Treppenhaus. »Na, dann komm mal mit.« Sie drehte sich noch einmal zu Julia um. »Wir werden einen schönen Platz für deine Straßenbahn finden.« Das Wort 'deine' hatte sie besonders betont.


Als sie die Treppe hinauf ging, fiel ihr ein, dass sie schon einmal hier oben gewesen war, als Herr Hegel ihr ganz stolz seine kleine, aber gut sortierte Bibliothek gezeigt hatte.

»Das ist ist mein Reich.« Ein Anflug von Stolz lag in Fraukes Stimme, als sie die Tür öffnete.

Julia war insgeheim entsetzt. Der Raum war kleiner als ihr Badezimmer und maß gerade mal neun Quadratmeter. Ein Bett, ein Tisch mit einem Stuhl und ein Schrank, mehr befand sich nicht darin, aber mehr hätte auch nicht Platz gefunden.

Sie schluckte und schwieg, denn sie ahnte, dass jedes Wort von ihr überheblich und beleidigend gewesen wäre.

»Ich dachte mir, dass wir sie auf die Fensterbank stellen, was meinst du?« Frauke blickte Julia mit einer Miene an, die Julia fast das Herz zerrissen hatte. Sie fühlte, dass sie es mit dem kleinen Modell wirklich voll getroffen hatte und sie gab sich Mühe, ihren Triumpf nur im Stillen zu genießen.

Sie musste sich erst räuspern, bevor sie sprechen konnte. »Du bist aber trotzdem immer in mein Zimmer eingeladen, wenn du aus dem Fenster sehen möchtest.« Es war Julia aufgefallen, dass das einzige sehr kleine Fenster nach Westen hinaus ging, und damit war kein Blick auf die Straßenbahnlinie möglich.

Julia überlegte, ob sie nach dem Grund fragen sollte, warum Frauke keine Geschenke entgegen nehmen durfte, doch sie ahnte, dass die Antwort wahrscheinlich schmerzhaft ausfallen würde und deswegen verzichtete sie darauf. Wenn Frauke bereit war, darüber zu reden, dann würde sie es schon merken.

»Ich möchte dir Danke sagen, dass du das Modell hier aufstellen möchtest.« Frauke fiel das Sprechen schwer. Es gab so viel, was sie gern gesagt hätte, doch sie wusste, dass die Zeit dafür noch nicht gekommen war. Doch sie wollte sich wenigstens für den so schönen Ausweg, den Frau Hegel vorgeschlagen hatte, bedanken. Denn natürlich kannte sie den Grund für diese strenge Regelung.

Auf einmal war ein Klingeln zu hören, und Frauke drehte sich sofort zur Tür. Erst dann realisierte sie, dass Julia noch im Raum war. »So hört es sich an, wenn ich gerufen werde.«

Julia verkniff sich die Antwort, denn sie wusste, dass alles, was sie sagen würde, verletzend wirken würde. Langsam ging sie Frauke hinterher.

* * *

Frau Hegel wählte die Nummer, und als abgehoben wurde, fragte sie nach Herrn Buchelberger. »Elisabeth hier.«

»Was gibt es?« Der Beamte seufzte leise. Ein Aufruf aus Grünwald konnte eigentlich nichts Gutes bedeuten.

»Es geht um die Regelung, dass Frauke keine Geschenke annehmen darf.« Frau Hegel hatte sich einen kleinen Plan zurecht gelegt.

»Und was ist damit?« Herr Buchelberger hatte mit der Unterbringung von Frauke bei Hegels seine Kompetenzen schon fast überdehnt.

Frau Hegel erzählte ihm von dem Geschenk, welches die neue Mieterin ihrem Schützling machen wollte. »Ich bin natürlich eingeschritten.«

Natürlich wusste auch Herr Buchelberger, dass hier auch immer die Komponente Mensch mitspielte. Er war über die rührende Geste zwar angetan, aber dienstlich durfte er es nicht dulden.

Frau Hegel beschrieb, was sie schließlich getan hatte und erläuterte ihre Argumentation. »Ich kann Julia schließlich nicht verbieten, ihr Eigentum in Fraukes Zimmer zu platzieren.«

Der Beamte runzelte hörbar die Stirn, doch dann gab er nach. »Okay, wenn du das so siehst. Danke, dass du mich informiert hast.«

»Ich glaube, dass sich zwischen Julia und Frauke so etwas wie eine Freundschaft anbahnt.« Sie gab ihre Beobachtungen weiter. »Ich denke, dass Julia einen guten Einfluss auf Fraukes weitere Entwicklung haben könnte.«

»Warum nicht.« Herr Buchelberger machte eine Notiz in die Akte. »Halte mich auf dem Laufenden.« Er verabschiedete sich.

* * *

Julia schloss die Tür hinter sich, dann ging sie langsam zu ihrem Bett und ließ sich in die Kissen fallen. Mit dem Blick nach oben an die Decke ging sie die Ereignisse des bisherigen Tages noch einmal durch. Es war so viel passiert, und so viele unterschiedliche Eindrücke waren auf sie eingeströmt. Fraukes trostloses Zimmer und die Tatsache, dass sie nicht einmal Geschenke annehmen durfte, machte sie traurig.

Dann war da das Tagebuch, das sie jetzt endlich ganz gelesen hatte. Was mochte es wohl mit diesen Engeln auf sich haben, mit dem Handschuh und dem Gürtel? Und vor allem, was war Carolins Aufgabe, die sie laut dem Tagebuch nicht mehr erfüllen konnte?

Und dann war da auch noch die überraschende Begegnung mit ihrem Bruder, der ihr wichtige Neuigkeiten vom elterlichen Hof überbracht hatte. Sie ließ sich noch einmal die Worte von Michael durch den Kopf gehen. Ihre Brüder würden sie suchen und wollten sie mit Gewalt auf den elterlichen Hof zurückholen, damit die Familie zu dem schon vor Ewigkeiten gegebenen Versprechen stehen konnte.

Zum Glück war sie immer schon die Schnellste gewesen, und sie würde es auch diesmal schaffen, im Notfall ihren Brüdern davon zu laufen.

Doch dann fiel ihr Blick auf den Mantel, der noch über dem Stuhl hing. Auf einmal erkannte sie das Problem. Sie hatte sich dazu verpflichtet, nahezu immer den Mantel zu tragen und sie wusste mittlerweile, wie hilflos sie darin war. Hilflos und langsam. Sie wäre eine leichte Beute für ihre Brüder.

Auf einmal ergriff sie Panik. Sie sprang vom Bett auf und suchte sich aus den wenigen Papieren, die sie besaß, den Mietvertrag heraus. Dort stand es schwarz auf weiß: Sie hatte bei jeder sich bietenden Gelegenheit den Mantel zu tragen. Damit würde sie für ihre Brüder ein leichtes Opfer sein.

Sie durfte den Mantel nicht tragen, wenn sie nicht riskieren wollte, dass sie zurück auf den elterlichen Hof geholt werden würde.

Langsam wurde ihr klar, was dies in Konsequenz bedeutete. Sie wäre nicht in der Lage, ihre Miete zu zahlen. Und das nicht einmal zwei Tage nach ihrem Einzug.

Noch einmal wog sie ihre Möglichkeiten ab. Wenn ihre Brüder sie finden würden, dann würden sie sie auf den elterlichen Hof zurückbringen. Denn die Heirat mit dem Erben des größten Hofes im Dorf war sehr wichtig. Und mit dem Mantel würde sie ihnen auch nicht mehr davonlaufen können.

Bis vor kurzem gab es nur das vage Versprechen, über das Julia sich schon oft genug geärgert hatte, doch jetzt mit dem Tod des alten Bauern war die Lage auf einmal viel brisanter. Es stand die Familienehre auf dem Spiel, und Julia wusste, dass ihre Brüder keine Ruhe geben würden.

Langsam reifte in ihr ein Gedanke. Sie musste ihr Paradies wieder aufgeben, denn jetzt gab es Gründe, warum sie die bisher scheinbar so einfachen Bedingungen nicht mehr erfüllen konnte.

Sie ging zum Schrank, und während sie ihre Koffer herausnahm, dachte sie mit viel Wehmut daran, was sie alles aufgeben musste. Und viele von den Sachen hatte sie noch nicht einmal ausprobieren können.

Auf einmal fiel ihr das Tagebuch wieder ein und die Tränen schossen ihr in das Gesicht. Sie würde auch Carolin verraten, und dies tat ihr besonders weh.

Sie ging zum Bett und unter Tränen legte sie die Koffer aufs Bett, dann öffnete sie und begann, ihre wenigen Habseligkeiten in den Koffer zu packen.


»Elisabeth, kommt bitte einmal schnell her.« Herr Hegel war ungewöhnlich aufgeregt.

»Was ist denn, Winfred?« Elisabeth war gerade damit beschäftigt, mit Frauke Wäsche zusammenzulegen.

»Das musst du dir ansehen.« Herr Hegels Stimme zitterte. »Sie packt.« Er zeigte auf den kleinen Überwachungsmonitor. »Ich wollte eigentlich nur die Aufzeichnungen von letzter Nach durchsehen, da habe ich die Koffer auf dem Bett liegen sehen.«

»Ich gehe sofort zu ihr und werde mit ihr reden.« Frau Hegel war entsetzt. »Sie hat bisher so vielversprechend reagiert. Sie muss unbedingt bleiben.« Ihre Stimme zeigte eine ungewohnte Entschlossenheit.


»Julia, was denn los mit ihnen?« Frau Hegel öffnete langsam die Tür zum Zimmer ihrer Mieterin. »Sie wollen doch nicht etwas ausziehen?«

»Ich... Ich kann... « Julia war vor lauter Schluchzen fast nicht zu verstehen. »Ich kann meine Miete nicht zahlen.«

»Jetzt setzen sie sich erst einmal und erzählen mir, was passiert ist.« Frau Hegel fragte sich, wo das glückliche Mädchen geblieben war, dass gerade noch Frauke die Tram überreicht hatte.

»Der Vater ist gestorben und jetzt muss ich ihn heiraten, weil ich den Mantel trage.« Julia schluchzte wieder.

»Jetzt mal langsam und von vorn. Ihr Vater ist gestorben?« Frau Hegel reicht Julia ein Taschentuch.

Julia wischte sich durch das Gesicht, dann holte sie tief Luft. »Ich wurde schon früh dem Leo versprochen. Das ist der Sohn vom Nachbarhof.«

Nach und nach gelang es Frau Hegel, Julia die ganze Geschichte zu entlocken, obwohl die Studentin immer wieder von Schluchzen unterbrochen wurde.

»Sie haben Angst, dass ihre Familie sie entführen und auf den Hof zurückholen könnte.« Frau Hegel versuchte, das was sie eben gehört hatte, noch einmal zusammenzufassen.

»Wenn ich den Mantel oder den Rock trage, dann kann ich nicht weglaufen.« Langsam beruhigte sich ihre Stimme. »Und der Mantel ist doch Bestandteil meiner Miete.«

»Bitte bleiben sie bei uns.« Frau Hegel war ehrlich besorgt. »Ich rede mit meinem Mann, und wir finden eine andere Lösung. Wir ändern den Mietvertrag.«

»Das würden sie tun?« Julia wischte sich die neuen Tränen weg.

Frau Hegel sah auf einmal eine Chance. »Haben sie sich schon in Carolins Schränken umgesehen?«

Julia verneinte.

»Dort finden wir sicherlich etwas, was sie als Ersatz tragen können. Ich werde gleich mit meinem Mann darüber reden, und heute Abend besprechen wir das. Bitte packen sie wieder aus.« Frau Hegel stand auf. »Wir machen gleich einen Spaziergang durch Grünwald und dazu möchten wir sie einladen.«

Julia blickte mit ängstlichem Gesicht auf.

»Zu zweit werden wir wohl auf sie aufpassen können. Sie müssen nichts befürchten.« Frau Hegel ging langsam zur Tür. »In zehn Minuten?«

Julia schluchzte noch einmal, dann nickte sie und stand ebenfalls auf.


»Frauke, wir machen jetzt einen Spaziergang mit Julia, und ich möchte, dass sie mitkommen.« Frau Hegel wusste, dass ihre Dienerin nur sehr selten nach draußen kam. »Sind sie einverstanden?«

»Ja, gern.« Es war heute schon die zweite schöne Abwechslung in ihrem sonst so traurigen Leben. »Darf ich mir noch meine Jacke holen?« Frauke freute sich sehr, zusammen mit Frau Hegel draußen sein zu dürfen.

»Wir gehen in zehn Minuten los.« Frau Hegel nickte, dann ging sie kurz ins Arbeitszimmer, um ihren Mann von den Ereignissen zu berichten.

»Was hast du jetzt vor?« Herr Hegel runzelte die Stirn. »Ist jetzt ihre Anmeldung in Gefahr?«

»Ich denke nicht.« Frau Hegel lehnte sich an den Türrahmen. »Der Rock lässt sich ja auch ohne den engen Unterrock tragen, und es gibt ja auch noch den leichten Mantel.«

»Ist das wirklich zielführend?« Herr Hegel sah nachdenklich aus. »Wenn wir ihr statt dem strengen Mantel das strenge Nachthemd geben?«

»Das ist eine gute Idee.« Frau Hegel grinste. »Und in der aktuellen Situation wird sie es gar nicht ablehnen können.« Sie gab ihm einen Kuss. »Manchmal kannst du auch ganz schön hinterhältig sein.«

* * *

Julia war insbesondere von dem großen fast parkähnlichen Garten beeindruckt, der sich auf der Südseite des Hauses erstreckte, auch weil er sie an ihre frühe Jugend erinnerte. Es war so ganz anders als ihre bisherige Wohnung bei ihrer Freundin, bei der es nicht einmal einen Balkon gab. Wenn sie einmal für sich sein wollte, musste sie mit der U-Bahn in den englischen Garten fahren. Und jetzt hatte sie gefühlt den halben englischen Garten vor der Terrasse.

»Wie viel Kühe haben sie denn auf dem Hof?« Frau Hegel begann das Gespräch gleich nachdem sie das Grundstück verlassen hatten.

Julia war noch nicht in der Lage zu antworten. Zu sehr schlugen die Gefühle in ihr Purzelbaum. Gerade hatte Frauke sie in ihren Mantel eingesperrt, nachdem Frau Hegel ihr versichert hatte, dass sie zu zweit auf Julia aufpassen würden. Und als die Dienerin nach und nach die Reißverschlüsse zuzog und Julia die zunehmende Enge spürte, hatte sie trotz allem Mühe, einen leichten Anfall von Panik zu unterdrücken.

Das Beinteil des Mantels war gar nicht geschlossen, nur die Arme wurden vom Mantel fest an ihren Körper gepresst. Sie war viel zu sehr in ihren Gedanken versunken, sonst wären ihr Fraukes leuchtende Augen aufgefallen, als sie sie langsam in den Mantel einsperrte.

Frau Hegel wiederholte ihre Frage.

Langsam realisierte Julia, dass sie antworten musste. »Oh, es sind so an die Zwanzig. Und bestimmt sind wieder ein paar Kälbchen dabei.« In ihrer Stimme klang etwas Wehmut mit.

»Die Tiere haben sie bestimmt gern gemocht.« Frau Hegel versuchte, sich in die Situation hineinzuversetzen.

»Ja, sie sind so unschuldig, und sie nehmen einen so, wie man ist.« Julia senkte ein wenig den Kopf, zumindest so weit, wie es das Halskorsett des Mantels zuließ.


Sie gingen einige Schritte schweigend weiter.

»Frau Hegel?« Julias Stimme war auf einmal etwas leiser.

»Ja, Julia?« Der Vermieterin war der veränderte Tonfall natürlich aufgefallen.

»Was passiert heute Abend?« In ihrer Stimme klangen sowohl Sorge als auch Vorfreude mit.

»Nichts, was ihnen Sorgen bereiten müsste.« Frau Hegel war bemüht, Julias Angst zu zerstreuen.

Sie gingen weiter.

Julia schwieg einige Zeit, denn sie versuchte, abzuwägen. »Frau Hegel, darf ich sie etwas zu ihrer Tochter fragen?« Ihre Stimme klang dabei bewusst vorsichtig.

»Was möchten sie denn wissen?« Frau Hegel war nicht minder nervös, und sie rief sich die zurechtgelegte Geschichte wieder ins Gedächtnis.

»Sie haben mir ja das Tagebuch gegeben.« Julia holte tief Luft. »Sie erzählt dort vom Gürtel und vom Handschuh und davon, dass sie eine Aufgabe gehabt hätte, zu der sie nicht mehr gekommen wäre.«

»Ja?« Frau Hegel wusste noch nicht, ob Julia die auf diese Weise gelegte Spur schon aufgenommen hatte.

»Ich möchte gern diesen Gürtel für sie tragen und den Handschuh auch.« Es kostete Julia einige Kraft, dies auszusprechen. Sie hoffte insgeheim, dass sie Hegels damit eine Freude machen würde.

»Willst du dir das wirklich antun?« Frauke klang verwundert.

Hinter Julias Rücken bekam die Dienerin einen ermahnenden Stupser von Frau Hegel.

Frauke seufzte darauf hin. Damit hatte sie bestimmt einen ihrer Pluspunkte wieder verspielt.

Frau Hegel hoffte, dass sie Julias Stimmung richtig einschätzte. »Sie wissen aber schon, das Carolin einen Keuschheitsgürtel bekommen sollte?«

Julia war genauso verunsichtert, wie Frau Hegel es erwartet hatte.

Sie machte Julia ein Angebot: »Sie können ihn einfach mal ausprobieren, ob er ihnen auch zusagt. Da steht keine Verpflichtung dahinter.«

Doch dann ließ sie durchblicken, dass sie sich zusammen mit ihrem Mann sehr darüber freuen würden, wenn ihre Mieterin sich dazu bereit erklären würde, den Gürtel zu tragen. »Der Gürtel hat für sie natürlich auch einige Vorteile. Er wird sie beschützen, wenn sie den Handschuh tragen.«

Sie wandte sich an ihre Dienerin. »Frauke, wie wäre es, wenn sie morgen Julia ihre 'Ausrüstung' zeigen?«

Frau Hegel legte den Arm um Julia. »Ich möchte, dass sie wissen, auf was sie sich einlassen.« Damit ging sie natürlich ein gewisses Risiko ein, doch sie war sich sicher, dass Julia sich davon nicht abschrecken lassen würde. »Und wenn sie damit einverstanden sind, dann kann Frauke auch gleich bei ihnen maßnehmen.«

»Aber den Handschuh kann ich nicht vorführen.« Frauke lächelte verlegen.

»Ja, das ist richtig.« Frau Hegel lächelte wissend. »Aber ich kann ihnen einige Fotos zeigen, damit sie wissen, um was es sich bei dem Handschuh handelt.«

»Ja, das wäre schön.« Julia hatte Mühe, ihre Begeisterung zu verbergen. Doch dann erinnerte sie sich wieder an ihre Familie. »Aber was machen wir mit der Miete? Ich hatte ihnen gesagt, dass ich den Mantel nicht tragen kann.«

»Dann gibt es einfach etwas weniger Taschengeld.« Frau Hegel dachte daran, dass Julias deutlich erkennbarer Ehrgeiz für sie teuer werden könnte.

»Wenn das möglich wäre?« Julia äußerte, dass sie nur höchst ungern ausgezogen wäre. »Ich will auch den Gürtel und den Handschuh tragen.«

Frau Hegel lächelte. »Ihr Eifer in allen Ehren, doch das sollten sie erst dann entscheiden, wenn sie wissen worum es sich handelt.«

Sie drehte sich zu Frauke und flüsterte leise: »Wenn sie es schaffen, dass Julia den Keuschheitsgürtel und den Keuschheits-BH tragen möchte, dann bekommen sie Pluspunkte für einen ganzen Monat.«

Frauke musste heftig schlucken, denn insgeheim hatte sie Mitleid mit der Mieterin.

»Ist der Handschuh eigentlich so etwas Besonderes?« Julia äußerte ihre Verwunderung darüber, dass es für nur wenige Minuten schon irre viel Taschengeld geben würde.

Frauke räusperte sich. »Ich habe es nicht geschafft, ihn zu tragen.« Sie streichelte Julia über die Wange. »Aber du könntest es schaffen.«


So langsam ließen Julias Sorgen wieder nach. »Mir gefällt die Lackkleidung sehr.« Sie erzählte, dass sie sich in Münchens Nobeleinkaufsmeile einmal bei einem Geschäft die Nase plattgedrückt hatte, weil im Schaufenster eine Lackhose ausgestellt war. »Aber die war unerschwinglich, über 1000 Euro.«

»Ja, Träumen ist schön.« Frauke klang auf einmal sehr sentimental.

»Im Haus dürfen sie anziehen, was sie möchten.« Frau Hegel hoffte, dass sie mit den Größen für Julia richtig geraten hatte.

Julia überlegte, ob sie zu dem dritten Schrank etwas fragen sollte, doch ihre Intelligenz verbot ihr, sich diese Blöße zu geben. Sie wollte am Wochenende selbst herauskriegen, wie der Schrank zu öffnen war. »Carolin hatte eine Aufgabe, zu der sie nicht mehr gekommen ist. Ich möchte sie fortführen.« Irgendwie fühlte sie sich dazu verpflichtet.

Frau Hegel erkannte, dass sie offensichtlich im Tagebuch die richtigen Worte gefunden hatte. »Jetzt schauen sie erst einmal, ob sie mit dem Gürtel und dem Handschuh zurecht kommen. Und wenn das so ist, dann können wir noch einmal über die Aufgabe reden.«

Frauke war von Julias Ehrgeiz sichtlich begeistert. »Du wirst das schaffen, da bin ich mir sicher.« Sie fühlte sich auf einmal wie die Verbündete von Hegels und nicht mehr wie ihre Gefangene.
42. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von mpwh66 am 18.10.17 07:10

Moin
Eine verbündete mhhh drei gegen einen oder drei die nur das beste wollen 😁
Da bin ich doch sehr gespannt wie es weitergeht
Danke gruss mpwh66
43. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 3 - Probleme mit der Miete - Teil Vier von Vier

geschrieben von gag_coll am 20.10.17 07:33

Der Mantel der Studentin
Kapitel 3 - Probleme mit der Miete - Teil Vier von Vier
Autor: Karl Kollar

Als sie das Haus wieder betraten, war Julia sehr erleichtert, weil sie mit den Sorgen wegen ihrer Familie auf offene Ohren gestoßen war, und weil die Verpflichtung mit dem eigentlich sehr faszinierenden Mantel aus dem Weg geräumt war.

Dabei bedauerte Julia dies sogar, denn sehr gern dachte sie an den Moment zurück, als sie so streng in den Mantel eingesperrt war und dabei einen Orgasmus bekommen hatte. Etwas, das sie fast von den Beinen gerissen hätte.

Doch auf der anderen Seite war da die Angst vor ihren Brüdern, und sie kannte sie gut genug, um zu wissen, dass sie sie wirklich entführen würden, wenn sie wüssten, wo sie sich aufhielt.

Gedankenverloren öffnete sie den zweiten Kleiderschrank und suchte nach möglichen Kleidungsstücken für den Abend mit Hegels, doch sie wollte auch nicht den ganzen Schrank durchwühlen. Aber ein Fach zog sie besonders an, und ihre Hand zitterte, als sie einen Stapel Bettwäsche in der Hand hielt. Das Aufregende war, dass sowohl Bettbezug und Kopfkissen, als auch das Laken aus Lack waren. Sie zitterte am ganzen Körper, als sie den Stapel wieder an seinen Platz legte.


Sie empfand Hegels gegenüber eine große Dankbarkeit. Auch der Kontakt zu Frauke war schon besser geworden. Heute Morgen hatte Frauke ihr faszinierende Kleidung vorgeschlagen, sie überlegte, ob sie sie wohl auch jetzt um Rat fragen könnte?

Ob sie wohl nach ihr klingeln dürfe? Eigentlich war es ja kein Notfall.

Als Frauke hereinkam und etwas mißmutig schaute, sank Julias Herz in die Hose. Doch sie wollte ihr Vorhaben durchziehen. »Kannst du mich beraten, was ich für den Abend bei Hegels anziehen soll?«

Fraukes Miene erhellte sich sofort, denn sie sah auch für sich eine Möglichkeit, sich ein paar Pluspunkte zu verdienen. Jeder Pluspunkt, der von Herrn Buchelberger anerkannt wurde, war ein Tag weniger ihrer Strafe. »Kein Problem, ich lege dir etwas heraus.« Sie ging zum zweiten Schrank und machte die Türen auf. Dann griff sie recht zielstrebig hinein.

Julia blickte verwundert auf den Stapel, der sich jetzt auf ihrem Bett häufte. »Das soll ich alles anziehen?« Besonders war sie darüber verwundert, dass Frauke wirklich nur Lacksachen herausgelegt hatte. Scheinbar auch noch viel zu viele.

»Ich zeige dir, wie es geht.« Sie trat an das Bett und hielt als erstes einen dunkelroten Anzug in die Höhe, so wie Julia ihn noch nie gesehen hatte.

»Was ist denn das?« Julia äußerte ihr Erstaunen.

»Das ist ein sogenannter Catsuit.« Frauke öffnete den Reißverschluss. »Du könntest mir einen Gefallen tun.«

»Und der wäre?« Julia wollte nicht sofort 'Ja' sagen.

»Sage bitte bei Hegels, dass ich dir das zusammengestellt habe, dann bekomme ich vielleicht ein paar Pluspunkte.« Sie blickte Julia flehend an.

»Und was ist mit den anderen Sachen?« Julia hatte schon erkannt, dass der Catsuit fast ihren gesamten Körper bedecken würde.

»Damit allein kannst du dich bei ihnen aber nicht blicken lassen.« Frauke lächelte. »Das ist eher so etwas wie eine zweite Haut. Es sieht fast so aus, als währest du nackt.«

»Du machst mich aber neugierig.« Julia erinnerte sich jetzt, dass sie in manchen Musikvideos doch schon etwas Ähnliches gesehen hatte. Sie hatte nur nicht damit gerechnet, dass es hier einfach im Kleiderschrank liegen würde.

Frauke griff in den kleinen Stapel. »Du ziehst noch diesen Rock und diese Bluse dazu an.«

Julia begutachtete die Sachen. Der dunkelblaue Rock war wadenlang, und die weiße Bluse reichte bis über die Ellenbogen. Es wäre also ein Stück vom Catsuit noch sichtbar.

»Glaub mir, das wird Hegels gefallen, und es bringt Pluspunkte.« Sie lächelte verlegen. 'Vor allem bringt es mir Pluspunkte', dachte sie bei sich. »Damit wirst du Eindruck machen.«

»Bist du sicher?« Julia hielt sich Rock und Bluse vor den Körper und betrachtete sich vor dem Spiegel. Sie musste zugeben, dass Frauke etwas sehr Geschmackvolles herausgesucht hatte. Wenn der besondere Stoff nicht gewesen wäre, hätte sie so auch zu einem Vorstellungsgespräch gehen können. Die Bluse war hochgeschlossen und sehr schlicht. Und der Rock schwang weit um ihre Hüften, hatte keinen engen Unterrock und war wadenlang, so dass er wirklich brav aus sah.

»Ich habe dir noch ein Paar Stiefel herausgesucht, die kannst du dazu anziehen.« Frauke war angetan von Julias Unschuld.

»Kannst du mir beim Anziehen helfen?« Julia blickte Frauke verlegen an. »Ich weiß nicht, wie ich den Catsuit anziehen muss.«

»Aber gern« Jetzt reizte es Frauke, mehr von Julias Körper zu Gesicht zu bekommen.


Julia betrachtete sich vor dem Spiegel. Von dem roten Catsuit war wirklich nicht mehr viel zu sehen. Lediglich ihre rot bedeckten Unterarme ließen erahnen, was sie wohl darunter tragen würde.

Sie war begeistert von ihrem Outfit, und das eigentlich sehr strenge Büroensemble vermittelte ihr zusätzlich noch eine Spur von Sicherheit. Sie war sich sicher, dass sie Hegels so wirklich gegenüber treten konnte. Lediglich die Stiefel waren etwas zu groß. Doch sie gab sich pragmatisch. »Ich muss ja hoffentlich keine großen Strecken gehen.«

* * *

Julias Nervosität war groß, als sie jetzt in der so aufregenden Kleidung und den ein wenig zu großen Stiefeln langsam die Treppe hinunter ging, um den Abend gemäß ihrer Mietverpflichtung mit ihren Vermietern zu verbringen. Zudem kam ihr schlechtes Gewissen dazu, denn sie hatte sich heute in der Uni viel mehr mit dem Tagebuch beschäftigt, als dem Inhalt der Vorlesungen zu folgen.

Während das Ende der Treppe näher kam, dachte sie darüber nach, was sie Herrn Hegel wohl erzählen könnte. Dabei gingen ihr immer wieder die warnenden Worte von Frauke durch den Kopf, die ihr geraten hatte, nicht von selbst nach Carolin zu fragen. Immerhin fand sie es sehr spannend, dass Hegels Tochter ein Faible für diese so faszinierend glänzende Lackkleidung gehabt hatte. Auch wenn sie schon gewarnt worden war, diese Kleidung wie Carolin auch nur im Haus zu tragen. Doch Julia wollte zumindest fragen, ob sie mit der Kleidung nicht auch in den Garten gehen dürfe. Den Gedanken fand sie sehr reizvoll.

»So müssten sie einmal in der Uni aufkreuzen.« Herr Hegel war extra aufgestanden, als sie das Wohnzimmer betrat. »Ich beglückwünsche sie zu ihrem Mut.«

»Jetzt verängstige unsere Mieterin nicht.« Seine Frau kam aus dem Esszimmer dazu. »Bitte nehmen sie erst einmal Platz.« Sie zeigte auf einen bestimmten Sessel, der Julia schon wegen der besonderen Form der Rückenlehne aufgefallen war. »Dort hat Carolin immer gesessen.«

Julia ging mit vorsichtigen Schritten auf den Sessel zu und nahm langsam darauf Platz. Die besondere Lehne versuchte sie zu ignorieren.

»Ich freue mich, dass sie sich so frei in Carolins Schrank bedient haben.« Frau Hegel blickte ihre Mieterin bewundernd an.

»Frauke hat mir die Sachen herausgesucht.« Julia lächelte ein wenig verlegen. »Ich soll das extra erwähnen, damit sie einen Pluspunkt bekommt.«

Frau Hegel nahm einen kleinen Block zur Hand und schien sich etwas zu notieren. »Das ist gut«, antwortete sie etwas rätselhaft - es war nicht ganz klar, worauf sich die Antwort bezog.

»Sie werden sicher die eine oder andere Frage an uns haben?« Herr Hegel nahm auf dem sehr gemütlich aussehenden Sofa Platz.

Julia wartete noch einen Moment, bis auch Frau Hegel sich gesetzt hatte. »Was hat es mit diesen komischen Lehnen auf sich, die sich in meinem Zimmer hier und im Esszimmer befinden?« Sie drehte sich einmal kurz um, so als wollte sie ihre Worte bekräftigen. »Ich habe schon gehört, dass sie für Carolins Handschuh waren, doch ich kann mir nicht vorstellen, was für ein Handschuh das gewesen sein soll.«

Herr Hegel runzelte die Stirn. »Haben sie als angehende Innenarchitektin keine Idee, was diese besondere Lehne möglich macht?«

Die Studentin legte sich an die Lehne zurück. »Ich könnte dazu einen kleinen Rucksack tragen, und der würde nicht stören.«

»Wie kommen sie denn darauf?« Herr Hegel wollte seine Mieterin noch ein klein wenig zappeln lassen.

»Naja, wir waren früher öfters wandern, und dabei trug ich einen Rucksack.« Sie lächelte ein wenig verlegen. »Ich musste ihn immer abnehmen, wenn ich mich hinsetzen wollte.«

»So falsch liegen sie gar nicht.« Frau Hegel griff zu einem Umschlag, der auf dem Tisch lag.

»Aber eines verstehe ich nicht.« Julia hatte die Bewegung zwar gesehen, aber sie wusste nicht, was kommen würde. »Wie kann man einen Handschuh auf dem Rücken tragen?«

»Wollen wir ihr es schon zeigen, Elisabeth?« Herr Hegel blickte seine Frau fragend an. »Meinst du, dass die Zeit reif ist?«

»Sie müssen uns versprechen, dass sie es nicht lächerlich finden.« Es wurde deutlich, dass Hegels offenbar ein wenig Angst vor dem nächsten Schritt zu haben schienen.

Julia erkannte, dass sie das Andenken an Carolin auf keinen Fall beschädigen durfte.

»Wir haben hier einige Fotos eines anderen Mädchens, welches ebenfalls einen solchen Handschuh trägt.« Frau Hegel öffnete den Umschlag und nahm ein paar Fotos heraus.

»Sie haben sich vielleicht schon gewundert, dass es keine Fotos von Carolin gibt.« Die Stimme von Herrn Hegel zitterte ein wenig. »Sie hat alle Bilder von sich vernichtet, als sie von ihrer Krankheit erfuhr.«

»Es war sicher eine Kurzschlusshandlung, doch als wir es bemerkten, konnten wir es nicht mehr rückgängig machen.« Frau Hegel reichte Julia die Fotos.

»Sie sieht sehr glücklich aus.« Julia betrachtete sich das erste der drei Fotos. Es zeigte ein lächelndes, blondes Mädchen mit strahlenden Augen. Erst beim genaueren Hinsehen erkannte sie, dass von dem Mädchen keine Arme zu sehen waren.

Auf dem zweiten Foto war sie von der Seite aufgenommen, und jetzt war deutlich zu sehen, dass ihre Arme auf dem Rücken in einer blauen Lederhülle steckten.

Auf dem dritten Foto, welches das Mädchen von hinten zeigte, war zu sehen, dass sich ihre Arme auf dem Rücken berührten.

»Jetzt wird mir einiges klar.« Julia keuchte. »Das möchte ich auch machen.« Sie blickte erst nach einiger Zeit von den Fotos auf. »Wenn sie es erlauben«, fügte sie ihren Worten hinzu, denn sie hatte allerdings etwas spät erkannt, dass sie dabei war, in Carolins Fußstapfen zu treten, und sie war sich noch nicht sicher, ob ihren Vermietern das überhaupt recht war.

»Man nennt es auch einen Monohandschuh.« Frau Hegel hatte große Schwierigkeiten, ihre Nervosität zu verbergen.

»Logisch« Julia lachte etwas gezwungen. »Ein Handschuh für beide Arme.« Wieder blickte sie auf die Fotos. »Sie sieht so glücklich aus. Es scheint ihr überhaupt nichts auszumachen.«

»Carolin war auch gern in dem Handschuh unterwegs.« Herr Hegel blickte zu Boden, damit ihn seine leuchtenden Augen nicht verrieten.

»Aber die Hände benutzen ist dann nicht mehr möglich?« Julia hatte es als Frage formuliert, doch eine Antwort erwartete sie eigentlich nicht.

»Es ist ihnen vielleicht schon aufgefallen, dass manche Sachen bei unserer Einrichtung etwas größer als normal sind, zum Beispiel die Klinken an den Türen.« Herr Hegel hielt seinen Kopf weiterhin gesenkt.

»Wenn ich ehrlich bin, nein.« Es wurmte sie ein wenig, dass sie dies als angehende Architektin noch nicht bemerkt hatte.

»So war Carolin, auch wenn sie den Handschuh trug, doch in der Lage, sich im ganzen Haus zu bewegen.« Frau Hegels Stimme zitterte immer noch ein wenig. »Sie schaffte es sogar, die Türen damit aufzuziehen.«

»Ja, unsere Tochter war mit ihrem Lieblingshandschuh schon sehr geschickt.« Er versuchte unauffällig den Druck auf Julia zu erhöhen.

Julia hatte der Ehrgeiz gepackt. »Das möchte ich auch machen.« Sie stand auf, drehte Hegels den Rücken zu und legte ihre Arme auf den Rücken. Die Ellenbogen standen nur einen Zentimeter auseinander. Dann setzte sie sich wieder in den Sessel und lehnte sich zurück. »Es passt.« Sie lächelte und ihre Augen zeigten ein wenig Kampfeslust.

»Warum können sie das?« Herr Hegel war von der Vorführung seiner Mieterin sichtlich beeindruckt.

»Viel Gymnastik und fünf Brüder.« Julia lächelte verlegen. »Als Kinder haben sie mir oft die Arme auf den Rücken gebunden, wenn sie Ruhe vor mir haben wollten. Und damit es nicht so weh tut, habe ich das geübt.«

»Es wird ihnen bestimmt leicht fallen, den Handschuh von Carolin zu tragen.« Frau Hegel gab sich etwas verlegen. »Das wird sehr teuer für uns.«

»Warum das?« Julia nahm ihre Arme wieder nach vorn und lehnte sich an die Rückenlehne an.

»Wegen der Taschengeld-Liste.« Frau Hegel erklärte, dass der Preis für den Monohandschuh eigentlich für eine Anfängerin gedacht war. »Sie schreiben bitte in Zukunft einfach auf, was sie wie lange getragen haben, und wir überlegen uns, wie viel uns das wert ist. Wären sie damit einverstanden?«

»So wichtig ist mir das Geld auch nicht.« Julia erkannte die Problematik sofort. »Aber ich freue mich schon darauf, wenn ich den Handschuh das erste Mal tragen kann.«

»Zum Beispiel mit dem engen Rock.« Die Stimme der Vermieterin war eine Spur leiser.

»Mit dem engen Rock.« Julia wiederholte die Worte mit einem leicht glasigen Blick. In Gedanken malte sie sich gerade aus, was diese Kleidung so alles mit ihr machen würde. Sie begann leise zu stöhnen.

»Julia, wie dick muss die Wand in einem zweistöckigem Familienhaus sein?«

Die Frage ihres Professors riss Julia aus ihren erregten Gedanken. Sie stutzte kurz. »Innen oder außen?«

»Bitte jetzt keine Fachgespräche.« Frau Hegel hatte natürlich erkannt, was ihr Mann tatsächlich mit der Frage bewirken wollte. Insgesamt war sie mit dem Verlauf des Gespräches sehr zufrieden.

Julia nahm noch einmal die Fotos in die Hand. »Sie sieht so glücklich aus.«

»Die Fotos dürfen sie gern behalten.« Frau Hegel lächelte. »Wir haben noch mehr davon.«

»Danke!« Julia strahlte. »Ich hoffe, ich schaffe es auch, dann ebenfalls noch so zu lächeln.«

»Wir sind sicher, dass sie das schaffen werden.« Herr Hegel zeigte ebenfalls Interesse. »Nach dem sie schon so lange trainiert haben.«

»Nur war das für einen ganz anderen Zweck.« Julia lachte. »Nämlich um nicht zu sehr unter meinen Brüdern leiden zu müssen.«

»Erzählen sie uns bitte etwas von daheim. Ist es ein großer Bauernhof.« Herr Hegel lächelte. »Es interessiert uns, wie sie aufgewachsen sind.«

Julia holte tief Luft. »Es war lange eine schöne Zeit, und ich habe mich gern um die Tiere gekümmert. Die Menschen waren mir herzlich egal, vor allem das dumme Gerede der Leute.«

»Heute hat Julia ihren Bruder getroffen.« Frau Hegel griff den Faden auf.

»Gibt es Neuigkeiten von daheim?« Herrn Hegel war der besondere Tonfall seiner Frau aufgefallen.

»Schlechte Neuigkeiten.« Julia senkte den Kopf. »Unser Hofhund, der Waldi, musste eingeschläfert werden.« Es war ihr anzuhören, wie sehr sie die Nachricht getroffen hatte.

»Aber das ist doch nicht alles.« Frau Hegel blickte Julia sowohl fragend als auch aufmunternd an.

Julia seufzte deutlich hörbar. Dieses Thema hätte sie gern ausgespart. »Ich wurde schon sehr früh versprochen. Meine Familie fand es schon immer eine gute Idee, wenn sich die beiden größten Höfe des Dorfes zusammenschließen.« Sie verdrehte die Augen. »Ein Gutes hat es allerdings gehabt. Ich hatte Ruhe vor den anderen Jungs. Dadurch, dass ich versprochen war, hat sich keiner an mich heran getraut.«

»Sie sagten doch auch, dass sie lieber im Stall waren, als auf dem Tanzboden.« Frau Hegel erinnerte an Julias Worte vom Spaziergang.

»Ja, richtig.« Julia lächelte verlegen. »Die Tiere nehmen einen so, wie man ist, und es ist ihnen egal, ob man Lippenstift aufgetragen hat oder Highheels trägt.« Insgeheim hoffte sie noch, dass das Gespräch nicht auf ihre Ängste wegen des Mantels kommen würde, denn sie wusste, dass deswegen ihre Zukunft auf dem Spiel stehen könnte.

»Aber jetzt haben sie Angst vor ihrer Familie.« Frau Hegel berichtete von Julias Verzweiflung vom Nachmittag. »Die Angst ist so stark, dass sie sogar ausziehen wollte.«

»Julia, erzählen sie mir bitte davon.« Herr Hegel klang auf einmal sehr ernst. »Ich glaube, meine Frau hat ihnen schon einen Vorschlag gemacht.«

»Ich habe große Angst, dass sie mich einfach entführen.« Julia holte tief Luft. »Und wenn ich den Rock und vor allem den Mantel trage, dann kann ich nicht vor ihnen weglaufen.«

»Ich muss darauf bestehen, dass sie ihre Miete zahlen, so wie vereinbart.« Herr Hegel gab sich streng. »Wenn es ihnen hilft, werde ich sie zur Uni begleiten. Wir haben doch ohnehin den gleichen Weg.«

Julia blickte entsetzt auf. Sie hatte eigentlich auf ein Entgegenkommen gehofft.

»Ich sehe, dass ihnen das nicht reicht.« Herr Hegel blickte seine Frau an. »Wie lautet denn dein Vorschlag?«

»Wir verlagern die Verpflichtungen ein wenig nach drinnen.« Frau Hegel lächelte Julia ermunternd an. »Sie würden im Haus ab sofort nur noch Carolins Kleidung tragen, am besten nur noch aus dem zweiten Schrank. Und in der Nacht tragen sie das ganz strenge Nachthemd.«

»Und draußen muss ich den Mantel dann nicht mehr tragen?« Julia wollte sicher gehen, dass sie es richtig verstanden hatte. Immerhin wäre sie ab jetzt dazu verpflichtet, im Haus nur noch die so faszinierende Lackkleidung zu tragen. Doch als sie die Mienen ihrer Vermieter sah, legte sie nach. »Zumindest wenn ich allein bin.«

»Ja, so sehen sie das richtig. Draußen tragen sie nur noch die Kleidung, in der sie sich gut bewegen können. Es gäbe da auch eine Jacke, bei der nur die Ärmel ein wenig fixiert sind. Die sollten sie zumindest einmal ausprobiert haben.« Herr Hegel bestätigte ihre Worte. »Es wäre auch gut für sie, wenn sie einen Schutzgürtel tragen würden.«

»So einen, wie Carolin auch einen bekommen sollte?« Julia biss sich auf die Lippen, denn sie wollte Hegels Tochter diesen Abend von sich aus eigentlich nicht erwähnen.« Doch zu ihrer Erleichterung hatten ihre Worte keine der befürchteten Konsequenzen.

»Woher wissen sie das?« Herr Hegel sah seine Frau an. »Du hast ihr das Tagebuch gegeben?«

»Ich wollte, dass sie informiert ist.« Frau Hegel legte ihre Hand auf seine Hand. »Ich hoffe, du bist mir nicht böse.«

»Nein.« Herr Hegel blickte wieder zu Julia. »Sie wären also bereit, einen Gürtel zu tragen?«

Frau Hegel unterbrach ihn. »Du bist unfair, mein Lieber.« Sie blickte Julia kurz an. »Frauke zeigt ihr morgen, um was es sich beim dem Gürtel genau handelt und was die Vor- und Nachteile sind. Und dann wird Julia sich entscheiden.«

Die Studentin nickte. Sie war sehr erleichtert, denn sie hatte befürchtet, dass ihr schöner Traum schon nach zwei Tagen wieder beendet sein könnte.

»Und was Carolins strenges Nachthemd betrifft«, ergänzte Frauke Hegel. »Ich habe Julia vorgeschlagen, dass sie erst einmal eine Nacht darin schläft und sich dann entscheidet, ob sie in Zukunft immer damit übernachten möchte.«

»Das ist ein sehr fairer Vorschlag, Elisabeth.« Herr Hegel drehte sich wieder zu Julia. »Sie werden uns also Morgen sagen, wie sie geschlafen haben. Und dann entscheiden wir, wie wir genau mit ihren Mietbedingungen weitermachen.«

Frau Hegel stand auf, ging zur Tür und drückte dort auf einen Knopf, dann nahm sie wieder Platz.

Nach kurzer Zeit waren Schritte auf der Treppe zu hören und gleich darauf erschein Frauke an der Wohnzimmertür. Ihrer Miene war anzusehen, dass sie es nicht gewohnt war, um diese Zeit noch gerufen zu werden.

»Ah, vielen Dank, Frauke, dass sie um diese Zeit noch gekommen sind.« Frau Hegel blickte kurz zu Julia. »Sie bekommen zehn Pluspunkte, wenn sie unserer Mieterin das strenge Nachthemd zeigen und ihr damit helfen. Julia möchte darin einmal zur Probe übernachten.«

»Ja, Frau Hegel, das werde ich machen.« Frauke freute sich insgeheim darüber, dass sie jetzt noch einen Grund mehr hatte, in Julias Zimmer zu gehen. »Jetzt gleich?«

»Nein«, widersprach Herr Hegel. »Wir wollen uns noch etwas unterhalten.«

»Sie können ja schon mal alles vorbereiten und warten dann in ihrem Zimmer.« Frau Hegel lächelte wissend.

Frauke verbeugte sich und verließ das Wohnzimmer in Richtung Treppenhaus. Insgeheim freute sie sich über den eigentlich so ungewohnten Auftrag, denn er gab ihr Gelegenheit, wieder einmal ausgiebig den Straßenbahnen nachzublicken. Und in der Nacht waren die beleuchteten Wagen besonders lange zu erkennen.

»Ich habe im zweiten Schrank auch Bettwäsche gefunden.« Ihre Stimme zeigte ihre Erregung, ohne dass sie wirklich etwas dagegen machten konnte.

»Natürlich können sie die auch benutzen, wenn sie möchten.« Frau Hegel freute sich insgeheim über Julias Abenteuerlust. »Bitten sie Frauke morgen, dass sie ihnen dabei hilft.« Als sie eine Spur der Enttäuschung in Julias Gesicht sah, setzte sie nach. »Morgen früh möchte ich erst einmal wissen, wie sie mit dem strengen Nachthemd zurechtgekommen sind.«

Julia fühlte sich in ihren Gedanken ertappt. »Natürlich, Frau Hegel.« So langsam ließ ihre Anspannung nach, denn sie begriff, dass der Abend eine ganz andere Wendung nahm, als sie ursprünglich erwartet hatte. Und sie war ebenfalls genauso erleichtert wie fasziniert darüber, dass sie nun geradezu verpflichtet war, diese so spannende Lackkleidung tragen zu dürfen, oder besser tragen zu müssen.

Und doch lag ihr noch etwas auf der Seele, und sie hatte sich vorgenommen, dies heute Abend ebenfalls anzusprechen. Das Tagebuch wurde jetzt schon erwähnt und dennoch war sie sich sehr unsicher, als sie von Carolins letzten Worten berichtete. »Ich fühle mich ihr gegenüber verpflichtet und ich möchte die Aufgabe antreten, zu der sie anscheinend nicht mehr gekommen ist.«

»Das können wir aber nicht von ihnen verlangen.« Herr Hegel gab sich ein wenig schroff. Insgeheim hatte er etwas Skrupel, weil ausgerechnet seine begabteste Studentin diesen Weg gehen wollte. Es hätte Julia vielleicht auffallen können, dass er dieses Mal keine schmerzlichen Gefühle zeigte, sondern sie sich eher neutral gab.

»Das wäre sehr anstrengend für sie und das möchten wir ihnen doch nicht zumuten.« Frau Hegel versuchte einen Tonfall zu treffen, der vor allem Bewunderung vermittelte. »Sie müssten dafür den Handschuh tragen, und eine gewisse Leidensfähigkeit müssten sie auch mitbringen.«

»Darf ich es zumindest einmal probieren?« Julia fühlte sich ihren Vermietern sehr verpflichtet und wenn es etwas gab, was sie für sie tun konnte, dann wäre sie auch bereit, einige Mühen auf sich zu nehmen.

»Wir werden jetzt erst einmal sehen, wie gut sie mit dem Handschuh und dem Gürtel zurechtkommen.« Herr Hegel blickte kurz zu seiner Frau. »Und nächsten Donnerstag, wenn sie wieder bei uns sind, werden wir entscheiden, ob wir ihr Angebot annehmen können. Wären sie damit einverstanden?«

Julia war zum einen sehr erleichtert, weil sie es angesprochen hatte, ohne dass sie damit eine Verärgerung ausgelöst hätte, und zum anderen schienen ihr ab sofort spannende Zeiten bevorzustehen.

»Wir möchten sie dann aus ihrer Verpflichtung, den Abend mit uns zu verbringen, entlassen. Schlafen sie gut mit dem strengen Nachthemd.« Herr Hegel stand auf und reichte ihr die Hand, nachdem sie sich auch erhoben hatte. »Ich wünsche ihnen eine gute Nacht... Und wilde Träume.« Letzteres hatte er etwas leiser gesprochen, fast geflüstert.

»Frauke weiß Bescheid.« Auch Frau Hegel reichte ihr die Hand. »Ich denke, sie werden eine ruhige Nacht haben.«

* * *

Wie sie es erwartet hatte, stand Frauke am Fenster und blickte hinaus. »Ich habe dir schon alles bereit gelegt. Ziehe dich bitte ganz aus, und mache dich für die Nacht fertig.« Gerade war das Geräusch einer abfahrenden Straßenbahn zu hören.

Julia lächelte, dann blickte sie auf das Bett. Sie sah einen flauschigen Bademantel und das Nachthemd. Zumindest vermutete Julia, dass es das Nachthemd war, denn zum einen war es auch glänzender Seide und sah auch so aus, wie das Nachthemd von gestern, nur das dieses hier noch ordentlich zusammengelegt war.


Sie verzichtete darauf, im Bad zu trödeln, denn sie war sehr gespannt auf das neue Nachthemd und wie sich die Strenge äußern würde.

Als Julia aus dem Bad kam, saß Frauke schon auf dem Bett und hatte das Nachthemd auseinander gebreitet. Sie sah gedankenverloren aus, denn sie bemerkte zunächst gar nicht, dass Julia mit dem Bad fertig war.

»Das ist das strenge Nachthemd?« Julia blickte fasziniert auf Frauke, die sich mit dem Nachthemd beschäftigte. »Was macht es so streng?« Obwohl Julia sich mit dem Nachthemd von gestern schon sehr gut arrangiert hatte, war sie gespannt, wie es noch strenger werden konnte.

»Siehst du das hier?« Frauke zeigte Julia einige Nähte auf dem Stoff.

»Es sieht aus wie ein Handschuh.« Julia beugte sich herab, um den Verlauf der Nähte besser sehen zu können.

»Das ist es.« Frauke konnte nicht verhindern, dass ihre Stimme vor Faszination zitterte. »Für jeden Finger ist eine eigene Hülle vorgesehen.«

Julia erkannte sofort, was dies für ihre nächtlichen Spiele bedeuten sollte, doch sie war trotzdem froh, dass der Mantel als Verpflichtung jetzt ausgesetzt war. Und den Preis dafür würde sie gern zahlen.

»Setz dich bitte auf das Bett und strecke die Beine aus.« Frauke stand auf und ließ Julia auf dem Bett Platz nehmen.

Julia streckte ihre Beine aus und sah fasziniert zu, wie Frauke ihre Beine langsam in die Seidenhülle einschloss.

»Jetzt bitte deine Hände.« Frauke blickte Julia etwas verunsichert an. »Diese Handschuhe sind sehr fummelig.«

»Jetzt schon?« Julia war ein wenig verwundert.


Es dauerte einige Zeit, bis jeder Finger seine vorgesehene Hülle gefunden hatte. Beide Mädchen waren konzentriert bei der Sache, und eine gewisse Spannung lag im Raum.

»Bist du bereit?« Fraukes Stimme war auf einmal sehr leise.

»Schließe mich ein.« Auch Julia war von der besonderen Situation sehr gefangen.

Schließlich konnte Frauke das Nachthemd bis zu Julias Schultern hochziehen und schloss dann mit der gleichen Anspannung den langen Frontreißverschluss.

»Ja, das ist wirklich etwas strenger.« Julia lächelte verlegen, doch dann begann sie umher zu hopsen. Zu ihrer beider Überraschung gelang ihr das sehr gut. »Es ist nur etwas schwieriger, weil ich mit den Armen nicht balancieren kann.« Schließlich hopste sie zu ihrem Bett und ließ sich darauf fallen.

Frauke war sichtlich fasziniert. »Mir scheint, man müsste dich wirklich auf dem Bett festbinden, wenn man Ruhe vor dir haben möchte.«

Julia wurde etwas rot. »Meine Brüder haben das auch oft gemacht. Manchmal konnte ich mich vom Bett befreien, dann bin ich ihnen hinterher gehopst, bis ich von Mutter bemerkt wurde. Doch sie hatte meistens so viel zu tun, dass sie nichts unternommen hat.« Julia seufzte. »Wenn ich Glück hatte, bekam ich ein 'Fall nicht hin' von ihr, ansonsten hat sie uns Kinder weitgehend ignoriert.«

Frauke setzte sich neben Julia ans Bett und streichelte sie zärtlich. »Weißt du, dass ich mir immer eine kleine Schwester gewünscht habe, so wie du bist?«

»Ich hätte auch gern eine Schwester gehabt.« Julia seufzte.

»Auf einem Bauernhof aufzuwachsen muss schön sein.« Frauke klang sehr wehmütig. »All die Tiere.«

»Ja, die Tiere sind schön.« Julia seufzte wieder. »Aber du musst auch bei der Ernte helfen.« Sie erzählte, dass sie sich beim Traktorfahren immer einen Hut aufgesetzt hatte, damit die Nachbarn sie für einen ihrer Brüder hielten.

»Du bist Traktor gefahren?« Frauke war erstaunt. »Du kannst Traktor fahren?«

»Ich saß schon mit Vier oder Fünf mit auf dem Bock und durfte zusehen.« Mit leiser Stimme erzählte Julia von ihrem Opa, den sie damals immer begleitet hatte. »Mit acht habe ich das erste mal das Feld bearbeiten dürfen.«

»Mit dem Traktor?« Fraukes Stimme zeigte, wie erstaunt sie darüber war.

»Natürlich durfte ich auf der Straße noch nicht fahren.« Julia lächelte. »Aber die Polizei hat da nie so genau hingesehen. Es war allgemein üblich, dass die Kinder auf dem Hof mithalfen. Spätestens mit der Firmung galt man im Dorf als volljährig, und es schwärzte einen keiner an, wenn man mit dem Traktor vom Feld auf den Hof fuhr.

»Ich bin fasziniert von dir.« Es klang so etwas wie Bewunderung in Fraukes Stimme.

Julia blickte Frauke lange an. »Wie bist du denn aufgewachsen?« Doch als sie sah, wie ein Schatten über ihr Gesicht fiel, bereute sie die Frage.

»Ich glaube, du musst jetzt schlafen.« Frauke war auf einmal sehr verschlossen. Sie wartete, bis Julia sich auf das Bett gelegt hatte, dann legte die Bettdecke über ihren Körper, strich ihr noch einmal die Haare aus dem Gesicht und wünschte ihr dann eine ruhige Nacht mit schönen Träumen.

Gleich darauf war sie aus dem Zimmer verschwunden. Sie hatte nicht einmal erneut aus dem Fenster geschaut, obwohl die Geräusche wieder eine Tram ankündigten.

Julia ärgerte sich ein wenig über Fraukes Reaktion auf ihre Frage, denn sie hatte nach soviel Offenheit ihrerseits ein entsprechendes Entgegenkommen von Frauke erwartet. Doch es schien, als habe sie den wunden Punkt der Dienerin erwischt, denn deren Miene war eindeutig gewesen. Und Julia ahnte, dass bestimmt etwas Trauriges oder zumindest etwas Unangenehmes zu Tage kommen würde, wenn sie weiter bohren würde.

Vielleicht würde Frauke später bereit sein, ein wenig aus ihrer Vergangenheit zu erzählen. Denn Julia wollte schon wissen, wem sie sich in ihrer Hilflosigkeit anvertraut hatte.
44. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von gag_coll am 20.10.17 07:39

In diesem Kapitel bekommt Julia von ihren Gasteltern drei Fotos gezeigt. Diese Bilder möchte ich euch auch nicht vorenthalten.

Ihr findet sie auf meiner Homepage im Demo-Bereich unter www(Punkt)knebelreich(Punkt)de/demo/dsn/dsn_carolin.html

(Ich hoffe, das geht so...)
45. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von christoph am 20.10.17 12:28

super geile geschichte, hoffe es geht schnell weiter.
gruß christoph
46. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von ecki_dev am 22.10.17 19:57

Einfach spannend
47. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von N0V0 am 25.10.17 17:49

Klasse Geschichte und sehr spannend - das gefällt mir sehr. Na da bin ich gespannt wie das weitergeht
48. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von supercat am 27.10.17 02:57

Gute Story , bin Gespannt wie es weiter geht . Was dass Projekt ist das erwähnt wurde
49. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von mpwh66 am 27.10.17 06:03

Moin
Es wird bestimmt spannender vielleicht erfahren wir ja auch noch etwas über Frauke ich bin sehr gespannt ein schönes Wochenende Euch gruss mpwh66
50. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von Moira am 27.10.17 11:00

mysteriös, dass "uns" nur 2 von 3 Bildern gezeigt werden ... oh, jetzt hab ich das dritte doch noch gefunden noch dazu in meinem Lieblingsblau *hachmach
51. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 4 - Schwestern - Teil Eins von Sieben

geschrieben von gag_coll am 10.11.17 16:11

Der Mantel der Studentin
Kapitel 4 - Schwestern - Teil Eins von Sieben
Autor: Karl Kollar

Julia saß auf einem Melkschemel im Stall bei den Kühen und war dabei, Rosa von Hand zu melken, weil die uralte Melkmaschine wieder einmal ausgefallen war. Es war zwar eine Menge Arbeit, die Kühe von Hand zu melken, doch Julia machte sie gern, weil sie so einen sehr direkten Kontakt zu den Tieren hatte, und den liebte sie.

Natürlich wäre das Melken einfacher gewesen, wenn sie nicht das Nachthemd hätte tragen müssen, mit dem sie nur mühsam von Kuh zu Kuh hopsen konnte. Immerhin hatten Hegels ihr die Reißverschlüsse geöffnet, die Julias Arme ansonsten sehr streng seitlich an den Körper fixierten. Ihre neuen Vermieter waren diesbezüglich schon sehr entgegenkommend, und das Hüpfen von Kuh zu Kuh war etwas, das Julia wenig ausmachte. Natürlich war ihr klar, dasss es ohne das restriktive Nachthemd noch viel einfacher gewesen wäre, doch sie wollte die Gutmütigkeit von Hegels nicht ganz ohne Grund so überstrapazieren. Außerdem hoffte sie auf ein Entgegenkommen bei den Verhandlungen zur Miete.

Als sie wieder einmal den Kopf hob, sah sie, dass Carolin in den Stall gekommen war. Sie erkannte Hegels Tochter sofort an den blonden Haaren und dem schwarzen Top, und als diese sich suchend umblickte, erkannte Julia, dass das Mädchen auch einen blauen Monohandschuh trug. Ebenfalls fiel Julia sofort der breite rote Ledergürtel mit einer großen Schnalle in Form des Buchstabens 'K' ins Auge. Er war fast zwanzig Zentimeter breit und erinnerte Julia stark an die Art von Gürteln, die es manchmal bei den Box-Shows im Fernsehen zu gewinnen gab. Nur war dieser Gürtel außer seiner Größe und der monströsen Schnalle sehr schlicht gehalten.

Julia war sich sicher, Carolin vor sich zu haben und sie sprach sie an. »Hier bin ich.« Sie glaubte sich vorstellen zu müssen. »Ich bin die neue Mieterin von deinen Eltern.«

Carolin kam näher. »Hallo Julia, schön, dich zu sehen. Du willst also meine Aufgabe übernehmen?«

Julia ließ das Euter los und richtete sich auf. »Du hast mich darum gebeten.« Sie lächelte dabei.

»Das freut mich.« Sie blickte auf Julias Gestalt. »Ich denke, du könntest das auch schaffen, wenn du noch viel trainierst.«

Julia horchte auf. Sollte sie die Gelegenheit nutzen und fragen, was für eine Aufgabe es denn sein würde?

Doch Carolin sprach weiter. »Meine Eltern werden dir zu gegebener Zeit sagen, um was es sich handelt, wenn du dich bis dahin würdig erwiesen hast.«

»Darf ich dich etwas fragen?« Julia blickte sehr eindringlich auf die in blauem Leder verpackten Arme.

»Ja gern.« Carolin lächelte. »Was möchtest du denn wissen?«

»Der Handschuh, den du trägst.« Julia schaffte es nicht, ihren Blick davon abzuwenden. »Tut das nicht weh?«

Als Antwort lächelte Carolin. »Am Anfang tut es weh.« Sie wackelte etwas mit den Armen. »Aber wenn du es etwas trainiert hast, dann sollte es dir leicht fallen.«

Einer ihrer älteren Brüder betrat den Stall, und als er Carolin erblickte, ging er direkt auf sie zu. »Hallo schönes Püppchen, hast du nicht Lust, mit in meine Kammer zu kommen?« Er grinste sie lüstern an.

Julia ekelte es, als sie sah, wie ihr Bruder in Begriff war, Carolin in ihrer Hilflosigkeit zu betatschten.

»Hey, sei vorsichtig.« Carolin ließ sich offensichtlich nicht einschüchtern. »Nimm deine Finger weg.«

Doch der Bruder ließ sich von ihren Worten nicht aufhalten und griff ihr an ihre Schulter. Da hob Carolin ihr Bein hoch und rammte ihm ihr Knie mitten zwischen die Beine, und als er sich vor Schmerz krümmte, trat sie noch einmal wie eine Kickboxerin hinterher.

So als wäre nichts gewesen, drehte sie sich dann wieder zu Julia. »Du siehst, es geht auch ohne Arme, wenn man nur genügend trainiert hat und sich traut.« Dabei grinste sei und schüttelte sich ein wenig die Haare zurecht.

Julia war sichtlich fasziniert, weil Carolin immer noch so hübsch aussah und lächelte, wie auf dem Foto.

Auf einmal kam Frauke in den Stall und wünschte ihr einen Guten Morgen. »Hast du in dem Nachthemd gut geschlafen?«

Nur langsam erkannte Julia, dass sie gerade aus einem sehr spannenden Traum herausgerissen wurde. Sie hätte sich gern noch etwas mit der faszinierenden Carolin unterhalten, doch die war auf einmal verschwunden. Stattdessen erkannte Julia, dass sie in dem strengen Nachthemd im Bett lag und offensichtlich einen sehr seltsamen Traum gehabt hatte.

Sie überlegte kurz, ob sie Frauke von der Begegnung mit Carolin erzählen sollte, doch dann entschied sie sich dafür, die Begegnung mit Hegels Tochter doch lieber für sich zu behalten.

»Du hattest aber einen ruhigen Schlaf.« Frauke stellte fest, dass die Bettdecke noch genauso lag, wie sie Julia gestern Abend damit zugedeckt hatte.

»Mir blieb ja auch nichts anderes übrig.« Julia lächelte leicht, doch sie konnte es nicht verhindern, dass sie etwas rot wurde. Sie versuchte, ihren Kopf wegzudrehen.

Frauke blickte auf das Bett und genoss den Moment. Jetzt befand sich Julia in der gleichen Situation, in der sie vor einiger Zeit noch selbst gewesen war.

Genauso war sie von ihrer eigenen Rolle fasziniert. Sie konnte jetzt dafür sorgen, dass Julia entweder leiden würde oder sie konnte sie ins Paradies begleiten. Die Dienerin war sich unsicher, was sie selbst bevorzugen würde. Innerlich seufzte sie, denn ihre eigenen Wünsche zählten in diesem Moment nicht - sie wusste, dass sie Hegels Vorgaben zu erfüllen hatte.

Natürlich hasste sie ihre aktuelle Situation, in der sie so völlig den Launen eines Ehepaars ausgeliefert zu sein schien. Doch sie wusste genauso, dass sie hier sehr viel Freiheiten hatte und dass es auch viel schlimmer hätte sein können. Sie schob ihre dunklen Gedanken beiseite und blickte kurz aus dem Fenster, weil sie wieder eine Tram vorbei fahren hörte, dann schaute sie wieder auf das Bett. »Du kannst deine Hände nicht mehr bewegen?«

Julia war so verblüfft, dass sie trotz der Röte in ihrem Gesicht Frauke anblickte. Sie musste nicht einmal nicken. Ihr Gesicht sprach in diesem Moment Bände.

Frauke erkannte, dass sie mit ihrer Vermutung richtig lag. »Ich war auch einmal in der Situation.«

»Und was hast du dann gemacht?« Julia hatte Fraukes Frage so interpretiert, als hätte sie eine Lösung dafür gefunden. Das sie eigentlich noch viel mehr gesagt hatte, erkannte Julia in diesem Moment nicht.

»Die Lösung liegt in der Nachttischschublade.« Frauke konnte nicht verhindern, dass ihre Stimme in diesem Moment zitterte.

Julia drehte ihren Kopf dahin. Nur nebenbei bemerkte sie, dass dies im Augenblick die einzige sinnvolle Bewegung war, zu der sie in der Lage war.

Frauke öffnete sie und zeigte Julia einen etwas seltsam geformten Schmetterling aus rosa Plastik, an dem ein dünnes Kabel hing.

»Was ist das?« Julia gab sich in diesem Moment naiv, denn sie hatte mit dem doch recht intimen Thema so ihre Schwierigkeiten.

»So etwas war einmal meine 'Einschlafhilfe'.« Ihre Stimme wurde etwas leiser.

»Wie benutze ich die?« Es war Julia gleichgültig, dass sie in diesem Moment das naive Mädchen vom Land gab.

Frauke verdrehte zunächst nur die Augen, doch dann lachte sie. »Ich werde es dir heute Abend zeigen.« Doch dann erinnerte sie sich an Hegels Vorgaben. »Eines solltest du aber schon wissen, bevor du dich darauf einlässt... Das Ding macht es dir nicht so einfach.«

»Wie meinst du das?« Julias Augen begannen zu leuchten.

Frauke holte tief Luft. »Bis zu sieben Mal kann er ausgehen, bevor du gekommen bist.« Sie schluckte. »Spätestens beim achten Mal darfst du.«

»Das ist ja richtige Folter.« Julias Stimme zeigte eine gewisse Faszination. »Und ich kann gar nichts machen?«

»Das ist richtig.« Frauke strich ihr zärtlich über das Gesicht. »Manchmal darfst du auch schon nach dem dritten Mal kommen.«

Julia schwieg.

»Wie gesagt, zwischen drei und sieben Mal, zufällig ausgewählt.« Frauke griff zur Bettdecke und zog sie weg. »Ich wollte dich gewarnt haben.«


»Was macht Frauke denn da?« Herr Hegel blickte verwundert auf den Monitor.

Seine Frau warf ebenfalls einen Blick darauf. »Sie erklärt Julia wie abgesprochen den Schmetterling.«

»Und was redet sie da für einen Quatsch?« Herr Hegel war verwundert. »Wir steuern das Ding doch.«

»Das weiß Frauke aber auch nicht.« Frau Hegel grinste.

»Du hast es ihr nie gesagt?« Der Professor war verwundert.

»Nein, nie.« Frau Hegel setzte sich neben ihren Mann. »Sie glaubt an den Zufall.«

»Ich habe sie oft lange leiden lassen.« Er erinnerte daran, dass Frauke mit ihren Reaktionen eigentlich recht ermutigend gewesen war.

»Heute Abend solltest du es ihr leicht machen.« Sie ergriff seine Hand.

»Sorge bitte dafür, dass sie heute Abend auf dem Bett festgeschnallt wird, bis wir wissen, wie sie körperlich reagiert.« Er lehnte sich zurück. »Du erinnerst dich an das Mädchen, dass vor lauter Frust vom Bett gehopst ist?«

Sie lächelte. »Es tut mir fast ein wenig leid, dass wir Julia so foltern zu müssen.«

»Ich gebe dir recht, aber wir müssen so früh wie möglich wissen, wie sie bei diesem Thema reagiert.« Er streichelte ihre Hand. »Vor allem wenn sie uns mit dem Mantel schon so eine Steilvorlage bietet. Außerdem ist es eine süße Folter. Am Ende steht stets die Erlösung.«

»Wenn du meinst?« Sie zog ihre Hand wieder zurück, stand auf und blickte noch einmal auf den Monitor.

Herr Hegel folgte ihrem Blick. »Du solltest Frauke ein paar Pluspunkte geben, sie macht ihre Sache wirklich gut.«

»Das war aber gar nicht abgesprochen.« Sie ging langsam zur Tür.

»Trotzdem.« Er blickte ihr hinterher. »Außerdem habe ich das Gefühl, dass Julia bestimmt positiv reagieren wird.«

»Hoffen wir es.« Sie lächelte ihrem Mann noch einmal zu, dann verließ sie das kleine Zimmer.

* * *

»Und wie haben sie diese Nacht geschlafen?« Herr Hegel legte sein Besteck neben den Teller und wischte sich den Mund mit der Serviertte ab. »Können wir den Mietvertrag ändern?« Natürlich ging es ihm überhaupt nicht um die Miete, aber dass Julia jetzt schon für das strenge Nachthemd infrage kam, war ein ungeheurer Glücksfall.

»Ich habe sehr gut geschlafen.« Julia blickte zu Boden.

Frau Hegel wusste genau, was Julia gerade bewegte, und genau das passte sehr gut in ihre Pläne. Scheinbar unter einem Vorwand schickte sie ihren Mann hinaus. »Wollen sie den Schmetterling ausprobieren?« Ihre Stimme war etwas leiser.

Im ersten Moment wollte Julia fragen, woher sie das wusste, doch dann schallt sie sich eine Narrin. Der Vibrator lag in der Nachttischschublade, und das Nachthemd hatte eine Öffnung, um ein Kabel hindurchzuführen. Sie wurde rot. »Frauke hat mir davon erzählt.«

Herr Hegel kam zurück und hielt ein Blatt Papier in der Hand. »Ich habe hier die Änderung vorbereitet. Sie schauen sich das in Ruhe an, und heute Nachmittag erwarten wir ihre Unterschrift.«

Julia warf kurz einen Blick auf den Zettel, und sie sah, dass nur sehr wenige Sätze darauf standen. Trotzdem wollte sie es noch einmal durchdacht wissen. Und es ärgerte sie sehr, dass sie wegen ihrer Familie auf den so sehr faszinierenden Mantel verzichten musste.

Frau Hegel griff zu der Klingel und läutete.

Als Frauke erschien, gab Frau Hegel die Anweisung, den Tisch abzuräumen. Doch dann sprach sie Frauke in einem geänderten Tonfall an. »Frau Wiesl, ich bin sehr zufrieden mit ihnen.«

Frauke war schon dabei, das Geschirr zusammenzustellen. Sie hielt inne und machte einen Knicks.

»Ich schreibe ihnen zehn Punkte dafür gut.« Frau Hegel griff zu ihrem Block und schrieb etwas hinein.

Frauke bedankte sie fast etwas unterwürfig und blickte kurz zu Julia, die sehr verwundert her zu ihr sah.

»Pluspunkte sind wichtig.« Frau Hegel hatte den Blickwechsel bemerkt. »Julia hat die Lack-Bettwäsche entdeckt, und hat gefragt, ob sie sie aufziehen darf. Ich habe gesagt, dass sie ihr dabei helfen werden.«

»Jawohl, Frau Hegel. Das werde ich machen.« Sie selbst mochte den glatten Stoff nicht so sehr, aber der Gedanke, dass Julia darin schlafen würde, hatte auch für sie etwas sehr Faszinierendes.

»Sie haben Julia den Schmetterling gezeigt?« ihre Stimme zeigte einige Verwunderung über die Eigeninitiative.

»Ja, das habe ich.« Frauke war der Tonfall aufgefallen, und sie wurde ihrerseits misstrauisch. »War das falsch?« In Gedanken sah sie schon viele ihrer so mühsam verdienten Pluspunkte wieder verschwinden.

Auch Julia wurde hellhörig, und sie errötete, denn sie hatte Skrupel, so ein Thema in Gegenwart ihres Professors zu besprechen. Doch zu ihrer Erleichterung stand Herr Hegel auf und sagte, dass er seine Tasche packen müsste, dann verließ er das Zimmer.

»Ich habe nichts dagegen, dass sie es ausprobieren wollen.« Frau Hegel sprach etwas leiser. »Aber da wäre noch etwas zu bedenken.«

»Und das wäre?« Julia war über ihre eigene Coolness verwundert, denn eigentlich sprach sie mit Niemanden über ihr fast nicht vorhandenes Intimleben.

»Sie sind in dem Nachthemd sehr hilflos.« Sie holte tief Luft. »Und ich habe Angst, dass sie sich verletzten könnten, wenn sie zu sehr in Ekstase geraten.«

Julia war heilfroh, dass ihr Professor den Raum verlassen hatte. Zu Frau Hegel hatte sie in dieser Hinsicht schon ein anderes Verhältnis. Außerdem glaubte sie einen gewissen Unterton gehört zu haben. »Was schlagen sie vor?«

»Wir würden sie so auf dem Bett festbinden, dass sie sich nicht verletzen können.« Es fiel ihr schwer, diesen Vorschlag auszusprechen.

»Das hört sich vernünftig an.« Julia konnte nicht verhindern, dass ihre Augen strahlten. »Bleibe ich dann die ganze Nacht fixiert?«

»Wir könnten sie danach losbinden, falls sie noch wach sein sollten.« Sie blickte zu Frauke und lächelte. »Denken sie darüber nach und sagen sie uns heute Abend, wie sie sich entscheiden haben.«

»Das mache ich.« Julia war insgeheim schon sehr neugierig darauf, wie es wohl sein würde, wenn sie 'es' selbst nicht unter Kontrolle hatte.

Herr Hegel kam wieder in den Raum. »Kommen sie mit? Die Tram fährt gleich.«

Julia blickte an sich herunter. »Oh, ich muss mich erst noch umziehen.« Sie hatte schon fast verdrängt, dass sie wieder in den Lacksachen am Frühstückstisch gesessen hatte, von denen sie schon gestern so sehr fasziniert war. »Ich nehme die Nächste.« Sie drehte sich um und ging zum Treppenhaus.

Eigentlich wollte sie laufen, doch jetzt erinnerte der Rock sie daran, dass sie ihn vor lauter Ehrgeiz ganz geschlossen hatte und auch den Anfasser so fixiert hatte, dass der Gehschlitz sich nicht versehentlich öffnen konnte. Als sie mit winzigen Schritten zur Treppe schlich, drehte sie sich noch einmal um und lächelte verlegen. »Oder die übernächste.« Erst vor direkt vor der Treppe blieb sie stehen und öffnete sich den Reißverschluss.

Von ihren Vermietern hatte sie die ausdrückliche Genehmigung erhalten, in der Öffentlichkeit und überall dort, wo sie ihre Brüder vermutete, den Rock so weit wie möglich geöffnet zu tragen, und darüber war sie sehr erleichtert. Doch in Gegenwart ihrer Vermieter und vor allem im Haus fühlte sie sich sicher. Wenn sie ihn draußen offen tragen musste, dann wollte sie wenigstens im Haus seine Enge genießen.

* * *

In der Tram träumte Julia von dem Handschuh, den sie auf Carolins Fotos gesehen hatte. Natürlich wusste sie, dass diese Bilder eben nicht Hegels Tochter zeigten, doch sie hielt der Einfachheit halber an dem Gedanken fest, zumal das Mädchen mit dem Handschuh ihr sogar als Carolin im Traum erschienen war. Sie fragte sich, wie es wohl sein würde, wenn sie selbst in den Handschuh eingeschnürt würde und sie die zunehmende Enge spüren würde.

Etwas Vergleichbares hatte sie bisher nicht gesehen, und sie hatte sich sogar heimlich die Fotos eingesteckt. Natürlich vergewisserte sie sich, dass sie keiner sehen konnte, bevor sie die Fotos zur Hand nahm. Mit dem Finger strich sie über die verpackten Arme und glaubte fast, das Leder auf ihren Armen zu spüren.


Fast hätte sie ihre Station zum Aussteigen verpasst. Erst in letzter Sekunde wurde sie aus ihren Gedanken gerissen. Hastig steckte sie die Fotos wieder ein und stürmte aus der Straßenbahn. Normalerweise kam ihr die Fahrt zur Universität endlos lang vor, doch heute mit dem Blick auf die Fotos erschien es ihr, als wäre sie gerade erst eingestiegen.

Etwas wehmütig dachte sie an die seltsame Dienerin, die zu den Straßenbahnen anscheinend ein besonderes Verhältnis hatte. Für sie selbst waren die Trams nur eines von vielen Beförderungsmitteln.

* * *

Es war überhaupt nicht ihre Art, einfach zwei Vorlesungen auszulassen, doch die wichtige Vorlesung heute war ausgefallen, weil der Gastdozent kurzfristig abgesagt hatte, und danach hätte sie noch eine Freistunde gehabt, bis die beiden unwichtigen Vorlesungen an der Reihe gewesen wären.

Unter normalen Umständen hätte sie gewartet, doch heute warteten viele interessante Dinge auf sie. Und ohne dass es ihr selbst richtig bewusst war, empfand sie bei Hegels schon eine gewisse Geborgenheit. Und so fiel es ihr leicht, auf die zwei Vorlesungen zu verzichten, denn sie wusste, dass sie dann endlich einmal Zeit haben würde, um sich ausführlich in Carolins Zimmer und insbesondere in den Schränken umzusehen.

Während sie langsam zur Straßenbahn ging, rekapitulierte sie noch einmal, was sie bisher schon wusste. Der erste Schrank enthielt überwiegend normale Straßenkleidung, meist eher formal, aber nur wenig Freizeitkleidung. Trotzdem waren ihr als Erstes die wenigen Lacksachen aufgefallen, die in dem Schrank waren.

Der zweite Schrank hingegen war das Paradies, denn fast alles aus diesem Schrank war aus dem faszinierenden Material Lack, und dort hatte sie auch die faszinierende Bettwäsche gefunden. Julia freute sich schon sehr darauf, endlich einmal ausgiebig stöbern zu dürfen, denn bisher war dafür keine Zeit gewesen.

Und vielleicht würde sie auch herausfinden, wie der dritte Schrank zu öffnen war. Die ersten beiden Schränke hatten Türen, die nur durch ein Federgelenk zugehalten wurden und die man einfach aufziehen konnte, wenn sie nur mit der richtigen Tür anfing. Doch dieser Schrank hatte bisher allen ihren Öffnungsversuchen widerstanden. Und deswegen war sie um so neugieriger, was sich wohl darin befinden würde.

Alle drei Schränke hatte etwas gemeinsam, nämlich dass überhaupt keine Schlüssellöcher sichtbar waren, stattdessen befand sich jeweils nur ein übergroßer Griff daran. Seit gestern wusste Julia, dass dies die Türgriffe waren, von denen Frau Hegel gesprochen hatte, denn damit war es möglich, die Tür auch mit dem Ellenbogen zu öffnen, da der Griff dafür genügend Angriffsfläche bot. Und damit wäre es möglich, die Tür auch dann zu öffnen, wenn die Trägerin diesen faszinerenden Handschuh trug.
52. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von fiasko am 10.11.17 22:39

Tolles Kapitel!

Von Melkschemel bis Gewissen alles dabei.

Irgendwie könnte ich gar nicht aufhören zu lesen.....
53. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von marmas71 am 11.11.17 06:16

Hallo gag_coll,

danke für diese super fortsetzung.

Was wohl im driten Schrank liegt.

Danke für's schreiben.


Gruß marmas71
54. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von mpwh66 am 11.11.17 07:36

Moin
Danke für diese Fortsetzung da kann man ja garnicht mehr aufhören mit dem lesen danke und ein kreatives Wochenende
Gruss mpwh66
55. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von der suchende am 11.11.17 09:06

Wie immer ein Lesegenuss. Schönes Wochenende
56. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 4 - Schwestern - Teil Zwei von Sieben

geschrieben von gag_coll am 14.11.17 06:17

Kapitel 4 - Schwestern - Teil Zwei von Sieben
Autor: Karl Kollar

Je näher das Haus kam, desto schneller wurden auch ihre Schritte. Sie sehnte sich sehr danach, sich endlich den Reisverschluss am Rock ganz zu schließen und die wohlige Enge spüren zu dürfen.

Die Haustür war noch nicht wieder ins Schloss gefallen, als Julias Rock schon wieder bis zum Boden geschlossen war und sie dazu zwang, die wenigen Schritte bis zur Treppe zu trippeln. Erst als sie direkt vor der Treppe stand, beugte sie sich wieder herunter und zog den Verschluss bis zu den Knien auf. Sie wusste schon genau, wie weit sie ihn öffnen musste, damit sie sich auf der Treppe bewegen konnte, ohne dass es lächerlich aussah. Als sie Frauke oben im Treppenhaus stehen sah, musste sie lächeln. Sie hatte vor dem Haus einen Schatten an ihrem Fenster gesehen, und es war ihr sofort klar, dass Frauke wieder in ihrem Zimmer war, um den Blick auf die Straßenbahnen zu genießen.

Oben an der Treppe blieb sie wieder stehen und machte sich den Rock wieder ganz zu.

»Lohnt sich das überhaupt?« Frauke hatte ein Lächeln in der Stimme. »Du wirst dich doch gleich wieder umziehen.«

»Stimmt.« Julia grinste. »Aber ich habe es zugesagt. Und es gefällt mir.« Irgendwie kam es ihr vor, als wolle Frauke sie zu Ungehorsam verleiten.

Doch auf dem Weg in ihr Zimmer musste sie Frauke insgeheim Recht geben. Es waren wirklich nur wenige Schritte, die sie noch gehen musste, bis sie sich auf ihr Bett setzen konnte. Dort lag die Lackkleidung schon bereit, und Julia zitterte, als sie sich jetzt langsam auszog. Ihr gefiel der Gedanke, dass sie jetzt quasi zum ersten Mal den ganzen Tag in Lack herumlaufen konnte. Noch dazu durfte sie diesen faszinierenden Rock tragen, dem man die Enge zwar nicht ansah, der sie aber zu den winzigsten Schritten zwang. Und natürlich hatte Julia den Reißverschluss ganz geschlossen und den Schieber so verriegelt, wie Frau Hegel es ihr gezeigt hatte.

Sie blickte sich im Zimmer um und auf einmal erkannte sie, was sie schon die ganze Zeit gestört hatte, ohne dass sie es bisher formulieren konnte. Es gab keinerlei Hinweise auf Carolins frühe Kindheit. Kein verstaubter Teddy, der jetzt nicht mehr geliebt irgendwo in der Ecke lag und dessen Trost nicht mehr gebraucht wurde, und auch keine Puppenstube. Das Zimmer war eher nüchtern eingerichtet.

Sie fragte sich, ob Carolin schon im Berufsleben stand, ob sie noch studiert hatte oder sich in einer Ausbildung befunden hatte. Die wenigen Bücher im Regal ließen dazu keinen Schluss zu - es war Trivial-Literatur, die sich zum Teil auch in Julias Zimmer selbst hätte befinden können. Auch Puppen waren so gut wie keine vorhanden, lediglich zwei kleine Putten befanden sich links und rechts oben am Spiegel.

Hingegen kam ihr der große Schreibtisch fast etwas übertrieben vor, denn er hätte auch problemlos in einem Chefbüro stehen können. In Gedanken sah sich Julia schon ihre Raumpläne auf dem Tisch ausbreiten. Sie wäre in der Lage, alle Räume eines Hauses auf einen Blick sehen und sie gedanklich vergleichen zu können, so groß war die Tischfläche. Außerdem stand das Möbel frei im Raum und war von allen Seiten zugänglich, was ihren Plänen ebenfalls sehr zugute kommen würde.

Vorne am Rand stand eine bewegliche Schreibgarnitur, die insgesamt einen sehr altmodischen Eindruck machte und die vermutlich nur als Dekorationsstück anzusehen war. Daneben lagen immer noch die 'Perlen', die sie bisher noch nicht hatte ausprobieren können.

Sie hätte hier auch gut ihren Laptop abstellen können, wenn sie denn einen gehabt hätte. Sie sparte darauf, denn es war ihr klar, dass sie ein Exemplar mit einem sehr großen Bildschirm brauchte, und die waren entsprechend teuer. Sie wusste jetzt schon, dass sie ein Teil des Taschengeldes dafür zurücklegen wollte. Bis zu ihrem Einzug bei Hegels war an Sparen aber überhaupt nicht zu denken gewesen.

Sie war gerade im Begriff aufzustehen, als es an der Tür klopfte. Wieder dauerte es einen Moment bis sich Julia ein 'Herein' entlocken konnte.

»Sie sind heute nicht in der Uni?« Frau Hegel hatte Julias frühe Heimkehr offensichtlich bemerkt. »Ich wollte mich erkundigen, ob alles in Ordnung ist?«

»Meine Vorlesung ist ausgefallen.« Sie lächelte ein wenig verlegen, denn natürlich hatte sie auch zwei Vorlesungen geschwänzt, doch das wollte sie nicht ohne Not zugeben. »Ich hatte gehofft, mich endlich einmal genauer im Zimmer umsehen zu können.« Es war ihr immer noch nicht ganz klar, wie weit sie ihre Vermieterin an ihre Tochter erinnern durfte.

»Oh, sehen sie sich ruhig alles an und trauen sie sich, es anzuziehen oder es auszuprobieren.« Frau Hegel erkannte, dass Julia genau in der richtigen Stimmung war. »Und wenn sie Fragen haben oder Hilfe brauchen, trauen sie sich ruhig, nach uns zu rufen.« Sie verließ den Raum wieder, nachdem sie sich vergewissert hatte, dass Julia die Antwort verstanden hatte.


Mit klopfendem Herzen ging Julia an den zweiten Schrank, weil sie sich etwas Aufregendes zum Anziehen suchen wollte, und weil sie sehr gespannt war, was sich noch so alles in Carolins Schrank befinden würde. Schon gestern hatte Frauke ihr ein atemberaubendes Ensemble herausgelegt, und sie war sich sicher, dass sie heute etwas Ähnliches anziehen wollte.

Zu ihrer Erleichterung war der Schrank gut geordnet, und sie fand das Fach mit den Catsuits sofort. Sie war sich schon lange sicher, dass sie wieder einen Catsuit darunter anziehen wollte. Ihr gefiel der Gedanke, dass sie zwar überall mit dem faszinierenden Stoff bedeckt war, der Catsuit aber trotzdem jedes Detail ihres Körpers zeigte.

Sie entschied sich schließlich für einen Catsuit in hellem Blau, der ungefähr die Farbe hatte wie der Monohandschuh auf den Fotos von Carolin. Dazu nahm sie sich eine hellblaue Bluse und einen farblich passenden dunkeln Rock heraus. Sie hatte erkannt, das es von der Sorte Rock, die sie so gern trug, mehrere Farben gab. So konnte sie frei wählen, damit gut aussehen und trotzdem alle Verpflichtungen erfüllen.

Es kam ihr gar nicht erst in den Sinn, sich auch aus dem Fach mit den Hosen zu bedienen, denn dort gab es nur Exemplare in schwarz und weiß. Und außerdem erinnerte sie sich an Herrn Hegels Worte, dass Carolin vor allem im Haus fast immer Röcke getragen hatte.

Daraus nahm sie eine gewisse Verpflichtung. Außerdem konnte der Rock ihre Beine viel besser in ihrer Bewegungsfreiheit einschränken - ein Gefühl, dass Julia zwar bisher nicht kannte, das sie aber sehr genoss. Sie mochte es, wenn sie jeder einzelne Schritt an ihre nicht mehr vorhandene Freiheit erinnerte. Zusätzlich war ihr in jedem Moment bewusst, dass sie sich selbst diese Restriktionen auferlegt hatte. Und das Wissen, dass sie die Erlaubnis hatte, sich ihren Zustand zu erleichtern, wenn es nötig sein sollte, verstärkte sie in ihren Gefühlen.

Sie inspizierte jetzt auch die anderen Fächer und die Schubladen, und erst, als sie in einer Schublade viele Bälle mit Lederschnüren fand, fiel ihr ein, dass sie Carolins Perlen auch noch ausprobieren wollte. Doch zuvor galt es noch, die Gegenstände aus den anderen Fächern zu erkunden.

* * *

»Was macht sie gerade?« Frau Hegel lehnte in der offenen Tür und blickte zu ihrem Mann, der auf den Überwachungsmonitor schaute.

»Sie sieht sich im zweiten Schrank um.« Der Professor drehte sich zu seiner Frau. »Was hast du alles hinein getan?«

»Vieles...« Frau Hegel grinste.

»Sie hat sich umgezogen.« Herr Hegel blickte wieder auf den Monitor. »Und jetzt inspiziert sie die Halskorsetts. Aber ich denke, sie hat nicht erkannt, wie sie die benutzen muss.«

»Ich werde zu ihr gehen und ihr sagen, um was es sich handelt.« Seine Frau lächelte.

»Manchmal kannst du ganz schön hinterhältig sein«, antwortete Herr Hegel, ohne von seinem Monitor aufzusehen.

»Ich weiß.« Frau Hegel schloss mit einem verschmitzten Grinsen die Tür und ging dann mit zügigen Schritten zu Julias Zimmer.


»Kommen sie zurecht?«, fragte sie nach dem Klopfen und Eintreten.

Julia hielt gerade eines der strengen Halskorsetts in der Hand und blickte mit verwunderten Blick darauf »Was ist das hier?«

»Ein Halskorsett.« Frau Hegels Stimme zitterte vor Anspannung. »Quasi ein Korsett für ihren Hals.«

»Wofür genau ist das?« Es war Julia anzuhören, dass sie mit den wenigen Worten noch nichts anfangen konnte.

»Es bewirkt, dass ihr Kopf ruhig gehalten wird.« Sie hoffte, die Stimmung richtig gedeutet zu haben.

Julia hielt es sich vor den Hals. »Wie muss ich das tragen?« Sie war in abenteuerlustiger Stimmung.

»Darf ich es ihnen zeigen?« Die Vermieterin war näher gekommen.

»Gern.« Julia war sehr neugierig, mehr von Carolin zu erfahren.

»Kommen sie bitte mit zum Spiegel.« Frau Hegel hatte natürlich bei der Einrichtung des Zimmers darauf geachtet, dass ein großer Spiegel Platz fand und der Mieterin zur Verfügung stand.

Julia ging die wenigen Schritte zum Spiegel und blickte Frau Hegel erwartungsvoll an.

Die Frau des Professors legte das Korsett um Julias Hals, und während sie hinten langsam die Schnürung schloss, erklärte sie, was sie gerade machte, damit sich Julia auf die zunehmende Enge vorbereiten konnte.

»Es fühlt sich schön an.« Julia keuchte ein wenig. »Jetzt kann ich meinen Hals nicht mehr bewegen. Ich muss mich mit dem ganzen Oberkörper drehen.«

Als Antwort schmunzelte Frau Hegel nur.

»Das gefällt mir sehr gut.« Julia macht eine Pause. »Sie hatten eine sehr interessante Tochter.« Im ersten Moment war sie entsetzt, weil sie nicht künstlich Erinnerungen auslösen wollte.

Doch zu ihrer Erleichterung ging Frau Hegel darauf ein. »Ja, das stimmt. Wir waren oft selbst erstaunt, was sie sich alles zugemutet hatte.«

Ohne dass sie es wollte, bezog Julia aus diesen Worten noch mehr Motivation, in Carolins Fusstapfen zu treten. So langsam wurde ihr bewusst, dass sie dabei war, sehr viel von der Rolle und den Aufgaben der Tochter zu übernehmen. Und sie fühlte sich gut dabei.

Sie wollte den Kopf zu Frau Hegel drehen, doch erst jetzt bemerkte sie, was das Halskorsett bewirkte. Sie musste sich mit dem ganzen Oberkörper umdrehen, denn die Bewegung des Halses war ihr jetzt auch genommen. Doch sie fand es nicht negativ, eher spannend, noch weiter eingeschränkt zu sein. Sie war fasziniert von dem Gedanken, dass ein paar Korsettstangen und etwas glänzendes Leder eine solche Wirkung haben konnten. »Darf ich es anbehalten?« Julias Stimme war leise. »Es gefällt mir sehr gut.«

»Gern.« Frau Hegel war ebenfalls fasziniert von Julias neuer Erscheinung.

Julia ging wieder zum Schrank und griff zielstrebig in eines der Fächer. »Das hier sind dann wohl auch Korsetts? Aber wofür sind die?« Sie hielt zwei einen knappen Meter lange Röhren in der Hand, bei denen die eingearbeiteten Stangen sowie eine jetzt weit offene Schnürung zu sehen waren.

»Das sind Armkorsetts.« Frau Hegel hielt innerlich die Luft an.

Julia hielt sich eine der Röhren an ihren Arm. »Dann kann ich meine Arme auch nicht mehr benutzen?«

»Naja, es sind ja keine Handschuhe daran.« Frau Hegel kam nicht umhin zu lächeln. »Sie können damit ihre Arme nicht mehr beugen.«

Julias Augen leuchteten. Jetzt erinnerte sie sich daran, dass Armkorsetts auch auf der Taschengeldliste standen. Insgeheim begann sie schon zu überlegen, wie viel Gegenstände sie gleichzeitig tragen konnte, um die Zeit optimal zu nutzen. Selbst ein oder zwei Stunden völlige Unbeweglichkeit würden viel leichter zu ertragen sein als stundenlang in der Kneipe zu bedienen. Nur kurz schlich sich eine faszinierende Idee in ihre Gedanken: Wie wäre es, wenn sie beim Lesen ihrer Fachbücher alle diese Gegenstände tragen würde? Dann könnte sie lernen und gleichzeitig Geld verdienen. Doch so schnell wie der Gedanke gekommen war, verschwand er auch wieder.

»Sie sollten die Armkorsetts jetzt aber noch nicht anlegen.« Frau Hegel blickte scheinbar zufällig auf den Schreibtisch. »Sie möchten vorher vielleicht ein paar andere Sachen versuchen.«

Julia wurde ein wenig aus ihren Gedanken gerissen, als sie dem Blick ihrer Vermieterin folgte, denn sie erinnerte sich sofort daran, dass sie die Perlen auch noch ausprobieren wollte. »Ja, das sehe ich ein.« Sie lächelte verlegen, dann sprach sie ihren Wunsch laut aus.

»Ich schicke ihnen Frauke, damit sie ihnen mit den Perlen helfen kann.« Sie drehte sich um und ging in Richtung Tür. Sie überlegte, ob sie für das Verlassen des Zimmers eine Rechtfertigung brauchte, doch dann entschied sie sich dafür, nichts weiter zu sagen, insbesondere weil Julia in diesem Moment tief in einer in ihr bisher unbekannten Faszination gefangen war und der Moment sehr gut geeignet war, um ihr die Perlen näher zu bringen. Doch dies sollte Frauke machen.

Bisher lagen auf dem Schreibtisch streng genommen nur zwei Perlen mit ihren Riemen, doch diese hatten genügt, um Julias Neugier zu wecken. Insbesondere hatte sie sich daran erinnert, dass es in einer der Schubladen in dem Schrank noch weitere dieser Perlen gab, bei denen die Anzahl der Riemen teilweise höher war, dies hatte sie bei einem ersten prüfenden Blick schon festgestellt.

Sie wollte erst einfach in die Schublade greifen und die Bälle nacheinander auf den Schreibtisch tragen, doch dann wurde ihr ihr aktueller Zustand bewusst, und sie begann zu grübeln. Mit dem sehr engen Rock würde es sehr lange dauern, wenn sie die Bälle einzeln auf den Schreibtisch trug. Es waren auch zu viele, um sie allein mit den Händen zu tragen.

Sie fragte sich, ob es nicht vielleicht möglich war, die ganze Schublade zum Tisch zu tragen. Das wäre vielleicht etwas anstrengender zu tragen, doch dafür müsste sie nur einmal gehen. Insgeheim faszinierte es sie, dass ihre Kleidung ihr eine andere, weiter vorausdenkende Handlungsweise aufzwang. Und letzteres empfand sie nicht einmal als negativ.

Zu ihrer Erleichterung ließ sich die Schublade ganz leicht aus dem Schrank ziehen, und sie war auch nicht so schwer, wie Julia es ursprünglich befürchtet hatte. Vorsichtig ging sie zum Schreibtisch, und als sie davor stand, schüttete sie den Schubladeninhalt einfach auf die Tischplatte und stellte die Schublade neben den Tisch.

Etwas sprachlos stand sie schließlich vor einem Haufen von Lederriemen und ungefähr einem Dutzend roten sowie zwei blauen Bällen. Etwas zitternd begann sie, die Perlen zu sichten, und weil ihr nichts Besseres einfiel, sortierte sie die Bälle nach der Anzahl der Riemen, die zu einer Perle gehörten. Es war allerdings etwas mühsam, denn das Halskorsett, welches sie immer noch trug, hinter sie daran, den Kopf zu senken und so musste sie sich mit dem ganzen Oberkörper vorbeugen, um etwas sehen zu können. Doch sie war zu stolz, um sich das Korsett wieder abzunehmen. Außerdem hatte es Frau Hegel ihr angelegt, und sie wäre sicher enttäuscht, wenn sie es sofort wieder abnehmen würde.

* * *

Etwas unsicher klopfte Frauke an Julias Zimmertür. Gerade hatte Frau Hegel ihr den Auftrag erteilt, Julia die Knebel näher zu bringen und ihr dafür sogar einige Pluspunkte versprochen.

Anfangs hatte Frauke über die Regelung mit den Pluspunkten nur gelacht, denn sie hatte nicht erwartet, dass sie davon viele bekommen würde. Denn etwas Besonderes hatte die Vereinbarung. Sollte der Fall eintreten, dass sie mehr Punkte haben würde als ihre ursprüngliche Haftstrafe, dann würde sich diese selbst auch verkürzen. Doch Frauke war davon überzeugt, dass es unmöglich war, eine vierstellige Zahl von Punkten zusammen zu bekommen. In einer normalen Woche gab es höchstens Mal zehn Punkte, wenn sie besonders viel im Haus mithelfen konnte.

Doch mit der Anwesenheit von Julia hatte sich dies schlagartig geändert, und Frauke hatte die Aussicht, jetzt mehr Punkte zu bekommen als sonst in einem ganzen Monat.

Frau Hegel hatte ihr sogar noch ein paar Tipps gegeben, wie sie der Studentin die Knebel näher bringen konnte, und der wichtigste davon war, immer von Perlen zu sprechen, denn dieser Begriff war im Gegensatz zu Knebel eher positiv besetzt. Und was Frauke besonders freute war, dass sie ihr ansonsten freie Hand gegeben hatte und ihr auch noch extra das Vertrauen ausgesprochen hatte. Sie hatte ihr sogar zwanzig Punkte in Aussicht gestellt, wenn sie ihre Sache besonders gut machte.

Doch beim Eintreten fiel ihr ein, dass es vielleicht besser wäre, sich zunächst ein wenig schlecht gelaunt und unwillig zu geben, damit Julia nicht misstrauisch werden würde. Sie setzte also eine etwas missmutige Miene auf, und hoffte dabei, genau das richtige Maß zu treffen, um Julia in Sicherheit zu wiegen und sie trotzdem nicht zu sehr abzustoßen. »Frau Hegel hat gesagt, dass ich dir bei den Perlen helfen soll.«

Julia war über die Eröffnung sehr erleichtert, denn sie hätte sonst nicht gewusst, was sie hätte fragen sollen, um Frauke um Hilfe zu bitten. »Ja, kannst du mir bitte erklären, wie man diese Perlen trägt? Wie Schmuck?«

»Na, dann lass mal sehen.« Frauke schloss die Tür hinter sich und trat dann an den Schreitisch heran. »Du hast schon sortiert, sehe ich?«

»Ja.« Julia blickte etwas verlegen auf die vier mehr oder weniger großen Haufen, die jetzt vor ihr lagen. Es ärgerte sie ein wenig, dass sie trotz ihrer Intelligenz noch nicht selbst darauf gekommen war, wie diese komischen Kugeln zu tragen waren. Sie schob es darauf, dass sie sich noch nie für die diversen Mode-Illustrierten hatte begeistern können. »Trägt man die um den Hals?« Zumindest wenn man die Perlen von dem Haufen ganz links betrachtete, war der Gedanke naheliegend.

»Nein, etwas höher.« Frauke kam trotz ihrer Anspannung nicht umhin, ein wenig zu schmunzeln. Doch gleich darauf hatte sie sich wieder unter Kontrolle. »Willst du das Halskorsett dabei anbehalten?«

»Wenn das geht?« Julia war in diesem Moment etwas unsicher. Einerseits war es sicher eine gute Ausrede, um das Ding loszuwerden. Auf der anderen Seite wollte sie dem Alltag von Carolin näher kommen, und da diese es oft getragen hatte, war es bestimmt gut, wenn sie sich selbst ebenfalls schnell daran gewöhnte. Außerdem wollte sie auch ihre Vermieter nicht unnötig enttäuschen. »Also, wo kommt die Perle hin?«

»Sie kommt in den Mund.« Frauke konnte nicht verhindern, dass ihre Stimme bei der Antwort zitterte.

»In den Mund?« Julia keuchte leicht, denn ihr war eingefallen, dass sie doch schon einmal ein entsprechendes Bild gesehen hatte. Nur konnte sie das Gesehene damals überhaupt nicht einordnen. »Dann kann ich ja nicht mehr reden.« Was der Ball bei ihr bewirken würde, war ihr entsprechend sofort klar.

»Das ist der Sinn einer solchen Perle.« Frauke grinste. »Deswegen hat Carolin sie auch immer 'Beruhigungsperlen' genannt, sagt Frau Hegel.«

»Na, meinetwegen.« Julia nahm eine der Perlen in die Hand und hielt sie sich vor den Mund. »Die sind aber groß?«

»Naja, es kommt auch auf den Mund der Trägerin an, deswegen gibt es sie ja auch in verschiedenen Größen.« Frauke blickte Julia an. »Du solltest aber wissen, dass du damit nicht mehr schlucken kannst, weil dein Kiefer offen steht.«

»Ja und?« Julia fixierte mit ihrem Blick den Ball vor ihrem Mund. Solche anatomischen Details hatten sie bisher nicht interessiert.

»Dann sammelt sich der Speichel in deinem Mund und wird heraus laufen.« Frauke wollte dies unbedingt vorher ansprechen, weil sie selbst über diesen Punkt mehr als erschrocken gewesen war.

»Dann muss ich meine Lippen eben geschlossen halten.« Julia gab sich pragmatisch. »Außerdem kann ich es auf dem Lack wegwischen.« Julia legte die Perle wieder auf den linken Haufen und blickte auf die anderen Häufchen vor sich. »Warum haben die denn mal so viele und mal so wenig Riemen?«

Es machte Frauke insgeheim Spaß, Julia die Knebel näher zu bringen, und sie hatte ihre scheinbare Missmutigkeit schon lange aufgegeben. »Damit werden die Perlen mehr oder weniger sicher in deinem Mund befestigt.«

»Was hat Carolin denn so getragen?« Julia wollte das Unvermeidliche noch etwas hinauszögern, ohne dass es ihr wirklich bewusst war.

Frauke war in diesem Moment ehrlich verunsichert, weil sie dies weder wusste, noch dazu etwas mit Hegels abgesprochen war. Sie beschloss die Flucht nach vorn. »Das weiß ich nicht. Ich habe sie ja nicht mehr kennengelernt.«

»Stimmt, das hattest du gesagt.« Julia blickte auf die Bälle, die fast alle die gleiche Größe hatten. Auch fiel ihr erneut auf, dass fast alle Bälle eine rote Farbe hatten. Nur ein schwarzer und zwei blaue Bälle waren noch dabei. »Ich glaube, sie hat Rot bevorzugt.« Sie nahm sich wieder einen der einfachen Bälle zur Hand und hielt ihn sich vor das Gesicht. »Und wie geht das jetzt?« Ihr Blick wechselte zwischen Frauke und dem Ball hin und her.

»Komm bitte zum Spiegel, dann kannst du dir es gleich ansehen.« Frauke ging zum ersten Schrank und nahm sich ein Handtuch heraus, dann ging sie ebenfalls zum Spiegel und wartete, bis Julia zu ihr getrippelt war.

»Warte, ich helfe dir.« Mit dem Handtuch wischte sie den Ball noch einmal ab, dann hielt sie ihn von hinten vor Julias Mund. »Bitte den Mund aufmachen.«

»Wie beim Zahnarzt.« Julia lachte kurz, wollte damit aber nur ihre Nervosität überspielen. Sie blickte noch einmal kurz hinter sich, dann öffnete sie ihre Lippen.

Frauke nahm das Riemenpaar in ihre Hände und zog den Ball damit langsam in Julias Mund. »Jetzt kannst du den Mund wieder zumachen.«

Sofort spürte Julia den ungewohnten Ball im Mund und legte die Lippen darum. Fasziniert beobachtete sie ihr Gesicht im Spiegel.

»Warte bitte noch, bis ich die Riemen festgezogen habe.« Frauke war in diesem Moment sichtlich nervös und ließ die Schnalle zweimal fallen.


Schließlich war der Knebel geschlossen, und Frauke trat neben Julia. »Es sieht wirklich schön aus. Die Perle steht dir gut.« Sie streichelte ihr zärtlich über die Wange.

Julia war sehr angespannt. Sie wollte etwas antworten, doch erst jetzt bemerkte sie, dass sie kaum eine verständliche Silbe zustande bekam. Es war sehr ungewohnt für sie, nicht mehr über ihre Stimme zu verfügen, doch sie fand es von Beginn an sehr aufregend.

Frauke lachte trotz ihrer Anspannung. »Deswegen werden sie ja auch die Beruhigungsperlen genannt.«

Julia sah, dass ein erster Speichelfaden langsam aus ihrem Mund tropfte. Reflexmäßig führte sie ihre Hand zum Mund und wischte ihn ab.

»Gewöhne dich lieber daran.« Fraukes Stimme zitterte vor Anspannung. »Wenn du die Perle trägst, wirst du selten deine Hände benutzen können.

Julia drehte sich zu Frauke und blickte sie verwundert an. Sie brummelte etwas.

»Warum das so ist?« Sie lächelte. »Weil du sicher sehr oft Carolins Handschuh tragen wirst.«

Erst jetzt erkannte Julia die ganzen Zusammenhänge. Sie versuchte zu verbergen, dass sie von der sich abzeichnenden Zukunft doch etwas verunsichert war. So nach und nach realisierte sie, dass sie immer unbeweglicher und leiser werden würde, vor allem, wenn sie auch diesen rätselhaften Handschuh tragen würde oder den faszinierenden Mantel. Beide hatten die Eigenschaft, ihr die Beweglichkeit ihrer Arme zu nehmen und sie zu fixieren, wenn auch auf ganz unterschiedliche Weise.

»Soll ich dir den Ball wieder abnehmen?« Frauke wusste aus eigener Erfahrung, wie wichtig es war, dass das erste Mal nicht zu negativen Erfahrungen führte.

Julia versuchte ein Nicken, doch sie musste erkennen, dass das Halskorsett ihre Bewegungen stark einschränkte. Sie wollte mit 'Ja' antworten, doch wieder musste sie erkennen, dass sie sich jetzt auf die gewohnte Art und Weise nicht mehr äußern konnte.

Frauke hatte sie genau beobachtet und ihre vergeblichen Antwortversuche trotzdem erkannt, außerdem wusste sie noch gut, wie es sich in dieser Situation anfühlte. Sie trat wieder hinter Julia und öffnete die Schnalle, dann zog sie den Ball aus Julias Mund, um ihn gleich darauf wieder mit dem Handtuch abzuwischen.

Julia war von der Möglichkeit, ihr die Stimme auf so eine einfache Weise zu nehmen, sehr fasziniert. Sie äußerte dies, während sie langsam wieder zum Schreibtisch ging.

»Hast du schon einmal einen Engel reden hören?« Frauke sagte den Satz auf, den Hegels ihr genannt hatten.

»Nein, natürlich nicht.« Julia wurde auf Carolins Aufgabe immer neugieriger. »Streng genommen ist mir noch überhaupt kein Engel begegnet.« Sie griff zum zweiten Stapel und hob eine der Perlen hoch. »Warum sind es hier mehr Riemen?« Es war ihr anzusehen, dass sie keine Ahnung hatte, was die zusätzlichen Riemen bewirken sollten.

»Die Riemen gehören unter dein Kinn.« Frauke gab ihr den entscheidenden Tipp. »Der Kinnriemen verhindert, dass du deinen Kiefer öffnen kannst, um den Ball mit der Zunge hinauszudrücken, so sagt man zumindest. Ich glaube das aber nicht.«

»Dürfte ich denn so schummeln?« Julia war verwundert.

»Naja, es ist manchmal nötig, sich kurz einmal Erleichterung zu verschaffen.« Frauke lächelte verschwörerisch. »Aber du solltest dich dabei nicht erwischen lassen.«

Julia grinste, dann griff sie zum dritten Stapel und hob eine der roten Kugeln hoch. Deutlich waren die vielen Riemen zu sehen, die offenbar dazu gehörten. »Und wofür sind diese Bälle mit den vielen Riemen?«

»Das ist ein sogenannte Perlennetz.« Frauke wollte sich dieses Mal nicht auf Carolin beziehen, weil sie spürte, wie dünn das Eis in dieser Richtung werden würde.

»Wo kommen denn die vielen Riemen hin?« Julia nahm das Netz in beide Hände und versuchte, den Verlauf der Riemen zu verfolgen.

Frauke war erleichtert, dass Julia ihren Blick auf den Knebel mit seinen vielen Riemen gerichtete hatte, so konnte sie wie schon länger ausgemacht das Notsignal benutzen. Mit drei kurzen Blicken direkt in die Kamera signalisierte sie, dass sie nicht weiter wusste und Hilfe brauchte.
57. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von mpwh66 am 14.11.17 10:29

Moin
besten Dank für den neuen Teil macht ja süchtig
gruss mpwh66
58. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von christoph am 14.11.17 14:39

schnell, schnell weiter.
super.
59. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 4 - Schwestern - Teil Drei von Sieben

geschrieben von gag_coll am 17.11.17 04:10

Der Mantel der Studentin
Kapitel 4 - Schwestern - Teil Drei von Sieben
Autor: Karl Kollar

»Kann sie das nicht schneller machen?« Herr Hegel blickte nervös auf den Monitor. »Was reden die beiden denn da so lange?«

»Frau Wiesl macht das sehr gut.« Seine Frau musste ihn beruhigen. »Man darf es nicht überstürzen.«

»Wir haben aber nicht mehr so viel Zeit.« Er klopfte nervös auf den Tisch.

»Ja, das weiß ich.« Frau Hegel legte die Hand auf seine Schulter. »Aber gerade deswegen müssen wir es langsam angehen. Langsam und vorsichtig.« Sie seufzte. »Es ist unsere letzte Chance, und bisher reagiert Julia ausgezeichnet.«

»Was hat sie denn jetzt?« Herr Hegel hatte Fraukes Blicke in die Kamera bemerkt.

»Sie bittet uns um Hilfe.« Frau Hegel erklärte ihm das Signal. »Ich hatte dieses Signal mit ihr vereinbart.«

»Und warum braucht sie Hilfe?« Herr Hegel hatte Mühe, seine Nervosität unter Kontrolle zu halten.

»Ich vermute mal, dass sie nicht weiß, wie das Kopfgeschirr anzulegen ist.« Frau Hegel stand auf. »Ich gehe zu ihnen.« Sie verließ das Zimmer.

* * *

Erst als das Klopfen an der Tür zu hören war, konnte sich Julia von dem Perlennetz losreißen.

»Das ist eine besondere Perle, die hat Carolin immer nur zu besonderen Anlässen getragen.« Frau Hegel hatte Mühe, ihre Anspannung zu verbergen. »Möchten sie das Perlennetz einmal ausprobieren?«

»Ja, gern.« Julias Neugier war stärker als ihre Angst vor dem Unbekannten. Sie verzichtete im Moment allerdings darauf, zu fragen, zu welchen Anlässen Hegels Tochter diese spezielle Perle tragen durfte.

Frau Hegel ging zum Schreibtisch und nahm ihr das Kopfgeschirr aus der Hand. »Diese Netze werden um den ganzen Kopf geschnallt und halten so die Perle im Mund fest. Außerdem verändern die Riemen, die dann über das Gesicht laufen, das Erscheinungbild der Trägerin.«

»Bitte zeigen sie es mir.« Julias Stimme zitterte vor Anspannung und blickte Frau Hegel mit einer Mischung aus Verlangen, Furcht und Neugier an.

Frau Hegel richtete sich das Geschirr so aus, dass sie den Ball vor sich hatte, dann hob sie es in Höhe von Julias Kopf. Sie lächelte, als sie sah, dass die Studentin ihren Mund schon geöffnet hatte.

Julia stöhnte ganz leise, als sie spürte, wie der große Ball langsam in ihren Mund eindrang und dort seinen Platz beanspruchte. Wie schon bei der normalen Perle musste ihre Zunge wieder ausweichen.

»Zuerst kommt der Ball in den Mund und die beiden Hauptriemen werden am Hinterkopf geschlossen.« Die Vermieterin erklärte, was sie tat, während sie die Schnalle am Hinterkopf fixierte. »Jetzt wird der doppelte Y-Riemen, der über dem Hauptriemen baumelt nach hinten über den Kopf gezogen. Dabei legen sich die Riemen über ihr Gesicht und ihre Stirn.«

Julias Augen leuchteten, als sie sah, wie sich die schwarzen Riemen ihren Platz in ihrem Gesicht suchten.

»Der Riemen teilt sich oben auf ihrem Kopf wieder, die beiden Teile werden dann links und rechts am Hauptriemen an den dortigen Schnallen befestigt.«

Julia spürte, wie sich die Lederriemen immer weiter um ihren Kopf legten. Durch ihr Studium war sie es gewohnt, die Aussagen immer sofort nachzuvollziehen und so erkannte sie sofort, warum dieser Riemen mit 'doppelter Y-Riemen' bezeichnet war.

»Zum Schluss werden dann noch die beiden Riemen unter ihrem Kinn geschlossen und bilden ein gewisses Gegengewicht gegenüber dem Y-Riemen.« Frau Hegel hatte sich diese Sätze schon vor längerer Zeit bereitgelegt, um damit das Anlegen des Knebels ein wenig pseudo-wissenschaftlich klingen lassen zu können.

Langsam drehte sich Julia vor dem Spiegel, dann hob sie ihre Hände hoch und tastete den Verlauf der Riemen auf ihrem Kopf nach.

»Bitte denken sie aber daran, dass sie die Perlen nur innerhalb des Hauses tragen dürfen.« Frau Hegel hatte Mühe, ihre Stimme wieder normal klingen zu lassen. »Die Nachbarschaft hat dafür bisher wenig Verständnis.« Der letzte Satz war sogar ehrlich gemeint.

Julia blickte sie erleichtert an und versuchte ein schüchternes Nicken, welches das Halskorsett allerdings fast vollständig unterband.

»Wir kümmern uns dann um das Mittagessen.« Frau Hegel blickte kurz aber eindringlich zu ihrer Dienerin. »Sie können sich hier ja noch etwas umsehen.«

Julia wollte fragen, ob sie das Kopfgeschirr schon wieder abnehmen dürfte, doch jetzt erst bemerkte sie, dass sie sich nicht mehr verständlich machen konnte.

* * *

»Decken sie schon einmal den Tisch, ich schaue kurz zu meinem Mann.« Frau Hegel ging in Richtung der kleinen Überwachungskammer. »Klingeln sie dann bitte.«

»Jawohl, Madame.« Frauke seufzte innerlich. Sie wäre gern noch bei Julia geblieben, die mit dem Kopfgeschirr äußerst reizend aussah und die es offensichtlich auch bequem tragen konnte. Doch sie wagte es nicht, sich gegen die Anweisungen ihrer Herrschaften zu stellen. Mit langsamen Schritten ging sie die Treppe hinunter. Dass ihr von oben noch ein 'heute noch' zugerufen wurde, überhörte sie. Das war die einzige Form von Trotz, zu der sie den Mut hatte.

Frau Hegel öffnete die Tür und trat in den kleinen Raum. »Was hat sie bisher gemacht? Trägt sie die Perle noch?« Natürlich wussten Hegels, dass Perlen nur beschönigendes Wort für Knebel waren, doch sie hatten sich diese verharmlosende Begrifflichkeit einfallen lassen, um die eventuell in Frage kommenden Mädchen nicht sofort damit zu verschrecken.

»Wenn ich das richtig beobachtet habe, dann hat sie nach eurem Weggang das Netz nicht einmal berührt«, antwortete ihr Mann, ohne vom Bildschirm aufzublicken. »Im Gegenteil, sie macht den Eindruck, als würde es sie überhaupt nicht stören.«

»Sie wollte bestimmt fragen, ob sie es wieder abnehmen darf, und dann hat sie gemerkt, dass sie nicht mehr reden kann.« Frau Hegel setzte sich neben ihren Mann. »Ich glaube, sie ist schon gut geprägt.«

»Sie ist doch gerade mal vier Tage bei uns.« Herr Hegel blickte auf und widersprach. »Ich denke, du überschätzt die Situation.«

»Ja, du könntest Recht haben.« Sie seufzte. »Warten wir ab, wie das Wochenende verläuft.«

»Wirst du Frau Wiesl eigentlich ein paar Vorgaben machen?« Er wandte sich wieder dem Monitor zu. »Sie werden immerhin den ganzen Tag allein sein.«

»Nein, das hatte ich nicht vor.« Frau Hegel stand wieder auf. »Ich habe lediglich die Nachbarn über unsere Abwesenheit informiert. Sie werden aufpassen.«

* * *

Ein wenig fühlte Julia sich überrumpelt, weil sie das Perlennetz trug und nicht mehr fragen konnte, ob sie es wieder abnehmen durfte. Es ärgerte sie, weil sie sonst etwas mehr Weitblick zeigte. Andererseits gefiel ihr der Gedanke, so auf Carolins Spuren zu wandeln, und wenn Hegels Tochter im Haus diese Perlen getragen hatte, dann war es für sie selbstverständlich, dies auch zu tun.

Sie nahm die Anregung von Frau Hegel auf und sah sich noch einmal im Zimmer um. Die zwei offenen Schränke hatte sie bis jetzt schon untersucht, und sie hatte auch viel darin gefunden, was ihr bis jetzt noch unbekannt geblieben war. Ihr Blick fiel auf den dritten Schrank. Bisher hatte er ihren Öffnungsversuchen widerstanden. Von außen sahen die Schranktüren gleich aus, doch während die bisherigen Türen einfach an dem großen Griff aufzuziehen waren, ging dies bei dem dritten Schrank nicht.

Eigentlich sahen die großen Griffe lächerlich aus, doch Julia hatte mittlerweile verstanden, dass die Größe den Zweck hatte, den Schrank auch dann noch öffnen zu können, wenn Carolin oder auch sie selbst diesen Handschuh trug. Dank der Fotos hatte Julia jetzt eine Vorstellung, um was es sich dabei handelte, und sie hatte auch nicht mehr so viel Angst davor, denn die für den Handschuh nötige Haltung hatte sie in ihrer Kindheit oft trainiert, um die Gemeinheiten ihrer Brüder leichter ertragen zu können.

Von Carolins Kindheit wusste Julia bisher nicht viel. Im Zimmer gab es darauf nur sehr wenige Hinweise, und auch im Tagebuch war diesbezüglich nicht viel zu erfahren.

Wieder fiel ihr Blick die ihr bisher verschlossen gebliebenen Türen des dritten Schrankes, und jetzt, wo sie etwas Ruhe hatte, begann sie, es systematisch zu durchdenken. Die Türen hatten keine Schlüssellöcher, aber die gleichen pompösen Griffe, also mussten sie trotzdem leicht zu öffnen sein.

Sie trat auf die Türen zu, und als sie dabei ins Stolpern kam, stützte sie sich reflexartig an der Tür ab. Dabei erst entdeckte sie, dass sich die Tür ein kleines Stück eindrücken ließ. Auf einmal war sie wie elektrisiert. Jetzt hatte sie eine Spur, der sie nachgehen konnte.

Sie trat näher an den Schrank heran und sah sich die Türen noch einmal genauer an. Jetzt fiel ihr ein, dass Carolin im Tagebuch einmal einen Kugelschreiber-Verschluss erwähnt hatte.


Es dauerte nicht lange, bis Julia herausgefunden hatte, wie der Schrank zu öffnen war. Zuerst hatte sie entdeckt, dass es zwei Mal klickte, wenn sie die Tür eindrückte. Und auf einmal machte es bei ihr selbst ebenfalls 'Klick', denn diese Art von Schlösser waren gerade erst in einer Vorlesung behandelt worden. Grinsend stellte sie sich vor den Schrank und drückte die Tür so wenig, dass nur ein Klick zu hören war, dann ließ sie sie wieder los. Die Türen gingen auf, und Julia blickte atemlos in das Innere des Schrankes.

Julia blickte auf ein weißes bodenlanges Lackkleid, welches sie als erstes heraus nahm und vor sich hielt. Sie war sich über den Zweck des Kleides nicht im Klaren. Für ein Nachthemd war es zu aufwendig gearbeitet, für ein Brautkleid wiederum war es zu schlicht. Sie blickte wieder in den Schrank und sah, dass gleich neben dem Kleid ein großes Paar Flügel hing.

Auf einmal wurde ihr klar, was sie gerade in der Hand hielt. Dies musste Carolins Engelskostüm sein. Eine andere Erklärung gab es offensichtlich nicht. Besonders war sie von den Flügeln fasziniert, denn es schienen lauter echte Federn zu sein. Die Flügel machten einen sehr kostbaren Eindruck, und Julias Ehrfurcht wuchs. Sie beschloss, dass Kleid wieder an seine Stelle zu hängen. Und in Gedanken sah sie sich schon in dem Kleid.

In dem Fach oberhalb des Kostüms fiel ihr ein kleines Kästchen auf, weil es scheinbar aus Gold gefertigt war und von außen lauter stilisierte Engel zeigte. Sehr neugierig nahm sie das Kästchen zur Hand und öffnete es. Sie keuchte, als sie den Inhalt erblickte.

Das Kästchen war mit roten Samt ausgeschlagen und sah damit sehr edel aus. Doch alles wurde überstrahlt von der weißen Perle mit weißen Riemen, die in dem Kästchen aufbewahrt wurde.

Julia ahnte sofort, dass sie noch nicht berechtigt war, eine weiße Perle tragen zu dürfen. Sie klappte das Kästchen wieder zu und stellte es wieder an seinen Platz. Sie hielt einen Moment inne, denn ein Bild formte sich vor ihrem inneren Augen. Ein weißer glänzender Engel mit großen Flügeln und mit der Perle im Mund.


Auf der rechten Seite gab es einige Fächer, und ein Fach fiel ihr sofort auf, weniger wegen seines Inhaltes, sondern mehr, weil direkt oberhalb des Faches ein kleines Schlüsselbrett angebracht war, auf dem ihr die Beschriftungen sofort ins Auge fielen. 'Engelsuniform: Bluse' stand bei dem ersten Schlüssel, daneben das gleiche für 'Rock' und 'Hose'.

Julias Neugier wuchs ins Unermessliche. Eine Engelsuniform, für die es auch noch Schlüssel gab? Ohne dass sie es direkt steuern konnte, nahm sie sich das weiße Kleidungsstück zur Hand, und wie sie es schon vermutet hatte, entpuppte es sich als eine Bluse.

Julia war aus mehreren Gründen sehr fasziniert von dieser Bluse. Zum einen war es eines der wenigen Kleidungsstücke aus normalem Stoff und fiel schon allein deswegen ins Auge. Dann sah sie, dass die Bluse Schulterklappen hatte, wie es bei Uniformen üblich war, weil dort der Rang der Trägerin ablesbar war. Sie hatte dies schon bei Polizistinnen gesehen. Und wieder staunte sie, denn auch auf diesen Schulterklappen gab es eine Art Abzeichen, die ihr nur deswegen nicht sofort auffielen, weil sie ebenfalls in Weiß gehalten waren. Ein kleiner in weiß gestickter Engel war hier aufgebracht und in Julias Kopf begann sich ein Bild zu formen, und auf einmal machte das Wort 'Oberengel' auch einen Sinn. Das würde dann wohl einer Bluse mit zwei oder drei solchen aufgestickten Engel entsprechen.

Julia blickte sich um. Auf dem Schreibtisch wäre genug Platz, wenn sie die Perlen wegräumte. Erst in diesem Moment erinnerte sie sich wieder daran, dass sie noch das Perlennetz trug, doch im Moment machte es ihr überhaupt nichts aus. Mit kurzen, aber eiligen Schritten ging sie zum Schreibtisch und schob die Perlen beiseite, dann legte sie die Bluse vorsichtig auf den Tisch und begann, sie auseinander zu falten. Sie machte es vorsichtig, denn sie wollte später in der Lage sein, sie wieder so zusammenzulegen, wie sie war.

Dabei gab es die nächste Überraschung, als sie entdeckte, dass bei dieser Bluse die Ärmel bis zum Ellenbogen fest mit dem Seitenteil verbunden waren. Falls sie die Bluse einmal tragen müsste, dann würde sie nur noch ihre Unterarme bewegen können.

Und noch eine Besonderheit entdeckte sie. Die Bluse würde mit einem Reißverschluss geschlossen, und darüber gab es dann noch einmal eine Knopfliste, die offensichtlich nur Zierde war. Der Schieber des Reißverschlusses war ungewöhnlich groß, doch als Julia das kleine längliche Loch entdeckte, wusste sie, dass es das Loch für den Schlüssel war, der an dem Schlüsselbrett hing.

Sie ließ die Arme sinken und starrte verwundert auf die Bluse, die vor ihr lag. Sie sah so harmlos aus, und doch würde die Trägerin darin eingesperrt sein und hatte wegen der Ärmel auch wenig Bewegungsfreiraum. Noch dazu waren die Schlüssel mit 'Engelsuniform' beschriftet gewesen. Julia wusste immer weniger, was sie davon halten sollte. Aber eines war ihr klar - es würde eine unbekannte, aber sehr faszinierende Zukunft auf sie warten, wenn sie wirklich Carolins Erbe antreten würde.

Langsam und sorgfältig legte sie die Bluse wieder zusammen und trug sie wieder in den Schrank. Dort gab es noch zwei weitere Schubladen, in die sie noch hineinschauen wollte. Sie legte die Bluse wieder auf den Stapel und zog die mittlere Schublade auf.

Noch einmal fiel ihr Blick auf das Fach mit der Engelsuniform, und ein wenig fragte sie sich, auf welche Weise der Rock und die Hose zu verschließen sein würden. Doch sie verzichtete darauf, sie herauszunehmen, denn sie ahnte irgendwie in ihrem Unterbewusstsein, dass sie es bald erfahren würde.

Sie blickte in die Schublade, die sie gerade aufgezogen hatte und hielt inne. Was sie sah, konnte sie zunächst wieder überhaupt nicht einordnen. Sie blickte auf unterschiedlich gefärbtes Leder, Blau, Rot und Schwarz leuchteten ihr entgegen. Sie blickte einige Zeit darauf, doch sie konnte zunächst nicht erkennen, was sie da vor sich hatte. Langsam traute sie sich und sie griff in die Schublade, um einen der Ledergegenstände in die Hand zu nehmen. Erst als sie ihn vor sich hielt und eine längliche Tütenform sah, die seitlich zu schnüren war, machte es auf einmal Klick, und Julia wusste, was sie in den Händen hielt, weil sie sich an Carolins Fotos erinnerte. Dies waren die Monohandschuhe, die sehr viel Geld bringen würden und die Hegels Tochter so gern getragen hatte.

Julia zitterte, als sie realisierte, dass sie diese Handschuhe demnächst auch zu tragen hatte. Sie war sich sicher, dass sie mit der ungewöhnlichen Armhaltung keine Probleme haben würde, ihre Brüder hatten sie unabsichtlich gut darauf vorbereitet. Doch etwas anderes machte ihr ein wenig Angst. Der Handschuh würde ihr die Arme nehmen, und die würde sie brauchen, um ihre Bücher umzublättern, etwas zu notieren oder um sich eine Perle anzulegen. Sie seufzte. Sie würde ihre Zeit sehr gut planen müssen, wenn sie den Handschuh tragen wollte.

Seufzend legte sie den Handschuh zurück und schloss die Schublade wieder. Sie zog die dritte Schublade auf, doch zu ihrer Überraschung befand sich dort sehr wenig darin - nur ein halbrundes schmales Blech mit einem Schlitz sowie etwas, dass sie im ersten Moment an einen Tannenbaum erinnerte, obwohl es aus Kugeln bestand, die aufeinander gestapelt waren. Ganz hinten entdeckte sie vier Ringe aus Metall die ungefähr die Größe von Armreifen hatten. Sie schloss die Schublade wieder, denn sie wollte überhaupt nicht darüber nachdenken, wofür diese Sachen wohl sein konnten.

Im untersten Fach stand noch etwas, dass ihre Hände zittern ließ. Es war ein Paar Stiefel aus glänzendem weißen Leder, die sehr lang zu sein schienen. Julia nahm sich einen heraus und hielt ihn vor sich hin. Der Stiefelschaft würde bis zur Mitte ihrer Oberschenkel reichen, und sie entdeckte auch sehr hohe Blockabsätze.

Langsam stellte sie den Stiefel zurück und wunderte sich ein wenig, denn bisher gab es zu diesen Stiefeln keinen Hinweis. Insbesondere hatte Carolin sie in ihrem Tagebuch nicht erwähnt. Das konnte zweierlei bedeuten. Entweder sie war nicht mehr dazu gekommen, die Stiefel zu tragen oder es war etwas so Selbstverständliches, dass sie es nicht für erwähnenswert hielt. Julia hoffte insgeheim auf Letzteres, denn von solchen Stiefeln war sie schon immer sehr begeistert gewesen, nur hatte ihr bisher der Mut gefehlt, sie auch zu tragen. Das sie sich überhaupt nicht leisten konnte, kam noch erschwerend hinzu.

Sie ließ die Türen auf, ging zu ihrem Schreibtisch und setzte sich so auf den Stuhl, dass sie auf den offenen Schrank blicken konnte. Sie begann zu grübeln. Alle anderen Schuhe und Stiefel befanden sich in den anderen beiden Schränken, nur diese außergewöhnlichen Stiefel standen im dritten Schrank. Auf einmal glaubte sie die Zusammenhänge zu verstehen. Sie war sich ziemlich sicher, dass sie die Stiefel unter dem Engelskostüm zu tragen hatte, und ihr gefiel der Gedanke, denn die langen Schäfte würden ihr sicherlich Halt geben bei den Aufgaben, die so ein Engel haben würde. Und das lange Kostüm würde von den Stiefeln gerade einmal ihre Füße zeigen.

Vorsichtig öffnete sich die Tür zu Julias Zimmer und Frauke räusperte sich. »Hegels bitten dich zum Mittagessen.« Gleich darauf schloss die Dienerin wieder die Tür.

Julia brauchte einen Moment, bis sie sich aus ihren Gedanken befreit hatte, dann erhob sie sich und ging langsam zur Tür.

* * *

Als sie das Esszimmer betrat, sah Julia, dass Hegels schon am Tisch saßen und sie erwartungsvoll anblickten. Unwillkürlich versuchte sie noch etwas schnellere Schritte, und ihre Gesichtsfarbe wurde schon etwas röter. Ohne weiteres Zögern setzte sie sich an das noch freie Gedeck und blickte verlegen vor sich auf ihren Teller.

Herr Hegel räusperte sich, und als Julia es bemerkte, befürchtete sie einen Tadel, weil sie zu spät zum Essen gekommen war. Doch zu ihrer Überraschung hatte er ein anderes Anliegen. »Ich freue mich ja sehr über ihren Ehrgeiz, aber meinen sie nicht, dass sie sich mit dem Essen leichter tun, wenn sie Carolins Perle wieder ablegen?« Er verzog dabei keine Miene.

Erst jetzt realisierte Julia, dass sie immer noch das Perlennetz mit der Perle in ihrem Mund trug. Sie hatte es schon wieder vergessen. Einfach so - obwohl sie es jetzt deutlich in ihren Kiefermuskeln spürte. Sie wurde so rot, wie es nur ging. Etwas nervös fasste sie sich an ihren Kopf und versuchte, die Schnallen zu finden, mit denen es an ihrem Kopf befestigt war.

Doch erst jetzt erkannte sie, dass sie gar nicht wusste, wie und eventuell in welcher Reihenfolge die Schnallen zu öffnen waren. Und auch wo sie sich überhaupt befanden.

»Elisabeth, ich glaube, du musst ihr helfen.« Der Professor hatte große Mühe, ernst zu bleiben. Insgeheim war er sehr erleichtert über Julias Fähigkeit, sich so vergessen zu können.

Frau Hegel stand auf und trat hinter Julia, dann öffnete sie die Schnallen. Sie bat Julia eine Serviette zur Hand zu nehmen, dann zog sie ihr langsam den Ball aus dem Mund und legte ihn in Julias Hand, um ihr gleich darauf einen Finger auf die Lippen zu legen. »Bitte sagen sie jetzt nichts.«

»Wir freuen uns sehr darüber, dass sie sich schon so schnell mit Carolins Perlen vertraut gemacht haben.« Herr Hegel blickte aus dem Fenster.

»Aber?« Julia ahnte, dass der Satz noch weiter gehen würde.

»Bitte üben sie den Umgang damit.« Die Stimme des Professors zitterte leicht. »Sie sollten in der Lage sein, sich das Netz selbst anzulegen und auch wieder abzunehmen.«

Auf einmal war in Julia wieder ein schlechtes Gewissen geweckt. Sie hatte von ihrem Professor einen Tadel bekommen und das ärgerte sie sehr. Dass sie die Perle beim Stöbern ganz vergessen hatte, kam als Last auf ihr Gewissen noch hinzu.

»Jetzt lassen sie uns essen.« Er griff zu der kleinen Klingel, die auf dem Tisch stand und läutete.

60. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von christoph am 17.11.17 07:07

super. bin mal gespannt was da noch alles kommt.
61. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von mpwh66 am 17.11.17 07:12

Moin
Das ist ja eine tolle Steigerung ich bin sehr darauf gespannt um welche Sache es nun genau geht auf die Sie vorbereitet werden soll,
Eine klasse Geschichte danke
Gruss mpwh66
62. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von Moira am 17.11.17 09:45

... ganz insgeheim dachte ich schon dran, ob es wohl im Hause Hegel einen engelsweißen oder auch gläsernen Sarg oder eine entsprechende Standvitrine zum in völlig unbeweglichem Zustand "Ausgestelltwerden" gibt, aber dann fielen mir glücklicherweise die Engelsflügel ein, die ja dort in angelegtem Zustand aufgrund der Schwingenspannweite wohl gar nicht reinpassen würden ^^
63. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 4 - Schwestern - Teil Vier von Sieben

geschrieben von gag_coll am 21.11.17 05:02

Der Mantel der Studentin
Kapitel 4 - Schwestern - Teil Vier von Sieben
Autor: Karl Kollar

»Haben sie zu den Perlen noch Fragen?« Herr Hegel legte sein Besteck auf den Teller und lehnte sich zurück. »Mit dem Netz sind sie ja sehr gut zurecht gekommen.«

»Ja, schon.« Julia war mittlerweile in der Lage, selbst auch über ihren Fauxpas zu lachen. »Ich hatte es einfach vergessen. Es hat mich überhaupt nicht gestört, im Gegenteil, die vielen Riemen haben mir irgendwie Geborgenheit vermittelt.« Insgeheim fragte sie sich, wer ihr gerade diese Sätze in den Mund gelegt hatte, denn immerhin saß sie mit ihrem Professor am Mittagstisch. »Doch eine Frage hätte ich noch.«

»Fragen sie ruhig.« Frau Hegel war an Julias Stimmung ebenfalls sehr interessiert. Gemeinsam wollten sie Julia das Gefühl vermitteln, dass sie auf dem richtigen Weg war und dass sie sie eher ermutigen als tadeln wollten.

»Da waren ja auch Netze dabei, bei denen vor der Perle noch so eine Platte ist. Was sind das für...« Ihr fiel kein Oberbegriff für diese Netze ein.

Frau Hegel räusperte sich, um ein wenig Zeit zu gewinnen und sich an die bereitgelegte Antwort zu erinnern. »Die Perlenplatte erlaubt es ihnen, den Mund um die Perle weiter zu schließen. Das ist vor allem dann wichtig, wenn sie die Perle mal etwas länger tragen sollten.«

Julia stand der Mund auf. Zu einer Antwort war sie nicht fähig.

»Die Kiefermuskeln ermüden dann nicht so schnell«, fügte ihr Professor hinzu.

»Ja, das ist einzusehen.« Julia fragte sich immer mehr, welche außergewöhnliche Zukunft wohl auf sie warten würde. »Es gab auch ein Netz, bei dem die Platte durchsichtig war.« Sie senkte am Ende des Satzes ihre Stimme, obwohl sie es eigentlich als Frage meinte.

»Damit kann jeder sehen, dass nicht geschummelt wird.« Herr Hegel lächelte.

»Wie meinen sie das, schummeln?« Julia erkannte die Zusammenhänge noch nicht.

»Sie tragen zwar das Netz mit der Platte, aber dahinter ist keine Perle.« Frau Hegel sprach ein wenig leiser.

»Ja, jetzt ergibt es einen Sinn.« Die Frage, ob denn so geschummelt wurde, ersparte sich Julia, denn in ihrem Unterbewusst sein war ihr klar, dass sie jetzt über die konkrete Zukunft noch nichts wissen wollte.

»Wir möchten einen Ausflug mit ihnen machen und wollten sie fragen, ob sie damit einverstanden wären?« Herr Hegel blickte kurz auf die Uhr.

»Wir möchten, dass sie uns ihren elterlichen Hof zeigen«, ergänzte seine Frau.

»Nein, nie.« Julia wurde auf einmal bleich, und ihre Angst wurde deutlich sichtbar.

»Wir müssen aber wissen, wo wir sie finden können, falls sie mit ihrer Befürchtung recht haben und ihre Brüder sie entführen.« Herr Hegel klang in diesem Moment ehrlich besorgt.

»Ja, sie haben Recht, das wäre wichtig.« Julia wurde abrupt in die Realität gezogen. »Aber was ist, wenn sie mich sehen?«

»Wir haben da etwas vorbereitet.« Sie drehte sich zu Frauke, die schon an der Küchentür wartete. »Bitte bringen sie uns, was wir vorbereitet haben.«

Auf dem Tablett, welches Frauke gleich darauf in das Esszimmer trug, sah Julia eine blonde Perücke und eine Sonnenbrille.

Auf ein weiteres Zeichen von Frau Hegel nahm Frauke die Perücke in die Hand und setzte sie Julia auf, dann reichte sie ihr noch die Sonnenbrille.

»Bringen sie bitte einen Spiegel.« Herr Hegel hatte der Verwandlung ebenfalls sehr interessiert zugesehen.

Frauke hatte sich den Spiegel offenbar schon zurecht gelegt, denn kaum, dass Julia sich die Sonnenbrille aufgesetzt hatte, konnte sie sich auch schon im Spiegel betrachten. »Wir steigen aber nicht aus, oder?«

»Das heißt, sie sagen 'ja'?« Herr Hegel schien erleichtert. Er wandte sich an die Dienerin. »Machen sie bitte alles bereit, und sie werden uns begleiten.«

Frauke blickte den Professor ungläubig an.

»Oder möchten sie lieber hier bleiben?« Herr Hegel bemühte sich um einen neutralen Tonfall.

»Oh nein, ich freue mich sehr.« Frauke machte einen fast übertriebenen Knicks. Eine gewisse Nervosität war bei ihr zu erkennen.

»So sollten sie am besten auch zur Universität fahren.« Selbst Herr Hegel hatte im ersten Moment sogar Probleme, seine Lieblingsstudentin wiederzuerkennen.

»Warum denn das?« Julia blickte auf, und ihre Miene zeigte, dass sie die Zusammenhänge noch nicht erkannt hatte.

»Meinen sie nicht, dass ihre Brüder einfach die Universität beobachten und ihnen dann folgen könnten?« Frau Hegel äußerte ihre Bedenken.

»Sie haben Recht, das würde ich ihnen wirklich zutrauen.« Julia seufzte. »Aber was soll ich denn meinen Freunden sagen?«

»Entschuldigen sie bitte, aber haben sie denn welche?« Herr Hegel stand auf. »Ich kenne sie schon lange, und meistens sehe ich sie allein.«

Julia ging verschämt in sich. Ihre einzige Freundin hatte sie quasi aus der Wohnung geworfen, und seitdem hatte es keinen Kontakt mehr gegeben. Trotzdem war Julia noch nicht überzeugt. »Wie soll das gehen? In der Uni kennen mich viele.«

»Wie wäre es, wenn die blonde Frau gleich nach der Ankunft in der Toilette verschwindet?« Frau Hegel hatte sich ebenfalls gegen mögliche Argumente gewappnet. »Und sie kommen wieder heraus.«

»Wird das keine Fragen geben?« Julias Tonfall zeigte, dass sie schon fast überzeugt war.

»Wer sollte denn fragen?« Der Professor war nebenbei recht interessiert daran, ein wenig mehr über Julias sonstigen Bekanntenkreis zu erfahren. »Außerdem kenne ich ihre Mitstudenten. Die wenigsten würden sie überhaupt vermissen, habe ich nicht recht?«

Julia wurde rot und blickte verlegen aus dem Fenster. »Ich glaube, sie haben Recht. Die meisten sind nur neidisch.« Sie hatte es schon oft gehört, dass die anderen sie bewunderten, weil ihr alles so leicht fiel.

»Und sie möchten sich vielleicht auch noch umziehen?« Er blickte zu seiner Studentin. »Nur für alle Fälle.«

Julia blickte an sich herunter und wurde wieder ein wenig rot. »Ja, natürlich.« Sie hatte schon ganz verdrängt, dass sie noch die Lacksachen trug.

»Dann machen sie sich bitte bereit, wir fahren gegen zwei Uhr los.« Frau Hegel drehte sich zu Frauke um und bat sie, ihr zu folgen.

* * *

»Wir hatten gestern über den Gürtel gesprochen, und ich hatte ihre ausweichende Antwort bemerkt.« Obwohl die Küchentür geschlossen war, sprach Frau Hegel leise mit Frauke.

Frauke verzog das Gesicht. »Ich schäme mich wegen meines Zustandes.« Gegenüber Herrn Hegel hätte sie so eine Äußerung allerdings nicht gewagt.

»Ich möchte, dass sie jetzt Julia ihre Unterwäsche zeigen.« Frau Hegel sprach leise, aber trotzdem in einem sehr resoluten Tonfall. »Im Moment ist sie sehr aufgeschlossen, und das müssen wir ausnutzen.«

Frauke seufzte tief. Sie hätte jetzt gern von sich aus um ein paar Pluspunkte gebeten, doch sie wusste, dass das verboten war.

»Sie bekommen zehn Pluspunkte, wenn sie es machen, und noch einmal zwanzig, wenn Julia dann immer noch mit dem Gürtel einverstanden ist.«

Frauke seufzte wieder. Dreißig Punkte, das war ein ganzer Monat, den sie dann früher frei wäre. Es störte sie sehr, dass sie auf diese Weise so einfach erpressbar war.

Andererseits reizte es sie, ein anderes Mädchen in den gleichen Status wie sie zu bringen. Ein wenig kam ihre lange unterdrückte sadistische Seite wieder durch. Schließlich rang sie sich zu einem 'Ich mache es' durch.

* * *

Als Frauke das Zimmer der Studentin betrat, war sie zunächst entsetzt, denn Julia hatte die Möbel umgestellt, so dass ihr kamerafreier Weg jetzt verstellt war. Zuerst wollte sie schimpfen, doch im letzten Moment sagte ihr ihre Vernunft, dass zum einen Julia ihre Möbel so hinstellen konnte wie sie wollte, und zum anderen, dass sie sich verraten würde, wenn sie sich jetzt beschwerte. Trotzdem wollte sie es zumindest 'bemerken'. »Du hast die Möbel umgestellt?«

»Ja!« Julia strahlte sie an. »Es ist dir aufgefallen?« Sie saß auf dem Bett und hatte sich gerade den Rock ausgezogen, jetzt stand sie wieder auf. »Dann kannst du zur Straßenbahn sehen, während wir uns unterhalten.«

Frauke war von dieser Geste so sehr berührt, dass sie ihren Ärger vergaß. Sie drehte sich zu Julia und begann, ihr Kleid aufzuknöpfen. »Frau Hegel möchte, dass ich dir etwas zeige. Setz dich bitte.«

Julia kam der Aufforderung nach und blickte verwundert auf die Dienerin, die ihr hoffnungslos altmodisches Dienstbotenkleid einfach vor sich auf den Boden fallen ließ. Unbewusst folgte Julia dem Kleid mit ihrem Blick, und als es am Boden lag, hob sie ihren Kopf langsam wieder.

»Was ist denn das?« fragte sie mit leiser Stimme, als sie entdeckte, dass Frauke unter dem Kleid nichts mehr weiter trug als eine Art Bikini aus Metall. Dass es ein Keuschheitsensemble war, wollte sie in diesem Moment noch nicht glauben, und sie hatte ihr bisheriges Wissen darüber einfach verdrängt.

»Das ist der Gürtel, den Carolin haben wollte.« Es faszinierte Frauke, Julia zu demselben Keuschheitsgeschirr zu überreden, dem sie selbst unterworfen war. Dabei war es nicht einmal Schadenfreude, sie fand einfach den Gedanken sehr reizvoll, Julias unschuldigen Körper ebenfalls so hinter Stahl verpackt zu wissen und vor allem dabei mithelfen zu dürfen.

Außerdem freute sie sich auch darauf, endlich eine Leidensgenossin zu haben. Es machte es etwas leichter, wenn jemand anderes das gleiche Schicksal wie sie ertragen musste. Auch wenn sie wusste, dass Julia dann Zwangsorgasmen bekam, und ihr selbst waren sie verwehrt. Es tröstete sie ein wenig, dass jetzt auch Julia die Kontrolle darüber abgeben würde, selbst wenn sie dies noch gar nicht wusste.

Frauke wusste schon gar nicht mehr, wie sich so ein Orgasmus anfühlte, so lange war es schon her, dass sie zuletzt einmal kommen durfte. Und dennoch fühlte sie keine Rache, als sie jetzt mithalf, Julia in einen ähnlichen Zustand zu versetzen.

Julia war immer noch dabei, ihren Schrecken zu verarbeiten. Natürlich wusste sie von alten historischen Keuschheitsgürteln. Sie hatte jedoch nicht erwartet, dass es so etwas heute noch gab, und erst recht nicht, dass sie selbst jetzt ihre Zustimmung dazu geben sollte, selbst einen zu tragen.

Doch sie fühlte sich besonders Carolin verpflichtet, die sich in dem Tagebuch so sehr auf ihren Gürtel gefreut hatte und den sie offenbar nicht mehr erleben durfte. 'Carolin, ich werde dich würdig vertreten', dachte sie bei sich, dann blickte sie Frauke ins Gesicht. »Eigentlich sieht es aus wie ein Bikini.«

»Aber es hat eine viel schlimmere Wirkung.« Frauke hatte kurzfristig ihre Meinung geändert, denn sie empfand schon jetzt auch ein wenig Mitleid mit Julia und ihrem unschuldigen Körper, der sich bald 'teuflischen Torturen' ausgesetzt sehen würde, wenn es bei Hegels vereinbarten Zielen blieb.

Im Gegensatz zu ihr selbst würde der Keuschheitsgürtel bei Julia nur den Zweck haben, ihr die Selbstbestimmung über ihr Intimleben zu nehmen, und daran sollte sie langsam gewöhnt werden. Im allerbesten Fall würde sie sogar daran Gefallen finden, wenn sie auf einmal mitten in der Fußgängerzone zu einem Orgasmus gezwungen werden würde - etwas, dass Frauke auch jetzt noch mehr als verabscheute.

Sie selbst war auch in der Situation gewesen, doch bei ihr hatte es einmal nicht klappen wollen. Zu sehr war sie schon von ihrer Vergangenheit geprägt gewesen, als dass sie in der Lage gewesen wäre, sich den Vibratoren einfach hingeben zukönnen. Erst am Abend im Bett schaffte sie es, sich den Reizen zu öffnen, weil sie sich hier in einer geschützten Umgebung befand.

Sie setzte sich neben Julia und ermutigte sie, ihr Ensemble ruhig einmal anzufassen.

Doch noch hielt Julia ihre Hände still. »Und der BH?« Sie sprach etwas leiser. »Wofür ist der?«

Frauke lächelte trotz der Anspannung. »Muss ich dir das wirklich erklären?« Doch die Studentin blickte so verwundert, dass Frauke weiter sprach. »Hast du das noch nie gespürt? Wenn er sie zärtlich zwischen die Finger nimmt?«

»Nein, noch nie.« Sie wollte nicht zugeben, dass es 'ihn' in dieser Form noch nicht gegeben hatte. Die wenigen Jungs, mit denen sie bisher zusammen war - sie weigerte sich, sie Männer zu nennen - waren nur an sich selbst interessiert gewesen.

Frauke beugte sie zu ihr hinüber und knöpfte ihr langsam die Bluse auf. »Warum trägst du keinen BH?«

»Ich wollte es direkt spüren.« Julia hatte Schwierigkeiten zu antworten.

»Siehst du, sie sind empfindlich.« Fraukes Hand näherte sich langsam Julias Brust, und als die Studentin nicht zurückwich, machte Frauke weiter.

Die erste Berührung ließ Julia zusammenzucken. Sie biss sich auf die Lippen, um nicht aufstöhnen zu müssen.

»Du willst mir aber nicht erzählen, dass du dich selbst dort nicht berührst?« Frauke hatte mittlerweile ihren eigenen Zustand ganz vergessen.

Julia errötete noch mehr. Ohne dass sie es steuern konnte, öffneten sich ihre Lippen ein wenig. Es störte sie etwas, dass sie sich in diesem Moment als so unerfahren zeigte, denn das war sie bei weitem nicht. Doch sie mochte sich jetzt auch nicht auf eine Diskussion darüber einlassen.

Frauke wurde mutiger. Sie nahm eine Brustwarze zwischen ihre Finger und begann leicht zu reiben.

Julia schloss die Augen und stöhnte leicht auf.

»Merkst du, wie leicht du dort erregbar bist?« Frauke sprach langsam weiter. Sie genoss den Moment, denn sie wusste, dass sie gleich abbrechen würde. »Davor soll der BH dich schützen.« Sie ließ Julias Brust wieder los und ergriff stattdessen ihre Hand und führte diese auf ihre eigene Brust. »Siehst du, ich spüre davon nichts.«

Julia machte die Augen wieder auf. »Und das gehört zum Gürtel dazu?« Ihre Stimme war noch sehr leise.

»Das gehört dazu.« Frauke bemühte sich, ihre Stimme wieder neutral klingen zu lassen. Sie hatte den kleinen Moment der Verführung sehr genossen, obwohl sie ansonsten in dieser Richtung ebenfalls eher unerfahren war.

»Und was sind das für Ringe um deine Oberschenkel?« Julia wollte vor allem sich selbst nicht eingestehen, dass sie eigentlich schon wusste, was ein Keuschheitsgürtel war. Allerdings war sie sowohl von der Situation als auch von diesem Zubehör mehr als überrumpelt.

»Die Ringe bewirken, dass ich meine Beine nicht mehr spreizen kann.« Ihre Hand spielte mit der Kette zwischen den Beinen. »Ich könnte sonst versuchen, mit meinen Fingern unter den Schild des Gürtels zu greifen.«

»Also eine ganz sichere Sache.« Julia blickte nachdenklich aus dem Fenster. Insgeheim wusste sie, dass die Entscheidung, die sie jetzt treffen würde, sehr schwere Konsequenzen haben würde. »Bitte sage Frau Hegel, dass ich einverstanden bin.«

Frauke hatte eigentlich erwartet, dass sie innerlich jubeln würde, doch sie hatte in erster Linie Mitleid mit Julia, die noch nicht ahnte, was wirklich alles auf sie zukommen würde.

Es klopfte, und nach dem 'Herein' trat Frau Hegel ein. Julia sah sofort, dass sie ein Maßband, einen Zettel und etwas zu schreiben in der Hand hatte.

»Ich bin einverstanden.« Julia wiederholte ihre Zustimmung.

»Langsam, langsam, mein Kind.« Frau Hegel kam zum Bett. »Ich will ihre Zustimmung erst dann, wenn sie wissen, wie es sich anfühlt.«

»Aber das Maßband? Sie wollen doch bei mir maßnehmen.« Julia warf einen Blick auf den Zettel. »Das wird doch eine Maßanfertigung, ohne dass sie wissen, ob ich zustimme? Da ist doch etwas faul.« Ihre Stimme war aufgebracht, ohne dass sie es wirklich beabsichtigt hatte.

»Das Risiko müssen wir eingehen.« Frau Hegel führte diese Diskussion bei weitem nicht zum ersten Mal. »Sie sollen sich dagegen entscheiden dürfen, auch wenn wir viel Geld dafür ausgegeben haben.«

Julia blickte noch einmal zu Frauke.

»Außerdem hätten wir das Geld für Carolin auch ausgegeben.«

»Ich komme sehr gut damit zurecht.« Frauke streichelte Julia kurz über den Kopf. Sie verschwieg dabei allerdings, dass sie auch keine Alternative hatte.

Frau Hegel hatte die sehr zärtliche Geste bemerkt und griff sie auf. »Frauke wird sich dann um sie kümmern und ihnen bei allen Aspekten helfen.«

In Gedanken sah sich Julia schon auf dem Bett liegen, Arme und Beine an die Bettpfosten gebunden, und Frauke öffnete dann ihre eiserne Rüstung. »Du wirst dann meine Schlüsselherrin?« Erst nach dem sie es ausgesprochen hatte, wurde ihre klar, dass sie so offenbarte, sich mit dem Thema Keuschheit schon einmal befasst zu haben.

Frauke hatte schon den Mund geöffnet und wollte es gerade aussprechen, als sie von Frau Hegel unauffällig einen kleinen Hieb in die Seite bekam. »Ja, Frauke wird auf sie aufpassen.« Sie lächelte. »Ich bin froh, dass sie es uns so leicht machen.«

»Außerdem ist es ja vorrangig zu deinem Schutz.« Frauke lächelte.

Julia blickte auf die Gegenstände, die Frau Hegel immer noch in ihren Händen hielt. »Also bitte, messen sie mich aus.« Ohne dass sie dazu aufgefordert wurde, zog sie auch noch ihre Bluse aus. Zu ihrer eigenen Überraschung hatte sie überhaupt kein Problem damit, sich vor der Frau ihres Professors zu entblößen.

»Dann wollen wir mal.« Frau Hegel reichte Frauke Stift und Zettel, dann rollte sie das Maßband auseinander. »Bitte stehen sie auf.«

64. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von mpwh66 am 21.11.17 07:19

Moin
Der eigenen neugierde folgen
Danke immer weiter bitte
Gruss mpwh66
65. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von der suchende am 21.11.17 07:33

Wie immer Klasse geschrieben. Danke dafür.
66. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 4 - Schwestern - Teil Fünf von Sieben

geschrieben von gag_coll am 24.11.17 06:02

Der Mantel der Studentin
Kapitel 4 - Schwestern - Teil Fünf von Sieben
Autor: Karl Kollar

»Die Perücke macht eine ganz andere Person aus dir.« Frauke saß hinten im Auto neben Julia und blickte sie verwundert an.

»Das hoffe ich.« Ihrer Stimme war anzuhören, dass Julia sich bei weitem noch nicht sicher war, ob sie nicht doch erkannt werden würde. »Jetzt bitte links.« Sie waren mittlerweile in ihrem Heimatdorf angekommen, und sie gab ihrem Professor die Anweisungen, wie er zu fahren hatte.

Wieder blickte sie kurz heimlich zu Frauke, weil sie über sie verwundert war. Die ganze Zeit, während sie auf der Autobahn waren, hatte die Dienerin immer wieder schnell ihre Tränen weggewischt.

Die Studentin hatte es die ganze Zeit beobachtet, doch sie konnte sich zunächst keinen Reim darauf machen. Erst als Frauke sich aktiv für den schönen Ausflug bedankte und dabei extra erwähnte, dass sie so etwas zum ersten Mal erleben durfte, begann sie zu verstehen, was im Kopf der Dienerin vorzugehen schien.

Sehr gern hätte Julia die Hintergründe zu Frauke erfahren, doch sie war sich mittlerweile sicher, dass etwas Trauriges und vielleicht sogar Schmerzhaftes zu Tage treten würde, wenn sie in dieser Richtung weiter bohren würde. Deswegen verzichtete sie darauf, von sich aus nachzuhaken.


»Hier ist es.« Julia blickte vorsichtig durch das Seitenfenster auf den elterlichen Hof. »Dort auf der rechten Seite.«

Der Wagen blieb am Straßenrand zwischen zwei großen Bauernhöfen stehen. Herr Hegel stellte den Motor ab und schnallte sich ab.

Frau Hegel drehte sich nach hinten um. »Wir gehen ein paar Schritte, und sie kommen mit.« Sie sagte es in einem Ton, den Julia bisher noch nie von ihrer Vermieterin gehört hatte und dem sie einfach nicht zu widersprechen wagte.

Als sie die Tür öffnete, zitterte sie am ganzen Körper, und gleich nach dem Aussteigen blickte sie sich ängstlich um.

»Sie brauchen keine Angst zu haben, es wird sie keiner erkennen.« Herr Hegel blickte sich ebenfalls um. »Es scheint keiner da zu sein?«

»Um diese Zeit sind sie bestimmt alle auf den Feldern.« Julia war ein wenig erleichtert, weil sie auch keinen sonstigen Bekannten erblickte. Sie ärgerte sich, weil sie mitgefahren war, doch sie hatte es nicht gewagt, ihren Vermietern zu widersprechen.

Frau Hegel schien die Unsicherheit ebenfalls zu spüren. »Es wird sie wirklich keiner erkennen. Schauen sie sich doch einmal an.«

Julia blickte an sich herunter und musste unwillkürlich lachen. Sie sah wirklich aus wie das sprichwörtliche Mädchen aus der Stadt mit schicker weißer Bluse und einem dazu passenden fast bodenlangen Rock, der ihre Schuhe mit den hohen Absätzen gut versteckte. Darüber trug sie den besagten Mantel, bei dem im Moment aber alle restriktiven Reißverschlüsse offen waren.

So wäre sie nie im Dorf herumgelaufen.

»Außerdem tragen sie Sonnenbrille und Perücke. Wer sollte sie denn so erkennen?« Herr Hegel war ernsthaft bemüht, seiner Studentin die Angst zu nehmen.

»Waldi, der Hofhund wird mich erkennen.« Julias Stimme zeigte weiterhin ihre Angst. »Der lässt sich von so etwas nicht täuschen.«

»Aber sie sagten doch, dass er eingeschläfert werden musste.« Es tat Frau Hegel weh, Julia daran zu erinnern, doch jetzt würde es ihr vielleicht die Angst nehmen.

»Ja, sie haben Recht.« Julia wagte es jetzt das erste Mal, ihren Kopf zu heben. »Ich hoffe trotzdem sehr, dass mich keiner erkennt.«

»Und selbst wenn, wir können sie beschützen.« Herr Hegel ergriff die Hand seiner Frau. »Leben ihre Großeltern noch?«

»Mein Opa ist vor kurzem gestorben«, antwortete Julia mit leicht trauriger Stimme und senkte den Kopf.

»Dann möchten sie vielleicht sein Grab besuchen?« Frau Hegel war erleichtert, ein Ziel für den eigentlich improvisierten Spaziergang gefunden zu haben.

»Ja, das wäre schön.« Julia hob den Kopf wieder. »Ich war bisher nur ein einziges Mal da.«

Den Rest des Weges gingen sie schweigend. Immer wenn ihnen Passanten entgegen kamen, zuckte Julia zusammen, denn in dem kleinen Dorf kannte sie jeden. Doch zu ihrer Erleichterung wurde sie nie erkannt, und die Dorfbewohner grüßten eine ihnen völlig unbekannte Familie, Vater und Mutter mit offenbar zwei Töchtern.

Je näher sie dem Friedhof kamen, desto sicherer wurde Julia. »Es erkennt mich wirklich keiner.«

»Sie halten uns für eine Familie aus der Stadt, die einen Ausflug auf ein Dorf unternommen hat.« Frau Hegel lächelte.

»Und wir sind Schwestern.« Julia ergriff Fraukes Hand und hielt sie fest. »Das machen Schwestern doch so, oder? Wir gehen Hand in Hand.« Sie spürte deutlich, dass Frauke diese Geste nicht gleichgültig war.

Erst auf dem Friedhof ließ Julia die Hand der Dienerin los und trat allein an das Grab ihres Großvaters. Frauke und ihre Vermieter hielten respektvollen Abstand.

Doch zu lange wollte sie nicht verweilen, sonst wäre es bestimmt aufgefallen, dass die fremde blonde Frau sich ausgerechnet für das Grab des alten Herrn Sommer interessierte. Das hätte vielleicht Fragen gegeben.

Für den Rückweg schlug Julia einen anderen Weg vor. »Er ist zwar ein klein wenig länger, aber dann kämen wir an unserer Weide vorbei. Ich würde gern einmal nach den Tieren schauen.

* * *

Michael Sommer stand auf der Weide und war gerade dabei, das Tor zu reparieren, als er sah, dass die Kuh Rosa sehr zügig vorn an den Zaun zur Straße gegangen war. Er blickte ihr verwundert hinterher, denn so etwas machten die Kühe seiner Eltern eigentlich nie. Nur seine Schwester hätte es vielleicht schaffen können, Rosa zu so etwas zu bewegen, denn diese Kuh war Julias Liebling gewesen.

Er musste lächeln, als er daran dachte, wie es zu der engen Bindung gekommen war. Das Kälbchen war genau an Julias Geburtstag zur Welt gekommen, und deswegen durfte sie es selbst aufziehen. Das hatte zu einer sehr starken Bindung zwischen den beiden geführt, und seit Julias Fortgang hatte sich anfangs sogar Rosas Milchleistung verschlechtert.

Und dass sie jetzt an den Zaun ging, konnte nur eine einzige Ursache haben, doch genau diese Erklärung war eigentlich unmöglich. Er ließ sein Werkzeug fallen und ging langsam auf die Kuh zu.

Beim Näherkommen sah er, dass sich vier Personen auf der Straße befanden, von denen eine an den Zaun herangetreten war und Rosa streichelte. Und beim Näherkommen glaubte er sogar Tränen in dem Gesicht zu erkennen.

Die Leute sahen alle aus wie typische Leute aus der Stadt, sehr vornehmes Gewand, was hier im Dorf eher am Sonntag getragen wurde, wenn überhaupt, aber nicht an einem Freitag kurz nach dem Mittagessen.

Auf einmal fiel es ihm wie Schuppen von den Augen, und plötzlich erkannte er seine Schwester. »Julia?« Trotz der Entfernung zwischen ihnen sprach er leise.

»Michael?« Seine Schwester blickte erschrocken auf. »Wie hast du mich erkannt?«

»Das war nicht ich.« Michael blickte verwundert auf das große Tier. »Rosa hat dich erkannt.«

Auf einmal wurde Julias Stimme weich. »Ja, Tiere lassen sich vom Äußeren nicht täuschen.« Sie wischte sich die Tränen weg und blickte ihren Bruder flehend an. »Bitte geh wieder und vor allem verrate mich nicht.«

»Was hast du denn hier gemacht?« Michael war sehr erstaunt, seine Schwester hier anzutreffen.

»Ich war bei Opa am Grab.« Julia blickte zu Boden.

»Man sieht sich.« Michael drehte sich um und ging wieder zu seiner Arbeit, als wäre nichts gewesen.

Julia schossen wieder die Tränen ins Gesicht, und sie streichelte Rosa noch einmal über das Fell, dann ging sie mit traurigen Schritten zurück zur Straße. Auf einmal spürte sie, wie sich ein Arm um sie legte.

»Schwestern müssen doch zusammenhalten.« Frauke reichte ihr ein Taschentuch.

Julia nahm es dankbar entgegen und wischte sich damit das Gesicht.

Den Rest des Weges bis zum Auto gingen sie schweigend. Erst am Auto lockerte Frauke ihre Umarmung.

Julia schluchzte noch einmal. »Das war schön. Danke dafür.« Es war allerdings nicht ganz klar, wofür genau sie sich bedankte.

»Warum haben sie heute eigentlich die zwei Vorlesungen geschwänzt?« Herr Hegel nahm den Schlüssel zur Hand.

Julia unterdrückte den Impuls zu fragen, wie er das erfahren hatte. Sie blickte ihn erschrocken an, denn sie hatte nicht erwartet, sich rechtfertigen zu müssen. »Ich... ich...« Sie stotterte zunächst. »Ich wollte mich endlich einmal genauer im Zimmer umsehen.« Doch schnell erkannte sie, dass dies nicht die richtige Begründung sein konnte. »Die erste Vorlesung war ausgefallen, und dann hätte ich noch eine Freistunde gehabt. Dann erst wären die beiden Vorlesungen gewesen.« Sie nannte die Fächer der beiden Vorlesungen und blickte ihren Professor an wie ein kleines Kind, dass bei Unfug ertappt wurde.

»Ja, das hätte ich genauso gemacht.« Herr Hegel öffnete das Auto. »Steigen wir ein und fahren zurück.«

Insgeheim war Julia sehr erleichtert. Durch die Frage hatte er alle ihre Gedanken an den elterlichen Hof vertrieben, und der Ausflug hatte ihr nebenbei auch gezeigt, dass ihre Tarnung wirklich belastbar war.

»Sie müssen noch den geänderten Vertrag unterschreiben.« Herr Hegel wartete, bis sich alle angeschnallt hatten. »Das machen sie bitte, bevor sie den Handschuh anprobieren.«

Trotz ihrer Anspannung musste Julia lachen. »Ja, natürlich. Umgekehrt geht es auch schlecht.«

* * *

Julia hatte es vor lauter Anspannung nicht mehr in ihrem Zimmer gehalten, seit Frau Hegel angekündigt hatte, dass sie nach dem Kaffee bei ihr vorbeikommen würde, um ihr das erste Mal Carolins Handschuh anzulegen. Sie war hinunter gegangen und hatte Frauke gefragt, ob sie ihr beim Tischdecken helfen könne.

Natürlich wusste sie, dass sie es damit nicht beschleunigen konnte, doch so war sie wenigstens ein wenig abgelenkt. Außerdem hoffte sie, die erste zarte Bindung an ihre neue 'Schwester' etwas verstärken zu können.

Sie hatte sich in Rekordzeit umgezogen und hatte sogar darauf verzichtet, sich auf dem Weg von ihrem Zimmer bis zur Treppe den Reißverschluss des Rockes ganz zu schließen, was ihr einen Eintrag in ihr schlechtes Gewissen einbrachte. Doch die Vorfreude auf Carolins Handschuh war stärker.

Nachdem Hegels sich gesetzt hatten, bekam sie die Änderung ihres Mietvertrages vorgelegt und musste die wenigen Sätze, die auf dem Blatt standen, erst lesen und dann unterschreiben. Damit verpflichtete sie sich, die Nacht immer im strengen Nachthemd zu verbringen und bekam dafür die Erlaubnis, den Mantel nur noch dann zu tragen, wenn sie es für sicher und richtig hielt. Ausnahmen von dieser Klausel waren möglich, mussten aber mit Hegels abgesprochen werden.

»Okay, das hätten wir.« Herr Hegel nahm Julia eines der beiden Schriftstücke wieder ab und steckte es sich in sein Jacket, nachdem er es zweimal gefaltet hatte. »Ihr Exemplar legen sie bitte zu ihrem Mietvertrag.« Er sah zu seiner Frau. »Jetzt hätte ich gern eine Tasse Kaffee.«

Julia blickte sich kurz im Raum um, und ihr Blick blieb auf der Kommode hängen. Jetzt war dort eine Fotografie in einem Rahmen aufgestellt, und Julia erkannte das Bild. Es zeigte das Mädchen im Handschuh von der Seite. Ihre Nervosität steig noch weiter, und sie hatte stellenweise Schwierigkeiten, ihre Tasse festzuhalten.

»Frauke, stellen sie das Bild bitte auf den Tisch, damit sich Julia nicht immer den Hals verdrehen muss.« Herr Hegel genoss sichtlich die Situation.

Frauke kam der Aufforderung nach, und Julia wurde noch eine Spur röter.

Durch die drei Bilder von Carolin wusste sie ungefähr, was auf sie zukommen würde, und sie fragte sich, ob es sich besser anfühlen würde, als bei den Straf- und sonstigen Aktionen ihrer Brüder. Sie hatten ihr oft die Arme auf den Rücken gebunden, doch bei diesen Aktionen hatte sie immer noch die Hände frei gehabt.

Bei diesem Handschuh wären ihre Finger unten in der Hülle gefangen, und sie würde ihre Arme nur noch wie einen Stock einsetzen können. Sie war insgeheim erleichtert, dass sie es gewöhnt war, mit leichten Restriktionen umgehen zu müssen. Für Carolins Aufgabe würde ihr dies sicher helfen.


Endlich hob Herr Hegel die Kaffeetafel auf, in dem er aufstand und den Raum verließ. Julia blickte Frau Hegel sehr erwartungsvoll an.

»Bitte gehen sie auf ihr Zimmer und ziehen sich ein bequemes Oberteil an, welches die Arme frei lässt.« Sie blickte kurz auf das Foto. »Sie könnten dann die Handschuhe schon einmal bereit legen.«

Julia folgte dem Blick und erkannte, dass das Mädchen auf dem Foto ein Art Spaghetti-Top trug.

»Und denken sie bitte daran, was sie bezüglich ihres Rockes versprochen haben.« Frau Hegel war sehr fasziniert von Julias freiwilliger Bereitschaft, sich in ihre Kleidung einzusperren. »Frauke, sie räumen in der Zwischenzeit den Tisch ab.« Sie blickte sie an und zwinkerte kurz in ihre Richtung.

Kaum waren Julias Schritte auf der Treppe zu hören, als Frau Hegel ihre Dienerin zu sich bat. »Sie kommen bitte mit und helfen mir.«

Als Frauke ein wenig verwundert auf den Tisch blickte, fuhr sie fort. »Das können sie später auch noch machen. Ich möchte, dass sie dabei sind. Falls Julia in dem Handschuh kommt, nehmen sie sie dann bitte in den Arm und streicheln sie. Dafür bekommen sie auch ein paar Pluspunkte.«

Frauke lächelte. »Sie meinen, dass es passieren könnte?«

»Ich rechne stark damit.« Frau Hegel blickte zum Treppenhaus. »So nervös war sie schon lange nicht mehr.«

»Sie haben sie ja auch ordentlich aufgeheizt.« Die Dienerin lachte und stellte das Bild wieder auf die Kommode.

»Vorsicht Frauke, das ist ganz dünnes Eis.« Doch dann lachte sie auch. »Doch sie haben schon Recht.«

»Wird sie auch eine Perle tragen?« Frauke konnte das Leuchten in ihren Augen nicht unterdrücken.

»Nein.« Frau Hegel widersprach. »Sie soll mir beschreiben können, wie sie sich fühlt.«


Oben an der Treppe blieb Julia stehen und beugte sich hinab, um sich den Rock zu schließen. Hatte Frau Hegel wirklich gewusst, dass sie vorhin geschummelt hatte? Warum hätte sie sie sonst noch mal ausdrücklich an ihre Selbstverpflichtung erinnern sollen? Auf jeden Fall nahm sie sich vor, ab jetzt grundsätzlich ehrlich zu bleiben. Ohne schlechtes Gewissen lebte es sich einfach leichter.

In ihrem Zimmer angekommen machte sie zunächst auf dem Schreibtisch Platz, dann ging sie zum Schrank und trug die Schublade mit den diversen Handschuhen auf den Schreibtisch. Ihre Hände zitterten, als sie den ersten Handschuh heraus holte und ihn genauer untersuchen wollte. Doch dann hielt sie inne, denn sie erinnerte sich wieder daran, dass sie sich noch ein anderes Oberteil anziehen sollte.

Sie blickte an sich herunter, und ihr fiel auf, dass sie auch noch die Straßenkleidung trug. Nach dem Spaziergang war sie so auf den Handschuh fixiert gewesen, dass sie ganz vergessen hatte, sich umzuziehen. Jetzt war sie erleichtert, dass sie diesbezüglich keinen Tadel bekommen hatte.

Sie befreite sich von dem Rock, dann ging sie zum ersten Schrank und machte sich auf die Suche nach einem geeigneten Kleidungsstück. Schnell hatte sie ein ebenfalls schwarzes Top gefunden und zog es über.

Als sie danach zum Lackrock griff, fiel ihr ein, dass sie das Top eigentlich hätte im zweiten Schrank suchen müssen. Sie zog sich den Rock an, schloss alle Reißverschlüsse und trat dann vor den zweiten Schrank. Doch so sehr sie auch suchte, sie fand nichts Entsprechendes. Alle Oberteile in diesem Schrank waren mit langen Ärmeln.

»Haben sie sich schon mit den Handschuhen vertraut gemacht?« Frau Hegel schloss die Tür hinter sich, nachdem auch Frauke eingetreten war.

»Nein.« Julia musste eingestehen, dass sie schon wieder einer Aufforderung nicht nachgekommen war. »Ich bin noch dabei, ein Lacktop zu suchen, habe aber bisher nichts gefunden.«

Frau Hegel drehte sich kurz zu Frauke und flüsterte. »Haben wir die vergessen?«

»Könnte schon sein.« antwortete Frauke in der gleichen Lautstärke. »Wie kommen wir da wieder heraus?«

»Ich lasse mir etwas einfallen.« Frau Hegel kam näher und blickte Julias Oberkörper an. »So geht es ja auch.« Insgeheim ärgerte sie sich sehr über diesen Fehler. In der aktuellen Situation konnte jede Kleinigkeit das so mühsam aufgebaute Kartenhaus zum Einsturz bringen.
67. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von mpwh66 am 24.11.17 11:19

Moin fast Wochenende und dann passend einen neuen Teil von der neugierigen Studentin dazu ....
Besten dank und ein gutes Wochenende
Gruss mpwh66
68. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von HeMaDo am 26.11.17 15:41

- Nein, diese Geschichte lese ich ganz bestimmt nicht.
- Wieder ein neuer Teil. Nein, ich warte, bis sie komplett hier steht.
- Na gut, einen Teil kann ich ja lesen, mal sehen worum es überhaupt geht.
- Einen Teil kann ich ja noch...

- Verdammt, das war's schon?

Dein Stil ist klasse und auch wie du die Charaktere aufbaust und nach und nach Informationen tröpfeln lässt, finde ich toll.
Das erhöht die Spannung langsam und macht Lust auf mehr zu lesen.

Aber mehr gibt es ja nicht.

Ich freue mich schon auf den nächsten Teil.

Aber eine Frage habe ich doch: Wie viele Kapitel werden es eigentlich?
Oder habe ich die Antwort auf diese Frage irgendwo überlesen?


HeMaDo
69. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von gag_coll am 26.11.17 18:50

Zitat
- Nein, diese Geschichte lese ich ganz bestimmt nicht.
- Wieder ein neuer Teil. Nein, ich warte, bis sie komplett hier steht.
- Na gut, einen Teil kann ich ja lesen, mal sehen worum es überhaupt geht.
- Einen Teil kann ich ja noch...
- Verdammt, das war's schon?
Danke, das ist auch ein sehr schönes Kompliment...
Zitat
Dein Stil ist klasse und auch wie du die Charaktere aufbaust und nach und nach Informationen tröpfeln lässt, finde ich toll.
Das erhöht die Spannung langsam und macht Lust auf mehr zu lesen.
Es freut mich, dass zu hören. Es zeigt mir, dass ich es richtig mache.
Zitat
Aber eine Frage habe ich doch: Wie viele Kapitel werden es eigentlich?
Im Gegensatz zu Maria kann ich das bei dieser Geschichte noch nicht beantworten. Aber ich weiß, dass die Handlung mit dem 24. Dezember enden wird. Und "heute" ist der 10. Oktober.
70. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von gag_coll am 26.11.17 18:55

Zitat
... ganz insgeheim dachte ich schon dran, ob es wohl im Hause Hegel einen engelsweißen oder auch gläsernen Sarg oder eine entsprechende Standvitrine zum in völlig unbeweglichem Zustand \"Ausgestelltwerden\" gibt, aber dann fielen mir glücklicherweise die Engelsflügel ein, die ja dort in angelegtem Zustand aufgrund der Schwingenspannweite wohl gar nicht reinpassen würden ^^
Du hast recht, im Haus der Hegels passt das nicht... aber auf der Burg im großen Rittersaal wäre für so eine Vitrine durchaus platz... und der Gedanke, dass dort ein Engel steht, gefällt mir ausnehmend gut. Wenn du erlaubst, würde ich die Idee gern aufgreifen.
Und falls du noch mehr solche Ideen hast, trau dich ruhig, sie zu äußern.
71. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von Moira am 26.11.17 19:15

Lieber "gag",

da sage ich doch lächelnd "feel free to ..."

Freut mich doch sehr, wenn ich - für die vielen "Inspirationen", die Du uns schenkst - mich mit einer kleinen solchen ein ganz klein bissel revanchieren konnte/durfte.

♥lichst grüßend ~ M
72. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 4 - Schwestern - Teil Sechs von Sieben

geschrieben von gag_coll am 28.11.17 04:53

Der Mantel der Studentin
Kapitel 4 - Schwestern - Teil Sechs von Sieben
Autor: Karl Kollar

Julia ging mit eiligen Schritten zum Schreibtisch und warf wieder einen Blick in die Schublade. »Ich wollte sie nach Farben sortieren.« Natürlich wusste sie, dass die Farbe sicher ein unwichtiges Kriterium war, doch sie wollte ihr Interesse bekunden.

»Das ist zwar möglich, aber nicht zielführend.« Frau Hegel kam ebenfalls zum Schreibtisch. »Es gibt zwei andere wichtige Kriterien, nach denen die Handschuhe unterschieden werden.« Sie hob den Handschuh auf, den Julia schon herausgenommen hatte. »Dies hier ist zum Beispiel ein Ledermeister-Handschuh zum Schnüren.«

»Es geht darum, wie sie zu schließen sind und wie die Halteriemen verlaufen.« Frauke kam näher. Auch sie war sehr gespannt, wie Julia auf die Handschuhe reagieren würde.

»So einen hat Carolin auf dem Foto getragen?« Julias Stimme wurde etwas leiser.

»Ja, das ist richtig.« Frau Hegel nahm es nebenbei zur Kenntnis, dass Julia das Mädchen auf dem Foto mit 'Carolin' bezeichnet hatte, obwohl sie ihr gesagt hatte, dass es von ihrer Tochter keine Fotos gebe. »Das ist aber ein Handschuh für Fortgeschrittene. Anfänger sollten mit einem anderen Handschuh anfangen.«

»Was genau sind die Unterschiede?« Eigentlich konnte Julia die Zeit nicht abwarten, doch sie wollte trotzdem Geduld zeigen.

»Der Handschuh kann entweder mit einem Reißverschluss oder mit einer Schnürung geschlossen werden.« Frauke nahm ein weiteres Exemplar aus der Schublade und legte es neben den ersten Handschuh, so dass Julia vergleichen konnte.

Julia blickte wortlos auf die beiden Handschuhe, die jetzt vor ihr lagen. Sie fragte sich, ob sie sich selbst für eine Variante entscheiden müsste.

»Der wichtige Unterschied ist, dass es bei der Schnürung noch möglich ist, den Handschuh vielleicht nicht ganz zu schließen.« Frauke blickte zu Julia und lächelte sie an.

»Verstehe.« Julia nahm den Blick auf. »Bei dem Reißverschluss gibt es diese Möglichkeit nicht.« Sie nahm den entsprechenden Handschuh in die Hand. »Entweder er passt oder...« Sie sprach nicht weiter, sondern legte den Handschuh wieder zurück.

»Es gibt noch einen ganz speziellen Trainingshandschuh, dieser hat einen Reißverschluss und eine Schnürung.« Frau Hegels Stimme war leise. Insgesamt war sie mit Fraukes Handlungen bis jetzt sehr zufrieden.

Julia schien laut zu denken. »Mit der Schnürung kann er angepasst werden und kann dann mit dem Reißverschluss schnell an- und abgelegt werden?«

»Genauso ist es.« Frau Hegel war mit den bisherigen Verlauf sehr erfreut. »Das wird ihre Hausaufgabe für morgen, wenn sie mit Frauke allein sind. Sie passen sich den Traningshandschuh für sich an und können ihn dann schnell an- und ablegen.«

Julia blickte verwundert auf.

»Wir hatten ihnen doch gesagt, dass wir auf morgen auf einer Hochzeit eingeladen sind.« Frau Hegel war sich nicht ganz sicher, in wie weit sie Julia schon über die Pläne für das Wochenende informiert hatte. »Die Hochzeit eines Oberengels.«

»Stimmt, das hatten sie gesagt.« Julia gab sich verlegen. »Und mit welchem Handschuh sollte ich anfangen?«

»Der zweite Unterschied ist der Verlauf der Halteriemen, und für Anfänger ist der X-Riemen der bessere.« Frau Hegel griff in die Schublade und zog recht zielstrebig einen weiteren diesmal schwarzen Handschuh heraus. »Der heißt so, weil die Riemen über der Brust ein Kreuz bilden. Mit dem hier fangen wir an.« Sie legte die Lederhülle vor Julia auf den Tisch.

Julia schluckte. Jetzt würde es also losgehen. Bis jetzt konnte sie den Moment nicht erwarten, doch auf einmal hatte sie Angst vor dem Kommenden. Sie nahm den Handschuh in die Hand, um ihn scheinbar genauer zu betrachten. Stattdessen wollte sie aber nur noch etwas Zeit gewinnen.

»Sollen wir dir vorher die Arme auf dem Rücken zusammenbinden? Das macht es vielleicht etwas einfacher.« Frauke hatte das Zögern auch bemerkt, und es hatte sie an ihre eigenen Versuche erinnert.

»Nein, das wird nicht nötig sein.« Julia ließ den Handschuh auf den Tisch fallen, dann legte sie ihre Arme auf den Rücken. Ihre Ellenbogen berührten sich fast. Sie drehte sich um, so dass sie ihre Arme zeigen konnte.

»Super, Schwesterchen, bleib bitte gleich so.« Frauke griff sich den Handschuh und trat neben Julia. »Zeig mir deine Arme, halte still und lächle.«

In diesem Moment war Julia wie gelähmt. Sie hätte es gern noch etwas hinausgezögert, doch sie konnte sich jetzt quasi nicht mehr bewegen. Mit Gänsehaut fühlte sie, wie Frauke langsam die Lederhülle an ihren Armen empor zog.

Frau Hegel war hinzugetreten und fasste hier und da mit an, hielt sich ansonsten aber weitgehend zurück.

»Zuerst werden wir die Riemen anlegen.« Frauke trat vor Julia und lächelte sie an, während sie für den richtigen Verlauf der Riemen sorgte.

Frau Hegel nahm die Enden entgegen und führte sie sofort in die ansprechend wartenden Schnallen ein. »Wenn die Schnürung geschlossen ist, ziehen wir die Riemen noch einmal nach.«

Frauke machte sich daran, die Schürung auf Julias Rücken zu schließen.

Was sie genau tat, konnte Julia nicht erkennen, doch sie spürte deutlich, wie sich ein leichter Druck immer weiter über ihre Arme legte und dabei immer weiter nach oben wanderte. Sie biss sich auf die Lippen, um ihre Gefühle unter Kontrolle zu halten. Noch war die Angst vor dem Unbekannten größer als ihre Erregung. Immer fester legte sich das Leder um ihre Arme, und dabei war es doch nicht unangenehm, im Gegenteil, Julia war dabei, sich zunhehmend wohl zu fühlen.

»So, fertig.« Fraukes Stimme war ungewohnt leise. Sie trat ein paar Schritte zurück.

»Ziehen sie bitte jetzt noch die Riemen nach.« Frau Hegel war von Julias veränderter Erscheinung ebenfalls sehr beeindruckt. »Mindestens ein Loch auf jeder Seite sollte es noch enger werden.«

»Kann ich meine Arme jetzt entlasten?« Die Formulierung kam Julia zwar etwas komisch vor, doch sie wusste es in dem Moment nicht besser auszudrücken.

»Momentchen noch.« Frauke trat wieder hinter Julia und zog die Riemen noch etwas fester.

Julia stöhnte leicht, als sie spürte, dass die Riemen den Druck auf ihren Körper etwas erhöhten.

»Geht es so?« Frauke hatte das Stöhnen auch bemerkt und wollte sicher gehen, dass es Julia gut ging.

»Es passt schon.« Julia keuchte und war um eine glaubwürdige Stimme bemüht. »Es ist ein sehr angenehmer Druck.«

»Jetzt möchten sie sich sicherlich im Spiegel betrachten.« Frau Hegel ließ ihren Blick durch das Zimmer wandern.

Schon bei den ersten Schritten merkte Julia, dass ihr jetzt ihre Arme fehlten, die sie sonst als Balancierhilfe genommen hatte. Sie äußerte dies.

»Ja, das ist richtig.« Frau Hegel hatte Schwierigkeiten zu antworten, so sehr war sie von Julias neuer Erscheinung fasziniert. »Ich empfehle ihnen, das Gehen mit dem Rock und dem Handschuh möglichst oft zu üben.«

Julia nickte, dann trat sie vor den Spiegel und blickte hinein. »Das sieht toll aus«, sagte sie leise, nachdem sie begonnen hatte, sich zu drehen. Ein leichtes Stöhnen war zu hören.

»Mein Mann lässt ausrichten, dass er sie sehen möchte, wenn wir mit ihnen fertig sind.« Frau Hegel sprach weiterhin mit leiser Stimme.

»Sind sie sicher?« Julias innere Spannung wechselte auf einmal zu Unsicherheit. »Mit dem Handschuh, wirklich?« Es war ihr deutlich anzuhören, wie wenig sie sich mit dem Gedanken anfreunden konnte, sich so ihrem Professor zeigen zu müssen.

»Er sgte etwas von einem 'Trainingsplan' und dass er sehen möchte, wo er sie 'abholen' kann.« Der Tonfall blieb unverändert.

Julia wurde langsam wieder nüchtern, und sie begriff, dass sie offenbar schon einige Schritte auf Carolins geheimnisvollem Weg gegangen war, ohne dass es ihr wirklich bewusst geworden war. Sie warf noch einmal ein Blick in den Spiegel und verzog auf einmal das Gesicht.

Frauke hatte dies sofort bemerkt. »Was ist los? Was gefällt dir nicht?«

»Ich würde mich gern noch einmal kämmen.« Normalerweise legte sie wenig Wert auf ihr Äußeres, doch jetzt war es eine willkommene Gelegenheit, um das Unvermeidliche noch etwas hinauszuzögern.

»Das mache ich doch gern.« Frauke griff zu der bereitliegenden Bürste und strich Julia damit nach deren Anweisungen durch ihr Haar.

Frau Hegel beobachtete dies nicht ohne Stolz. »Ihr zwei ergänzt euch gut.« Sie nahm sich den kleinen Block zur Hand und schrieb etwas hinein. Als sie Fraukes neugierien Blick bemerkte, fügte sie ein 'Fünf Extrapunkte, sie machen das sehr gut.' hinzu.

Frauke machte einen Knicks und kam ihrerseits ins Grübeln. Seit sie sich um Julia zu kümmern hatte, hatte sie schon sehr viel Pluspunkte bekommen, mehr als in all der Zeit davor. Sie begann Julia nicht mehr als Störenfried zu betrachten, der sie aus ihrem Zimmer vertrieben hatte, sondern als die kleine Schwester, um die sie sich zu kümmern hatte. Und die in dem Handschuh wirklich zum Anbeißen süß aussah.

Sie freute sich schon sehr auf den morgigen Tag, vor allem weil sie den Auftrag hatte, für Julia den Trainingsmonohandschuh anzupassen. Und sie hatte schon eine Idee dazu.

Auf einmal schrie Julia auf.

»Was ist los?« Frau Hegel sah sie besorgt an.

»Ich habe mir den Rock ganz geschlossen.« Julia keuchte.

»So wie es sein soll.« Frauke strich ihr weiter mit der Bürste durchs Haar. Auch sie war von Julias jetziger Erscheinung sehr fasziniert. »Was ist damit?«

»Wenn Herr Hegel mich sehen will, muss ich doch Treppensteigen.« Ihre Stimme zeigte ihre ernste Besorgnis.

Zunächst war Frauke amüsiert und fasziniert von Julias Sorgen. »Dann musst du halt hinunter hüpfen.«

»Frauke, bitte.« Frau Hegel war über Fraukes Antwort nicht erfreut.

Frauke entschuldigte sich. »Natürlich helfen wir dir dabei.«

»Aber unten nach der Treppe macht ihr ihn bitte wieder zu.« Julias Stimme war leise. »Schließlich habe ich das versprochen.« Dabei fragte Julia sich, was sie machen würde, wenn der Reißverschluss noch offen wäre und sie eine Perle tragen würde. Dann könnte sie es nicht mehr reklamieren.

Insgeheim fragte sie sich, wie es wohl sein würde, wenn sie den geschlossenen Rock, die Perle und den Handschuh tragen würde. Dann könnte sie nichts mehr ändern und könnte auch nicht mehr um Änderungen bitten. Sie bekam eine Gänsehaut, gleichzeitig freute sie sich aber auf dieses Abenteuer. Ob sie Frauke wohl fragen könnte, dies einmal mir ihr auszuprobieren? Vielleicht würde sie dazu noch das Halskorsett tragen?

Doch dann stutzte sie. Ob sie wirklich den Mut aufzubringen, sich der Dienerin so drastisch auszuliefern? Sie kam ins Grübeln. Morgen würde sie fast einen ganzen Tag mit Frauke allein sein. War ihr Vertrauen in die seltsame Dienerin und ihre angehende Schwester wirklich schon so ausgeprägt, dass sie sich dieses Niveau von Hilflosigkeit wirklich zutraute?

Sie beschloss insgeheim, es erst einmal langsam anzugehen. Sie wollte es in der Hand behalten, wann sie wie viel Kontrolle abgab. Denn noch wusste sie nur so wenig von Frauke, dass ein weitergehendes Vertrauen noch nicht gerechtfertigt war.

Doch jetzt war es Zeit, sich dem Unvermeidlichen zu stellen. Sie drehte sich um und ging langsam und vorsichtig in Richtung der Zimmertür, die Frau Hegel schon aufhielt. Zu ihrer Erleichterung bemerkte sie, dass sie mit jedem Schritt sicherer wurde.

Bis zur Treppe hatte sie herausgefunden, dass sie ihre auf dem Rücken zusammengefassten Arme weiterhin zum Balancieren einsetzen konnte, es waren lediglich andere Bewegungsabläufe notwendig.


»Guten Tag, Herr Professor Hegel. Erlauben sie, dass ich mich bei ihnen vorstelle?« Sie versuchte einen Knicks, der ihr zu ihrem eigenen Erstaunen sogar leidlich gelang. Die volle Anrede benutzte sie nur äußerst selten, seit ihr Professor ihnen allen die kurze Version angeboten hatte.

»Guten Tag, Frau Sommer.« Herr Hegel lächelte, dann sprach er in der gleichen Freundlichkeit weiter. »Ich freue mich, dass sie meinem Rat gefolgt sind und jetzt den Handschuh tragen.«

»Es ist wesentlich leichter, als ich es erwartet hatte.« Julia versuchte ein Lächeln, doch sie war immer noch sehr angespannt.

»Habt ihr den Handschuh abgeschlossen?« Herr Hegel wandte sich an seine Frau, die gleich nach Julia das Wohnzimmer betreten hatte.

»Nein. Ich dachte, dass das hier nicht nötig sein würde.« Sie lächelte ihn ebenfalls sehr glücklich an.

»Wofür denn das?« Julia war über die Frage innerlich empört, doch davon wollte sie erst einmal noch nichts zeigen. »Ich kann doch meine Arme ohnehin nicht mehr benutzen.«

»Das ist schon richtig, Julia.« Herr Hegel bat seine Studentin, näher zu kommen. »Aber sie könnten jemanden dritten bitten, sie aus dem Handschuh herauszulassen.«

»So etwas trauen sie mir zu?« Jetzt war Julia richtig empört, allerdings weil sie mit Vorwürfen aus einer Richtung konfrontiert wurde, die sie gar nicht erwartet hatte.

»Nun ja.« Er bat Julia, sich mit dem Rücken zu ihm zu drehen. »Carolin hat das immer versucht.«

»Ach so«, seufzte sie. »So hatte ich das nicht gemeint.« Sie hatte das Gefühl, sich schon wieder entschuldigen zu müssen.

»Zeigen sie mir einmal ihre Schuhe.« Herr Hegels Miene zeigte reges Interesse.

Julia drehte sich wieder um und versuchte, jeweils auf einem Bein zu stehen und dabei ihre Schuhe zu zeigen. Es waren die flachen Treter, mit denen sie eigentlich immer unterwegs war.

»In Zukunft tragen sie bitte zu dem Handschuh Schuhe mit hohen Absätzen.« Er wandte sich an seine Frau. »Von Carolin müssten doch noch entsprechende Schuhe da sein, damit wir das Wochenende überbrücken können.«

»Ja gewiss.« Seine Frau versprach, sich gleich auf die Suche zu machen.

»Montag fahren wir in die Stadt, passende Schuhe kaufen.« Herr Hegel blickte zwischen seiner Frau und Julia hin und her.

»Warum denn?« Julia war der Meinung, dass sie ihre Schuhe selbst auswählen durfte. »Davon stand nichts im Vertrag.«

»Elisabeth, magst du es ihr erklären? Ich denke, das ist Frauensache.« Bewusst oder unbewusst schaffte er es, so eine weitere Verbindung zwischen den Frauen zu ziehen.

»Julia«, Frau Hegel räusperte sich. »Wenn sie High Heels tragen, wird ihr ganzer Körper gestreckt und das Tragen des Handschuhs wird ihnen noch viel leichter fallen.«

Julia lächelte erleichtert. »Na, dann mache ich das gern.«

»Spüren sie schon etwas in den Armen?« Herr Hegel wandte sich mit dem Blick wieder seiner Studentin zu.

»Nein, bisher nicht.« Julia kannte diese Haltung schon lange, und es gab für sie keinen einzigen Grund zur Beschwerde.

»Darf ich sie einmal anfassen?« Herr Hegel lächelte Julia an.

»Gern.« Es war das aller erste Mal, dass ihr Professor ihr gegenüber so etwas äußerte.

»Ich möchte sehen, wie angespannt oder locker ihre Muskeln sind.« Langsam strichen seine Hände über ihre Arme.

Julia blickte zu Boden, sonst hätte sie bemerkt, wie sehr die Augen ihres Professors leuchteten. Nur nebenbei ging ihr durch den Kopf, dass sie gerade eine ganz neue Seite ihres Professors entdeckte.

»Sie haben wirklich Potential.« Er war mit der Inspektion ihrer Arme sehr zufrieden. »Sie könnten nicht nur eine gute Architektin werden, sondern auch ein guter...«

In diesem Moment bekam seine Frau einen Hustenanfall und er konnte nicht weitersprechen.

Julia hätte gern gewusst, was er hätte sagen wollen, doch sie spürte, dass es unangebracht war, diesbezüglich nachzufragen. Trotzdem war sie über die Anerkennung ihre Professors sehr erfreut und stolz.

»Jetzt nehmt ihr bitte den Handschuh wieder ab, dann entwerfen wir den Trainingsplan.« Die Stimme von Herrn Hegel war etwas leiser.

Zuerst wollte Julia protestieren, doch dann sah sie, wie Frauke einen Finger auf ihre Lippen legte.

Herr Hegel hatte Julias Reaktion trotzdem wahrgenommen. »Sie wollten sich doch Carolins Aufgabe stellen.«

Julia nickte.

»Dafür müssen sie einiges üben, und dafür würden wir einen Plan ausarbeiten.«

Frauke war schon dabei, die Schnürung zu öffnen, als Julia an sich herab blickte und sehr erstaunt war. So groß hatte sie ihre beiden Lieblinge noch nie gesehen. Doch als sie gleich darauf ihre Arme wieder bewegen konnte, sah es wieder normal aus.

»Sie sollten immer nach der Abnahme des Handschuhs ein paar Gymnastikübungen machen.« Herr Hegel stand auf und ging zum Schrank. »Frauke, können sie ihr morgen etwas dazu zeigen?«

Frauke versuchte ein höfliches Stöhnen. »So langsam brauche ich eine Liste.«

»Die können sie bekommen.« Frau Hegel lächelte. »Es steht ja einiges an für sie zwei an.« Sie verließ den Raum.

»Ich möchte dann mit ihnen noch den Trainingsplan ausarbeiten.« Der Professor bat Julia, sich zu setzen. »Ich möchte festlegen, wie lange sie den Handschuh täglich tragen dürfen.« Er hatte jetzt einen Block in der Hand und kam wieder zum Tisch.

»Sie meinen 'minimal tragen müssen'?« Julia dachte an das Naheliegende.

»Nein«, lächelte Herr Hegel. »Ich meinte 'maximal tragen dürfen'.«

»Warum das denn?« Julia war sichtlich verwundert.

»Nun ja, sie sind auch eine sehr gute Studentin, und ich möchte nicht, dass sie ihr Studium vernachlässigen.« Herr Hegel blickte kurz zu Frauke, die etwas unsicher an der Tür stand. »Und sie können mir nicht erzählen, dass sie mit dem angelegten Handschuh gut lernen können. Das hat Carolin auch nicht geschafft.«

»Nein, das stimmt.« Julia wurde rot. »Lernen geht damit nicht.« Doch tief in ihrem Inneren war ein Gedanke geboren. Der Wunsch nämlich, trotz angelegtem Handschuh lernen zu können. Doch noch hatte sie keine Ahnung, wie sie diese Idee umsetzen konnte.
73. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von der suchende am 28.11.17 10:21

Wie immer eine klasse, spannende Fortsetzung. Danke für´s Schreiben.
74. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von mpwh66 am 28.11.17 12:44

Moin besten dank für den neuen Teil nun geht es aber los ....
Danke gruss mpwh66
75. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 4 - Schwestern - Teil Sieben von Sieben

geschrieben von gag_coll am 01.12.17 06:02

Der Mantel der Studentin
Kapitel 4 - Schwestern - Teil Sieben von Sieben
Autor: Karl Kollar

Frau Hegel kam zurück. »Wir möchten dann noch das Wochenende besprechen.« Sie reichte Frauke eine Liste. »Ich habe ihnen hier aufgeschrieben, was für den Samstag alles wichtig ist.«

Die Dienerin warf einen Blick auf die Liste. Ihrer Miene war dabei nicht zu entnehmen, ob sie es für einfach oder schwer hielt, alles abzuarbeiten.

»Mein Mann und ich sind morgen auf einer Hochzeit eingeladen, falls wir das noch nicht gesagt hatten.« Sie blickte kurz zu ihrem Mann. »Ich denke, es steht genug auf der Liste, so dass sie beide sich nicht langweilen werden.«

»Wir erlauben ihnen, mit der Perle, dem Halskorsett und dem Handschuh zu trainieren.« Auch seiner Miene war nicht zu entnehmen, was er gerade empfand. »Aber bitte nacheinander, nicht gleichzeitig.«

Julia und Frauke entglitt fast gleichzeitig ein 'Schade!' und beide mussten lachen.

»Bitte halten sie sich daran und teilen sie sich die Zeit gut ein.« Seine Stimme wurde ernst. »Und ich möchte meine Studentin auch an die demnächst anstehenden Prüfungen erinnern.«

»Ich habe Berta Bescheid gesagt, sie wird vorbei kommen und für euch kochen.« Frau Hegel blickte aus dem Fenster. »Ihr müsst euch also nicht um das Mittagessen kümmern.«

»Beim Frühstück werden wir noch hier sein«, ergänzte ihr Mann. »Falls sie also bis dahin noch Fragen hätten, stellen sie sie ruhig. Wir werden um acht Uhr losfahren.«

»Du wolltest noch wegen Sonntag fragen«, erinnerte Frau Hegel ihren Mann.

»Ach ja.« Herr Hegel lächelte kurz, dann wurde er wieder ernst. »Frau Sommer, wir würden sie bitten, uns am Sonntag in den Gottesdienst zu begleiten. Welcher Religionsgemeinschaft gehören sie an?«

Julia wurde rot, denn seit sie den elterlichen Hof verlassen hatte, hatte sie keine Kirche mehr von innen gesehen. Sie äußerte dies. Insgeheim war sie über die Einladung sogar erfreut, denn ihre bisherigen Sonntage verliefen eher einsam und langweilig.

»Dann haben sie sicher keine Probleme, wenn sie uns begleiten.« Herr Hegel erklärte, dass die evangelische Kirche besucht werden würde. »Sie können ja bei all den Zeremonien einfach sitzen bleiben.« Er holte tief Luft. »Wären sie bereit, Carolins Engelsuniform anzuziehen?«

Sofort fielen Julia das kleine Schlüsselbrett mit den drei Schlüsseln ein, und wieder begann sie nervös zu werden.

»Du bist schon wieder unfair, Winfred.« Seine Frau unterbrach ihn. »Julia weiß doch gar nicht, worum es sich dabei handelt.«

»Du hast Recht, Elisabeth.« Er wandte sich an Frauke. »Würde sie bitte Julia morgen auch die Engelsuniform zeigen und anprobieren?«

Frauke nahm den Stift, den Frau Hegel ihr reichte, und schrieb etwas auf ihre Liste. »Auch die Kirchenhandschuhe?« Sie erschauderte bei dem Gedanken an dieses deutliche Symbol einer Blasphemie, zumindest hatte sie es damals die ganze Zeit so empfunden.

»Ja, diese Handschuhe bitte auch.« Herr Hegel lehnte sich zurück. »Wir erwarten dann Sonntag morgen ihre Entscheidung. Und seien sie versichert, wir sind nicht enttäuscht, wenn sie 'nein' sagen.«

Julia hatte so langsam Schwierigkeiten, die Sachen auseinander zu halten, zu denen sie aufgrund der Miete verpflichtet war und denen, die sie freiwillig leisten wollte, weil sie für sich schon beschlossen hatte, Carolins Erbe anzutreten. Vor allem hatte sie dies Hegels gegenüber noch nicht geäußert.

Frau Hegel sprach das nächste Thema an. »Sie wollen heute Nacht den Schmetterling ausprobieren?«

Julia wurde rot und senkte den Kopf. Eine Antwort gab sie noch nicht. Zu ihrer Erleichterung stand Herr Hegel auf und verließ das Wohnzimmer.

Frau Hegel wiederholte ihre Frage.

Frauke kam zu Julia und strich ihr über den Kopf. »Trau dich ruhig, ja zu sagen.« Es wird schön sein.

Julia hatte etwas Angst vor ihrem eigenen Mut. »Ich glaube schon.« Es war letztendlich die Angst vor dem Unbekannten, die sie zögern ließ.

»Sie wissen, dass wir sie dafür auf dem Bett festbinden wollen?« Natürlich war es eine sehr heikle Frage, aber sie mussten Julia das scheinbare Gefühl geben, dass sie bei allem, was ihre Zukunft betraf, mitbestimmen durfte.

»Ja, das hatten sie gesagt.« Julia merkte, wie sehr ihre Stimme zitterte.

»Und sie sind damit einverstanden?« Frau Hegel hakte nach. Bisher hatte fast jedes Mädchen auf die gleiche Weise reagiert.

»Ich muss ja wohl.« Julia wollte nicht widersprechen, aber auch nicht zugeben, dass sie sich darauf freute.

»Julia, es wird sie hier niemand zu irgendetwas zwingen.« In diesem Moment war ihre Stimme sehr ernst. »Wenn sie es nicht möchten, respektieren wir ihr 'nein' natürlich.« Natürlich war sie sehr gespannt, wie Julia auf die süße Folter reagieren würde.

Julia kam ernsthaft ins Grübeln. Sie blickte aus dem Fenster, dann zu Frauke, die ihr aufmunternd zunickte und ein 'es ist schön' zuflüsterte.

Julia dachte nach. Sie würde sich nicht mehr selbst berühren können, denn in diesem Nachthemd waren ihre Hände gefangen. Keine Chance, ihr Paradies erreichen zu können.

Letztendlich würde der Schmetterling die einzige Möglichkeit sein. Es störte sie nur ein wenig, dass sie sich so einer Maschine auslieferte. Eine Maschine, von der sie durch Frauke erfahren hatte, dass sie sie 'foltern' würde. Ihre 'Schwester' hatte sie diesbezüglich schon gewarnt, dass dieses Teufelsding sich oft zu früh wieder abschaltete und ihr den Höhepunkt zunächst vorenthalten würde. Es störte sie vor allem, dass sie keinen Einfluss darauf haben würde.

Frau Hegel beobachtete Julia, und wie bei all den anderen Mädchen zuvor schaffte sie es auch hier, den richtigen Zeitpunkt abzupassen, den Zeitpunkt, an dem die Mädchen abgewogen hatten und nur noch den letzten Anstoß brauchten, um sozusagen über die Klippe gestoßen zu werden. Unauffällig inspizierte sie Julia Gesichtsausdruck, und schließlich war sie der Meinung, dass der richtige Zeitpunkt gekommen war. »Wenn sie das wünschen, werden wir sie danach später in der Nacht wieder losbinden, damit sie frei erwachen können.«

Julia kam erneut ins Grübeln. Ob sie es einmal erleben wollte, wie es war, wenn sie in festgebunden aufwachen würde? Sie war sich diesbezüglich sehr unsicher. Ihre Brüder hätte sie nie darum bitten können, denn die hätten sie ganz sicher vergessen. »Ich würde schon gerne einmal so aufwachen, aber wie lange müsste ich dann warten?«

Frauke hatte auf einmal eine Idee: »Schwesterchen, das besprechen wir morgen.« Sie lächelte geheimnisvoll.

Julia holte tief Luft. »Also gut, ausgemacht. Ich möchte 'es' diese Nacht erleben.« Es kostete sie Kraft, es auszusprechen. »Und dann in Freiheit aufwachen.« Sie wusste nicht, ob sie es fordern konnte, sie probierte es einfach. Sie war froh, dass ihr Professor in diesem Moment nicht anwesend war. In seiner Gegenwart hätte sie sich das nicht getraut, denn es war schon eine sehr intime Entscheidung. Doch sowohl zu Frau Hegel als auch zu Frauke hatte sie mittlerweile genügend Vertrauen aufgebaut. Und es versprach, ein sehr aufregendes Abenteuer zu werden.

* * *

»Ach hier bist du.« Frau Hegel fand ihren Mann in seinem Arbeitszimmer. »Ich wollte dir etwas vorschlagen.«

»Wo sind die beiden?« Herr Hegel blickte von seinen Papieren auf.

»Ich habe sie auf ihre Zimmer geschickt, sie sollen sich für das Abendessen umziehen.« Frau Hegel blickte auf die kleine Uhr auf dem Schreibtisch. »Wollen wir Frauke nicht anbieten, ob sie wieder mit uns essen möchte?«

»Meinst du wirklich, dass sie schon soweit ist?« Der Professor runzelte die Stirn. »Du weiß doch noch, warum sie in dem jetzigen Zustand ist.«

»Mir geht es ja auch darum, dass sie mit Julia zusammen sein kann und weniger, dass sie bei uns am Tisch sitzt.« Frau Hegel seufzte. »Wir laden sie heute einmal ein und sehen, wie sie es aufnimmt. Das Angebot können wir ihr dann immer noch machen.«

»Was versprichst du dir davon?«, fragte Herr Hegel.

»Eine engere Bindung zwischen Frauke und Julia.« Sie seufzte wieder. »Über Frauke haben wir viel besseren Zugriff auf sie als direkt.«

Er nickte. »Frauke wird alles machen, wenn wir ihr nur genügend Pluspunkte dafür geben.«

Frau Hegel lächelte. »Ich wusste gar nicht, dass du so ein mieser Erpresser sein kannst.«

Er grinste. »Das 'mies' verbitte ich mir.«

* * *

Frauke kam zur vereinbarten Zeit ins Esszimmer, um den Tisch zu decken. Zu ihrer Überraschung war Frau Hegel schon da und stellte bereits das Geschirr heraus.

»Frauke, ich möchte, dass sie heute den Tisch für vier Personen decken.« Frau Hegel lächelte ihre Dienerin an.

»Sie bekommen noch Besuch?« Frauke fragte das Naheliegende.

»Nein. Sie werden mit uns essen.« Frau Hegel holte tief Luft. »Natürlich nur, wenn sie einverstanden sind.«

»Das geziemt sich einer Dienerin aber nicht.« Frauke liebte diese altmodische Formulierung.

»Das ist schon richtig. Aber was ist das für eine Familie, bei der die zwei Töchter des Hauses in getrennten Zimmern essen?«

Frauke stand der Mund auf. Nur langsam begriff sie, dass sie durch Julias Anwesenheit im gesellschaftlichen Ansehen geradezu drastisch gestiegen war.

»Wir wissen, warum sie bisher immer allein essen wollten und wir hatten auch nichts dagegen.« Frau Hegel hatte sich einige Argumente bereit gelegt, denn sie wollte ihre Dienerin nicht überreden, sondern überzeugen. »Doch jetzt könnten sie so ihre Bindung zu Julia verstärken. Insbesondere nach dem sie schon festgestellt haben, dass sie 'Schwestern' sind. Sind sie also einverstanden?«

Frauke hatte Mühe mit der Antwort, denn sie war sehr damit beschäftigt, ihre Tränen zurück zu halten. »Ja, ich bin einverstanden.«

»Ich denke, wir werden eine glaubhafte Familie abgeben.« Frau Hegel lächelte.

* * *

»Das war lecker.« Herr Hegel wischte sich noch einmal den Mund ab. »Haben sie zu Morgen noch Fragen, bevor wir uns zurückziehen?«

Frauke und Julia blickten sich an. Die vor kurzem erst erstellte Liste lag zwischen ihnen.

»Das ist eine ganze Menge. Und teilweise sogar richtig zeitaufwendig.« Frauke zeigte auf einige Einträge.

»Wir haben die Punkte inzwischen schon nach ihrer Wichtigkeit geordnet, sie sollten also oben anfangen.« Herr Hegel blickte zwischen den beiden Mädchen hin und her.

Auch Julia hielt ihren Blick auf die Liste gerichtet, und auch ihr dämmerte, dass nicht viel freie Zeit übrig bleiben würde. Sie hatte sich den ersten Tag des Wochenendes eigentlich anders vorgestellt.

»Es ist nicht so schlimm, wenn sie nicht alles von der Liste schaffen.« Frau Hegel streichelte die Hand ihres Mannes. »Aber sie sollten auf jeden Fall oben anfangen.«

Julia warf einen Blick auf den Beginn der Liste. Als erste Position war 'Umgang mit dem Perlennetz' angegeben, und sie wusste sofort, dass sie sich darauf freuen würde.

»Also, haben sie noch Fragen?« Herr Hegel wiederholte seine Frage.

Beide Mädchen schüttelten den Kopf.

»Dann wünsche ich ihnen eine Gute Nacht.« Er erhob sich und verließ das Zimmer.

Frauke warf einen Blick auf die Uhr und drehte sich dann zu Julia. »Ich komme gegen 21 Uhr vorbei, um dich für die Nacht fertig zu machen. Bist du damit einverstanden?«

Julia musste einmal schlucken, bevor sie ihre Zustimmung geben konnte.

»Bis dahin kannst du ja noch etwas lernen.« Frauke stand ebenfalls auf und begann, das Geschirr zusammenzustellen.

* * *

Als Julia aus dem Bad kam musste sie schlucken, denn sie sah sofort, dass Frauke schon alles vorbereitet hatte. Sie sah einen Haufen Lederriemen auf dem Bett liegen, und darauf lag das Nachthemd. Was damit passieren würde, hatten sie schon ausführlich besprochen, und Julia hatte sich damit einverstanden erklärt. Die Dienerin stand wie von Julia erwartet am Fenster.

»Ich dachte schon, du wirst gar nicht mehr fertig.« Frauke neckte sie ein wenig. Immerhin konnte sie drei Straßenbahnen nachsehen, während Julia im Bad war. Sie hatte auch bewusst nicht gedrängelt, denn sie hatte sich an die Zeit erinnert, als sie selbst auch in der Situation gewesen war.

»Was genau hat es eigentlich mit Carolins Kirchenhandschuhen und der Uniform auf sich?« Julia war zum dritten Schrank gegangen und hatte ihn geöffnet.

Frauke wollte gerade mit der Antwort beginnen, als auf einmal ein Grinsen in ihrem Gesicht erschien. »Einen Augenblick, Frau Sommer. Kann es sein, dass sie gerade etwas Zeit schinden wollen?«

Julia drehte sich wieder zum Bett um und gab sich ein wenig trotzig. »Naja, einen Versuch war es wert.« In Wirklichkeit wollte sie ihre zunehmende Nervosität überspielen.

Wie gestern auch schon musste sich Julia ganz ausziehen, doch schon als Frauke in die Nachttischschublade griff, begann ihr Herz schneller zu schlagen.

»Hast du so etwas schon einmal benutzt?« Frauke versuchte zu verbergen, dass sie von Julias nacktem Körper sehr fasziniert war.

Eine direkte Antwort blieb Julia schuldig, doch ihr Gesicht sprach in diesem Moment Bände.

»Na, dann weißt du ja, wie es geht.« Frauke reichte Julia den kleinen Vibrator in Form eines Schmetterlings. »Ich bereite schon mal die Riemen vor.« Sie spürte, dass Julia sich damit am liebsten ungestört beschäftigt hätte. In dem sie sich mit den Riemen befasste, konnte sie ihr zumindest teilweise den Rücken zudrehen.


»So, fertig.« Julia stand neben dem Bett und hatte das Nachthemd schon bis zu den Hüften hochgezogen. Von dem Schmetterling war nur noch ein Stück Kabel zu sehen mit einem kleinen Stecker am Ende.

»Jetzt weißt du ja, worauf es ankommt.« Frauke sprach unbewusst etwas leiser. Sie freute sich darüber, Julia schon wieder so hübsch verpacken zu dürfen. Und sie wusste aus eigener Erfahrung, wie sicher das Nachthemd die Trägerin gefangen halten konnte, auch wenn es so harmlos aussah.

Wenig später lag Julia auf dem Bett und sah fasziniert zu, wie sie von ihrer 'Schwester' nach und nach mit langen Riemen auf dem Bett fixiert wurde.

Frauke schnallte ihr jeweils einen Riemen um ihre Füße, ihre Taille und einen oberhalb ihrer Brüste über das Nachthemd. Dann fädelte sie seitlich jeweils zwei lange Riemen durch die schon geschlossenen Riemen und verband damit erst ihre Füße und dann ihren Brustriemen mit den Bettpfosten. Die Riemen von Julias Taille fädelte sie seitlich an der Matratze vorbei um das Bettgestell. Dann zog sie alle Riemen sanft, aber bestimmt an, bis Julia sich in ihrem Nachthemd wirklich nicht mehr rühren konnte.

»Und du machst mich auch wieder los?« Julias Stimme zeigte, wie nervös sie war.

»Ich habe mir extra den Wecker gestellt, damit ich es nicht verpasse.« Frauke blickte kurz auf.

Auf einmal wurde Julia klar, dass Frauke extra wegen ihr mitten in der Nacht noch einmal aufstehen würde, und sie schämte sich wegen ihres Egoismus. Sie beschloss, in der nächsten Nacht festgeschnallt zu bleiben, es sei denn, es würde heute zu unangenehm werden.

»Und jetzt genieße es, mein neues kleines Schwesterchen«, sagte Frauke, und gab Julia einen Kuß auf die Stirn. »Und schlaf danach gut. Ich werde Dich dann nachts befreien.« Damit löschte sie das Licht und verließ das Zimmer.

Julia hatte vor Aufregung keine Worte mehr gefunden.


Es fiel ihr schwer, es vor allem sich selbst einzugestehen, aber vor dem Schlafengehen schickte sie gern ihre Hände auf eine Expedition zu ihren empfindsamsten Körperstellen. Sie war immer noch geprägt vom Bauernhof, auf dem sie dies unbemerkt von ihren Brüdern tun musste, denn sie war nur höchst selten wirklich allein in ihrem Zimmer.

Eine Perle würde sie bestimmt nicht brauchen, denn sie war konditioniert darauf, es im Stillen zu genießen. Doch sie hatte sich noch nie einer Maschine so ausgeliefert.

Auch in der WG bei ihrer Freundin hatte sie dies nicht geändert. Und die zwei Abende, die sie allein in der Wohnung war, nutzte sie lieber zum Lernen, statt sich jemand Unbekannten aus der Kneipe mitzubringen. Angebote hätte es viele gegeben, doch sie hatte genauso schnell gelernt, resolut 'nein' zu sagen.

Es tat ihr sehr weh, beim Einschlafen ihre Hände nicht mehr benutzen zu können, doch das Nachthemd war in dieser Richtung mehr als unerbittlich. Sie konnte gerade einmal ihre Finger ein wenig beugen, mehr ließ das Nachthemd wegen der eingearbeiteten Fingerhandschuhe einfach nicht zu. Und Julia hatte sich mit ihrer Unterschrift gerade erst dazu verpflichtet, weil ihr so der restriktive Mantel erspart blieb.

Frauke hatte ihr noch gesagt, dass es ungefähr zehn Minuten dauern würde, bis es begann, und diese Zeitspanne kam ihr wie eine Ewigkeit vor. Sie war viel zu aufgeregt, um schon an Schlafen denken zu können.

Sie nutzte die Zeit, um etwas über diesen Tag nachzudenken. Sie war sehr erleichtert, dass sie Carolins Handschuh leicht tragen konnte und kaum noch Training brauchte. Dass sie damit freiwillig auf viel Geld verzichtete, war ihr gleichgültig, denn sie wollte ihre Gasteltern nicht durch falschen Ehrgeiz verärgern. Denn insgeheim war sie sich sicher, dass dieser Handschuh nur der Anfang war.

Es fing so langsam an, dass sie es zuerst gar nicht bemerkte - Die Signale, die ihr Intimzentrum aussandte, waren noch nicht stark genug, um sie in ihren Gedanken zu stören. Nur langsam schafften sie es, die anderen Gedanken zu vertreiben und erst nach einiger Zeit realisierte Julia, das 'es' schon losgegangen war.

* * *

»Wie läuft es?« Frau Hegel betrat den kleinen Überwachungsraum.

»Ich verstehe es nicht.« Herr Hegel hielt den Blick auf den Monitor gerichtet, während er mit leiser, aber sehr erregter Stimme sprach. »Ich kann ihr überhaupt nichts ansehen.«

»Ist sie denn überhaupt schon einmal gekommen?« Seine Frau setzte sich neben ihn.

Es war wirklich schwer zu sagen. »Sie hat so gut wie keinen Anhaltspunkt dafür geliefert.«

»Eigentlich ist das ja gut, wenn man es ihr nicht ansieht.« Sie lächelte. »Ich vermute mal, es liegt an der Weise, wie sie aufgewachsen ist. Wenn sie mit fünf Brüdern im gleichen Zimmer nur durch einen Vorhang getrennt übernachten musste, dann gibt es nur wenig Privatsphäre.«

»Und sie musste es verbergen, wenn sie mit ihrem Körper spielte.« Herr Hegel lehnte sich zurück. »Für uns wäre das ja ein ungeheures Glück. Für die Prüfung wäre sie so ja schon richtig vorbereitet.«

»Ja, die eine Prüfung«, erwiderte seine Frau. »Aber bei all den Anderen sehe ich eher schwarz. Hast du sie jetzt schon einmal unterbrochen?«

»Nen, ich finde einfach keinen geeigneten Zeitpunkt zum Abbrechen.« Er seufzte tief. »Ich habe sogar die Deckenkamera dazu genommen, doch es ist ihr einfach nicht anzusehen.«

Frau Hegel lachte. »Du fühlst dich gekränkt« Sie streichelte ihm über den Kopf. »Doch eigentlich ist sie doch schon perfekt. Man sieht es ihr einfach nicht an. Was wollen wir eigentlich mehr?«

»Ich hatte es mir schwieriger vorgestellt.« Er lächelte.

»Warte es ab, wenn wir sie für die anderen Prüfungen vorbereiten müssen. Dort wird sie mehr Schwierigkeiten haben.« Sie blickte etwas nachdenklich auf den Monitor. »Ich denke nicht, dass sie die Exhibitionistin ist, die sie eigentlich sein müsste.«

»Stimmt. Es ist ja nur eine Prüfung von vielen.« Bisher waren ihre Zöglinge meistens an dieser Prüfung gescheitert, bei Julia wären eher die anderen Prüfungen kritisch. »Vielleicht schaffen wir es ja doch noch, wenn wir sie nur gut genug vorbereiten.«

»Du meinst, dass wir es schaffen könnten.« Frau Hegel wollte den Optimismus ihres Mannes noch nicht teilen.

»Wir müssen sie eben motivieren und sie immer belohnen.« Er ergriff ihre Hand. »Und gib Frauke weitgehend freie Hand. Ich denke, sie könnte einen sehr positiven Einfluss auf Julia haben.«

»Ich muss das aber erst mit Siegfried besprechen.« Sie seufzte.

»Ob er wirklich damit einverstanden ist?« Er war skeptisch. »Er hat seine Kompetenzen jetzt schon sehr weit überschritten.«

»Ich werde mit ihm reden.« Sie lehnte sich ebenfalls zurück. »Wir müssen ihm versichern, dass wir auf Frau Wiesl gut aufpassen.«

»Müssen wir deswegen ihre Regeln verändern?« Er blieb skeptisch.

»Ich denke, das sollte nicht nötig sein.« Doch ihre Stimme zeigte ihre diesbezügliche Unsicherheit.

»Wie viele Pluspunkte hast du jetzt eigentlich schon vergeben?« Er machte keinen Hehl daraus, dass er mit diesem Motivationssystem nicht einverstanden war.

»Oh das sind viele, vor allem seit Julia da ist.« Sie machte eine bedeutsame Pause. »Aber ich glaube, die Pluspunkte allein sind es gar nicht mehr. Ihre neue Rolle scheint ihr zu gefallen - sie scheint Julia wirklich gern zu haben, vielleicht verliebt sie sich sogar ein bisschen.« Sie warf nochmal einen Blick auf den Monitor. »Auf jeden Fall gefällt es ihr, eine Leidensgenossin zu haben, und ihr das 'anzutun', was sie selbst durchlitten hat, und woran sie gescheitert ist. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass sie Julia helfen will, die Aufgabe zu bewältigen, die sie selbst nicht geschafft hat, um so mit sich selbst ins Reine zu kommen.«

»Meinst du? Dabei würden wir ja wirklich alle gewinnen - besser könnte es gar nicht sein.« Ein Lächeln erschien auf seinem Gesicht »Und es hilft meinem schlechten Gewissen.«
76. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von Moira am 01.12.17 11:16

Was geschah mit Carolin?

Was sind das genau für "Prüfungen", die Julia wird absolvieren müssen/dürfen?

An welcher Aufgabe scheiterte denn nun Frauke?

Wie wird sich Julias "Schicksal" innerhalb des Hauses Hegel, in der Kirche und wo letzlich noch "erfüllen"?

Fragen über Fragen, die diese wirklich schöne und auch bisschen fast krimihaft anmutende und angelegte Geschichte nun immer drängender aufwirft ...

Mir gefallen auch ganz besonders diese leicht "verklärenden" Bezeichnungen für die einzelnen "Spielsachen" und Umschreibungen der "gewollten Quälereien"

Hoffentlich geht's bald weiter ...

lieben Gruß ~ M
77. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von *Gozar* am 01.12.17 20:48

Darf ich euch mal was zeigen?!

https://www.pinterest.de/pin/313633561542740782/

Ich hoffe das Funtioschnackelt so!

Gruß Gozar
78. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von HeMaDo am 01.12.17 22:18

Wieder ein schöner Teil und ein weiterer Einblick.

Ich muss mich Moira anschließen. Mit jedem Teil kommen neue Fragen auf, die nach einer Antwort schreien.

Bitte mach schnell weiter.


Zitat

Darf ich euch mal was zeigen?!

https://www.pinterest.de/pin/313633561542740782/


Eine prima Idee, ein Oberteil komplett mit Monohandschuh.
Nur der Rock erlaubt wohl noch etwas zu große Schritte.


HeMaDo
79. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von mpwh66 am 02.12.17 08:03

Moin
....manchmal muss man überlegen wie Du einen Teil nach dem andern schreibst ohne das die Spannung fehlt ,danke dafür und allen ein gutes erstes Advents Wochenende gruss mpwh66
80. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von gag_coll am 04.12.17 19:21

Zitat
Was geschah mit Carolin?
Was sind das genau für \"Prüfungen\", die Julia wird absolvieren müssen/dürfen?
An welcher Aufgabe scheiterte denn nun Frauke?
Wie wird sich Julias \"Schicksal\" innerhalb des Hauses Hegel, in der Kirche und wo letzlich noch \"erfüllen\"?

So viele Fragen...
Auf eine Frage möchte ich antworten, weil ich es in Kapitel eins schon beschrieben habe. Hegels hatten NIE eine Tochter!
Das nächste Kapitel wird noch etwas auf sich warten lassen, ich rechne damit, dass ich erst Ende Januar wieder Ruhe und Zeit dafür finden werde.
81. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von gag_coll am 04.12.17 19:25

Zitat
Darf ich euch mal was zeigen?!
https://www.pinterest.de/pin/313633561542740782/
Ja, das gefällt mir auch sehr gut. So ähnlich wird Julia bestimmt auch in dem Haus unterwegs sein, nur dass der enge Rock unter einen weiten Rock versteckt wird.
82. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von HeMaDo am 04.12.17 19:47

Zitat

Das nächste Kapitel wird noch etwas auf sich warten lassen, ich rechne damit, dass ich erst Ende Januar wieder Ruhe und Zeit dafür finden werde.



83. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von N0V0 am 05.12.17 20:19

Eine wie so oft klasse Fortsetzung. Danke dafür
84. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von Moira am 18.01.18 15:19

@ gag_coll

just heute habe ich mich leichtesten Herzens dazu entschlossen, mich der heißen Phase der Vorfreude auf die baldige Fortsetzung Deiner Geschichte hemmungslos hoffend hinzugeben ^^
85. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von NathalyGummina am 18.01.18 18:18

Sehr ansprechende Geschichte.
So möchte ich auch meine Miete bezahlen und Taschengeld verdienen.
86. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von Moira am 18.01.18 18:42

ups, da hab ich doch nicht etwa jemand "angesteckt"? *kicher
87. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von marmas71 am 18.01.18 20:02

Hallo NathalyGummina,

wenn du diese Geschichte sehr ansprechend findest

Dann schau dir doch auch mal Die Geschichte "Maria" von gag_coll an.

Die ist auch super.

Nimm dir dann aber viel Zeit zum lesen .

Gruß marmas71
88. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von NathalyGummina am 18.01.18 20:10

Zitat
ups, da hab ich doch nicht etwa jemand \"angesteckt\"? *kicher


Ja,ein bisschen schon!
89. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von NathalyGummina am 18.01.18 20:11

Zitat
Hallo NathalyGummina,

wenn du diese Geschichte sehr ansprechend findest

Dann schau dir doch auch mal Die Geschichte \"Maria\" von gag_coll an.

Die ist auch super.

Nimm dir dann aber viel Zeit zum lesen .

Gruß marmas71


Danke!Werde ich auf jeden Fall machen.
90. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 5 - Entdeckungen - Teil Eins von Acht

geschrieben von gag_coll am 10.02.18 19:36

Der Mantel der Studentin
Kapitel 5 - Entdeckungen - Teil Eins von Acht
Autor: Karl Kollar

Obwohl es eigentlich Wochenende war, hatte es Frauke schon um sechs Uhr aus dem Bett getrieben. Hegels hatten angekündigt, heute ganz früh zu einer Hochzeit fahren zu wollen, und da sie sich in der Regel um das Frühstück zu kümmern hatte, war sie ebenfalls sehr früh aufgestanden.

Ihr Tag begann wie sonst auch zunächst unter der Dusche, wo sie damit beschäftigt war, sich auch unter ihrer stählernen Unterwäsche zu reinigen. Anfangs hatte sie noch über ihren Zustand geweint, doch mittlerweile hatte sie sich daran gewöhnt, und die nötigen Handgriffe, um sich überall zu säubern, waren ihr in Fleisch und Blut übergegangen.

Genauso hatte sie zu Beginn noch Probleme gehabt, in ihrer Metallkleidung die Nacht zu verbringen. Doch mittlerweile verzichtete sie sogar auf ein Nachthemd oder etwas ähnliches. Sie betrachtete ihren Zustand ganz nüchtern: Ihr Körper gehörte zum großen Teil nicht mehr ihr selbst.

Seufzend zog sie sich das hässliche Dienstbotenkleid an und ging dann nach einem prüfenden Blick in den Spiegel zum Esszimmer. Zügig deckte sie den Tisch für zwei Personen, dann machte sie sich daran, in der Küche den Kaffee zu kochen.

Sie versuchte ihren Ärger darüber zu verdrängen, dass sie sich jetzt den ganzen Tag um die neue Mieterin zu kümmern hatte. Sie hatte sich eigentlich schon seit langem auf ein freien Samstag gefreut.

Doch zu ihrer Überraschung gingen Hegels sogar darauf ein, als sie zum Frühstück erschienen und Platz genommen hatten. »Wir bedauern es sehr, dass wir ihnen den freien Tag kaputt machen.« Frau Hegel lächelte verlegen.

»Aber vielleicht können sie den Aufgaben auch etwas Positives abgewinnen.« Herr Hegel reichte der Dienerin ein dicht beschriebenes Stück Papier. »Der eine oder andere Punkt müsste ihnen eigentlich gefallen.«

Frauke nahm die Liste entgegen und legte sie zunächst unbesehen auf die Kommode.

»Warum haben sie nur für zwei Personen gedeckt?« Frau Hegel lächelte. »Möchten sie nicht mit uns frühstücken?«

»Danke für das Angebot, aber ich werde nachher mit Julia essen.« Frauke lächelte ebenfalls. »Im Moment schläft sie noch rief und fest.«

»Es war gestern wohl doch sehr anstrengend für sie.« Herr Hegel nahm einen Schluck Kaffee.

»Danke, dass sie die Nachtwache übernommen haben. Das haben wir wirklich übersehen.« Frau Hegel nahm einen kleinen Block aus der Tasche und machte sich eine Notiz. »Ich schreibe ihnen dafür zwei Punkte gut.«

»Danke, Frau Hegel.« Frauke war über die zusätzlichen Punkte sehr erfreut. »Ich war sehr verwundert, denn sie hat sich überhaupt nicht bewegt.«

»Sie wird sehr erschöpft gewesen sein.« Herr Hegel lehnte sich nachdenklich zurück. »Was meint ihr, wie oft musste sie wohl kommen?«

»Wie lange dauerte es?« Frau Hegel hatte Schwierigkeiten, ihre unbegründete Eifersucht zu verbergen.

»Es war fast eine Stunde.« Ein Anflug von schlechtem Gewissen des Professors war zu hören.

»Dann dürften es acht bis neun Höhepunkte gewesen sein.« Frau Hegel blickte kurz aus dem Fenster, um ihr Gesicht nicht zu zeigen.

»Geht das überhaupt?« Frauke begann zu ahnen, was Julia am gestrigen Abend 'erleiden' musste.

»Ich habe erst aufgehört, als sie die Augen für länger geschlossen hatte.« Jetzt war sein schlechtes Gewissen deutlich zu hören.

»Hat sie die Kamera eigentlich nicht bemerkt?« Frau Hegel blickte wieder auf den Tisch.

»Die ist gut getarnt.« Frauke gab ihre Erfahrungen von damals wieder. »Wenn man es nicht weiß, dann erkennt man sie nicht.«

»Fragen sie sie bitte, wie sie die Nacht überstanden hat, und ob sie es genießen konnte.« Herr Hegel war an einem gewissen Feedback durchaus sehr interessiert.

»Soll ich sie direkt fragen?« Frauke war ein wenig verwundert.

»Nein, natürlich nicht.« Frau Hegel nahm noch etwas Kaffee. »Aber vielleicht ergibt sich im Laufe des Tages einmal eine Gelegenheit, bei der sie nachhaken können.«

»Ich werde es versuchen.« Frauke erkannte langsam, welches Vertrauen Hegels in sie setzten, und so nach und nach gewann in ihr die Überzeugung die Überhand, dass sie sich dieses Vertrauens auch würdig erweisen musste.

Und in diesem speziellen Fall schaute sie dabei auch nicht auf eventuelle Pluspunkte. Irgendwie fühlte sie sich sowohl Julia als auch Hegels verbunden, und sie wollte der Studentin das auf sie wartende Schicksal so einfach wie möglich machen, wenn dies überhaupt möglich war.

Herr Hegel blickte zu der Liste. »Es steht mehr darauf, als sie eigentlich zeitlich schaffen können.«

»Und was sollen wir machen?« Frauke hatte sich schon länger überlegt, was sie mit dem freien Tag eigentlich hätte machen wollen, denn der Besuch der Hochzeit war schon lange angekündigt. Dies musste sie nun auf später verschieben

»Ich habe bei einigen Sachen keine Zeitvorgaben dazugeschrieben. Die sind dann weniger wichtig.« Herrn Hegels Miene zeigte so etwas wie eine Entschuldigung.

Frau Hegel blickte ebenfalls auf das dicht beschriebene Papier. »Machen sie es bitte von Julias jeweiliger Stimmung abhängig.«

»Außerdem soll sie ja auch noch für ihre Prüfungen lernen.« Herr Hegel lehnte sich zurück. »Einige der Sachen lassen sich bestimmt auch kombinieren. Aber lassen sie selbst darauf kommen.«

»Darf ich ihr gar nicht helfen?« Frauke nahm erst jetzt die Liste zur Hand.

»Doch, schon.« Herr Hegel klang ernst. »Aber es soll nicht wie Zwang herüber kommen. Sie soll alles freiwillig machen. Ich denke, sie bringt genügend Ehrgeiz und Neugier mit.«

Frauke überflog die Liste und nach ungefähr der Hälfte erschien ein Lächeln auf ihrem Gesicht. »Das könnte ein interessanter Tag werden.«

Frau Hegel sah abwechselnd Frauke und die Liste an. »Sie wissen ja, wofür die einzelnen Sachen sind. Sie können die Reihenfolge auch gern etwas abändern.«

Frauke dachte mit etwas Wehmut an die Zeit, als sie selbst vor den Aufgaben stand, an die sie jetzt dieses unschuldige, aber zugleich hochintelligente Mädchen heranführen musste. Bei jedem einzelnen Eintrag auf der Liste wusste Frauke, warum er wichtig war, und sie hatte auch schon eine Idee, wie sie es Julia jeweils verkaufen wollte.

»Bitte denken sie aber daran, dass sie auf keinen Fall Zwang ausüben dürfen.« Herr Hegel blickte Frauke ins Gesicht. »Sie soll das alles freiwillig machen beziehungsweise aus der Verpflichtung uns gegenüber. Falls sie sie doch nötigen müssen, berufen sie sich auf die Versprechen, die sie uns gegenüber gegeben hat. Und bitte keine körperliche Gewalt.«

Es tat Frauke weh, auf diese Weise an ihre Vergangenheit erinnert zu werden, doch da sie wusste, dass es einem höheren Zweck diente, seufzte sie nur und versprach es.

Sie wusste, was von Julia erwartet wurde, und obwohl sie selbst an dieser Aufgabe gescheitert war, war sie doch bereit, ein anderes Mädchen an dieses hohe Ziel heranzuführen. Denn insgeheim war sie von dem Schicksal, welches auf Julia wartete, mehr als fasziniert. Und auch wenn sie dies selbst nie zugegeben hatte, fühlte sie doch, dass Julia in der Lage war, dieses hohe Ziel vielleicht sogar zu erreichen.

»Frau Wiesel?« Der Professor blickte die Dienerin nachdenklich an.

Frauke wurde aus ihren Gedanken gerissen. »Ja bitte?«

Frau Hegel räusperte sich. »Wir verlassen uns auf sie. Enttäuschen sie uns bitte nicht.«

Frauke schluckte. »Ich werde mein Bestes geben. Ich werde sie nicht enttäuschen.« Insgeheim hatte sie sich schon einen Plan zurecht gelegt, nach dem sie vorgehen wollte. Und wenn sie sich nicht zu ungeschickt anstellen würde, dann würde Julia sogar Spaß dabei empfinden.

»Ach, und noch etwas.« Herr Hegel wartete, bis Frauke ihn ansah. »Bitte vereinbaren sie vorher ein Notsignal, wenn sie sich mit den Perlen beschäftigen und sie dann nicht mehr reden kann. Am Anfang ist das besonders wichtig.«

»Zum Beispiel?« Frauke war diesbezüglich ein wenig neidisch, denn für sie hatte es diese Option nicht gegeben.

»Drei mal Klopfen oder Summen vielleicht?« Herr Hegel stand auf. »Es gibt bestimmt ein paar Einträge, die sich kombinieren lassen, so dass ihnen dann auch noch einige freie Zeit bleiben wird.«

»Und wenn sie es gut machen, bekommen sie noch einmal zwanzig Pluspunkte«, ergänzte Frau Hegel.

Frauke stand der Mund offen. Seit Julia da war, hatte sie schon mehr Pluspunkte bekommen als in der gesamten Zeit zuvor. »Danke, Frau Hegel.« Sie wollte sich auf jeden Fall erkenntlich zeigen.

* * *

»Bist du sicher, dass wir das Richtige tun?« Herr Hegel ließ den Motor an.

»Wir haben nicht mehr so viel Zeit. Das Risiko müssen wir eingehen.« Frau Hegel schnallte sich an. »Ich denke, Frau Wiesl wird gut auf sie aufpassen.«

»Du bist in letzter Zeit sehr großzügig mit den Pluspunkten.« Herr Hegel lenkte das Auto vom Grundstück auf die Straße.

»Ich weiß, aber sie sind unser einziges Motivationsmittel.« Sie seufzte. »Und wenn es dazu dient, dass es Julia doch schafft, dann sind sie doch gut investiert.«

»Du weißt, was du Siegfried versprochen hast?« Er klang etwas nachdenklich.

»Ja, natürlich.« Sie wollte diesen Einwand nicht gelten lassen. »Wir legen über jeden einzelnen Pluspunkt Rechenschaft ab und begründen, warum wir ihn vergeben haben. Außerdem weiß er ja, was wir eigentlich vorhaben, und er unterstützt uns dabei ebenfalls.«

»Du meinst, wir schaffen es doch noch?« Herr Hegel seufzte. »Eigentlich hatte ich die Hoffnung schon aufgegeben, doch Julia entwickelt sich sehr vielversprechend, insbesondere wenn ich sie mit den anderen Kandidatinnen vergleiche.«

»Erst hattest du Bedenken, weil sie deine beste Studentin ist.« Frau Hegel lächelte. »Mittlerweile bin ich der Meinung, dass sie beides schaffen kann, wenn wir sie nur ausreichend steuern.«

»Und wenn sie es nicht schafft?« Der Professor blieb skeptisch.

«Dann müssen wir aufgeben, und du bekommst eine sehr gute Studentin.« Frau Hegel vermied es, ihn bei diesem Satz anzusehen.

»Du hast recht, eigentlich können wir nicht verlieren.« Er klang erleichtert. »Aber trotzdem wäre es schön, wenn wir es doch noch schaffen würden.«

* * *

Langsam reifte in Frauke ein Plan, wie sie den Tag gemeinsam mit der Mieterin verbringen würde. Und der begann damit, dass sie Julia jetzt aufweckte.

Sie hatte sich alles Wichtige zurecht gelegt, voran natürlich die Liste, aber auch Antworten auf Fragen, die Julia vielleicht stellen würde. Obwohl sie sich sehr gut vorbereitet fühlte, klopfte ihr Herz doch laut, als sie Julias Zimmer betrat. Immerhin hatte sie sie seit der Orgasmusfolter diese Nacht nicht mehr gesehen. Und sie fragte sich, in welcher Stimmung sie jetzt sein würde.

Weil Julia die Notfallklingel nicht bedienen konnte, war die Alarmklingel mit dem Bewegungsmelder gekoppelt worden, und Frauke hatte ihr Nachtquartier in dem kleinen Überwachungsraum aufgeschlagen. Doch zur Überraschung aller hatte sich nichts getan.

Davon durfte sie nicht erzählen. Noch nicht.

* * *

Julia war noch nicht wach. Sie war vermutlich von der Orgasmusfolter so erschöpft, dass sie wortwörtlich wie ein Stein schlief. Frauke verließ ihren Platz am Fenster, stellte sich an ihr Bett und streichelte ihr zärtlich durch das Gesicht. »Julia, Schatz. Du musst aufstehen.«

Nur langsam öffnete die Studentin die Augen und blickte Frauke etwas verwundert an.

Die Dienerin lächelte. »Wir dachten, wir lassen dich noch schlafen.«

Julia blickte sich um. »Wie spät ist es denn?«

Frauke nannte die Uhrzeit.

»Oh, so lange schlafe ich sonst nicht.« Sie gähnte.

»Hast du überhaupt versucht, dich zu bewegen?« Frauke blickte fasziniert auf die Bettdecke, die noch genauso da lag, wie sie sie gestern hingelegt hatte.

»Ich weiß nicht.« Julia war verlegen. »Ist das schlimm?«

»Hegels sind schon zu der Hochzeit gefahren.« Die Dienerin lächelte. »Ich soll mich um dich kümmern.«

»Wie lange bist du schon hier?« Julia hatte eine Vermutung.

»Zwei«, war die kurze Antwort.

Julia brauchte einen Moment, dann erkannte sie, was Frauke damit sagen wollte. »Haben Hegels noch etwas gesagt?«

»Sie wünschen uns einen schönen Tag.« Die Dienerin lächelte vorsichtig. »Und wir sollen an die Liste denken.«

Das Stichwort 'Liste' elektrisierte Julia. »Warum sagst du das nicht gleich?« Sie wollte aus dem Bett springen, musste aber erkennen, dass sie noch festgeschnallt war. Sie versuchte ernsthaft an den Riemen zu ziehen, um sich zu befreien, doch schließlich erkannte sie, dass sie aufgeben musste. »Machst du mich bitte los?«

»Aber gern.« Frauke war von Julias Hilflosigkeit gepaart mit ihrer Unschuld sehr fasziniert. Trotzdem beeilte sie sich mit dem Losschnallen nicht. »Was möchtest du denn anziehen? Dann kann ich dir schon mal etwas heraussuchen, wenn du im Bad bist.« Sie erinnerte an Hegels Vorgaben. Sie hatte für das Wochenende die freie Kleiderwahl, sollte allerdings bedenken, dass sie einige Aufgaben zu erledigen hatten.

»Ich möchte wieder den Lackrock tragen.« Julia sah fasziniert zu, wie die Dienerin sie nach und nach vom Bett befreite.

»Hegels sind nicht da, du musst nicht.« Frauke hielt kurz in ihren Bewegungen inne.

»Ich weiß.« Julia lächelte. »Aber ich liebe diese Enge.«

»Wenn du meinst.« Frauke war ein wenig wehmütig, denn ihr stand es nicht zu, so über ihre Freiheit zu verfügen. Ihre Grenzen waren klar vorgegeben.

»Und du kannst schon mal die Perlen heraussuchen.« Julia blickte verlegen zum Fenster.

Frauke drehte sich verwundert zu Julia um.

»Ich habe mich schon gestern Abend darauf gefreut, bevor es losging.« Julia seufzte. »Und ich habe davon auch geträumt.«

»Aber erst solltest du frühstücken.« Frauke löste die letzten Riemen. »Ich habe dir extra etwas hergerichtet. Und während du frühstückst, erzählst du mir etwas von den Tieren.«

»Von den Tieren?« Julia war verwundert. »Welchen Tieren?«

»Bei euch auf dem Bauernhof.« Frauke lächelte verlegen. »Ich glaube, dass sie dir viel bedeuten.«

»Ja, damit könntest du recht haben.« Es war Julia eigentlich nicht recht, so an ihr Elternhaus erinnert zu werden. »Aber jetzt möchte ich erst einmal ins Bad.«

»Ja, natürlich.« Frauke erhob sich vom Bett und sammelte die Riemen ein.

»Hast du schon gefrühstückt?« Julia wollte sich erheben, stellte aber fest, dass sie sich nicht mit den Armen abstützen konnte.

»Ja, vorhin schon mit den Hegels.« Frauke schaute fasziniert zu, wie das immer noch sehr hilflose Mädchen mit dem Nachthemd kämpfte.

»Sie sind schon weg?« Endlich hatte sie es geschafft, auf der Bettkante zu sitzen.

»Ja.« Frauke war von Julias gefangenem Körper sehr fasziniert. »Sie sind schon vor einer Stunde losgefahren.«

»Schade«, seufzte Julia. »Ich wollte sie eigentlich noch etwas fragen.«

Frauke stutzte. »Was wolltest du sie denn fragen?«

»Ich wollte um Erlaubnis bitten, mehr von Carolin zu erkunden und nicht diese Liste abarbeiten.« Ob sie gegenüber Hegels diesen Mut aufgebracht hätte, wusste sie aber nicht.

Frauke holte tief Luft. »Also zum einen haben mir Hegels freie Hand gegeben, und ich soll dich bei allem unterstützen.« Sie räusperte sich. »Und dann schau doch mal auf die Liste: 'Carolins Handschuh, Carolins Perlennetz und Carolins Uniform für die Engel'. Und das Haus schauen wir uns auch an. Was willst du denn noch mehr?«

»Ja, du hast recht.« Die Studentin lächelte verlegen. »Das könnte ein schöner Tag werden.« Doch dann seufzte sie doch. »Aber ich wollte auch noch lernen.«

»Sie haben mir den Tipp gegeben, dass wir gewisse Aufgaben auch kombinieren dürfen.« Frauke war sich nicht sicher, ob es richtig war, diese Karte jetzt schon zu spielen, doch sie spürte insgeheim, dass Julia für diesen Gedanken sehr empfänglich sein dürfte. »Dann könnten wir etwas Zeit sparen.«

»Sicher?« Ein Grinsen erschien auf Julias Gesicht. »Das wäre sehr schön.«

»Jetzt erst mal raus aus dem Nachthemd.« Frauke trat an Julia heran und öffnete das Nachthemd, dann half sie ihr heraus. »Jetzt gehst du flink ins Bad, und dann ziehst du dir etwas Hübsches an.«

Julia wurde auf einmal hellhörig. »Egal was?« Sie befreite sich von dem Nachthemd und stand auf.

»Wir sind heute allein, hast du das vergessen?« Frauke blickte an ihr hoch. »Wenn du möchtest, dann kann ich dir etwas Passendes zu dem Rock aussuchen.«

»Oh ja, das wäre schön.« Julia ging zügig zur Tür des Badezimmers. An der Tür drehte sie sich noch einmal um. »Ich glaube, ich könnte mich nicht entscheiden.«

»Beeile dich.« Frauke grinste. »Ich bin dann in der Küche und warte auf dich.«

Sie wartete, bis sich die Tür geschlossen hatte, dann ging sie an den zweiten Schrank und griff zielstrebig hinein. Die bisher fehlenden Lacktops hatten Hegels in der Nacht noch heimlich in den Schrank geschmuggelt und ihr diesbezüglich Bescheid gegeben. Sie sollte so tun, als wäre die Tops schon im Schrank gewesen, falls es Julia überhaupt auffallen würde.

Sie legte drei Stücke auf das Bett, dann ging sie langsam aus dem Zimmer. Sie lächelte. Entgegen ihrer bisherigen Erwartungen schien es doch noch ein schöner Tag zu werden.
91. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von NathalyGummina am 10.02.18 19:46

Schön das es weitergeht!Danke!
92. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von HeMaDo am 10.02.18 20:26

Was soll ich sagen?

Ich freue mich, daß es hier weiter geht.

Der neue Teil hat mir wieder sehr gut gefallen.

Und die Fragen, die sich mir stellen werden nicht weniger. Aber ich bin sicher, daß diese zu gegebener Zeit beantwortet werden.
So lange muss ich eben Geduld üben.

HeMaDo
93. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von Rowdypiper am 11.02.18 02:28

Endlich geht es weiter.

Wird ja auch Zeit (ende Januar war versprochen, jetzt ist es schon Anfang Februar )

Mir hat ja schon deine erste Version sehr gefallen.
Aber diese hier wird sie wohl toppen.

Lass uns nur nicht zulange auf die anderen Teile warten!!!!

Dein Rowdypiper
94. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von christoph am 11.02.18 07:14

Wenn das als Kinofilm käme, wer ich der erste der sich eine Kinokarte kaufte. Klasse.
Gruß christoph
95. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von marmas71 am 11.02.18 08:36

Hallo gag_coll,

danke für die Fortsetzung. Super geschrieben

@christoph: Dann kannst du dir aber auch zu gag_coll's Maria eine Kinokarte kaufen. Den Film möchte ich auch sehen.

gag_coll hast du denn schon Anfragen von der Filmindustrie ?

Schönen Sonntag

marmas71
96. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von gag_coll am 11.02.18 08:45

Zitat
Wenn das als Kinofilm käme, wer ich der erste der sich eine Kinokarte kaufte. Klasse.
Gruß christoph
Danke... das hat mich sehr gefreut...
97. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von gag_coll am 11.02.18 08:48

Zitat
hast du denn schon Anfragen von der Filmindustrie?
So herum nicht... aber schon diese Woche (also in der ersten Woche nach dem Katerinenfest) fragt ein Produzent in Landsbach an, weil er das Katerinenfest verfilmen möchte...
98. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von der suchende am 11.02.18 10:33

Hallo gag_coll, schön das es wieder weitergeht. Danke für Schreiben und schönen Sonntag noch.
99. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von Wölchen am 11.02.18 20:25

Servus.

Bis jetz eine tolle GEschichte und du hälst die Spannung weiter hoch.Freu mich schon darauf wie es weiter geht.

mfg Wölchen
100. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von *Gozar* am 11.02.18 21:20

Hallo gag_coll

Du schreibst mal wieder in einer anderen Liga wie die meisten hier!

Bei wenigen springt mein Kopfkino so an wie bei Dir. Ich hab heute nicht nur hier die Studentin verfolgt!
Eigentlich wollte ich mir etwas für die Woche aufsparen aber ich hab mich nicht mehr losreißen können und hab es in einem,
bis zum Schluß des Kapitels, durchgelesen.

Ich warte ob Julia nur einen oder doch mehrere Gutenachtküsse bekommt

Es war einfach nur toll.

Ein dickes dickes Dankeschön für Deine Mühen und schreib fleißig weiter in dem Stil.

**** Ich schlage die Hacken zusammen,
nicke leicht mit dem Kopf,
murmele etwas von "Respekt",
drehe mich um
und gehe lächelnd davon ****


Gruß Gozar
101. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von Moira am 11.02.18 23:15

ICH persönlich mag ja an dieser Story das "Nebulöse"!

Sachlich-fachlich bis
flach-platt die Worte *****, ***** und ***** zu gebrauchen für Körperteile, Praktiken, Toys, Erklärungen etc. können viele andere AUCH,

sie mit Stil und Niveau, dennoch gedanklich unmissverständlich und VOLLEROTISCH zu benennen, begabt sowie präzise und eloquent genug zu sein, bleibt dem feinen gedanklichen und sprachlichen Gespür und Talent EINZELNER vorbehalten!



PS:
ja,
das
war
ein


LOB!
102. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von gag_coll am 12.02.18 06:04

Zitat
ICH persönlich mag ja an dieser Story das \"Nebulöse\"! Sachlich-fachlich bis flach-platt die Worte *****, ***** und ***** zu gebrauchen für Körperteile, Praktiken, Toys, Erklärungen etc. können viele andere AUCH, sie mit Stil und Niveau, dennoch gedanklich unmissverständlich und VOLLEROTISCH zu benennen, begabt sowie präzise und eloquent genug zu sein, bleibt dem feinen gedanklichen und sprachlichen Gespür und Talent EINZELNER vorbehalten!
Nur ein Wort: Dankefürdiesesschöneskompliment
103. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von gag_coll am 12.02.18 06:08

Zitat
Du schreibst mal wieder in einer anderen Liga wie die meisten hier!
Es war einfach nur toll.
Ein dickes dickes Dankeschön für Deine Mühen und schreib fleißig weiter in dem Stil.
Danke für das Lob... Es ist mir Ansporn, auf meiner Linie weiter zu schreiben...
104. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von *Gozar* am 12.02.18 20:14

!!!Wohl wahr Moira wohl wahr!!!
105. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 5 - Entdeckungen - Teil Zwei von Acht

geschrieben von gag_coll am 13.02.18 05:53

Der Mantel der Studentin
Kapitel 5 - Entdeckungen - Teil Zwei von Acht
Autor: Karl Kollar

Als Julia aus dem Bad kam, fiel ihr Blick sofort auf das Bett. Frauke hatte ihr den Lackrock bereitgelegt sowie drei Oberteile zur Auswahl. Julia begutachtete die Sachen. Es war zum einen ein blaues Lacktop mit Spaghetti-Trägern, dann ein schlichtes gelbes T-Shirt und eine aufwendig gearbeitete weiße Bluse mit langen Ärmeln. Natürlich waren alle aus dem faszinierenden Lack-Stoff. Sie musste nicht lange überlegen, dann entschied sie sich für die weiße Bluse. Diese passte besonders gut zu dem schwarzen Rock.

Und natürlich schloss sie auch den Rock vollständig, als sie sich auf den Weg zur Küche machte. Nur auf der Treppe zog sie sich den Reißverschluss ein wenig auf. Aber selbst dabei achtete sie darauf, dass sie keine unnötige Beinfreiheit hatte.

Und sie fühlte sich sehr wohl dabei, und sie war sogar stolz, dass sie sich so genau an ihr Ehrenwort halten konnte. Denn sie hatte schon lange keine Probleme mehr damit, dass der Rock ihr nur noch Schritte im Zentimeterbereich erlaubte.

Doch heute fand sie es fast ein wenig lästig, denn es kostete Zeit, mit dem Rock unterwegs zu sein.

Frauke stand an der Spüle, und als sie Julia erblickte, musste sie lächeln. »Ich war mir eigentlich sicher, dass du dich für das T-Shirt entscheiden würdest.«

Julia lächelte, während sie langsam zu dem Tisch hin trippelte. »Gefällt es dir trotzdem?« Sie setzte sich an den Tisch und blickte auf die Sachen, die Frauke ihr bereitgestellt hatte.

»Ja, natürlich.« Frauke nahm die Kanne und schenkte Julia den Kaffee ein.

»Schade, dass du schon gefrühstückt hast.« Julia suchte Fraukes Blick. »Aber magst du dich trotzdem zu mir an den Tisch setzen? Ich hätte da noch ein paar Fragen.«

Frauke hatte ein ungutes Gefühl, als sie der Bitte nachkam und sich zu Julia setzte.

Es dauerte einige Zeit, bis Julia zu reden begann. »Frauke, wie ist das mit dem Keuschheitsgürtel? Ich soll mich dafür entscheiden.« Sie stellte ihre Tasse ab. »Was würdest du mir raten?«

Frauke war einigermaßen überrumpelt. Julia schien sich schon ernsthaft mit der Frage befasst zu haben. »Du solltest dich ja erst entscheiden, wenn du ihn probiert hast.«

»Ja, das weiß ich.« Julia konnte nicht verhindern, dass sie in diesem Moment etwas ungeduldig klang. »Aber du, du trägst ihn. Was würdest du sagen, wenn du an meiner Stelle wärst?«

»Nun, er ist nicht unangenehm und ist kaum zu spüren.« Sie wollte trotz aller Verpflichtungen Hegels gegenüber zu Julia fair sein. »Aber du kannst dich dann gar nicht mehr berühren, dessen solltest du dir bewusst sein.«

»So wie letzte Nacht?« Julia blickte Frauke fast etwas verliebt an. »Ich wusste gar nicht, dass ich so oft kommen kann.«

Frauke war erleichtert. Das Gespräch nahm eine Wendung, die ihr vielleicht sogar ein paar zusätzliche Pluspunkte einbringen konnte. »Du hast es genossen?«

»Es war schön, nichts dagegen machen zu können und es einfach nur zu genießen.« Julia lehnte sich zurück.

»Es hat dir sofort gefallen?« Frauke war sich nicht sicher, ob es die richtige Frage war, doch sie war sehr neugierig, wie Julia diese Folternacht wohl empfunden hatte.

Julia blickte auf. »Nein, am Anfang war ich viel zu nervös. Erst nach dem dritten Orgasmus konnte ich mich richtig fallen lassen.« Sie wunderte sich, woher sie die Worte nahm.

»Dann wirst du mit dem Keuschheitsgürtel auch keine Schwierigkeiten haben.« Frauke war erleichtert. »Nur die Körperhygiene ist ein wenig umständlich, aber dabei werde ich dir helfen.«

»Warum wollte Carolin wohl unbedingt so einen Gürtel tragen?« Julia war verwundert.

»Ich glaube, es hängt mit den Engeln zusammen.« Frauke begann ein wenig zu schwitzen, denn sie fühlte, wie dünn das Eis wurde.

Julia blickte kurz auf die Liste, die Frauke schon bereit gelegt hatte. »Schaffen wir das alles? Ich wollte auch noch lernen. Nachdem er mir schon Tipps gegeben hat, was in der Prüfung dran kommt.«

Frauke runzelte die Stirn. »Hättest du das nötig, auf diese Weise zu schummeln?«

»Nein, sicher nicht.« Julia war nachdenklich. »Aber käme das wirklich als Schummeln herüber?«

»Was hat er dir denn gesagt?« Frauke ärgerte sich ein wenig über ihre Frage, doch jetzt musste sie sich ihr stellen.

»Letztendlich ist es das Thema dieses Semesters.« Julia schien über diese Begegnung mit ihrem Professor noch einmal nachzudenken. »Außerdem hat er mir nicht gesagt, was dran kommt. Er hat nur Fragen gestellt, die auffällig alle in die selbe Richtung gehen.«

»Du möchtest also lernen, wenn du den Handschuh trägst?« Frauke hoffte, die Worte richtig interpretiert zu haben.

»Immerhin wären es ja nur zehn Minuten.« Julia zuckte mit den Schultern. »Aber was sollte ich während der Zeit auch sonst machen?«

»Naja, du trägst ja auch noch die Perle.« Frauke warf ebenfalls einen Blick auf die Liste, obwohl sie den Inhalt mittlerweile schon gut kannte. »Und die Uniform sollen wir auch ausprobieren.«

Julia blickte noch einmal auf die Liste. »Was schätzt du, wie viel Zeit wird uns bleiben, wenn wir das alles machen wollen?«

Frauke gab sich nachdenklich. »Vielleicht eine Stunde, mehr sicher nicht.«

»Und wenn wir Sachen parallel machen?« Julia griff die Stimmung auf. »Perlen und Handschuhe lassen sich sicher zusammen tragen.«

»Sicher, das ist schon richtig.« Frauke lehnte sich zurück. »Aber ich sehe noch eine andere Möglichkeit, wie wir Zeit sparen können.«

»An was denkst du?« Julia blickte sehr interessiert auf die Dienerin.

Frauke blickte die Studentin verlegen an. »Wir könnten bei den einzelnen Abschnitten optimieren, wenn du ordentlich mitmachst und dich nicht dumm anstellst.« Sie hielt den Atem an, denn sie wusste nicht, wie Julia auf diesen doch eher frechen und belastenden Vorschlag reagieren würde.

»Versprochen, ich werde mich nicht dumm anstellen.« Julia blickte kurz auf die Liste. »Aber du musst mir auch helfen.«

»Das werde ich machen, versprochen.« Insgeheim war sie über die Art und Weise, wie Julia reagiert hatte, sehr erleichtert.

»In welcher Reihenfolge machen wir das?« Julia fixierte wieder die Liste.

»Ich dachte, dass wir mit den Perlennetz anfangen.« Frauke räusperte sich. »Das dürfte insgesamt am längsten dauern.«

»Weil ich mich zu Beginn dumm anstelle?« Julia wollte zeigen, dass sie mitdachte.

»Nein, so hatte ich das nicht gemeint.« Frauke lachte. »Das Geschirr anzulegen ist kompliziert, weil du es machen musst, ohne sehen zu können, was du tust.«

»Na dann lass uns doch anfangen.« Julia stand auf und begann, den Tisch abzuräumen.

»Aber das machen wir in deinem Zimmer.« Frauke fasste mit an.

»Muss ich mich dafür umziehen?« Julia blickte kurz an sich herunter.

»Für das Perlennetz?« Frauke dachte kurz nach. »Nein, warum fragst du?«

Julia lächelte verstohlen. »Ich würde gern viel von Carolin ausprobieren.«

Frauke grinste. »Das geht aber von unserer Zeit ab.«

»Na dann.« Julia trippelte zur Tür. »Lass uns anfangen.«

»Für den Handschuh wäre es günstig, wenn du ein kurzärmeliges Oberteil tragen würdest.« Sie blickte auf die Bluse, die Julia trug.

»Dann werde ich mich gleich umziehen.« Julia war schon fast aus der Küche heraus. »Dann verlieren wir nach dem Perlennetz nicht so viel Zeit.«

Frauke runzelte die Stirn. Es gab ihr einen Stich, als sie Julias Ehrgeiz bemerkte. Doch sie wusste, dass sie dieses Streben auf keinen Fall unterdrücken durfte. »Ich bin gleich bei dir.«



Julia ging zum ersten Mal mit wirklich klopfendem Herzen in ihre Wohnung. Sie war aufgeregt, denn sie spürte die Lust, aber auch die Last, die mit Carolins Leben offensichtlich verbunden war.

Die Orgasmen, die sie letzte Nacht bekommen hatte, waren mehr als intensiv gewesen, und sie wusste, dass sie so etwas zum ersten Mal erleben durfte. Es hörte einfach nicht auf, und sie kam immer immer wieder. Fast die halbe Nacht schwebte sie auf einer Wolke von Glück und Geborgenheit, und das Nachthemd und die Riemen, die sie zusätzlich auf dem Bett festhielten, waren eher wie Vertraute zu sehen.

Sie hatte sich früher schon berührt und auch zum Höhepunkt gestreichelt, doch das war nichts im Vergleich zu dieser Nacht.

Sie stutzte. Ob sie es wohl wieder erleben durfte, und ob sie Frauke von ihren Gefühlen erzählen durfte? Noch war sie sich nicht sicher, was sie von dieser seltsamen Dienerin zu halten hatte. Doch sie hatte ihr zu dieser gewaltigen Nacht verholfen, und deswegen war Julia bereit, ihr ein wenig das Herz zu öffnen.

Es hatte ihr einen Stich ins Herz gegeben, als sie erfahren hatte, dass Frauke ihr Geschenk nicht annehmen durfte. Sie hätte zwar gern gewusst, warum das so war, doch sie ahnte andererseits, dass etwas Trauriges zum Vorschein kommen würde, und davor wollte sie sich und Frauke bewahren.

Auf dem Bett lagen noch die anderen beiden Oberteile, und Julia musste nicht lange überlegen. Sie zog sich die Bluse aus und griff zu dem Lacktop, um sich dieses anzuziehen. Normalerweise hätte sie ihr nächster Weg zum Spiegel geführt, doch heute war sie dafür viel zu aufgeregt.

Als Frauke Julias Wohnung betrat, trug sie einen Puppenkopf, etwas zu Schreiben und einen Block. Sie ging zu der Sitzecke und stellte die Sachen auf den kleinen Tisch, dann drehte sie sich zu Julia um. »Hast du vorher noch Fragen?«

Julia blickte Frauke verwundert an.

Frauke schmunzelte. »Du bist so schwer zu verstehen, wenn du die Perle im Mund hast.«

»Ich hatte gestern kurz ein wenig Schmerzen im Kiefer.« Fast unbewusst versuchte Julia, das Unvermeidliche noch etwas hinaus zu zögern. »Ansonsten war das Tragen gar kein Problem.«

Frauke gab sich verständnisvoll. »Naja, nach einer gewissen Zeit machen sich die Muskeln im Kiefer bemerkbar.«

»Was kann man dagegen machen?« Julia wurde immer nervöser.

»Immer mal wieder den Ball im Mund tragen und gleich darauf wieder ablegen.« Frauke lächelte »Immer nur kurze Tragezeiten.« Sie selbst hatte damals damit überhaupt keine Probleme gehabt.

»Das könnte ich ja beim Lernen machen.« Julias Stimme zitterte.

»Du musst dabei nur auf deinen Speichel aufpassen.« Frauke hatte Julias Stimmung bemerkt.

»Warum?« Die Studentin blickte auf.

»Wenn der Mund offen steht, dann kannst du nicht schlucken.«

»Ja und?« Sie hatte in ihrer Nervosität die Zusammenhänge noch nicht erkannt.

»Der Speichel sammelt sich im Mund und wird herauslaufen.« Frauke hatte sich wegen des Sabberns damals immer furchtbar geschämt.

»Oh.« Julia keuchte. »Dann muss ich die Lippen fest um die Perle schließen.«

»Du solltest halt aufpassen, dass du die Bücher nicht voll tropfst.« Frauke seufzte. »Aber heute sollten wir etwas anderes machen.«

»Und zwar?« Julia blickte Frauke neugierig an.

»Du solltest in der Lage sein, dir das Perlennetz selbst anzulegen.« Frauke ging zum Schrank und holte ein Perlennetz heraus. »Das müssen wir üben.« Sie reichte Julia das Netz.

Julia nahm es in die Hand und blickte etwas unsicher auf die vielen Riemen. »Ich habe es ja schon einmal getragen, aber ich weiß noch nicht, wie man es anlegen muss.«

»Deswegen habe ich diesen Perückenständer organisiert, an dem wir das üben können.« Frauke zeigte auf den Kopf auf dem Tisch. Zusammen gingen sie zum Tisch und setzen sich.

»Wäre es nicht sinnvoller, dass gleich auf dem Kopf zu machen?« Julia runzelte die Stirn. »Wir wollen doch Zeit sparen.«

Doch Frauke wischte den Einwand beiseite. »Du sollst ja sehen können, wie die Riemen verlaufen und wo die Schnallen sind.«

»Ja, das leuchtet ein.« Sie nahm das Netz und legte es über den Perückenkopf.

»Du kannst dich an der Perle orientieren. Sie gehört in den Mund.« Frauke schaute fasziniert zu, als Julia versuchte, das Riemengewirr zu sortieren. »Als erstes solltest du den Hauptriemen schließen. Mach ihn so fest, dass es beginnt unangenehm zu werden, und gehe dann ein Loch zurück.«

Julia hatte die Schnalle schnell gefunden und genauso schnell geschlossen. »Kommt jetzt erst der Riemen unter dem Kinn oder der über dem Kopf?«

»Du solltest erst den Y-Riemen über den Kopf festmachen.« Frauke zeigte auf das entsprechende Lederband. »Das ist auch der Schwierigste.«

»Warum ist das schwierig?« Julia hatte die betreffenden Riemen sofort gefunden und geschlossen.

»Naja, dir ist schon bewusst, dass du es blind machen musst.« Frauke lächelte angespannt. »Du kannst ja nicht hinter deinen Kopf schauen.«

»Ja stimmt.« Erst jetzt erkannte Julia die Zusammenhänge.

»Deswegen kannst du das so üben.« Frauke wurde zunehmend nervöser.

»Ich könnte mich vor den Spiegel stellen.« Julia blickte sich im Zimmer um. »Dann könnte ich es doch sehen?«

»Ja, das könnte helfen.« Insgeheim hatte Frauke mit diesem Einwand gerechnet. »Aber du solltest es auch können, wenn kein Spiegel verfügbar ist.«

»Klar.« Julias Stimme zitterte deutlich.

»Aber es ist auch wichtig, den richtigen Sitz des Netzes zu prüfen.« Frauke rief die Sätze ab, die sie sich vorbereitet hatte. »Der Riemen, der über die Stirn läuft, sollte genau in der Mitte deines Gesichtes verlaufen. Und die beiden seitlichen Riemen sollten beide mit der selben Spannung getragen werden, weil sonst das Netz leicht verrutscht. Und nichts sieht schlechter aus, als wenn das Netz nicht ordentlich auf den Kopf sitzt.«

»Ja, verständlich.« Julias Hände zitterten, während sie die Riemen auf dem Kopf korrigierte.

»Und wenn du einen Spiegel zur Verfügung hast, dann solltest du dort dein Aussehen noch einmal prüfen.« Frauke holte tief Luft. »Für die Funktionalität ist es eigentlich unwichtig, aber wenn der Riemen nicht mittig auf der Stirn sitzt, sieht es falsch und ungepflegt aus.«

»Ungepflegt?« Julia runzelte die Stirn.

»Du hast recht, 'ungepflegt' ist das falsche Wort.« Frauke blickte fasziniert auf Julias Hände. »Eher nachlässig. Es ist ein Zeichen davon, dass du dich nicht um dein Aussehen kümmerst.«

»Ja, du hast recht, darauf sollte ich immer achten.« Sie wusste allerdings nicht, was die Zukunft diesbezüglich bringen würde. Doch sie wagte auch nicht, danach zu fragen, weil sie ahnte, dass sie die diesbezügliche Antwort nicht wissen wollte. Zumindest noch nicht.

Sie stand auf, holte die anderen mitgebrachten Sachen von der Kommode und legte sie vor Julia auf den Tisch.

Die Studentin hielt in ihren Bewegungen inne und blickte verwundert auf das Schreibzeug. »Wofür ist der Block?«

Frauke lächelte. »Damit du etwas aufschreiben kannst, wenn du die Perle trägst.«

»Verständlich.« Doch dann stutzte sie und blickte auf. »Frauke, wie kann ich mich denn dann verständlich machen, wenn ich dazu auch den Handschuh trage? Wie hat Carolin das gehandhabt?«

»Das weiß ich nicht.« Frauke seufzte leicht. »Aber du hast recht, mit Perle und Handschuh kannst nicht mehr so gut kommunizieren.«

»Aber was, wenn ein Notfall vorliegt?« In diesem Moment zeigte Julia echte Besorgnis. Es war zuerkennen, dass sie sich gedanklich schon mit der Zukunft vertraut gemacht hatte.

»Gut das du mich daran erinnerst.« Frauke holte tief Luft. »Drei mal 'kurz', ein bis zwei mal hintereinander.«

Julia war verwundert. »Wie, drei mal kurz?«

»Egal was. Klopfen, aufstampfen, stöhnen.« Frauke wusste, wie wichtig diese Vereinbarung war. »Es gilt als Notsignal, und es wird sich dann sofort jemand um dich kümmern.«

»Wie passiert das?« Julia runzelte die Stirn.

»Zunächst wird dir die Perle abgenommen, damit du dich äußern und sagen kannst, was dich bewegt.« In diesem Moment konnte sich die Dienerin sehr gut in Julia hineinversetzen.

»Egal was?« Julia blieb im gleichen Tonfall.

Frauke zögerte etwas. »Nun, es sollte schon ein ernster Grund vorliegen.«

»Woher soll ich wissen, ob es wirklich ein Notfall ist?« Julia fragte das Naheliegende.

»Mache dir darüber keine Gedanken.« Frauke seufzte wieder. »Wichtig ist vor allem, dass deine Gesundheit nicht gefährdet wird.«

»Hat Carolin es oft benutzt?« Julia dachte wieder an ihr Vorbild, dem sie nacheifern wollte.

»Das weiß ich nicht.« Frauke streichelte unbewusst den Perückenkopf, der noch das Netz trug. »Außerdem wirst du selten beides tragen.«

»Es sei denn ich bin besonders ehrgeizig.« Julia lächelte verlegen.

Frauke seufzte erneut. »Aber jetzt lass uns anfangen, sonst verbummeln wir zuviel Zeit.«

106. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 5 - Entdeckungen - Teil Drei von Acht

geschrieben von gag_coll am 16.02.18 06:15

Der Mantel der Studentin
Kapitel 5 - Entdeckungen - Teil Drei von Acht
Autor: Karl Kollar

»Jetzt veräppelst du mich aber?« Frauke blickte verwundert auf Julias Kopf, der jetzt von dem Perlennetz geschmückt war.

Julia stutzte und blickte Frauke verwundert an. Dann griff sie sich den Block und schrieb darauf. »Warum? Was habe ich falsch gemacht?«

»Das ist es ja eben.« Frauke war mehr als erstaunt. »Nichts. Du hast es genau richtig gemacht.«

Wieder griff Julia zum Stift. »Du hast doch gesagt, dass ich mich nicht dumm anstellen soll, und dass ich mich beeilen soll, weil wir viel vorhaben.«

Frauke war verblüfft. »Magst es dir noch mal anlegen? Dann könnten wir diesen Punkt als sehr gut erledigt abhaken.« Sie griff zu dem Spiegel, den sie ebenfalls mitgebracht hatte, und reichte ihn Julia.

Julia war sehr fasziniert, als sie den Ball in ihrem Mund und die Riemen über ihr Gesicht sah. Ihre Augen leuchteten.

Frauke streichelte ihr sanft über den Kopf.

Julia lächelte um den Ball in ihrem Mund. Sehr zielstrebig öffnete sie sich das Geschirr und nahm es sich ab. Dann blickte sie Frauke triumphierend an. »Es ist doch einfacher, als es zuerst aussieht.« Sie sprach nicht weiter, sondern legte sie das Geschirr gleich noch einmal an.

Frauke kam es vor, als ob es jetzt sogar etwas schneller als beim ersten Mal war. »Perfekt.«

Julia versuchte ein Lächeln, dann nahm sie sich das Netz wieder ab. »Dann können wir diesen Punkt abhaken?« Sie reichte Frauke den Stift.

»Oh, das darfst du auch gern selbst aufschreiben.« Frauke war über die gute Leistung mehr als erfreut.

Julia wunderte sich etwas. »Musst du mich nicht kontrollieren?« Sie griff zur Liste und mit einer feierlichen Geste setzte sie hinter das Perlennetz einen Haken.

»Doch schon, ich soll auf dich aufpassen.« Frauke lächelte. »Aber ich bin mir sicher, dass du nicht schummeln wirst.«

»Danke für das Vertrauen.« Julia fühlte in sich eine weitere Verpflichtung wachsen. Sie ahnte, dass Hegels ihr vertrauten, und dass sich dieses Vertrauen jetzt auch auf Frauke erweiterte. Sie nahm sich vor, dieses Vertrauen ebenfalls nicht zu enttäuschen. »Und das Notsignal darf ich jederzeit benutzen.«

»Jederzeit, wenn ein ernster Grund vorliegt.« Frauke lehnte sich kurz zurück.

»Und wenn ich mich täusche?« Julia wollte ganz sicher gehen.

»Mach dir darüber keine Gedanken und folge einfach deinem Herzen.« Frauke wiederholte die Worte, die ihr selbst gesagt worden waren. »Wenn du meinst, dass es wichtig ist, oder wenn du echte Schmerzen verspürst, dann melde dich. Das ist ganz wichtig.«

»Dann könnten wir weiter machen?« Julia warf einen Blick auf die Liste.

»Was meinst du?« Frauke fragte es, obwohl sie Julias Blick gesehen hatte.

»Mit der Liste.« Julia zeigte auf den zweiten Eintrag. »Das nächste wäre ja der Trainingshandschuh.«

»Darauf bin ich auch sehr gespannt.« Frauke lächelte. »Ich könnte wetten, dass du ihn ganz geschlossen tragen kannst.« Doch dann wurde sie unerwartet sehr ernst. »Du musst mir unbedingt etwas versprechen.«

»Und das wäre?« Julia war der Stimmungswechsel sofort aufgefallen.

»Du meldest dich sofort, wenn es weh tut.« Frauke blickte Julia ernst an. »Und zwar ganz ehrlich. Es ist in dem Moment gleichgültig, was Hegels von dir erwarten.«

Julia erkannte, dass Frauke sich in diesem Moment auf ihre Seite zu schlagen schien. »Ich verspreche es.«

Insgeheim fragte sie sich, was wohl noch alles auf sie warten würde. Sie war immer mehr bereit, Carolins Weg fortzusetzen. Denn sie ahnte, dass es ein aufregender Weg sein würde.

Frauke nahm sich den Block zur Hand und begann etwas darauf zu schreiben. Als sie Julias verwunderten Blick sah, lächelte sie. »Hier sollen wir den Zeitraum eintragen, in dem du den Handschuh getragen hast inklusive Start- und Endzeit.«

»Warum denn das?« Julia runzelte jetzt auch noch die Stirn. »Kontrollieren sie uns?«

»Nein... Ja... Nein...« Frauke stotterte ein wenig. »Es geht um deine Gesundheit. Sie möchten einen Überblick bekommen, wann du den Handschuhe wie lange getragen hast.«

»Das hört sich irgendwie wichtig an.« Die Studentin war sichtlich beeindruckt.

»Ja, das ist es auch.« Frauke hoffte, das die Worte, die Hegels ihr mitgegeben hatten, die richtige Wirkungen haben würden. »Carolin hat das immer mehr gesteigert, haben sie mir gesagt. Zu Anfang werden sich deine Muskeln schon nach fünf bis zehn Minuten bemerkbar machen.«

Julia dachte kurz nach. »Und was wird von mir erwartet? Welche Zeitspanne muss ich schaffen?«

»Vor allem ist wichtig, dass du es langsam steigerst.« Frauke grinste innerlich, denn Julia reagierte genauso wie vorhergesagt. »Sonst machst du dir die Muskeln irreparabel kaputt.« Sie machte eine Pause, um ihre Worte wirken zu lassen. »Aber die Besten schaffen zwischen zwei und drei Stunden. Spätestens dann muss unbedingt eine Pause gemacht werden.«

»Beim Lernen brauche ich meine Arme ja ohnehin nicht.« Julia schien schon weiter zu denken.

»Zum Umblättern?« Frauke legte den Stift wieder weg.

»Ja das stimmt allerdings.« Sie stutzte kurz. »Ich habe schon öfters mit der Nase umgeblättert, weil ich zu faul war, meine Hände zu bewegen. Ich glaube, dass läßt sich ausbauen.« Ihre Augen leuchteten.

»Aber das waren deine eigenen Bücher?« Frauke runzelte die Stirn.

»Ja, das stimmt.« Julia schmunzelte. »Du hast recht. Mit den kostbaren Büchern aus der Bibliothek sollte ich das lieber nicht machen.«

»Du wolltest doch auch beim Lernen die Perle tragen.« Frauke war sich unsicher, ob sie es ansprechen sollte.

»Und die High Heels wollte ich auch tragen.« Sie zögerte. »Ich glaube, dass wird so nichts. Ich muss mir dafür einen Plan machen.«

Frauke lächelte etwas unsicher. Ihr Blick fiel mehr oder weniger beabsichtigt auf den Trainingshandschuh.

»Du hast Recht.« Julia war dem Blick gefolgt. »Jetzt ist erst einmal der Handschuh dran. Müssen wir das anlegen auch erst an einer Puppe üben?«

»Nein.« lachte Frauke. »Im Gegensatz zu dem Perlennetz kannst du dir den Handschuh nicht selbst anlegen. Dafür brauchst du immer Hilfe.«

»Eigentlich schade.« Julia fiel in das Lachen ein.

»Du bist gern unabhängig?« Die Dienerin blickte Julia etwas verwundert an.

»Ich habe schnell gelernt, mich nicht auf andere zu verlassen.« Mit etwas Wehmut dachte sie an ihre Vergangenheit, in der sie schon öfters selbst für ihr Glück kämpfen musste.

»Für das erste Mal sollten fünf Minuten reichen.« Frauke schrieb wieder etwas auf den Zettel, auf dem bisher nur die Überschrift stand: 'Tragezeiten des Trainingshandschuhs'

»Nur?« Julia sah ein wenig enttäuscht aus. »So viel habe ich gestern schon geschafft.«

Frauke blickte Julia nur an.

»Schon gut, das machen wir.« Julia gefiel der Gedanke, sich Frauke zum Teil unterordnen zu dürfen. Sie stand auf und nahm sich die schon bereitliegende Lederhülle. »Der Handschuh ist etwas schwerer.« Sie blickte Frauke verwundert an.

»Kein Wunder! Die Verschlüsse sind ja auch doppelt vorhanden, und er ist auch überall doppellagig gearbeitet.« Frauke gab ihre eigenen Erfahrungen wieder. »Für das Training muss er nicht schön aussehen, sondern nur robust sein.«

Julia horchte auf. »Es gibt dann also auch schöne Handschuhe?« Sie hatte das Wort 'schöne' extra betont.

»Die schönen Handschuhe wirst du sicher noch kennen lernen. Jetzt lass uns erst einmal mit diesem hier anfangen.« Frauke nahm Julia den Handschuh aus der Hand und fingerte etwas daran herum. »Hier ist unter der Schnürung noch eine Lage extra Leder, damit es nicht zu Druckstellen auf der Haut kommt.«

»Wie vorsorglich.« Julia konnte nicht verhindern, dass sie ironisch klang. »Lass uns anfangen.« Sie legte ihre Arme auf den Rücken. »Meinst du, du bekommst ihn ganz geschlossen? Ich glaube, dass würde Hegels sehr freuen.«

Obwohl sich Frauke über diesen Ehrgeiz sehr freute, musste sie Julia doch bremsen. »Das ist der Trainingshandschuh, den du oft tragen wirst. Er sollte vor allem bequem sitzen.«

Nur langsam begriff Julia, was Frauke soeben gesagt hatte, und obwohl es ihr eigentlich schon klar war, wollte sie es noch einmal hören. »Was heißt das, 'oft tragen'?« Ohne das es ihr selbst bewusst war, nahm sie ihre Arme wieder nach vorn und strich sich die Haare aus dem Gesicht.

»Nun, Carolin hat ihn sehr oft getragen, natürlich immer mit ausreichenden Pausen.« Frauke gab wieder, was sie zu wissen glaubte.

»Stimmt, ich habe ja schon viele der Möbel gesehen.« Sie blickte sich kurz um. »Es war mir immer sofort klar, wo Carolin jeweils gesessen hatte.« Dass die Möbel in ihrem Zimmer alle diese seltsame Lehne hatten, war ihr schon so vertraut, dass es ihr erst jetzt wieder ins Auge fiel.

»Wenn ich Madame dann bitten dürfte?« Frauke hielt den Handschuh auf Höhe von Julias Händen.

Julia lächelte angespannt, dann legte sie ihre Arme wieder auf ihren Rücken. »Ich bin schon gespannt.« Sie keuchte, als sie erste Berührungen ihrer Haut mit dem Leder verspürte.

»Der Handschuh würde wieder herunter rutschen.« In Fraukes Stimme klang etwas Verlegenheit. »Ich glaube, ich lege dir erst die Halteriemen an.«

Die Studentin sah fasziniert an sich herunter und sah, wie sich langsam das Kreuz über ihrer Brust bildete. Sie keuchte vor innerer Anspannung.

Frauke glaubte, Julias Gedanken zu erkennen. »Es gibt auch noch Handschuhe mit einem anderen Verlauf der Riemen. Die sind dann für die geübten Mädchen, weil man sie noch viel strenger schnüren kann.«

»Na dann.« Julia war in diesem Moment nicht in der Lage, an die Zukunft zu denken. Sie war viel zu sehr in der Gegenwart und von dem Handschuh gefangen.

»Ich beginne jetzt mit der Schnürung«, sagte Frauke mit leiser Stimme, nachdem sie einige Momente auf Julias Rücken hantiert hatte.

»Wie weit wirst du schnüren?« Julia hatte Schwierigkeiten, sich klar zu äußern. »Und was hast du bis eben gemacht?«

»Du bist sehr neugierig.« Es reizte die Dienerin, Julia ein wenig zu necken. »Ich habe die Trageriemen wie vorgesehen festgeschnallt. Du kannst dir das gleich im Spiegel ansehen.« Sie versuchte ihre Stimme etwas strenger klingen zu lassen. »Und jetzt halte bitte deine Arme still.«

Julia hatte den Wechsel des Tonfalls durchaus bemerkt, und obwohl sie davon nicht beeindruckt war, spürte sie doch, dass es einfacher für Frauke sein würde, wenn sie sich nicht mehr bewegte.



»So, fertig. Ich muss nur noch die überstehende Schnur aufwickeln.« Die Dienerin klang sehr erleichtert. »Und um auf deine andere Frage zu antworten, er ist ganz geschlossen.«

»Aber...« Julia hatte Schwierigkeiten, die richtigen Worte zu finden. »Er sitzt doch völlig locker.« Um dies zu demonstrieren, drückte sie ihre Arme aneinander.

»Ja, du hast recht, so geht das nicht.« Sie blickte etwas ratlos auf Julias Arme. »So macht das Training keinen Sinn.«

»Was machen wir nun?« Julia drehte sich um und blickte Frauke erwartungsvoll an.

»Ich bewundere dich.« Sie überhörte die Frage der Studentin. »Ich wäre froh gewesen, wenn ich ihn wenigstens so hätte tragen können.«

Zunächst war Julia stolz, erst nach kurzer Zeit realisierte sie, was Frauke eigentlich gesagt hatte. »Musstest du den Handschuh auch tragen? Warum du?«

Frauke wurde verlegen, denn sie hatte sich verplappert. Es war ausgemacht, dass sie Julia nichts von ihren eigenen Versuchen sagen sollte, deswegen suchte sie eine Ablenkung. »Ich habe Carolin, obwohl ich sie nicht mehr kennenlernen durfte, bewundert, und ich war neugierig. Ich wollte wissen, ob ich das auch können würde.«

»Und konntest du es?« Julia war fasziniert, eine neue Seite der Dienerin kennenzulernen.

»Selbst wenn ich jemand gefunden hätte, der mir damit geholfen hätte, hätte ich es nicht geschafft.« Sie ärgerte sich über ihren Fauxpas und hoffte, dass Julia nicht weiter nachhaken würde. »Ich schau mal, ob er sich noch etwas enger schnüren lässt.«

»Ja bitte.« Julia war dankbar, dass Frauke anscheinend ihrem Ehrgeiz etwas nachgab. »Es fühlt sich schön an.«

Frauke keuchte. »Was haben deine Brüder nur mit dir angestellt, dass du so gelenkig bist?«

»Erinnere mich bitte nicht an die alten Zeiten.« Julia seufzte. Sicher, sie war früher sicher eine Nervensäge gewesen, und sie hatte stets den Ehrgeiz gehabt, sich gegen ihre Brüder zu behaupten. Und auch das spielerische Fesseln der Arme auf den Rücken hatte sie damals mit stoischer Ruhe ertragen, auch wenn es nur Kindereien waren.

Früher hatte sie auch einmal vom Ballett geträumt, wie fast jedes junge Mädchen, und manchmal ganz heimlich hatte sie sich auf den Dachboden geschlichen, um dort in der kleinen Kammer vor dem großen aber zerbrochenen Spiegel zu tanzen. Im Nachhinein musste sie darüber lachen, denn natürlich war ihr schon damals klar gewesen, dass dieser Traum nie in Erfüllung gehen würde.

Aber eines hatte sie von beiden Ereignissen ihrer Kindheit behalten, ihre Gelenkigkeit. Und doch hätte sie nie gedacht, wofür sie jetzt diese Fähigkeiten brauchen konnte.

»Nein, so geht es einfach nicht.« Frauke fluchte leise.

»Was meinst du?« Julia wurde aus ihren Gedanken gerissen. »Warum?«

»Ich habe ihn wirklich ganz geschlossen, und er sitzt immer noch sehr locker.« Sie ärgerte sich, dass sie sich so sehr verschätzt hatten.

»Was machen wir jetzt?« Julia zog die Stirn in Falten.

»Für Notfälle haben Hegels mir eine Nummer hinterlassen, unter der sie zu erreichen sind, falls irgendwelche Probleme auftauchen sollten.« Sie nahm das Smartphone aus der Tasche, dass sie ihr für genau diese Zwecke gegeben hatten.

»Willst du sie bei der Hochzeit stören?« Der Tonfall der Studentin zeigte, wie wenig ihr dieser Gedanke gefiel.

»Nein, das nicht. Aber ich könnte ihnen eine Nachricht schicken.« Frauke gab wieder, was sie diesbezüglich mit Hegels ausgemacht hatte. »Und sie würden bei passender Gelegenheit eine Antwort schicken.«

»Bitte lass es uns versuchen.« Julia bekam auf einmal leuchtende Augen. »Es wäre schön, wenn wir die Zeit so gut wie möglich nutzen könnten.«

Frauke nahm das Handy zur Hand und tippte einige Zeit darauf herum. Schließlich legte sie es wieder weg. »Jetzt müssen wir die Antwort abwarten.«



Julia hielt es nicht einmal eine Minute aus. »Gibt es nicht etwas, was wir schon tun könnten?«

»Als nächstes wollte ich dir die Gymnastik-Übungen zeigen.« Frauke ging zur Kommode und holte den entsprechenden Zettel. »Schau sie dir schon einmal an.«

Julia blickte neugierig auf den Zettel und hatte nach einem kurzen Moment erkannt, was die jeweiligen Skizzen aussagten. »Wenn du mir den Handschuh abnimmst, dann kann ich sie gleich einmal ausprobieren.«

»Ist Ehrgeiz eigentlich ansteckend?« Frauke lachte, während sie die Riemen öffnete und der Handschuh langsam zu Boden fiel. Sie bückte sich, um ihn wieder aufzuheben.

»Danke.« Julia übersah die Spitze in Fraukes Worten, blickte stattdessen sehr konzentriert auf das Blatt und führte nacheinander die einzelnen Übungen aus. »Sie sind ja leicht zu merken.« Sie lächelte vorsichtig.



Nach einigen Übungen zeigte ein kurzes Piepen die Ankunft einer Nachricht an. Frauke nahm das Telefon zur Hand und schaute darauf.

Julias hielt in ihren Bewegungen inne. »Was sagen sie?« Ihre Stimme zitterte ein wenig.

Frauke blickte auf. »Sie sagen, wir sollen gleich mit dem strengen Handschuh beginnen.«

»Carolin hatte mehrere Trainingshandschuhe?« Julia fragte das Naheliegende.

»Natürlich.« Frauke ging zur Tür. »Sie musste es ja auch nach und nach trainieren.

Julia nickte nur.
107. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von N0V0 am 19.02.18 15:34

Tolle Geschichte! Warte gespannt auf die Fortsetzung!
108. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 5 - Entdeckungen - Teil Vier von Acht

geschrieben von gag_coll am 20.02.18 05:02

Der Mantel der Studentin
Kapitel 5 - Entdeckungen - Teil Vier von Acht
Autor: Karl Kollar

Während Frauke weg war, piepste es noch einmal, und obwohl Julia sehr neugierig war, vermied sie es, direkt auf das Display zu schauen. Letzteres empfand sie doch als einen Vertrauensbruch, und so etwas wollte sie unbedingt vermeiden.

»Es kam noch eine Nachricht«, sagte Julia, kaum das Frauke die Tür wieder geöffnet hatte.

»Und was schreiben sie?« Frauke blickte in Julias Gesicht.

»Ich weiß nicht.« Julia zuckte mit den Schultern. »Ich habe mich nicht getraut, es zu lesen.«

Frauke blickte Julia lange an. »Du erstaunst mich immer wieder.« Sie legte den Handschuh, den sie in der Hand hielt, auf den Tisch, dann nahm sie sich das Handy zur Hand und blickte auf die Anzeige. »Sie beglückwünschen dich zu deinen Fähigkeiten.« Sie lächelte.

Julia strahlte. »Dann lass uns doch mit meinem Training beginnen.« Sie stand auf und legte ihre Arme auf den Rücken. »Bitte sehr, Madame, legen sie mir bitte den Handschuh an.«

»Bitte sage nicht 'Madame' zu mir.« Für einen kurzen Moment klang die Dienerin verärgert. »Wir beginnen das Training also gleich mit dem Handschuh Nummer Zwei.«

Julia hatte den kurzen Stimmungswechsel bemerkt und beschloss für sich, diese Art von Anrede in Zukunft zu vermeiden, auch wenn sie diesen ironischen Tonfall eigentlich recht gern mochte.

»Tut es weh?« Frauke hatte die Schnürung beendet und wickelte die übrig gebliebene Schnur auf.

»Du bist schon fertig?« Julia war überrascht.

»Ich kann auch 'schnell'.« Frauke erinnerte die Studentin an das Perlennetz.

»Nein, der Handschuh sitzt sehr bequem.« Julia hatte mit der ihr nun aufgezwungenen Haltung überhaupt keine Probleme und strahlte deswegen bis über beide Ohren.

»Du meldest dich sofort, wenn es weh tut, verstehst du?« Frauke klang in diesem Moment sehr ernst.

»Ja, natürlich.« Julia verdrehte die Augen. »Das mache ich.«



Frauke blickte immer wieder auf die Uhr. »Für die zweiten fünf Minuten würde ich dir gern zwei kleine Verschärfungen anlegen, wenn du damit einverstanden bist.«

»Hat Carolin die auch getragen?« Julias Stimme war leise.

»Das weiß ich nicht.« Frauke war es leid, zu wiederholen, dass sie Carolin nicht mehr kennenlernen durfte. »Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass sie es gemacht hat.«

Julia blickte wieder auf die Uhr. »Wie lange wirst du zum Anlegen brauchen?«

»Das geht schnell.« Frauke hatte schon zwei unterschiedlich lange Riemen in der Hand. »Warum?«

Julia strahlte. »Ich möchte die fünf Minuten ganz genießen.«

Innerlich verdrehte Frauke die Augen. »Du bist einfach unersättlich.« Sie lächelte. Sehr schnell führte sie die beiden Riemen in die dafür vorgesehenen Schlaufen ein und zog sie zu.

»Au, das tut jetzt doch etwas weh.« Julia versuchte, nicht wehleidig zu klingen.

»Das dachte ich mir.« Frauke lächelte. »Ich wollte dich nur einmal testen, ob du wirklich ehrlich bist.«

Julia brauchte einen Moment, bis sie realisierte, was die Dienerin gerade gesagt hatte. »Du bist ein Schuft.« Doch das Lächeln in der Stimme zeigte, wie sie es wirklich meinte.

»Ich wollte einfach sicher sein, dass du es auch ehrlich meinst.« Frauke versuchte eine Entschuldigung. »Hegels haben mir dazu geraten.« Letzteres war zwar gelogen, aber es betonte die Wichtigkeit des Augenblicks.

»Na dann.« Julia grinste. »Habe ich den Test bestanden?«

»Ja, hast du.« Frauke war erleichtert, dass ihre kleine Kompetenzüberschreitung so gut angekommen war. »Ich ziehe sie jetzt so fest, wie es eigentlich gehört.«

»Ich bitte darum.« Julia war in einer sehr fröhlichen, fast euphorischen Stimmung.

Frauke schmunzelte. »Du bist wirklich unersättlich.« Doch dann wurde ihre Stimme auf einmal ernst. »Julia, darf ich dich einmal um einen Gefallen bitten?«

Julia war der Stimmungswechsel nicht verborgen geblieben »Was möchtest du denn?«

»Darf ich dich einmal umarmen?« Sie sagte nichts weiter, doch ihr Blick sprach für sie. Seit sie ihre stählerne Unterwäsche tragen musste, hatte sie jeden körperlichen Kontakt vermieden, weil sie sich dessen schämte. Außerdem wollte sie jegliche Erregung verhindern, weil sie wusste, dass sie keine Erlösung finden würde. Doch jetzt mit Julia, die so stolz da stand, war es etwas anderes.

Julia war überrumpelt. Sie fand zunächst keine Antwort.

Frauke weinte, als Julia sich vor sie stellte und sie etwas unsicher ansah. »Ich habe mir immer eine kleine Schwester gewünscht, auf die ich aufpassen und die ich lieb haben kann.«

Julia schluckte. Sie hatte einen Kloß im Hals. »Bitte.« Mehr Worte brachte sie nicht zustande.

Frauke legte ihre Arme um Julia und drückte sie an sich.

Julia spürte deutlich die beiden Halbkugeln an Fraukes Körper und versuchte, ihre diesbezüglichen Gefühle zu ignorieren. »Bitte weine nicht.« Das Sprechen fiel ihr schwer. »Ich will dir gerne eine Schwester sein.« Nach einer kurzen Pause ergänzte sie den Satz. »Falls Hegels nichts dagegen haben.«

Frauke löste langsam die Umarmung. »Du hast recht, wir sollten uns professionell verhalten. Ich freue mich aber sehr über dein Verständnis.« Insgeheim hatte sie ein schlechtes Gewissen, denn Julia hätte sich gegen die Umarmung überhaupt nicht wehren können.



Es klingelte.

Frauke blickte auf. »Oh, wir sollen zum Mittagessen kommen.« Ein Schatten legte sich über ihr Gesicht.

Julia war etwas enttäuscht. »Ich habe noch zwei Minuten.«

»Eine Minute 45, um genau zu sein.« Frauke verwies auf die Uhr mit dem Sekundenzeiger.

Jetzt war es an Julia, die Augen zu verdrehen.

»Lass uns gehen.« Frauke drehte sich zur Tür. »Ich nehme dir den Handschuh in der Küche ab.«

Für einen kurzen Moment war Julia erschrocken, denn damit würde die Köchin ihren Handschuh zu Gesicht bekommen. Doch dann überwog der Stolz in ihren Gefühlen: Ja, sie würde schon jetzt einer fremden Person ihre Fähigkeiten zeigen. Außerdem hatte sie auch keine andere Wahl, denn es war ganz unmöglich für sie, sich selbst den Handschuh abzunehmen. Trotzdem überwog das Gefühl der Geborgenheit, denn sie hatte langsam begriffen, dass sie sich Frauke anvertrauen konnte. Und immerhin hatte sie auch Hunger.



Julia hatte eine etwas ältere Frau erwartet, doch zu ihrer Überraschung war die Köchin nur ein wenig älter als sie selbst. Sie war verwundert.

Die Köchin schien dies zu spüren. »Ich bin Paula. Ich bin für meine Mutter eingesprungen. Sie kann heute nicht.« Natürlich kannte sie den wahren Grund, doch dies wollte sie noch nicht zugeben.

Auch Frauke war von dem Anblick des jungen Mädchens überrascht, und Julia kam es vor, als machte sie einen sehr erleichterten Eindruck. Jetzt war sogar ein Lächeln im Gesicht der Dienerin zu sehen. »Ich bin Frauke, und das ist Julia. Sie trainiert noch.«

Die Köchin war von der Haltung der Studentin sehr beeindruckt. »Hast du keine Arme? Davon hat meine Mutter überhaupt nichts gesagt.«

Ohne dass es abgesprochen war, drehte sich Julia einmal um ihre Achse, um ihre Arme zu zeigen. »Eine Minute noch.« Sie lächelte glücklich.

»Und was trainierst du?« Paula konnte ihren Blick nicht von Julia abwenden.

»Das Tragen dieses Handschuhs.« Fraukes Blick zeigte fast so etwas wie Stolz.

»Das ist ein Handschuh?« Die Tochter der Köchin war verwundert.

»Meine ersten zehn Minuten.« Julia strahlte.

»Und du bist Frauke?« Paula wandte sich an die Dienerin.

Frauke bestätigte es.

»Ach?« Paula war verwundert. »Meine Mutter hat mich vor dir gewarnt. Aber ich verstehe nicht warum. Du bist doch nett.«

»Ich weiß«, seufzte Frauke. »Und ich habe auch Verständnis dafür.«

Erst jetzt realisierte Paula die Peinlichkeit der Situation. Sie zeigte auf den Herd. »Ich habe euch einen schönen Linseneintopf gekocht.«

Frauke blickte Paula etwas verwundert an.

»Okay, ich gebe zu, Mutter hat ihn gekocht.« Paula lächelte verlegen. »Ich muss ihn nur noch warm machen.« Ihr Blick fiel wieder auf Julia und ihre auf dem Rücken gefangenen Arme. »Wie willst du so denn essen? Das geht doch gar nicht.«

»Wir werden sie füttern«, lächelte Frauke.

Julia blickte sich verwundert um. Obwohl die Zeit schon lange abgelaufen war, machte Frauke keinerlei Anstalten, sie aus dem Handschuh zu befreien. Doch sie traute sich auch nicht, um ihre Befreiung zu bitten. Stattdessen sah sie zu, wie Frauke zügig den Tisch deckte und dabei immer wieder zu ihr herüber blickte.

Auch Paula schien Julia zu ignorieren. Sie war wieder an den Herd getreten und rührte immer wieder in dem Topf mit der Linsensuppe.

Es irritierte Julia sehr, dass sie anscheinend in diesem Moment nicht im Mittelpunkt stand.

»Mutter sagt, dass ich mit euch essen darf, wenn ich frage.« Paula blickte zwischen den beiden Frauen hin und her. »Seid ihr einverstanden?«

»Ja, natürlich«, lächelte Frauke, dann blickte sie zu Julia.

Die Studentin brauchte einen Moment, bis sie erkannte, dass auch sie ihre Zustimmung geben sollte. »Ja klar, ich habe auch nichts dagegen.«

Frauke war von der Situation positiv überrascht. Mit Paulas Mutter verstand sie sich überhaupt nicht, und sie gingen sich regelmäßig aus dem Weg. Um so leichter kam sie jetzt mit der Tochter zurecht, insbesondere weil Paula zumindest auf den ersten Blick auf ihrer Wellenlänge zu sein schien. Auch sie schien Julias Anblick im Trainingshandschuh zu genießen.

Sie nahmen Platz, und Paula begann, mit der Kelle die Teller zu füllen. »Die Suppe ist vielleicht noch etwas heiß.«

Julia blickte verwundert auf den Teller vor ihr. Sie wusste überhaupt nicht, was sie von der Situation halten sollte. Doch von einem war sie überzeugt: Sie würde von sich aus nicht um ihre Befreiung bitten, denn noch verspürte sie in den Armen überhaupt keine Schmerzen oder andere Anzeichen von Unwohlsein.

»Das riecht sehr lecker.« Frauke schnupperte über ihren Teller.

»Wie lange muss Julia denn noch trainieren?« Paula blickte sehr fasziniert auf Julias Platz.

»Du hast recht, wir sollten sie erlösen.« Obwohl Frauke die Tochter der Köchin überhaupt nicht kannte, fühlte sie doch eine gewisse Seelenverwandtschaft. Sie stand auf und trat hinter Julia. Sie zog den Reißverschluss auf und öffnete die Riemen, die den Handschuh an Julias Armen hielten.

Julia war sehr neugierig und warf sofort einen Blick auf die Schnürung. Als sie sah, dass zwischen den beiden Schnürleisten noch ein kleiner Spalt offen war, keuchte sie etwas. »Ich dachte, er wäre schon ganz geschlossen?« In ihrer Stimmung war deutlich ihre Enttäuschung zu hören.

Frauke schien damit gerechnet zu haben. »Für die ersten Tage wirst du erst einmal so trainieren. Wenn sich deine Muskeln daran gewöhnt haben, können wir es enger machen.«

»Da ist aber jemand sehr ehrgeizig.« Paula lächelte. »Und jetzt lasst es euch schmecken.«

* * *

»Ich dachte schon, du wolltest mich gar nicht heraus lassen.« Julia legte ihren Löffel weg und grinste Frauke an.

»Hegels haben mir erlaubt, dein Training ein klein wenig zu verlängern oder zu verkürzen, je nach dem, wie es dir geht.« Sie grinste ein wenig.

»Aber das schreibst du bitte auf.« Julia lächelte. »Danke für diesen besonderen Moment.« Das Sprechen fiel ihr schwer. »Ich war mir wirklich nicht sicher, ob ihr mich aus dem Handschuh befreien würdet. Und das fühlte sich schön an.«

Frauke nahm sich den Block zur Hand und schrieb etwas darauf. Dann hob sie ihren Kopf und lächelte. »Oh, wenn es dir gefallen hat, dann können wir das gern öfters machen.« Sie streichelte Julia über die Wange.

Paula erhob sich. »Ich danke euch für die nette Gemeinschaft.« Sie stellte das Geschirr zusammen. »Ihr könntet mir einen großen Gefallen tun.« Sie blickte die beiden Mädchen verlegen an.

»Und der wäre?« Frauke war ein wenig verwundert.

»Ihr würdet mir sehr entgegen kommen, wenn ihr die Spülmaschine ausräumen würdet, wenn sie fertig ist.« Sie blickte auf die entsprechende Stelle. »Mein Freund wartet auf mich.« Sie lächelte weiterhin verlegen und wurde etwas rot dabei.

»Das machen wir.« Frauke war es zwar nicht recht, noch mehr Aufgaben zu bekommen, doch sie spürte, dass sie der Tochter der Köchin damit einen Gefallen tat. Vielleicht würde sich das später noch einmal auszahlen.

Julia blickte mit etwas Stolz auf den Zettel, den Frauke geschrieben hatte. Dort stand sozusagen Schwarz auf Weiß, dass sie Carolins strengen Trainingshandschuh schon 15 Minuten getragen hatte. Und doch war auch ihr Ehrgeiz geweckt, denn sie hatte bei der Abnahme gesehen, dass die Schnürung des Handschuhs noch nicht ganz geschlossen war. »Und was machen wir als nächstes?«

»Wie wäre es mit einer kurzen Verdauungspause?« Frauke half Paula, das schmutzige Geschirr in die Spülmaschine zu stellen.

Auch Julia beschloss, mit anzufassen. »Ja, du könntest recht haben.« Doch dann wurde sie nachdenklich. »Können wir uns das leisten?«

»Ich denke schon.« Frauke gab sich nachdenklich. »Wir haben ja schon viel geschafft.«

Julia bedankte sich bei Paula für das leckere Essen.

»Ich werde es meiner Mutter ausrichten.« Paula griff zu ihrer Jacke und zog sie sich an. »Danke für die Spülmaschine.«

»Viel Spaß mit ihm«, rief Frauke ihr hinter her.

»Danke.« An der Tür drehte sich die Tochter der Köchin noch einmal um.

Julia blickte auf die Uhr. »Sagen wir Pause bis 13 Uhr?« Sie ging zur Spüle und wusch sich die Hände.

»Klingt gut.« Frauke stellte die Spülmaschine an, dann blickte sie aus dem Fenster. Insgeheim war sie sehr erleichtert, weil das Mittagessen ganz anders verlaufen war, als sie es erwartet hatte. »Ich komme dann zu dir.«

* * *

Frauke blickte der Studentin hinterher und wunderte sich dabei ein wenig über sich selbst. Es war eigentlich nicht ihre Art, sich anderen Personen so weit zu öffnen, doch die besondere Situation mit Julia hatte es einfach mit sich gebracht. Und ihr Gegenüber hatte auch genau ihren Nerv getroffen. Schon immer hatte Frauke sich eine Schwester gewünscht, doch sie musste allein aufwachsen. Und ihre Mutter hatte so gut wie nie Zeit für sie. Als die Studentin so schutzbedürftig vor ihr stand und sie erwartungsvoll anblickte, hatte sie einfach nicht mehr die Kraft, ihre Gefühle unter Kontrolle zu halten. In diesem Moment sah sie in Julia die kleine Schwester, die sie sich schon immer so sehnsüchtig gewünscht hatte. Und natürlich war sie erleichtert, dass Julia genau so reagiert hatte, wie sie es gehofft hatte.

Trotzdem tat es ihr weh, zu wissen, was Hegels mit Julia vor hatten. Sie fühlte, dass sie in einem Zwiespalt steckte. Sie war gegenüber Hegels verpflichtet und doch wollte sie Julia beistehen und es ihr nach Kräften so einfach wie möglich machen. Auch wenn sie wusste, dass es sie viel Kraft kosten würde.

109. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 5 - Entdeckungen - Teil Fünf von Acht

geschrieben von gag_coll am 23.02.18 09:06

Der Mantel der Studentin
Kapitel 5 - Entdeckungen - Teil Fünf von Acht
Autor: Karl Kollar

Gedankenverloren betrat Julia ihre Wohnung, ging zielstrebig auf das Bett zu und ließ sich einfach darauf fallen. Ihr Blick richtete sich nach oben, und sie begann zu träumen.

Sie war verzaubert von den neuen aufregenden Gefühlen. Sie war in dem Handschuh gefangen gewesen, und Frauke hatte zunächst keine Anstalten gemacht, sie daraus zu befreien. Es waren zwar nur fünf Minuten, doch sie fand es mehr als spannend, nicht zu wissen, was kommen würde.

Genauso spannend war es, mit dem Handschuh der Tochter der Köchin gegenüber zu treten.

Etwas hatte sie irritiert. Paula war über den Handschuh zwar verwundert, weil sie so etwas noch nie gesehen hatte, aber sie schien zu wissen, dass sie Julia so etwas zu machen hatte. Ihre Mutter schien sie entsprechend vorbereitet zu haben.

Und über Frauke war sie ebenfalls verwundert. Es war das erste Mal, dass die Dienerin so offen ihre Gefühle gezeigt hatte. Und Julia war von der Bitte sehr gerührt. Und auch von den Tränen war sie berührt. Sie hatte sofort gespürt, dass Frauke es ehrlich gemeint hatte und sich ihr geöffnet hatte. Sie wusste, dass dazu ein gewisses Vertrauen nötig war, und sie war bemüht, dieses nicht zu enttäuschen.

Auch war sie erleichtert darüber, dass sie schon mehr als die halbe Liste geschafft hatten und jetzt nur noch wenig Sachen übrig waren.

Vor allem war sie auf die Kirchenhandschuhe neugierig. Sie hatte darüber schon im Tagebuch gelesen, hatte dies aber zunächst für nicht so wichtig gehalten. Doch jetzt war sie sehr gespannt, was es mit diesen Handschuhen wirklich auf sich haben würde. Denn Carolin hatte mit großem Respekt von ihnen geschrieben, das wurde ihr im Nachhinein immer deutlicher.

Das Klopfen an der Tür riss sie aus ihren Gedanken. »Komm herein.« Dass jemand an ihre Tür klopfte und auf ihre Erlaubnis zum Eintreten wartete, war immer noch sehr ungewohnt für sie. »Was machen wir als nächstes?« Julia richtete sich auf dem Bett auf.

»Die Uniform der Engel sollten wir unbedingt heute noch ausprobieren.« Frauke legte die mitgebrachte Sachen auf den Tisch, dann warf sie einen Blick auf die Liste.

»Was hat es eigentlich mit diesen Engeln auf sich?« Die Studentin wollte ihr Wissen vervollständigen, denn aus dem Tagebuch hatte sie bisher nichts konkretes erfahren.

»Das sollen Hegels dir selbst sagen.« Frauke zuckte mit den Achseln. »Ich selbst weiß nur sehr wenig darüber.« Letzteres war nicht einmal gelogen. »Na, dann lass uns mal die Uniform probieren.« Sie ging zum dritten Schrank und öffnete ihn. Sie nahm die Sachen heraus und legte sie neben Julia auf das Bett. Dass sich Julia in der Zwischenzeit schon ausgezogen hatte, konnte sie nicht mehr überraschen.

»Das geht so nicht.« Julia ließ ihre Hände sinken. »Die Bluse ist zu eng.«

Frauke war nur im aller ersten Moment verunsichert. »Schau mal, oben herum passt sie doch.«

»Ja, ich kann sie aber nicht zuknöpfen.« Doch dann stutzte sie und blickte Frauke fragend an. »Da fehlt noch etwas?«

Frauke musste nicht lange überlegen. »Du hast recht, da fehlt wirklich noch etwas. Du musst ein Korsett darunter tragen.« Frauke ging wieder zum Schrank.

»Ein Korsett?« Julia war verwundert. »So etwas habe ich noch nie getragen.« Doch ihre Neugier war erwacht. »Wo wäre es denn?«

»Hier ist es.« Sie griff in eines der Fächer und nahm etwas heraus, dann ging sie wieder zum Bett und reichte ihr das mitgebrachte Kleidungsstück.

»Neugierig wäre ich ja schon.« Julia nahm es mit leuchtenden Augen in die Hand.

»Wir sollen die Uniform ja ausprobieren.« Frauke hatte Mühe, ihre eigene Faszination zu verbergen.

»Du meinst...« Julia begann, sich die Bluse wieder auszuziehen. Es lag in ihrem Naturell, dass sie auch gegenüber Frauke keine Scheu hatte, sich vor ihr zu entblößen.

»Du willst doch sicher wissen, wie es sich anfühlt, wenn du die Bluse und die Handschuhe trägst.« Frauke lächelte leicht.

»Und wie es ist, wenn ich darin eingesperrt bin.« Sie legte die Bluse neben sich und griff sich das Korsett. Sie wollte es sich umlegen, doch dann stutzte sie. »Ist das so überhaupt richtig? Bitte hilf mir.«

»Ein solches Korsett sollte man immer mit einer Hilfsperson anziehen.« Die Dienerin gab wieder, was sie wusste. »Es muss im Rücken geschnürt werden, und wir müssen mindestens zwei Zentimeter aus dir heraus holen.«

»Bitte was?« Julia hielt in ihren Bewegungen inne.

»Hast du es nicht gesehen?« Frauke zeigte auf die Bluse. »Die beiden Verschlussleisten waren noch zwei Zentimeter auseinander.«

»Stimmt.« Julia Stimme zitterte ein wenig. »Jetzt wo du es sagst.«

»Aber dafür sind die Korsetts ja auch gemacht.« Sie legte das Korsett um Julias Bauch und zog die beiden Hälften zueinander. »Du bist aber sehr schlank.«

»Naja, ich glaube, meine Brüder haben mich stets auf Trab gehalten.« Sie grinste. »Und während der Uni musste ich sparen.«

»Wollen wir trotzdem versuchen, es streng anzulegen?« Frauke hatte auf einmal eine Idee.

»Du machst mich neugierig.« Julia blickte an sich herunter. »Was heißt 'streng'?«

»Ich bemühe mich, das Korsett ganz zu schließen.« Frauke war sich unsicher, ob es wirklich richtig war.

»Na dann mach mal.« Julias Stimme wurde etwas leiser. »Ich bin schon sehr gespannt, wie es sich anfühlen wird.«



Nach einiger Zeit war von Frauke auf einmal ein 'Fertig' zu hören. »Ich denke, das müsste für die Bluse reichen.«

»Ist das Korsett ganz geschlossen?« Julias Stimme war leise.

»Nein, ein Spalt von zwei Zentimetern ist noch offen.« Frauke bedauerte es ein wenig, dass sie in Julia falsche Hoffnungen geweckt hatte.

»Es fühlt sich trotzdem schön an.« Julia keuchte. »Darf ich es mal anfassen?«

Im ersten Moment wollte Frauke über die seltsame Frage lachen, doch dann erkannte sie blitzschnell die Gelegenheit, Julias Gedanken gleich in die richtige Richtung zu lenken. »Ja, darfst du gern. Aber gewöhne dich nicht daran.«

»Was meinst du?« Julia legte ihre Hände auf das Korsett und strich verwundert darüber. In diesem Moment war sie regelrecht verzaubert.

»Du wirst die Kirchenhandschuhe tragen.« Frauke versuchte, ihre Stimme geheimnisvoll klingen zu lassen. »Oder du trägst die Arme in Carolins Handschuh.«

»Ach so. Darauf freue ich mich ja auch schon.« Julia strahlte. »Die Handschuhe wollten wir ja auch noch ausprobieren.« Doch dann stutzte sie. »Wenn ich die Kirchenhandschuhe trage, kann ich meine Hände auch nicht mehr benutzen?«

»Warte es einfach ab.« Frauke lächelte, dann reichte sie ihr die Bluse. »Jetzt lass uns noch einmal die Bluse probieren.«

»Ich bin gespannt, ob sie jetzt passt.« Julia drehte sich um und nahm Frauke das Kleidungsstück aus der Hand. »Sie sieht so edel und verletzlich aus.«

»Das ist ein Stoff ähnlich der Fallschirmseide.« Frauke gab ihre eigenen Erfahrungen wieder. »Du wirst sie nicht zerreißen können, selbst wenn du dich anstrengst.«

»Und dazu sind es auch noch alles Dreifachnähte.« Julia blickte die Bluse fasziniert an. »Bitte schließe mich darin ein.« Sie reichte Frauke das Oberteil, dann hielt sie die Arme längs am Körper.

Als Frauke ihr die Bluse hin hielt, steckte sie ihre Arme in die Ärmel. Sie wusste schon, dass die Ärmel bis zum Ellenbogen fest mit der Bluse verbunden waren und nur auf diese Weise anzuziehen waren. Sie schaute Frauke zu, wie diese die Bluse langsam an ihr empor zog.

»Lässt sie sich jetzt schließen?« Julia hielt innerlich den Atem an, wollte sich dieses aber nicht anmerken lassen.

Frauke hatte bemerkt, dass Julia die Augen geschlossen hatte. Schnell griff sie zu den Reißverschlussteilen, steckte sie am Ende zusammen und zog den Schieber dann zügig nach oben. »So, fertig. Komm mit zum Spiegel.« Sie führte das Mädchen langsam vor den Spiegel. »Jetzt kannst du die Augen öffnen.«

Es war der erste von vielen weiteren kritischen Momenten, den Julia jetzt vor sich hatte. Würde ihr die Bluse passen, und könnte sie Hegels so wie von ihnen erwartet in die Kirche begleiten? Ohne das sie es ausgesprochen hatten, fühlte sie doch, dass es ihnen sehr viel bedeutete.

Schließlich öffnete sie die Augen und blickte ihr Gegenüber im Spiegel an. »Wahnsinn! Ich wusste gar nicht, dass ich eine so schmale Taille habe.«

»Das macht das Korsett.« Frauke streichelte ihr von hinten zärtlich über den Bauch. »Und du siehst, dass die Bluse ganz locker sitzt.«

»Echt faszinierend. Ich könnte mich ganz unbeschwert bewegen.« Sie wollte ihre Arme heben, doch da bemerkte sie die festgenähten Ärmel. »Aber die Engel müssen sich anscheinend gar nicht so sehr bewegen, sehe ich das richtig?«

»Ja, damit könntest du recht haben.« Frauke schaffte es nicht, ihr Grinsen zu unterdrücken. »Du wirst ja außerdem noch die Kirchenhandschuhe tragen.«

»Können wir die Handschuhe gleich dazu ausprobieren?« Julias Augen leuchteten, als sie Frauke ansah.

»Nein.« Frauke hatte Mühe, sich zu beherrschen. »Für das erste Mal ist es besser, wenn du deine Arme frei bewegen kannst, damit du die Handschuhe genau untersuchen kannst.«

»Sind sie denn so besonders?« Julia hob ihre Arme, um den Reißverschluss der Bluse zu öffnen, doch sie stelle zu ihrem Erstaunen fest, dass sie nicht an den Schieber heran kam. Langsam drehte sie den Kopf und blickte Frauke an. »Ich bin in der Bluse eingesperrt?« Ihre Stimme war sehr verwundert.

»Nein«, widersprach Frauke. »Noch habe ich den Schieber nicht abgeschlossen.« Ein Lächeln glitt langsam über ihr Gesicht.

»Ein sehr faszinierendes Kleidungsstück. Es sieht so unscheinbar und unschuldig aus, und doch nimmt es mir fast den gesamten Bewegungsfreiraum.« Julias Begeisterung war deutlich zu hören.

»Und deine Hände werden bald durch diese Handschuhe versorgt.« Frauke hielt ein schwarzes Bündel hoch.

»Du machst mich wirklich neugierig.« Julia stutzte. »Ich muss dich jetzt bitten, mich wieder aus der Uniform heraus zu lassen.«

»Bitten kannst du natürlich.« Frauke grinste jetzt noch mehr. »Aber es wird dir nichts nutzen.«

»Wie meinst du das?« fragte Julia und runzelte die Stirn, obwohl sie die Antwort wusste oder zumindest ahnte.

»Du willst sicherlich noch den dazu gehörenden Rock anziehen?« Sie hob das entsprechende Kleidungsstück vom Bett hoch und reichte ihn der Studentin. Auf Julias Bitte hingegen ging sie nicht ein.

»Und mir damit auch noch die Beinfreiheit nehmen?« Ihre Stimme war sehr leise. »Eigentlich kenne ich den ja schon.« Julia hatte den Rock wiedererkannt als das Kleidungsstück, welches sie auch schon zur Uni getragen hatte. Und sofort waren ihr die Konsequenzen klar. »Mit der Bluse komme ich dann aber nicht mehr an den Reißverschluss. Kannst du mir helfen? Ich habe keine Lust, die Bluse wieder auszuziehen.« Sie grinste Frauke an.

»Natürlich.« Die Dienerin lächelte ebenfalls. »Sie sind mir zu sauer, sagte der Fuchs zu den Trauben, an die er nicht heran konnte.« Sie zögerte einen Moment, dann half sie Julia, den engen Rock anzuziehen.

Julia keuchte bei der Erkenntnis, jetzt weder ihre Arme noch ihre Beine vernünftig bewegen zu können. Trotzdem drehte sie sich sehr gespannt vor den Spiegel und bestaunte ihr Aussehen. »Es sieht eigentlich sehr brav und elegant aus.«

»Mein kleiner Engel.« Frauke stand neben ihr und streichelte ihr zärtlich über den Kopf. »Hier wäre noch etwas sehr Wichtiges.« Sie griff zu einem schwarzen Stoffbündel und reichte es der Studentin.

Julia nahm das Bündel in die Hand und bewegte es in ihren Händen. »Das sind die Kirchenhandschuhe?« Sie glaubte, es erkannt zu haben und blickte Frauke fragend an.

Frauke bestätigte es.

»Sie sind wieder etwas Besonderes?« Julia fingerte etwas damit herum und versuchte, sie zu trennen.

Frauke sah dem Treiben zunächst zu, denn Julia sollte sich davon überzeugen, dass die Handschuhe nicht zu trennen waren. Erst nach einer gewissen Zeit ging sie dazwischen. »Die Handschuhe gehören so. Du musst sie zusammen anziehen.«

Jetzt hatte Julia die Zusammenhänge auch erkannt. »Wenn ich die anziehe, kann ich mich gar nicht mehr bewegen.« Ihre Stimme zitterte leicht.

»Du übertreibst.« Frauke lächelte ein wenig.

»Also bitte, gehen wir es an.« Sie hatte es zwar noch nicht ganz verstanden, doch ihre Neugier hatte schon die Oberhand gewonnen. »Zeige mir bitte, wie ich die Handschuhe tragen muss.« Mit einem leichten Leuchten in den Augen reichte die Studentin der Dienerin das Bündel.

Frauke nahm die Handschuhe, sortierte sie und hielt Julia zunächst die eine Öffnung hin. »Schlüpfe hier mal rein.« ermutigte sie sie. »Erst die eine Hand, und wenn der Handschuh gut sitzt, dann kommt die andere Hand dazu.«

»Warte mal.« Julias Stimme klang auf einmal sehr aufgeregt, denn sie hatte ein bisher nicht beachtetes Detail entdeckt. »Was machen die Riemen an den Handgelenken?«

Doch Frauke grinste nur. »Rate doch einmal.«

»Du hast recht.« Julia war die Wirkung der Riemen sofort klar, sie schluckte sichtbar. »Ich könnte sonst meine Hände einfach herausziehen.«

»Genau das werden die Riemen verhindern.« Frauke hatte große Mühe, ihre Gefühle unter Kontrolle zu halten.

»Irgendwie sehr raffiniert.« Julia schob ihre zweite Hand in den von Frauke aufgehaltenen Handschuh. »Es fühlt sich an wie ein ganz normales Paar Handschuhe.«

»Und das ist es ja eigentlich auch.« Auch Fraukes Stimme wurde etwas leiser.

»So etwas habe ich noch nie gesehen.« Julia war fast nicht zu verstehen. Fasziniert blickte sie auf ihre Hände, die jetzt beide von dem schwarzen Stoff bedeckte waren. Sie wusste nicht genau, ob die beiden Handschuhe zusammengenäht oder -geklebt waren. Aber das war letztlich auch unwichtig, wie sie sich selber eingestand.

Doch dann kamen in ihr Gewissensbisse auf. Dürfte sie so etwas in der Kirche überhaupt tragen? Im Gottesdienst, so kämpfte sie mit sich selbst, war es doch etwas anderes als bei einem einfachen Spazierengehen. In ihr kämpften ihre gute Erziehung mit ihrer Neugier und Lust, und sie blickte Frauke sehr erstaunt an. »Aber das geht doch nicht. So etwas kann ich doch nicht im Gottesdienst tragen.«

Frauke bemühte sich, ihre Stimme ruhig klingen zu lassen. »Carolin hat die Handschuhe oft getragen. Und in der Gemeinde nimmt auch keiner Notiz davon.« Sie machte eine bedeutungsvolle Pause »Hegels würden sich sehr darüber freuen.«

Julia schien tief in ihre Gedanken versunken. Schließlich hob sie ihren Kopf. »Bitte, du kannst die Riemen zumachen.« Sie lächelte. »Das kann ich ja nicht selbst machen.«

Frauke trat näher und versuchte, nicht zu zittern, als sie der Studentin die Riemen um die Handgelenke schloss. Sie wollte möglichst nicht zeigen, wie sehr sie der Moment bewegte. »Hegels haben gesagt, dass ich dich noch auf etwas vorbereiten soll.«

»Wird es etwa noch strenger?« Julias Augen leuchteten. »Vielleicht noch ein Halskorsett?«

»Ja, das könnten wir noch probieren.« Frauke war sehr von Julias Wesen gefangen. »Aber darum geht es nicht.«

»Was ist es dann?« Julia blickte Frauke in Gedanken versunken an.

»Es...« Frauke fiel es schwer, den Satz auszusprechen. »Es wird morgen in der Kirche noch ein anderes Mädchen geben, welches auch diese Uniform trägt.«

Julia glaubte, sich verhört zu haben. »Wirklich die gleiche?« Sie blickte an sich herunter.

»Ja, genau die gleiche.« Frauke war froh, es ausgesprochen zu haben.

Julia war verwundert. »Darf ich mich mit ihr unterhalten?«

»Natürlich.« Die Dienerin lächelte, denn genau diese Frage hatten Hegels vorhergesagt. »Aber bitte erst nach dem Gottesdienst.«

Julia erkannte auf einmal das ganze Bild, und sie verstand, was von ihr erwartet wurde. »Natürlich, das werde ich machen.«

»Außerdem wird Frau Hegel neben dir sitzen.« Sie wusste, dass sie in diesem Moment nicht die Wahrheit sagte, doch noch hoffte sie, dass der bewusste Kelch an ihr vorbei gehen würde.

»Warum denn das?« Julia runzelte die Stirn.

»Jemand muss dir ja das Gesangbuch aufschlagen und halten.« Frauke grinste. »Oder kannst du die ganzen Lieder auswendig?«

»Ja klar.« Julia blickte auf ihre Hände. »Danke schon einmal.« Doch dann wurde sie nachdenklich. »Es ist also eine Uniform. Aber wofür?«

»Du wirst es bald erfahren.« Auch die letzte Frage kam nicht unerwartet. »Gewöhne dich einfach erst einmal daran.«

»Seltsam. Ich habe mich noch nie so auf einen Gottesdienst gefreut.« Doch dann glitt ein Schatten über ihr Gesicht. »Ich bin ja ziemlich hilflos. Wird mir auch nichts passieren?«

»Ganz sicher nicht. Sie werden auf dich aufpassen.« Frauke streichelte ihr über den Kopf. »Und Montag bekommst du ja schon deinen Schutzgürtel.«

»Schutzgürtel?« Julia runzelte die Stirn.

»Ja.« Frauke blickte an sich herunter. »Irgendwelche Vorteile muss diese Stahlunterwäsche ja haben.«

Julia blickte Frauke lange an, doch dann entschied sie sich dafür, die Frage, die ihr auf der Zunge lag, doch nicht zu stellen. Sie ahnte, dass etwas Trauriges zum Vorschein kommen würde, und das wollte sie vermeiden. »Ist die Uniform dann vollständig?«

Frauke lächelte erleichtert. »Ich denke schon.«

Julia blickte noch einmal an sich herunter. »Was ist mit Schuhen? Die sieht man ja nicht unter dem Rock.«

»Wenn du meinst«, antwortete Frauke ein wenig rätselhaft. »Ziehe an, was du möchtest.« Natürlich wusste sie, was dann morgen passieren würde, doch es war mit Hegels abgesprochen, dass sie Julia in diese Falle tappen lassen wollten.

110. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von MartinII am 23.02.18 12:54

Wieder eine tolle Fortsetzung - Danke!
111. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von Zwerglein am 23.02.18 14:02

Julia ist immer noch, von den seltsamen Kleidungstücken, begeistert.
Aber die Restriktionen werden immer schlimmer.
Bin jetzt schon gespannt wie es weitergeht.
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Gruß vom Zwerglein
112. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 5 - Entdeckungen - Teil Sechs von Acht

geschrieben von gag_coll am 27.02.18 04:45

Der Mantel der Studentin
Kapitel 5 - Entdeckungen - Teil Sechs von Acht
Autor: Karl Kollar

»Kommst du morgen auch mit?« Julia strahlte die Dienerin an.

»Nein, ich darf nicht.« Frauke konnte es nicht verhindern, dass ein Schatten auf ihr Gesicht fiel. »Und bitte frage nicht, warum.«

Für einen kurzen Moment trat eine Wand zwischen die beiden, die Julia dann gleich wieder einriß. »Was müssen wir noch machen?« Sie versuchte, einen Blick auf die Liste zu werfen.

»Wir sollen die Schränke untersuchen und ich soll dir seltsame Gegenstände erklären.« Letztendlich las sie das vor, was auf dem Zettel stand. »Jetzt dürftest du dir wieder etwas Bequemes anziehen.« Sie trat vor und öffnete Julia die Handschuhe, dann schaute fasziniert zu, wie die Studentin sich aus ihrem Handgefängnis befreite.

»Die Uniform würde ich gern noch einen Moment anbehalten.« Julia strahlte. »Und danach ich kann mir anziehen, was ich möchte?«

»Von mir aus gern«, lächelte Frauke. »Wir sind heute ganz unter uns.«

Julia griff sie zu dem doppellagigen Lackrock, der noch auf dem Bett lag und streichelte ihn fast zärtlich.

Frauke grinste, als sie dies sah. »Ich sagte doch, dass du dir etwas Bequemes anziehen sollst.«

Julia grinste ebenfalls. »Das ist es doch, oder nicht?«

Frauke seufzte etwas übertrieben. »Ich habe gern etwas Beinfreiheit, wenn ich schon die Wahl habe.«

Doch die Studentin ließ sich nicht von ihrem Vorhaben abbringen. »Ach, ich finde das mit dem Rock sehr faszinierend.« Sie machte eine bedeutsame Pause. »Und wenn ich das richtig verstanden habe, dann ist Carolin ja fast immer damit herumgelaufen.«

»Naja, gelaufen ist ja wohl falsch.« Frauke war dabei, die Uniform wieder auf den Kleiderbügel zu hängen und in dem Schrank zu verstauen.

Julia blickte Frauke verwundert an, erst nach einem kurzen Augenblick erkannte sie das Wortspiel. »Ach so meinst du das.« Sie zog sich den Rock an und beugte sich hinunter, um die Reißverschlüsse zu kontrollieren. »Dazu möchte ich eines der Tops tragen. Ich verstehe immer noch nicht, wie ich die übersehen konnte.«

Im ersten Moment wollte Frauke dem Impuls nachgeben und das Missgeschick zu erklären, doch dann besann sie sich und lächelte nur. »Ist ja kein Wunder bei so vielen neuen Sachen.«

Julia trippelte langsam auf die drei jetzt offen stehenden Schränke zu. Nur ganz nebenbei bemerkte sie, wie vertraut sie schon mit der Enge des Rockes war, denn es störte sie überhaupt nicht mehr. Im Gegenteil, sie kam mit der ihr verbleibenden Beinfreiheit sehr gut zurecht.

Sie stellte sich vor den ersten Schrank und schaute sehr neugierig in die einzelnen Fächer. Sie griff zu einem der einfachen Halskorsetts und hielt es hoch. »Was ist das hier?« Sie glaubte, so etwas schon einmal in der Hand gehabt zu haben.

»Das Ding müsstest du doch eigentlich noch kennen.« Frauke hatte die Uniform wieder in den Schrank gehängt und war jetzt neben Julia getreten. »Das Halskorsett hattest du doch schon ausprobiert.«

»Ach ja richtig.« Julia war ein wenig verlegen. »Jetzt wo du es sagt. Ich erinnere mich. Und es fühlte sich schön an.« Sie griff wieder in den Schrank. »Gut, und was ist das hier?«

»Oh, die gnädige Frau hat Geschmack.« Frauke lächelte. »Das ist ein strenges Halskorsett. Es wird dir bis zur Nase reichen, wenn du es richtig angelegt hast.«

Julia hielt sich das Halskorsett vor das Gesicht und betrachtete es aufmerksam. »Dann muss ich nicht nur meinen Kopf still halten, sondern auch meinen Mund.« Sie lächelte über ihren Scherz.

»Könnte man so sehen.« Frauke bestätigte Julias Annahme.

»Hier sind eigene Schuhe mit...« Julia hielt inne und nahm einige der Highheels heraus. »Mit ewig langen Absätzen. Kann frau darauf überhaupt laufen?«

Frauke zuckte nur mit den Achseln. Mit den Schuhen hatte sie selbst viele Probleme gehabt.

»Aber wenn sie so prominent in Carolins Schrank stehen, dann bedeutet es, dass sie sie auch getragen hat.« Julia versuchte mitzudenken. Sie betrachtete sich den Schuh in ihrer Hand, dann stellte sie ihn wieder zurück und griff zu einem anderen Schuh, der daneben stand. »Und was ist das hier? Ein Mordinstrument?«

Frauke lachte trotz der Anspannung. »Ein Mörderstiefel ist es auf jeden Fall.« Doch dann wurde sie wieder ernst. »Das sind Ballettstiefel.«

Julia drehte den Stiefel in ihren Händen. »Eigentlich klar, wo der Name her kommt.« Doch auf einmal wurde sie nachdenklich. »Muss ich damit auch zurecht kommen?«

»Das weiß ich nicht.« Bis zu diesen Stiefeln war Frauke nicht gekommen. »Aber ich könnte mir gut vorstellen, dass Hegels sich darüber freuen würden.«

»Na gut.« Julia keuchte. »Ich werde sie auf jeden Fall einmal probieren.«

»Aber nicht heute. Es steht nicht auf der Liste.« Frauke wusste wirklich nicht, was bei dieser Art von Fußbekleidung zu beachten war, und deswegen wollte sie die Verantwortung auf keinen Fall übernehmen.

»Du hast recht.« Julia ging darauf ein. »Es wäre besser, erst Hegels zu fragen.«

Sie zog die nächste der Schubladen auf und blickte auf ein Gewirr von Lederriemen, zwischen denen rote und blaue Bälle zu sehen war. »Perlennetze?« Julia war verwundert. »Carolin hatte offenbar mehrere davon?«

»Anscheinend.« Etwas Besseres wusste Frauke nicht zu antworten.

»Naja, kommt Zeit...« Sie setzte das Sprichwort nicht fort, stattdessen ging sie zum dritten Schrank. Bei dem gab es mehr Schubladen. Sie zog eine davon auf. »Was ist das hier?«

Frauke keuchte. Es war ihr nicht bewusst gewesen, dass die Dildos für den Keuschheitsgürtel schon jetzt im Schrank waren. Insgeheim vermutete sie noch einen Fehler. »Oh, das willst du gar nicht wissen.«

Julia hielt den Gegenstand vor sich. »Es sieht aus wie ein Tannenbaum aus Kugeln. Oder wie ein Schneemann.«

»Du hast vielleicht eine Phantasie.« Frauke konnte sich trotz ihrer Anspannung ein Lachen nicht verkneifen.

»Und wo gehört das hin?« Julia blickte die Dienerin ratlos an.

Frauke beugte sich vor und flüsterte ihr etwas ins Ohr.

Julia wurde rot. »Bist du sicher?«

Frauke verzog das Gesicht. »Ich bin mir sicher.«

»Wirklich?« Julia wollte es nicht glauben. »Wenn ich das in mir trage, wie soll ich denn dann noch gehen?« Sie schüttelte ungläubig den Kopf.

Frauke griff den Gedanken auf. »Naja, große Schritte wirst du ohnehin nicht machen können.« Dass sie eigentlich einen Witz machen wollte, ging völlig unter.

»Du spinnst, wirklich.« Julias Stimme zeigte ihre Empörung. »Das kannst du doch nicht ernst meinen.«

Frauke schwieg.

»Du meinst es ernst.« Sie schluckte.

»Ich glaube, Carolin hat es mit Begeisterung getragen.« Letzteres war sehr unfair, doch Frauke wollte sich damit nur aus der Situation retten.

Julia nahm das Ding in die Hand und schien es abzuwiegen. »Es ist recht schwer. Ich bin wirklich gespannt, wie sich so etwas anfühlt. Wird das keine hygienischen Probleme machen?«

Frauke wurde es zuviel. »Das besprichst du am besten mit Frau Hegel. Sie wird dir sicherlich sagen können, wie Carolin damit umgegangen ist.« Insgeheim hoffte sie, dass Hegels auch auf diese Fragen Antworten bereit haben würden. Sie selbst war sehr froh, dass dieser Teil der Engel an ihr vorüber gegangen war.

»Ich freue mich schon darauf, wenn ich das einmal tragen darf.« Julias Stimme war leise.

»Du...« Frauke war fassungslos. »Du freust dich darauf?«

»Ja, warum?« Julia war verwundert. »Ist das falsch?«

»Nein, natürlich nicht.« Frauke hatte Probleme, ihre Fassung zu wahren. »Du wirst Hegels damit sicher eine Freude machen, wenn du so genau in Carolins Fußstapfen trittst.«

Julia seufzte. »Es sind trotzdem große Spuren, die ich auszufüllen habe.« Ein wenig Zweifel waren in ihrer Stimme zu hören.

»Ich bin mir sicher, dass du Hegels nicht enttäuschen wirst.« Sie nahm Julia den Metallkugeldildo wieder aus der Hand und legte ihn zurück in die Schublade. Fast nebenbei bemerkte sie, dass Julia anscheinend wirklich fest entschlossen war, Carolins Weg zu gehen.

Julia warf noch einen Blick in den Schrank. Sie schob das Engelskostüm beiseite und keuchte auf einmal. »Was ist denn das hier?«

»Das sind die Stiefel, die zu dem Engelskostüm gehören.« Frauke ärgerte sich, dass sie daran nicht gedacht hatte.

»Eigentlich schade.« Julia war ein wenig enttäuscht. »Unter dem langen Rock sieht man die doch überhaupt nicht.«

»Sie sind auch sehr kompliziert anzuziehen.« Frauke keuchte ein wenig.

Julia nahm einen Stiefel heraus und hielt ihn gegen ihr Bein. »Der Stiefel reicht mir ja fast bis in den Schritt?«

Frauke war von dem Moment gefangen. »Bitte achte auf den Absatz.«

Julia kam der Aufforderung nach. »Ja okay. Aber trotzdem sind sie sehr lang.« Sie drehte ihn vor sich hin. »Und sie haben keinen Reißverschluss. Sie müssen offenbar über das ganze Bein geschnürt werden.«

Frauke lächelte. »Das meinte ich, als ich 'kompliziert' sagte. Es dauert lange, wenn er gut sitzen soll.«

»Verständlich.« Julia klang verträumt. »Könnte ich ihn einmal anprobieren?«

»Ich glaube nicht, dass dafür die Zeit reicht.« Frauke versuchte eine Ausrede. »Ich wollte dir doch auch noch das Haus zeigen.«

Julia stellte den Stiefel nachdenklich wieder in den Schrank. »So etwas macht mich immer sehr neugierig. Aber das Haus zu besichtigen ist auch schön.« Insgeheim hoffte sie, in den anderen Räumen noch etwas mehr über Carolin und ihr geheimnisvolles Leben zu erfahren.

»Die Uniform solltest du aber wieder ausziehen.« Frauke blickte Julia an.

Julia lächelte. »Ich glaube, bei der Bluse könnte ich etwas Hilfe gebrauchen.«

»Es galt ja lange Zeit für eine adelige Dame als unschicklich, sich selbst um die Kleidung zu kümmern.« Frauke lächelte. »Sie hatte viele Dienerinnen, die sich dann darum zu kümmern hatten.«

»Und ich habe niemanden.« Julia setzte eine künstliche Schmollmiene auf.

»Und ich?« Frauke war ehrlich unsicher, wie sie diese Aussage werten sollte.

»Du bist meine Freundin, nicht meine Dienerin.« Es war der Studentin wichtig, dies deutlich zu machen.

»Dann erlaube bitte, dass ich dir mit der Bluse helfe.« Frauke trat an Julia heran. »Ich habe gehört, dass sie die Bewegungsfreiheit ein klein wenig einschränkt.«

»Armfreiheit wird oft überschätzt.« Julia grinste, während sie zusah, wie Frauke ihre Bluse öffnete.

»Was möchtest du denn anziehen?« Frauke blickte sich um.

Julia blickte auf das Bett. »Ich dachte an den schönen Rock und das Top.«

»Du bist wirklich unersättlich.« Frauke zog Julia die Bluse aus und legte sie wieder zusammen.

Julia blickte Frauke etwas verunsichert an. »Sollte ich mich zurück halten?« Sie griff sich die beiden Sachen und begann sich anzuziehen.

»Nein, nein, das ist schon in Ordnung.« Frauke merkte, dass ihr Spott falsch ankommen könnte. »Ich bin nur von deinem Ehrgeiz fasziniert.« Sie wollte das Thema wechseln. »Wir müssen nur vorher noch kurz in die Küche.«

»Warum denn das? Die Küche kenne ich doch schon.« Julia wunderte sich ein wenig.

»Darf ich dich an das Versprechen erinnern, das wir Paula gegeben haben?« Frauke wartete, bis Julia angezogen war, dann ging sie zur Tür. »Kommst du?«

Julia keuchte ein wenig. »Jetzt hetzte mich nicht so.« Sie beugte sich herunter, um sich die Reißverschlüsse des Rockes zu schließen.

Als Frauke das sah, verdrehte sie die Augen, doch sie sagte nichts.

Julia betrat die Küche, und sofort zwei fielen ihr zwei Sachen auf: Die offene Spülmaschine und ihr Trainingshandschuh, den Frauke schon auf den Tisch gelegt hatte.

»Ich weiß aber nicht, wo das Geschirr hingehört.« Den Handschuh auf dem Tisch versuchte sie tapfer zu ignorieren.

»Du räumst die Maschine aus, und ich stelle es weg.« Frauke lächelte. »Dann sind wir schnell damit fertig.« Es war ihr nicht entgangen, dass Julia immer wieder zu dem Handschuh sah.

Julia stellte sich vor die Maschine. »Ich wusste gar nicht, dass man für Eintopf so viel Geschirr braucht.« Sie begann mit dem Ausräumen.

»Ich glaube, sie hat das gesammelt.« Frauke nahm das Geschirr entgegen und stellte es an seinen jeweiligen Platz.

Julias Blick fiel zwischen dem Geschirr immer wieder auf den Handschuh, der auf dem Tisch lag. 'Beeil dich, Julia!', schien er zu rufen. 'Ich will deine Arme umschlingen.' Schließlich hielt sie es vor Anspannung nicht mehr aus. »Frauke, warum hast du den Handschuh mitgebracht?«

Frauke lächelte. »Ich dachte, du wolltest die Zeit gut nützen und Sachen kombinieren.« Sie erzählte von ihrem Plan. »Die Stockwerke schauen wir uns an, während du den Handschuh trägst, und im Treppenhaus machst du die Gymnastik. Dann kannst du gleich einmal prüfen, ob du dir die Übungen schon gemerkt hast.«

»Das ist ein sehr schöner Plan.« Doch dann blickte sie verlegen zu Boden. »Kannst du bitte den Zettel mitnehmen?«

Frauke lächelte. »Oh! Da hat jemand seine Hausaufgaben nicht gemacht.«

»Wann hätte ich das denn machen sollen?« Julia war zunächst empört, doch dann erkannte sie, dass Frauke nur einen Scherz gemacht hatte. Sie grinste. »Ja, Frau Lehrerin, ich bin eine schlechte Schülerin. Bitte legen sie mir zur Strafe den Handschuh an.«

»Ts ts ts.« Frauke schüttelte den Kopf. »Schon wieder so ungeduldig.« Sie streichelte Julia über den Kopf. »Ich werde ihn dir anlegen, wenn du den Rock wieder ganz geschlossen hast.« Auf einmal wechselte ihr Tonfall. »Oder dachtest du, dass ich ständig an deinem Rock herumfummle?«

Julia war sowohl verlegen als auch amüsiert. Ihr gefiel der Gedanke, auf diese Weise an ihre Selbstverpflichtungen erinnert zu werden.

Frauke lächelte. Julia reagierte genauso, wie Frau Hegel es vorhergesagt hatte. Von ihr hatte sie auch den Tipp mit dem Handschuh bekommen. Es gab im Haus nur wenige Räume, die trotz des Handschuhs geöffnet werden konnten, und so war es Frauke möglich, die kritischen Räume auszulassen. Denn ein einige wenige Räume durfte sie Julia auf keinen Fall zeigen.

Julia hielt den Atem an, seit sie das Leder des Trainingshandschuhs auf ihren Armen spürte. Mit einem 'Ratsch' schloss Frauke den Reißverschluss des Handschuhs, und obwohl es eigentlich ein leises Geräusch war, dröhnte es Julia in den Ohren.

Gerade hatte sie sich den Rock wieder ganz geschlossen, nachdem sie die Stufen der Kellertreppe hinab gestiegen war. Jetzt blickte sie sich um. Sie sah eine Tür, die mit 'Heizung' beschriftet war, und eine andere trug die Aufschrift 'Vorräte'.

Frauke ging zu letzterer Tür und öffnete sie, dann wartete sie, bis Julia näher gekommen war. »Der Vorratskeller«, lächelte sie, als Julia neugierig eingetreten war.

Julia blickte sich kurz um und wurde sofort von einem großen Gegenstand angezogen, der ganz am Ende des Raumes an der Wand lehnte. Farbe und Form ließen darauf schließen, dass es eine Badewanne war, die nicht eingebaut war, und die aus Platzgründen aufrecht an der Wand lehnte.

»Was ist denn an einer ungenutzten Badewanne so spannend?« Frauke war das Interesse der Studentin nicht entgangen.

»Na dann schau doch mal genauer hin.« Julia hätte das weiße Porzellan jetzt gern angefasst, doch ihre Arme waren in dem Handschuh gefangen. Sie versuchte ihre Beobachtung mit den Armen zu zeigen. »Siehst du hier diese besondere Form in der Rückenlehne?«

»Tatsächlich, jetzt wo du es sagst.« Frauke strich mit der Hand über das glatte Material. »Diese Wanne hat eine Aussparung für die Arme.« Sie war selbst auch sehr überrascht, denn sie wusste selbst auch nichts davon. Natürlich wusste sie, dass hier eine nicht eingebaute Badewanne stand, doch die besondere Form war ihr bisher nicht aufgefallen.

Julia stand ehrfürchtig vor der Wanne und vor ihrem geistigen Auge formten sich seltsame Bilder. Ein junges Mädchen, ganz nackt, trug jedoch einen Handschuh aus Plastik. »Es scheint, als wäre Carolin nicht mehr dazu gekommen.« Sie drehte sich zu Frauke und lehnte sich an sie. »Es ist so traurig.«

Frauke wusste in diesem Moment nicht, was sie sagen sollte. Wieder legte sie ihre Arme um Julia und drückte sie leicht an sich.

»Ich werde viel üben.« Julia schluchzte leicht. »Es scheint sehr faszinierend für Carolin gewesen zu sein.«
113. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von HeMaDo am 27.02.18 18:44

Nachdem ich das Glück hatte, "Maria" an einem Stück lesen zu können, warte ich hier nun ungeduldig auf jeden neuen Teil.

Eine klasse Geschichte und ich mag deinen Stil einfach. Was soll ich noch mehr dazu sagen?

HeMaDo

114. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 5 - Entdeckungen - Teil Sieben von Acht

geschrieben von gag_coll am 02.03.18 06:37

Der Mantel der Studentin
Kapitel 5 - Entdeckungen - Teil Sieben von Acht
Autor: Karl Kollar

»Was gibt es hier noch zu sehen?« Julia hob ihren Kopf und blickte der Dienerin ins Gesicht.

»Es gibt noch zwei Räume, die im Moment aber nicht genutzt werden, soweit ich weiß.« Frauke ging voran und öffnete die Türen. »Der eine sollte einmal als Archiv dienen, und der andere war gedacht zum Trocknen der Wäsche.«

Julia warf jeweils einen Blick in die jetzt leeren Räume, dann schritt sie langsam zur Treppe. Vor der ersten Stufe blieb sie stehen und blickte zunächst an sich herunter, dann lächelte sie und hob ihren Kopf in Richtung der Dienerin.

»Du erwartest doch nicht etwa, dass ich jetzt ständig an deinen Beinen herum fummle?« Frauke versuchte, ihre Stimme etwas empört klingen zu lassen. »Das machst du hübsch selbst.«

Julia seufzte gespielt. »Ja, ich weiß. Und meine Gymnastik werde ich auch machen.« Trotzdem stöhnte sie, als sie das Ratschen des Reißverschlusses hörte, welcher den Handschuh auf ihrem Rücken festhielt.

Die Räume im Erdgeschoss kannte Julia eigentlich alle schon. Jetzt nutzte sie die Zeit, um sich etwas genauer umzusehen und vielleicht noch die eine oder andere Besonderheit von Carolin zu entdecken. Doch außer den Rückenlehnen einzelner Stühle und des besonderen Sessels gab es nichts, was ihr diesbezüglich aufgefallen wäre.

An der Treppe wiederholte sich das Spiel mit dem Handschuh, und zu ihrer Überraschung gab es im Obergeschoss nur ein Zimmer, welches sie noch nicht kannte. Dies war das Arbeitszimmer des Professors, in welches sie aber nur einen kurzen Blick hinein warf. Irgendwie hatte sie dabei ein schlechtes Gewissen. Und natürlich hatte sie auch an dem Schlaf- und dem Ankleidezimmer von Hegels kein Interesse.

So kam es, dass sie schon bald wieder an der Treppe Richtung Dachgeschoss stand und Frauke bittend ansah. »Das waren jetzt noch keine zehn Minuten. Ich möchte den Handschuh noch anbehalten.«

Frauke grinste sie an. »Wie du willst.« Doch sie machte keinerlei Anstalten, ihr den Rock zu öffnen.

»Wie soll ich denn so die Treppe hinauf kommen?« Julia blickte erst auf ihren Rock, dann blickte sie zu Frauke.

»Dann mache ihn dir doch auf«, schlug Frauke mit bewusst naiver Stimme vor.

Julia keuchte ein wenig und versuchte, sich mit ihren gefangenen Händen nach unten zu beugen. Sie kam auch bis zu dem bewussten Reißverschluss, doch sie schaffte es trotz heftiger Bemühungen nicht, den Schieber zwischen ihre Finger zu bekommen.

Schließlich erkannte sie, dass sie aufgeben musste. »Okay, du hast gewonnen. Lässt du mich bitte aus dem Handschuh heraus, damit ich mir den Rock öffnen kann?«

»Natürlich!« Frauke kam zu ihr, und das Abnehmen des Handschuhs wiederholte sich. »Stell dir jetzt bitte einmal vor, du würdest jetzt auch noch die Perle tragen.«

»Ja, was ist dann?« Julia war von ihrer kleinen Niederlage noch sehr in den Bann gezogen.

»Naja, dann könntest du mich auch nichts mehr fragen oder um Befreiung bitten.« Frauke genoss den Moment.

»Ja, du hast Recht.« Julia war auf einmal sehr nachdenklich. »Und es wäre kein wirklicher Notfall. Ich wäre also ganz hilflos und im Haus gefangen.« Ihre Stimme wurde leiser. »Carolin scheint diesen Zustand sehr gemocht zu haben.«

»Jetzt komm hoch, ich habe dir noch zwei spannende Sachen zu zeigen.« Sie schritt die Stufen der Treppe voran.

Oben an der Treppe blieb Julia stehen und schloss sich gleich wieder den Rock. »Wenn ich dich dann bitten dürfte? Ich darf noch fünf Minuten extra.«

Frauke verdrehte erneut die Augen. »Ich hoffe sehr, dass dein Ehrgeiz nicht ansteckend ist.«

»Jetzt lass mich doch die Zeit nutzen.« Julia ärgerte sich ein wenig über die Dienerin.

»Ich hätte darauf bestehen sollen, dass du auch eine Perle trägst, dann hätte ich jetzt meine Ruhe.« Frauke grinste deutlich, um ihre Aussage als Scherz zu markieren.

»Ein sehr interessanter Gedanke.« Julia lächelte Frauke verträumt an. »Ob Carolin das auch so gemacht hat?«

»Es könnte schon sein.« Frauke wusste natürlich, was mit Hegels als Ziel abgesprochen war. »Aber denke immer dran, dass du ausreichend Pausen machst.«

»Was gibt es hier zu sehen? Dein Zimmer kenne ich schon«, Julia blickte auf die entsprechende Tür. »Und die Bibliothek habe ich auch schon gesehen.«

»Hier sind noch das Arbeitszimmer von Frau Hegel und ein winziges Bad.« Zwischen den Zeilen war zu hören, dass Frauke das Bad mitbenutzen durfte. »Aber das Schönste ist hier.« Sie öffnete eine schmale Tür und trat beiseite, damit Julia in den Raum blicken konnte.

Doch zu ihrer Überraschung war der Raum vollkommen leer und maß nicht einmal zwei Quadratmeter. Lediglich eine schwarze Eisenleiter an der Wand war zu sehen.

Auf den zweiten Blick erkannte Julia, dass von oben Licht herein fiel. Sie betrat den Raum und blickte nach oben. Durch ein Fenster konnte sie den Himmel erkennen.

»Erinnerst du dich an das Dachrondell auf dem Haus?« Fraukes Stimme zeigte Begeisterung. »Hier geht es hinauf.« Sie trat neben Julia und fasste an die Leiter. »Dort oben bin ich sehr gern, denn dort kann ich sehr schön träumen.«

Julia blickte Frauke verwundert an. »Dann lass uns doch mal hinauf schauen.«

»Du kannst gern einmal hinauf gehen, doch bei mir dauert das zu lange.« Ohne Julias Frage abzuwarten, trat sie an die Leiter, fasste die seitlichen Stangen an und hob ihren Körper unter Keuchen auf die erste Sprosse. »Ich bekomme wegen der Schenkelbänder meine Beine nicht weit genug auseinander. Ich muss mich an der Leiter hochziehen.« Wieder keuchte sie. »Und das dauert seine Zeit.«

In Julia überschlugen sich die Gefühle. Einerseits war sie entsetzt über die Mühen, die Frauke hier für ihre Träume auf sich nahm, andererseits beschäftigte sie der Gedanke, dass sie selbst vermutlich bald genau so hilflos sein würde. »So viel Mühe nimmst du auf dich? Die Aussicht da oben muss sehr schön sein.«

»Ja, die Aussicht ist es wirklich wert, sich vorher so zu plagen.« Frauke sprach ein wenig leiser. Sie ließ sich langsam von der Leiter wieder auf den Boden gleiten.

»Werde ich die Schenkelbänder auch tragen müssen?« Auch wenn diesbezüglich bisher nichts angekündigt war, ahnte Julia doch, welche außergewöhnliche Zukunft auf sie warten würde. Und zu ihrem eigenen Erstaunen hatte sie davor keine Angst. Respekt ja, aber keine Angst.

»Wie wäre es, wenn du deine noch vorhandene Beinfreiheit jetzt ausnutzt und dir die Aussicht einmal anschaust?« Frauke lächelte Julia verträumt an. Es tat ihr gut, ihre Schätze mit Julia teilen zu dürfen. »Dafür müsste ich dir allerdings den Handschuh abnehmen.«

»Oh ja, ein schweres Opfer.« Julia wartete, bis sie ihre Arme wieder bewegen konnte, dann beugte sie sich zu ihrem Rock herunter.

»Mach ihn ganz auf, sonst geht es nicht.« Frauke ahnte die noch nicht gestellte Frage.

Julia seufzte ein wenig, dann zog sie sich den Reißverschluss ganz auf. Gleich darauf stieg sie die senkrechte Leiter hinauf.

»Bleib nicht zu lange oben«, rief Frauke ihr hinterher. »Ich habe dir noch etwas Spannendes zu zeigen.«

Julia stieß mit der Hand die gläserne Abdeckung auf, dann kletterte sie weiter hoch und stand schließlich atemlos auf der runden Plattform auf dem Dach. »Was für eine Aussicht«, rief sie zu Frauke hinunter.

Im Süden sah sie die Kette der Alpen und im Norden erkannte sie die Stadt München mit ihrer charakteristischen Silhouette. »Jetzt verstehe ich, dass du gern hier oben bist.«

»Jetzt komme bitte wieder herunter.« Frauke grinste. »Du hast noch vier Minuten Handschuh übrig.«

Julia lachte. »Schon gut, ich komme.« Sie machte sich wieder an den Abstieg. »Was gibt es denn noch interessantes? Eigentlich habe ich doch jetzt alles gehen.«

»In diesem Haus gibt es ein System von Geheimgängen.« Frauke ließ die Katze aus dem Sack.

Julia wäre fast von der Leiter gefallen. »Geheimgänge? Jetzt machst du Witze.« Sie schüttelte den Kopf. »Das wäre mir doch aufgefallen.«

»Ich glaube, dass die Gänge früher zur Bedienung der Öfen gedient haben, so wie es auch in vielen Schlössern zu sehen ist.« Frauke gab ihre Vermutung wieder. »Damit musste die schmutzige Kohle gar nicht erst durch das saubere Haus getragen werden.«

»Ja, das klingt sehr plausibel.« Doch dann stutzte Julia. »Aber wir haben doch überall die Heizkörper. Die Öfen sind doch gar nicht mehr da.«

»Genau.« Frauke bestätigte ihre Beobachtungen. »Ich vermute, dass einer der Vorbesitzer einem Spleen gefolgt ist und die Heizwege dann zu Geheimgängen umgebaut hat.«

»Und im Keller gibt es einen geheimen Raum, in dem früher die Kohle gelagert wurde und dessen Tür nach außen später zugemauert wurde, so dass er nur über die Geheimgänge zu erreichen ist.« Julia lächelte verträumt.

»Ja, das ist richtig.« Frauke bestätigte Julias Worte, doch dann hielt sie vor Erstaunen inne. »Woher weißt du das?«

»Ich wäre wohl eine schlechte Studentin der Architektur, wenn ich nicht von selbst darauf kommen würde.« Julia erkannte, dass Frauke ein wenig enttäuscht war. »Außerdem habe ich schon viele Grundrisse von alten Villen studiert. Dass es das hier auch gibt, habe ich sogar erwartet.«

»Und da dachte ich, dass ich dir etwas neues zeige.« Die Enttäuschung war deutlich in Fraukes Worten zu hören. »Aber vielleicht magst du mir trotzdem helfen. Ich habe nämlich noch nicht alle Mechanismen zum Öffnen gefunden.«

»Sehr gern.« Julias Augen blitzten auf. Doch dann schlich sich ein anderer Gedanke in ihre Überlegungen. »Wissen Hegels eigentlich über die Gänge Bescheid?«

»Meiner Meinung nach ja.« Frauke schien nachzudenken. »Aber ich glaube, es hat sie nie wirklich interessiert.«

»Und bei was brauchst du nun meine Hilfe?« Julia beugte sich hinunter, um sich den Rock treppengerecht zu schließen, dann richtete sich wieder auf und blickte verlangend auf den Handschuh.

»Du bist wirklich unersättlich.« Frauke lächelte, dann legte sie Julia den Handschuh wieder an. »Ich weiß, wie ich durch den Geheimgang in dein Zimmer komme, aber ich weiß nicht, wie ich sie öffnen könnte, wenn die Tür mal zugefallen ist. Dann muss ich durch die normale Tür gehen.«

»Jetzt wird mir einiges klar.« Julia lächelte. »Die Straßenbahnen. Wie bist du überhaupt darauf gestoßen?« Sie ging langsam die Treppe hinunter.

»In der Bibliothek habe ich einmal ein altes Tagebuch gefunden.« Frauke erzählte von ihrem Zufallsfund, als sie etwas Trivialliteratur suchte. »Und dort waren die Mechanismen beschrieben. Allerdings fehlten ein paar Seiten.«

»Ist ja spannend.« Julia grinste. »Wie in den alten Edgar Wallace-Filmen.« Sie erzählte, dass sie diese immer mit ihren Brüdern ansehen musste. »Dann lass uns gehen.« Am Ende der Treppe wartete sie, bis Frauke ihr den Handschuh wieder gelöst hatte, dann beugte sie sich herunter und schloss sich wieder den Rock. Dann begann sie sofort in Richtung ihres Zimmers zu trippeln.

»Haben die gnädige Frau nicht etwas vergessen?« Frauke hielt den Handschuh hoch. »Du hast noch drei Minuten.«

»Können wir das nicht überspringen?« Julia verdrehte die Augen, als sie zielstrebig ihre Zimmertür öffnete.

»Wer bist du, und was hast du mit Julia gemacht?« Frauke lächelte Julia an. »Was werden Hegels sagen, wenn sie erfahren, dass wir nicht die ganze Zeit trainiert haben?«

»Immer wenn es so spannend ist.« Seufzend blieb sie mitten im Zimmer stehen und legte ihre Arme auf den Rücken.

»Soll ich noch eine Perle holen?« Wieder war das Ratschen zu hören, mit dem der Handschuh auf Julias Rücken fixiert wurde. »Wenn dir das für die letzten zwei Minuten nicht zu lächerlich ist?«

»Weiß du, ich würde das gern ausprobieren wollen.« Julia war auf einmal leise. »Ich habe mich nur nicht zu fragen getraut.«

Julia hatte noch nicht ausgesprochen, als schon eine Perle vor ihren Lippen wartete. Gerade als sie mit der nächsten Frage beginnen wurde, schob Frauke ihr den Ball in den Mund.

»Weißt du, ich kann auch 'schnell'.« Dass sie die Perle für alle Fälle in einer Tasche ihres Kleides bereitgehalten hatte, behielt sie lieber für sich.

Julia hätte jetzt gern ihre aus ihrer Sicht völlige Hilflosigkeit genossen. Sie hatte den Rock ganz geschlossen, und ihre Arme waren im Rücken im Handschuh gefangen. Und ihr Mund war mit einer von Carolins Perlen verschlossen. Doch stattdessen sah sie Frauke zu, die ihr beschrieb, wo sich in ihrem Zimmer die Tür zum Geheimgang befand.

Julia war elektrisiert, denn sie hatte erkannt, wo sich der Mechanismus zum Öffnen befinden würde. Sie trippelte langsam vor die kleine Kommode, die in der Nähe der Tür stand.

»Ja, du hast Recht.« Frauke war ihren Bewegungen mit den Blicken gefolgt. »Dieses Möbel passt hier nicht herein, aber es ist an der Wand festgeschraubt. Deswegen haben Hegels es hier stehen lassen.

Julia stöhnte so laut in die Perle, dass es Frauke mit der Angst zu tun bekam. Sie trat auf Julia zu und nahm ihr die Perle wieder ab. »Was ist los? Ist dir nicht gut?«

Julia war froh, ihre Stimme wieder bekommen zu haben.

»Klingelt es nicht bei dir?« Julia versuchte, sich von dem Handschuh zu befreien. »Hier muss der Mechanismus versteckt sein.« Sie ließ sich auf die Knie fallen und versuchte, die kleine Kommode mit ihren verpackten Händen zu berühren.

»30, 29, 28...« Frauke zählte langsam die verbleibenden Sekunden herunter. Erst als sie bei Null angekommen war, öffnete sie den Reißverschluss und die Riemen, die Julias Arme noch gefangen hielten.

»Endlich.« Julia lachte. »Ich hätte nicht gedacht, dass es so aufregend sein würde.«

»Was genau meinst du jetzt?« Frauke runzelte die Stirn.

»Ach egal.« Julia wandte sich wieder dem Kleinmöbel zu. »Irgendwo muss hier der Mechanismus versteckt sein.«

Frauke kniete sich neben Julia. Gemeinsam schauten sie sich die kleine Kommode genauer an. In der übertrieben breiten Zierliste fanden sie schließlich zwei kleine Knöpfe, die sich ein klein wenig von ihrer Umgebung unterschieden.

»Was meinst du?« Julia blickte Frauke abenteuerlustig an.

Frauke drückte einen der Knöpfe, doch es tat sich nichts. Julia drückte auf den anderen, doch wieder tat sich nichts.

»Vielleicht zusammen.« Sie blickten sich kurz an. Gemeinsam drückten sie und hörten auf einmal ein kurzes Rumpeln.

»Na also.« Julia stand auf und blickte Frauke lächelnd an. »Kommst du?«

Frauke hatte Mühe, hinterher zu kommen. »Hey, eigentlich wollte ich dir die Gänge zeigen.«

»Ich finde es schön, dass sie in diesem Haus erhalten geblieben sind.« Julia drehte sich zu Frauke um. »Es zeigt, dass das Haus schon eine lange Geschichte hinter sich hat. Es dürfte aus der Kaiserzeit stammen.«

»Soweit ich weiß, hat es zuletzt einer jüdischen Familie gehört.« Frauke seufzte. »Bis in die vierziger Jahre.«

»Ich verstehe, was du sagen willst.« Julia seufzte ebenfalls. »Ein trauriges Kapitel.«

Frauke schwieg, während sie Julia durch den schmalen Gang folgte. Sie grübelte darüber nach, ob sie der Studentin schon von dem Schatz erzählen durfte, doch dann beschloss sie, ihren Fund noch etwas für sich zu behalten. Außerdem war es noch genauso unklar, ob es überhaupt noch ein Schatz war, oder ob er schon von anderen gefunden worden war.

»Es wundert mich, dass es hier drin so sauber ist?« Julia blieb kurz stehen. »Ich hätte hier eigentlich viel Staub und Spinnweben erwartet.«

»Oh, die gab es hier auch.« Frauke lachte. »Doch ich habe hier gründlich geputzt, damit ich mich nicht durch Schmutz auf dem Kleid verrate.«

Julia war überrascht. »Oh!«

Bei dieser Putzaktion hatte Frauke den so sorgfältig versteckten Brief gefunden. Er war datiert auf 1935, und die damaligen Bewohner des Hauses schienen die traurigen Zeichen der Zeit schon erkannt zu haben. In dem Brief beschrieben sie, dass sie alle ihre Wertsachen flüssig gemacht hatten, und das Geld und den Familienschmuck anschließend nahe einer Berghütte in den Alpen vergraben hatten. Mit dem Geld aus diesr Zeit würde Frauke zwar nichts mehr anfangen können, aber der Schmuck würde hoffentlich auch einen gewissen Wert darstellen.

Der Weg dorthin war in dem Brief genau beschrieben, und Frauke war festentschlossen, gleich nach ihrer Enttassung diese Stelle aufzusuchen und nach dem Schatz zu suchen. Doch bislang mochte sie keinem davon etwas erzählen, insbesondere weil sie sich dabei wie ein Dieb fühlte.

»Hier ist eine Treppe?« Julia stand sehr verwundert vor einer Wendeltreppe aus Metall.

»Ja logisch.« Frauke hoffte zumindest, dass ihre diesbezügliche Vermutung richtig war. »Damit wurden das Holz und die Kohlen zu den Öfen gebracht. Die wurden von der Rückseite beladen und befeuert, was Aufgabe des Hauspersonals war.«

»Das ist wirklich faszinierend.« Julia war begeistert.

»Und es erlaubt mir einige Freiheiten.« Frauke lächelte. »Darf ich dir das Liebesnest zeigen?«

»Der alte Vorratsraum wurde vom damaligen Hausherrn zu einem geheimen Rückzugsort ausgebaut.« Julia äußerte jetzt ihrerseits ihre Vermutung.

»Du kannst einem aber auch jede Überraschung verderben.« Frauke lachte trotzdem und führte Julia über zwei Stockwerke in den Kellergang.

»Hier ist es. Komm herein.« Sie öffnete eine Tür.

Julia hatte sich insgeheim darauf vorbereitet, dass sie von der Tür ein schreckliches Quietschen hören würde. Doch zu ihrer Überraschung ließ sich die Tür ganz geräuschlos öffnen. Sagen tat sie allerdings nichts.

Frauke hatte trotzdem erkannt, was die Studentin bewegte. »Ich habe mir extra einmal die Ölkanne aus der Werkstatt geliehen und habe die Schaniere geölt.« Sie lächelte stolz.
115. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von marmas71 am 02.03.18 08:34

Hallo gag_coll,

super wieder eine klasse Fortsetzung deiner Geschichte.

Danke fürs schreiben.

Ich warte gespannt auf den nächsten Teil.

Gruß marmas71
116. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von N0V0 am 05.03.18 18:20

Sehr tolle Storie gefällt mir gut. Ich hoffe die Geschichte geht noch weiter. Du schriebst echt gut!
117. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 5 - Entdeckungen - Teil Acht von Acht

geschrieben von gag_coll am 06.03.18 05:19

Der Mantel der Studentin
Kapitel 5 - Entdeckungen - Teil Acht von Acht
Autor: Karl Kollar

Der Raum war nicht groß, gerade mal drei mal drei Meter. Die Hälfte des Raumes wurde von einer großen Matraze eingenommen. Julia vermutete zumindest, dass es eine Matratze war, denn sie war mit einem roten samtähnlichem Stoff bezogen. Große und kleine Kissen in dezenten Rottönen vermittelten sofort einen sehr gemütlich, fast erotischen Eindruck.

Neben der Tür stand noch ein kleines Regal, und entlang der Wände war in Hüfthöhe ein schmales Brett, auf dem viele Kerzen standen. »Stell dir vor, jetzt wären die Kerzen an.« Frauke flüsterte.

Julia hatte keine Probleme, sich dieses vorzustellen, denn durch das winzige Lüftungsfenster fielen ansonsten nur ein paar wenige Lichtstrahlen herein.

Ein paar Zeitschriften lagen im Regal, bei denen Julia auf den ersten Blick sah, dass sie schon länger veraltet waren. Sie begriff die Zusammenhänge sofort, doch sie hütete sich, ihre Vermutung zu äußern, denn sie wollte Frauke nicht weh tun.

Auch zwei Bücher standen daneben - eines davon war 'Es muss nicht immer Kavier sein' von Johannes Maria Simmel. Das zweite Buch war 'Herr der Ringe' von J. R. Tolkien. Und beide Bücher machten einen sehr ausgelesenen Eindruck. 'Sag mir, was du liest und ich sage dir, wer du bist.', dachte Julia bei sich, doch sie hütete sich, etwas in dieser Richtung zu sagen. Doch dann verwarf sie ihre Gedanken, denn Frauke hatte bezüglich der Auswahl bestimmt keine Wahl gehabt. Vermutlich hatte sie die Bücher in irgendeiner 'zu verschenken'-Kiste gefunden. Und da sie offensichtlich keinen Besitz haben durfte, hatte sie sich vermutlich nur die Bücher aufgehoben, die ihr besonders wichtig waren.

Es irritierte Julia etwas, dass sie kein Geschirr in irgendwelcher Art vorfand. »Kaum zu glauben, dass hier einmal Kohlen gelagert wurden.« Julia blickte sich um. »Es sieht alles so neu aus.«

»Das täuscht.« Frauke grinste. »Aber ich habe alles so nach und nach in die Wäsche geschmuggelt. Immer nur so viel, dass es nicht auffiel.«

»Ach so.« Julia war beeindruckt. »Und bist du oft hier unten?«

»Eigentlich eher in den Wintermonaten.« Frauke seufzte und ihre Stimme wurde sentimental. »Ich träume immer davon, dass ich mich hierher mit meiner kleinen Schwester zurückziehen kann.«

»Verstehe.« Julia hatte den eigentlichen Wink durchaus erkannt, doch noch war sie nicht bereit, Frauke auf diesem Weg zu folgen. Zu viel Neues und Aufregendes lag noch vor ihr, als dass sie jetzt schon eine Beziehung eingehen wollte, und sei es auch nur eine schwesterliche. »Ich muss auch noch lernen.« Julia versuchte eine Ablenkung. »Wie wäre es, wenn wir uns dazu auf die Terrasse setzen?«

Frauke zuckte ein wenig zusammen. »Wie wäre es vorher mit einem Tässchen Kaffee?«

»Das ist eine gute Idee.« Julia war erleichtert, das heimliche Liebesnest verlassen zu können.



»Sehr spannend, diese Geheimgänge.« Julia ließ sich auf den Küchenstuhl fallen.

Frauke machte sich daran, Kaffee zu kochen. »Ich denke, wir haben den Tag gut genutzt.«

Julia warf einen Blick auf die Liste. »Was steht jetzt noch aus?«

Frauke nahm Tassen aus dem Schrank. »Wenn ich das richtig sehe, dann haben wir alles erledigt.« Sie warf ebenfalls einen Blick auf die Liste. »Du möchtest noch lernen, wenn ich das richtig verstanden habe.«

»Ja, das ist richtig.« Julia seufzte. »Können wir uns den Kaffee mit auf die Terrasse nehmen?«

»Ich glaube, die Stühle stehen nicht draußen, und ich weiß nicht, wo sie sind.« Frauke versuchte eine erste Ausrede. Es war ihr nicht gestattet, das Haus zu verlassen, wenn Hegels nicht in der Nähe waren. Doch sie schämte sich deswegen, und deshalb wollte sie dies Julia gegenüber nicht zugeben.

Julia spürte, dass etwas nicht in Ordnung war. »So ein Quatsch. Ich habe sie doch draußen stehen sehen.«

»Ich darf aber nicht hinaus.« Frauke versuchte, ein wenig deutlicher zu werden.

»Was ist denn schon dabei, wenn wir zusammen auf der Terrasse sitzen?« Julia begann sich über Frauke zu ärgern.

»Aber die Nachbarn könnten mich sehen.« Frauke brachte ihr nächstes Argument vor.

Julia platzte fast der Kragen. »Wenn du nicht mit hinaus kommst, dann sage ich Hegels, dass du mich nicht hast trainieren lassen.« Sie holte tief Luft. »Und ich lasse dich auch nicht mehr aus dem Fenster schauen.«

»Das meinst du nicht ernst oder?« Frauke erkannte an Julias Gestik, dass sie es wirklich Ernst zu meinen schien.

»Doch.« Julia versuchte hart zu bleiben. »Es ist doch nicht schlimm, wenn wir zusammen auf der Terrasse liegen und du mich abhörst.«

In Frauke arbeitete es heftig. Was war jetzt wirklich wichtiger?



»Bitte sage Frau Hegel nicht, dass ich draußen war. Das darf ich nämlich nicht.« Sie blickte zu Julia, die neben ihr im zweiten Liegestuhl lag. Neben ihr lag ein Stapel Bücher, und in einem davon las sie gerade.

»Wer hat dir das verboten?« Sie ließ das Buch kurz sinken.

»Darüber möchte ich nicht reden.« In diesem Moment fuhr eine Straßenbahn am Grundstück vorbei und sorgte für etwas Ablenkung. Frauke seufzte. »Von hier aus sieht man sie besonders gut.«

»Na siehst du«, lächelte Julia. »Und das wolltest du dir entgehen lassen.«

Frauke seufzte tief. Nur langsam begann sie sich an die neue Situation zu gewöhnen. Immerhin war sie nicht allein draußen, sondern in Begleitung von Julia. Natürlich wusste sie, unter welchen Bedingungen sie aus dem Haus gehen durfte, doch davon war in diesem Moment keine einzige auch nur annähernd erfüllt.

Auf einmal sprang Julia auf. »Ich habe eine Idee.« Sie öffnete sich den Reißverschluss ihres Rockes ein Stück, dann lief sie ins Haus zurück.

»Warte, Julia.« Frauke schreckte auf. »Du darfst mich hier nicht...« Doch zu ihrem Entsetzen war Julia schon außer Hörweite. »... allein lassen.«

Sie hatte sich gerade von dem Schrecken erholt, als sie sah, dass einer der Nachbarn am Zaun stand und Fotos machte. Er schien sich für das gesamte Grundstück zu interessieren, was Frauke etwas seltsam fand. Sie wünschte ihm einen Guten Tag, doch der Gruß wurde nicht erwidert.

»Wir machen ein Spiel daraus.« So schnell, wie Julia verschwunden war, stand sie auch wieder neben Frauke und reichte ihr den Trainingshandschuh und ein leichtes Halskorsett. »Du legst ihn mir an und stellst mir dann die Übungsfragen. Wenn die Antwort falsch ist, dann muss ich ihn wieder ablegen.«

»Und wofür ist das Halskorsett?« Frauke schüttelte den Kopf.

Julia strahlte bis zu den Ohren. »Das ist für die zweite Runde.«

Frauke stand auf. »Na dann. Bitte mein Fräulein, würden sie bitte die Arme auf den Rücken legen.«

* * *

»Hast du die Fotos machen können?« Die Nachbarin empfing ihren Mann schon an der Haustür.

»Sie hat mich gesehen und mich gegrüßt.« Er nahm den Chip aus der Kamera und reichte ihn seiner Frau. »Willst du da wirklich anrufen?«

»Er hat uns ausdrücklich dazu aufgefordert.« Die Frau suchte die Visitenkarte heraus. »Und außerdem haben Hegels uns gebeten, heute ein besonderes Auge auf das Haus zu haben.«

»Na wenn du meinst.« Der Mann gab sich nachdenklich. »Ich glaube nicht, dass es so wichtig ist.«

»Lass mich nur machen.« Die Frau wählte die lange Nummer und wartete, bis sich ihr Gegenüber meldete.

»Buchelberger. Was gibt es?« Er klang besorgt, denn er hatte dieses Handy nur für einen einzigen Zweck vorgesehen.

»Sie haben gesagt, wir dürften sie jederzeit anrufen.« Die Stimme der Nachbarin zitterte leicht.

»Und weswegen rufen sie an?« Herr Buchelberger wusste auch von der Abwesenheit des Ehepaars Hegel.

»Sie ist draußen.« Sie keuchte. »Allein, ganz allein.« Sie holte tief Luft. »Mein Mann hat Beweisfotos gemacht.«

»Danke dass sie mich sofort informiert haben.« Er legte auf, dann zog er seine Stirn in Falten. Sollte sein Privatexperiment jetzt doch noch scheitern?

* * *

»So macht das aber keinen Spaß.« Frauke legte den dritten Bogen aus der Hand. »Du weißt ja wirklich alles.«

»Ja, das hatte ich mir auch anders vorgestellt.« Julia seufzte. »Jetzt ist wohl erst einmal eine Pause angesagt.«

Frauke grinste sie an. »Meinst du Pause vom Lernen oder Pause vom Handschuh?«

»Am besten wohl von beidem.« Julia versuchte langsam aufzustehen, doch erst als Frauke sie an der Schulter hochzog, schaffte sie es. »Die Liege mit der Aussparung ist wirklich sehr bequem. Der Handschuh stört überhaupt nicht.«

Frauke blickte auf die Uhr und wurde bleich. »Sch...eibenkleister!«

»Was ist?« Julia blickte sich verwundert um.

»Das waren zwanzig Minuten.« Die Dienerin war auf einmal sehr verlegen. So schnell wie sie konnte, befreite sie Julia von dem Handschuh.

Doch Julia gab sich cool. »Schreibe zwei mal zehn Minuten auf.« Sie grinste. »Das ist ja nicht gelogen.«

»Nur die Pause passt nicht.« Frauke hatte sich den bereitgelegten Block zur Hand genommen und begann zu schreiben. »Wie geht es deinen Armen?«

Ohne dass es ihr recht bewusst war, hatte sie schon mit den vorgeschlagenen Bewegungen begonnen. »Ein wenig spüre ich es jetzt schon. Wir sollten jetzt auch doppelte Pause machen.«

»Und weswegen hast du das Halskorsett mitgebracht?« Frauke war über Julias Ehrlichkeit sehr erleichtert.

»Du kannst vielleicht Fragen stellen.« Julia grinste. Kaum hatte sie ihre Gymnastik beendet, als sie schon nach dem Halskorsett griff und es sich anlegte.

»Kriegst du es allein zu?« Frauke lächelte verschmitzt. »Ich habe keine Lust, noch einmal aufzustehen.«

Julia keuchte, und es war nicht klar, ob es gespielt war oder ob sie es ernst meinte. »Ich versuche es.«

»Du bist wirklich unersättlich.« Frauke blickte von ihrem Liegestuhl an Julia herunter. »Wenn du jetzt noch den Rock ganz schließen würdest, wäre es perfekt.«

»Verdammt, warum sagst du mir nicht eher, dass ich hier die ganze Zeit halb nackt herum laufe.« Kaum hatte sie das Halskorsett geschlossen, als sie sich auch schon herunter beugte und sich den Reißverschluss am Rock ganz schloss. »Uih, jetzt merke ich das Halskorsett doch recht deutlich.« Sie griff wieder zu dem Buch, welches sie bereit gelegt hatte, und las weiter darin.

Frauke blickte in den Himmel und döste ein wenig vor sich hin. Als Julia wieder einmal von ihrem Buch aufsah, blickte sie sie mit verträumten Augen an. »Ich liebe es, hier draußen zu sitzen und den Wolken zuzusehen.« Sie seufzte. »Das sind kostbare Momente.«

»Warum eigentlich?« Julia runzelte die Stirn. »Du könntest doch jederzeit von hier aus auf die Straßenbahn und den Himmel sehen.«

»Ich würde dir gern die Wahrheit sagen.« Fraukes Tonfall wurde ein wenig ernster. »Aber ich glaube, dazu ist es noch zu früh.«

Julia spürte, dass sie einem weiteren Geheimnis auf der Spur war. Sie blickte Frauke lange an. Schließlich äußerte sie ihre schon länger gehegte Vermutung. »Du bist hier gefangen.«

Fraukes Stimme war auf einmal ganz ernst. »Julia, du bist ganz nah dran, aber ich bitte dich um Verständnis, dass ich noch nicht darüber reden möchte.« Sie holte tief Luft. »Ich schäme mich meiner Vergangenheit sehr.« Eine Träne rollte über ihre Wange. »Ich hatte gehofft, in dir die Schwester zu bekommen, die ich mir immer gewünscht habe. Doch wenn du jetzt weiter fragst, dann wird es sehr weh tun. Für uns beide.«

Irgendwie hatte sich eine unsichtbare Wand zwischen die beiden Liegestühle geschoben. Beide schwiegen eine Weile.

»Frauke?« Julia klang auf einmal sehr schüchtern.

»Ja?« Die Stimme klang noch sehr brummig.

»Du darfst mir nicht länger böse sein. Das war nicht so gemeint. Ich will dir gern eine Schwester sein. Und ich werde auch nicht mehr weiter fragen.« Es kostete sie sehr viel Kraft, ihre Neugier im Zaum zu halten, doch sie spürte, dass sie sonst Frauke zur Feindin haben würde. Und so viel war ihr auch jetzt schon klar, das wollte sie auf keinen Fall.

Frauke blickte ihr Gegenüber nur lange an. Es war deutlich zu sehen, dass sie noch ein wenig verstimmt war.

Julia versuchte ein schüchternes Lächeln. »Wie wäre es, wenn zur Abwechslung ich mich einmal um das Abendessen kümmere?«

»Das ist ein schöner Gedanke, aber ich hätte einen Gegenvorschlag.« Frauke richtete sich auf. »Was meinst du, wie lange wird Vorbereiten und Essen dauern?«

Die Studentin zuckte mit den Schultern. »Naja, vielleicht jeweils 10 Minuten?«

»Du möchtest doch sicher noch etwas mit dem Handschuh trainieren?« Jetzt war es an Frauke zu grinsen. »Mit etwas Gymnastik zwischendurch? Das mit dem Reißverschluss ist eine feine Sache, denn damit lässt sich der Handschuh schnell an- und ablegen.«

»Aber beim Essen werde ich ihn nicht tragen.« Julia wagte einen Blick in die Zukunft.

»Hmmm...« Fraukes grinste jetzt noch mehr. »Ich dachte mir das genau andersherum.« Sie stand auf. »Lass uns in die Küche gehen.«

Julia kam der Aufforderung nach. »Was meinst du?« Sie bemerkte, dass ihre Stimme ungewollt zitterte.

»Beim Vorbereiten wirst du Handschuh und Perle tragen.« Frauke war ein wenig angespannt, denn in diesem Moment sagte sie Julia nicht alles von dem, was sie vor hatte. »Und erst beim Essen werde ich dir die Perle abnehmen und dich füttern.«

»Eigentlich ist das ein sehr verlockender Gedanke.« In Julia arbeitete es. »Mein Rock bleibt zu. Und das Halskorsett bleibt auch angelegt.«

»Wie du meinst...« Frauke war fasziniert davon, dass Julia offensichtlich Spaß daran hatte, sich ganz selbstständig mit Restriktionen zu umgeben.

»Das werden sehr interessante und spannende zwanzig Minuten.« Julia grinste.

»Ich werde mich auch beeilen.« Frauke wusste in diesem Moment allerdings schon etwas mehr als Julia.

»Oh!« Julia glaubte, die Möglichkeiten erkannt zu haben. »Du kannst dir ruhig Zeit lassen.«

»Das könnte dir so passen«, grinste Frauke. »Wir werden uns genau an die Vorschriften halten.«

Julia gefiel diese Stimmung. »Dann könnte ich doch gleich einmal mit dem Perlennetz üben.«

»Gute Idee.« Frauke fand ebenfalls Gefallen an dieser Idee, denn es gab ihr nebenbei die Gelegenheit, etwas Bestimmtes unbemerkt von Julia vorzubereiten. »Holst du es?«

»Gern.« Julia lief mit klopfenden Herzen zur Treppe. Oben angekommen dachte sie für einen kurzen Moment daran, dass sie jetzt mit dem Rock schummeln könnte. Doch dann verwarf sie den Gedanken, denn es würde Frauke bestimmt auffallen, wenn sie zu früh mit der Perle zurück kommen würde.

Stattdessen hatte sie noch einen besseren Gedanken. Sie würde sich das Perlennetz schon in ihrem Zimmer anlegen. Den Spiegel zu benutzen empfand sie nicht als Schummelei, denn Frauke hatte ihn als erlaubtes Hilfsmittel benannt. Nur wenn kein Spiegel zur Verfügung stand, sollte sie in der Lage sein, den Sitz der Riemen mit den Händen überprüfen.



Ihr Herz klopfte laut, als sie mit angelegter Perle in die Küche zurück kam, und als sie sah, dass Frauke ihren Handschuh schon in der Hand hielt, ging ihr Atem sehr heftig. Sie blickte Frauke fragend an, und als diese anerkennend nickte, legte sie ihre Arme auf den Rücken.

»Es ist wirklich sehr einfach.« Frauke zog den Handschuh an Julias Armen empor, legte sie Riemen über ihre Brust und schloss anschließend den Reißverschluss. »Setze dich bitte hier hin.« Sie führte Julia die wenigen Schritte zu dem Stuhl, den sie dafür bereitgestellt hatte.

Frauke hatte den Tisch schon mit dem Geschirr gedeckt, jetzt ging sie zum Kühlschrank und öffnete ihn. »Was möchtest du denn essen? Wurst, Käse, Quark?« Dabei versuchte sie ein harmloses Lächeln. Innerlich hingegen war sie hoch angespannt.

Julia erstarrte auf einmal, denn erst jetzt realisierte sie ihren Gesamtzustand. Den Rock hatte sie sowieso schon ganz geschlossen, und das Halskorsett trug sie auch noch. Jetzt war sie schon so gut wie bewegungsunfähig, und reden konnte sie wegen der Perle in ihrem Mund auch nicht mehr.

Zugleich war sie doch sehr glücklich, denn sie spürte, dass Frauke sich über ihren Auftritt sehr freute. Und das wiederum ließ die Studentin sich ebenfalls freuen, vor allem als sie bemerkte, dass sie wegen des Halskorsetts nicht einmal ihren Kopf vernünftig bewegen konnte.

»Soll ich dich überraschen?« Frauke genoss den Moment von Julias 'Erwachen' sehr.

Julia versuchte ein Nicken, doch als auch das nicht gelang, versuchte sie ein Lächeln. Doch was als nächste geschah, ließ ihr für einen kurzen Moment das Blut in den Adern erstarren. Etwas Dunkles legte sich vor ihre Augen, und sie erkannte sofort, dass Frauke ihr jetzt auch noch das Sehen genommen hatte.

»Vertrau mir.« Fraukes Stimme strahlte gewisse Anspannung aus, denn sie war sich selbst auch nicht sicher, wie Julia auf diese Verwandlung reagieren würde.

Das Herz der Studentin schlug auf einmal sehr laut. Sie realisierte sehr schnell, dass sie nur noch ihre Ohren und ihre Nase übrig hatte, um zu erfahren, womit Frauke sich gerade beschäftigte.

Sie hörte das Klappern von Geschirr und das Klappern von Schranktüren. Auch die Kühlschranktür erkannte sie. Und es begann nach Käse zu riechen.

Auf einmal spürte sie, wie sich ihr Handschuh löste. »Zeit für deine Gymnastik.«

'Es ist wohl zu spät zu sagen, dass ich sie noch nicht auswendig gelernt habe', dachte Julia bei sich. Sofort machte sie die Bewegungen, die sie sich schon gemerkt hatte.


»Gut, danke.« Fraukes Stimme war leise. »Ich lege dir nun den Handschuh wieder an.«

Julia spürte die vertrauten Berührungen, und es kam ihr sogar vor, als würde Frauke sich beeilen.

»Ich werde dir jetzt die Augenbinde abnehmen, damit ich dir das Perlennetz abnehmen kann.« Frauke hatte ein Grinsen in der Stimme. »Mit der Perle im Mund ist Füttern sehr umständlich.«

Julia versuchte ein Lächeln, um zu zeigen, dass sie es verstanden hatte. Und auch, um ein wenig über den Witz zu schmunzeln.

»Ich möchte, dass du deine Augen geschlossen hältst.« Fraukes Stimme war nur eine Nuance strenger.

Julia lächelte wieder. Gleich darauf spürte sie, wie sich der Druck um ihren Kopf leicht verringerte. Und als sie spürte, dass Frauke an der Perle zog, öffnete sie ihren Kiefer etwas weiter. »Danke Frauke«, Julias Stimme klang sehr bewegt. »So etwas Schönes habe ich bisher noch nicht erlebt.«

Doch zu ihrer Überraschung legte Frauke ihr nur einen Finger auf den Mund. »Ts ts ts... Wer hat denn gesagt, dass du reden darfst?«

Gern hätte Julia in diesem Moment ihr Herz ausgeschüttet, doch sie musste sich Fraukes Willen beugen. Und letzteres war nicht nur aufregend, sondern es gefiel der Studentin auch außerordentlich gut. Sie spürte, dass Frauke ihr wieder die Augenbinde angelegt hatte. Für einen kurzen Moment verspürte sie Erleichterung, denn sie konnte sich jetzt darauf konzentrieren, kein Wort zu sagen.

Frauke hatte für sie beide je eine Scheibe Brot mit Quark und eine mit Käse vorbereitet. Und die Stücke für Julia hatte sie extra klein geschnitten, damit sie sich möglichst lange mit Julias völlig hilflosem Körper befassen konnte. Bei ein paar wenigen Stücken neckte sie sie ein wenig, in dem sie das Brot wieder zurück zog, bevor Julia zubeißen konnte.

Doch wenn Julia sich beschweren wollte, legte sie ihr nur wieder den Finger auf den Mund.

»Und nun kommt der Nachtisch.« Frauke hatte sich ganz spontan zu diesem Schritt entschlossen. Zu sehr war sie von dem hilflosen und doch so verführerischen Körper der Studentin angezogen. Trotzdem wollte sie ihr nichts aufdrängen. »Bitte lasse deinen Mund geschlossen.«

Julia hatte auf einmal eine Ahnung, was kommen würde. Und sie freute sich darauf.

Frauke beugte sich zu Julia hinüber. Sehr vorsichtig näherte sich Frauke ihrem Kopf und suchte einen kurzen Kontakt ihrer Lippen. Sie wollte Julia auf jeden Fall eine Rückzugsmöglichkeit bieten. Doch zu ihrer großen Erleichterung schien Julia auf diesen ersten Kuss geradezu gewartet zu haben. Sie drängte sich an Fraukes Lippen und gemeinsam versanken sie in der Tiefe ihres ersten Kusses.

* * *

Julia lag auf ihrem Bett und blickte in den Himmel. Den Himmel, den sie vor ihren Augen sah und in dem sie sich jetzt auf einer Wolke schweben sah.

Frauke hatte sie noch lange nach dem Kuss in ihren Armen gehalten. Langsam hatte Frauke die verschiedenen Restriktionen wieder gelöst, und gemeinsam hatten sie danach die Küche aufgeräumt.

Sie hatten beide lange geschwiegen und sich nur noch mit Blicken unterhalten. Keine von Beiden schien die Stille als Erste unterbrechen zu wollen.

Erst als nur noch die Liste auf dem Tisch lag, hatte es Julia gewagt, wieder ein Wort zu sagen. »Eigentlich ist alles erledigt.« Sie hatte dabei geradezu geflüstert.

»Ich hoffe, sie werden mit uns zufrieden sein.« Frauke hatte auf einmal etwas nachdenklich ausgesehen. »Ein Punkt wäre allerdings noch offen.«

Julia hatte noch einmal auf die Liste geblickt. »Es ist doch alles abgehakt.« Sie hatte sie in die Hand genommen und herumgedreht. »Da steht auch nichts.« Sie hatte Frauke ratlos angeblickt.

Frauke hatte gelächelt. »Du wolltest doch noch die Lackbettwäsche aufziehen.«

Julia war sofort aufgesprungen. »Warum sagst du das nicht gleich?« Sie war elektrisiert gewesen. »Lass uns gehen.«

Jetzt lag sie auf ihrem Bett und wartete auf Frauke. Die Bettwäsche hatte sie schon allein aufgezogen, zu sehr kannte sie die nötigen Handgriffe, als dass sie es für nötig gehalten hätte, auf die Dienerin zu warten.

Neben ihr lag das strenge Nachthemd, das sie gleich tragen würde. Auch den Schmetterling aus der Schublade hatte sie daneben gelegt. Doch zu dem Vibrator wollte sie Frauke noch etwas fragen, denn sie hatte trotz ihrer Intelligenz nicht heraus gefunden, wie man dieses Gerät hätte anschalten können.

Auch im Bad war sie schon gewesen, und sie hatte sich auch schon ganz ausgezogen. Es war ein sehr aufregendes Gefühl, als sie sich mit ihrer nackten Haut das erste Mal auf das Lacklaken setzte.

Jede weitere Bewegung auf dem neuen Material wurde zu einem Abenteuer, und Julia genoss jeden einzelnen Kontakt mit dem so aufregend glatten und glänzenden Material. Bis vor ein paar Tagen hatte sie überhauptnicht gewusst, das es so etwas überhaupt gab.

So ganz langsam schob sie ihre Beine unter die Bettdecke, sehr langsam, zentimeterweise.

»Mir scheint, du möchtest schummeln.« Frauke stand auf einmal vor ihrem Bett und blickte sie mit deutlich gespielter Empörung an.

Julia schreckte hoch, reflexmäßig zog sie sich die Decke über den Oberkörper. Als sie den glatten Stoff auf ihrer Haut spürte, konnte sie ein Stöhnen nicht unterdrücken.

Doch Frauke zog ihr die Bettdecke wieder weg. »Schummeln ist nicht erlaubt, mein Fräulein.« Sie griff sich das Nachthemd und hielt es hoch. »Sie wissen doch, zu was sie sich verpflichtet haben.«

»Ja, Frauke.« Julia setzte ein verlegenen Lächeln auf. »Bitte helfen sie mir mit dem Nachthemd.« Auf einmal hatte sie eine Idee. »Ich weiß immer noch nicht, wie ich es mir allein anziehen könnte.«

»Jetzt mach mal halblang.« Frauke lächelte. »Warst du schon im Bad?«

»Alles erledigt.« Sie blickte auf den Nachttisch, wo sie den Schmetterling schon bereit gelegt hatte. »Wirklich alles.« Doch dann wurde sie verlegen. »Weißt du, wie man das Ding anschaltet?« Sie konnte nicht verhindern, dass sie rot dabei wurde.

Auch Frauke war neugierig darauf, denn sie wollte Julia ebenfalls eine unvergessliche Nacht bereiten. Sie nahm sich das Gerät in die Hand und begutachtete sowohl den Schmetterling als auch den Batteriekasten, doch nirgends war ein entsprechender Schalter zu sehen. Etwas ratlos setzte sie sich auf das Bett. »Ich weiß es auch nicht, ehrlich.«

»Er kann sich doch nicht von selbst einschalten.« Julia ahnte nicht, wie nah sie an der Wahrheit dran war.

»Nein, sicherlich nicht.« Frauke seufzte. »Ich fürchte, wir müssen diese Nacht darauf verzichten.«

Wie in einem Reflex horchte Julia auf. »Hast du gerade 'wir' gesagt?«

Frauke fiel wieder ein Schatten vor das Gesicht. »Jetzt ist Schluss mit der Plauderstunde, lass dir das Nachthemd anziehen.«

Jetzt war Julia in der Lage, erste Vergleiche anzustellen, und deswegen wusste sie, dass sie in dem Nachthemd noch hilfloser sein würde als mit Handschuh, Rock und Halskorsett. Allerdings fehlte ihr mittlerweile etwas der Druck des Korsetts, das sie wegen der Bluse getragen hatte. Sie nahm Frauke das Nachthemd aus den Händen und zog es sich an den Beinen hoch. Dann blickte sie ihr Gegenüber an.

Die Dienerin fasste zu, und gleich darauf zeigte Julia das Ratschen des Reißverschlusses, dass sie nun in das Nachthemd eingesperrt war.

»Frauke?« Julia ließ einfach ihr Herz sprechen.

»Ja?« Frauke war schon wieder von Julias unschuldiger Art fasziniert.

»Magst du deiner Schwester noch einen Gute-Nacht-Kuss geben?« Sie lächelte.

Frauke beugte sich zu Julia hinunter und blickte ihr verliebt ins Gesicht. »Nur einen?« Dann lächelte sie ebenfalls, und ihre Lippen trafen sich.
118. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von Wölchen am 06.03.18 07:00

Ole Petzen.Na hoffentlich hat Julia sie da nicht in die scheiße geritten.Hoffe die beiden kommen da heil raus.

Vielen dank für einen weiteren schönen Teil.

mfg Wölchen
119. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von HeMaDo am 06.03.18 09:18

Wenn das Mal keinen Ärger gibt. Der nette Nachbar hat ja anscheinend genau darauf gewartet, daß Frauke einen Moment alleine auf der Terrasse war. Irgendwie hinterhältig.

Aber mir gehen auch viele Fragen durch den Kopf: was hat Frauke angestellt? Was ist die Bedeutung dieses Privatexperimente? Hat dieser Herr die Hegels für irgendwas eingespannt? Und und und..

Mein Kopfkino läuft auf vollen Touren.

Ich hoffe, Bälde Antworten auf diese Fragen zu bekommen.

HeMaDo

120. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von Wölchen am 07.03.18 21:06

Welche Frage mir noch einfällt.

Wenn Frauke wegen Julias Entscheidung,nach Teile erhält.Was bedeuted es für ihr Verhältniss.Wird Frauke es ihr nach tragen,das sie sie erpreßt hat?Und was ist mit Julia?Wird sie es sich verzeihen können,das durch ihr Handeln Frauke Nachteile bekommt.

Oder können sie es denn Herrn Buchelberger erklähren und beobachted sie nur weiterhin.

Die Nachbarin hat woll ihre Freude daran und ergötzt sich daran,das sie sie erwischt haben und anzeigen können.Sonst hätte sie es ja auch mit den HEgels abklähren können.

»Sie ist draußen.« Sie keuchte. »Allein, ganz allein.« Sie holte tief Luft. »Mein Mann hat Beweisfotos gemacht.«


Sie keuchte. sagte ja woll alles.
121. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von *Gozar* am 09.03.18 18:25

Hallo ihr alle
hallo gag

Wie wäre es wenn Frauke dadurch das sie gegen ihre Bewährungsauflagen verstoßen hat, vor die Wahl gestellt wird, entweder ins Gefängnis zu kommen oder ihre Ausbildung zum Engel wieder aufzunehmen. Mit der Hilfe und Motivation von Julia schaffen dann beide die Prüfung und kommen danach gemeinsam in die strengen Hände von Hegel's wo sie gemeinsam als Hausdienerinnen und Bondagetten glücklich sind.
Vielleicht wird Julia die Meträsse von
Herr Prof Dr Hegel und Frauke die Zofe und Gespielin von Frau Hegel.
Gruß Gozar
122. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von gag_coll am 10.03.18 21:56

Zitat
Vielleicht wird Julia die Meträsse von Herr Prof Dr Hegel und Frauke die Zofe und Gespielin von Frau Hegel.
Also das sicher nicht
123. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von *Gozar* am 10.03.18 22:29

Nee bestimmt nicht aber der Gedanke hat was!


Gruß Gozar
124. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von Rainman am 11.03.18 01:19

Hallo gag_coll.

Tolle Weiterführung deiner Geschichte.
Hat mal wieder richtig Spaß gemacht zu lesen.

LG Rainman
125. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von gag_coll am 11.03.18 14:18

Zitat
Nee bestimmt nicht aber der Gedanke hat was!
Hallo Gozar,
genau genommen habe ich mich nur an dem Wort 'Mätresse' gestoßen. Wenn du gesagt hättest, dass die beiden zusammen als zwei Bondagetten im Hause Hegel leben (und ihre Gasteltern mit dem Anblick der Fesseln erfreuen), dann wäre das voll auf meiner Linie...
Viele Grüße
gag_coll
126. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von *Gozar* am 11.03.18 20:40

Hallo gag_coll

Ich wusste doch das Du ein kleiner Genießer bist!



Gruß Gozar
127. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von N0V0 am 13.03.18 18:19

Besten Dank für den neuen Teil, das macht ja süchtig
128. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von christoph am 20.03.18 08:09

Wann geht es weiter, glaube es sind sicher Tausende die auf eine Fortsetzung Deiner Geschichte warten.
Gruß christoph
129. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von N0V0 am 20.03.18 18:24

Hi gag-coll, lass dir Zeit und mach dir keinen Stress. Wir warten alle gerne. Gut Ding braucht halt Zeit.

Ich finde die Story supertoll wie sie ist, von mir nur lob.

Ich wünsche dir noch einen schönen Abend.

Mfg
130. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 6 - Familie Vogel - Teil Eins von Neun

geschrieben von gag_coll am 24.04.18 05:38

Der Mantel der Studentin
Kapitel 6 - Familie Vogel - Teil Eins von Neun
Autor: Karl Kollar

'Bitte decken sie heute den Frühstückstisch für vier Personen!' Das kleine Schild auf dem Tisch im Esszimmer fiel Frauke sofort ins Auge. Sie hatte sich wie jeden Sonntag den Wecker gestellt, denn Hegels waren eifrige Kirchgänger, und sie hatte die selbst gewählte Aufgabe, sich um das Frühstück zu kümmern.

Eigentlich mochte sie den Sonntag sehr gern, denn während der knapp zwei Stunden war sie ganz sicher allein im Haus. Hegels hatten den Gottesdienst noch nie versäumt, und die Köchin kam erst ins Haus, wenn das Ehepaar wieder von der Kirche zurück war.

Es sei denn, Hegels entschlossen sich zu einem Essen im Restaurant, was gelegentlich auch vor kam. Dann hatte sie sogar um die vier Stunden, die sie dann das Haus für sich allein hatte. Und sie genoss es. Diese Zeit nutzte sie oft, um das kleine Dachrondell zu besuchen. Sie brauchte zwar fast zwanzig Minuten, um sich an der Leiter hinauf zu ziehen, doch die Aussicht, die sich ihr bot, war es wirklich jedes Mal wert, die Mühsal auf sich zu nehmen. Ansonsten verbrachte sie die Zeit fast immer in Julias Zimmer und genoss von dort den Blick auf die Straßenbahnen.

Doch heute fragte sie sich, für wen das vierte Gedeck sein würde. Um diese Uhrzeit war Besuch gänzlich unüblich.

Wie immer kümmerte sie sich als erstes um den Kaffee. Während sie danach das Geschirr verteilte, dachte sie darüber nach, wie schön es gestern Abend am Bett von Julia gewesen war. Ihre Finger waren immer wieder über Julias wehrlosen Körper geglitten und hatten das ansonsten hilflose Mädchen von Höhepunkt zu Höhepunkt geführt. Es waren zwar nur drei Orgasmen gewesen, die sie Julia spendiert hatte, doch durch die Küsse zwischendurch war es ihr trotzdem als mehr vorgekommen.

»Guten Morgen, Frau Wiesl.« Herr Hegel kam zusammen mit seiner Frau in das Esszimmer. »Wir wollten sie gestern Abend nicht mehr wecken.«

Frauke erwiderte den Gruß. »Wie war die Hochzeit?«

»Die Hochzeit eines Oberengels ist immer etwas Besonderes.« Frau Hegel begann mit schwärmerischer Stimme zu erzählen. »Schon vor der Kirche ging es los.«

»Entschuldigt bitte, aber könnt ihr das später besprechen?« Herr Hegel intervenierte. »Jetzt sind doch erst einmal andere Sachen wichtig.«

»Ja, natürlich.« Frauke lächelte ein wenig verlegen, dann fragte sie nach den Prioritäten für den heutigen Tag. Spätestens seit dem letztem Abend wusste sie, dass sie auf ihre neue kleine Schwester aufpassen wollte. Es war ihr bewusst, welches Schicksal auf Julia wartete, und heute würde sie einen wichtigen Schritt in die Richtung dazu machen. Sie hatte sich vorgenommen, Julia bestmöglich darauf vorzubereiten.

»Sie werden uns in die Kirche begleiten.« Frau Hegel wusste von Fraukes Vorbehalten, doch diese wollte sie heute nicht gelten lassen.

»Aber...« Frauke zögerte deutlich sichtbar. »Aber ich...«

»Haben sie ein Problem damit?« Herr Hegel mischte sie ein.

»Es ist nur...« Es fiel Frauke schwer, weiter zu sprechen.

»Ja?« Es war nur ein Wort, aber der Ton, in dem Herr Hegel es ausgesprochen hatte, ließ in Frauke jeglichen Widerstand zusammenbrechen.

Trotzdem zögerte die Dienerin noch einen Moment. »Nein, es ist alles in Ordnung.« Sie holte tief Luft. »Ich werde es machen.«

»Danach werden wir noch zusammen Essen gehen.« Frau Hegel blickte Frauke bestimmt an. » Sie werden uns auch dorthin begleiten und mit uns essen.«

»Sehr wohl, Frau Hegel.« Fraukes Stimme zitterte, als sie antwortete, weil sie es hasste, wenn sie von all den Leuten angestarrt wurde. Doch dann wurde sie sich wieder ihrer Rolle und ihrer Aufgaben bewusst. »Sie wollen sicherlich wissen, wie es gestern mit Julia gelaufen ist.« Sie berichtete von dem sehr harmonischen Verlaufs des Samstags, lediglich die Zeit auf der Terrasse ließ sie aus. Und das Erkunden der Geheimgänge erwähnte sie ebenfalls nicht. »Wir haben die Liste komplett abgearbeitet.« Nach einer kurzen Pause fügte sie hinzu, dass Julia die Nacht geradezu begeistert im Lackbett verbracht hätte.

»Das ist sehr gut.« Frau Hegel machte einen sehr zufriedenen Eindruck. »Das wird uns für später sehr nützlich sein.«

»Jetzt sollten sie unseren Engel wecken.« Herr Hegel ging zur Kaffeemaschine und schenkte sich eine Tasse Kaffee ein. »Ich warte solange.«


Auf dem Weg zu Julias Zimmer musste Frauke immer wieder an den vergangenen Abend denken, an dem sie das so unschuldige und hilflose Mädchen in den siebten Himmel führen und dort begleiten durfte. Ihr selbst war diese Art der Erlösung schon länger unmöglich gemacht worden, doch ihrer 'kleinen Schwester' wollte sie dieses Vergnügen auf jeden Fall gönnen.

»Gehen sie erst einmal allein hinein.« Frau Hegel blieb vor der Tür stehen. »Ich komme dann nach.«

Frauke verzichtete darauf, nach dem Warum zu fragen. Sie betrat den Raum und ging leise zu Julias Bett. Sie schien noch fest zu schlafen. Die Dienerin beugte sich zu ihr hinunter und streichelte ihr zärtlich durch das Gesicht. »Julia, aufstehen!«

»Wie spät ist es denn?« Julia hatte die Augen noch halb geschlossen.

Frauke nannte die Uhrzeit.

»So früh am Sonntag weckst du mich?« Die Studentin klang noch sehr verschlafen.

Frauke stand neben dem Bett und lächelte etwas verlegen.

So nach und nach wurde Julia wach. »Es gibt also einen Grund für das frühe Aufstehen?«

Frauke räusperte sich. »Hegels werden heute einen Gottesdienst besuchen, und sie wollen uns mitnehmen.«

»Ach ja, die Kirche.« Julia versuchte sich aufzurichten. »Warum sagst du das nicht gleich?« Doch dann bemerkte sie die Riemen, mit denen sie noch an das Bett fixiert war. »Machst du mich bitte los?«

»Aber gern.« Frauke wusste, dass Frau Hegel fast in Hörweite stand. »Ich frage mich, ob es wirklich nötig ist, dich so festzuschnallen. Du bewegst dich doch ohnehin kaum.«

»Mich stört es nicht.« Julia lächelte verlegen. »Wie lange bist du gestern noch bei mir geblieben?«

»Ich bin erst gegangen, als du schon fest geschlafen hast.« Frauke blickte unwillkürlich zum Fenster.

Julia folgte dem Blick und lächelte kurz, doch dann wurde sie ernster. »Warum bist du nicht geblieben? Es ist doch genug Platz.«

»Das darf ich nicht.« Frauke seufzte innerlich. Wie gern wäre sie schon jetzt diesem Wunsch nachgekommen. »Ich muss in meinem Zimmer schlafen.«

»Warum?« Julia wartete, bis die Riemen alle geöffnet waren, dann schwang sie sich aus dem Bett und blickte abwechselnd auf ihr Nachthemd und auf Frauke.

»Das würdest du jetzt nicht verstehen.« Frauke kniete sich vor Julia nieder und öffnete ihr das Nachthemd. »Ich werde es dir später einmal erklären.«

»Na dann...« Julia wartete, bis die Dienerin ihre Arme befreit hatte, dann sprang sie auf und rannte ins Bad.


Als sie wieder in ihr Zimmer kam, hörte sie als erstes eine andere Stimme.

»Ich wollte mich erkundigen, wie sie mit der Lack-Bettwäsche zurechtgekommen sind?« Frau Hegel stand neben Frauke am Fenster und blickte hinaus. Sie drehte sich erst um, als sie ihre Frage ausgesprochen hatte.

»Es war wundervoll.« Julia musste einen Moment überlegen. »Ich weiß gar nicht mehr, was real war und was ich geträumt habe.« Ihre Stimme zeigte, wie sehr sie von der Nacht beeindruckt war.

»Das ist schön zu hören.« Frau Hegel verließ ihren Platz am Fenster und ging zu Julias drittem Schrank. Sie öffnete ihn, griff hinein und holte die Uniform der Engel heraus. Dann ging sie zum Bett und reichte sie Julia.

Julia schluckte. »Was soll denn das?« Sie blickte auf die Bluse wie sprichwörtlich das Kaninchen auf die Schlange.

Frau Hegel gab sich verwundert. »Ich dachte, sie haben sich mit der Uniform vertraut gemacht?« Sie blickte vor allem Frauke an und runzelte die Stirn.

Julia erkannte ihren Fehler sofort. »Ja, das haben wir gemacht.« Sie wollte nicht, dass Frauke für etwas kritisiert wurde, an dem sie gar nicht schuld war. »Mir war nur nicht bewusst, dass es schon so schnell Ernst werden würde.«

»Sie haben Recht, Julia. Wir sind ein wenig unfair.« Sie setzte sich auf das Bett und bat Julia, näher zu treten. »Wir würden uns sehr freuen, wenn sie uns heute in die Kirche begleiten würden.«

»In der Uniform der Engel?« Julia sprach ihre Gedanken aus, auch in der Hoffnung, vielleicht noch etwas mehr Informationen über diese besondere Kleidung zu bekommen. »Mit diesen komischen Handschuhen?«

»Genau, mit den Kirchenhandschuhen«, korrigierte Frau Hegel.

»Ja, natürlich.« Julia zitterte am ganzen Körper. Schließlich rang sie sich zu einer Antwort durch. »Ich habe ein wenig Angst vor dem Unbekannten.« Irgendwie spürte sie, dass sie ihre Bedenken äußern durfte.

»Das verstehe ich sehr gut.« Frau Hegel streichelte ihr zärtlich über den Kopf. »Frauke wird die ganze Zeit an ihrer Seite sein.« Sie drehte sich kurz zum Fenster, wo die Dienerin immer noch stand und nach draußen blickte. »Nicht wahr, Frau Wiesl?«

Frauke musste schlucken, bevor sie eine Antwort geben konnte. »Ja, natürlich, Frau Hegel.« Es fiel ihr schwer zu antworten, denn sie wusste, was es in der Folge für sie bedeuten sollte. Sie würde sich in der Kirche nicht in eine der letzten Reihen setzen können, wie sie es sonst bei ähnlichen Gelegenheiten tat. Stattdessen würde sie in der Nähe von Hegels sitzen müssen, in der dritten oder vierten Reise, wo sie jeder sehen konnte. Doch warum sollte Julia sich jetzt schon umziehen? Frauke fand es insgeheim nicht gut, dass ihre 'Schwester' schon so früh am Morgen gequält wurde. Sie beschloss, einzugreifen. »Warum soll Julia denn jetzt schon die Uniform tragen? Sie wollen doch schließlich noch frühstücken?«

»Ach, gut dass sie mich daran erinnern.« Frau Hegel lächelte verlegen. »Ich habe es ihnen beiden noch nicht gesagt. Wir werden gleich nach dem Gottesdienst ins Goldene Lamm fahren und dort zu Mittag essen.«

Frauke und Julia blickten sich an. Keine von ihnen beiden sagte etwas.

»Frauke, es ist wichtig, dass sie Julia vorher schon einmal beim Essen beobachten können, auch um festzustellen, wo sie noch Schwierigkeiten mit der Uniform hat« Sie blickte die Dienerin eindringlich an. » Sie werden ihr dann bitte unauffällig helfen.«

Julia und Frauke blickten sich erneut an. Beide waren überrumpelt von dieser Nachricht.

»Aber ich bin in der Bluse gefangen«, keuchte Julia. »Ich kann nur die Unterarme bewegen.«

»Das wissen wir.« Frau Hegel strich sich durch die Haare. »Genau deswegen machen wir jetzt beim Frühstück auch die Probe, ob sie es schaffen, mit der Bluse würdevoll zu essen. Schließlich möchten wir uns im Goldenen Lamm nicht blamieren.«

So langsam begannen Julia und Frauke die ganze Tragweite der Mitteilung zu erkennen.

»Sie haben sich ja gestern mit der Bluse und dem Rock vertraut machen können.« Frau Hegel erinnerte daran, dass sie diesen Punkt auf der Liste als erledigt abgehakt hatten. »Ich würde mich sehr freuen, wenn sie auch diesen Platz von Carolin einnehmen könnten.«

Ohne dass sie es steuern konnte, begann Julia zu stöhnen. »Ich hatte mir das doch etwas anders vorgestellt.«

»Natürlich haben wir vollstes Verständnis, wenn sie nein sagen.« Die Vermieterin holte tief Luft. »Aber ich denke, sie wollen mich und vor allem meinen Mann nicht enttäuschen. Wir würden dann sicherheitshalber noch etwas zum Umziehen mitnehmen, denn in der Kirche werden sie die Uniform sicher trotzdem tragen können, oder?«

Julia begriff, dass sie die Flucht nach vorn ergreifen musste. Sie blickte noch einmal kurz zu Frauke, dann drehte sie sich wieder zu ihrer Vermieterin und räusperte sich. »Frau Hegel, ich werde versuchen, Carolins Weg vollständig zu gehen.«

»Das freut mich sehr.« Frau Hegel erkannte, dass sie und ihr Mann auf ganzer Linie gewonnen hatten. Sie beschloss, gleich nachzufassen. »Wie sind sie gestern mit dem Korsett zurecht gekommen?«

»Ganz gut.« Julia wusste nichts Besseres zu sagen. Schließlich hatte sie überhaupt keine vergleichbaren Erfahrungen. Sie senkte ein wenig den Kopf.

»Zwei Zentimeter haben noch gefehlt«, ergänzte Frauke. »Und ich glaube, es hat dir gar keine Probleme bereitet.«

»Das ist ein sehr guter Wert.« Frau Hegel war sichtlich zufrieden. »Und die zwei Zentimeter schaffen sie bestimmt auch noch.«

Julia hob etwas zweifelnd den Kopf.

»Sie können das Korsett ja auch tragen, wenn sie in der Uni sind.« Frau Hegel lächelte. »Was sie darunter tragen, sieht ja keiner.«

»Ja, das stimmt.« Julias Augen begannen zu leuchten. Sie wandte sich an Frauke. »Du wirst mich einschnüren. Jeden Tag einen halben Zentimeter mehr.« Sie strahlte über das ganze Gesicht.

Doch dann glitt kurz ein Schatten über ihr Gesicht, denn sie fragte sich, warum es wohl wichtig war, dass sie das Korsett ganz schließen konnte. Für die Bluse war es nicht notwendig. Aber sie hütete sich, danach zu fragen, denn es war ihr klar, dass sie von der Zukunft im Moment noch nicht so viel wissen wollte. Jetzt galt es erst einmal, Hegels im Gottesdienst und beim nachfolgenden Essen keine Schande zu machen. Denn soviel hatte sie schon begriffen - die Uniform, die sie trug, war nur für Eingeweihte als eine solche zu erkennen.


Gleich nach dem Frauke ihr die Bluse geschlossen hatte, sah Julia, dass Frau Hegel einen Schlüssel in der Hand hatte, und sie erkannte ihn als den Schlüssel, der mit 'Bluse' beschriftet war. Mit einer Gänsehaut sah sie, dass Frau Hegel ihr den Reißverschluss der Bluse verschloss und sie damit quasi endgültig in der Kleidung einsperrte. Danach hängte sie den Schlüssel wieder in den Kleiderschrank und wandte sich an Frauke. »Sie holen ihn nach dem Frühstück, falls wir ihn brauchen.«

Julia schluckte, als sie die ganze Tragweite des Geschehens erkannte. Sie war in der Bluse gefangen und nicht mehr in der Lage, sie selbst auszuziehen. Selbst wenn die Ärmel es ihr erlauben würden, an den Reißverschluss hinzureichen, wäre sie doch nicht in der Lage ihn zu öffnen, weil er soeben verschlossen wurde.

Dass ihr Rock gleich darauf ebenso verschlossen wurde, nahm sie schon fast nicht mehr wahr. Irgendwie schien es einfach dazu zugehören. Immerhin erlaubte der Rock der Engel ihr wesentlich mehr Beinfreiheit, als sie in Carolins sonstigen Röcken hatte.

»Nun, dann können wir ja zum Frühstück gehen.« Auch die Stimme von Frau Hegel klang jetzt etwas angespannt.

Julia schluckte erneut. Die Pflichten begannen also sofort. Sie hatte eigentlich auf einen ganz entspannten Sonntag gehofft, doch jetzt lief es offensichtlich ganz anders.

* * *

Patricia Vogel betrat traurig ihr Zimmer. Ihr Blick fiel sofort auf die Uniform der Engel, die schon bereit zum Anziehen an ihrem Kleiderschrank hing. Gerade hatte sie sich von ihrem Freund Peter Behrens verabschiedet, sie waren eben im Streit auseinander gegangen.

Peter hatte schon wiederholt von ihr verlangt, dass sie mit diesen albernen Ritualen aufhören und sich stattdessen ihm ganz hingeben solle. Doch sie wehrte sich dagegen, traute sich jedoch nicht, ihm die ganze Wahrheit zu sagen.

»Na, ist er weg?« Ihre Mutter Martha Vogel betrat ihr Zimmer. »Ich habe Heinrich so lange abgelenkt.«

»Ja, er ist gegangen.« Patricia seufzte tief.

»Ihr habt immer noch nicht darüber gesprochen?« Frau Vogel sprach ihre Vermutung aus. »Wann wirst du es ihm endlich sagen?«

»Was meinst du?« Patricia blickte auf. »Soll ich Vater von Peter berichten oder Peter von den Engeln?«

»Du hast es ihm auch noch nicht gesagt?« Frau Vogel war erstaunt. »Weiß er, dass du den Keuschheitsgürtel tragen musst?«

»Das weiß er.« Sie seufzte erneut. »Aber da ich im Moment noch über den Schlüssel verfüge, nimmt er es mit Humor.« Sie holte tief Luft. »Zwei Mal hat er mich auch schon mit der Fernbedienung verwöhnt.« Sie wurde ein wenig rot dabei. »Ich habe mich danach bei ihm revanchiert.«

»Das will ich gar nicht wissen.« Die Mutter lächelte. »Und in zwei Wochen? Was wird dann sein?«

»Ich weiß es nicht. Es ist alles so aussichtslos.« Patricia begann zu weinen. »Vater wird ihn nie akzeptieren. Und ich will ein Engel werden, aber das wird er auch nicht akzeptieren.«

Die Mutter seufzte jetzt auch. »Ich habe Heinrich schon mehrmals darauf angesprochen, aber er will mit der Familie Behrens überhaupt nichts zu tun haben.« Sie holte tief Luft, denn sie wusste, dass sie etwas Wichtiges fragen musste. »Wird er dich noch lieben, wenn sie dich verschlossen haben?«

»Das hoffe ich doch.« Die Tochter blickte auf. »Es würde mir sonst das Herz brechen.«

»Übrigens, Elisabeth hat heute angerufen.« Sie berichtete von dem Anruf von Frau Hegel. »Sie bringen ihren Engel mit, und ich soll dich darauf vorbereiten.«

»Was?« Patricia war verwundert. »Ich dachte, sie haben keine Tochter.«

»Es ist auch nicht ihre Tochter.« Die Mutter holte tief Luft. »Es muss keine Tochter sein, so steht es in der Satzung. Sie muss nur bereit sein, sich dem Bund auszuliefern.« Sie streichelte die Hand ihrer Tochter. »So wie du es bist.«

»Das war ich, bevor ich ihn kennen lernte.« Sie seufzte. »Jetzt ist es anders.«

»Was meint er dazu?« Frau Vogel streichelte ihrer Tochter über den Kopf. »Du wärst ja bei weitem nicht der einzige Engel, der schon vergeben wäre.«

»Ich weiß. Aber er hält gar nichts davon.« Sie seufzte wieder. »Hoffentlich ist es nicht so eine Schnepfe wie diese Tara. Die hält sich echt für den geborenen Oberengel.«

Die Mutter verdrehte ebenfalls die Augen. Tara Wintrop war ebenfalls eine Anwärterin auf die Engel und war schon mehrfach durch seltsame Aktionen aufgefallen. »Ich kenne Hegels Engel zwar noch nicht, aber ich weiß, dass es eine seiner Studentinnen ist.«

»Aber verwandt ist sie mit Hegels nicht?« Patricia wischte sich die Augen aus.

»Soweit ich weiß, nicht.« Sie reichte ihrer Tochter ein Taschentuch. »Aber das muss sie ja auch nicht sein für einen Engel.«

»Ich weiß, das sagtest du schon.« Sie nahm das Taschentuch dankbar entgegen.

»Du hast ihm schon alles von deiner Unterwäsche gezeigt?« Die Mutter strich ihr über die Wange.

»Ja, aber ich habe ihm noch nicht gesagt, dass ich den Schlüssel abgeben muss.« Wieder kam ein großer Seufzer von Patricia. »Er wird mich verlassen, ganz sicher.«

»Was macht dein Haltungstraining?« Die Mutter versuchte eine Ablenkung.

»Mach dir keine Sorgen.« Die Tochter hob ihren Kopf. »Sobald ich das Korsett spüre, rasten meine Muskeln quasi ein. Ich muss dann einfach richtig dastehen.« Sie lächelte ihre Mutter an. »Ohne High Heels wäre es allerdings wesentlich schwerer.«

»Ich weiß, mein Schatz, ich weiß.« Die Mutter seufzte. »Aber es zeichnet einen guten Engel aus.«

»Warum musste ich auch ausgerechnet ihm über den Weg laufen?« Sie begann wieder zu weinen. »Es ist so ungerecht.« Sie stampfte mit dem Fuß auf.

Es klopfte an der Tür, und gleich darauf trat Herr Vogel ein. Dass seine Tochter gerade weinte, schien ihn nicht zu interessieren. »Noch zwei Wochen, und dann wird mein Traum war. Meine Tochter wird ein Engel.«

Patricia blickte auf. »Ich beginne die Ausbildung.« Sie klang empört. »Ob ich ein Engel werde, steht bei weitem noch nicht fest.«

»Aber aber, mein Schatz, du wirst mich doch nicht enttäuschen.« Er holte tief Luft. »Herr Behrens würde bestimmt vor Neid zerplatzen, wenn er wüsste, was wir schaffen werden.«

»Ja, bestimmt.« Wieder floss eine Träne über Patricias Wange.

Mit dem Vater von Patricias Freund verband ihn schon seit Jahren eine gut gepflegte Feindschaft. Eigentlich würde einer Verbindung der beiden Familien durch eine Heirat nichts im Wege stehen, doch die beiden väterlichen Sturköpfe konnten sich nicht dazu durchringen, ihren Kindern jeweils den Segen zu geben. Irgendwie schienen sie es beide als persönliche Niederlage zu betrachten. Deswegen hatten sie ihren Kindern jeden Kontakt zueinander verboten. »Sein Sohn wird nachher vermutlich auch in der Kirche sein. Wehe, du setzt dich auch nur in die Nähe von ihm.«

Frau Vogel informierte ihren Mann über Julia und dass eine Nähe von ihr und Patricia mehr als gewünscht wäre. »Immerhin werden die beiden eines der Paare bilden. Und nur, wenn sie gut zusammenhalten, haben sie überhaupt eine Chance.«

»Na, dann muss ich mir ja keine Sorgen machen.« Er streichelte seiner Tochter über den Kopf. »Und du wirst sicher alles geben, da bin ich mir ganz sicher.«

Patricia hatte so viel auf den Lippen liegen, doch sie brachte es einfach nicht über das Herz, ihre Worte auszusprechen. Sie wusste, dass sie damit ihrem Vater das Herz breche würde, denn das hätte ihre Botschaft bewirkt. Sie schluckte alle ihre Worte ungesagt hinunter und nickte nur.
131. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von christoph am 24.04.18 18:55

Wieder eine Geile Fortsetzung.
Gruß christoph
132. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von HeMaDo am 24.04.18 20:01

Schön daß es hier wieder weiter geht.

Aber ich frage mich ja immer mehr, was für eine Glaubensgemeinschaft ist, die von den Engeln einerseits Keuschhaltung erwartet oder gar verlangt, andererseits aber (so wie ich es verstanden habe) damit zu rechnen ist, daß die Spielereien in den Keuschheitsgürteln für Höhepunkte in der Öffentlichkeit sorgen sollen.

Wie immer klasse geschrieben. Man bekommt Lust auf mehr, also bitte schnell weiter so.

HeMaDo
133. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von fiasko am 24.04.18 21:35

Von 'Frühstückstisch' bis 'Knopf' wieder ein tolles Kapitel.





134. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 6 - Familie Vogel - Teil Zwei von Neun

geschrieben von gag_coll am 27.04.18 07:48

Der Mantel der Studentin
Kapitel 6 - Familie Vogel - Teil Zwei von Neun
Autor: Karl Kollar

Julia und Frauke waren auf dem Weg ins Esszimmer. Vorher hatten sie sich noch die Umhänge angeschaut, die zur Uniform gehörten. Es galt, für Julia die passende Größe zu finden. Die Studentin hatte es sich nicht nehmen lassen, sich mit dem Umhang im Spiegel zu betrachten. Ihr Anblick erinnerte sie an Sherlock Holmes, so wie er immer dargestellt wurde. Auf einmal hörten sie Frau Hegel fluchen.

»Was ist denn passiert?« Frauke klang recht besorgt, als sie das Esszimmer betrat. Sie hoffte, beim Tischdecken keinen groben Fehler gemacht zu haben.

»Ach, eigentlich nur eine Kleinigkeit.« Frau Hegel blickte verlegen auf den großen Fleck mitten auf der Tischfläche. »Ich habe das Milchkännchen umgeworfen.« Es war ihrer Stimme anzuhören, dass sie ihr Missgeschick bedauerte.

»Oh je.« Frauke wusste nicht so recht, was sie antworten sollte.

»Helfen sie mir schnell, eine neue Tischdecke aufzulegen?« Frau Hegel war zur Kommode gegangen und hatte schon eine neue Decke herausgenommen.

»Aber gern.« Frauke begann, das Geschirr zusammenzustellen.

»Julia, könnten sie schon einmal den Kaffee aus der Küche holen? Ich habe schon alles bereit gestellt, sie müssen ihn nur noch umschütten.« Frau Hegel schlug die Decke auseinander. »Frauke wird mir hier helfen.«

»Aber gern.« Julia wollte ihrer Vermieterin helfen, das Missgeschick zu vertuschen. Dass alles nur inszeniert war, um sie abzulenken, erkannte sie nicht. Dafür war sie viel zu aufgeregt.


Erst als sie in der Küche war, fiel Julia auf, dass sie ja eigentlich die Bluse mit den festgenähten Ärmeln trug. Doch sie wollte sich nicht die Blöße geben, deswegen den Auftrag abzulehnen. Sie blickte sich um und sah die Glaskanne in der Kaffeemaschine stehen. Daneben stand die schmucke Kaffeekanne aus weißem geblümtem Porzellan.

Julia schaute sich kurz die Porzellankanne an und erkannte, dass diese mit heißem Wasser gefüllt war - sicherlich um sie damit auf Temperatur zu bringen. Sie musste also das heiße Wasser ausgießen und dann den Kaffee aus der Glaskanne umfüllen. Das wäre nicht der Rede wert gewesen, wenn sie nicht diese besondere Bluse würde, die ihr einen Großteil ihres Bewegungsfreiraum weg nahm. Andererseits war ihr auch versichert worden, dass die Bluse aus einem sehr robusten Stoff gemacht war und auf keinen Fall reißen würde, selbst wenn sie sie heftig belasten würde.

Julia entschied sich dazu, einmal eine Trockenübung zu machen. Es kam ihr zwar etwas lächerlich vor, doch sie wollte vermeiden, dass sie erst beim Umfüllen feststellte, dass sie die Kanne gar nicht halten konnte und sich der frisch gebrühte und lecker duftende Kaffee auf dem Fußboden wiederfand. Außerdem hoffte sie, gleichzeitig ein sehr gutes Gefühl dafür zu bekommen, wie viel Freiraum ihr die Bluse bei ihren Bewegungen noch lassen würde.

Und zu ihrer eigenen Überraschung kam sie damit sehr gut zurecht. Nur manchmal brauchte es eine Handbewegung mehr.


Fast stolz trug sie die Kanne ins Esszimmer, wo Frauke und Frau Hegel dabei waren, den Tisch wieder zu decken.

Erst jetzt realisierte sie, dass der Tisch für vier Personen gedeckt war. Sie blickte Frauke kurz an, doch die Dienerin war zu abgelenkt, um den Blick zu bemerken.

Es störte sie überhaupt nicht, dass sie von Hegels mehr und mehr als Tochter behandelt wurde. Im Gegenteil, sie empfand eine Geborgenheit, die sie sonst nur aus ihrer frühen Kindheit kannte.


Herr Hegel kam ins Esszimmer und ließ seinen Blick über den Tisch gleiten, erst dann setzte er sich auf seinen Platz. »Ich freue mich sehr, dass sie sich zu diesem kleinen Test entschlossen haben.«

Julia zuckte nur mit den Achseln und lächelte ihren Professor bescheiden an. Sie verzichtete darauf zu erwähnen, dass sie gefühlt keine Wahl hatte.

»Trauen sie sich ruhig, die Ärmel zu belasten.« Herr Hegel lächelte ihr aufmunternd zu. »Der Stoff wird nicht reißen oder Ähnliches. Sie können sich in der Bluse ganz sicher fühlen.«

Julia lächelte verlegen. Eine Antwort darauf wusste sie nicht, dafür war sie viel zu sehr von der Situation gefangen.

»Im Restaurant werden sie es bestimmt noch etwas einfacher haben, aber Brötchen mit Messer und Gabel zu essen, ist einfach unsinnig.« Frau Hegels Miene zeigte, dass sie ebenfalls sehr stolz zu sein schien.

Julia wurde mit jeder einzelnen Bewegung sicherer. Sie bestrich sich ihr Brötchen wie immer, und sie hatte auch nur wenig Schwierigkeiten, davon wie sonst auch abzubeißen. Schließlich verkündete sie mit stolzer Stimme, dass Hegels nichts zum Umziehen mitnehmen müssten.

»Packen sie trotzdem etwas ein.« Herr Hegel hatte sich an Frauke gewandt. »Man weiß ja nie.«

Julia wollte den Mund aufmachen, um zu widersprechen, doch Fraukes warnender Blick bewirkte, dass sie ihre Antwort ungesagt hinunterschluckte. Sie ärgerte sich ein wenig über das mangelnde Vertrauen ihres Professors, doch sie beschloss es sportlich zu nehmen. Sie würde ihnen keinen Anlass bieten, sich umziehen zu müssen, und ihr Ehrgeiz war gleich doppelt angestachelt. Dadurch, dass sie von dem bequemen Ausstieg für sie wusste, war sie mehr als bemüht, ihn auf keinen Fall in Anspruch zu nehmen.

Außerdem machte es ihr insgeheim Spaß, auf diese Weise im Mittelpunkt zu stehen. Und sie war sehr gespannt auf die andere Uniformträgerin, die Frauke ihr gestern angekündigt hatte.

»Eigentlich ist es schade, dass sie heute die Uniform tragen.« Herr Hegel lächelte seltsam hintergründig. »Ich hätte sie auch gern in Carolins Lieblingskleidung für das Wochenende gesehen.« Er seufzte. »Aber da der Tag gestern ausgefallen ist, müssen wir das verschieben.«

»Ich denke, wir müssen uns da keine Sorgen machen«, ergänzte seine Frau. »Ich bin mir sicher, dass es ihnen gefallen wird.«

Julia realisierte erst nach einem Moment, dass er die Lackkleidung meinte. Sie blickte kurz etwas unsicher zu Frauke. »Ich habe gestern bis auf die Uniform nur Lack getragen.« Dies brachte ihr immerhin einen anerkennenden Blick von Herrn Hegel ein.

»Falls ihnen das Extra-Umziehen keine Mühe macht, können sie ja morgen so gekleidet zum Frühstück kommen.« Er lächelte Julia an.

»Lust hätte ich schon.« Julia lächelte verlegen.

»Es gäbe noch etwas, was wir endlich besprechen sollten.« Herr Hegel richtete sich auf. »Wenn sie das strenge Nachthemd tragen, können sie die Alarmklingel ja gar nicht bedienen.«

Julia lächelte verlegen. »Das ist mir noch gar nicht aufgefallen.«

»Wir hatten Angst, dass sie eventuell aus dem Bett herausfallen würden.« Er hoffte insgeheim, dass Julia die Dünne des Eises nicht bemerken würde. »Ich denke, wir müssen sie nicht festschnallen, denn sie scheinen einen sehr ruhigen Schlaf zu haben.«

Julia erkannte, dass ihr wieder ein großes Stück Vertrauen mehr entgegengebracht wurde. »Für Notfälle kann ich ja aus dem Zimmer hopsen.«

»Würden sie sich das wirklich zutrauen?« Frau Hegel schien in diesem Moment ernsthaft besorgt. »Wir möchten nicht, dass sie sich verletzen.«

»Ich kann es ja etwas üben.« Julia lächelte etwas unsicher.

»Nehmen sie sich bitte nicht zu viel vor.« Herrn Hegels Stimme klang ernst.

»Versprochen.« Julia lächelte ihren Vermieter an, dann blickte zu Frauke. Sie fragte sich, ob sie sich schon traute, danach zu fragen. Doch dann verwarf sie ihren Gedanken und verzichtete darauf, zu fragen, ob Frauke in ihrem Zimmer schlafen könne.

Immerhin hatte sie gerade erst ihre Gefühle für Frauke entdeckt, und sie war sich nicht sicher, ob es Gefühle zwischen zwei Schwestern oder zwei Liebenden waren - so erotisch, wie sie sie letzte Nacht in den Schlaf gestreichelt hatte. Sie war geradezu verliebt, ein Gefühl, das sie schon lange nicht mehr gekannt hatte. Und es war noch zu neu, als dass sie sich schon wirklich darauf verlassen wollte.

»Sind sie auch bereit, die Kirchenhandschuhe zu tragen?« Herr Hegel hatte es in einem Tonfall formuliert, der Julia aufhorchen ließ. »Immerhin hat Carolin in der Kirche sie immer getragen.«

»Nun dränge Julia doch nicht so.« Frau Hegel unterbrach ihren Mann. »Sie wird das machen, zu dem sie bereit ist.«

Julia war erleichtert, an dieser Stelle von Seiten ihrer Vermieterin Schützenhilfe zu bekommen. Sie war sich wirklich noch nicht sicher, ob sie den Mut aufbringen würde, den diese Handschuhe erforderten. »Bis wann muss ich mich entscheiden?«

»Wir werden sie fragen, wenn wir bei der Kirche angekommen sind.« Frau Hegel streichelte ihr über das Haar. »Im Auto sollten sie sie besser nicht tragen. Es reicht, dass sie die Bluse tragen. Im Falle eines Unfalls sollten sie noch in der Lage sein, selbst die Tür zu öffnen.«

»Okay, einverstanden.« Julia lächelte verlegen.

»Frauke, fragen sie Julia bitte beim Aussteigen, wie sie sich entschieden hat.« Natürlich wusste sie, dass Julia die falschen Schuhe tragen würde, doch dies wollte sie ihr jetzt noch nicht sagen. Wenn sie den Tadel von fremden Leuten bekommen würde, würde er viel stärker wirken. Im besten Fall würde Julia dann von selbst damit anfangen, und ihr Ehrgeiz würde dadurch noch mehr angestachelt.

* * *

»Ihr wollt euch bestimmt noch umziehen.« Der Vater von Patricia erhob sich und ging zur Tür. »Ich werde im Salon auf euch warten.«

Frau Vogel stellte ihre Tasse weg und wartete, bis sich die Tür geschlossen hatte, dann wandte sie sich an ihre Tochter. »Patricia, Hegels haben noch einmal angerufen.«

»Es geht um ihr Opfer?« Patricia blickte kurz ihrem Vater hinterher.

»Bitte lass den Spott.« Martha holte tief Luft. »Sie wird deine Partnerin werden, das haben die Oberen so festgelegt. Also sei froh, dass du sie schon vorher kennenlernen darfst.«

Patricia seufzte. »Das wird ihm aber nicht gefallen.«

»Das mag sein, aber da müssen wir jetzt durch.« Sie griff zu einem Blatt Papier, welches neben ihr lag. »Hegels bitten dich, dich ganz speziell zu verhalten, damit du das richtige Vorbild für ihren Engel bist.« Sie reichte ihrer Tochter den Zettel. »Hier, das solltest du berücksichtigen, wenn du damit einverstanden bist.«

Patricia warf einen Blick auf die Liste. »Eigentlich ist ja alles ganz harmlos.«

»Sie würden es dir auch bezahlen, wenn du Wert darauf legst.« Die Mutter gab wieder, was Hegels ihr gesagt hatten.

»Sie sollen ihr Geld behalten.« Patricia grinste. »Ich soll also die ganz brave und verschwiegene Tochter geben?«

»Wäre das so schwer?« Frau Vogel glaubte, bei ihrer Tochter einen gewissen Unterton gehört zu haben.

»Alles, was mich von ihm trennt, ist schwer.« Sie seufzte, dann legte sie die Liste wieder auf den Tisch. »Aber wenn ich sie als Teampartnerin bekomme, wäre es dann nicht besser, wenn ich sie gar nicht erst anlüge?«

»Ja, das ist langfristig sicher besser.« Die Mutter lehnte sich zurück. »Aber musst du denn überhaupt lügen?«

»Naja, es geht um unsere gemeinsame Zukunft.« Patricia seufzte erneut. »Wir werden sehr eng zusammenarbeiten müssen.«

»Hegels bitten dich ja nur darum, bei den Engeln noch nicht ins Detail zu gehen.« Sie warf noch einmal einen Blick auf die Liste. »Im Zweifel weißt du es einfach noch nicht.«

»Och man, nicht noch eine Baustelle.« Das Mädchen stöhnte laut. »Vater muss ich einen braven Engel vorspielen und meinem Freund das freie junge Mädchen. Und was soll ich ihr vorspielen?«

»Wie wäre es mit der Wahrheit?« Frau Vogel blickte ihre Tochter liebevoll an. »Du freust dich doch auch schon darauf, ein Engel zu werden.«

»Du hast ja recht.« Trotzdem seufzte sie.

»Und wenn du jetzt Hegels Bitte beachtest und bei den Details noch etwas schwammig bleibst, dann ist doch alles in Ordnung.« Sie hoffte, überzeugend genug zu sein.

»Meinst du wirklich?« Es war Patricia anzuhören, dass ihr die erste Begegnung mit ihrer zukünftigen Teampartnerin nicht gleichgültig war.

»Außerdem wirst du Julia sehr beeindrucken, wenn sie dich mit Schleier und Perle erleben kann.« Die Mutter lächelte.

»Ja, darauf freue ich mich schon.« Patricia lächelte ebenfalls. Doch dann glitt ein Schatten über ihr Gesicht.

Ja, sie hatte sich bereit erklärt, in den Gottesdiensten die ganze Zeit die Perle zu tragen, und sie hatte dafür auch schon lange geübt. Ihre Kiefermuskeln waren die Haltung mittlerweile gewöhnt, und eine Stunde mit der Perle im Mund machten ihr nichts mehr aus. Etwas belustigt dachte sie an die Anfänge, als sie nicht einmal zehn Minuten ausgehalten hatte.

Aber war es wirklich richtig, ihrer zukünftigen Teampartnerin so eine Komödie vorzuspielen?

* * *

»Dieser Mantel und der Hut gehören ebenfalls noch zu der Uniform.« Frau Hegel stand im Flur neben Julia und hielt ihr die Sachen hin. »Das hatten sie ja schon ausgesucht.«

Julia nahm sich beide Kleidungsstücke in die Hand, doch dann stutzte sie. »Das geht doch gar nicht.« Sie blickte Frau Hegel verwundert an. »Ich trage doch die Bluse.« Sie verzichtete darauf zu erwähnen, dass sie ihre Arme kaum noch bewegen konnte.

Trotzdem nahm sie sich kurz die Zeit, um sich beides etwas genauer anzusehen. Der Mantel sah ganz normal aus, dachte sie sich, doch dann stutzte sie. Der Mantel, den sie eigentlich zur Miete tragen sollte, hatte auch 'ganz normal' ausgesehen.

Doch dann fiel ihr ein, dass sie die Besonderheit dieses Mantels auch schon kennengelernt hatte. Er war so gearbeitet, dass die festgenähten Ärmel der Bluse wirklich nicht störten, weil die eigentlichen Ärmel des Mantels erst dem Ellenbogen begann. Sie war fasziniert. Diesen Mantel musste sich jemand ausgedacht haben, der sich mit der Bluse auskannte.

Der Hut hingegen hatte eindeutig etwas Altmodisches, insbesondere weil er mit einem Schleier oder etwas Ähnlichem verziert war.

»Frauke wird ihnen sicher helfen.« Frau Hegel lächelte, dann drehte sie sich zu der Dienerin um und blickte sie auffordernd an.

»Geht das überhaupt mit der Bluse?« Julia hatte einen normalen Mantel im Kopf, und bei dem würden die festgenähten Ärmel stören. Sie äußerte dies.

»Das ist ein Spezialmantel.« Frauke nahm Julia beides aus der Hand. »Aber zuerst solltest du dir den Hut aufsetzen.« Sie setzte Julia den Hut auf und befestigte anschließend das Hutband unter ihrem Kinn.

»Mit Hutband?« Julia war verwundert. »Wie altmodisch.« Kaum dass sie es ausgesprochen hatte, bereute sie ihre Worte. Doch zu ihrer Erleichterung nahm davon keiner Notiz.

»Der Hut muss gut sitzen, denn sie werden den Sitz in der Kirche nicht mehr verändern können.« Die Stimme von Herrn Hegel klang wichtig.

Julia zuckte zusammen, als sie die Stimme ihres Professors hörte. Sie murmelte ein 'Entschuldigung'.

»Und das Band bewirkt, dass er auch bei Wind nicht davon fliegt«, ergänzte Frau Hegel.

»Bitte machen sie sich auch mit dem Mantel vertraut, damit wir uns der Kirche nicht blamieren.« Herr Hegel blickte seine Studentin ernst an.

Julia war von der plötzlichen Strenge der Situation überrumpelt. »Was ist das Besondere an dem Mantel?« Sie lächelte Frauke verschüchtert an. Sie hatte zwar schon eine Ahnung, doch dies verdrängte sie.

»Die Ärmel beginnen erst am Unterarm«, erklärte Frau Hegel. »Und damit es nicht auffällt, hat er diese doppelten Umhänge über der Schulter wie bei Sherlock Holmes oder den Damen-Zauber-Mänteln aus Harry Potter.«

Julia lächelte. »Raffiniert.« Sie drehte sich zu Frauke und blickte sie erwartungsvoll an.

Frauke lächelte ein wenig verlegen, während sie Julia in den Mantel half. »Zuknöpfen auch?« fragte sie, während sie noch dabei war, ihre Gefühle zu sortieren. Einerseits freute es sie, dass sie Julia auf diesem Weg begleiten durfte, und genauso war sie sehr froh darüber, wieder einmal das Haus verlassen zu dürfen.

Doch das Ziel der Fahrt bereitete ihr Sorgen. Zum einen kannte sie die Grünwalder, und wann immer sie in der Vergangenheit in der Kirche gewesen war, hatten die Leute sie gemieden. Keiner wollte neben ihr sitzen, auch wenn die Kirche auch noch so voll war. Sie hatte es immer als besonders demütigend empfunden, auch wenn sie den wahren Grund für das Verhalten natürlich kannte. Und deswegen konnte sie es ihnen auch nicht übel nehmen.

Und dann sollte Julia heute den anderen Engel kennenlernen, und Frauke wusste, wie eng die Bindung zwischen diesen beiden Frauen sein würde, wenn die Pflichten der Engel einmal begonnen hatten. Vor allem letzteres bereitete ihre große Sorgen, denn sie fürchtete, dass dieses Mädchen die zarte Bande, die sie zu ihrer 'Schwester' geknüpft hatte, gleich wieder zerreißen würde.

»Dann können wir gehen?« Die Stimme von Herrn Hegel riss Frauke aus ihren Gedanken.

»Einen Moment noch.« Frau Hegel griff noch einmal zur Garderobe und reichte Frauke eine Strickjacke. »Nehmen sie sich die Schürze ab und ziehen sie sich bitte dies über.«

»Danke, Frau Hegel.« Frauke war über die Jacke sehr erleichtert, denn sie versteckte einen Großteil ihres so demütigenden Dienstbotenkleides. Und auch wenn viele aus der Kirchengemeinde ihren Status kannten, war sie doch um jeden Blick dankbar, der ihr erspart blieb.

Es kam nicht oft vor, dass Hegels sie mit in die Kirche nahmen, und wenn, dann setzte sie sich gern in die allerletzte Reihe und hielt den Kopf die ganze Zeit gesenkt. Dort hatte sie ihre Ruhe, und nur wenige Leute drehten sich nach hinten zu ihr um. Doch heute würde es anders sein, das hatte sie im Gefühl.
135. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von gag_coll am 27.04.18 08:18

Zitat
Aber ich frage mich ja immer mehr, was für eine Glaubensgemeinschaft ist, die von den Engeln einerseits Keuschhaltung erwartet oder gar verlangt, andererseits aber (so wie ich es verstanden habe) damit zu rechnen ist, daß die Spielereien in den Keuschheitsgürteln für Höhepunkte in der Öffentlichkeit sorgen sollen.

Hallo,

ich denke, eine Sache kann ich hier schon einmal richtig stellen: Es geht um eine verschwiegene und verschworene Gemeinschaft, ja. Aber diese Gemeinschaft hat mit Glauben im religiösen Sinne nichts zu tun.

Viele Grüße
gag_coll
136. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von Rowdypiper am 27.04.18 10:30

Hallo,

jetzt muss ich mich nach langer, langer Zeit doch auch mal wieder zu Wort melden.

Mir gefällt diese Geschichte richtig gut, auch wenn für meinen persönlichen Geschmack es etwas zu langatmig ist (9 Teile, nur für das Kennenlernen?!)

Aber das ist ja deine Geschichte und die werde ich natürlich weiterhin mitlesen, auch wenn ich nicht versprechen kann, mich nach jedem Teil hier zu Wort zu melden.

Sei versichert, deine Geschichten gehören alle zu meinen Favoriten!!

Grüße vom Rowdypiper aus seinem Cliffhanger-House!
137. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 6 - Familie Vogel - Teil Drei von Neun

geschrieben von gag_coll am 01.05.18 08:05

Der Mantel der Studentin
Kapitel 6 - Familie Vogel - Teil Drei von Neun
Autor: Karl Kollar

Die Fahrt zur Kirche dauerte nicht lange, und gleich nachdem Herr Hegel auf dem kleinen Parkplatz vor dem Gotteshaus den Motor abgestellt hatte, drehte er sich zu Frauke und Julia um. »Es wäre jetzt Zeit für die Kirchenhandschuhe. Aber schnallen sie sich erst ab.«

Frau Hegel ergänzte. »Wäre es nicht besser, wenn sie erst aussteigen?« Sie klang etwas nervös, denn es war schon etwas her, seit sie dies das letzte Mal gemacht hatten.

Frauke und Julia blickten sich kurz an.

»Dann los.« Julia war insgeheim sehr gespannt darauf, ihren verbliebenen Bewegungsspielraum zu erkunden. Und da ihr mehrmals versichert wurde, dass der Stoff der Bluse nicht reißen würde, war sie inzwischen auch mutig genug, ihn für etwas mehr Freiraum zu belasten. Sie löste den Sicherheitsgurt, dann öffnete sie die Tür und stieg aus.

Frauke wartete schon auf sie und reichte ihr einen kleinen Spiegel. »Möchtest du noch einmal dein Äußeres kontrollieren?«

Verwirrt nahm Julia den Spiegel entgegen. »Warum denn das?«

»Wenn du erst die Handschuhe trägst...« Frauke setzte den Satz nicht fort.

Julia legte sonst eigentlich wenig Wert auf ihr Erscheinungsbild, doch hier erkannte sie sofort, dass es für ihre Gasteltern anscheinend sehr wichtig war. Sie hielt sich den Spiegel vor das Gesicht und blickte scheinbar interessiert hinein. Sie wollte ihn schon wieder abgeben, als sie auf einmal im Spiegel ein Mädchen erkannte, das den gleichen Mantel und den gleichen Hut trug wie sie selbst. Sie war offensichtlich mit ihren Eltern unterwegs.

»Was ist jetzt?« Fraukes Stimme riss sie aus ihren Gedanken. »Die Handschuhe warten auf dich.«

Frau Hegel stand daneben. »Sie ist nervös, drängen sie sie nicht.«

»Nein, das ist es nicht.« Julia keuchte ein wenig. »Ich glaube, ich habe gerade das andere Mädchen gesehen.«

»Ja, sie haben Recht.« Frau Hegel blickte in die Richtung, in die Julia geschaut hatte. »Dort kommt die Familie Vogel.« Sie hob kurz die Hand für einen ersten Gruß. »Jetzt sollten sie sich aber die Handschuhe anziehen lassen.«

»Ja, natürlich.« Sie streckte Frauke ihre Hände entgegen und blickte fasziniert zu, wie ihre Haut unter dem schwarzen Stoff verschwand. Gleich darauf sah sie zu, wie die Dienerin ihr die Riemen um die Handgelenke schloss.

Wieder war Julia fasziniert, denn obwohl es nur ein kleines schwarzes Stoffbündel war, das Frauke aus ihrer Tasche geholt hatte, bewirkte es doch eine erhebliche Steigerung ihrer Hilflosigkeit. Sie konnte jetzt so gut wie nichts mehr selbst machen.

Als sie sich danach wieder umblickte, war Familie Vogel anscheinend schon in der Kirche verschwunden.

»Seid ihr fertig?« Herr Hegel bemühte sich, nicht ungeduldig zu klingen. »Es wird Zeit, dass wir auch zu unserem Platz gehen.«

Die Blicke aller richteten sich auf Julia, und als diese dies realisierte, wurde sie rot. »Ich bin fertig.« Sie hob ihre Hände ein wenig, um die Handschuhe zu zeigen. 'Und jetzt ziemlich hilflos', fügte sie Gedanken dazu.

Frau Hegel legte ihr den Arm um ihre Taille. »Lassen sie uns gehen.«

Julias Augen hatten für einen kurzen Moment Probleme, sich an den dunklen Innenraum zu gewöhnen. Er war für eine Kirche eher klein, und sie fragte sich, welcher Religionsgemeinschaft Hegels wohl angehören wurden. Es war auf keinen Fall das prachtvolle Innere einer katholischen Barockkirche, so wie sie es von daheim her kannte.

Daheim! Julia seufzte, und sie versuchte sich daran zu erinnern, wann sie dort zuletzt in der Kirche gewesen war. Es musste schon länger her sein.

Frau Hegel führte sie zielstrebig in die dritte Bank von vorn. »Dieser Bereich wird für die Kirchenvorsteher freigehalten.«

Julia erkannte beim in die Bank setzen, dass sie jetzt genau neben dem Mädchen saß, das sie gerade noch wegen ihrer Uniform gemustert hatte.

* * *

Patricia war sehr angespannt. Eben hatte Hegels zukünftiger Engel neben ihr Platz genommen und blickte sich vorsichtig um.

Die ersten Male hatte sie neben der Uniform nur den Schleier getragen, dann kamen die Handschuhe dazu, und seit einem Monat trug sie hier in der Kirche, aber auch nur hier, in der Öffentlichkeit eine Perle im Mund. Natürlich wusste sie schon lange, dass es eigentlich ein Ballknebel war, doch sie mochte diesen verklärenden Begriff viel lieber.

Anfangs war sie noch sehr aufgeregt gewesen, und erst als sie realisiert hatte, dass sie trotzdem gar keiner beachtete, wurde sie nach und nach etwas entspannter.

Doch diesmal war es noch einmal etwas anderes. Heute war sie das Vorbild für einen anderen zukünftigen Engel, und zu ihrer eigenen Überraschung empfand sie das als sehr aufregend.

Es lag natürlich auch an ihrer eigenen Situation. Sie trug die verschlossene Kirchenuniform und die so hilflos machenden Handschuhe, dazu trug sie auch noch einen Ball im Mund, den sie sich auch nicht mehr entfernen konnte.

Sie fragte sich, ob sie eher Schadenfreude oder Faszination empfand. Es reizte sie, ein junges unbedarftes Mädchen auf den gleichen Weg zu führen, wie sie ihn schon gegangen war und den das Mädchen noch gehen musste.


Julia blickte vorsichtig, aber fasziniert auf das Mädchen neben sich. Sie trug den gleichen Hut wie sie selbst, nur dass bei ihr der fast blickdichte Schleier vor ihrem Gesicht hing und ihr Antlitz verbarg.

Sollte sie etwa eine Perle im Mund tragen? Irgendwie war es sehr naheliegend, doch andererseits hatte auch erhebliche Zweifel.

Doch etwas war ihr auch klar. Dieses Mädchen war ihr nur ein paar wenige Schritte voraus. Sie fragte sich, ob sie nächste Woche auch mit dem Schleier hier sitzen würde. Und auch, welchen Grund der Schleier haben würde. Ob sie wirklich eine Perle darunter verstecken würde?

Julia schallt sich einen Narren. Der Schleier würde sicher eine andere Bedeutung haben. Es schien ihr doch sehr ungehörig, mit einer Perle im Mund einen Gottesdienst zu besuchen.

Dass eine Frau in der Kirche im Gegensatz zu den Männern ihr Haupt zu bedecken hatte, schienen hier einige der Damen auch zu berücksichtigen. Dennoch war ihre Sitznachbarin die einzige, die einen Schleier vor dem Gesicht trug. Und dennoch schien keiner der anderen Gottesdienstbesucher davon Notiz zu nehmen.

Auf einmal wurde es Julia klar. Hegels waren bestimmt jede Woche in der Kirche, und genauso trug dieses Mädchen jede Woche ihren Schleier. Dabei war sie sich sicher, dass sie ihr Gesicht draußen noch unverhüllt gesehen hatte.


Es fiel Julia auf, dass sie von Patricia beim Singen der Lieder nichts hörte. Sie saß anscheinend neben ihren Eltern, und ihre Mutter hielt ihr das Gesangbuch. Warum machte sie das, wenn ihre Tochter doch nicht mitsang?

Insbesondere während der Predigt nutzte Julia die Position direkt neben Patricia aus, um sie ausgiebig zu betrachten und auch durch den Schleier hindurch zu schauen.

Zuerst machte sie den schwarzen Riemen aus, der über ihre Wange lief. Bald darauf entdeckte sie auch, dass das Mädchen den Mund weit geöffnet hatte, denn sie erkannte die Konturen, die ihr Lippenstift auf ihren Lippen markierte. Sie trug anscheinend wirklich eine Perle im Mund, und der Schleier verbarg das.

Julia bekam eine Gänsehaut, denn ihr wurde auf einmal klar, dass sie spätestens nächste Woche auch auf diese Weise im Gottesdienst sitzen würde. Und zu ihrer eigenen Überraschung freute sie sich darauf.

Doch dann überkamen sie Zweifel. Der Gottesdienst dauerte fast eine Stunde, und es gab für das Mädchen keine Möglichkeit, wie sie sich selbst die Perle hätte abnehmen können. War sie selbst wirklich schon so weit, die Perle schon eine ganze Stunde zu tragen, tragen zu können?

Immer wieder blickte sie offen oder heimlich zu dem faszinierenden Mädchen und ließ dabei ihre Gedanken kreisen. Vom Gottesdienst selbst bekam sie kaum etwas mit.

Eigentlich wusste Julia, wie sie sich im Gottesdienst zu benehmen hatte. Doch ihre Nachbarin und vor allem die Handschuhe, die sie trug, wirbelten ihre Gedanken ständig durcheinander. Sie wusste, dass sie eigentlich den Worten der Pfarrerin folgen sollte, doch stets war sie in Gedanken bei ihren Händen und sie fragte sich, ob sie das richtige tun würde und ob ER es befürworten würde.

Hegels hatten es nicht gesagt, aber sie spürte, dass sie das Tragen der Perle unter dem Schleier auch von ihr erwarteten. Und zwar schon nächste Woche. Sie wusste, dass sie jede freie Minute nutzen musste, um es zu trainieren und ihre Muskeln an die Haltung zu gewöhnen. Denn sie wollte Hegels auf keinen Fall nicht enttäuschen.

Sie hatte ja auch schon genügend Hinweise zum Training bekommen. Sie dachte darüber nach, dass sie alle zehn Minuten die Perle in den Mund nehmen wollte, und sie gleich danach wieder ablegen würde. Immer nur für ein paar Minuten. Sie überlegte sogar, ob sie die Perle nicht vielleicht in der Uni tragen konnte, doch sie verwarf den Gedanken schnell wieder. Das würde nur unnötige Fragen geben, die sie sich lieber ersparen wollte.

Sie hatte sich eigentlich vorgenommen, dem Gottesdienst aufmerksam zu folgen, doch immer wieder schweiften ihre Gedanken ab. Teils zu der verhüllten Gestalt neben ihr, dann zu ihren Händen, die sie fast blasphemisch vor sich gefaltet hielt. Auch das ausdrucksvolle Spiel der Orgel beeindruckte sie. Doch um was es im Gottesdienst ging, das konnte sie hinterher nicht sagen.

Es war ihr immer noch nicht klar, welche Religionsgemeinschaft sich hier versammelt hatte. Doch es war zumindest nicht die Katholische Kirche, denn die kannte sie noch aus ihrer Kindheit. Doch da sie nie besonderen Wert darauf gelegt hatte, war es ihr letztendlich egal.

Einmal beobachtete sie, dass Patricia sich nach hinten umblickte. Julia war dem Blick gefolgt, und auch sie sah den jungen Mann, der den Blick lächelnd erwiderte. Doch dann wurde Patricia von ihrem Vater ermahnt, und sie blickte wieder nach vorn.

Eigentlich war es eine belanglose Szene, doch Julia bezog daraus eine wichtige Information. Es war anscheinend für einen Engel möglich, einen Freund zu haben. Und dass es sich um Patricias Freund handeln musste, erkannte Julia daran, dass sie das Leuchten in den Augen trotz des Schleiers erkannt zu haben glaubte - welches erst erlosch, als ihr Vater sie zurechtzuweisen schien.

Später entdeckte sie noch ein Detail, was ihr bisher auch entgangen war. Sowohl ihr Mantel als auch der Mantel von Patricia hatten auf der Schulter einen Engel aufgenäht. Wieder in genau dem gleichen hellblauen Farbton wie der Mantel selbst, so dass diese Verzierung erst auf den dritten Blick auffiel.

Erst nach einer gewissen Zeit entdeckte sie auf dem Kragen des Mantels ebenfalls einen aufgestickten Engel, nur dass dieser noch etwas kleiner war als der auf der Schulter.

Frauke hielt ihr das Gesangbuch, doch Julia ahnte, dass sie beim nächsten Mal nicht mehr in der Lage sein würde, so deutlich mitzusingen, wie sie es jetzt tat.

An die Handschuhe hatte sie sich äußerst schnell gewöhnt, jetzt störte es sie überhaupt nicht mehr, dass sie durch sie zu einer bestimmten Haltung gezwungen wurde. Dass Patricia neben ihr noch ein beträchtliches Maß hilfloser als sie selbst war, machte ihr keine Angst, sondern weckte eher ihren Ehrgeiz. Denn das war der Gesamteindruck, sie fühlte sich in der Kirche und in der Gegenwart von Hegels und Patricias Familie sehr geborgen.

Nach dem Segen verspürte Julia zunächst den Impuls, aufstehen zu wollen, doch da weder Hegels noch Vogels diesbezüglich Anstalten machten, blieb auch die Studentin sitzen.

Sie fragte sich, ob sie jetzt die Handschuhe ablegen durfte, doch zwei Sachen hielten sie davon ab. Zum einen hatte sie bei einem kurzen Blick zu ihrer Nachbarin gesehen, dass auch diese ihre Handschuhe weiter trug. Und zum anderen erkannte sie, dass es nicht in ihrer Macht lag, sich die Handschuhe selbst auszuziehen. Sie würde dafür in jedem Fall Hilfe brauchen.

An ihrer Nachbarin konnte sie sich ein Bild davon machen, wie sie selbst wohl aussehen durfte, und sie war von dem Anblick sehr angetan. Es sah so brav und unschuldig aus, und von den vielen Einschränkungen dieser Kleidung war überhaupt nichts zu erkennen.

Auf einmal sah Julia, wie sich Patricias Schleier zu bewegen schien, und sie blickte sofort zu ihrer Sitznachbarin. Ihre Mutter hatte sich zu ihrer Tochter herüber gebeugt und machte etwas in ihrem Gesicht. Julia konnte aber nicht erkennen, was sie dort machte.

Gleich darauf hatte sie ein Taschentuch in der Hand und schien ihrer Tochter den Mund abzuwischen, dann steckte sie etwas Rotes in ihre Tasche. Als letztes klappte sie ihr den Schleier hoch und steckte ihn am Hut fest.

Patricia blickte sich verstohlen um und gab sich erleichtert, als sie realisierte, dass fast keiner diese Szene beobachtet hatte. Nur zu Julia schaute sie kurz und gab sich dabei etwas verlegen.

Julia kam es vor, als hätte sie die Szene heimlich beobachtet - dass sie speziell für sie so abgesprochen und arrangiert war, darauf kam sie nicht.

Deutlich war noch der Abdruck des Riemens auf Patricias Wange zu sehen, und Julia fühlte sich in ihrem Verdacht aufgrund ihrer Beobachtungen mehr als bestätigt. Patricia hatte während des Gottesdienstes eine Perle getragen und dies mit dem Schleier vor den anderen Teilnehmern verborgen. Aber warum? Julia ahnte, dass sie die Antwort darauf so bald noch nicht bekommen würde.

Doch etwas anderes überlagerte gleich darauf ihre Gedanken. Sie selbst trug auch so eine Uniform mit einem aufgestickten Engel, und auch ihr Hut hatte einen Schleier zum Herunterklappen. Es war ihr mittlerweile klar, dass sie spätestens nächsten Sonntag wie Patricia auch dem Gottesdienst mit der Perle im Mund zu folgen hatte. Und sie wusste in diesem Moment wirklich nicht, ob sie sich darauf freuen oder ob sie Angst davor haben sollte.

Auf der einen Seite freute sie sich darauf, doch andererseits hatte sie auch Zweifel, ob sie bis dahin überhaupt genug Zeit zum Trainieren haben würde.

Insgeheim malte sie sich schon aus, bei welchen Gelegenheiten sie sich die Perle in den Mund stecken konnte, damit sich ihre Muskeln an die Haltung gewöhnen konnten, ohne dass ihr ihrer jeweiligen Umgebung auffallen würde.

Die Vorlesungen in der Uni dauerten zwar lange, aber sie würde sich dann ewig Fragen ihrer Kommilitonen aussetzen und das wollte sie auf keinen Fall.


Obwohl schon fast alle Gottesdienstbesucher gegangen waren, blieben Hegels und Vogels noch in den Bänken sitzen. Erst als die letzten Töne des Nachspiels verklungen waren, machten sie Anzeichen sich zu erheben.

Julia hatte sich ein wenig in der Kirche umgesehen, doch sie konnte an den modernen Backsteinwänden nicht wirklich Gefallen finden. Zu sehr vermisste sie das scheinbar barocke Innere der Dorfkirche, mit dem sie aufgewachsen war.

»Wir würden sie gern vorstellen.« Frau Hegel beugte sich an Frauke vorbei sich zu Julia. »Sind sie dazu bereit?«

Julia erkannte, dass Frau Hegel eine Antwort von ihr erwartete, doch sie wusste im diesem Moment überhaupt nicht, was sie antworten sollte.

Frauke bemerkte Julias Zögern, und statt einer Antwort ergriff sie ihre Hände und hielt sie fest.

Erst Fraukes Geste gab der Studentin den Mut, wieder einen Schritt auf dem ihr immer noch unbekannten Weg zu gehen. »Ja, ich bin bereit.« Und sie verzichtete darauf, darüber nachzudenken, wem sie nun vorgestellt werden sollte.


Patricia war ihrer Mutter gefolgt und bat sie, ihr noch einmal den Schleier zu richten. »Ich glaube, er fällt hinten herunter.« Dabei blickte sie auch kurz zu ihren Vater, als wolle sie sich dafür entschuldigen, dass sie ihm in der Folge den Rücken zudrehen würde.

Julia erkannte sofort, was der wahre Grund dieser kleinen Geste war. Patricia stand nun so, dass sie unbeobachtet von ihrem Vater ihrem Freund ein paar kurze Blicke zuwerfen konnte.

Natürlich hatte auch ihre Mutter längst erkannt, was der wahre Grund für diese kleine Eitelkeit war, und deswegen versuchte sie, möglichst lange an dem Schleier herum zu fummeln. Innerlich zerriss es ihr das Herz, denn sie wusste, in welcher Zwangslage sich ihre Tochter befand. Doch es gab nichts, was sie tun konnte, um ihr ihre Probleme zu erleichtern.

Julia beobachtete diese kleine und sehr kurze Szene trotzdem sehr aufmerksam, weil sie spürte, dass dieses Mädchen ihr nur ein paar wenige Schritte voraus war. Doch sie wollte noch gar nicht darüber nachdenken, wo sie in wenigen Tagen sein würde und wie sich ihr Leben, seit sie bei Hegels war, schon verändert hatte.

Sie ließ ihren Blick unauffällig über die Menge streifen, weil sie Frauke suchte. Sie entdeckte sie erst nach kurzer Zeit, weil diese sich schon nahe an die Ausgangstür zurückgezogen hatte und den Blick zu Boden gerichtet hielt. Nur ab und zu hob sie ihren Kopf und blickte kurz zwischen Patricia und ihr hin und her. Dabei war ihre Miene sehr verärgert, ohne dass Julia dafür ein Grund einfallen wollte.


Frauke war gleich zum hinteren Teil der Kirche gegangen, weil sie wusste, dass sie dort relativ unbeobachtet bleiben würde. Nur wenige Gottesdienstbesucher verirrten sich an diese Stelle, die meisten gingen zielstrebig zum Ausgang. Innerlich war sie wild aufgewühlt. Was hatte Julia nur mit diesem anderen Mädchen zu tun?

Sie standen so vertraut zusammen, dass es tief in Frauke kochte. Und nur mit viel Mühe schaffte sie es, sich zu beherrschen. Immer wieder musste sie an die vergangene Nacht denken, an denen sie mit ihren Fingern allein Julia so viele Höhepunkte spendiert hatte.

Auch an die zärtlichen Küsse musste sie immer wieder denken. Und auch an Julias leuchtende Augen.

Und jetzt? Was war das bloß mit diesem anderen Mädchen?

Natürlich war ihr klar, dass Patricia den Gottesdienst geknebelt verbringen musste. Sie schmunzelte, denn es musste in diesem Zusammenhang natürlich 'mit der Perle' heißen.

Von den Sorgen, die Patricia plagten, wusste sie allerdings nichts, und das Mädchen gab sich alle Mühe, gute Miene zum bösen Spiel zu machen.


Als sie aus der Reihe trat, sah sie, dass Herr Hegel schon bei der Familie Vogel stand und sie zusammen zu ihr herüber blickten. Als sie näher kam, nahm sie sofort seine vertraute Stimme war.

»Das ist Julia, unser baldiger Engel.« Herr Hegel machte in diesem Augenblick einen sehr stolzen Eindruck. »Sie ist außerdem eine meiner besten Studentinnen.«

»Hallo Julia.« Die Familie Vogel begrüßte die Studentin, machten jedoch keine Anstalten, ihr die Hände zu reichen.

Im aller ersten Moment wunderte sich Julia darüber, denn sie hatte eigentlich die Peinlichkeit erwartet, diesen Gruß nicht erwidern zu können. Doch dann fiel ihr Blick auf die Tochter der Familie, und ihr wurde klar, dass Vogels die Bedeutung dieser Kirchenhandschuhe kennen mussten und sie deswegen ebenfalls nicht in Verlegenheit bringen wollten.

Hätte sie genauer hingesehen, dann wäre ihr sicher aufgefallen, dass Herr und Frau Hegel einen sehr stolzen Eindruck machten. Es kam ihr schon vor, als würde sie hier vorgeführt und gemustert, doch sie wusste nicht, welchen Zweck das haben sollte. Ihre Bedenken wegen den Kirchenhandschuhen hatte sie über Bord geworfen und wegen der 'Uniform' fühlte sie eine gewisse Verbundenheit zu dem anderen Mädchen.

»Entschuldigen sie bitte, Frau Vogel?« Eine Frau aus der Gemeinde war an sie herangetreten und reichte ihr ein Blatt Papier. »Das hier wäre die Einladung für den nächsten Basar, wenn sie sich das einmal ansehen möchten.«

Frau Vogel nahm das Papier entgegen und steckte es ein. »Ich werde sie dazu anrufen.« Sie wandte sich wieder ihrem Mann zu.

Patricia verdrehte innerlich die Augen. Sie fragte sich immer wieder, ob es ihre Mutter mit ihrem Engagement in den diversen Grünwalder Vereinen nicht übertrieb. Sie war Mitglied im Kirchenvorstand, stand mehreren karitativen Vereinen vor und finanzierte das Laientheater sowie das lokale Streichorchester, in dem ihre Tochter auch Geige spielte.

Natürlich hatte sie ein abgeschlossenes Jurastudium mit Doktortitel und beriet manchmal ihre Freundinnen bei juristischen Problemen. Doch wenn man sie nach ihrem Beruf fragte, war die Antwort stets 'Hausfrau'.

Patricia seufzte innerlich. Der Name 'Vogel' hatte Gewicht in Grünwald und bedingt durch den Beruf ihres Vaters auch in München. Es gab nur wenige Juristen am Gericht, die so einen großen Einfluss hatten.

Es waren große Fußstapfen, in die sie jetzt so nach und nach zu treten hatte. Und überall am Wegrand lauerten Fettnäpfchen, die nur auf einen Fehltritt von ihr warteten.

Das bisher größte Vergehen war ihr hier in der Kirche passiert, und sie hatte danach noch lange damit zu kämpfen, um ihr Ansehen wieder zu gewinnen.

Sie war damals noch ganz unerfahren und trug so wie jetzt Julia das erste Mal die Kirchenhandschuhe. Frau Reger war nicht nur die Pfarrerin hier in der Gemeinde, sie war auch schon mit Vogels eng befreundet. Doch was Patricia damals nicht wusste, sie war auch im Bund ein sehr hohes Tier. Heute musste sie über ihren damaligen Fehltritt lächeln, doch damals war sie noch sehr unerfahren gewesen. Sie hatte die Nähe falsch gedeutet und hatte die 'Oberpriesterin' gebeten, ihr die Handschuhe abzunehmen. Natürlich hat die Pfarrerin ihr nicht geholfen, aber hat sie auch weder bestraft noch gepetzt.

Erst später hat sie erfahren, dass sie mit dieser Frage ihr Ansehen als zukünftiger Engel vollständig verspielt hatte und es ganz mühsam wieder gewinnen musste. Natürlich hatte Frau Reger sie nie wieder auf den Fehler angesprochen, doch die Blicke, die sie ihr gelegentlich zu warf, stachen ihr direkt ins Herz. Denn es war für einen Engel etwas ganz Ungehöriges, ein Mitglied des Bundes um Befreiung zu bitten. Noch dazu jemand mit so einem hohen Amt.
138. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 6 - Familie Vogel - Teil Vier von Neun

geschrieben von gag_coll am 04.05.18 18:46

Der Mantel der Studentin
Kapitel 6 - Familie Vogel - Teil Vier von Neun
Autor: Karl Kollar

»Und sie meinen, dass sie das noch schaffen?« Herr Vogel blickte Julia musternd an. Es war kein abschätziger Blick, doch Julia spürte trotzdem seine Zweifel.

»Julia trainiert fleißig, und deswegen wird sie es schaffen.« Herr Hegel blickte sehr stolz auf seine Studentin.

Julia schaffte es nicht, dem Blick standzuhalten, zu groß war ihr schlechtes Gewissen, obwohl es objektiv dafür überhaupt keinen Grund gab. Lediglich die Zweifel von Herrn Vogel hatten gereicht, um ihren Ehrgeiz für die kommende Woche noch einmal drastisch zu steigern. Sie blickte zu Patricia, doch als sie sah, dass die Tochter ihren Blick zu Boden gerichtet hatte, beschloss sie, das gleiche zu tun.

»Das sind also die beiden stolzen zukünftigen Engel.« Die Stimme der Pfarrerin bewirkte, dass Julia ihren Blick wieder erhob.

»Patricia kennst du ja schon.« Herr Hegel antwortete der Pfarrerin. »Und das ist Julia Sommer.« Er machte eine präsentierende Handbewegung. »Sie ist außerdem meine fleißigste Studentin.«

»Willkommen in Grünwald. Ich bin Nicole Reger, die Pfarrerin dieser Gemeinde.« Sie deutete Julia gegenüber eine kurze Verbeugung an und blickte gleich danach auf ihre Hände.

Julia erkannte an dieser kleinen Geste, dass sie ebenfalls über die besonderen Handschuhe Bescheid wusste. Sie war erleichtert, dass ihr dieses Fettnäpfchen ebenfalls erspart geblieben war. Sie hob den Kopf leicht an und stellte sich ebenfalls vor. Sie musterte die Pfarrerin nur kurz, weil sie nicht unhöflich sein wollte, aber sie erkannte, dass sie deutlich älter als Frau Hegel sein musste.

»Aber eines muss ich ihnen sagen.« Frau Reger blickte kurz zu Herrn Hegel, dann wandte sie sich wieder Julia zu. »Ihre Haltung stimmt überhaupt nicht. Das sollten sie unbedingt noch trainieren, sonst sehe ich schwarz.«

Julia gab es einen Stich, und sie blickte noch einmal auf Patricias Gestalt. Jetzt sah sie die Unterschiede sofort. Der Oberkörper war gerade, und die Schultern waren nach hinten gedrückt, und als sie einmal nach unten blickte, fiel ihr auf, dass Patricia Schuhe mit sehr hohen Absätzen trug.

Sie nahm sich vor, mit Frauke und Frau Hegel darüber zu reden. Tief in ihrem inneren war ihr Stolz verletzt, und es gefiel ihr auch nicht, dass Hegels sich wegen ihr rechtfertigen mussten. Langsam senkte sie ihren Kopf.

»Sie ist ja erst eine knappe Woche bei uns.« Frau Hegel versuchte eine Verteidigung.

»Naja, sie müssen es ja wissen.« Es klangen sehr viele Zweifel in der Stimme der Pfarrerin mit. »Ist sie denn wenigstens schon geschützt?«

»Der Gürtel wird am Montag geliefert.« Frau Hegel streichelte Julia über den Kopf. »Bis dahin passen wir besonders auf sie auf.«

Julia begriff schon, dass es hier um sie ging, doch sie hatte keine Ahnung, vor was sie denn geschützt werden sollte. Andererseits traute sie sich auch nicht, nachzufragen. Dass die Antwort von Frau Hegel doppeldeutig war, erkannte sie in diesem Moment auch nicht. Zu tief war sie in diesem Moment von der Antwort der Pfarrerin getroffen. Sie war jetzt schon die zweite Person, die ihre Eignung anzweifelte und ihr zudem schon aufgezeigt hatte, an was es bei ihrem Auftritt vor allem noch mangelte.

Sie senkte ihren Blick noch tiefer und wäre am liebsten in den Boden versunken. Es tat ihr insgeheim sehr weh, dass sie Hegels so enttäuschte. Zuerst hatte sie Angst gehabt, sich mit ihrer Uniform zu blamieren, doch jetzt ging es genau in die entgegengesetzte Richtung. Sie glaubte immer mehr zu spüren, dass sie bei weitem noch nicht würdig war, die Uniform jetzt schon tragen zu dürfen. Und dabei war sie bis vor kurzem noch sehr stolz darauf gewesen.

Auf einmal spürte sie eine Berührung an ihrer Schulter. Sie drehte sich verwundert um. Patricia stand neben ihr und hatte sie mit der Schulter angestupst.

»Mach dir keine Gedanken, das hört sich nur so schlimm an.« Sie lächelte leicht.

Julia blickte auf und sah, dass der Abdruck des Riemens immer noch nicht ganz aus Patricias Gesicht verschwunden war. »Du hast eben so eine Perle getragen?« Ihre Stimme war sehr leise, gerade so, dass Vogels Tochter sie verstehen konnte.

Patricia schmunzelte insgeheim. Genau mit dieser Frage hatte sie gerechnet. »Ja, das musste ich.«

»Aber warum?« Julia hatte im Moment zwar größere Sorgen, doch dies interessierte sie trotzdem.

»Julia fragt mich, warum ich die Perle tragen musste.« Sie blickte abwechselnd ihre Eltern und die Pfarrerin herausfordernd an. In Wirklichkeit war sie unsicher, wie viel sie von dem, was sie schon wusste, wirklich sagen durfte. So versuchte sie mit der Frage eine Ablenkung.

»Das haben sie ihr auch noch nicht gesagt?« Frau Regers Blick verfinsterte sich. »Ich glaube wirklich nicht...« Doch dann hielt sie inne. »Sie müssen es ja wissen.« Sie schüttelte langsam den Kopf.

»Wie wäre es, wenn Patricia euch nächsten Sonntag besuchen kommt?« Herr Vogel blickte seine Tochter liebevoll an. »Dann könnt ihr alles im Detail besprechen.« Gleichzeitig deutete er damit aber auch an, dass er weitere Fragen in dieser Richtung jetzt nicht mehr hören wollte.

Julia war nicht mehr zu einer Antwort fähig. Sie versuchte, ihren knallroten Kopf zu verbergen, was ihr aber überhaupt nicht gelang.

»Du bist jederzeit willkommen.« Frau Hegel drehte sich zu Patricia. »Und ihr werdet euch viel zu erzählen haben, da bin ich sicher.« Sie schmunzelte.

Julia war in diesem Moment sehr eingeschüchtert und blickte einige Zeit nur noch auf ihre Handschuhe. Sie wagte mittlerweile nicht mehr zu fragen, wann sie diese wieder ablegen dürfe. Immerhin realisierte sie, dass Patricia ihre Handschuhe auch noch trug. Noch dazu machte sie einen sehr zufriedenen Eindruck, so als würde sie wissen, dass ihr nichts passieren konnte, und dass sie die Handschuhe doch bei passender Gelegenheit ablegen durfte.

Sie hob kurz ihren Kopf und schaute in Richtung von Frauke, doch sie sah in ihrer Miene immer noch so etwas wie Eifersucht. Sie spürte, dass es falsch wäre, sie jetzt um Hilfe bitten zu wollen.

»Unsere Köchin wird verärgert sein, wenn wir zu spät zum Essen kommen.« Die Familie Vogel leitete die Verabschiedung ein. »Wir müssen dann gehen.«

Frau Hegel erklärte Julia kurz die Geste, mit der sich zwei Engel voneinander verabschieden. Gleich darauf konnte die Studentin ihre gefalteten Hände auf die Hände von Patricia legen und kurz aufeinander drücken. »Ich freue mich auf nächste Woche«, flüsterte sie dabei. Sie vermied es, in diesem Moment zu Frauke zu blicken.

»Wir sollten uns dann auch auf den Weg machen.« Auch Herr Hegel drängte langsam zum Aufbruch. »Der Tisch ist für halb Eins reserviert.«

Julia erinnerte sich an die Pläne des Tages. Sie wollten das Mittagessen in einem Restaurant einnehmen. Insgeheim war sie erleichtert, als sie sah, dass ihre Schritte sie wieder in Richtung Auto führten. Denn dort würde sie ihre Handschuhe wieder loswerden, hoffte sie zumindest.

Und so war es dann auch. »Und wie sind sie damit klar gekommen?« Frau Hegel machte sich daran, die Handschuhe zu öffnen, als sie das Auto erreicht hatten.

Julia hatte zunächst Probleme mit der Stimme, so angespannt war sie. Sie räusperte sich mehrfach. »Es war eigentlich ganz einfach und harmlos.« Sie vermied es in diesem Moment allerdings, nach der Zukunft zu fragen. Insbesondere betraf dies die Frage, ob sie nächste Woche auch die Perle tragen würde. Denn insgeheim kannte sie die Antwort schon.

* * *

Heute morgen hatte sie das Frühstück in der Uniform eigentlich als Schikane empfunden, auch wenn sie sich nicht dazu geäußert hatte. Jetzt erkannte sie auf einmal, welchen Zweck es hatte, auf diese Weise zu frühstücken. Sie waren jetzt in einem offensichtlichen Nobelrestaurant, und Julia war schwer bemüht, sich nichts anmerken zu lassen. Dass die Bluse ihre Bewegungsfreiheit so drastisch einschränkte, sollte keiner bemerken.

Ihr Vertrauen in Hegels wuchs, und sie beschloss für sich, auf den ersten Blick unsinnige Sachen und Befehle doch auszuführen, weil sie offenbar meistens doch einen tieferen Sinn hatten. Sonst hätte sie zum Beispiel nicht gewusst, ob sie mit der Uniform essen konnte. Doch jetzt fühlte sie genügend Sicherheit, um ihren verbliebenen Freiraum geschickt auszunutzen oder gegebenenfalls unauffällig um Hilfe zu bitten. Denn auch sie selbst hatte das Interesse daran, Hegels nicht noch einmal zu blamieren.

Allerdings war sie das ganze Essen über sehr angespannt, so dass sie es überhaupt nicht genießen konnte. Auch hatte sie die vielen Blicke bemerkt, die ihnen zugeworfen wurden, und sie wusste nicht ob diese ihr galten, oder doch eher Frauke in ihrem Dienstbotenkleid, von dem trotz der darüber gezogenen Strickjacke noch viel zu sehen war.

»Was haben sie wirklich mit mir vor?« Julia wusste nicht, ob sie die Öffentlichkeit des Nobelrestaurants zu dieser Frage nutzen durfte, doch es lag ihr viel zu sehr auf der Seele. »Warum das alles?« Sie verzichtete auf eine Aufzählung der Sachen, zu denen sie laut der anderen Personen aus dem Gottesdienst nicht in der Lage wäre.

»Sollten wir uns wirklich in ihnen getäuscht haben?« Herr Hegels Stimme klang auf einmal sehr ernst. »Wir dachten bisher, dass sie bereit sind, Carolins Weg zu gehen.«

Julia war alarmiert. Diesen Ton benutzte ihr Professor nur, wenn er etwas ganz Wichtiges sagte. Doch noch wusste sie keine Antwort.

»Sie hatte bisher mit dem Mantel, mit der Lackkleidung und auch mit dem Handschuh keine Probleme. Selbst das strenge Nachthemd scheint ihnen gefallen zu haben.« Er holte tief Luft. »Warum also jetzt dieses Zögern?«

Julia kam ernsthaft ins Grübeln. »Es ist richtig, das hat mir alles sehr gut gefallen. Selbst der Gottesdienst war aufregend.« Sie senkte leicht den Kopf. »Aber hinterher waren da so viele Zweifel, dass ich es nicht mehr schaffen würde. Und ich würde gern wissen, was ich überhaupt schaffen soll.«

»Wie sie sicherlich begriffen haben, haben wir nicht mehr viel Zeit.« Frau Hegel hoffte, dass es die richtigen Worte sein würden. »Und natürlich könnten wir ihnen jetzt sofort sagen, was sie noch alles lernen müssen, wenn sie Carolins Weg bis zum Ende gehen möchten.«

»Aber?« Julia fühlte, dass noch eine zweite Antwort kommen würde.

»Aber dann würden sie ständig an die Sachen denken, die noch vor ihnen liegen.« Frau Hegel versuchte ein vorsichtiges Lächeln. »Und diese Gedanken würden ihnen ihren Weg verstellen.«

»Stellen sie sich einmal vor, sie würden jetzt schon wissen, was sie noch alles bis zum Ende ihres Studiums lernen müssten«, ergänzte der Professor. »Würde sie das eher anspornen oder abstoßen?«

Trotz ihrer Anspannung musste Julia lachen. »Ja, das sehe ich ein.«

»Und das Ziel des Ganzen dürfte ihnen auch schon klar sein.« Frau Hegel lächelte trotz ihrer inneren Anspannung. »Carolin wollte ein Engel werden.«

Julia war insgeheim erleichtert, weil die Diskussion wieder auf ein sachliches Niveau gehoben wurde. »Okay, ich will gar nicht mehr wissen, was ich noch alles lernen muss. Ich vertraue ihnen.« Sie lachte. »O Gott, das klingt furchtbar kitschig.« Doch dann stutzte sie. »Eine Frage hätte ich allerdings doch.«

»Und die wäre?« Herr Hegel spürte, dass sie so gut wie gewonnen hatten.

»Wird es einen Punkt geben, an dem ich nicht mehr zurück kann?« Wobei Julia sich in diesem Moment gar nicht ausmalen wollte, was das genau bedeuten würde.

»Nein, diese Möglichkeit wird es immer geben.« Herr Hegel wurde wieder so ernst wie zu Beginn des Gespräches. »Wenn es ihnen reicht, sie genug haben oder es gar nicht mehr ertragen, dann können sie alles jederzeit abbrechen und uns verlassen.«

»Alles andere wäre ja ein Verbrechen, wenn wir sie gegen ihren Willen festhalten würden«, ergänzte Frau Hegel. Sie räusperte sich. »Es ist richtig, viele Sachen von Carolin sind sehr restriktiv. Aber sie sollten sich stets bewusst sein, dass ein Wort von ihnen genügt, und sie werden von allem befreit werden.« Sie machte eine bedeutsame Pause. »Allerdings müssen sie dann auch unser Haus verlassen.«

»Aber bitte verwechseln sie das nicht mit dem Notsignal, insbesondere wenn sie die Perle tragen.« Herr Hegel sprach wieder etwas sanfter. »Wenn sie mit etwas ernste Schwierigkeiten haben, dann werden wir darüber reden und gegebenenfalls nach Alternativen suchen.«

»Wir akzeptieren ihre Bitte auf Abbruch auch erst dann, wenn sie mindestens eine Nacht darüber geschlafen haben.« Sie lächelte weiter. »Wir möchten sicher sein, dass sie es auch wirklich ernst meinen.«

»Was muss ich denn als nächsten lernen? Darf ich das schon erfahren?« Julia wollte sich verständig zeigen und trotzdem ihrer Neugier nachgeben.

»Das trifft sich gut, dass sie das fragen.« Frau Hegel griff zu ihrer Handtasche. »Wir wollten sie jetzt ohnehin fragen, ob sie bereit wären, sich am Donnerstag auf das Pferd zu setzen.« Sie holte ein Foto aus ihrer Tasche und zeigte es Julia. »Wir würden es heute noch zusammen mit Frauke aufbauen, und sie könnten dann bis Donnerstag das Sitzen darauf üben.«

Julia blickte auf das Foto, und was sie sah, erschreckte sie nur im ersten Moment. »Das sieht spannend aus.« Sie keuchte. Auf dem Foto saß ein Mädchen auf einer Art Ständer, auf dem ein bananenförmiger Sattel angebracht war. Deutlich war zu sehen, dass die Beine des Mädchens festgeschnallt waren und das sie einen Monohandschuh trug.

»Wir haben nur dieses eine Bild.« Frau Hegel holte tief Luft. »Diesen Donnerstag würden wir von ihnen erwarten, dass sie nur darauf sitzen.«

Julia erkannte, dass der Satz noch weiter gehen würde. »Und nächste Woche?«

»Dann wäre es schön, wenn sie auch den Handschuh dazu tragen würden.« Sie blickte noch einmal auf das Foto.

Julia folgte dem Blick. »Danke für den Ausblick. Ich werde beides üben.«

»Apropos üben.« Herr Hegel trank einen Schluck aus seinem Glas. »Ich habe sie bei den Vorlesungen beobachtet. Sie schreiben selten etwas mit.«

»Ja, das ist richtig.« Julia spürte auf einmal ein schlechtes Gewissen. »Es steht ja alles in ihrem Skript.«

»Ich dachte mir, dass sie dann vielleicht etwas üben könnten?« Er lächelte leicht.

»Was soll ich denn üben?« Julia hatte keine Ahnung, was ihr Professor meinen könnte.

Er räusperte sich. »Wenn sie die Arme hinter die Lehne halten und dann die Hände falten, dann könnten sie für den Handschuh trainieren.«

Julia war verwundert. »Ich soll mit dem Handschuh üben? In der Uni?« Es kam ihr sehr befremdlich vor.

Er lächelte. »Ich sagte nicht 'mit dem Handschuh', ich sagte 'für den Handschuh'.«

Julia erkannte erst jetzt ihren Fehler und wurde rot. »Ja, das werde ich machen.« Sie war erleichtert, schon einen ersten Hinweis auf die nötigen Trainings erhalten zu haben.

Doch auf einmal war da ein anderer Gedanke. Ein ganz anderer Gedanke. Sie hatte den Verdacht, dass Hegels ihr mit den Mietbedingungen ein Falle gestellt hatten. Und in die war sie nun hinein getappt.

Doch bisher war sie mit den Bedingungen mehr als einverstanden, und insgeheim war sie auch nicht wirklich besorgt über die Zukunft. Insbesondere wenn sie an die erste Nacht im strengen Nachthemd dachte, fühlte sie sich in ihren Ansichten mehr als bestätigt. Die Orgasmen, die sie da bekommen hatten, waren besser als alles, was sie zuvor jemals erlebt hatte. In ihrem Unterbewusstsein ahnte sie, dass es davon noch mehr geben würde.

Außerdem wusste sie, dass sie von ganz oben beobachtet wurde. Carolin saß sicher auf irgendeiner Wolke und schaute ihr auf dem Weg zum Engel zu. Julia war sich sicher, dass sie ihr für den Weg, der vor ihr lag, die Daumen drückte. »Du wirst das schaffen, Julia.« Den Satz glaubte sie in ihrem Kopf zu hören.

Natürlich hatte sie längst erkannt, dass Hegels sie brauchten, um die Ziele zu erreichen, die sie eigentlich mit Carolin schaffen wollten. Auch deswegen fühlte sie sich diesen Zielen erst recht verpflichtet. Entsprechend wuchs auch ihr Ehrgeiz, denn sie empfand mittlerweile sogar eine gewisse Verbundenheit zu Hegels.

Sie fühlte sich sehr geborgen aufgenommen und von allen akuten Problemen befreit, wenn sie nur bereit war, ein Engel zu werden. Sie wusste zwar immer noch nicht, was genau ein Engel war, doch sie war entschlossen, sich dieser Herausforderung zu stellen. Ein wenig aus Dankbarkeit Hegels gegenüber, vor allem aber, weil sie viele Sachen machen musste, die sie selbst sehr erregend empfand.

Eben noch durfte sie Patricia kennenlernen, ein faszinierendes Mädchen, welches ebenfalls auf dem Weg zu einem Engel war. Und dass sie sie in einem Gottesdienst kennenlernen durfte, erhöhte das Vertrauen in ihre Situation.

Sie fühlte sich als etwas Besonderes, als sie jetzt in diesem noblen Restaurant ihr Gericht genoss. Und sie war auch erleichtert darüber, dass kaum jemand von ihren Restriktionen Kenntnis nahm, die sie doch beträchtlich in ihrer Bewegungsfreiheit einschränkten. Sie war dankbar, dass ihre Vermieter ihr so viel zutrauten, und sie war entsprechend bemüht, Hegels auch nicht zu enttäuschen.

Ihr gefiel der Gedanke sehr, durch ihre Bluse eingeschränkt zu sein und dennoch so würdevoll zu essen. Sie hatte weder mit der Vorspeise, einer sehr leckeren Suppe, noch mit der Hauptspeise oder auch dem Nachtisch irgendwelche Probleme. Sie hatte sich einfach an die eingeschränkten Bewegungsmöglichkeiten gewöhnt und nahm sie als gegeben hin. Letztendlich gefiel es ihr, in der Uniform etwas Besonderes zu sein, auch wenn es nicht sichtbar war.

Sie genoss die Blicke, die sie von Frauke bekam. Sie spürte, dass sie als ihre 'große Schwester' auf sie aufpasste und jederzeit bereit war, ihr mit dem Essen zu helfen, falls sie doch Probleme haben sollte. Gleichzeitig erinnerte sie sich aber auch an die Nacht, in der sie sie so zärtlich gestreichelt hatte.


Nur für einen kurzen Moment fühlte sie sich von Hegels ausgenutzt. Sie musste nur an die vergangenen Nächte denken und sie wusste sofort wieder, dass sie so ein Hochgefühl schon lange nicht mehr erlebt hatte. Die Nacht voller Orgasmen war etwas Außergewöhnliches gewesen, und doch wusste sie, dass sie es noch oft erleben würde. Zu deutlich waren die Zusammenhänge, als dass sie diese ignorieren konnte. Und sie fühlte, dass sie für alles nur einen sehr geringen Preis zahlen musste. Eigentlich war es sogar umsonst, wenn sie die Bedingungen für ihre Miete in Betracht zog.

Es war ihr auch mittlerweile klar geworden, dass Carolin anscheinend begonnen hatte, ein Leben in Fesseln zu führen, auch wenn dieser Begriff bisher nie so deutlich gesagt wurde. Natürlich war ihr durchaus bewusst, was die runden Kugeln in ihrem Mund, die von Hegels so liebevoll Perlen genannt wurden, wirklich waren. Doch ihr gefiel der Gedanke, und deswegen war sie bereit, alle diese Spiele mitzuspielen. Auch weil sie wusste, dass sie kaum eine Alternative dazu hatte.

Lediglich das Tagebuch zweifelte sie nicht an. Für sie stand es fest, dass Carolin auf einem sehr seltsamen Weg gewesen war, aber sie war auf dem Weg unterwegs. Und sie selbst war fest entschlossen, diesen Weg für sie zu gehen.

Immer wieder musste sie an die Badewanne denken, die sie gestern im Keller gesehen hatte, und die ihre Phantasie so drastisch angeregt hatte. Carolin schien schon eine gewaltige Menge an Routine entwickelte zu haben, was das Tragen des Handschuhs betraf. Anders war es nicht zu erklären, dass im Keller eben diese Badewanne stand, die es ermöglicht hätte, den Handschuh auch beim Baden zu tragen. Natürlich konnte das kein normaler Handschuh sein, denn das Leder hätte sicher in dem Badewasser gelitten. Er wäre sicher aus Stoff oder vielleicht sogar aus Plastik. Und natürlich mit Klettverschlüssen, denn die Metallverschlüsse würden in dem Badewasser auch leiden.

Doch am Traurigsten war, dass die Badewanne gar nicht mehr zu ihrem Einsatz gekommen war.

Das machte Julia wirklich melancholisch, wenn sie daran dachte. Sie hätte gern einige Fragen zu Carolin gestellt, doch sie hatte beim letzten Mal erlebt, wie betroffen Herr Hegel und seine Frau diesbezüglich reagiert hatten. Deswegen beschränkte sie sich darauf, im Haus ihre Beobachtungen zu machen und daraus ihre Schlüsse zu ziehen. Dafür war ihr Frauke eine große Hilfe.

Julia blickte auf und traf wie zufällig den Blick der Dienerin. Sie war sich über ihre Gefühle und die der Dienerin überhaupt nicht mehr im Klaren. Eigentlich waren die Rollen fest verteilt, Frauke war die Dienerin und sie selbst die Studentin und Mieterin. Und doch verband sie mittlerweile so etwas wie ein schwesterliches Band, auch wenn sie sich erst eine knappe Woche kannten.

Genauso erinnerte sie sich so gern an die zärtlichen Hände von Frauke, die sie in ihrem so hilflos machenden Nachthemd nach allen Regeln der Kunst verwöhnt hatte und sie genau so von Höhepunkt zu Höhepunkt getrieben hatte wie am Abend zuvor. Es waren diesmal zwar nur drei Orgasmen gewesen, doch bedingt durch die körperliche Nähe zu Frauke empfand sie sie als mindestens genauso schön. Außerdem durfte sie sie auch immer wieder die zärtlichen Küsse spüren, die Frauke ihr gegeben hatte.

»Sind sie damit einverstanden?« Die Worte ihres Professors rissen sie aus ihren Gedanken.

Julia realisierte, dass er ihr wohl eine Frage gestellt hatte, doch sie war noch so sehr in Gedanken, dass sie nicht wusste, was er gefragt hatte. Sie blickte etwas unsicher auf dem mittlerweile abgeräumten Tisch umher.

»Mein Mann fragt, ob sie uns noch auf einem Sparziergang begleiten würden.« Frau Hegel wiederholte die Frage ihres Mannes. »Sie und Frauke.«

Julia wollte noch etwas zögern, weil sie schon lange begriffen hatte, dass Frauke lieber die Öffentlichkeit mied. Doch dann trafen sich ihre Blicke, und das Leuchten in den Augen von Frauke zeigte Julia, dass sich die Dienerin offensichtlich auf diesen Spaziergang freute.

Sie konnte über das Motiv für diese Freude nur spekulieren, doch sie wusste, dass sie dem ganzen Vorhaben unbedingt zustimmen musste. Instinktiv ahnte sie, dass sie dann vielleicht mit Frauke allein sein könnte, und Hegels würden vermutlich vor ihnen oder hinter ihnen gehen. Dann könnte sie sich auch ungestört mit Frauke unterhalten. Denn unter anderem wollte sie ihr erklären, dass die Eifersucht bezüglich Patricia ganz unbegründet war.

139. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 6 - Familie Vogel - Teil Fünf von Neun

geschrieben von gag_coll am 08.05.18 17:34

Der Mantel der Studentin
Kapitel 6 - Familie Vogel - Teil Fünf von Neun
Autor: Karl Kollar

Julia wunderte sich etwas, dass Hegels sich einfach erhoben und das Restaurant verließen. Offensichtlich hatten sie schon gezahlt, oder es gab eventuell sogar andere Regelungen. Selbst letzteres würde sie nicht mehr in Erstaunen versetzen.

Sie lächelte, als Frauke ihr den Mantel zum Anziehen reichte. Insgeheim war ihr dieser Mantel sogar lieber als der enge Ledermantel, denn dieser Mantel zeigte den wenigen Eingeweihten ihren noch so ungewohnten Status. Sie hatte einen Engel auf der Schulter, aber trotzdem kam es ihr so vor, als würde sie dieses Rangabzeichen noch gar nicht zu Recht tragen. Doch sie wusste nicht, wen sie wegen ihrer Zweifel fragen könnte.

Natürlich trug auch Patricias Erscheinung im Gottesdienst dazu bei, vor allem weil Patricia ebenfalls diese Uniform tragen durfte. Und sie freute sich schon sehr auf nächsten Sonntag, wenn Vogels Tochter zu Besuch kommen würde. Sie hatte schon viele Fragen.

Doch dann hielt sie in ihren Gedanken inne. Wie viel würde sie wirklich von ihrer Zukunft wissen wollen? Schließlich machte Patricia, die ihr sicher ein paar Schritte voraus war, einen sehr zuversichtlichen und vor allem glücklichen Eindruck. Es gab also anscheinend nichts zu fürchten, und das beruhigte Julia sehr.


»Dieses Gebäude wollte ich ihnen zeigen. Es müsste ihnen bekannt vorkommen.« Herr Hegel zeigte unauffällig mit der Hand auf das Grundstück, an dem sie gerade vorbei gingen.

Julia musste nicht lange überlegen, denn sie erkannte diese Jugendstil-Villa sofort. Der Vater von Herrn Hegel hatte dieses Gebäude gebaut, und sein Sohn benutzte es als Beispiel für viele seiner Vorlesungen. »Ja, natürlich erkenne ich es.« Julia war fasziniert, die Beispiele aus dem Lehrbuch jetzt quasi 'live' zu sehen.


»Haben sie dieses Haus auch gebaut?« Es war Julia aufgefallen, dass Hegels für ein weiteres Haus auf ihrem Weg ebenfalls besonderes Interesse hegten.

»Nein, das nicht.« Frau Hegel lächelte. »Hier wohnen Vogels. Ich will mal kurz sehen, ob sie daheim sind.« Sie verschwand auf dem Grundstück und kam kurze Zeit wieder zurück. »Wir könnten sie kurz besuchen, aber Patricia muss trainieren, lassen sie ausrichten.«

»Möchten sie?« Herr Hegel blickte Julia fragend an, und es wurde deutlich, dass er auch ein 'Nein' von ihr akzeptiert hätte.

Julia lächelte erleichtert und neugierig zugleich. Es war ihr positiv aufgefallen, dass ihre Meinung noch etwas zählte. Und natürlich reizte es sie, zu erfahren, wie Patricia ihr Training wohl gestalten würde.


Sie mussten nur um die Ecke gehen und schon standen sie auf einer weitläufigen Terrasse.

Frau Vogel lächelte. »Ich habe ihr Bescheid gegeben, sie kommt gleich vorbei.« Dann wandte sie sich an Frau Hegel. »Hast du ihr gesagt, dass Patricia heute keine Fragen mehr beantworten kann?«

»Nein, das habe ich nicht.« Frau Hegel lächelte. »Aber das wird Julia gleich selbst merken.«

Aus dem Hausinneren waren Schritte zu hören, zuerst leise, dann wurden sie lauter. Schließlich war Patricias verlegenes Gesicht zu sehen. Sie blickte sich schüchtern um, bevor sie die Terrasse betrat.

Julia erkannte sofort, dass sie ein Perlennetz trug, und auf den zweiten Blick sah sie auch, dass ihre Arme in der Lederhülle eines Handschuhes verpackt waren. »Du trainierst?« Sie blickte das Mädchen fasziniert an.

Patricia nickte nur.

»Ich muss das auch dringend trainieren.« Sie warf einen Blick zu Hegels, die es sich allerdings gerade erst auf den bequem aussehenden Gartensesseln gemütlich machten.

»Ihr drei Mädchen möchtet euch vielleicht etwas abseits setzen.« Frau Vogel blickte auf drei Gartenstühle, die etwas abseits auf dem grünen Rasen standen.

Sie hatte es freundlich und nett formuliert, doch Julia verstand sofort, dass es eigentlich ein Befehl war. Erst jetzt erkannte sie, dass zwei der Stühle eine Lehne für eine Handschuhträgerin hatten. Sie war fasziniert. Vogels waren offensichtlich sogar auf Besuch eines Engels eingestellt.

Sie stellte einen Vergleich zu den Möbeln bei Hegels her - dort gab es meistens nur ein entsprechendes Möbel. Oder Patricia hatte noch eine Schwester, das würde die zwei Stühle ebenfalls erklären.

Patricia führte ihre Gäste zu den Stühlen, und obwohl sie offensichtlich nicht reden konnte, strahlte sie doch eine gewisse Autorität aus, die bewirkte, dass Frauke und Julia sich auf die beiden anderen Stühle setzen. Und obwohl die Studentin keinen Handschuh, wählte sie doch den Stuhl, der die gleiche Lehne hatte wie der Stuhl von Vogels Tochter.

»Gefällt es euch bei uns im Garten?« Patricia blickte ihre zukünftige Partnerin lächelnd an.

Julia war mehr als verwundert. Zum ersten Mal erlebte sie ein Mädchen, welches mit einer Perle im Mund trotzdem noch reden konnte. Es klang lediglich so, als würde sie mit vollem Mund reden. 'Gefällt es euch bei uns im Garten' glaubte Julia verstanden zu haben, und weil sie sich nicht sicher war, wiederholte sie die Frage. Sie war erleichtert, als Patricia danach nickte.

»Ja sehr.« Julia war mehr als verwundert. »Warum bist du so gut zu verstehen?«

Patricia lächelte um den Ball in ihrem Mund. »Das nennt sich die Perlensprache.«

Julia blieb verwundert. »Ich dachte, die Perlen wären dazu da, für Ruhe zu sorgen?«

Sowohl Patricia als auch Frauke mussten lachen. Vogels Tochter blickte Frauke mit verdrehten Augen an.

Frauke lächelte. »Ich erkläre dir das, wenn wir daheim sind.«

Eine Hausangestellte kam aus dem Haus. »Wünschen die Damen etwas zu trinken?«

Patricia blickte einmal zum Himmel.

»Ein Wasser?«, übersetzte die Angestellte.

Sie nickte. Julia und Frauke schlossen sich an.

Julia war fasziniert von der Art, mit der Vogels Tochter kommunizierte. Immer stärker wuchs die Ehrfurcht vor dem besonderen Leben, welches ein Engel anscheinend zu führen hatte, und das offensichtlich noch vor ihr lag.


Als die Angestellte die Getränke brachte, war für Patricia ein Strohhalm dabei, und sie hatte gar keine Probleme, ihre Lippen am Ball entlang um den Halm zu schließen.

Julia blickte sie verwundert an. Sie war mehr als fasziniert. Sie selbst nahm einen normalen Schluck Wasser und blickte doch immer wieder auf den Strohhalm. Patricia musste sich immer nur ein wenig zu ihrem Glas hinunter beugen, um einen Schluck nehmen zu können.

Tatsächlich spielte Patricia hier nur Theater. Sie tat nur so, als wäre es für sie eine Selbstverständlichkeit, mit der Perle im Mund zu trinken. Tatsächlich folgte sie nur dem Wunsch Hegels, die sie gebeten hatten, Julia das Leben eines Engel näher zu bringen. Und dazu gehörte eben, dass sie den Eindruck erweckte, die Perlen wären etwas ganz normales im Alltag eines Engels.

Sie selbst hatte Zweifel bezüglich dieses Anliegens, denn natürlich konnte sie so nicht wirklich trinken. Sie wäre nicht in der Lage, das Wasser hinunter zu schlucken. Stattdessen würde es über kurz oder lang aus ihrem Mund heraus tropfen. Und natürlich würde es Julia bestimmt nach einiger Zeit auffallen, dass ihr Glas nicht leerer werden würde.

Auf der anderen Seite hatte sie eine gewisse Freude daran, ein unbedarftes Mädchen auf diese Weise an das Leben der Engel heranzuführen.

»Und wie lange musst du trainieren?« Julias Blick zeigte immer mehr ihrer Faszination.

Doch zu ihrer Überraschung schüttelte Patricia den Kopf.

Julia musste nicht lange überlegen. »Wie lange möchtest du trainieren?«

Patricia lächelte zur Antwort, dann nickte sie zwei Mal langsam mit dem Kopf.

»Zwei Stunden?« Julia versuchte eine Übersetzung ihrer Gesten.

Vogels Tochter nickte und ihre Augen strahlten dabei.

»Und wie lange hast du schon?« Erst als sie es ausgesprochen hatte, fiel Julia ein, dass Patricia so schwer antworten konnte.

Das Mädchen deutete wieder ein langsames Nicken an und blieb auf der Hälfte stehen.

Julia verstand diesmal sofort, was ihr Gegenüber sagen wollte. »Eine halbe Stunde?«

Wieder nickte Patricia.

Julia war sichtlich fasziniert.

»Schade, dass du die Gesten noch nicht kannst.« Frau Vogel kam zu den drei Mädchen auf den Rasen.

»Gesten?« Julia horchte auf.

»Ja. Die Gesten«, wiederholte Frau Vogel. »Wenn die Engel unter sich sind, dann können sie sich auf diese Weise sehr gut verständigen.«

»Das klingt ja sehr interessant.« Julia hatte Mühe, ein Keuchen zu unterdrücken.

»Du weißt vermutlich noch nichts davon«, vermutete Frau Vogel.

»Nein.« Julia schüttelte den Kopf.

»Ja, richtig.« Die Mutter von Patricia lächelte. »Das lernen die Engel auch immer erst nach der ersten Prüfung.«

Julia blickte Patricia verwundert an. Woher kannte Vogels Tochter dann schon diese Gesten, fragte sie sich insgeheim. Doch sie wagte es nicht, diesbezüglich eine Frage zu stellen.

Frau Vogel hatte den Blick bemerkt. »Ich habe meiner Tochter schon einiges von meinem eigenen Wissen beigebracht. Aber mach dir deswegen keine Sorgen. Du wirst noch genug Zeit bekommen, um alles Wichtige zu lernen.«

Insgeheim war Julia immer faszinierter von dem kommenden Leben und Alltag der Engel. Es gab sogar Gesten, mit denen sich die Engel untereinander verständigen konnten, wenn sie mal die Perlen trugen.

»Die Perlensprache wäre natürlich auch ein Mittel, aber dabei riskiert man, das Engelsnektar verloren geht«, fügte sie geheimnisvoll hinzu.

Wieder musste Julia ungläubig schauen.

»Merke dir die Frage für nächste Woche.« Patricias Mutter lachte, als sie das Gesicht der Studentin sah. Sie drehte sich um und ging wieder in Richtung Terrasse.

»Einen wunderschönen Garten habt ihr.« Julia fühlte sich an den elterlichen Hof erinnert. »Geht er auch bis zum Wald hinüber?«

»Wald?« Frauke runzelte die Stirn.

Patricia stand auf und machte mit dem Handschuh eine Bewegung.

Frauke übersetzte. »Ich glaube, wir sollen ihr folgen.«


Sie gingen durch einige Meter dicht aneinander gepflanzter Bäume. Erst an einem Zaun blieb Patricia stehen. Sie machte einen stolzen Eindruck.

Julia blickte sich um. Auf dem Nachbargrundstück war offensichtlich ein Gärtner beschäftigt, der gerade seine Arbeitsgeräte weglegte und näher zu kommen schien. Zuerst nahm sie es als ganz selbstverständlich war, erst spät fiel ihr ein, dass heute eigentlich Sonntag war.

»Peter, was machst du denn hier?« Sie war verwundert, ihren Freund auf der anderen Seite des Zauns stehen zu sehen, noch dazu in einem Aufzug, den sie einem Jurastudenten kurz vor dem zweiten Staatsexamen nicht zugetraut hätte.

Peter Behrens lächelte. »Ich jobbe beim Nachbarn als Gärtner. Dann kann ich in deiner Nähe sein.« Er strahlte bis über beide Ohren. »Du hast Besuch?«

Patricia nickte. Auch in Gegenwart ihres Freundes versuchte sie, ihre Perlensprache auf das Notwendigste zu reduzieren.

»Aber sie ist kein Engel?« Peter musterte Julia, Frauke schien er zu kennen.

»Noch nicht.« Julia antwortete selbst. Und sie hörte sich sehr stolz dabei an.

»Och Mädels, warum liefert ihr euch denn so aus?« Er verdrehte die Augen. »Was ist daran so interessant?«

Patricia verdrehte ihrerseits ebenfalls die Augen. So deutlich wie sie konnte, versuchte sie eine Antwort. »Das besprechen wir heute Abend. Komm um acht Uhr wieder, dann habe ich Zeit für dich. Meine Eltern werden in der Oper sein.« Sie war hin und her gerissen. Sie freute sich einerseits über ihren Freund, andererseits wusste sie, dass er sie beim Trainieren störte. »Lass uns jetzt bitte in Ruhe.«

Zu Julias Überraschung gab sich Peter damit zufrieden und wandte sich wieder seiner Arbeit zu.

»Ich glaube, wir müssen dann auch wieder gehen.« Frauke deutete auf die Terrasse, wo sich Hegels anscheinend gerade verabschiedeten.


Julia hatte angenommen, der Sonntagsausflug wäre damit schon vorbei, doch sie hatte sich getäuscht. Hegels führten sie und Frauke noch in ein kleines Café.

»Haben sie sich gut mit Patricia unterhalten?« Herr Hegel blickte sie interessiert an.

Frau Hegel ging dazwischen. »Winfried! Du kannst doch die jungen Leute nicht einfach so aushorchen.«

»Eine Frage hätte ich schon.« Julia fühlte sich ermutigt. Sie zählte auf, was ihr bei Patricia so alles aufgefallen war.

»Ja und?« Herr Hegel lehnte sich zurück.

»Wird das alles auch von mir erwartet?« Ein wenig Angst lag in ihrer Stimme.

Statt einer Antwort machte ihr Professor etwas, dass er noch nie gemacht hatte. Er ergriff ihre Hand und hielt sie fest. »Ich bin mir ganz sicher, dass sie das schaffen werden. Nicht weil sie mich nicht enttäuschen wollen, sondern weil sie sehr ehrgeizig sind.« Er drehte sich zu seiner Frau. »Ich habe es dir doch gesagt. Wenn sie einmal das ganze Bild erkannt haben wird, dann wird sie mit Begeisterung bei der Sache sein.«

Julia war sehr fasziniert. Sie versuchte, den Gedanken zu folgen. »Wenn sie mir gesagt hätten, dass Patricia mit Handschuh und Perlennetz im Garten umher läuft, dann hätte ich ihnen das nie geglaubt. Und doch sah sie so glücklich aus.«

Er ließ ihre Hand wieder los. »Und glauben sie mir, sie ist es auch, und sie freut sich sehr auf ihre Zukunft.«

»Warum verschwenden wir hier Zeit?« Julia hatte Mühe, ihre Stimme unter Kontrolle zu halten. »Ich müsste dringend trainieren.«

Frau Hegel lächelte. »Oh, Geduld gehört aber auch zu den Tugenden eines guten Engels. Und glauben sie mir, sie werden noch genügend Zeit zum Trainieren haben.«

»Haben sie sich eigentlich gestern einen konkreten Trainingsplan ausgearbeitet?« Herr Hegel lehnte sich wieder zurück.

»Nein, dazu hätte ich ja wissen müssen, was ich noch alles lernen muss.« Sie konnte nicht verhindern, dass in ihrer Stimme ein Vorwurf mitklang.

Herr Hegel lachte. »Da haben sie natürlich recht. Außerdem gibt es noch so viel zu lernen, dass es eigentlich sogar gleichgültig ist, wann sie was lernen.«

Es war Julia nicht klar, ob er mit dieser Aussage ihr Studium oder ihren Weg zum Engel meinte. Doch letztendlich spielte es auch keine Rolle. Sie würde viel lernen müssen.

»Aber sie sollten auch regelmäßig ihre Pausen im Auge behalten. Frauke wird sie sicher gern an die eine oder andere Pause erinnern.« Er drehte sich zu der Dienerin. »Nicht wahr, Frau Wiesl?«

Frauke nickte verlegen, denn sie war etwas in Gedanken. Sie hatte bisher gedacht, Julia würde sich mit Patricia anfreunden und sie ihr wegnehmen. Deswegen fühlte sie vor allem Eifersucht. Doch gerade eben hatte sie offensichtlich den Freund von Vogels Tochter kennengelernt und hatte schnell realisiert, dass Patricia ihr Herz schon verschenkt hatte. Ihre Augen hatten immer dann besonders geleuchtet, wenn sie den vermeintlichen Gärtner angesehen hatte.

Doch sie war sich nicht sicher, ob Julia das ebenso erkannte hatte. Denn als Engel und vor allem als ihre Patricias Partnerin würde sie noch sehr viel Zeit mit dem so faszinierenden Mädchen verbringen. Frauke beschloss für sich, weiterhin um Julia zu kämpfen.

Sie war sich noch immer sehr unsicher über ihre Beziehung zu Julia. Sie war sich nicht einmal sicher, ob es überhaupt eine Beziehung war. Denn bisher hatte sie ihr nur etwas von einer kleineren Schwester erzählt. Und Frauke war zwar fasziniert von ihren Gefühlen, als sie Julia letzte Nacht so zärtlich von Orgasmus zu Orgasmus gestreichelte hatte. Doch es kam ihr auch immer noch etwas unfair vor, weil Julia sich überhaupt nicht dagegen wehren konnte.
140. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von Rowdypiper am 09.05.18 08:39

Hallo,

wieder zwei großartige Teile, die wir in den letzten Tagen genießen durften.

Aber ich sehe ja anhand der Titel, dass uns das Vergnügen wohl nicht all zu lange erhalten bleibt, wenn wir jetzt schon bei Teil Fünf von Neun sind.

Darf man schon die Frage stellen, wann denn die nachvolgenden Kapitel kommen werden?

Wir haben ja bei Maria gesehen, was aus einer "kleinen" Geschichte für ein Epos hier im Forum werden kann.

Ich freue mich jedenfalls immer aufs neue, deine Geschichten zu lesen.

Grüße vom Rowdypiper.
141. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von ronn2321 am 14.05.18 16:13

Man Ist die Geschichte sehr Spannen.
Das sie den anderen Engel Kennen lernt ist sehr spannen.

Warte sehr auf eine fortsetzung !!
142. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von Rowdypiper am 23.05.18 00:30

Also ich muss mich doch ein wenig wundern. e ssind erst 5 Teile hier veröffentlicht, und es sind schon einige Tage vergangen.

Ob wir die restlichen Teile dieser schönen Geschichte wohl noch zu lesen bekommen??

Melde dich doch einfach mal, ob und wenn ja, wann hier weitere Teile erscheinen werden.

Ich fänds natürlich schade, wenn es nicht weiterginge.
143. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von SteveN am 23.05.18 16:49

Pssssst ..... ...... ......

Ich kenne da eine Seite, wo die gesamte Geschichte
9/9 zu lesen ist.
.Knebelreich.de

Viele Grüße SteveN


144. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von N0V0 am 23.05.18 19:07

Eine der wenigen Geschichten, die ich hier zur Zeit immer wieder sehr gerne lese. Hoffentlich geht sie noch lange weiter
145. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von HeMaDo am 23.05.18 19:11

Zitat

Ich kenne da eine Seite, wo die gesamte Geschichte 9/9 zu lesen ist.

Leider habe ich dort keinen Zugang, daher bin ich darauf angewiesen, die Geschichte hier zu lesen.


Zitat

Eine der wenigen Geschichten, die ich hier zur Zeit immer wieder sehr gerne lese. Hoffentlich geht sie noch lange weiter

Den kann ich nur voll und ganz zustimmen. Eine der besten Geschichten hier im Forum, wie ich finde.
Hoffentlich geht sie balde weiter.


HeMaDo
146. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von gag_coll am 24.05.18 05:38

Hallo,
ich hatte in der letzten Zeit sowohl familiäre als auch IT-technische Probleme, deswegen mein langes Schweigen. Ich denke, dass ich in den nächsten Tagen die IT-Probleme in den Griff bekomme. Die Probleme mit der Familie lassen sich leider nicht so einfach lösen...
Viele Grüße
gag_coll
147. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von Wölchen am 24.05.18 06:09

Ja ist meistens so.Aber wenn die Probleme zur zufreidenheit aller gelöst sind.Ist die Welt wieder gleich viel schöner.

Alles gute und viel Erfolg.

mfg Wölchen
148. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 6 - Familie Vogel - Teil Sechs von Neun

geschrieben von gag_coll am 24.05.18 21:08

Der Mantel der Studentin
Kapitel 6 - Familie Vogel - Teil Sechs von Neun
Autor: Karl Kollar

»Und was ist für das Haltungstraining alles wichtig?« Julia war sich nicht sicher, ob sie es wirklich schon wissen wollte, doch sie fühlte, dass die Gelegenheit günstig war. Im Studienalltag gab es sonst für solche Gespräche kaum Zeit.

»Wollen sie das wirklich schon wissen?« Herr Hegel blickte seine Studentin nachdenklich an. »Wir dachten, dass sie sich erst einmal mit dem Pferd vertraut machen sollten.«

»Ja, aber wenn ich weiß, was noch alles kommen wird, dann kann ich es auch kombinieren.« Julia wusste in diesem Moment nicht, woher sie den Mut nahm, ihrem Professor zu widersprechen.

»Wir möchten sie nicht überfordern, aber wenn sie meinen, dass sie die einzelnen Sachen kombinieren können, dann werden wir ihnen gern dabei helfen.« Er lächelte. »Das liegt ja in unser beider Interesse.«

»Und was ist nun alles wichtig?« Julia spürte, dass sie quasi 'gewonnen' hatte.

»Nun, vor allem ist ein größeres Korsett wichtig.« Frau Hegel kam ihrem Mann zu Hilfe.

»Größer?« Julia runzelte die Stirn.

Frau Hegel lachte. »Ja, 'größer' ist wohl die falsche Vokabel. Das neue Korsett wird länger sein und von den Schultern bis zur Hüfte reichen.«

Julia realisierte erst jetzt, dass Patricia in der Kirche seltsam gerade gesessen hatte. Sie äußerte dies. »Gehört das auch zur Haltung dazu?«

»Ja, das sehen sie richtig.« Die Frau des Professors nickte. »Die Haltung eines Engels muss zu jeder Zeit perfekt sein, vor allem aber im Gottesdienst.«

»Das stimmt so nicht.« Der Professor widersprach seiner Frau. »Aber bei uns in der Gemeinde wäre es von großem Vorteil, weil die Pfarrerin...« Er hielt inne und wurde ein wenig rot. Eine Reaktion, die sie so bewusst das erste Mal bei ihrem Professor bemerkte.

Seine Frau kam ihm zu Hilfe. »Ein Engel sollte immer eine gute Haltung haben.« Und als sie Julias verwunderten Blick sah, sprach sie weiter. »Sie werden die Zusammenhänge bald erkennen.« Dabei blickte sie kurz und verstohlen zu ihrem Mann.

»Und natürlich sind auch Schuhe mit hohen Absätzen wichtig.« Frauke war der Meinung, dass Julia nun genug gelitten hatte.

»Aber gerade damit müssen sie vorsichtig sein, damit es nicht zu körperlichen Schäden kommt.« Herrn Hegel waren diese Aspekte nicht geheuer, doch er wusste, wie wichtig sie waren.

»Warum das?« Julia konnte sich mit dem Thema High Heels bisher auch nicht wirklich anfreunden.

»Die Muskeln gewöhnen sich sonst an die Haltung, und das ist nicht gut.« Frau Hegel hoffte, die richtigen Argumente zu finden. »Zumindest in der Anfangsphase sollten sie immer wieder zwischen hohem und flachem Absatz wechseln.«

»Aber dann kann ich den Handschuh nicht tragen.« Julia hatte sofort erkannt, dass es hier wie beim Rockreißverschluss war, den sie im Handschuh nicht bedienen konnte.

»Oh, Carolin hatte für dieses Training noch ein Hilfsmittel.« Frau Hegel war über den Verlauf des Gesprächs sehr erleichtert.

»Einen Schuhlöffel?« Julia konnte sich zwar nicht vorstellen, wie dieses Gerät ihre etwas seltsamen Probleme lösen konnte, doch sie wollte zeigen, dass sie versuchte, mitzudenken. Ihr fielen wieder die hohen Absätze an Patricias Schuhen ein, die sie im Garten bewundert hatte.

»Nein, in die andere Richtung gedacht.« Frau Hegel schmunzelte. »Sie hatte Pantoffeln mit hohen Absätzen. Die lassen sich einfach abstreifen und genauso einfach kann man wieder hinein schlüpfen, ohne die Hände zu Hilfe nehmen zu müssen.«

Julias Augen begannen zu leuchten. »Ist ja praktisch und so gut durchdacht.«

»Es sollen ja keine unnötigen Schikanen sein.« Herr Hegel war erleichtert, dass dieses Thema besprochen war.

Julia gab sich ebenfalls erleichtert. »Mir wäre ganz recht, wenn sie mir wenigstens signalisieren könnten, welche Zeiträume ich schaffen muss.«

»Machen sie sich darüber keine Sorgen.« Frau Hegel sah sie liebevoll an. »Wir sind der Meinung, dass es mit der verbleibenden Zeit durchaus zu schaffen ist, auch wenn Frau Reger diesbezüglich anderer Meinung ist.«

»Und wenn ich einfach gehe?« Julia fragte sich, wo sie den Mut her nahm, diese Frage zu stellen.

»Das ist das Risiko, welches wir zu tragen haben.« Herr Hegel lehnte sich zurück, um scheinbar Gelassenheit zu zeigen. Tatsächlich war er hoch angespannt. » Sie haben sicher schon realisiert, dass sie unsere letzte Möglichkeit sind, unser Ziel zu erreichen. Das soll sie jetzt aber bitte nicht unter Druck setzen.«

»Jetzt bist du aber unfair, Winfried.« Seine Frau widersprach ihm. »Genau damit setzt du doch Frau Sommer unter Druck.«

Julia musste sich erst räuspern, bevor sie weiter sprechen konnte. »Ich werde mein Bestes geben. Wenn sie scheitern sollten, soll es nicht an mit mir liegen. Ich werde alles lernen, was nötig ist.« Sie holte tief Luft. »Wenn ich es richtig verstanden haben, dann geht es um einen Zeitraum von Wochen?«

»Es nutzt wohl nicht, es ihnen vorenthalten zu wollen.« Herr Hegel lächelte trotz seiner Anspannung. »Am Sonntag in zwei Wochen wollen wir sie vorstellen. Wenn sie einmal angenommen wurden, dann haben sie mit allen anderen neuen Mädchen genügend Zeit zum Trainieren.«

»Okay«, Julia hatte Schwierigkeiten, ihre Gefühle unter Kontrolle zu halten. »Das heißt, ich muss die nächsten zwei Wochen verstärkt arbeiten und trainieren.«

»Das würden wir von ihnen erwarten.« Frau Hegel lächelte ebenfalls. »Und natürlich sind wir der Meinung, dass sie es auch schaffen könnten, sonst hätten wir das gar nicht angefangen.«

Julia spürte auf einmal eine Vertrautheit, die für sie noch ganz ungewohnt war. »Wissen sie, was mir am meisten Schwierigkeiten bereitet?« Sie wurde rot, und es wurde deutlich, dass es ihr schwer fiel, weiter zu reden. »Die Sachen erregen mich.« Sie hoffte, nicht deutlicher werden zu müssen, da ihr das Thema eher peinlich war. »Es tut mir leid, dass ich meinen Körper nicht so unter Kontrolle habe, wie ich das gern möchte.«

Herr Hegel gab sich in diesem Moment sehr sensibel. »Ich mag nicht nachfragen, weil ich spüre, dass ihnen das Thema unangenehm ist. Doch ich kann sie beruhigen.« Er lächelte vorsichtig. »Es gibt keinen Grund zur Sorge, wirklich nicht.«

»Im Gegenteil, diese Reaktionen sind bei den Engeln sogar sehr erwünscht.« Frau Hegel streichelte Julia vorsichtig über den Kopf. »Sie brauchen diesbezüglich kein schlechtes Gewissen haben.« Sie machte eine bedeutsame Pause. »Und ich kann ihnen versichern, dass sie wirklich gut auf Carolins Weg unterwegs sind.«

»Zumindest wenn sie im Haus sind, dürfen sie sich gern gehen lassen und ihren Gefühlen freien Lauf lassen.« Herr Hegel blickte zu Boden. »Und da sie ohnehin die Perlen tragen werden, werden wir es kaum mitbekommen.«

Julia musste einen Moment überlegen, um zu erkennen, wie dieser Satz gemeint war. Schließlich lächelte sie. »Das könnten sehr interessante Zeiten werden.«

»Ein Engel zeigt nicht, wenn er einen Höhepunkt hat. Er versucht es zu verbergen.« Herr Hegel hob langsam wieder den Kopf. »Dafür sind sie ja schon bestens geeignet.«

»Wie meinen sie das?« Julia war der besondere Tonfall aufgefallen.

Erst jetzt bemerkte Herr Hegel, dass er sich verplappert hatte. »Ich glaube, Frau Wiesl hatte so etwas erwähnt.« Er wandte sich an Frauke. »Nicht wahr? Sie hatten so etwas angedeutet.«

Frauke hatte die Bedrängnis von Herrn Hegels ebenso bemerkt. Und sie war bemüht, ihrem Dienstherrn eine Brücke zu bauen. »Sie schläft so ruhig, dass wir sie in dem Nachthemd gar nicht festschnallen müssen.«

Julia stand der Mund auf. »Ich hatte mir die Engel ganz anders vorgestellt.« Sie machte ein sehr verblüfftes Gesicht.

»Jetzt sind sie hoffentlich nicht enttäuscht?« Frau Hegel hatte Mühe, ihr Lachen zu unterdrücken.

»Nein, natürlich nicht.« Julia holte tief Luft. »Aber ich bin sehr gespannt auf die anderen Engel. Wie ist das mit Patricia? Gilt das auch für sie?«

»Ja, natürlich«, bestätigte Herr Hegel. »Das gilt auch für Vogels Tochter.«

»Aber sie hat doch einen Freund.« Julia war sehr begierig dabei, möglichst viel über die Engel zu erfahren.

»Patricia wird einmal ein sehr guter Engel werden.« Herr Hegel gab sich zuversichtlich. »Ihr Vater ist sehr stolz auf seine Tochter. Und ich denke, sie werden ihr eine gute Partnerin werden.«

Julia bemerkte in ihrer Aufregung nicht, dass er die Frage nach dem Freund gar nicht beantwortet hatte. Unwillkürlich fiel ihr Blick auf Frauke. Und sie glaubte, bei ihr eine gewisse Erleichterung erkannt zu haben.

Herr Hegel blickte demonstrativ auf seine Uhr. »Ich denke, wir sollten dann langsam aufbrechen.« Er gab der Bedienung ein Zeichen. »Sie wollen ja schließlich noch das Pferd ausprobieren.«

Frauke freute sich insgeheim schon darauf, denn auf dem Pferd sitzen war eine der wenigen Sachen, die ihr keine Probleme bereitet hatten. Außerdem war sie sehr erleichtert darüber, dass Patricia schon einen Freund zu haben schien und vor allem, dass Julia dies auch erkannt hatte. Doch ob sie ihre Eifersucht unter Kontrolle haben würde bei dem zukünftigen engem Kontakt zwischen den beiden neuen Engeln, dass wusste sie nicht.


Auf dem Weg zum Auto gingen Frauke und Julia nebeneinander. Beide waren immer noch sehr beeindruckt von der Natürlichkeit und Selbstverständlichkeit, mit der Patricia aufgetreten war. Und selbst Frauke, die wusste, dass Patricia zum Teil nur eine Komödie spielte, hatte Schwierigkeiten zu sagen, welcher Teil vom Auftritt von Vogels Tochter echt war und was gespielt. Sie hatte insgeheim den Eindruck, dass Patricia den Auftritt sehr genossen hatte. So gesehen war alles echt.

»Patricia sah sehr glücklich aus.« Julia gab ihren Eindruck wieder. »Man konnte es richtig spüren, wie sehr sie sich auf die Engel freute.«

»Aber wir wissen immer noch nicht, was die Engel genau sind.« Frauke sagte in diesem Moment die Wahrheit, denn auch bei ihr selbst war es nie zu einer Vorstellung oder zu Kontakt mit anderen Engeln gekommen. Und das lag nicht einmal an ihrem besonderen Status.

»Ja, das ist wohl wahr.« Julia seufzte. »Aber so glücklich wie sie war, kann es nichts schlimmes sein. Sie hat sich ja sogar mit ihrem Freund getroffen.«

»Sie scheint ihn vor ihren Eltern verstecken zu müssen«, spekulierte Frauke. »Was wird sich wohl heute Abend in ihrem Zimmer abspielen?«

Julia lächelte zunächst nur, doch dann blieb sie stehen. »Wirst du mich heute Abend wieder ins Bett bringen?«

Frauke blieb ebenfalls stehen und drehte sich zu Julia. »Wenn du möchtest, dann gern.«

»Kannst du nicht einmal die ganze Nacht bei mir bleiben?« In der Stimme der Studentin lag viel Sehnsucht.

»Da müsste ich Hegels fragen.« Frauke wollte in diesem Moment ein 'Nein' unbedingt vermeiden.

»Ich würde beim Erwachen sehr gern in deine Augen blicken.« Julia hatte in diesem Moment ihre Intelligenz abgeschaltet und ließ nur noch ihre Gefühle sprechen. »Es bedeutet mir sehr viel.«

»Wir könnten Hegels fragen, was sie davon halten.« Frauke holte tief Luft. »Aber zu viel Hoffnung solltest du dir nicht machen.« Sie seufzte deutlich. »Ich kann meinen Gürtel nicht ablegen, und du wirst Deinen morgen bekommen.«

»Das macht mir nichts aus.« Sie beugte sich vor, und ihr Mund suchte die Lippen von Frauke. »Du bist nicht nur meine Schwester.«

Frauke seufzte leise, als sie Julias Lippen auf den Ihren spürte.


»Frau Wiesl, so geht das nicht.« Herr Hegel hatte sich zu dem Paar umgedreht. »Sie dürfen nicht so weit zurück bleiben, sonst bekommen sie Ärger.«

»Ja, natürlich.« Frauke ließ von Julia ab. »Wir müssen weiter gehen.«

Julia seufzte nur. Sie wusste nicht, was aufregender war. Der spontane Kuss oder der faszinierende Auftritt von Patricia.

»Das meinte ich nicht.« Herr Hegel gab sich Mühe, freundlich zu klingen. »Wenn sie eine Pause brauchen, dann sagen sie es. Wir warten gern.«

Frauke war über die Worte mehr als verwundert. »Es stört sie überhaupt nicht, dass Julia und ich...« Sie sprach nicht weiter.

»Nein, warum sollte es uns stören?« Frau Hegel hatte sich ebenfalls umgedreht. »Im Gegenteil, es freut uns, wenn Julia eine Vertraute hat. Sie dürfen das auch gern zeigen. Wir müssen nur ihre sonstigen Verpflichten im Auge behalten.«

»Sie haben wirklich nichts dagegen?« Frauke war vor Verblüffung wie gelähmt. Erst eine Berührung an ihrer Hand weckte sie wieder auf. Sie blickte nach unten.

Julia hatte ihre Hand ergriffen. Sie fühlte sich von Hegels Worten sehr ermutigt und ahnte, dass es Zeit für ein Zeichen war. Sehr erfreut stellte sie fest, dass Frauke auf ihr Angebot einging und ihre Hand fest um Julias Hand geschlossen hatte.

Den Rest des Weges gingen sie schweigend, aber Hand in Hand.


Julia wusste, dass die Fahrt zurück zu Hegels nicht allzu lange dauern würde, trotzdem wartete sie mit ihrer Frage, bis Herr Hegel losgefahren war. »Könnten sie mir noch einmal sagen, was ich alles tun kann, um meine Haltung zu verbessern?« Sie wollte zeigen, dass sie der Tadel der Pfarrerin getroffen hatte, und dass es keine weitere Aufforderung von Hegels mehr brauchen würde.

»Ich bin froh, dass sie von sich aus nachfragen.« Herrn Hegels Stimme zeigte deutlich seine Erleichterung. »Wir hätten ihnen das Ganze nur schlecht befehlen können.«

»Vor allem weil es zu Beginn zumindest eher unangenehm ist«, ergänzte Frau Hegel.

Julia schluckte kurz. »Und auf was muss ich alles achten?«

Die Frau des Professors zählte auf: »Gerade stehen, die Schultern zurücknehmen und den Oberkörper vorstrecken.« Sie lächelte. »Es gibt aber für alles geeignete Hilfsmittel.«

Julia grinste Frauke an. »Warum überrascht mich das jetzt nicht?«

Als Antwort ergriff die Dienerin wieder Julias Hand.

»Lassen sie mich raten.« Julia hatte ein deutliches Lächeln in der Stimme. »Ich trage den Handschuh für die Haltung der Schultern und die High Heels für die Gesamthaltung und die Körperstreckung.«

»Der Handschuh wäre optimal, aber es gäbe auch Geradehalter, die Öffentlichkeitstauglich sind.« Der Professor grinste. »Mit dem Handschuh möchte ich sie nicht in der Uni sehen.«

Frau Hegel drehte sich kurz nach hinten. »Wenn sie dazu noch so ein Korsett tragen, wird es insgesamt einfacher.«

»Dann haben sie mich ja schon gut vorbereitet«, schmunzelte Julia.

»Es darf dann nur etwas strenger ausfallen als das für die Uniform«, ergänzte Frau Hegel.

»Es scheint, als haben wir mit ihnen wirklich großes Glück gehabt.« Herr Hegel musste sich auf den Verkehr konzentrieren. Nur kurz versuchte er einen Blick in den Rückspiegel. »Ich glaube, mit ihnen könnten wir unsere Ziele wirklich noch erreichen.«

Julia machte den Mund auf, um ihn gleich danach wieder zu schließen. Sie lächelte verlegen. »Nein, ich will noch nichts über die Zukunft wissen. Ich hoffe nur, es wird so bleiben, wie es jetzt ist.«

»Das können wir ihnen nicht versprechen.« Frau Hegel lächelte. »Aber ich denke, sie könnten glücklich werden.«

»Und wenn sie heute noch das Pferd bei sich im Zimmer aufbauen und damit ein wenig den Umgang üben, dann wären wir auch glücklich.« Herr Hegel setzte den Blinker, um auf ihr Grundstück einzubiegen. »Wir würden uns sehr freuen, wenn sie es schaffen würden, am Donnerstag darauf zu sitzen.«

»Das Pferd ist wichtig für die Engel.« Julia sprach ihre Gedanken aus, während sie versuchte, den Sicherheitsgurt zu lösen. Doch sofort wurde sie wieder an die Bluse erinnert, die die dafür nötige Bewegung etwas erschwerte. Doch schließlich konnte sie mit einem stolzen Lächeln die Tür öffnen. »Wo finde ich das Pferd?«

Insgeheim wunderte sich Julia, dass sie den Wunsch Hegels für sich überhaupt nicht in Frage stellte. Sie hatte sofort erkannt, wie hilflos sie auf dem Pferd sein würde. Und sie hätte sich eigentlich auch dagegen wehren müssen, auf so eine provokante Art sitzen zu müssen. Doch irgendetwas tief in ihrem Inneren sagte ihr, dass alles in Ordnung war und dass kein Grund zur Besorgnis bestand.

»Meine Frau, Frau Wiesl und ich werden ihnen beim Transportieren und beim Aufbauen helfen.« Herr Hegel sprach etwas lauter, damit er außerhalb des Autos gehört werden konnte. »Doch zuvor möchten sie sich bestimmt umziehen.« Er stieg aus und suchte den Blick der Dienerin. »Sie helfen ihr bitte mit der Uniform.«

»Und für das Pferd wäre es gut, wenn sie sich so etwas wie eine Leggings aussuchen«, ergänzte Frau Hegel. »Den Rock können sie auf dem Pferd nicht tragen.«

»Verständlich«, lächelte Julia. Insgeheim fragte sie sich, was der Tag wohl noch alles an aufregendem Neuen bringen würde.
149. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von HeMaDo am 25.05.18 20:33

Schön, daß es hier weiter geht.

Mir fällt gerade auf, daß Julia ja noch immer glaubt, daß es Carolin tatsächlich gegeben hat.
Ich frage mich, wie sie reagieren wird, wenn sie die Wahrheit erfährt.

Außerdem frage ich mich immer mehr, was die Hegels von alle dem haben werden, wenn Julia es schafft ein Engel zu werden. Um Geld scheint es ja ihnen nicht zu gehen. (oder vielleicht doch? Und was hat Fraukes Entdeckung des Briefes mit der "Schatzkarte" damit zu tun? Umsonst ist diese ja sicher nicht in der Geschichte aufgetaucht)

Danke für die Fortsetzung.



Zitat

ich hatte in der letzten Zeit sowohl familiäre als auch IT-technische Probleme

Ich denke, es wird hier niemand böse sein, wenn es hier etwas langsamer weiter geht oder du mal eine Pause machen musst.
Hauptsache, du schaffst es, die Probleme zu lösen, damit es dir und denen die dir wichtig sind, gut geht.

HeMaDo
150. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 6 - Familie Vogel - Teil Sieben von Neun

geschrieben von gag_coll am 29.05.18 08:32

Der Mantel der Studentin
Kapitel 6 - Familie Vogel - Teil Sieben von Neun
Autor: Karl Kollar

»Und, was hast du dir ausgesucht?« Frauke hatte sich wieder die weiße Schürze umgelegt. Eigentlich hätte sie sie den ganzen Tag ohne Ausnahme tragen müssen, deswegen war sie Hegels sehr dankbar, dass sie ihr in der Kirche und beim Essen diese Demütigung erspart hatten.

Julia blickte auf den kleinen Stapel auf ihrem Schreibtisch, den sie dort schon bereit gelegt hatte. »Ob ich das wohl auch kombinieren könnte?« Sie zeigte die weiße Lackbluse und das dunkelblaue Top aus dem gleichen Material. »Ich weiß nicht, ob das für das Pferd passt.«

»Das Mädchen auf dem Foto trug auch noch einen Handschuh.« Frauke blickte auf die Bluse und runzelte die Stirn.

»Aber heute ist Sonntag, und da wollte ich nicht einfach nur ein T-Shirt tragen.« Julia erkannte, dass sie sich zwischen Eleganz und dem faszinierenden Handschuh entscheiden musste. Die Blusenärmel würden von dem Handschuh zerknittert werden, und das wollte sie vermeiden.

»Heute sollst du ja erst einmal das Sitzen auf dem Pferd üben.« Fraukes Miene entspannte sich ein wenig. »Jetzt soll ich dich bestimmt erst einmal von der Uniform befreien?«

Julia nickte. »Der Gedanke, in meiner Kleidung eingesperrt zu sein, hat etwas Faszinierendes.« Doch dann blickte sie sich irritiert um. »Wo ist eigentlich das Pferd?«

»Du kannst es wohl nicht erwarten?« Frauke trat näher und öffnete Julia die Bluse.

Julia nickte verlegen.

»Die Teile dafür sind noch im Keller.« Frauke sah zu, wie sich Julia langsam aus der Bluse schälte und sich gleich darauf den Rock öffnete. »Frau Hegel wartet auf uns. Wir bauen es gemeinsam auf.«

»Warum sagst du das nicht gleich?« Julias nachfolgende Bewegungen zum Aus- und Anziehen waren wesentlich schneller.


Schließlich stand sie mit strahlenden Augen vor der Dienerin. »Ich bin bereit, gehen wir?«

»Einen Moment noch.« Frauke hatte noch ein kleines Anliegen. »Wenn wir den Keller betreten, dann lass dir bitte nicht anmerken, dass du die Badewanne schon kennst.« Frauke war sich im Nachhinein nicht mehr sicher, ob sie Julia den Keller überhaupt hätte zeigen dürfen.

Julia blickte verwundert auf. »Kann ich machen.« Sie fühlte, dass Frauke so etwas wie ein schlechtes Gewissen hatte, doch sie wollte es nicht hinterfragen.

Aber ihre Gedanken beschäftigten sich sofort wieder mit dem so außergewöhnlichen Alltag von Carolin. Sie sah sich selbst in der Wanne sitzen, mit einem Handschuh aus durchsichtigem Plastik und mit Klettverschlüssen verschlossen. Und vor dem Bad kniete ihre große Schwester und verwöhnte ihren jetzt wehrlosen Körper.

Doch dann musste sie über sich selbst lächeln. Sie hatte den Handschuh insgesamt nur wenige Male getragen, in Summe höchstens zwei bis drei Stunden, schätze sie nachdenklich. Es war gewiss nicht angebracht, jetzt schon drüber nachzudenken, den Handschuh rund um die Uhr tragen zu wollen.


Als sie den ihr schon bekannten Kellerraum betrat, musste sie sich gleich doppelt wundern. Sie hatte sich am Samstag zwar nicht groß umgeschaut, doch ein Pferd wäre ihr doch sofort aufgefallen. Die zweite Überraschung bestand darin, dass die bewusste Badewanne jetzt mit einem Stofftuch bedeckt war. Julia war insgesamt erleichtert, weil sie so nicht in Verlegenheit kommen konnte, sich zu verraten.

»Hier bin ich.« Frau Hegel stand an einem der Regale. »Sie sehen aber schick aus, Julia. Ich sehe, dass sie unserem Rat gefolgt sind.« Im Treppenhaus hatte sie ihr noch einmal ausdrücklich mitgeteilt, dass sie sich heute etwas aussuchen sollte, bei dem sie die Beine frei hatte. 'Ich hatte es schon gesagt, aber von der Pflicht, den Rock zu tragen, sind sie heute befreit', hatte sie noch hinzu gefügt.

»Danke.« Julia blickte an sich herunter. Eigentlich wäre eine schicke Anzughose zu der Bluse passender gewesen, doch Carolin schien nur ganz wenige Hosen zu haben. Außerdem hatte Frauke ihr die Leggings schon heraus gelegt, und sie wollte sie diesbezüglich auch nicht enttäuschen.

»Wir müssen eine dieser zwei Platten nach oben bringen.« Sie zeigte auf das Regal neben sich, an dem zwei dicken runde Stahlplatten lehnte. Deutlich zu erkennen waren die Gummileisten, die die Platten jeweils als äußeren Ring umgaben. »Wir können sie rollen. Und im Treppenhaus wird mein Mann auch mit anfassen, wenn ich ihn rufe.«

Rings um die Platten waren einige Grifflöcher vorgesehen und in der Mitte war ein Loch mit Gewinde, wie Julia mit ihrem geschulten Blick sofort erkannte. »Zu viert sollten wir das schaffen.«

Neben der Platte lag noch eine längliche Tasche. »Das sind die Tragestangen.« Sie lächelte. »Ich habe das schon zusammen gepackt.«

Zu dritt drehten sie die schwere Platte in Richtung Tür. Julia schätzte das Gewicht der Platte zwischen vierzig und fünfzig Kilo.

»Ach Julia, nehmen sie sich bitte noch eine Mondensichel mit.« Sie zeigte auf ein anderes Fach im Regal, dann drehte sie sich zu der Dienerin. »Frauke, wissen sie, wo die kleine Standfläche ist?«

Frauke ging zu einem anderen Regal und holte eine Holzscheibe hervor, die Durchmesser von einem knappen dreiviertel Meter hatte. Auch hier gab es ein Loch in der Mitte.

Julia war vor das Regal getreten, auf welches Frau Hegel gezeigt hatte und blickte sich um. Doch sie sah nichts, was sie mit dem genannten Wort in Übereinstimmung bringen konnte. »Ich weiß nicht, was sie meinen.« Sie zuckte mit den Schultern.

»Vor ihrer Nase liegen zwei bananenförmige Apparate, nur größer.« Frau Hegel hatte Mühe, ihre Nervosität nicht zu zeigen. »Das sind die Modensicheln.«

Jetzt erkannte Julia die Form auch wieder. Sie hatte diesen seltsamen Sattel schon auf dem Foto gesehen. »Welche soll ich nehmen? Eine von diesen Mondensicheln hat ein Loch.« Natürlich hatte Julia schon verstanden, dass sie auf diesen seltsam geformten Sattel sitzen würde, trotzdem gefiel ihr dieser verklärende Begriff sehr gut.

»Nehmen sie bitte den ohne Loch« Frau Hegel keuchte leicht.

»Und wofür ist das Loch?« Julia wusste im Nachhinein nicht mehr, warum sie diese Frage gestellt hatte.

»Das willst du jetzt noch nicht wissen, glaube mir.« Frauke schaffte es nicht, ihr Grinsen zu verbergen.

Julia verdrehte die Augen. Sie hatte das Foto noch gut in Erinnerung, und sie hatte natürlich auch den Sattel erkannt, den sie jetzt in der Hand hatte. Und das Loch war genau an der Stelle zu ihrer... Sie wagte es nicht, den Gedanken zu Ende zu denken. »Du hast recht, das will ich gar nicht wissen.« Sie verdrehte die Augen, auch weil sie sich sicher war, dass sie um das zweifelhafte Vergnügen nicht herumkommen würde. »Zumindest noch nicht«, ergänzte sie verlegen.


»Okay, das hatte ich mir schlimmer vorgestellt.« Frau Hegel blickte erleichtert auf die runde Stahlplatte, die jetzt in Julias Zimmer an der vorgesehenen Stelle lag. Immerhin hatte sie nur einmal kurz Pause machen müssen.

Trotzdem war allen die Erleichterung anzusehen. »Ich denke, wir erholen uns noch einen Moment und dann beginnen wir mit dem Aufbau. Danke Winfried« Sie gab ihrem Mann zu verstehen, dass sie den nächsten Teil ohne ihn machen wollten.

In diesem Moment kündigte das Geräusch einer Tram deren Ankunft an. Frauke und Julia wechselten kurz den Blick.

»Geh ruhig.« Julia hatte natürlich sofort erkannt, was Frauke bewegte, obwohl sie Mühe hatte, ihre Ungeduld unter Kontrolle zu halten. Doch ihr Körper signalisierte auch ihr, dass sie nach dem Bewegen der schweren Platte eine Erholung nötig hatte.

Frau Hegel blickte der Dienerin hinterher, als sie zum Fenster ging, sagte aber nichts. Erst als die Tram wieder abgefahren war, erhob sie sich und ging zur Tasche, die noch auf der Standplatte lag.

Julia nahm dies als Signal, ebenfalls aufzustehen. Sie hatte gesehen, dass Frau Hegel sowohl das Foto als auch eine Anleitung mitgebracht hatte. Sie wurde nervöser.

»Es mag zwar auf den ersten Blick lächerlich erscheinen, aber wir sollten uns genau an die Anleitung halten.« Frau Hegel versuchte, ihre Sorgfalt zu begründen. »Immerhin ist das ein ungewöhnliches Möbel, und wir sollten es sorgfältig aufbauen.«

Julia nahm die Anleitung in die Hand und sah sie sich kurz an. Es waren nur wenige Teile zusammen zu fügen, doch da sie sich nachher diesem Gerät anvertrauen musste, wollte sie die Anleitung zumindest einmal gesehen haben.

Sie wollte sie schon wieder weglegen, als ihr auf einmal der untere Rand auffiel. Dort war so etwas wie ein Hersteller angegeben. Und dort stand es wieder: ARCANVM ANGELARVM. Doch was Julia noch viel mehr faszinierte, diesmal war dazu eine Adresse abgegeben. Werkstatt, Im Burghof 4, 86655 Harburg / Schwaben.

Sie versuchte, sich diese Adresse einzuprägen, auch wenn noch überhaupt nicht wusste, was dies zu bedeuten hatte. Sie blickte kurz zu Frau Hegel und als sie sah, dass diese schon ein Rohr aus der Tasche genommen hatte, legte sie die Anleitung wieder weg.

»Dies ist die wichtigste Stange.« Sie begann sie in das Loch in der Grundplatte einzuschrauben. »Die sollte gut festgeschraubt sein.«

Julia kam näher und erst jetzt erkannte sie, dass es kein Rohr war, sondern eine massive runde Eisenstange mit einem Durchmesser von vier Zentimetern. Oben war ebenfalls ein Gewinde angebracht und kurz darunter befand sich ein Loch von zirka einem Zentimeter. Die Studentin erkannte den Zweck dieses Loches erst, als sie sah, dass Frau Hegel eine kurze Stange hindurch geschoben hatte. Damit hatte sie eine bessere Hebelwirkung, um die senkrechte Stange möglich fest in der Standplatte zu verankern.

»Und da kommt noch der Sattel drauf?« Julia blickte auf den bananenförmigen Gegenstand, der schon in Reichweite lag. »Das ist doch viel zu hoch?« Sie wunderte sich ein wenig.

Doch Frau Hegel ließ sich dadurch nicht aus dem Konzept bringen. »Warten sie es ab.« Sie lächelte, dann holte sie die nächste Stange aus der Tasche. »Diese Stange ist die zweitwichtigste.«

Julia sah, dass die Stange in der Mitte einen größeren Ring hatte, der genau auf die senkrechte Stange passte. »Das ist für meine Beine?« Eigentlich war es eine rhetorische Frage, denn so viel Stangen waren auf dem Foto auch nicht zu sehen.

»Das ist richtig.« Frau Hegel lächelte, während sie sich auf die Bodenplatte kniete. »Diese Stange muss sorgfältig befestigt werden, denn sie wird einmal ein Großteil ihres Gewichtes tragen.«

Julia trat näher, denn sie hatte im unteren Drittel der Stange eine Art seltsame Verzierung gesehen. Doch jetzt erkannte sie, dass es schlangenförmig angeordnete Vertiefungen waren, die es ermöglichten, die waagerechte Stange in jeder gewünschten Höhe zu fixieren. Zu ihrer Überraschung wurde die waagerechte Stange aber noch nicht festgeschraubt.

»Wir setzen zuerst die Mondensichel darauf, und wenn sie Platz genommen haben, werden wir die Stange an ihre Größe anpassen.« Frau Hegel hatte den fragenden Blick bemerkt.

»Fehlt nicht noch die Standplatte?« Frauke trat näher und hatte die runde Holzscheibe in der Hand.

»Richtig, Frau Wiesl.« Frau Hegel hielt inne. »Die Platte muss noch drauf.«

Erst jetzt erkannte Julia, dass die senkrechte Stange im unteren Teil etwas dicker war. Und so wie sie es vermutet hatte, konnte die Holzplatte dort festgeschraubt werden.

»Die Platte wird nur zum Aufsteigen benötigt.« Frau Hegel erklärte die Zusammenhänge.

Julia hatte sich in der Zwischenzeit den Sattel zur Hand genommen und streichelte ihn zärtlich. Er war sehr weich gepolstert, und doch war unter dem Polster stabiles Material zu fühlen, Julia vermutete Holz.

»Die Sichel bitte einfach erst einmal auf das Rohr stecken. Wir schrauben sie erst später fest. Erst einmal muss sie noch drehbar sein.« Frau Hegel war noch dabei, an der Holzplatte ein paar Schrauben anzuziehen.

Julia zitterte, als sie die Sichel langsam auf die Stange steckte. Schon jetzt sah sie sich in Gedanken darauf sitzen und ihre Hände waren im Handschuh gefangen, genau wie auf dem Foto.

»So schnell geht das nicht.« Frau Hegel unterbrach Julias Gedanken. »Sie müssen sich erst noch die dazugehörigen Stiefel anziehen.« Sie wandte sich an Frauke. »Haben sie die Stiefel herausgesucht?«

»Hier sind sie.« Frauke reichte Julia die Stiefel, die sie zuvor bereitgestellt hatte.

»Was... Was sind denn das für Stiefel?« Julia keuchte heftig.

»Das sind sogenannte Ballettstiefel«, erklärte Frau Hegel.

»Damit gehst du auf Zehenspitzen.«, ergänzte Frauke.

»Jetzt machen sie Julia bitte keine Angst.« Frau Hegel hatte Mühe, ein Lächeln zu unterdrücken. »Julia wird damit nur ganz wenige Schritte gehen müssen.«

Julia blickte verwirrt zwischen Frau Hegel und Frauke hin und her.

»Sie sollen sie auf dem Pferd tragen, weil sie für die richtige Haltung sorgen.« Frau Hegel war von Julia fasziniert. »Denn ansonsten ist es sehr schwer, sich darauf zu bewegen.«

»Ob ich das wohl einmal ausprobieren dürfte?« Julia war sich nicht sicher, ob sie das überhaupt fragen durfte, denn es hätte den Eindruck erwecken können, sie wolle nur das Sitzen auf dem Pferd noch etwas hinauszögern.

»Wichtig ist, dass sie fest geschnürt werden, damit sie einen guten Halt bieten.« Sie bat Julia, sich auf ihr Bett zu setzen.


Julia hatte die Augen geschlossen, deswegen fühlte sie nur, wie sich das Leder der Stiefelschäfte langsam um ihre Beine legte. Frau Hegel und Frauke hatte sich jeweils ein Bein vorgenommen, und so konnte Julia spüren, wie sich der Druck auf beide Waden langsam erhöhte.

Eigentlich war sie über die Stiefel in der allerersten Sekunde entsetzt gewesen. Doch da sie schon viele zunächst erschreckende Sachen kennenlernen durfte, die sich im Nachhinein als sehr schön erwiesen, hatte sie für sich beschlossen, auch diesen mörderischen Stiefeln eine Chance zu geben.


»Ich würde gern ein paar Schritte damit gehen.« Julias Stimme zitterte deutlich. Sie war zwar nur selten auf High Heels unterwegs, doch sie war auch neugierig. Und wenn auch die Haltung ungewohnt war, so machte es insgesamt doch einen sehr sicheren Eindruck.

»Wir werden sie auf jeden Fall begleiten und Frauke wird sie stützen.« Frau Hegel reichte Julia die Hand und zog sie langsam vom Bett hoch.

Julia zitterte heftig, weil ihre Muskeln ganz ungewohnte Belastungen spürten. Doch schon nach wenigen Schritten spürte sie eine gewisse Sicherheit. »Du kannst locker lassen«, wandte sie sich an Frauke. »Ich glaube, ich habe den Bogen heraus.«

Doch Frau Hegel intervenierte. »Sie halten sie bitte weiterhin fest.«

Julia keuchte ein wenig, denn sie hatte sich nicht gegen ihre Vermieterin aufbegehren wollen.

»Jetzt ist erst einmal das Pferd wichtig.« Frau Hegel musste zu ihrer eigenen Überraschung Julia erst wieder an ihre Pflichten erinnern.

»Ach ja, das Pferd.« Julia keuchte noch lauter.

»Warten sie, wir helfen ihnen hinauf.« Beide reichten Julia die Hand.

Doch das runde Brett, auf das Julia steigen musste, war zu hoch. Selbst mit normalen Schuhe wäre ein Aufsteigen nur sehr schwierig möglich.

»Wir haben etwas vergessen.« Frau Hegel bat Frauke, Julia weiter festzuhalten. Sie griff zunächst zu der kleinen Zeichnung, doch von dort bekam sie keinen weiteren Hinweis. Auf einmal glitt ein Lächeln über ihr Gesicht. »Wir haben den Hocker vergessen.« Sie ging zur Tür. »Warten sie, ich hole ihn schnell.« Gleich darauf waren eilige Schritte auf der Treppe zu hören, die langsam verklangen.


Julia blickte Frauke verwundert an. »Jetzt bin ich wohl die große Schwester.« Sie lächelte. Die Absätze der Stiefel bewirkten, dass sie nun fast zwanzig Zentimeter größer erschien.

Frauke lächelte, während sie Julia festhielt. »Du siehst wirklich rattenscharf aus in diesen Stiefeln.« Unbewusst zog sie Julia etwas zu sich heran.

»Ich muss jetzt richtig zu dir hinunter schauen.« Julias Stimme wurde leise. Die ungewohnte, aber sehr reizvolle Nähe zu Frauke tat ihr übriges.


Natürlich hatte Frau Hegel schon lange erkannt, dass sie zwischen Julia und Frauke etwas anbahnte, und dass sie mehr verband als nur schwesterliche Gefühle. Sie begrüßte es, denn es war gut, wenn Julia durch möglichst viele Emotionen an ihr Haus gebunden sein würde.

Dass sie den Hocker vergessen hatte, ärgerte sie nur zu Anfang, denn sie hatte erkannt, dass sie ihre beiden Mädchen so in einer sehr reizvollen Umgebung allein lassen musste. Deswegen ließ sie sich auf dem Rückweg auch Zeit.

Leise öffnete sie die Tür zu Julias Zimmer. Sie lächelte, als sie die beiden Frauen in einen intensiven Kuss versunken entdeckte. Sie schloss die Tür wieder so, wie sie sie geöffnet hatte und ging zurück zum Treppenhaus. Sie ging ein paar Stufen hinunter, um dann mit schnellen und lauten Schritten zurück zu kehren. Sie wollte sich einfach bemerkbar machen, bevor sie den Raum betrat.

Denn das zarte Pflänzchen Liebe zwischen Frauke und Julia passte sehr gut in ihre Pläne.


Mit dem Hocker war es für Julia sehr einfach, auf die Holzscheibe zu kommen. Trotzdem hielt Frauke weiterhin ihre Hand.

»Passen sie bitte auf, die Mondensichel kann sich noch frei drehen.« Sie bat Julia, sich jetzt langsam darauf niederzulassen. »Sie werden gleich sehen, warum das so ist.«

Wie schon zuvor musste Julia auch hier auf der Plattform nur wenige Schritte machen, bis sie den Sattel zwischen ihren Beinen hatte und sich langsam darauf niederlassen konnte. Zu ihrer eigenen Überraschung war er wirklich sehr weich gepolstert und bot auch eine optimale Sitzmöglichkeit, wenn man einmal von der ansonsten sehr demütigenden Position absah.

Julias Atem ging heftiger. Es lag aber weniger am Sattel, sondern an ihrer inneren Anspannung. Es war sehr aufregend, Carolins Leben und ihren Pflichten näher zu kommen. Und wenn sie ganz ehrlich zu sich selbst war, dieses Sitzen auf dem 'Pferd' hatte sie sich schlimmer vorgestellt.

»Jetzt müssen wir die untere Stange auf Julias Körpergröße einstellen.« Frau Hegel blickte zu Frauke. »Nehmen sie sich bitte den Schraubenschlüssel.«

Julia blickte fasziniert nach unten.

Frau Hegel hob die Stange soweit an, dass sie sich ungefähr auf Höhe von Julias Fußgelenken befand, dann drehte sie die Stange, bis sie in einem Loch der senkrechten Stange festzuschrauben war. »Wir machen sie immer zwei Löcher höher, dann können sich die Engel ein wenig mit den Füßen abstützen.« Sie drehte die Stange noch ein wenig, dann gab sie Frauke die Anweisung, die Stange festzuschrauben. »Julia, merken sie sich: Ihre Position ist die Nummer 14.«

Julia nickte leicht, doch es war ihrem Blick anzusehen, dass sie mit dieser Information noch überhaupt nichts anzufangen wusste. »Nummer 14«, wiederholte sie zitternd.

»Es wird später von den Engeln erwartet, dass sie ihr Pferd selbst aufbauen.« Frau Hegels Stimme klang sentimental. »Und fast alle Engel haben auch darauf bestanden.«

Julias Miene hellte sich ein wenig auf. Trotzdem blieb sie angespannt.

»Jetzt kommt die Halterung für die Stiefel.« Frau Hegel ging wieder zu der Tasche und nahm zwei seltsam geformte Gegenstände heraus. »Auch die müssen auf ihre Größe eingestellt werden, aber das müssen sie in der Regel nur einmal machen.«

Julia erkannte, dass sie sowohl aus Leder als auch aus Metall bestanden.

»Wenn sie erlauben, würden wir das jetzt gleich für sie machen.« Frau Hegel blickte Julia fragend an.

»Ja, bitte.« Julia war mehr als verwundert.

»Ich führe ihr Bein jetzt einmal an die Stange heran.« Frau Hegel legte ihre Hand um Julias Fußgelenk. »Frauke, würden sie Julia im Sattel soweit drehen, dass ihre Füße bei den Stangenenden sind?«

Frauke trat an Julia heraus, fasst sie an die Schulter und drehte sie wie gewünscht.

Gleich darauf fühlte Julia, wie ihr Bein nach außen gezogen wurde. Frau Hegel schnallte das merkwürdige Gerät um Julias Stiefel. Es hatte entfernt Ähnlichkeit mit einem Steigbügel und hatte letztendlich die gleiche Funktion. Es erlaubte der Trägerin, sich im Sattel zu erheben und ihr gesamtes Gewicht vom Schritt auf die Stiefel zu verlagern.

»Wir nehmen Position Nummer vier.« Frau Hegel blickte Frauke ermutigend an, dann begann sie, den Steigbügel an der Stange festzuschrauben und danach um Julias Stiefel zu schnallen.

Die kleine runde Grundfläche des Steigbügels hatte nach oben gebogene Ränder und erlaubte es so, das ganze Gewicht der 'Reiterin' zu tragen. Dadurch, dass die Platte ein wenig geneigt war, glich sie auch die schräge Beinhaltung des jeweiligen Mädchen aus.

Gleich darauf hatte auch Frauke Julias anderes Bein befestigt.

»So, das war es schon.« Frau Hegel erhob sich.
151. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 6 - Familie Vogel - Teil Acht von Neun

geschrieben von gag_coll am 05.06.18 05:21

Der Mantel der Studentin
Kapitel 6 - Familie Vogel - Teil Acht von Neun
Autor: Karl Kollar

Julia räusperte sich. Trotz ihrer Anspannung war ihr etwas aufgefallen. »Sagten sie nicht, dass der Sattel auch noch festzuschrauben ist?«

»Ach ja richtig.« Frau Hegel ließ sich von Frauke den passenden Schraubenschlüssel geben. »Normalerweise ist der schon fixiert.« Sie beugte sich zum Sattel hinab und zog die entsprechende Schraube an. Dann trat sie einen Schritt zurück.

»Du siehst toll aus.« Es war Frauke anzusehen, wie sehr beeindruckt sie von Julias Sitzen auf dem Pferd war.

»Wie gefällt es ihnen?« Frau Hegels Stimme wurde ein wenig leiser.

»Nun ja...« Julia zögerte etwas. »Ungewohnt, aber schön.« Sie fühlte sie ermutigt, einmal ihre Beine zu belasten und drückte sich etwas aus dem Sattel hoch.

»Ah, das funktioniert also auch.« Frau Hegel ging in Richtung des Spiegels. »Aber lassen sie sich dabei nicht von Männern beobachten. Die sehen das nämlich gar nicht gern.«

Julia wunderte sich etwas, doch um eine Frage zu formulieren, war sie nicht in der Lage.

»So ist es möglich, die Stiefel in der Halterung mit dem ganzen Körpergewicht zu belasten.« Sie lächelte verlegen. »Das haben wir den Männern schon früh als Zugeständnis abgetrotzt.

Julia hörte dem Dialog fasziniert zu. Es schien, dass sich hier die Frauen gegen die Männer verschworen hätten.

»Und was genau bewirkt das?« Frauke war in diesem Moment ein wenig eifersüchtig auf den Sattel, der im Gegensatz zu ihr in Zukunft Julias Heiligstes ausgiebig würde berühren dürfen.

»Naja, so können wir unseren Schritt etwas entlasten, ohne dass es die Männer sehen.« Sie wandte sich wieder an Julia. »Deswegen solltest du auch darauf achten, dass du deine Beine leicht anwinkelst, wenn du festgeschnallt wirst.«

»Versuche ich mir zu merken.« Julia blickte verwundert zu Frau Hegel. Erst jetzt realisierte sie, dass ihr Spiegel durch ein Tuch verhängt war.

»Sie möchten sicher wissen, wie sie aussehen.« Mit einer theatralischen Geste zog Frau Hegel das Tuch herunter.

Julia musste den Kopf weit drehen, um sich im Spiegel sehen zu können, und doch gefiel ihr das, was sie sah, sehr gut. Unwillkürlich legte sie ihre Arme auf den Rücken und nahm die Haltung ein, die sie für den Handschuh brauchte.

»Den Handschuh brauchen wir heute aber noch nicht.« Frau Hegel lächelte, und sehr viel Stolz mischte sich in ihren Blick. »Ich sage dann meinem Mann Bescheid, dass sie schon soweit sind.« Sie verließ mit eiligen Schritten das Zimmer. Gleich darauf waren ihre Schritte auf der Treppe zu hören.

Langsam tauchte Julia wieder in der Realität auf. »Wie sehe ich aus?« Sie kümmerte sich sonst eher weniger um ihr Aussehen, doch in diesem Moment war es ihr wichtig, wie sie ihrem Professor unter die Augen treten würde. »Bitte, ich möchte mich noch einmal kämmen.« Sie drehte sich zu Frauke.

Doch ihre Bitte wurde von Frauke ganz ignoriert. Stattdessen schob sie sich den Hocker zurecht und stieg darauf. Jetzt konnte sie Julia wieder direkt in die Augen sehen. »Erstens bist du auch so wunderschön.« Sie streichelte der Studentin über den Kopf. »Und zweitens habe ich eine bessere Idee.«

Zuerst versuchte Julia noch, sich gegen die Zärtlichkeiten zu wehren, doch dann schlang auch sie ihre Arme um Fraukes Körper, und beide versanken im Reich der Liebe.


»Ich bin mir sicher, dass sie sich wieder küssen werden.« Frau Hegel war mit ihrem Mann bis an die Zimmertür geschlichen. Jetzt flüsterte sie nur noch.

»Dann sollten wir sie doch besser nicht stören?« Herr Hegel hatte sich der Lautstärke angepasst.

»Ich habe dich aber angekündigt.« Sie wartete noch einen Moment, dann klopfte sie deutlich an die Tür.

Es dauerte einige Zeit, bis sie ein 'Herein' hörten. Langsam traten sie ein.


Julia hielt den Atem an, als sie ihren Professor eintreten sah. Sie war sich nicht sicher, in welcher Rolle er ihr nun begegnete. War ihr immer noch ihr Lehrbeauftragter, war er ihr Vermieter oder war er gar der Vater von Carolin? Oder gab es noch eine Rolle, die sie bisher noch gar nicht kennengelernt hatte. Sie beschloss, vorsichtig zu lächeln.

»Ich bin sehr beeindruckt, Frau Sommer.« Er blieb ungefähr zwei Meter vor ihr stehen und ließ seinen Blick an ihr hinauf und hinunter wandern. »Sie machen eine sehr gute Figur.«

»Was sagst du zu den Stiefeln, Winfried?« Frau Hegel war sichtlich stolz auf ihre Mieterin.

»Ja, das gefällt mir annehmend gut.« Er nahm sein Portemonnaie zur Hand und holte einige Scheine heraus. »Wir haben ihnen ja Taschengeld für ihre Leistungen versprochen. Wären sie zunächst mit 400 Euro einverstanden?«

»Wofür ist das?« Ohne dass sie es wollte, runzelte Julia die Stirn.

»Ist es ihnen zu wenig?« Herr Hegel war verwundert. »Soviel haben sie diese Woche ja doch noch nicht geleistet.«

»Nein!« Julia war verlegen. »Ich meine nur, weil ich mir nur 150 ausgerechnet hatte.«

»Sie bringen sehr gute Leistungen, sind sehr engagiert und zeigen Ehrgeiz. Das möchten wir belohnen.« Er blickte sich im Zimmer um. »Ich lege es ihnen auf den Schreibtisch.«

»Danke!« Julia war fast sprachlos. Für so einen Betrag hätte sie früher fast ein Jahr jobben müssen.

Herr Hegel ging die wenigen Schritte zum Schreibtisch und legte die Scheine wie angekündigt auf die Schreibfläche. »Ich freue mich insbesondere, dass sie mit den Ballettstiefeln so gut zurecht kommen.«

»Oh, das stimmt so nicht.« Julia wollte es Richtig stellen. »Ich bin erst wenige Schritte damit gegangen.« Sie hatte das Gefühl, sich rechtfertigen zu müssen. »Aber es fühlt sich sehr aufregend an, auch wenn ich noch sehr wackelig damit unterwegs bin.«

»Das freut mich sehr.« Herr Hegel ging wieder zur Position des Pferdes zurück. »Ich freue mich, dass diese Stiefel in unserem Haus endlich wieder getragen werden.«

Julia hatte die Fragen schon auf der Zunge, doch dann erinnerte sie sich an ihre ersten Versuche, sich nach dem Leben von Carolin zu erkunden, und sie schluckte ihre Fragen ungesagt hinunter. Aber sie merkte sich, dass Hegels Tochter anscheinend oft auf diesen Mörderstiefeln unterwegs gewesen war.

»Sie sollten aber darauf achten, dass sie diese Stiefeln nicht zu lange tragen. Sie sind sehr ungesund.« Frau Hegel äußerte ihre Bedenken. »Für kurze Momente kann man sie tragen, wenn der Auftritt besonders beeindruckend sein soll. Aber für längeres Tragen sind sie wirklich nicht geeignet.«

»Es sei denn, sie müssen ihre Füße nicht belasten«, ergänzte Herr Hegel und blickte seine Frau etwas verwundert an.

»Auf dem Pferd lassen sie sich ganz einfach tragen.« Julia lächelte.

»Und das ist das Wichtigste.« Herr Hegel lächelte. »Wann kommt der Gürtel?«

»Er soll morgen geliefert werden«, antwortete seine Frau.

»Haben sie sich schon entschieden?« Er drehte sich wieder zu Julia.

»Winfried, du bist schon wieder unfair.« Frau Hegels Stimme zeigte, wie erbost sie über den Versuch ihres Mannes war. »Julia weiß doch noch gar nicht, wie es sich anfühlt. Lass ihr die Chance, es auszuprobieren.«

»Ja okay. Verzeihen sie, Julia. Manchmal geht die Begeisterung mit mir durch.« Er blickte sich um. »Das Pferd steht so etwas ungünstig.«

Julia war insgeheim erleichtert, dass das Thema Gürtel jetzt noch nicht erörtert werden musste.

»Warum denn das?« Frau Hegel war verwundert.

»Frau Sommer muss sich weit drehen, um sich dort zu sehen.« Herr Hegel drehte den Kopf so, als wolle er die dafür nötige Haltung zeigen.

»Ja das stimmt.« Frau Hegel lächelte. »Aber direkt von vorn würde ich auch nicht empfehlen.«

»Und warum denn das nicht?« Julia war verwundert.

»Sie möchten vielleicht sehen, wie sie demnächst den Handschuh tragen.« Frau Hegels Lächeln ging in ein Schmunzeln über.

»Ja, das ist richtig.« Julia strahlte. »Das würde mich sehr interessieren.«

»Aber wir warten mit dem Drehen des Pferdes, bis sie abgestiegen sind.« Frau Hegel blickte kurz zu Frauke, die etwas unbeteiligt am Fenster stand und hinaus blickte.

»Ja, natürlich.« Julia lächelte verlegen. »Aber ich glaube, das liegt nicht in meiner Entscheidung.«

»Entschuldigung, sie haben natürlich recht. Wir werden ihnen dann gern herunter helfen. Aber vorher hätte ich noch eine Überraschung für sie.« Herr Hegel lächelte verlegen, dann wandte er sich an Frauke. »Frau Wiesl, haben sie das vorbereitet, um dass ich sie gebeten habe?«

Frauke drehte sich etwas verlegen um. »Ja, das habe ich gemacht.«

»Dann holen sie es bitte.« Herr Hegel blickte kurz zu Julia.

»Gern, Herr Hegel. » Frauke deutete einen Knicks an, dann verließ sie das Zimmer. Seit Julia im Haus war, schien er sie anders zu behandeln, zumindest kam es Frauke so vor.


Obwohl Julia nie ein Instrument gespielt hatte, erkannte sie doch auf den ersten Blick, dass Frauke einen sehr robusten Notenständer herein trug.

»Was soll denn das?« Frau Hegel war sehr verwundert. Es wurde deutlich, dass er dies nicht mit seiner Frau abgesprochen hatte.

»Ich möchte natürlich auch nicht, dass sie ihr Studium vernachlässigen.« Herr Hegel blickte etwas verlegen zu seiner Frau. »Ich dachte mir, dass sie dann mit diesem Ständer auch noch für ihr Studium lernen könnten, wenn sie auf dem Pferd sitzen.«

Julia strahlte auf einmal über beide Ohren. »Vielen Dank. Das hat mir wirklich Sorgen bereitet.«

»Wir möchten sie beide dann heute Abend zum Abendessen zu uns einladen.« Frau Hegel blickte ihrerseits zu ihrem Mann. »Frauke, sie sind ausdrücklich mit eingeladen.«

Auch Herr Hegel wandte sich an die Dienerin. »Sie lassen Julia maximal noch eine halbe Stunde darauf sitzen. Sie können sie ja etwas wegen der Prüfungen abfragen.«

Frauke hatte nicht den Mut zum Widerspruch, schließlich hatte sie das schon am Samstag gemacht. Ein kurzer Blick zu Julia zeigte ihr, dass diese das Gleiche dachte. Doch dann kam von ihr ein kurzes Nicken und Frauke bestätigte den Auftrag.

»Sie kommen dann bitte selbst ständig zum Abendessen.« Frau Hegel blickte kurz auf das Bett, wo Lackrock noch lag. »Es wäre schön, wenn sie sich wieder den Rock anziehen könnten.«

Julia hatte mit der Antwort etwas Probleme. Sie musste sich erst räuspern. »Das werde ich machen.«

»Haben sie für den Abend schon etwas vor?« Frau Hegel blickte die beiden Damen erwartungsvoll an.

»Nein, bisher eigentlich nicht.« Julia zuckte mit den Schultern und blickte kurz zu Frauke.

»Wir haben auf der Hochzeit einen ganz wichtigen Tipp für das Anlegen des Handschuhs bekommen und den würden wir gern einmal ausprobieren.« Frau Hegel gab sich ein wenig verlegen. »Natürlich nur, wenn sie damit einverstanden sind.«

Julia holte sich die Bestätigung von Frauke in Form eines kurzen Nickens, bevor sie selbst ebenfalls zustimmte.

»Es geht um eine Methode, wie der Druck auf die Arme besser verteilt werden kann«, erklärte Frau Hegel.

»Und wie die Schnürung auf jeden Fall ganz geschlossen werden kann«, ergänzte Herr Hegel.

Julia zuckte kurz zusammen. Es war für sie immer noch ungewohnt, wenn ihr Professor sich mit den Aspekten der Engel befasste. Doch wie schon so oft empfand sie diesbezüglich kein Misstrauen.

»Wir wollten sie erst bitten, uns einmal den Handschuh beim Abendessen vorzuführen, aber wir wollen sie nicht unnötig demütigen.« Frau Hegel versuchte ein versöhnliches Lächeln. »Ich glaube, Frauke hat sich gestern sehr liebevoll um sie gekümmert.«

Julia sprach ihre Gedanken aus. »Es wäre aber keine Demütigung.« Wieder blickte sie zu Frauke. »Im Gegenteil, es hat uns beiden sehr viel Spaß gemacht.

»Es freut mich zu hören, dass sie so darüber denken.« Er holte tief Luft. »Ich glaube, wir haben mit ihnen wirklich großes Glück gehabt.«

Julia spürte die eigentliche Frage, obwohl er sie nicht gestellt hatte. »Ich will mir alle Mühe geben, um ihnen Carolin zu ersetzen.«

»Das ist schön zu hören.« Herr Hegel lächelte. »Sie sollten aber immer im Hinterkopf haben, dass wir sie zu nichts zwingen und sie jederzeit gehen könnten.«

»Das weiß ich.« Julia atmete ebenfalls schwer. »Aber im Moment ist es einfach nur schön, und ich freue mich sehr auf die Engel.« Letzteres war die pure Wahrheit.

Ohne dass es ihr wirklich bewusst war, brachte sie die Engel mit Vergnügen in Verbindung. Zu deutlich waren die einzelnen Hinweise, als dass sie sie in Gänze ignorieren konnte. Und die Orgasmen, die sie bisher in den Fesselungen erleben durfte, waren gigantisch. Sie fragte sich, ob sie schon jetzt nach diesen besonderen Erlebnissen süchtig war. Sie sehnte sich schon sehr nach der Nacht, wenn Frauke sie wieder von Orgasmus zu Orgasmus treiben würde. Oder sie würde sich wieder diesem Vibrator ausliefern, der sie zugleich so intensiv verwöhnt und gefoltert hatte.

»Das freut mich sehr.« Herr Hegel wandte sich zur Tür. »Sie kommen dann bitte herunter zum Abendessen.« An der Tür drehte er sich noch einmal um. »Elisabeth, kommst du bitte? Lassen wir die jungen Leute allein.« Er zwinkerte übertrieben mit den Augen.


»Lass mich die Stiefel bitte noch einen Moment tragen.« Julia keuchte, als sie mit Fraukes Hilfe vom Pferd herab gestiegen war. »Ich möchte mich an das Gefühl gewöhnen.«

»Du weißt, dass sie ungesund sind, wenn man die Füße auf diese Weise belastet.« Frauke gab sich in diesem Moment etwas besorgt.

»Ja das weiß ich.« Julia verdrehte die Augen. »Aber zwei, drei Schritte schaden bestimmt nicht.« Ihr Blick fiel auf den Schreibtisch, auf dem immer noch die Geldscheine lagen: Vier Fünfziger und zwei Hunderter. »So viel Geld auf einen Haufen.« Ihre Stimme war leise, als sie darüber nachdachte, wie lange sie früher dafür hätte arbeiten müssen. Selbst daheim auf dem Bauernhof war Geld eher selten. »Ich weiß noch gar nicht, was ich damit anfangen soll.«

»Also ich müsste nicht lange überlegen.« Frauke grinste. »Ich würde sofort shoppen gehen.«

»Ja, das würde sich wohl anbieten.« Julia war auf einmal etwas nachdenklich. »Aber ich glaube, ich werde es nicht sofort ausgeben. Oder nur einen Teil davon.« Irgendwie wusste sie, dass es viele Gründe des Scheiterns gab, und dann würde sie das Geld sicher gut brauchen können. Und natürlich war ihr klar, dass sie es nur einmal würde ausgeben können. Immerhin war sie schon einmal sehr erleichtert, dass sie auf diesen seltsamen Stiefeln so gut zurecht kam. Davor hatte sie insgeheim sehr viel Angst gehabt.

Frauke war ein wenig neidisch, denn sie selbst hatte mit den Stiefeln heftige Probleme gehabt. Julia hingegen schien damit gar keine Probleme zu haben. Die Dienerin fragte nach den Gründen.

»Weißt du, ich habe früher immer vom Ballett geträumt. Auf dem Hof daheim habe mich oft auf den Dachboden geschlichen, wo eine große Scherbe eines zerbrochenen Spiegel stand. Dort habe ich das geübt, was ich für Spitzentanz hielt.« Sie lachte über die im Nachhinein sehr kindlichen und naiven Vorstellungen ihrer Kindheit.

»Hattest du denn dafür die passenden Schuhe?« Frauke wunderte sich noch mehr.

»Nein, die hatte ich nicht.« Julia schmunzelte. »Aber ich habe mir damals ein Brett unter die Fußsohle gebunden. Es sah bestimmt schrecklich aus und so richtig funktioniert hat es auch nicht. Aber ich war damals sehr glücklich.«

»Ich bin sehr stolz auf dich.« Frauke lächelte. 'Und ein wenig neidisch', fügte sie in Gedanken noch hinzu.

»Warum denn das?« Julia drehte sich zu Frauke um, nach dem sie ein paar wenige Schritte gegangen war. Natürlich immer in Reichweite von Schreibtisch oder Wand, um sich abstützen zu können.

»Du schaffst das alles mit einer Leichtigkeit, die atemberaubend ist.« Fraukes Stimme ließ viel Sehnsucht durchschimmern.

»Und du hast es nicht geschafft?« Sie horchte auf. »Vermute ich das richtig?«

»Ja, das siehst du richtig.« Frauke seufzte. »Ich bin schon sehr früh gescheitert.«

»Du wolltest auch ein Engel werden?« Julia erkannte auf einmal die Zusammenhänge.

»Es wurde mir als Alternative angeboten. Und ich dachte, dass es eine sehr gute Gelegenheit wäre.« Doch dann fiel ein Schatten über ihr Gesicht. »Entschuldige bitte, aber über den folgenden Teil möchte ich nicht reden.«

Julia fiel der Stimmungswechsel in dieser Situation sofort auf, und sie wusste auch, dass sie nicht nachbohren durfte. »Wo hast du denn meinen Rock?« Es waren nur noch wenige Schritte bis zu ihrem Bett.

Frauke war erleichtert, das Julia nicht nachfragte. »Hier ist er.« Sie hob ihn vom Bett auf.

»Oh je, ich bin blind, ich habe ihn wirklich nicht gesehen.« Sie stutzte. »Ob ich wohl die Leggings gleich anbehalten kann?«

»Probieren wir es aus. Ein wenig Zeit haben wir ja noch, bis sie uns zum Abendessen erwarten.« Doch dann zögerte sie. »Der Rock wird dadurch aber noch enger und das Gehen dürfte sehr mühsam werden.«

»Ach ja richtig, das Abendessen. Da war ja noch was.« Sie grinste. »Und was den Rock betrifft: genau das wollte ich ausprobieren.« Sie ließ sich auf ihr Bett fallen und streckte die Stiefel in die Luft. »Hilfst du mir bitte beim Ausziehen?«

»Aber gern.« Frauke lächelte.
152. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von SteveN am 07.06.18 18:25

Hallo gag_coll !

Da bringst du einen aber gut durcheinander !

Im Sieben von Neun !

"Frauke blickte zu Frauke."

Das bedeutet, was ? Ich bin nur am Grübeln ... ... ...

Viele Grüße SteveN
153. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von gag_coll am 07.06.18 20:59

Zitat
\"Frauke blickte zu Frauke.\"
Danke für den Hinweis. Ich habe es korrigiert. Es muss natürlich heißen: Frau Hegel blickte zu Frauke.
154. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von SteveN am 08.06.18 10:44

Hallo Knebel mit dem Collar

Jetzt im fehlenden Teil kommt das Abendessen bei
Hegels an die Reihe. Ich vermute mal, daß Frauke
dabei sein soll, weil Julia dann nicht alleine
essen kann ... ... ...

Viele Grüße SteveN


155. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 6 - Familie Vogel - Teil Neun von Neun

geschrieben von gag_coll am 12.06.18 05:58

Der Mantel der Studentin
Kapitel 6 - Familie Vogel - Teil Neun von Neun
Autor: Karl Kollar

»Wieder ganz geschlossen.« Frauke war verwundert, als sie Julia half, die Reißverschlüsse zu schließen. »Hast du noch nie darüber nachgedacht, unter dem äußeren Rock zu schummeln?«

»Doch, das habe ich, aber so fühlt es sich einfach schöner an.« Sie lächelte. »Vor allem, weil ich mich hier nicht so schnell bewegen muss.«

»Du überrascht mich immer wieder.« Frauke war sichtlich fasziniert. »Ich glaube fast, es gefällt dir, hier gefangen zu sein.«

»Ich bin hier nicht gefangen.« Sie klang ein wenig empört. »Sie sagen, dass ich jederzeit gehen kann.«

»Aber du wirst nicht gehen.« Frauke senkte den Kopf. Ihre Stimme wurde leiser. »Da bin ich mir ganz sicher.«

»Ach so meinst du das.« Julia grinste. »Ja, da könntest du allerdings recht haben. Carolin hat mich gefangen. Sie ist es, die mich nicht mehr los lässt.«

Frauke hielt den Atem an und war ein wenig enttäuscht, denn eigentlich hatte sie eine andere Antwort erwartet.


»Danke, meine Damen, das war sehr lecker.« Herr Hegel wischte sich den Mund ab. »Danke, Julia, dass sie uns Gesellschaft geleistet haben.«

Julia war ein wenig verlegen. »Kein Problem.« Sie blickte unwillkürlich zur Uhr.

»Haben sie heute Abend noch etwas vor?« Er hatte den Blick bemerkt.

»Ich wollte die Unterlagen für morgen noch einmal durch gehen.« Doch dann hielt sie inne, denn ihr war der besondere Unterton dieser Frage aufgefallen. »Sie hatten doch schon gesagt, dass sie noch den Handschuh ausprobieren wollen.«

Seine Frau kam ihm zur Hilfe. »Wir haben am Samstag eine neue Schnürtechnik für den Handschuh kennengelernt, und die würden gern einmal ausprobieren.«

»Und dafür brauchen sie mich.« Julia gab sich Mühe, es nicht als Frage klingen zu lassen. Sie hatte sich eigentlich auf einen romantischen Abend mit Frauke gefreut, doch sie wollte ihren Gastgebern diesen Wunsch auch nicht abschlagen. Unwillkürlich blickte sie zu Frauke, doch die Dienerin hielt ihren Kopf gesenkt.

»Es dauert maximal eine halbe Stunde, dann entlassen wir sie in den Sonntagabend.« Frau Hegel war bemüht, ihre Neugier noch nicht zu zeigen.

»Es sei denn, es gefällt ihnen, und wir sitzen dann noch ein wenig gemütlich zusammen.« Herr Hegel blickte zu Frauke. »Sie bitte auch, Frau Wiesl.«

Frauke blickte verwundert auf. Julia im Handschuh war ein Anblick, den sie sich trotz ihrer Sehnsucht nicht entgehen lassen wollte. »Wir bleiben gern.«

Es fiel Julia nur neben bei auf, dass Frauke schon wieder 'wir' gesagt hatte. Sie blickte noch einmal zu ihrer 'Schwester', und erst als diese ebenfalls nickte, erklärte Julia ihre Bereitschaft. »Aber wir reden nicht über das Studium, oder?«

»Versprochen, das wird kein Thema sein.« Herr Hegel lächelte erleichtert. »Dann gehen wir jetzt ins Wohnzimmer. Ich habe den Kamin schon angezündet.«


Das leise knisternde Kaminfeuer nahm Julia sofort gefangen. Sie blickte sich kurz um. Auf dem niedrigen Tisch lagen schon einige Handschuhe bereit. Obwohl sie noch nicht viele Handschuhe gesehen hatte, fielen ihr sofort die leeren Schnürleisten auf. Daneben erkannte sie kleine Metallzangen, zwei Lederriemen und einige Schnüre.

Herr Hegel saß schon in dem Sessel in der Nähe des Kamins und bat Julia, sich auf das Sofa zu setzen. »Meine Frau kommt gleich, sie muss nur noch etwas holen.«


Doch zuerst kam Frauke in den Raum. Es war ihr deutlich anzusehen, dass sie über die unerwartete Einladung sehr verunsichert war.

»Nehmen sie Platz, Frau Wiesl.« Herr Hegel zeigte auf das Sofa neben Julia. »Ich habe sie dazu gebeten, damit sie meiner Frau eventuell zur Hand gehen können. Dann sind wir auch schneller fertig. Ich glaube, das liegt auch in ihrem Interesse.«

Während Frauke sich auf den gezeigten Platz setzte, glaubte sie ein Zwinkern bei Herrn Hegel entdeckt zu haben. Sie war sich aber immer noch nicht sicher, ob sie der Gesamtsituation trauen durfte.

Sie warteten schweigend.


Kurze Zeit später betrat auch Frau Hegel das Wohnzimmer. »Wir haben gestern einen Hinweis auf einen Artikel in der neuesten Rundschau bekommen. Sie haben uns freundlicherweise eine Kopie gemacht.« Sie reichte Julia die zwei Seiten. »Schauen sie sich das bitte einmal an, und dann sagen sie uns, ob sie dazu bereit sind.«

Julia nahm die Blätter in die Hand und begann sich darin zu vertiefen. Der Artikel erstreckte sich über eineinhalb Seiten und war mit zwei Fotos illustriert. Ein Foto zeigte eine Handschuhträgerin von hinten in Großaufnahme. Zu erkennen waren aber nur der Handschuh und die langen blonden Haare.

Das andere Foto zeigte eine Detailaufnahme, bei der gezeigt wurde, wie die Fixierung der Schüre mit den Metallklammern zu machen war.

In der Kopfzeile stand der Julia schon vertraute Schriftzug 'ARCANVM ANGELARVM' und unten auf der Seite gab es die klein gedruckte Angabe: Ausgabe 32 Januar-April. Julia rechnete nach und erkannt, dass es wohl drei Ausgaben pro Jahr gab. Und der Bund der Engel war mindestens zehn Jahre alt, denn so lange erschien schon die Zeitung. Sie war insgeheim sehr fasziniert darüber, dass dieser 'Bund der Engel' sogar ein eigenes Magazin herausgab.

»Das Mädchen behauptet, dass sich der Handschuh so besser tragen lässt, weil so der Druck der Schnürung gleichmäßig verteilt ist.« Frau Hegel holte tief Luft. »Und weil angeblich weniger Schnur gebraucht wird, lässt sich der Handschuh auch schneller anlegen.« Es waren einige Zweifel in ihrer Stimme zu hören.

»Und ich werde ihnen dabei helfen, das herauszufinden?« Julia hatte ein leichtes Zittern in ihrer Stimme.

»Wenn sie so nett wären...« Herr Hegel legte den Arm auf die Rückenlehne. »Es kommt ihnen ja auch zugute.«

»Worauf warten sie noch?« Julia blickte kurz von dem Artikel auf.

»Das Mädchen hat noch einige Tipps in den Artikel geschrieben, sehen sie hier.« Frau Hegel zeigte auf eine Stelle in dem Artikel.

Julia vertiefte sich in die angedeutete Stelle. Schließlich hob sie wieder ihren Kopf. »Von mir aus können sie mir die Ellenbogen gern aneinander binden. Es ist einzusehen, dass sie am Anfang länger brauchen, und ich die Kraft zum Aneinanderdrücken der Arme nicht habe.« Sie gab die Argumentation aus dem Artikel noch einmal wieder.

»Sie wären also damit einverstanden?« Herr Hegel blickte zwischen Julia und seiner Frau hin und her.

»Ja klar.« Julia nickte. »Ich bin sehr gespannt auf neue Erfahrungen.«


»Frauke, sie helfen mir bitte.« Frau Hegel drehte sich zu der Dienerin.

»Sehr gern, Frau Hegel.« Frauke blickte Julia kurz, aber intensiv an. Sie hätte sich den Artikel selbst auch gern einmal angesehen, doch im Moment beanspruchte Frau Hegel ihre Aufmerksamkeit.

»Beginnen sie bitte mit den beiden Hilfsriemen. Erst den Riemen unterhalb der Ellenbogen und dann oberhalb der Handgelenke.« Sie wandte sich an Julia. »Ich hoffe, sie haben Verständnis dafür, dass ich diese Hilfsriemen brauche. Wenn ich ihnen den Handschuh schnell anlegen könnte, dann würden wir diese zusätzliche Prozedur nicht brauchen.«

Julia hatte Probleme mit der Antwort. Sie musste sich erst räuspern. »Das ist kein Problem.« Fasziniert sie sah, wie Frauke sich zwei Riemen in die Hand nahm und ihre Arme auf dem Rücken fixierte.

»Worin besteht eigentlich die Neuigkeit beim Schnüren?« Frauke fand es insgeheim etwas lächerlich.

»Die Schnürung wird in fünf Abschnitte eingeteilt.« Frau Hegel hatte Mühe, ihre Anspannung nicht zu zeigen. »Und jeder Abschnitt wird mit einer dieser Klammern gesichert.«

Jetzt erkannte auch Frauke die Zusammenhänge. »Ja das stimmt. Das könnte funktionieren.«

»Meistens öffnete sich der untere Abschnitt wieder, wenn die oberen Abschnitte gemacht werden. Mit den Klammern soll sich das verhindern lassen.« Frau Hegel warf noch einmal einen Blick auf den Artikel. »Es klingt sehr plausibel, und deswegen möchte ich das jetzt einmal ausprobieren.«

»Die Handschuhe haben zwanzig Löcher auf jeder Seite.« Frauke hatte einen der bereitliegenden Handschuhe in die Hand genommen. »Wie teilen wir das auf?«

»Wir ziehen immer fünf Löcher fest und fixieren die Schnur nach dem vierten Loch.« Es wurde deutlich, dass Frau Hegel sich gut vorbereitet hatte.

Herr Hegel hatte zu dem Glas Rotwein gegriffen, dass neben ihm auf dem kleinen Tischchen stand. Er lächelte. »Ich denke, ihr Frauen kommt ohne mich zurecht.« Es wurde deutlich, dass er mit den Details nichts zu tun haben wollte. »Aber das Ergebnis würde ich gern in Augenschein nehmen.«

Seine Frau lächelte ihm kurz zu. »Wir müssen noch ausmessen, welche Größe für sie am geeignetsten ist.«

»Was wird denn dabei gemessen?« Julia hatte große Mühe, ihre zunehmende Erregung unter Kontrolle zu halten. Sie wollte unbedingt vermeiden, in Gegenwart ihres Professors in seinem Wohnzimmer einen Orgasmus zu bekommen.

»Der Armumfang und die Armlänge werden berücksichtigt.« Frau Hegel holte das Maßband, welches sie schon bereit gelegt hatte.

»Haben sie denn so viele Größen vorrätig?« Julia versuchte sich etwas abzulenken.

»Von den schwarzen Handschuhen gibt es viele. Ein paar davon haben uns Vogels geliehen.« Frau Hegel begann, Julias Arme zu vermessen. »Aber ich glaube, sie können ohnehin eine Standardgröße tragen.«

»Ich bin etwas verwundert über den Aufwand.« Julia bereute den Satz, kaum dass sie ihn ausgesprochen hatte.

»Wenn sie es Sorgfalt nennen würden, dann würde ich ihnen sogar zustimmen.« Herr Hegel regte sich in seinem Sessel. »Der Handschuh lässt sich ja nur dann lange tragen, wenn er optimal sitzt.«

»Ja, das ist einzusehen.« Im ersten Moment wollte Julia fragen, mit welchen Zeitspannen sie denn zu rechnen hätte, doch dann schluckte sie ihre Worte ungesagt hinunter. Sie hatte schon realisiert, dass es eine Art Selbstschutz war, wenn sie über die Zukunft nicht zu viel wusste.

Und noch etwas hatte sie zwischen den Zeilen erfahren. Es gab die Handschuhe wohl in verschiedenen Farben, und Schwarz war wohl die Farbe, die es am häufigsten gab.

»Frauke, suchen sie bitte einen 17/7er heraus.« Frau Hegel legte das Maßband wieder weg.

Julia nahm es zur Kenntnis. »Geht es dann endlich los?« Doch gleich darauf ärgerte sich, weil sie so etwas ungeduldig klang.

»Na, na, Frau Sommer!« Frauke hatte ein Lächeln in der Stimme. »Wer wird denn da so ungeduldig sein?«

»Entschuldigung.« Julia hatte ihren Fauxpas erkannt, sie lächelte verlegen. »Ich glaube, ich kann im Moment ohnehin nichts tun, was es beschleunigen würde.«

»Doch, das können sie durchaus«, widersprach Frau Hegel. »Es würde uns sehr helfen, wenn sie ihre Arme ganz ruhig halten und immer sofort das machen, was wir von ihnen wünschen.«

»Ja, Frau Hegel.« Julia war verlegen. »Ich werde es versuchen.«

»Wie fangen wir an?« Frauke stand neben Julia und hatte den Handschuh in der Hand.

»Das ist also ein 17/7er.« Julia versuchte, ihre Nervosität zu verbergen.

»17 bezieht sich auf die Länge der Arme, und 7 auf den Umfang.« Frau Hegel sprach ein wenig leiser.

»Konfektionsgrößen sind das aber nicht.« Julia versuchte einen Scherz, um sich etwas die Anspannung zu nehmen.

»Das kommt darauf an. Im Bund sind die allgemein üblich.« Sie drehte sich zu Frauke. »Schieben sie ihr den Handschuh bitte über die Arme und ziehen ihn dann bis zu den Schultern hoch, soweit, wie es geht.«

Frauke kam der Aufforderung nach.


Julia spürte, wie sich das Leder langsam, aber quasi unerbittlich um ihre Hände legte.

»Sie melden sich sofort, wenn es irgendwo weh tun sollte?« Herr Hegel schien irgendwie die Aufsicht führen zu wollen.

Die Stimme ihres Professors riss Julia aus ihren Gedanken. »Ja, natürlich.« Sie räusperte sich. »Aber bis jetzt ist es ein angenehmes Gefühl.«

»Dann brauche ich jetzt die erste Klammer.« Sie blickte sich um. »Winfried, kannst du mir die anreichen?«

Er stand auf, griff sich die Klammern vom Tisch und trat näher. »Es braucht offenbar sechs Hände, um ihnen den Handschuh anzulegen.« Er lächelte.

Julia war die Nähe ihres Professors sehr unangenehm. Sie zwang sich ein Lächeln ins Gesicht. »Das Studium ist wohl leichter.«

»Das würde ich so nicht sagen, aber ich bewundere ihre Art, wie sie bereit sind, neues auszuprobieren.« Er lächelte ebenfalls. »Das wird ihnen auf ihrem weiteren Weg als Architektin sehr helfen.«

»Winfried, wir hatten doch gesagt, dass der Job jetzt kein Thema sein sollte.« Frau Hegel blickte ihren Mann leicht vorwurfsvoll an.

»Ja, du hast recht. Entschuldige bitte, mein Schatz.« Er blickte auf Julias Arme. »So sieht das also aus?« Er sah fasziniert zu, wie seine Frau die erste Klammer an die Schnürung anbrachte. »Wie lange muss die jetzt darauf bleiben?«

»Darüber schweigt die Autorin des Artikels.« Frau Hegel schien den Inhalt gut zu kennen. »Aber ich denke, mindestens bis die zweite Klammer angebracht ist. Aber den unteren Riemen müssen wir jetzt lösen.«

»Man braucht also immer mindestens zwei Klammern?« Frauke schaute ebenfalls sehr interessiert auf den Handschuh.

»Sieht so aus.« Frau Hegel lächelte.

»Wie viele haben wir?« Der Professor blickte auf die Kammern, die er in seinen Händen hielt und zählte selbst nach. »Es sind fünf. Damit könnte der ganze Handschuh geschlossen werden und gesichert werden.«

Julia hielt die Luft an. Sie war deutlich irritiert über das Interesse ihres Professors an dem Handschuh, doch es gab nichts, was sie dagegen unternehmen konnte. Sie beschloss, es einfach über sich ergehen zu lassen.


»Wie fühlt es sich an, Julia?« Die Stimme von Frau Hegel durchbrach die konzentrierte Stille.

»Sehr gut. Es trägt sich sehr angenehm.« Erst jetzt stutzte sie. »Sind sie schon fertig?«

»Das war die letzte Klammer, und die Schnürung ist ganz geschlossen.« Frau Hegel informierte Julia über den Zustand des Handschuhs.

»Nirgends ist ein Spalt zu sehen.« Frauke war mehr als fasziniert.

»Dann bringen wir jetzt noch die Halteriemen an.« Frau Hegel ging wieder zum Tisch.

»Halteriemen?« Julia war verwundert.

»Die halten den Handschuh oben.« Frau Hegel nahm sich die Riemen vom Tisch. »Wenn sie sich viel bewegen, würde er sonst vermutlich nach unten rutschen.«


Julia verzichtete auf die Frage, wie lange sie jetzt so verbleiben musste. Sie wusste, dass Hegels auf ihre Gesundheit achteten und dafür sorgen würden, dass sie den Handschuh nicht zu lange trug.

»Wie geht es ihnen?« Herr Hegel war sichtlich an Julia und ihren Armen interessiert.

»Es fühlt sich schön an.« Julias Stimme war leise.

»Es sieht auch schon aus.« Fraukes Stimme war ebenfalls leise.

»Setzen sie sich doch bitte.« Er zeigte auf den Sessel mit der Aussparung in der Mitte der Rückenlehne.

Julia schluckte. Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie wieder einen großen Schritt auf Carolins Weg gegangen war. Sie ging zu dem Sessel und ließ sich langsam hinein sinken.

»Sitzen sie bequem?« Herr Hegel blickte sie aufmerksam an.

»Oh ja, das ist sehr angenehm.« Julia war sichtlich irritiert, sich auf diese Weise mit ihrem Professor zu unterhalten.

»Wie sind sie mit dem Pferd zurecht gekommen?« Es wurde deutlich, dass er echtes Interesse zeigte.

»Naja, ein echtes Pferd wäre mir lieber.« Julia lächelte verlegen.

»Hatten sie daheim Pferde auf dem Hof?« Frau Hegel hatte sich jetzt auch gesetzt.

»Ja, aber das waren nicht unsere eigenen Tiere.« Julia wurde etwas sentimental. »Meine Eltern haben sich etwas dazuverdient, indem sie die Unterkunft vermietet haben.«

»Sind sie auch auf ihnen auch geritten?« Frau Hegel trank einen Schluck aus ihrem Glas.

»Nein, eigentlich nie.« Julia klang sentimental. »Obwohl es mich sehr gereizt hätte. Aber es waren eben die Pferde der Kunden. Aber es war sehr schön, sich um sie zu kümmern.«

»Sie vermissen sie?« Herr Hegel zeigte ebenfalls Mitgefühl.

»Oh ja. Aber noch mehr die Kühe.« Sie dachte wehmütig an Rosalie, die sie als Kälbchen sogar selbst aufziehen durfte. So eine innige Bindung hatte sie sonst zu keinem, weder Mensch noch Tier.

»Und wie war es in der WG?« Herr Hegel wechselte das Thema. »Das war bestimmt eine große Umstellung.«

»Oh ja, das war es. Allein der tägliche Streit ums Bad.« Sie lachte trotz ihrer Anspannung. An die Zeit der Wohngemeinschaft dachte sie eigentlich nicht so gern zurück, denn es war eine Zeit der Planlosigkeit. Sie war vor allem aus Trotz in die WG gezogen. Weil sie von der drohenden Verlobung fliehen wollte, aber auch weil es die einzige Möglichkeit war, ihren Traum einer Architektin weiter zu verfolgen.


Herr Hegel blickte auf die Uhr. »Ich denke, es ist Zeit.« Er gab Frauke ein Zeichen. »Frau Wiesl, würden sie Julia bitte den Handschuh wieder abnehmen?«

»Ein schönes Gefühl, wenn die Anspannung langsam nachlässt.« Julia lächelte. Es war nicht ganz klar, ob sich ihre Äußerung auf die Situation oder den Handschuh bezog.

»Und wie hat es ihnen gefallen?« Frau Hegel lächelte. »Ein wenig Feedback würde uns schon interessieren.«

»Bei ihnen fühlt sich der Handschuh ganz anders an als bei Frauke.« Julia machte ein paar der Gymnastikübungen. »Bei ihnen baut sich der Druck langsamer und gleichmäßiger auf.«

»Von mir aus können sie sich dann zurück ziehen.« Herr Hegel nahm ein kleines Kästchen von dem Tisch und reichte es Frauke. »Ich glaube, das wollen sie benutzen.«


»Was hast du noch von Herrn Hegel bekommen?«, fragte Julia, als ihre Zimmertür ins Schloss gefallen war.

»Lass dich überraschen.« Frauke grinste bis über die Ohren. »Jetzt sieh zu, dass du dich umziehst und im Bad fertig wirst.«

Julia lief mit für ihre Verhältnisse schnellen Schritten zum Bett. Schon auf dem Weg dahin begann sie sich auszuziehen.

»Ich lege dir schon einmal das Nachthemd zurecht.« In Frauke reifte langsam ein Plan.

Obwohl sie wusste, dass Frauke auf sie wartete, ließ sie sich im Bad Zeit. Sie realisierte mindestens zwei Straßenbahnen. Doch da sie von Fraukes Sehnsucht wusste, hatte sie diesbezüglich kein schlechtes Gewissen. Außerdem ahnte sie, dass Frauke etwas für sie vorbereitet hatte, und dass wollte sie noch etwas hinauszögern.


»Schau mal, was ich hier habe?« Frauke hielt den kleinen Kasten in der Hand, den sie vorhin von Herrn Hegel bekommen hatte.

»Was ist das?« Julia gab sich bewusst naiv, obwohl sie die Antwort schon wusste. Schließlich hatte Frauke ihr wieder den Schmetterling angelegt, bevor sie sie in das Nachthemd gesperrt hatte.

»Das wirst du gleich erleben.« Fraukes Miene wurde auf einmal ernst. »Wer hat vorhin gesagt, dass es sich besser anfühlt, wenn ich es nicht mache?«

Julia brauchte einen Moment, um die ganze Situation zu begreifen. »Ich glaube, da hat wohl jemand eine Strafe verdient.« Sie versuchte, ein verlegenes Gesicht zu machen.

»Und ob, mein Fräulein, und ob.« Frauke setzte sich auf das Bett. »Und den Gute-Nacht-Kuss gibt es erst danach.« Sie nahm das Kästchen in die linke Hand, hielt es so, dass Julia es gut sehen konnte und mit einem teuflischen Grinsen drückte sie auf den grünen Knopf.
156. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von HeMaDo am 12.06.18 20:33

Danke für die Fortsetzung. Ich bin gespannt, wie es weiter geht.


Ein paar Gedanken die mir durch den Kopf gegangen sind:
Ich vermute, der Sattel ist so wie Julia ihn diese Mal benutzt hat, ist noch nicht vollständig? Zumindest die andere Mondensichel mit dem Loch lässt zumindest darauf schließen.

Was mir besonders interessant erscheint:
»Das haben wir den Männern schon früh als Zugeständnis abgetrotzt.«
Kann es sein, daß Frau Hegel auch ein Engel war oder ist?


Bitte weiter so,

HeMaDo


157. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von N0V0 am 13.06.18 17:49

Hi Gag_Coll, danke für die Fortsetzung, und bin gespannt wie es weiter geht



Da bin ich in gleichen Meinung.
Zitat

Ich denke, es wird hier niemand böse sein, wenn es hier etwas langsamer weiter geht oder du mal eine Pause machen musst.
Hauptsache, du schaffst es, die Probleme zu lösen, damit es dir und denen die dir wichtig sind, gut geht.

HeMaDo
158. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von SteveN am 14.06.18 12:27

Hallo gag_coll !

Eine wunderbare Fortsetzung !!!

Und Julia bekommt von Frauke ihre Belohnung und
anschließend den Gutenachtkuß.

Jetzt bin ich natürlich sehr gespannt in welche
Richtung sich die Geschichte entwickelt ... ... ...

Viele Grüße SteveN

159. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von Rainman am 18.06.18 01:42

Hallo gag_coll.

Man, die Storie wogt aber irgendwie hin und her.
Ist an sich spannend geschrieben und auch gut zu lesen.
Und ich habe sie auch immer gelesen.

Aber ich muß leider für mich sagen, das mir die Geschichte über Maria doch besser gefällt.

LG Rainman
160. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von AK am 26.06.18 22:34

Super Geschichte

Freu mich auf die Fortsetzung. Bin besonders gespannt wie es ihr mir ihrem neuen Gürtel gehen wird
161. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 7 - Der Gürtel - Teil Eins von Elf

geschrieben von gag_coll am 16.08.18 09:10

Die Studentin
Kapitel 7 - Der Gürtel - Teil Eins von Elf
Autor: Karl Kollar

Den Weg von der Haltestelle zum Universitätsgebäude war Julia schon oft gegangen. Doch heute war dieser Gang etwas Besonders, denn sie war auf dem Weg zu ihrer lange erwarteten Engelsprüfung. Schon von weitem sah sie das imposante Gebäude, in dem sie schon so viel Zeit verbracht hatte.

Beim Näherkommen bemerkte sie seit langer Zeit wieder einmal, wie groß das Portal doch war, durch das sie jetzt fast jeden Morgen die Universität betreten hatte. Doch schnell richteten sich ihre Gedanken wieder auf ihre bevorstehende Prüfung und wie es dazu gekommen war.

Hegels hatten sie wortwörtlich von der Straße geholt, und entsprechend fühlte sie jetzt sich ihren Vermietern verpflichtet. Sie war fest entschlossen, sich der Prüfung zu stellen und Carolin, Hegels verstorbene Tochter, würdig zu vertreten. Sie hatte mittlerweile auch erkannt, dass sie mit dieser Prüfung für Hegels anscheinend die letzte Möglichkeit darstellte, ein gewisses Ziel zu erreichen – auch wenn sie immer noch nicht wusste, worum es sich dabei genau handelte.

Eigentlich hätte Carolin diesen Weg gehen sollen, doch sie war viel zu früh gestorben. Jetzt sollte sich Julia an ihrer Stelle dieser Herausforderung stellen, und damit war sie mehr als einverstanden.

Während sie das große und beeindruckende Treppenhaus hoch schritt, dachte sie daran, wie viele Prüfungen sie hier schon ganz problemlos bestanden hatte. Sie hatte fast nie besonders lernen müssen, und sie konnte die Fragen der Professoren in der Regel mühelos beantworten.

Doch schon auf dem Weg in das obere Stockwerk merkte sie, dass es heute ein wenig anders war. Ihr kamen Mädchen mit großen Engelsflügeln entgegen, die sie allerdings überhaupt nicht beachteten.

Auch Mädchen in der ihr mittlerweile bekannten Engelsuniform sah sie, und einige wenige Mädchen, bisher hatte sie zwei gezählt, waren sogar mit einem Handschuh und einer Perle im Mund unterwegs.

Je näher sie dem Prüfungsraum kam, desto mehr Uniformträgerinnen fielen ihr auf. Auch die Anzahl der Mädchen mit Handschuh und Perle nahm zu. Sie erkannte langsam, dass diese Prüfung wohl doch etwas bedeutender war, als ihre bisherigen Examina.

Als sie nur noch eine Tür von dem Korridor, auf dem sich der Prüfungsraum befand, trennte, blieb sie kurz stehen und holte einmal tief Luft. Ja, sie wollte sich heute dieser Herausforderung stellen. Leider war Frauke nicht mitgekommen, da sie sich wegen ihres Kleides schämte. Julia bedauerte dies ein wenig, und sie ahnte, dass auch noch etwas mehr dahinter stecken musste. Noch einmal holte sie tief Luft, dann schob sie die Tür auf und betrat den Korridor.

Das erste, was sie erblickte, waren die beiden Mädchen, die wie Wächterinnen links und rechts neben der Tür zum Prüfungssaal standen und offensichtlich Eingang bewachten. Auf den zweiten Blick erkannte Julia, dass auf ihren Schultern zwei kleine weiße Engelssymbole aufgenäht waren. Sie machten einen sehr ernsten Eindruck und schienen auch wegen des Schulterschmucks einen höheren Rang zu haben. Beide blickten sehr konzentriert auf die Bank auf der Fensterseite, und als Julia dem Blick folgte, entdeckte sie neben einigen anderen Mädchen dort auch Patricia sitzen. Auf den zweiten Blick sah Julia, dass auch deren Freund anwesend war, und als sie die anderen Mädchen musterte, erkannte sie, dass alle Mädchen zum einen sowohl Handschuh und Perle trugen, aber auch, dass alle von einem Vertrauten begleitet wurde. Nur sie selbst war allein gekommen, wie sie das fast eigentlich immer bei ihren Prüfungen tat. Obwohl sie Frauke gern an ihrer Seite gehabt hätte, wusste sie doch auch, dass sie dann abgelenkt sein würde.

Auf einmal ging die Tür auf und ein wichtig aussehender Herr in einer altmodischen Uniform trat heraus. Er räusperte sich kurz, dann bat er die Anwesenden um Aufmerksamkeit. »Die hochverehrten Elevinnen mögen sich ab sofort und zügig in den Saal begeben.« Er sprach sehr gestelzt.

Julia hatte Mühe, sich ein Lachen zu verkneifen, weil sein Äußeres zusammen mit seiner Ausdrucksweise einen sehr altmodischen Eindruck machte. Sie wurde erst wieder ernst, als sie bemerkte, wie brav und folgsam die anderen Prüflinge dieser Aufforderung folgten. Schließlich betrat sie als letzte der Prüflinge den Saal. Der Herr hinter ihr schloss die Tür und ging dann zu seinem Tisch, um von dort eine altmodische Schriftrolle in die Hand zu nehmen.

»Ich möchte nun die Anwesenheit der Prüflinge feststellen.« Er wartete kurz, bis es im Saal still geworden war, dann wickelte er etwas umständlich die Schriftrolle ab und hob seinen Blick. »Ich werde die einzeln Prüflinge aufrufen. Sie mögen dann bitte nach vorn kommen und sich von ihrer Begleitung jeweils auf der Prüfungsliste eintragen lassen.« Er hielt kurz inne.

Während dieser Zeit blickte sich Julia verstohlen um. Sie stellte verwundert fest, dass sie der einzige Prüfling war, der weder eine Perle noch den Handschuh trug. Doch da sie bisher keiner darauf angesprochen hatte, selbst der Mann mit dem strengen Blick nicht, ging sie davon aus, dass es in Ordnung sein würde. Auch hatte sie sich schon eine Entschuldigung überlegt, falls sie jemand fragen sollte. Immerhin musste sie allein mit der Straßenbahn fahren, denn Frauke war nicht mitgekommen.

Patricia wurde als erster Prüfling aufgerufen. Sie wartete, bis ihr Freund ihr den Arm reichte, dann stand sie ebenfalls auf. Gemeinsam traten sie vor das Pult, wo sie der Freund in das dort bereitliegende Buch ein trug.

Auch die anderen Mädchen, die aufgerufen wurden, wurden von ihrem Begleiter eingetragen, lediglich Julia trug sich selbst ein. Es war wieder ein Moment, in dem sie Frauke vermisste. Doch dann fragte sie sich, wie gefestigt ihre Beziehung schon war. Bisher kannte sie die seltsame Dienerin gerade mal eine Woche, und obwohl sie ihr zärtliche Momente und heftige Höhepunkte verdankte, wusste sie doch relativ wenig von diesem außergewöhnlichen Mädchen.

Nachdem sie alle wieder auf ihren Platz gesetzt hatten, kehrte gespannte Stille ein. Es dauerte ein paar Minuten, dann war auf einmal ein Klopfen zu hören. Der ältere Herr hatte einen langen Stab in der Hand und hatte damit einmal auf den Boden gestoßen. »Bitte stehen sie auf für die Mitglieder der Prüfungskommission.«

Er wartete ab, bis alle aufgestanden waren und wieder Ruhe eingekehrt war, dann klopfte er ein zweites Mal.

Die gegenüberliegende Tür ging auf und drei Frauen betraten den Raum. Julia keuchte heftig, als sie erkannte, wer ihre Prüfung abnehmen würde. Frau Reger, die Pfarrerin, die sie letzten Sonntag kennengelernt hatte, kam als Erste in den Raum. Heute trug sie eine schwarze Richter-Robe und Julia erkannte sofort, dass sich auf ihren Schultern zwei goldene Engel befanden. Sie nahm in der Mitte des Jury-Tisches platz.

Hinter ihr betraten zwei Frauen den Saal, die Julia nicht minder überraschten. Es war zum einen ihre Klassenlehrerin aus der Grundschule, sowie die blonde Carolin, die wieder ihren blauen Handschuh trug. Sie nahmen neben Frau Reger Platz, dann blickte sie auf die Papiere, die vor ihnen lagen.

Julia nutzte die Pause, um sich etwas umzusehen. Erst jetzt erkannte sie, dass sich auch Publikum im Saal befand. Sie erschrak ein wenig, als sie erkannte, dass auch Hegels im Zuschauerraum saßen; besonders wegen des erwartungsvollen Blicks, den sie ihr zuwarfen.



Als erstes Mädchen wurde Patricia aufgerufen. Sie trat vor die Jury, und obwohl sie ihre Perle im Mund hatte, nannte sie gegenüber der Jury ihren Namen.

Frau Reger gab der Frau, die hinter ihr stand, ein Zeichen, und gleich darauf wurde Patricia von dieser Frau hinter einen Paravan geführt.

Es dauerte nur einen kurzen Moment, dann kamen sie zurück und die Frau informierte die Jury über das Ergebnis ihrer erfolgreichen Inspektion. Frau Reger schien sich das Ergebnis zu notieren.

Julia sah, dass sie Frau, die Patricia gemustert hatte, drei weiße Engel auf der Schulter trug, ebenso wie bei Carolin, nur dass bei ihr die Engel teilweise durch die Riemen ihres Handschuhs verdeckt wurden.

Patricia wurde an den Jury-Tisch gebeten. Frau Reger begann, ihr offensichtlich die Prüfungsfragen zu stellen. Julia hatte erwartet, dass sie ihr eventuell den Handschuh und ganz sicher die Perle abnehmen würden, doch davon passierte nichts. Patricia beantwortete die Fragen trotz der Perle in ihrem Mund, nur manchmal nahm sie ihre verpackten Arme zur Hilfe. Obwohl sie die Antworten nicht hören konnte, war Julia doch sehr beeindruckt von Patricias Erscheinung und der Sicherheit, mit der sie die Fragen beantwortete. Erst etwas später realisierte Julia, dass sie selbst diese Fragen nicht beantworten konnte, denn sie betrafen ein Gebiet, von dem sie bisher nur wenig wusste.

Frau Reger machte einen sehr zufriedenen Eindruck und bat den Prüfling, sich für die Bewertung der Haltung aufzustellen. Patricia schien sofort zu wissen, was erwartet wurde, und sie stellte sich seitlich vor der Jury auf. Julia fiel erst jetzt auf, wie hoch doch die Absätze der Schuhe waren, die das Mädchen trug, und sie warf einen Blick auf ihre eigenen Schuhe. Wie eigentlich jeden Tag war sie in den flachen und bequemen Sportschuhen unterwegs.

Im letzten Teil der Prüfung musste Patricia noch einen unsichtbaren Parcours laufen, doch auch damit hatte sie offensichtlich keine Probleme. Zum Schluss trat sie noch einmal vor die Jury und machte eine Verbeugung. Frau Reger bedankte sich, und gratulierte Patricia noch einmal für die ausgezeichnete Darbietung. »Sie haben natürlich mit Bravour bestanden.«

Patricia verbeugte sich noch einmal, dann ging sie langsam, aber stolz zu ihrem Platz und setzte sich wieder neben ihren Freund.



Als nächste kam ein Mädchen an die Reihe, dass Julia nicht kannte. Das Mädchen trug sogar ein Perlennetz und machte einen sowohl stolzen als auch unterwürfigen Eindruck. Die Lederriemen, die sich um ihren Kopf schmiegten, hatten Mühe, ihre üppigen Haare fast in Form einer Löwenmähne zu bändigen. Und den Parcours schritt sie nicht einfach nur ab, sondern es sah aus, als würde sie ihn tanzen. Dabei ließ sie sich weder von den hohen Absätzen noch von dem sehr streng angelegten Handschuh stören.

Julia bewunderte, dass ihre Arme wirklich bis dicht über den Ellenbogen eine einzige schmale Röhre bildeten. Und was sie am meisten verwunderte, war die Tatsache, dass der Handschuh weder eine Schnürung noch einen Reißverschluss hatte. Es schien, als sei er ihr um die Arme genäht oder zusammengeklebt worden.

Ein wenig später entdeckte sie noch, dass auch die Halteriemen ebenfalls keine Verschlüsse hatten. Es machte den Eindruck, als wäre sie in diesen Handschuh hineingewachsen oder aber zumindest hineingenäht worden.

Julia war beeindruckt, und es wunderte sie nicht, dass dieses Mädchen von der Jury sogar eine extra Belobigung bekam.



Als nächstes wurde Julia selbst aufgerufen. Wie sie es schon bei den anderen Mädchen gesehen hatte, trat auch sie vor die Jury und nannte ihren Namen.

»Warum sind sie nicht richtig vorbereitet?« Die Stimme der Hauptprüferin zeigte, dass sie von Julias Auftreten nicht begeistert war, ihr aber offenbar noch eine Chance bieten wollte.

Julia blickte sich verlegen um, als sie sah, dass Frau Hegel auf sie zu kam und einen Handschuh in der Hand hielt. »Ich hoffe, sie haben sich gut vorbereitet?« Mit diesen Worten legte sie ihr den Handschuh an. Gleich darauf hatte sie auch eine Perle in der Hand, die sie Julia im Mund befestigte.

Auch Julia wurde hinter den Paravan geführt. Jetzt erkannte sie, was sich hier abspielte. »Wenn sie den Gürtel tragen, so wie es verlangt ist, dann werden sie nichts spüren.« Mit diesen Worten trat die Frau an sie heran.

Gleich darauf spürte Julia jeweils eine Berührung an ihrer Scham und ihren Brüsten. Jetzt erkannte Julia, was diese Untersuchung bedeutete. Die Frau wollte prüfen, ob sie den Gürtel tragen würde. »Das dachte ich mir schon.«

Julia versuchte, sich zu rechtfertigen und versuchte zu sagen, dass sie den Schutz erst heute Abend bekommen würde, doch die Perle in ihrem Mund verhinderte klare Worte. Stattdessen tropfte etwas Speichel aus ihrem Mund und erzeugte auf ihrer Bluse einen deutlich sichtbaren Fleck.

Sie traten wieder vor die Jury, und die Frau berichtete über das Untersuchungsergebnis. Frau Reger warf einen seltsamen Blick auf die Studentin, dann griff sie zu ihrem Stift und machte auf einem Zettel ein Kreuz.

Julia konnte auf dem Zettel neben ihrem Namen drei Überschriften entziffern. Die breite Spalte war mit ‚Prüfungsteil‘ überschreiben, daneben gab es je eine Spalte mit ‚Bestanden‘ und ‚Nicht bestanden‘. Zu ihrem Entsetzen machte Frau Reger in der Spalte ‚Nicht bestanden‘ ein Kreuz. »Den Fleck auf ihrer Bluse will ich einmal übersehen.« Doch die Stimme der Prüferin war so kalt, dass es Julia erschauerte.



Als nächstes war die Befragung an der Reihe, und zu Julias Entsetzen bekam sie die gleichen Fragen wie Patricia. Und wie schon zuvor wusste sie keine einzige richtige Antwort. Das Einzige, was sie machen konnte, war etwas hilflos mit den Achseln zucken.

Denn selbst, wenn sie die Antworten von Patricia gehört hätte, hätte jede kleinste Nachfrage gereicht, um sie zu entlarven. Außerdem riskierte sie einen weiteren Fleck, wenn sie ihre Lippen bewegte. Verzweifelt sah sie zu, wie Frau Reger das nächste Kreuz in der dritten Spalte machte.

»Jetzt stellen sie sich bitte richtig hin.« Mit diesen Worten leitete Frau Reger die Haltungsprüfung ein. »Sie tragen ja noch nicht einmal die richtigen Schuhe. Warum haben sie es überhaupt gewagt, hier so anzutreten?«

Julia sah mit weiter wachsender Verzweiflung, wie sich die Kreuze in der besagten Spalte häuften.

»Können sie wenigstens den Parcours?« Mit diesen Worten wurde der letzte Teil ihrer Prüfung eingeleitet.

Julia versuchte, wenigstens ein paar von Patricias Bewegungen nachzuahmen. Dabei fiel ihr Blick einmal auf die Zuschauer, und sie realisierte, wie sehr sie Hegels erwartungsvoll anblickten. Julia war von diesem Blick so verwirrt, dass sie ins Stolpern kam.

»Danke Frau Sommer, das war es.« Die Stimme von Frau Reger war so kalt wie noch nie. Sie schien es fast wie eine persönliche Kränkung aufzufassen. Langsam drehte sie sich zu Hegels, die sie zuvor heran gewunken hatte. »Ich hatte es ihnen doch gleich gesagt.«

Julia sah die tiefe Enttäuschung in den Gesichtern des Ehepaares, und sie spürte deutlich, dass sie als angehender Engel auf ganzer Linie versagt hatte. Sie senkte ihren Blick, und erste Tränen schossen in ihren Augen.

Carolin war aufgestanden und an sie heran getreten. »Du hast mich sehr enttäuscht.« Sehr stolz und doch auch betrübt wandte sie sich ab.

Lediglich Patricia versuchte sie zu trösten, doch Julia stieß sie weg.

Auch Frauke hatte sie von ihr abgewendet, Julia sah gerade noch, wie sie traurig den Saal verließ.

Die Studentin war verzweifelt. Warum hatte sie nur all die Ratschläge in den Wind geschlagen? Sie hatten ihr alle gesagt, was wichtig war, doch sie hatte es ignoriert.

Sie setzte sich und begann zu weinen.

Es gab keinen, den sie für ihr Scheitern verantwortlich machen konnte, sie hatte es ganz allein verbockt.

Nur die Kuh Rosalie hielt noch zu ihr. Sie kam mit ihrem Maul auf sie zu und stupste sie an. »Julia, du musst aufwachen.«

Julia wunderte sich, denn Rosalie hatte noch nie zu ihr gesprochen. Nur langsam realisierte sie, dass Frauke neben ihrem Bett stand und dabei war, sie zu wecken.
162. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 7 - Der Gürtel - Teil Zwei von Elf

geschrieben von gag_coll am 21.08.18 18:42

Die Studentin
Kapitel 7 - Der Gürtel - Teil Zwei von Elf
Autor: Karl Kollar

»Heute wird ein spannender Tag.« Herr Hegel lächelte seine Frau an, nachdem er ihr einen ‚Guten Morgen‘ gewünscht hatte. Entgegen seiner sonstigen Gewohnheit stand er nicht sofort aus dem Bett auf, sondern blieb noch ein wenig liegen.

»Ja, da könntest du recht haben.« Frau Hegel lächelte zurück. »Ich bin schon sehr gespannt, wie Julia auf den Gürtel reagieren wird.«

»Bisher macht sie ja eher einen recht erfreulichen Eindruck.« Doch dann stutzte er. »Du meinst, wenn sie erkannt hat, worum es sich bei dem Gürtel wirklich handelt.«

»Naja.« Sie gab sich nachdenklich. »Ich könnte mir gut vorstellen, dass Frauke ihr den Ihren schon gezeigt hat.«

»Apropos Frauke.« Herr Hegel unterbrach den Gedankengang seiner Frau. »Wie machen wir das eigentlich mit dem Postboten? Darf sie ein eingeschriebenes Paket überhaupt annehmen?«

»Ach, gut dass du das ansprichst. Das Problem stellt sich gar nicht.« Frau Hegel berichtete, dass sie vom Bund einen Anruf bekommen hatte. »Sie liefern den Gürtel selbst.«

»Wie kommt das denn? So wichtig sind wir doch sonst auch nicht.« Herr Hegel erinnerte daran, dass aus Kostengründen solche Pakete eigentlich eher mit der Post verschickt wurden.

»Marianne bringt uns den Gürtel vorbei.« Frau Hegel gab wieder, was sie am Telefon erfahren hatte. »Sie hat wegen eines anderen Engels in Rosenheim zu tun und biegt für uns hier kurz ab.« Sie machte eine kurze Pause. »Sie meinte, dass sie wohl so gegen elf Uhr bei uns sein wird.«

»Und was bringt sie uns alles?« Er versuchte vergeblich, seine Neugier im Zaum zu halten. »Nur das Einstiegsmodell oder gleich das komplette Ensemble?«

»Du weißt doch selbst, wie wenig Zeit wir nur noch haben.« Frau Hegel blickte ihren Mann verwundert an. »Ich habe ausgemacht, dass sie gleich das komplette Modell liefern, auch mit dem ganzen Zubehör. Wir sind dann sehr flexibel, und der Preisunterschied fällt nicht so sehr ins Gewicht.«

»Und wir legen ihr heute gleich alles an?« Herr Hegel richtete sich auf. »Ich habe schon lange keinen voll geschirrten Engel mehr gesehen.«

»Das wird auch so bleiben.« Seine Frau musste ihn an etwas erinnern. »Du weißt doch, dass sie die Regeln diesbezüglich erneut geändert haben.«

»Ja, du hast Recht.« Er schüttelte den Kopf. »Eigentlich sehr schade.« Doch dann wiederholte er seine Frage. »Wird Julia eigentlich gleich komplett verschlossen? So viel Zeit haben wir ja nicht mehr.«

»Ich habe auch schon des öfteren darüber nachgedacht.« Frau Hegel seufzte. »Aber wenn wir ihr nicht das Gefühl geben, dass es freiwillig wäre, dann riskieren wir, dass sie uns noch vor dem eigentlichen Beginn verlässt.«

Er sah die Argumente ein. »Und was schlägst du vor?«

»Wir machen es wie ursprünglich vorgesehen. Die ersten Tage darf sie den Schlüssel einer Person ihres Vertrauens geben.« Sie blickte für einen Moment zum Fenster. »Und wenn sie sich daran gewöhnt hat, wird sie ihn gern an uns abgeben.«

»Das hoffst du?« Er war noch unsicher, was den Optimismus seiner Frau betraf. »Und du spekulierst auf Frauke?«

»Ich bin sehr zuversichtlich.« Frau Hegel berichtete ein wenig über die Veränderungen in Fraukes Verhalten und Auftreten. »Julia hat einen positiven Einfluss auf sie.«

»Dein Wort in Gottes Ohr.« Er seufzte.

»Du weißt, was passiert, wenn wir es zu früh machen?« Der Tonfall seiner Frau veränderte sich ein wenig.

»Ja, allerdings.« Er seufzte wieder, diesmal sehr tief. »Das war mir ein warnendes Beispiel.«

»Und wenn sie dir den Schlüssel geben möchte?« Letztendlich war die Frage seiner Frau durchaus berechtigt.

»Nun, das würde ja sogar noch besser in unsere Pläne passen.« Er war amüsiert über diesen aus seiner Sicht eher abwegigen Gedanken. »Aber ich glaube, sie wird Frauke den Vorzug geben.« Trotzdem versuchte er einen Themenwechsel. »Was ist eigentlich mit dem Korsett? Das war ja glaube ich nicht ganz geschlossen.«

»Ja das stimmt.« Frau Hegel lächelte. »Da hat sie noch ein wenig Potential.«

»So ganz genau kenne ich mich da ja nicht aus…« Er war ein wenig verlegen. »Aber wird das nicht sehr kompliziert, wenn sie das Korsett und den Gürtel gleichzeitig tragen soll?«

»Das wird aber eher selten vorkommen.« Sie blickte ihren Mann erstaunt an. »Der Gürtel ist ja hauptsächlich dann wichtig, wenn sie ihre Hände frei hat. Außerdem ist ja immer sehr viel Zeit zum Umkleiden vorgesehen, später, wenn wir auf der Burg sind.«

»Naja, da gibt es ja auch sonst nicht viel zu tun«, spottete er.

»Das will ich nicht gehört haben.« Sie setzte erst eine erboste Miene auf, doch dann lächelte sie. »Es mag vielleicht euch Männern so vorkommen. Aber wir Frauen haben sehr viel Arbeit. Allein das Schnüren der Korsetts und der Handschuhe.«

»Was meinst du, ob es ihr wohl gefallen wird, wenn man allen äußeren Druck weg lässt?« Er erinnerte sie an das Gespräch vom Sonntag Nachmittag.

»Ich denke schon.« Sie kam kurz ins Grübeln. »Ich kenne einige Stimmen von Engeln, die sich besonders positiv über das strenge Korsett geäußert hatten. Es wäre wie eine große Umarmung gewesen. Ich glaube, dass sie dem strengen Korsett sehr aufgeschlossen sein dürfte. Es wird ihr sicher gefallen.«

Er dachte einen Moment lang nach. »Was könnten wir tun, um sie beim Haltungstraining zu unterstützen?«

»Der Geradehalter bietet sich an.« Frau Hegel schmunzelte. »Den kann sie auch unter der Kleidung tragen.«

»Ich weiß, an was du denkst.« Er lächelte ebenfalls kurz, doch dann wurde er wieder ernst. »Sollen wir ihn abschließen?«

»Warum willst du es so überstürzen?« Sie verdrehte die Augen. »Lass sie doch erst einmal so ihre Erfahrungen machen.«

»Aber wenn sie ihn gleich wieder ablegt?« Er wollte seine Bedenken geäußert haben.

»Dann ist das eben so.« Sie lächelte wieder. »Dann müssen wir das hinnehmen. Aber mach dir keine Sorgen, ich denke, sie ist mehr als motiviert.« Auf einmal hatte sie doch eine Idee. »Soll ich ihr sagen, dass du weißt, das sie einen Geradehalter darunter trägt?«

»Gute Idee.« Er war sehr angetan von diesem Vorschlag, denn erst auf den zweiten Blick war es ein Druckmittel. »Das ist vielleicht sogar besser als wenn er verschlossen wäre.«

»Du hast ihr gestern gleich 400 Euro gegeben.« Sie hob gegen Ende des Satzes ihre Stimme.

»Ja und?« Er blickte seine Frau verwundert an. »Fandest du es zu wenig?«

»Nein, eher zu viel.« Sie seufzte. »Ich frage mich, ob ihre Motivation nicht darunter leiden wird.«

»Das glaube ich nicht.« Er lächelte. »Wenn sie nur halb so ehrgeizig ist wie für ihr Studium, dann kann uns eigentlich nichts passieren.«

»Ich hoffe sehr, dass du dich nicht täuscht.« Frau Hegel blickte kurz zum Fenster.

»Mit der Engelsuniform ist sie ja sehr gut zurecht gekommen.« Er lächelte erleichtert. »War das kleine Korsett eigentlich schon ganz geschlossen?«

»Das hast du doch gerade schon gefragt.« Frau Hegel musste kurz nachdenken. »Ich habe es selbst nicht gesehen, aber Frauke sagte, dass noch zwei Zentimeter übrig geblieben wären.«

»Hast du eine Idee, wie ich sie darauf ansprechen könnte?« Er richtete sich auf.

»Das solltest du gar nicht tun.« Seine Frau blickte ihn verwundert an.

»Warum?« Er ließ sich wieder in sein Kissen sinken.

»Du verplapperst dich zu leicht.« Sie setzte ein warnendes Gesicht auf. »Ich musste dich schon mehrmals retten.«

»Ja, da könntest du recht haben.« Er war ein wenig verlegen. »Es wäre wesentlich leichter, wenn wir ihr gegenüber offen sein könnten.«

»Aber dann würde sie sofort wieder gehen.« Sie erinnerte ihn an ihre ersten Versuche. »Mache es doch so: Im Haus keine Gespräche über die Uni… und außer Haus keine Gespräche über die Engel.« Sie holte tief Luft. »Ich muss dich ja sicher nicht an die diesbezüglichen Regeln erinnern.«

»Nein, sicher nicht.« Eine Regel des Bundes besagte, dass sich Mitglieder nur dann außerhalb der Burg über die Engel unterhalten duften, wenn ein Belauschen durch Außenstehende ausgeschlossen war. »Wird das Korsett eigentlich von uns abgeschlossen?« Es beschämte ihn ein wenig, dass er Interesse zeigte an der Unterwäsche einer seiner Studentinnen.

»Das wäre ja wieder zusätzlicher Zwang.« Frau Hegel widersprach im wieder. »Außerdem vertraue ich Julia. Wenn es wirklich einen ernsten Grund gibt, warum sie das Korsett ablegen muss, dann sollten wir das akzeptieren.«

»Was ist mit dem großen Engelskorsett?« Er hatte Mühe, seine langsam wachsende Nervosität zu verbergen. »Wann bekommt sie das?«

»Dafür, dass du ein Mann bist, bist du aber ziemlich neugierig.« Sie lächelte kurz, dann wurde sie wieder ernst. »Die Schneiderin wird sie heute vermessen. Am Mittwoch bringt sie es zu einer Anprobe und liefern will sie es am Freitag.«

»Wäre das eigentlich auch noch Uni-tauglich?« Seine Augen begannen zu leuchten.

»Ich würde es nicht empfehlen. Dafür ist es dann doch etwas zu lang.« Sie dachte kurz nach. »Damit zu sitzen ist sehr mühsam.«

»Aber hat sie dann überhaupt Chancen, die nötigen Übungen zu machen?« Es waren arge Zweifel bei ihm zu hören.

»Ich hoffe es. Wir dürfen es trotzdem nicht forcieren.« Wieder holte sie tief Luft. »Denn wenn es ihr zu viel wird, dann wird sie uns verlassen. Denke daran, dass wir ihr diese Option immer bieten müssen.«

Er schwieg einen Moment. »Haben wir überhaupt schon einen Trainingsplan ausgearbeitet?«

»Nein, bisher noch nicht.« Sie schien nachzudenken. »Zumindest nicht im Detail.« Der Bund hatte eine allgemeine Empfehlung herausgegeben, doch für Julia war noch kein Detailplan entwickelt worden.

»Sollten wir nicht genauer über die Einhaltung ihres Trainings wachen?« Er kämpfte sowohl mit seiner Ungeduld als auch mit seinen Zweifeln.

Doch seine Frau widersprach ihm. »Sie soll nicht das Gefühl bekommen, dass wir sie rund um die Uhr überwachen.« Sie seufzte. »Wir müssen ihr so vertrauen, wie sie uns vertraut.«

Es fiel ihm schwer, dies hinzunehmen. »Wie oft trägt sie jetzt schon den Handschuh?«

»Sie hat ja gerade erst damit angefangen.« In diesem Moment musste sie Julia in Schutz nehmen. »Wir dürfen es wirklich nicht überstürzen.«

»Schon klar.« Er seufzte. »Aber können wir ihre Motivation diesbezüglich erhöhen? Ich glaube nämlich, dass sie ihn ganz gern tragen würde.«

»Naja, vielleicht könnte sie ihn beim Lernen tragen?« Im Gegensatz zu ihren bisherigen Versuchen wäre dies ein ganz neuer Ansatz.

Doch ihr Mann widersprach ihr sofort. »Wie soll das gehen bei der vielen Fachliteratur?«

Sie hatte eine Idee. »Und wenn wir Frauke bitten, ihr mit den Büchern behilflich zu sein?«

»Ja das könnte funktionieren.« Der Professor war davon recht angetan. »Du kannst ihr ja wieder ein paar Pluspunkte vergeben.«

Seine Frau lächelte. »Und sie wird sich freuen, wenn sie öfters in Julias Nähe sein kann.«

»Ihr solltet das Pferd an das Erkerfenster stellen, dann kann sie nebenbei auch noch den Straßenbahnen zusehen.« Er grinste.

»Das weißt du?« Sie war erstaunt.

»Naja, jeden Tag, wenn ich von der Uni kam, war sie in dem Zimmer, auch lange nach dem sie gescheitert war.« Er holte tief Luft. »Ich habe sie einmal darauf angesprochen...« Das Thema wurde ihm unangenehm. »Das Halskorsett ist vermutlich auch nicht öffentlichkeitstauglich?«

»Nicht für die Uni.« Sie schüttelte den Kopf. »Höchstens für Spaziergänge. Letzteres haben wir doch schon mal ausprobiert.«

»Du hast recht.« Er lächelte. »Wir sollte darauf achten, dass es ein hautfarbendes Exemplar ist, sonst gibt das wieder so seltsame Fragen. Aber fürs Lernen käme das durchaus in Frage.«

»Ich sage Frauke Bescheid, dass sie sich darum kümmern soll.« Sie schlug ihre Bettdecke auf. »Und jetzt sollten wir langsam aufstehen.«
163. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 7 - Der Gürtel - Teil Drei von Elf

geschrieben von gag_coll am 24.08.18 08:43

Die Studentin
Kapitel 7 - Der Gürtel - Teil Drei von Elf
Autor: Karl Kollar

Julia blickte die Dienerin verschlafen an. »Du musst mir unbedingt etwas versprechen.«

Frauke blickte die Studentin etwas verwundert an. »Ich wünsche dir auch einen guten Morgen.«

Julia lächelte verlegen, dann erwiderte sie den Gruß. »Bitte verlass mich nicht.«

Frauke stutzte einen Moment »Was ist denn nur passiert? Hast du schlecht geträumt?« Das wäre eine Erklärung für Julias seltsames Verhalten.

»Das ist richtig.« Sie gab ihren Traum in groben Zügen wieder. »Das darf mir einfach nicht passieren.«

Frauke hatte zunächst etwas belustigt zugehört, doch dann wurde sie auf einmal ernst, denn sie hatte das Potential erkannt. Außerdem hoffte sie auf ein paar weitere Pluspunkte. »Warte bitte einen Moment, ich bin gleich wieder bei dir.«

Sie verließ das Zimmer und kam gleich darauf mit einem seltsamen Gerät zurück. »Hier, das habe ich geholt.«

»Und was ist das?« Julia schaute etwas verwirrt auf eine Ansammlung von etwas breiteren Stoffriemen.

»Das ist ein Geradehalter.« Frauke lächelte. »Der wird dir helfen.«

»Frauke?« Julias Stimme klang auf einmal seltsam sehnsüchtig. »Das wäre noch etwas, was ich mit dir diskutieren wollte.«

»Und zwar?« Frauke hatte sich zwar etwas mehr Begeisterung wegen des Geradehalters erwartet, doch sie schob es auf Julias Unwissenheit.

»Das zweite Mädchen in meinem Traum trug einen Handschuh, der überhaupt keine Verschlüsse hatte, so als wäre er angewachsen. Das fand ich toll.«

Frauke runzelte die Stirn. »Bist du sicher, dass es nicht Klettverschlüsse waren? Die würde man nämlich auch nicht sofort entdecken.«

»Kann schon sein.« Julia war ein wenig enttäuscht. »Die Vorstellung, den Handschuh einfach nicht mehr abnehmen zu können, hat etwas faszinierendes.«

»Das wird aber schnell gefährlich.« Frau Hegel war insgeheim über soviel Faszination begeistert. Frauke hatte ihr in hastigen Stichworten von dem Traum erzählt, daraufhin war sie ebenfalls in Julias Zimmer gekommen. »Du weißt sicherlich, dass sich die Muskeln schnell zurückbilden, wenn man nicht gegensteuert.«

»Trotzdem«, seufzte Julia. »So einen Handschuh würde ich gern einmal tragen.«

»Meinst du jetzt den nicht mehr abnehmbaren Handschuh oder die Klettverschlüsse?« Frauke lachte. »Letzteres wäre einfach.«

»Wie war das mit dem Haltungstraining?« Julia versuchte das ihr etwas unangenehm gewordene Thema zu wechseln.

»Wir haben ihnen ein Hilfsmittel mitgebracht, einen sogenannten Geradehalter.« Sie nahm das Gerät noch einmal kurz in die Hand. »Ich würde gern einmal schauen, ob es möglich ist, es mit dem Korsett zu kombinieren?«

»Mit welchem Korsett?«, wunderte sich Julia.

»Na, das von der Engel-Uniform.« Frau Hegel lächelte. »Frauke sagte mir, dass es da noch Potential bei der Schnürung gäbe.«

Julia verstand sofort, was die Frau des Professors damit eigentlich sagen wollte. »Ja, zwei Zentimeter haben noch gefehlt.« Doch dann stutzte sie. »Aber warum fragen sie das? Ich muss doch heute in die Uni.«

Auf einmal wurde Frau Hegel ernst. »Sollte ich mich so in ihnen getäuscht haben? Ich war mir sicher, dass sie das Korsett unter der Alltagskleidung tragen würden.«

Julias Augen leuchteten auf. »Das würde gehen?« Es wurde deutlich, dass sie an diese Möglichkeit noch nicht gedacht hatte.

»Aber natürlich.« Sie lächelte. »Oder meinen sie, die Unterwäsche der Studenten wird kontrolliert.«

Julia lachte, doch dann wurde sie wieder ernst. »Und was bewirkt der Geradehalter in diesem Zusammenhang?«

Frau Hegel versuchte eine Zusammenfassung. »Er zieht ihren Oberkörper zurück und sorgt so mehr oder weniger automatisch für die richtige Haltung.«

Julia horchte auf. »Ist das dann die Haltung, die ich auch als Engel brauche?«

»Ja, das ist richtig.« Frau Hegel blickte kurz zu Frauke. »Warum fragen sie?«

Frauke nahm die Studentin kurz in den Arm. »Erzähl ruhig von deinem Traum.« So kam sie auch um die Verlegenheit herum, Julia sagen zu müssen, dass sie Frau Hegel ohne ihr Einverständnis von dem Traum erzählt hatte.

Julia holte noch einmal tief Luft, dann berichtete sie.

»Wir probieren jetzt einfach, ob sich das Korsett und der Geradehalter gleichzeitig tragen lassen.« Frau Hegel hatte ebenso wie Frauke sofort das Potential erkannt, welches sich aus dem Traum ergab. »Bei der Prüfung müssen sie natürlich ohne Geradehalter auftreten, doch das Gerät hat ihren Muskeln quasi vorher gezeigt, wie sie zu stehen haben.«

»Dann will ich es gern probieren«, strahlte Julia.

»Wir machen das gleich zusammen.« Frau Hegel bat Frauke, das Korsett aus dem Schrank zu holen. »Zu zweit geht es mit dem Korsett schneller.« Und ich kann gleich den Spalt kontrollieren, fügte sie in Gedanken noch hinzu.

Julia war wirklich erstaunt, wie schnell sich das Korsett dieses Mal um ihre Taille legte und vor allem wie schnell es enger wurde. Im Gegensatz zum ersten Mal gab sie sich heute Mühe, auf keinen Fall aufzustöhnen. Trotzdem wollte sie es so streng tragen, wie sie nur konnte.



»So, das reicht für heute«, ließ Frau Hegel nach einiger Zeit hören.

»Wie weit ist es zu?« Julia war an der Auskunft sehr interessiert.

»Ein Zentimeter ist es noch offen«, teilte Frauke fasziniert mit.

»Bitte«, sprach Julia mit leiser Stimme. »Ich spüre, dass ich es noch enger tragen kann.«

»Ja, für den Moment.« Frau Hegel gab sich Mühe, weiterhin freundlich zu klingen. »Aber bitte denken sie auch daran, dass sie damit auch noch die Vorlesungen überstehen müssen.« Sie holte tief Luft. »Wenn sie heute Nachmittag immer noch der Meinung sind, dass es enger werden darf, dann machen wir es morgen gern so eng.«

Julia fiel es schwer, es einzusehen. Erst als Frauke ihr ebenfalls gut zuredete, gab sie nach. »Und jetzt bitte den Geradehalter.«

»Wollen sie den jetzt schon anziehen?« Frau Hegel nahm ihn in die Hand und sortierte die einzelnen Riemen.

»Dann kann ich beim Frühstück gleich probieren, wie gut ich mich bewegen kann.« Sie schon ein verlegenes ‚dachte ich mir‘ hinterher.

»Willst du auch gleich deine Uni-Sachen anziehen?« Frauke hatte einen Unterton in der Frage, der Julia aufhorchen ließ.

»Ja, warum fragst du?« Julia fragte sich, ob sie schon wieder einmal ein Fettnäpfchen getroffen hatte.

Frauke zögerte ein wenig. Sie war sich nicht sicher, ob es richtig war, Julia an ihr Versprechen zu erinnern. »Du würdest Hegels eine Freude machen, wenn du Carolins Sachen zum Frühstück tragen würdest.« Sie blickte kurz zu den Schränken in ihrem Zimmer.

»Stimmt, das hatte ich ja versprochen.« Insgeheim war Julia sehr fasziniert von der Möglichkeit, hier den ganzen Tag Lackkleidung zu tragen, ohne dass sie dafür schief angesehen wurde.

Klar, vom Bauernhof her kannte sie diese Kleidung nicht, aber in gewissen Musikvideos und im Fernsehen hatte sie schon öfters diesen so seltsam faszinierenden Stoff gesehen. In München hatte sie ihn dann auch manchmal in den teuren Boutiquen gesehen und sowohl gejubelt als auch über die Preise gestöhnt.

Gedankenverloren strich sie mit der Hand über den so glatten Stoff ihres Bettes und wusste, dass die Realität manchmal sogar noch schöner sein konnte als ihre diesbezüglichen Träume.

»Willst du dich nicht mal langsam anziehen?« Frauke riss sie aus ihren Gedanken. »Ihr werden sonst noch zu spät zur Uni kommen, wenn wir vorher noch frühstücken wollen.«

Julia seufzte, doch dann griff sie zu den Lacksachen und mit zitternden Händen zog sie die so faszinierende Kleidung an. Auch hier war es ein Gewinn für beide Seite. Sie trug die Lackkleidung unheimlich gern, und Hegels freuten sich, dass sie so sehr ihrer verstorbenen Tochter nacheiferte, so dachte sie zumindest.

* * *

Gleich nach dem letzten Schluck Kaffee ergriff ihr Professor das Wort. »Wir haben von ihrem Traum und ihren diesbezüglichen Sorgen gehört. Andererseits stehen bald auch einige wichtige Prüfungen in der Uni an.«

Julia seufzte, doch dann horchte sie auf. »Ja und?«

Herr Hegel zögerte noch ein wenig, so als wolle er ihre Stimmung prüfen. »Wie wäre es, wenn wir das Haltungstraining und das Tragen von Handschuh und Perle mit dem Üben für die Uni miteinander verbinden?«

»Aber die vielen Bücher?« Julia hatte den Kern des Problems sofort erkannt.

Er holte tief Luft. »Wenn Frau Wiesl damit einverstanden wäre, dann könnte sie ihnen beim Lernen helfen.«

Natürlich war Frauke vorher schon eingeweiht worden, und nachdem ihr pro Lernstunde ein Pluspunkt versprochen war, hatte sie nichts einzuwenden gehabt. Im Gegenteil, es reizte sie sehr, der völlig hilflosen Julia auf dem Pferd mit der kompletten Ausrüstung inklusive Halskorsett und Monohandschuh beim Lernen behilflich zu sein.

»Wir greifen dann zwar dem Donnerstag vor, aber ich glaube, das wird sie kaum stören.« Frau Hegel hatte schon etwas weiter gedacht.

»Donnerstag?« Julia runzelte die Stirn.

Frauke kam ihr zu Hilfe. »Am Donnerstag solltest du den Abend mit Hegels auf dem Pferd verbringen, aber erst einmal ohne den Handschuh.«

»Naja, das kann ich ja trotzdem noch machen.« Julia war sehr dankbar und erleichtert, dass ihre Sorgen wegen dem Haltungstraining so ernst genommen wurden.

»Sie wären also einverstanden mit den besonderen Lernbedingungen?« Herr Hegel wollte sicherheitshalber noch einmal nach haken.

»Aber ja.« Julia war fast in Jubelstimmung, doch dann wurde sie wieder ernst. »Ich möchte mich bedanken, dass sie es mir erlauben, dass Training für die Engel und das Studium gemeinsam erledigen zu können.« Sie musste wieder an Patricia denken und an die Anmut und Selbstverständlichkeit, mit der sie dieses Mädchen mit Perlennetz und Handschuh erlebt hatte. Trotz der kurzen Zeit kam es ihr vor, als wäre es für Patricia eine Selbstverständlichkeit, den Handschuh zu tragen. Und damit war sie ein sehr großes Vorbild.

»Aber bitte denken sie an genügend Pausen, sonst leiden ihre Muskeln darunter und das darf auf keinen Fall passieren.« Er drehte sich zu Frauke. »Ich verlasse mich auf sie. Bitte sorgen sie dafür, dass Julia ausreichend Gymnastikpausen macht.«

Frauke war so von der Situation gefangen, dass sie erst einmal schlucken musste. »Das verspreche ich.«

»Wenn sie möchten, könnten wir das Pferd auch noch in Richtung Erker schieben.« Er sprach nicht weiter.

Trotzdem erkannte Frauke, was er eigentlich sagen wollte. »Danke, das ist sehr freundlich.«

164. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von SteveN am 26.08.18 10:35

Hallo Gag Collar !

Jetzt wird Julia für den Unibesuch angezogen.
Wird sie es bis zum Nachmittag aushalten, bis sie
wieder nach Hause kommt ?

Viele Grüße SteveN

165. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von HeMaDo am 26.08.18 11:04

Es geht spannend weiter.
Was mir aber aufgefallen ist, ist ein Satz, den ich nicht ganz verstehe:

Zitat

»Ihr werden sonst noch zu spät zur Uni kommen, wenn wir vorher noch frühstücken wollen.«

Hier ist wohl ein Fehler drinne. Sollte es "ihr werdet" heißen, was im pluralis maejstatis nur auf Julia bezogen wäre oder auf Julia und Herrn Hegel?
Oder sollte es "wir werden" heißen, was aber Frauke (für mich zumindest recht überraschend) mit einbeziehen würde.

HeMaDo

166. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von gag_coll am 26.08.18 15:47

Zitat
Hier ist wohl ein Fehler drinne.

Hallo HeMaDo,

gemeint war: "ihr": Herr Hegel und Julia, "wir": Hegels, Frauke und Julia

Viele Grüße
gag_coll
167. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von *Gozar* am 26.08.18 21:27

pluralis maejstatis

WoW


iss das ne Salbe oder sowas?

HeMaDo iss ein geleerter *kicher*

Nichts desto Drops entgeht dem Adlerauge keine Unzulänglichkeit!

*Achtung*
...meine Damen und Herren. Hier wird auf hoher Nivea geschreibselt und Getextet!
Hier treffen zwei auf einander, die in der gleichen Liga spielen!

(Der eine weiß was ich meine, für den anderen ist's ein Komlpiment)

Da ich "Maria" konsumiert, ja gar verschlungen habe, (mit Heißhunger nach Lesestoff) und auch auf anderen "knebelreichen" Plattformen "vorlesen" durfte, kann ich sagen: Freut euch auf GROSSE Dinge und genießt nonpornografische und dennoch HOCH erotische, rhetorische Darstellungen und wortgewandte Ausführungen.
Hier wird der Phantasie keine Grenze gesetzt doch wird sie beflügelt.

Jenes gilt nicht nur für den hiesigen Autor, sondern auch für jenen welchen, der hinter neuen Horizonten weilt.

An dich gag_coll ein riesen DANKESCHÖN für deine Mühen

Ich warte in den Mauern deines "Reiches", auf die weiteren Erlebnisse des angehenden Engels.
Der Heißhunger nach Lesestoff, steht dem bei Maria in nichts nach.

Also wohlan flinke Feder, ans Werk, ans Werk auf das es in kürze gedeihe!

Gruß Gozar
168. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 7 - Der Gürtel - Teil Vier von Elf

geschrieben von gag_coll am 28.08.18 06:02

Die Studentin
Kapitel 7 - Der Gürtel - Teil Vier von Elf
Autor: Karl Kollar

An der Haltestelle direkt vor dem Haus mussten Julia und ihr Professor nicht lange auf die nächste Straßenbahn in die Stadt warten. Sie stiegen ein und fanden sofort zwei freie Plätze nebeneinander.

Herr Hegel nahm seine Zeitung aus der Tasche, doch er legte sie sich zunächst nur auf den Schoß. »Ich hoffe, es stört sie nicht, wenn ich schon jetzt fachlich werde.«

»Nein, kein Problem.« Julia hätte zwar lieber über die Engel gesprochen, doch sie fühlte irgendwie, dass sie dieses Thema besser mit seiner Frau besprechen sollte.

»Da wäre etwas, was sie wissen sollten. Es wird bald eine neue Norm zum Häuserbau geben.« Er machte eine bedeutsame Pause. »Die Behörden arbeiten gerade an ihrer Ausfertigung, und ich wurde als Sachverständiger hinzugezogen.«

Julia nickte. Sie war über den Einfluss ihres Professors sehr verwundert. »Um was wird es bei der neuen Norm gehen?« Sie fand es insgeheim spannend, einmal so früh bei der Entstehung einer neuen Vorschrift dabei zu sein.

»Im Gegensatz zu sonst ist dieses Mal der Innenraum betroffen, deswegen wurde ich auch hinzugezogen.« In seinem Gesicht war ein Spur von Stolz zu erkennen. »In Zukunft wird es Vorschrift sein, dass die Vorhangschienen und Gardinenhalter immer mindestens zehn Zentimeter von den Außenwände entfernt sind.«

»Ich finde es gut, dann kann die Luft besser zirkulieren.« Julia hatte den Sinn dieser Vorschrift sofort erkannt.

»Das sind dann natürlich auch zehn Zentimeter weniger, die im Innenraum verplant werden können.« Er machte wieder eine Pause. »Aber die Feuchtigkeit muss auch aus dem Mauerwerk heraus zirkulieren können. Die Feuchtigkeit in den Wänden kann große Schäden verursachen, angefangen bei Schimmel.«

»Verständlich.« Julia lächelte, dann ließ sie ihren Blick aus dem Fenster gleiten. Eigentlich hätte sie noch viele Fragen zu den Engeln gehabt, doch sie traute sich nicht, sie zu stellen.

Herr Hegel nahm die Zeitung zur Hand und schlug sie auf, dann begann er darin zu lesen. Als er merkte, dass Julia versuchte, ein wenig mitzulesen, hielt er die Zeitung etwas mehr in ihre Richtung.

Julia war über diese kleine Geste sehr erfreut, und deswegen nahm sie all ihren Mut zusammen und berichtete noch einmal kurz von ihrem Traum in der Nacht. »Können sie mir nicht ein paar Informationen geben, was mich noch alles erwarten wird? Nach meinem Traum möchte ich ihre Erwartungen so gut wie möglich erfüllen.«

Herr Hegel lächelte verlegen. »Da müssen sie meine Frau fragen. Die kann ihnen das viel besser erklären.« Letzteres war nicht einmal gelogen.

Julia seufzte und blickte wieder aus dem Fenster auf die vorbeiziehende Landschaft.

* * *

»Heute steht ein Außentermin an? Wartung Wiesl/Hegel« Die junge Auszubildende zur Justizfachangestellten stand vor dem schwarzen Brett und studierte den ausgehängten Dienstplan.

»Der Chef hat das angeordnet.« Die Beamtin, die sich nebenbei auch um die Ausbildung des Mädchens zu kümmern hatte, lächelte, doch sie verdrehte auch leicht die Augen. »Und nein, das gehört nicht zu unseren Alltagsaufgaben. Aber ich dachte mir, dass du trotzdem vielleicht mitkommen möchtest.«

»Gern.« Das Mädchen grinste. »Um was geht es denn?« Es war ihr anzuhören, dass sie über die kommende Abwechslung sehr erfreut war.

»Eine unserer Gefangenen lebt bei Familie Hegel in Grünwald, und wir müssen uns um ihre ‚Uniform‘ kümmern.« Die Frau hatte vor dem Wort ‚Uniform‘ eine deutliche Pause gemacht.

»Und warum macht sie das?« Das Mädchen stutzte. »Und warum braucht die Uniform so aufwendige Pflege?«

»So viele Fragen...« Die Beamtin grinste. »Ihr wurde ein Deal angeboten, und sie hat zugestimmt.« Sie war sich immer noch unsicher, wie dieses junge und offensichtlich unerfahrene Mädchen auf die Wahrheit reagieren würde. »Wir müssen uns um ihren Keuschheitsgürtel kümmern.« Sie nahm eine gefüllte Plastiktüte aus ihrem Schreibtisch und packte sie in ihre große Umhängetasche.

Die Auszubildende schluckte. »Ist das nicht grausam?« Sie senkte ihren Blick zu Boden.

»Wenn du die Wahl hast zwischen einer Gefängniszelle oder der Freiheit in so einem Gürtel?« Sie versuchte zu verbergen, dass sie die Reaktionen des Mädchen geradezu aufsaugte.

»Ja, sie haben recht.« Sie blickte wieder auf. »Und was ist jetzt unsere Aufgabe?«

»Diese Gürtel sind nicht für wirklich dauerhaftes Tragen gedacht.« Sie holte tief Luft. »Die Haut darunter braucht Pflege.«

»Gibt es dafür kein Personal?« Die Auszubildende war verwundert.

»Nein, das ist ein Privat-Experiment von Herrn Buchelberger.« Sie seufzte ein wenig, denn dies war der Schwachpunkt. Juristisch abgesichert war dieses Arrangement nicht. »Jetzt müssen wir los. Wir fahren mit der Straßenbahn.«

Die Auszubildende stand auf und griff sich ihre Jacke. Doch dann hielt sie inne. »Warum eigentlich Straßenbahn? Ich hätte sowohl Führerschein als auch Auto.«

»Ich auch«, lächelte die Beamtin. »Aber ich mag den Stadtverkehr um diese Uhrzeit überhaupt nicht.« Sie seufzte. »Außerdem wohnen Hegels direkt neben der Haltestelle.«

»Na dann.« Das Mädchen warf sich ihre Jacke über die Schulter. »Gehen wir?«

Auf dem Weg zur Haltestelle dahin bekam sie von ihrer Ausbilderin noch einige Hintergrundinformationen zu der besonderen Gefangenen.



»Und warum machen wir da mit?« Das Mädchen suchte in der Straßenbahn zwei freie Plätze und setzte sich.

»Ich bin ihm noch einen Gefallen schuldig. Außerdem reizte es mich, bei einer alternativen Form des Strafvollzugs mitzumachen.« Es gab noch etwas, was sie ‚beichten‘ musste. »Übrigens, normalerweise suche ich Hegels allein auf. Wir müssen erst um Erlaubnis bitten, dass du daran teilnehmen kannst. Stell dich also darauf ein, dass du eventuell draußen bleiben musst.«

»Hätten sie das nicht vorher fragen können?« Es störte sie ein wenig, dass dieser Punkt noch nicht geklärt war. Doch dann erinnerte sie sich an ihren geringen Status, und sie seufzte nur. »Sie hat also ein tragbares Gefängnis.«

»Sozusagen«, grinste die Beamtin. »Es gibt leider noch zu wenig Langzeiterfahrung. Auch deswegen habe ich mich bereit erklärt, bei seinem Experiment mit zu machen.«

Das Mädchen musste schlucken. »Was heißt ‚Langzeit‘? Wie lange?«

»Nun ja, sie hätte eine Strafe von mehreren Jahren abzusitzen.« Sie seufzte. »Und mit dem Deal muss sie lediglich den Gürtel tragen, das aber für die doppelte Zeit.«

»Und sie ist die ganze Zeit in dieses Ding eingesperrt?« Sie formulierte es als Frage, doch die Antwort wusste sie eigentlich schon.

»Das ‚Ding‘ nennt sich Keuschheitsgeschirr.« Die Beamtin grinste.

»Ich dachte, so etwas gab es nur im Mittelalter?« Die Auszubildende schien laut zu denken.

»Nein, diese sogenannten Schutzgürtel sind heute wieder modern.« Die Beamtin schmunzelte. »Zumindest in gewissen Kreisen.«

»Und was schützen sie alles?« Das Mädchen blickte auf.

»Sag mal, bist du so naiv, oder stellst du dich nur dumm?« Eine Spur Ärger klang in der Stimme der Beamtin mit.

Das Mädchen wurde rot. »Ich wollte es einfach mal hören.«

Die Wärterin lächelte. »Ich dachte, die heutige Jugend wäre so abgeklärt und cool.«

»Aber frau hat doch mehr erogene Zonen.« Es war ihr anzusehen, dass sie über dieses Thema eigentlich nicht gern diskutieren wollte. Wäre es in der Tram nicht noch so leer gewesen, hätte sie es gar nicht angesprochen.

»Deswegen trägt sie ja auch noch einen entsprechenden BH.« Sie blickte aus dem Fenster.

»Was?« Es war deutlich zu sehen, dass dieses Thema für das Mädchen wirklich neu war. »Ein BH aus Stahl?«

»Ja«, grinste die Beamtin. »Er verhindert, dass du dich dort berühren kannst.«

»Das ist ja grausam.« Trotz ihrer Empörung wurde sie etwas rot.

»Wärst du lieber hinter Gittern?« Sie erinnerte die Auszubildende an die Alternative.

»Ja, dann lieber ein transportables Gefängnis.« Sie seufzte. »Ich wusste gar nicht, dass wir über so etwas verfügen?«

»Nein, das Geschirr gehört uns nicht. Hegels haben das organisiert. Es ist definitiv kein Spielzeug.« Sie berichtete darüber, dass es sich dabei wirklich um ein Profi-Geschirr handelte. »Aber sie haben uns die Schlüssel gegeben und versichert, dass es die einzigen Schlüssel sind. Wir haben ihnen diesbezüglich vertraut.«

»Es gibt keinen Reserveschlüssel?« Das Mädchen runzelte die Stirn.

»Nein, unseres Wissens nach nicht.« Sie seufzte. »Wir müssen dabei allerdings ihren Worten vertrauen.«

»Und das machen wir?« Das Mädchen glaubte, einen gewissen Unterton gehört zu haben.

»Naja.« Sie wurde verlegen. »Mein Chef hatte vorgeschlagen, dass wir den Gürtel auch unauffällig mit einem Siegel versehen. Wir hätten uns so überzeugen können, dass sie Wort halten.«

»Und wenn wir das Siegel beschädigt vorfinden?« Das Mädchen glaubte, das Problem erkannt zu haben.

»Dann könnten wir auch nichts machen.« Sie seufzte wieder. »Aber wir würden es auf jeden Fall melden.« Doch dann holte sie tief Luft. »Aber wir haben dann doch darauf verzichtet, weil wir nichts Praktikables gefunden haben.

Das Mädchen schwieg einen Moment, doch dann stutzte sie. »Und was ist, wenn sie weg läuft?«

»Sie wird natürlich GPS-Überwacht. Auch wenn sie das gar nicht weiß.« Die Beamtin hatte einen leicht sorgenvollen Blick. »Außerdem passen die Nachbarn auf.«

»Sicher, dass es wirklich ein GPS-System ist?« Das Mädchen runzelte die Stirn. »Das braucht eine große Batterie und eine Antenne. Und davon soll sie nichts wissen?«

»Ich weiß es nicht.« Die Beamtin zuckte mit den Schultern. »Ich habe angenommen, es wäre ein GPS-System. Aber du hast recht, es gäbe vermutlich viele technische Probleme damit. Wahrscheinlich ist es doch etwas anderes. Auf jeden Fall ist die örtliche Polizeidienststelle informiert.«

»Muss sie die ganze Zeit im Haus bleiben?« Das Mädchen dachte laut darüber nach, dass es so einem Gefängnis sehr nahe kommen würde.

»In Begleitung von Hegels darf sie das Haus natürlich verlassen.« Sie zählte ein paar Sachen auf, die abgesprochen waren. »Aber soweit ich weiß, hat sie auch niemanden, zu dem sie gehen könnte.«

»Ihre ehemalige Clique?« Das Mädchen versuchte sich in die Lage der Gefangenen zu versetzen.

»Von der wird sie sich hoffentlich fernhalten.« Sie stand auf. »Hier müssen wir aussteigen.«
169. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von Tina66 am 28.08.18 13:01

Sehr spannend und klasse Geschichte.
170. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 7 - Der Gürtel - Teil Fünf von Elf

geschrieben von gag_coll am 31.08.18 06:01

Die Studentin
Kapitel 7 - Der Gürtel - Teil Fünf von Elf
Autor: Karl Kollar

Zum ersten Mal seit langer Zeit hatte Julia heute Schwierigkeiten, den Worten des Vortragenden zu folgen. Zu sehr beschäftigen sie die Ereignisse des jungen Tages und vor allem der Nacht mit dem so bedeutsamen Traum. Immer wieder musste sie daran denken, und dabei spürte sie die Gegenstände, die sie jetzt unter ihrer Kleidung versteckt hatte. Sie trug sowohl das Korsett als auch den sogenannten Geradehalter. Vor allem letzterer bewirkte, dass sie wirklich gerade auf ihrem Stuhl saß.

In der Tram hatte sie die Gelegenheit genutzt und ihren Professor mit diversen Fachfragen bombardiert, und er hatte bereitwillig Auskunft gegeben. Sie hatte zwar auch mehrmals versucht, das Gespräch vorsichtig auf die Engel zu bringen, doch sie realisierte, dass ihr Gegenüber jedes Mal sofort auswich. Schließlich beschränkte sie sich auf Architekturfragen, obwohl sie gern noch mehr über die Engel erfahren hätte.

Diesmal hatte sie den Vorlesungssaal sehr zurückhaltend betreten. Sie hatte immer noch Angst, ihre neue Unterwäsche hätte entdeckt werden können, obwohl sie sich in ihrer Wohnung noch davon überzeugt hatte, dass weder vom Korsett noch von dem Geradehalter etwas zu sehen war.

Lediglich ihre Haltung war ein wenig verändert, doch das würde nur jemanden auffallen, der sie gut kannte, und das würde höchstens ihre Freundin und ehemalige Mitbewohnerin sein, die jedoch in einem anderen Gebäude ihre Vorlesungen besuchte.

Zuerst saß Julia mit gefalteten Händen auf der Schreibfläche. Sie tat so, als würde sie die Kirchenhandschuhe tragen, und als sie einmal einen Blick mit ihrem Professor austauschte, glaubte sie bei ihm ein kurzes vertrautes Lächeln zu sehen.

Dermaßen ermutigt beschloss sie, ihre Arme hinter die Stuhllehne zu führen. Sie versuchte ihre Ellenbogen auf dem Rücken aneinander zu drücken, so wie es ihr geraten wurde, und sie war sehr erleichtert, als sie spürte, dass es ihr leicht fiel.

Doch dann erinnerte sie sich an die Worte ihrer Vermieter, und sie beschoss ein kleines unauffälliges Training. Sie legte ihre Arme auf den Rücken und drückte sie aneinander, dann zählte sie bis zehn und lockerte ihre Muskeln wieder, während sie bis fünf zählte. Anfangs zählte sie immer zehn mehr, doch schließlich beschloss sie, rein nach ihrem Gefühl zu pausieren. Irgendwie spürte sie, wann sie Pausen benötigte und gleichzeitig glaubte sie auch, erste Fortschritte zu spüren.

Entsprechend der kleinen Fortschritte verbrachte sie fast die ganze Zeit, die ihre Vorlesungen dauerten, mit den Übungen, denn sie waren trotz allem sehr unauffällig durchzuführen. Doch dabei begann sich auch eine gewisse Sehnsucht zu entwickeln. Immer stärker glaubte sie das Leder zu spüren, welches sich in Zukunft wohl oft um ihre Arme legen würde.

Zwar litt bei dem Ganzen ihre Aufmerksamkeit gegenüber der Vorlesung, doch sie wusste, dass sie auch alles in dem jeweiligen Skript würde nachlesen können. Also ließ sie es zu, dass ihre Gedanken bei Patricia und ihrem Training waren und der so faszinierenden Selbstverständlichkeit, mit der sie Handschuh und Perle getragen hatte. Es sah so natürlich aus, als wäre es ihre Alltagskleidung.

Gleichzeitig musste sie aber auch immer wieder an ihren Traum denken, der ihr ein mögliches Ende gezeigt hatte, dass sie um jeden Preis verhindern wollte. Sie wusste, dass sie unbedingt trainieren musste.

Heute würde sie auch noch den Gürtel bekommen. Sie wusste, wie sehr sich Carolin darauf gefreut hatte, doch gleichzeitig sah sie auch Frauke vor sich, die diesbezüglich irgendwie keine Wahl zu haben schien. Natürlich war ihr mittlerweile klar geworden, dass es sich bei dem Gürtel tatsächlich um einen Keuschheitsgürtel handeln würde, doch sie war mehr als bereit, dieses Opfer zu bringen. In ihrem Traum war der Gürtel auch wichtig bei der Engelsprüfung, und sie fand es nicht unwahrscheinlich, dass es in der Realität genauso sein würde.

Wieder musste sie an Patricia denken, die im Garten für alle Anwesenden sichtbar den Handschuh und das Perlennetz getragen hatte.

Doch dann stutzte sie. Ob Patricia wohl auch so einen Gürtel getragen hatte? Sie hielt es für sehr wahrscheinlich.

Auch Frauke trug so einen Gürtel, und es schien, als sei die Dienerin nicht wirklich unglücklich darüber. Doch das hatte vermutlich andere Gründe.

* * *

Das Telefon klingelte. Elisabeth Hegel nahm ab und meldete sich.

»Siegfried hier«, meldete sich die Gegenseite.

»Oh, das ist schön, dass du dich meldest.« Doch dann stutzte sie, denn ihr war sein sehr nüchterner Ton aufgefallen. »Oder gibt es ein Problem mit Frau Wiesl?«

»Du hast es erraten.« Er berichtete kurz über das, was ihm zugetragen wurde.

Frau Hegel keuchte. »Das kommt aber wirklich zur Unzeit.«

»Ich muss der Sache nachgehen, sonst bekomme ich große Schwierigkeiten.« Er versuchte, ihr die Dringlichkeit der Sache zu erklären.

»Und das soll sie wirklich gemacht haben?« Noch war Frau Hegel nicht von dem Vergehen ihrer Dienerin überzeugt. »Sie war bisher immer sehr zuverlässig.«

»So lange ihr dabei wart.« Er nahm das Bild zur Hand, welches Frauke allein auf der Terrasse zeigte. »Die Nachbarn haben sogar ein Foto gemacht.«

Frau Hegel seufzte tief. »Und was willst du jetzt tun?«

»Ich fahre heute raus und besuche die Nachbarn, um mich dort umzuhören.« Er offenbarte den Plan, den er sich zurecht gelegt hatte. »Morgen werde ich dann zu euch kommen, und wir werden die Konsequenzen besprechen.«

»Wirst du sie wieder einsperren?« Frau Hegel fragte das Naheliegende.

»Das weiß ich noch nicht.« Jetzt war es an ihm zu seufzen. »Ich möchte sie zunächst anhören, dann werde ich mich entscheiden.«

»Die beiden Mädchen waren den ganzen Tag allein, wir waren auf einer Hochzeit.« Sie versuchte sich an den Samstag zu erinnern.

»Wusste eure Studentin von dem besonderen Arrangement?« Er sah in ihr eine mögliche Zeugin für das Vergehen.

»Wir haben ihr noch nichts gesagt.« Auf einmal wurde ihr heiß und kalt. »Meinst du, sie hätte damit etwas zu tun?«

»Ich weiß es nicht.« Er schien sich eine Notiz zu machen, zumindest hörte es sich so an. »Aber sie könnte eine Zeugin sein und mir vielleicht sagen, wenn sie etwas gesehen hat.«

»Vielleicht hätten wir ihr doch etwas sagen sollen…« Sie dachte laut nach.

»Das ist euer Problem.« Er schrieb weiter auf seinen Zettel.

»Jetzt machst du es dir aber zu einfach.« In Frau Hegels Antwort klang ein gewisser Protest mit.

»Ja, du habt recht, das hätten wir vorher besprechen sollen.« Er seufzte. »Ich werde also auch eure Studentin anhören. Kannst du dafür sorgen, dass sie morgen Nachmittag im Haus ist?«

»Das kann ich nicht versprechen.« Frau Hegel musste nicht lange nachdenken. »Sie ist oft lange in der Uni und will außerdem noch viel trainieren.«

»Wie macht sich euer letzter Versuch?« Er wusste von Hegels eigentlichem Vorhaben.

»Oh Mann, erinnere mich nicht daran, dass es der letzte Versuch sein wird.« Sie stöhnte. »Sie macht sich im Moment sehr vielversprechend. Es wäre wirklich sehr schade, wenn du es jetzt stören würdest.«

Er stöhnte ebenfalls. »Ich bin euch damals schon sehr entgegen gekommen und habe meine Kompetenzen weit überschritten. Ich kann kein weiteres Auge zudrücken. Wenn Frau Wiesl gegen die Auflagen verstoßen hat, dann muss ich das Experiment beenden.«

»Wirst du sie gleich mitnehmen?« Jetzt waren ihre neuen Sorgen deutlich zu hören.

»Nein, ich muss das erst noch abklären.« Er blickte auf seine Notizen. »Ich denke, ich werde spätestens am Donnerstag wieder kommen und den Beschluss über die Zukunft verkünden.«

»Bitte denke an uns und unser Vorhaben.« Mit diesen Worten verabschiedete sie sich.



Sie blickte auf den Kalender und rief Frauke zu sich. Sie gab sich Mühe, sich von dem Telefonat nichts anmerken zu lassen. »Ich wollte sie an ihren Reinigungstermin erinnern.«

»Danke, Frau Hegel.« Sie blickte kurz aus dem Fenster, als wollte sie nach der Beamtin schauen. »Ich werde mich vorbereiten.« Sie drehte sich um und ging in Richtung Treppenhaus.



In ihrem Zimmer angekommen, ging sie sofort zum Schrank und öffnete ihn. Traurig blickte sie auf die kaum gefüllten Fächer, und natürlich wusste sie, warum das so war. Aus der Schublade nahm sie vier Ledermanschetten heraus und legte sie auf den kleinen Tisch neben dem Schrank.

Sie waren aus der Zeit, als sie sich noch gegen ihr Geschirr so wehrte, dass sie fixiert werden musste. In der letzten Zeit hatte sie sich das Vertrauen der Beamtin erarbeitet, und seit einigen Malen musste sie deswegen nicht mehr so demütigend auf dem Tisch festgebunden werden.

Doch heute wollte sich die Dienerin vor sich selbst schützen. Seit dem engen Kontakt zu Julia und den Gefühlen, die sie sie ihr gegenüber empfand, wusste sie, dass sie nicht mehr vernünftig reagieren konnte. Ihr Körper gehorchte ihr nicht mehr, denn er sehnte sich sehr nach den Höhepunkten, die sie Julia schon so oft hatte zukommen lassen. Doch sie wusste, dass ihr diese Erlösung bisher leider verwehrt war.

Verwehrt wegen ihrer kriminellen Vergangenheit. Sie erinnerte sich nur zu gut an das Gespräch mit dem Beamten, als er ihr die Möglichkeiten eröffnete. Er hatte ihr die jeweiligen Folgen ausführlich beschrieben, und Frauke konnte danach zumindest nicht mehr sagen, dass sie sich über die Konsequenzen ihrer Entscheidung nicht im Klaren gewesen wäre.

Damals war sie der Meinung, dass sie auf diese ihre Gefühle ganz sicher verzichten könnte. Was war schon ein allein herbei geführter Orgasmus? Ein Strohfeuer, mehr aber nicht?

Doch jetzt dachte sie anders darüber. Sie wollte ‚es‘ wieder spüren, so wie es auch Julia spüren konnte. Und es tat ihr tief in ihrem Inneren weh, wenn sie Julia wieder und wieder zu einem Orgasmus führte, während ihr selbst diese Erlösung versagt war.

Doch genauso wusste sie, wie unerbittlich die Beamtin sein konnte, wenn es darum ging, ihren Intimbereich zu pflegen und zu reinigen. Manchmal setzte sie sogar ein Spray ein, mit dem sie die sonst so empfindlichen Körperteile betäubte.

Heute war sie so heiß, dass sie fürchtete, jede Berührung würde sie zum Platzen bringen. Und weil sie nicht wild um sich schlagen wollte, würde sie dieses Mal darum bitten, wieder fixiert zu werden. Denn selbst wenn sie die Beamtin auch nur aus Versehen verletzten würde, wären die Konsequenzen klar, und das wollte sie auf keinen Fall.

Sie wollte schon fast den Raum verlassen, als ihr einfiel, dass sie sich immer schon in ihrem kleinen Zimmer das Kleid ausgezogen hatte und im Bademantel zu der demütigenden Prozedur ging. Langsam öffnete sie ihr Kleid und zog es sich aus, dann legte sie es ordentlich auf das Bett und schlüpfte in den Bademantel. Sie vermied es dabei, an sich hinunter zu sehen. Sie wollte ihre Stahlunterwäsche nicht sehen, und aus diesem Grund hatte sie auch auf einen Spiegel in ihrem Zimmer verzichtet. Zumindest hätte sie ‚nein‘ gesagt, wenn sie gefragt worden wäre.

Langsam und mit zitternden Händen legte sie sich die vier Manschetten um Hand- und Fußgelenke und nahm als nächstes auch die entsprechenden Ketten heraus, mit denen sie dann auf dem Tisch befestigt werden würde. Hegels hatten extra den Tisch in der Küche dafür geopfert und hatten an den entsprechenden Stellen Ösen anbringen lassen, mit denen Sie dann auf dem Tisch fixiert werden konnte.

Es beschämte sie zwar ein wenig, dass sie sich dieses Mal selbst um die Ketten kümmern musste, doch sie betrachtete es als notwendig und als das bei weitem geringere Übel.

Langsam und etwas traurig ging sie die Treppen hinunter und betrat die Küche. Sie wusste, dass die Köchin üblicherweise erst gegen elf ins Haus kam und sie deswegen keine Begegnung mit ihr zu fürchten hatte.

Sie kniete sich vor den Tisch und vergewisserte sich noch einmal, dass die Ketten lang genug waren, um sie am Tisch zu befestigen. Dabei hatte sie Tränen in den Augen, doch sie versuchte tapfer, sie zu ignorieren. Zum Schluss setzte sie sich auf den Stuhl und wartete.



Zunächst kam die Beamtin allein herein. »Frau Wiesl, hätten sie etwas dagegen, wenn heute eine Auszubildende dabei wäre?«

Frauke war mehr als erstaunt, aber zugleich erfreut über die Abwechslung. Trotzdem versuchte sie, ihre wahren Gefühle nicht zu zeigen. »Von mir aus.« Sie zuckte mit den Schultern. »Ich hätte meinerseits auch eine Bitte.« Sie zeigte ihre Handgelenke. »Könnten sie mich dieses Mal wieder fixieren?« Es fiel ihr schwer, es auszusprechen. »Und bitte fragen sie nicht, warum...«

»Das machen wir.« Die Beamtin spürte, dass eine Veränderung in der Luft lag. »Wie früher.« Sie versuchte ein verlegenes Lächeln. »Ich hätte noch eine Bitte. Das Mädchen hat so ein Geschirr noch nie gesehen. Lassen sie sich diesbezüglich bitte nichts anmerken.«

Frauke seufzte nur, denn eine diesbezügliche Beschwerde stand ihr nicht zu.

Die Beamtin ging zur Tür und bat ihre Begleitung herein. »Als erstes könntest du bitte die Ketten am Tisch befestigen. Da sind Haken angebracht.«

Das Mädchen blickte sehr verwundert auf den Tisch. Erst als Frauke ihr versicherte, dass es wirklich ihr Wunsch war, kam das Mädchen der Aufforderung nach.

Die Beamtin hatte in der Zwischenzeit einen Schlüssel aus ihrer Tasche genommen und machte sich daran, die Schlösser zu öffnen.



»Ich lasse dich jetzt mit ihr allein und komme in einer halben Stunde wieder.« Die Beamtin blickte noch einmal kurz auf den Tisch, auf dem Frauke jetzt mit den Ketten fixiert war. Neben ihr lagen all die Metallteile, die sie bisher um ihren Körper trug.

»Das können sie nicht machen.« Die Auszubildende gab sich verwundert.

»Ich habe das Leuchten in deinen Augen gesehen.« Sie strich dem Mädchen kurz über den Kopf. »Und ich denke, sie hat es auch verdient.« Noch einmal blickte sie kurz auf den Tisch, dann verließ sie die Küche mit schnellen Schritten.

Das Mädchen blickte der Beamtin entsetzt hinterher. »Aber Frau…« Doch die Tür schloss sich, und sie war allein mit dem hilflosen Mädchen.

Frauke hatte das Besondere der Situation sofort begriffen und war entschlossen, die Situation auszunutzen. Doch noch schwieg sie.

Das Mädchen blickte die fixierte Dienerin seltsam an. »Du bist mir ausgeliefert.«

»Ja, so ist es wohl.« Das Sprechen fiel ihr schwer.

»Ich könnte dich jetzt überall berühren, und du könntest nichts dagegen machen.« Das Mädchen wusste nicht, ob sie dem Frieden wirklich trauen konnte.

»Ich weiß.« Auch Frauke war sich unsicher, was sie von der so überraschenden Situation halten sollte. Zu gern hätte sie wieder einmal einen Orgasmus gespürt. Und jetzt spürte sie, dass sie ganz dicht davor war. Es waren genau die Gründe, weswegen sie sich hatte fixieren lassen. Jede Berührung hätte sie zum Platzen bringen können. Es war zwar nie ausgesprochen, doch sie ahnte, dass ihr ein Orgasmus bisher verboten war. Doch die Situation jetzt? Es lag so sehr zum Greifen nahe, dass sie kaum Luft zum Atmen bekam.

Das Mädchen blickte seltsam berührt auf den Körper vor ihr. Noch nie war sie in so einer Situation gewesen.

Doch instinktiv ahnte sie, was jetzt von ihr erwartet wurde. Bisher hatte sie immer nur ihren eigenen Körper gestreichelt und sich so ins Paradies geführt. Sie konnte nur vermuten, dass die Handgriffe auch für dieses Mädchen genauso reizvoll sein würden wie für sie selbst.
171. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 7 - Der Gürtel - Teil Sechs von Elf

geschrieben von gag_coll am 04.09.18 05:41

Die Studentin
Kapitel 7 - Der Gürtel - Teil Sechs von Elf
Autor: Karl Kollar

Die Beamtin hatte die Gesamtsituation sofort erkannt, und sie hatte auch nichts dagegen, dieses Mal ein Auge zuzudrücken. Von Herrn Buchelberger hatte sie diesbezüglich freie Hand bekommen, und sie ahnte, dass es richtig sein würde.

»Haben sie die beiden allein gelassen?« Frau Hegel war sehr erstaunt über das Verhalten der Beamtin.

Die Beamtin brachte Frau Hegel schnell auf den neuesten Stand. »Ich fürchte, dass sie bei der kleinsten Berührung explodieren würde, so dass ich mit meinem Kältespray diesmal auch nichts ausrichten könnte.«

»Was sagt er dazu?« Die Frau des Professors zog ihre Stirn in Falten.

»Er hat mir diesbezüglich freie Hand gegeben.« Die Beamtin hatte das Gefühl, sich rechtfertigen zu müssen. »Für ganz besondere Gelegenheiten war das sogar vorgesehen.«

Auf einmal war ein lauter Schrei zu hören, gleich darauf wieder Stille.

Die Beamtin grinste. »Ich glaube, jetzt kann ich wieder zu ihnen gehen.«



Das Mädchen blickte die Beamtin verwundert und verwirrt an. »Danke für dieses schöne Erlebnis.«

»Was meinst du?« Die Beamtin blickte übertrieben aus dem Fenster. »Ich weiß von nichts.«

»Dass ich die Kundin so bedienen durfte?« Die Auszubildende hatte die Gesamtsituation noch nicht erfasst.

Die Beamtin legte ihr den Finger auf den Mund. »Ich wäre dir sehr dankbar, wenn du das für dich behalten könntest.«

Das Mädchen nickte. Ihr war immer noch anzusehen, wie sehr sie von dem soeben Erlebten beeindruckt war.

»Jetzt schauen wir uns die Haut an.« Die Beamtin wandte sich dem Tisch zu. »Wir waschen sie und reiben sie anschließend trocken. Magst du das machen?«

Frauke blickte das Mädchen dankbar und fast ein wenig verliebt an. »Danke dafür.« Es liefen einige Tränen über ihre Wange.

»Ich dachte eigentlich, dass so etwas verboten wäre.« Frau Hegel betrat den Raum. Es war nicht unüblich, dass sie bei der Reinigung von Frauke dabei war.

»Ich habe einen gewissen Ermessensspielraum. Und ich denke, es war sehr lehrreich.« Sie blickte ihre Auszubildende an. »Das erwähnst du bitte aber nicht in deinem Bericht, verstanden?«

Das Mädchen blickte verwundert auf. »Ja, natürlich.« Noch immer glaubte sie, das Zittern des Körpers in ihren Händen zu spüren. Sie wusste, dass sie etwas ganz Außergewöhnliches erleben durfte.



»Jetzt müssen wir sie leider wieder verschließen.« Sie griff zu den Metallstücken, doch dann hielt sie inne. »Möchtest du sie verschließen?«

Erst als Frauke mit einem deutlichen Blick ihr Einverständnis gab, fasste sich die Auszubildende ein Herz und griff zu den einzelnen Metallstücken. Sie nahm sich jedes Teil in die Hand und betrachtete es ausführlich, bevor sie es seiner Bestimmung übergab. Nach und nach legten sie die Metallstücke wieder um Fraukes Körper.

Deutlich zu sehen war, wie sehr sie dabei zitterte. Sie schien sehr nervös. Besonders die beiden Halbkugeln hatten es ihr angetan, und erst als die Beamtin sie ermahnte, konnte sie sich davon losreißen.

»Ich danke ihnen, dass sie so brav waren.« Die Beamtin lächelte.

Frauke blickte verwundert auf.

»Oh Entschuldigung, das hatte ich nicht auf dem Schirm.« Die Frau bemerkte ihren Fehler. »Es war ja ihr eigener Wunsch.«

Frauke strahlte über das ganze Gesicht. Mit leiser Stimme bedankte sie sich noch einmal sehr herzlich bei der Beamtin.

Auch das Mädchen kam langsam wieder zu sich. Sie blickte verwundert auf Frauke, die wieder in ihren Bademantel schlüpfte. Als sie den Blick bemerkte, lächelte sie.

»Danke dafür.« Frauke lächelte zurück.

»Da nicht für.« Zu mehr Worten war das Mädchen noch nicht in der Lage. Zu sehr war sie noch in der Situation gefangen.

»Wann sehen wir uns wieder?« Frau Hegel machte stets den neuen Termin aus.

»In zwei Wochen, falls nichts dazwischen kommt.« Die Beamtin drehte sich zu der Auszubildenden. »Möchtest du wieder dabei sein?

Erst nach einem Blickwechsel mit Frauke war das Mädchen zu einer Antwort fähig. »Wenn ich darf, sehr gern.«

»Dann auf Wiedersehen.« Es wurden Hände geschüttelt. »Und es gilt wie immer: Für echte Notfälle kommen wir auch öfters.«

Für einen kurzen Moment glitt ein Lächeln über Fraukes Gesicht, denn sie war einem verwegenen Gedanken gefolgt. Doch dann wurde sie wieder ernst, denn sie wusste, dass sie ihre Situation nicht durch so eine egoistische Aktion gefährden durfte.

* * *

Julia hatte vor einiger Zeit, sie war damals noch nicht bei Hegels, einen Vortrag über Zeitmanagement gehört. Eigentlich war nur eine Vorlesung ausgefallen, und sie wollte die Zeit nicht auf der Straße verbringen.

Sie hatte aufmerksam zugehört, obwohl sie damals der Meinung war, dieses Zeitmanagement nicht zu brauchen. Jetzt kamen ihr einige der Tipps und Ratschläge von damals sehr zu gute. Sie hatte von Hegels erfahren, dass sie insgesamt nur zwei Wochen hatte, bis sie sie anmelden wollten, und dass sie bis dahin noch einiges zu lernen hatte.

Es war dieses Mal aber nicht so wie sonst, wo sie durch das Lesen von Büchern das Wissen quasi in sich hinein schütten konnte. Nein, dieses Mal ging es darum, ihrem Körper gewisse Fähigkeiten beizubringen. Teils, weil sie einfach von ihr erwartet wurden, wie zum Beispiel die korrekte Haltung, aber auch ungewöhnliche Fähigkeiten. Und dazu gehörte vor allem das Tragen dieses seltsamen, aber sehr faszinierenden Handschuhs, der ihre Arme auf dem Rücken fixierte.

Sie hatte ihren Alptraum von heute morgen mittlerweile verarbeitet, aber er hatte ihr auch gezeigt, dass sie die Angelegenheiten rund um die Engel ernst zu nehmen hatte. Sie hatte schon erfahren, dass sie Hegels letzter Versuch sein würde, auch wenn sie noch nicht wusste, warum das so war.

Sie nahm sich ihren Block zur Hand, und so wie sie es in dem Seminar gelernt hatte, teilte sie den Zettel in zwei Hälften auf. Auf die linke Seite schrieb sie die freien und vergebenen Zeiten, die sich in ihrem Alltag so ergaben, und auf die andere Seite notierte sie die Sachen, die sie zu trainieren und zu lernen hatte. Dabei unterschied sie aber nicht zwischen ihrem Studium und den Engeln, sondern mischte die Themen munter durcheinander.



Langsam füllte sich das Blatt, und in Julia schlich sich das Gefühl ein, dass die Aufgabe, die vor ihr lag, in der knappen Zeit durchaus zu schaffen war, wenn sie sich nur sorgfältig an ihren Zeitplan halten würde.

Sie erstellte sich für die vor ihr liegenden Tage jeweils einen detaillierten Zeitplan und erkannte recht bald, dass sie sogar noch pro Tag eine freie Stunde haben würde, wenn sie wie sonst auch sehr diszipliniert arbeiten würde.

Diese freie Zeit war wichtig, auch das hatte sie in dem Seminar gelernt. Denn eine wichtige Aussage war, dass man spätestens nach zwei oder drei Wochen einen ganzen Tag zum Faulenzen einplanen sollte.

Bei den vor ihr liegenden Aufgaben kam noch dazu, dass sie die Zeit teilweise doppelt verplanen konnte. In der Uni konnte sie das Tragen des Handschuhs trainieren, weil sie ihre Arme einfach hinter die Lehne legen und dort ihre Arme zusammen drücken konnte. Es war sehr unauffällig und erlaubte ihr trotzdem, ihre Muskeln an die besondere Haltung zu gewöhnen. Denn sie war fest entschlossen, den Handschuh genauso anmutig tragen zu wollen, wie sie es bei Carolin und vor allem bei Patricia gesehen hatte.

Und in ihrem Zimmer bei Hegels würde sie die Ballettstiefel tragen, auf dem Pferd sitzen und gleichzeitig mit Fraukes Hilfe in den Büchern stöbern, die sie für das Studium lesen musste. Wenn es sein musste, könnte sie sogar die Halskorsetts tragen, auch wenn sie diese Gegenstände bisher noch überhaupt nicht kannte.

Schließlich entdeckte sie sogar noch ein weiteres Sparpotential: Die Zeiten, in denen sie die Ballettstiefel und den Handschuh tragen durfte, bevor sie eine Pause zu machen hatte, waren ungefähr gleich. Sie würde sich also erst die Stiefel anziehen und sich dann den Handschuh anlegen lassen.

Es würde zwar schwieriger sein, ohne die Arme auf den sehr ungewöhnlichen Stiefeln zu balancieren, doch Julia war zuversichtlich, dies zu schaffen. Lieber würde sie in den nächsten zwei Wochen ihr Studium ein wenig vernachlässigen, als dass sie Hegels enttäuschen würde.

Noch zu deutlich sah sie Hegels Gesichter aus dem Traum vor sich, wie das Ehepaar sie so hoffnungsvoll ansah, und wie traurig sie waren, als Julia die Prüfung verpatzt hatte. Auch Carolins Gesicht ging ihr nicht aus dem Kopf, als sie ihr nach der Prüfung sagte, wie sehr sie Hegels Tochter enttäuscht hätte.

Natürlich wusste Julia mittlerweile, dass es nur ein Traum gewesen war, und dass Hegels Tochter verstorben war. Doch sie hatte sich schon länger als deren Erbin gesehen, und gerade deswegen musste sie jetzt alles möglich machen, um sich diesen Erwartungen zu stellen.

Wieder blickte sie auf den Plan vor sich, und sie war mittlerweile der Meinung, dass dieser Plan durchaus realistisch war. Er sah genügend Pausen vor, und sie hatte zusätzlich auch noch einige Reserven eingeplant.

* * *

Frau Hegel klopfte leicht an die Tür zu Fraukes Zimmer. Sie wusste, dass sich die Dienerin nach ihrer Reinigung gern für einige Zeit in ihr Zimmer zurück zog. Und nach dem Ereignis von heute war das erst recht verständlich. Doch jetzt wollte sie die Dienerin um ihre Hilfe bitten.

Es dauerte einige Zeit, bis Frauke sie herein bat.

»Frauke, ich erwarte heute die Lieferung von Julias Gürtel und es werden viele Pakete sein.« Sie vermied es, sich in dem kleinen Zimmer umzusehen. »Es wäre schön, wenn sie mir beim Tragen helfen könnten.«

»Was bekommt Julia denn? Das komplette Geschirr?« Frauke hatte auf dem Bett gelegen, jetzt richtete sie sich auf. »Die Arme! Muss das wirklich sein?«

Frau Hegel blickte sehr verwundert auf Frauke. »Wir haben einfach alles bestellt, weil es insgesamt billiger war. Ich möchte es davon abhängig machen, wie sie es aufnimmt.«

»Werden sie es wieder mit Carolin verknüpfen?« Insgeheim fand Frauke, dass es eine sehr unfaire Methode war, doch da sie selbst auch darauf ‚hereingefallen‘ war, wagte sie nicht, etwas dagegen zu sagen.

»Im Tagebuch ist nur von einem Gürtel die Rede.« Frau Hegel zitierte die entsprechende Stelle. »Ich möchte es aus der Situation heraus entscheiden. Weiß Julia, was sie darunter tragen?«

Frauke war über die Frage insgeheim erstaunt, denn so viel Vertrauen ihr gegenüber hatte sie eigentlich nicht erwartet. »Ich habe es ihr gezeigt. Sie könnte also durchaus wissen, was dann alles vor ihr liegen wird.« Sie musste an den Augenblick denken, als sie selbst in der Situation war. Alle die metallenen Schönheiten lagen damals vor ihr, und sie hatte eine Entscheidung zu treffen. Und sie hatte sie getroffen.

* * *

Stolz blickte Julia auf den Zeitplan, den sie sich in den vergangenen Stunden erarbeitet hatte. Dadurch, dass sie Sachen kombinierte, konnte sie die Zeiten viel besser ausnutzen und hatte sogar noch eine Stunde pro Tag, die noch nicht verplant war.

Die heutige freie Stunde war allerdings schon vergeben, denn heute würde ihr Gürtel geliefert werden. Obwohl sich Hegels bisher sehr zurückhaltend gaben und jeden offensichtlichen Druck vermieden, wusste Julia doch, wie viel auch von diesem Gürtel abhing. Immerhin hatte Carolin ihn sogar in ihrem Tagebuch erwähnt, und damit war es eine der ersten Sachen, die Julia überhaupt begegnet waren, seit sie bei Hegels war.

Auch in ihrem Traum war der Gürtel vorgekommen, und auch dort spielte er eine wichtige Rolle. Immer wieder musste sie an Frauke denken, die auch so einen Gürtel trug. In einer vertrauten Stunde hatte sie sich ihr gezeigt, und Julia war anfangs sehr verwundert gewesen.

Jetzt sollte auch sie so einen Gürtel bekommen, und sie wusste immer noch nicht, was sie davon halten sollte. Immer wieder grübelte sie über die Konsequenzen, die dieser Gürtel wohl für die haben würde. Sie würde sich in ruhigen Stunden nicht mehr berühren können.

Doch diesen Effekt hatte sie seit fast einer Woche, seit sie in der Nacht das strenge Nachthemd tragen musste. Höhepunkte hatte sie weiterhin, sie hatte nur keinen Einfluss darauf, wann es passierte. Doch ihr gefiel der Gedanke, dass sie sich an jemand anders ausliefern musste. Natürlich war das entsprechende Vertrauen nötig, aber das hatte sie mittlerweile sowohl zu Hegels als auch auch zu Frauke.

Frauke…

Sie war ihr mittlerweile zu einer Schwester geworden, einer sehr eng verbundenen Schwester, fast noch mehr, denn sie verdankte ihr von ihren Händen so manche gewaltige Höhepunkte. Und sie konnte so zärtlich sein, wenn Julia in dem Nachthemd hilflos vor ihr lag.

Sie empfand schon eine gewisse Zuneigung zu der am Anfang so seltsamen Dienerin, und mittlerweile hatte sie sich an sie gewöhnt. Sie schien im Haus von Hegels ein sehr trauriges Leben führen zu müssen und machte trotzdem einen zufriedenen Eindruck. Sie erinnerte sich gern an den Samstag, als sie ihr einige ihrer Geheimnisse anvertraut hatte.

»Hey, mein Fräulein, willst du nicht langsam mal aufzustehen?« Die Stimme eine ihrer Kommilitoninnen riss sie aus ihren Gedanken. Verlegen blickte sie auf.

»Die Vorlesung ist seit zehn Minuten aus.« Das Mädchen lachte. »Was bist du denn heute so verträumt?«

Julia murmelte etwas, dann begann sie ihre Sachen zusammenzupacken.

»Sag bloß, du hast heute etwas mitgeschrieben?« Das Mädchen lachte. »Das ist ja was ganz Neues.« Sie versuchte einen Blick auf den Block zu werfen, der noch auf ihrem Pult lag. »Monohandschuh und Eigenschaften der Wandbehänge?« Das Mädchen wunderte sich. »Das war heute aber nicht das Thema.«

»Lass mich zufrieden.« Julia war ein wenig genervt. Normalerweise ließen ihre Kommilitoninnen sie in Ruhe. Sie klappte den Block zu und packte ihn in ihre Tasche, ohne auf die Fragen einzugehen.
172. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von Tina66 am 04.09.18 12:32

Danke für die Fortsetzungen, ich warte sehnsüchtig auf die noch folgenden Teile.
173. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 7 - Der Gürtel - Teil Sieben von Elf

geschrieben von gag_coll am 07.09.18 05:59

Die Studentin
Kapitel 7 - Der Gürtel - Teil Sieben von Elf
Autor: Karl Kollar

»Das waren dann alle Kartons.« Frau Hegel wandte sich an Frauke. »Danke, sie können sich wieder zurückziehen. Vielen Dank für die Hilfe.«

»Sehr gern.« Frauke wäre liebend gern noch beim Auspacken dabei gewesen, doch sie hatte den Befehl, der so liebevoll verpackt war, verstanden und befolgte ihn. Sie ahnte, dass Frau Hegel mit der Abgesandten des Bundes allein sein wollte.



»Wir waren sehr von eurer Bestellung überrascht. Wir hatten eigentlich keine mehr erwartet.« Marianne lächelte. Zwischen den Zeilen hatte sie noch viel mehr gesagt.

»Ja, du hast recht, es war eigentlich nicht mehr damit zu rechnen.« Frau Hegel lächelte ebenfalls. »Aber jetzt sieht es doch noch sehr gut aus.«

»Ich bin sehr gespannt auf das Mädchen, dass bereit ist, sich diesen Qualen auszusetzen.« Marianne kramte in ihrer Handtasche.

»Du übertreibst.« Frau Hegel wurde ein wenig rot.

»Naja, normalerweise sind die familiären Bindungen so stark, dass die jungen Mädchen dieses Opfer auf sich nehmen, doch bei euch?« Sie holte den Lieferschein aus ihrer Tasche und reichte ihn Frau Hegel. »Das Mädchen muss ja sehr verzweifelt sein, wenn sie sich auf so etwas einlässt.«

»Ja, da hatten wir riesiges Glück. Ich hatte schon nicht mehr daran geglaubt. Doch sie macht einen sehr guten Eindruck. Und sie ist überhaupt nicht verzweifelt, eher enthusiastisch.« Sie nahm das Papier in die Hand und überflog es kurz.

»Ich bin sehr gespannt, sie kennenzulernen.« Marianne holte auch noch einen Kugelschreiber aus der Tasche und reichte ihn an ihr Gegenüber. »Bitte unten rechts unterschreiben.«

»Wir werden sie in zwei Wochen vorstellen, egal wie es ausgeht.« Frau Hegel ging zum Tisch und unterschrieb den Lieferschein, dann gab sie beides zurück. »Schließlich ist es unser letzter Versuch.«

Marianne seufzte. »Ja, die Regeln sind streng.«

* * *

Julia ging mit gemischten Gefühlen zur Straßenbahn. Sie hatte zwar einen gut ausgearbeiteten Trainingsplan in der Tasche, aber sie war natürlich etwas unsicher wegen des Gürtels, der auf sie wartete. Immer wieder rief sie sich das Bild von Frauke vor Augen, wie sie in der metallenen Unterwäsche vor ihr stand.

Im Prinzip hatte Julia nichts dagegen, einmal selbst in diese Rüstung zu steigen, hatte sie doch mehrfach die Zusicherung bekommen, dass sie jederzeit Hegels Haus verlassen konnte. Und sie war sich ziemlich sicher, dass sie dabei auch dieses Metall wieder los werden würde.

Doch wollte sie überhaupt gehen? Bisher war es alles andere als unangenehm, und sogar dieser seltsame Handschuh ließ sich ganz gut tragen. Allerdings wusste sie, dass sie noch viel diesbezügliches Training brauchen würde.

Vor allem fühlte sie sich Carolin gegenüber verpflichtet. Und dieses Gefühl wurde von Tag zu Tag stärker. Immer wieder musste sie an die verweinten Seiten des Tagebuchs denken, und wenn sie einen leichten Ansturm von Zweifel verspürte, rief sie sich die letzten Worte von Hegels Tochter in Erinnerung.

Aus dem Tagebuch bezog sie eine große Verpflichtung, und bisher wurde nichts von ihr verlangt, mit dem sie auch nur die geringsten Schwierigkeiten gehabt hätte. Selbst dieses merkwürdige Pferd war letztendlich recht bequem, und sie freute sich schon darauf, wenn sie zusammen mit Frauke darauf lernen würde.

Fast hätte sie versäumt, einzusteigen, so sehr war sie in Gedanken versunken.

* * *

Herr Buchelberger stellte seine Aktentasche auf den Tisch und begann, sie einzuräumen. Immer wieder musste er dabei an den Anfang dieses besonderen Arrangements denken.

Anfangs war er von der Idee überhaupt nicht begeistert gewesen, mit der Hegels an ihn heran getreten waren. Erst nach dem er sich mit Herrn Vogel beraten hatte, traute er sich, dieser außergewöhnlichen Vereinbarung zuzustimmen.

Er fragte sich, ob es auch für ihn selbst Konsequenzen haben würde. Und vor allem, was würde er seinem Chef erzählen, wenn es zu einer offiziellen Beschwerde kommen würde? Bislang konnte er es unter der Decke halten, auch wenn es ihn eine gewisse Menge an Geschicklichkeit und finanziellen Kompensationen gekostet hatte.

Bestechung war dafür nicht das richtige Wort. Eigentlich hatte er immer Entschädigungen gezahlt, obwohl er wusste, dass er Hegels diesen nicht unerheblichen Betrag nicht in Rechnung stellen konnte.

Er hatte immer wieder die einschlägigen Paragraphen gewälzt, und doch war ihm stets bewusst, dass jeder Anwalt, der sein Gewerbe auch nur ein bisschen verstand, ihn ans Messer liefern konnte.

Er musste die Nachbarn beruhigen und sie möglichst von einer offiziellen Anzeige abbringen. So nützlich deren Hilfe gewesen war, eigentlich widerte ihn deren selbstgerechter Eifer bei der Überwachung von Frau Wiesl an. Diesen Eifer musste er nun unter Kontrolle halten. Er hoffte, dass es Eindruck machen würde, wenn er persönlich bei ihnen aufkreuzte und sich nach ihren Beobachtungen erkundigte. Gleichzeitig würde er ihnen versichern, dass dieser Ausflug für das Mädchen sichtbare Konsequenzen haben würde. Er musste so etwas versprechen, um sie von einer diesbezüglichen Meldung abzubringen.

Denn wenn sie den offiziellen Weg nehmen würden, könnte er im schlimmsten Fall seinen Hut nehmen und sich in Zukunft auf den gemeinen Wachdienst im Gefängnis beschränken.

Ein wenig ärgerte er sich, denn er hatte eigentlich gedacht, dass sich diese Frau Wiesl sich vollständig an seine Anweisungen halten würde. Doch jetzt musste er einsehen, dass er sich anscheinend doch in ihr getäuscht hatte. Dabei hatte er bisher sehr viel auf seine Menschenkenntnis gegeben.

Langsam schlich sich eine Ahnung in seine Gedanken. Wäre es sehr abwegig, wenn er die Ursache für das Scheitern des Experiments bei der neuen Bewohnerin zu suchen hatte? Oder machte er es sich damit zu einfach? Er wusste es nicht. Doch er beschloss, diese Möglichkeit im Auge zu behalten.



Ihm standen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung, wie er nach Grünwald kommen konnte, um sich um diesen Vorfall zu kümmern. Er könnte sicher mit der Straßenbahn fahren, aber dann müsste er die Nachbarn zu Fuß aufsuchen.

Natürlich wäre er dazu in der Lage gewesen, es war mehr eine Frage der Art des Auftretens. Es machte einfach sehr viel mehr her, wenn er mit einem Auto Einlass auf ihr Grundstück verlangte und dann erst ausstieg.

Den Gedanken, mit einem Streifenwagen hinaus zu fahren, verbat sich ganz. Zwar stand ein entsprechender Wagen zu seiner Verfügung, sogar mit Fahrer, doch dann würde er die entsprechenden Bewohner kompromittieren, und das wollte er unbedingt vermeiden.

Er hatte sich auch kurz überlegt, ob er sich von einem uniformierten Beamten begleiten lassen sollte, doch er kam schnell zu der Einsicht, dass er dies allein erledigen musste.

Er dachte lange darüber nach, welche Nachbarn er persönlich aufsuchen muss. Schließlich kam er zu der Überzeugung, dass er wirklich alle die Leute besuchen musste, die er damals eingeweiht hatte.

Und er überprüfte auch noch einmal, ob er genügend Bargeld dabei hatte. Er fürchtete, dass er wieder Bestechungsgelder zahlen musste, auch wenn er es ihnen gegenüber als Aufwandsentschädigungen bezeichnete.

Warum hatte er sich damals bloß auf dieses Experiment eingelassen. Er schüttelte den Kopf.

* * *

Es stellte sich heraus, dass nur das eine Ehepaar etwas von dem Verstoß etwas mitbekommen hatte. Herr Buchelberger hatte jetzt fast alle Nachbarn besucht, doch keiner der Bewohner hatte einen Grund zur Klage. Insgeheim war er erleichtert, weil es nebenbei auch seinen Geldbeutel schonte.

Warum hatte er sich damals nur auf diesen Handel eingelassen. Er wusste schon damals, dass er seine Kompetenzen arge strapazierte. Jetzt musste er die Konsequenzen der damaligen Entscheidung tragen.

Den Besuch des Ehepaares, das den Vorfall gemeldet hatte, hatte er sich bis zuletzt aufgehoben. Jetzt stand er mit seinem Wagen vor der Einfahrt und meldete sich telefonisch an. Er musste nicht lange warten und ihm wurde die Einfahrt geöffnet. Langsam fuhr er den Dienstwagen, einen 7er, auf den Hof und stieg aus. Bewusst ein wenig umständlich holte er seine Aktentasche aus dem Kofferraum, dann ging er zur Haustür und wollte gerade klingeln, als ihm schon geöffnet wurde.

Die Frau trat heraus und lächelte ihn verlegen an. »Mein Mann und ich bedauern es, dass sie sich wegen uns extra auf den Weg gemacht haben.«

»Diese Angelegenheit verdient es, dass ich mich persönlich darum kümmere.« Er hoffte, dass sein ‚wichtiges‘ Auftreten den entsprechenden Eindruck machen würde. Er folgte der Frau ins Haus, nachdem sie ihn dazu aufgefordert hatte.

»Sie war wirklich allein draußen, fast zehn Minuten, später kam noch ein junges Mädchen dazu.« Der Ehemann saß im Wohnzimmer und hatte sie entsprechenden Fotos vor sich auf dem Tisch liegen. »Sie haben die ganze Zeit auf der Terrasse gelegen.«

Eigentlich eine Belanglosigkeit, dachte er bei sich, doch er hütete sich, seine Gedanken auszusprechen. Stattdessen nahm er wieder bewusst umständlich seinen Block zur Hand und notierte die Aussagen des besorgten Ehepaares. Er wollte den Eindruck erwecken, dass er die Lage fest im Griff hatte und die Sorgen der Bewohner ernst nahm. Auch wenn dies in Wirklichkeit überhaupt nicht so war.

Auch von der Frau ließ er sich noch einmal die Beobachtungen schildern, die sich weitgehend mit denen ihres Mannes deckten. Im Gegensatz zu ihm hatte sie auch die seltsame Kleidung bemerkt, die das zweite Mädchen getragen hatte. »Ich würde mich mit so etwas nicht nach draußen trauen.«

»Trug sie so wenig?« Er horchte auf, denn dieser Aspekt war neu. Und er konnte alles gebrauchen, was von seinem eigentlichen Problem ablenkte.

»Nein, es war mehr das Material. Man konnte meinen, sie hätte Plastik getragen.« Sie drehte sich kurz zu ihrem Mann. »Warum hast du davon nicht aus ein Foto gemacht?«

Er zuckte nur mit den Schultern und lächelte verlegen.

»Danke für den Hinweis, ich werde mich darum kümmern.« Er ahnte zwar, was diesbezüglich passiert war, doch genauso wusste er, dass er dies nicht beeinflussen konnte.

»Was werden sie bezüglich der Straftäterin unternehmen?« Die Frau klang recht besorgt.

Er versuchte sie zu besänftigen. »Immerhin war es der erste Verstoß gegen die Auflagen, deswegen möchte ich sie auf jeden Fall noch einmal anhören und hören, was sie zu ihrer Verteidigung zu sagen hat. Schließlich wusste sie, dass sie das Haus nicht allein verlassen darf.«

»Wird sie bestraft?« Die Frau ließ nicht locker.

Ihr Eifer widerte ihn an. »Ich versichere ihnen, dass dieser Vorfall sichtbare Konsequenzen haben wird.« Natürlich hatte er noch überhaupt keine Idee, wie diese aussehen könnten.



Er war sehr erleichtert darüber, dass er die Leute besänftigen konnte. Er hatte den Eindruck, dass sie von einer realen Anzeige weit entfernt waren und vor allem seinen Worten Glauben schenkten. Allerdings hatte er sichtbare Konsequenzen versprochen, und er wusste immer noch nicht, welche Möglichkeiten ihm dafür blieben.

Er lenkte den Wagen vom Hof und fuhr dann etwas erleichtert wieder zu seinem Büro. Und natürlich war er sehr erleichtert darüber, dass eine Anzeige abwenden konnte. Und sein Geldbeutel wurde gar nicht beansprucht.
174. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von gag_coll am 07.09.18 06:03

Den nächsten Update gibt es voraussichtlich erst am 18. September. Und bis dahin wünsche ich mir schönes Wetter...
175. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von Rowdypiper am 07.09.18 08:06

Hallo gag_coll,

das hört sich ja ganz nach Urlaub an.

Ist der hier von der Lesergemeinde überhaupt genemigt worden??

Deine Regelmäßigkeit, nach der man fast die Uhr stellen kann, ist doch der Fels, auf den wir alle bauen.

Wir kannst du uns das also nur antun??



Nun aber mal Spass bei Seite. Ich wünsche dir eine gute Zeit und gutes Wetter.
Habe viel Spass, lass dich inspirieren, damit du uns auch weiterhin gut mit deinen Geschichten unterhalten kannst.



Klingt irgendwie ein wenig selbstsüchtig von mir ... oder ?
176. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 7 - Der Gürtel - Teil Acht von Elf

geschrieben von gag_coll am 18.09.18 05:16

Die Studentin
Kapitel 7 - Der Gürtel - Teil Acht von Elf
Autor: Karl Kollar

Schon als Julia die Tram verließ, sah sie, dass die Einfahrt des Anwesens offen stand und beim Näherkommen realisierte sie, dass vor dem Haus ein Kombi parkte. Als sie Frau Hegel dort stehen sah, wie sie sich mit einer anderen Frau unterhielt, beschleunigte Julia ihre Schritte.

»Ah, gut das sie da sind.« Frau Hegel erinnerte die Studentin an den Termin mit der Schneiderin, der für heute angesetzt war. »Wir warten schon auf sie.«

Julia begrüßte die Schneiderin höflich, doch es war ihr anzusehen, dass sie die diesbezüglichen Zusammenhänge noch nicht erkannt hatte. Sie blickte Frau Hegel kurz fragend an, ohne jedoch etwas zu sagen.

»Wir wollen heute für das große Korsett Maß nehmen.« Ihre Vermieterin half ihr schließlich auf die Sprünge.

Julia begriff sofort, dass sie etwas von ihr erwarteten, doch sie hatte noch nicht erkannt, was das war. Diesmal blickte sie die Schneiderin fragend an.

»Bitte gehen sie auf ihr Zimmer und ziehen sich bitte aus.« Die Schneiderin hatte die Verlegenheit der Studentin bemerkt.

»Ganz?« Julia sagte nur das eine Wort, aber trotzdem war zu hören, wie ihre Stimme zitterte.

»Bis auf die Unterwäsche.« Die Schneiderin lächelte. »Das rechne ich dann ab.«

»Geben sie mir zwei Minuten.« Julia grinste, dann ging sie mit eiligen Schritten ins Haus.

Das Korsett. Julia hatte es schon ganz vergessen, oder verdrängt? Zu sehr hatte sie das Korsett, das sie schon trug, verinnerlicht, als das es ihr noch aufgefallen wäre. Es fühlte sich einfach nur sehr angenehm an.



Doch in ihrem Zimmer angekommen, musste sie feststellen, dass es gar nicht so einfach war, die Schnürung ohne Hilfe und vor allem ohne Sicht zu öffnen. Alles andere hatte sie schon wie gewünscht abgelegt. Streng genommen hatte sie ihr Zimmer sogar schon ohne ihr Oberteil betreten. Sie machte noch ein paar hektische Bewegungen, als sie schon die Schritte auf der Treppe hörte. Schließlich gab sie auf und setzte sich auf ihr Bett.

Fast verliebt strich sie mit der Hand über die glänzende Lackbettwäsche, die so verführerisch in der Sonne glänzte. Erst im letzten Moment fiel ihr ein, dass sie vielleicht die Tagesdecke hätte auflegen sollen, doch dazu war es schon zu spät. Frau Hegel war schon mit der Schneiderin eingetreten.

Zu ihrer Erleichterung bekam sie wegen des Korsetts keinen Tadel, im Gegenteil.

»Ah, dass ist gut, dass sie schon ein Korsett tragen, das können wir gleich als Basis nehmen.« Die Schneiderin stellte ihre Tasche auf den Tisch und begann sie auszupacken. »Wie kommen sie mit diesem Exemplar zurecht?«

Julia brauchte einen Moment, bis sie realisierte, dass sie antworten sollte. »Oh, sehr gut. Es stört mich bisher überhaupt nicht.«

»Werden es wieder zwei Korsetts werden?« Frau Hegel war nähergekommen und blickte scheinbar etwas gelangweilt auf den Tisch. Tatsächlich wollte sie nur vermeiden, Julias reizvollen Körper anzustarren.

»Nein, das haben sie optimiert.« Die Schneiderin schüttelte den Kopf. »Sie haben mittlerweile ein Verfahren gefunden, wie sich das Beinteil fest mit dem Oberkörper-Korsett verbinden lässt.« Sie holte tief Luft. »Das spart sehr viel Material und es geht insgesamt auch viel schneller.«

»Na, da bin ich aber gespannt.« Frau Hegel lächelte.

»Ich habe mittlerweile schon Aufträge, bei denen ich das Korsett bis an die Knöchel verlängern soll.« Aus der Stimme der Schneiderin war sehr viel Stolz zu hören. »Und eine Kundin hat schon angefragt, ob auch eine Verbindung zu Schuhen oder Stiefeln möglich ist.«

Julia hatte aufmerksam zugehört. »Aber dann wäre ich doch komplett unbeweglich? Ich könnte nur in der Ecke stehen.« Sie hatte Mühe, keine Grimasse zu ziehen.

Irgendwie schien Frau Hegel mit diesem Argument gerechnet zu haben. »Oder vor dem Pult zum lernen.«

Auf einmal begannen Julias Augen zu leuchten. »Was ist denn für mich bestellt?«

Die Schneiderin war gut vorbereitet. »Bisher nur ein Korsett bis zu Knien. Und der sogenannte Rockteil soll abnehmbar sein, damit auch ein Hinsetzen möglich ist.«

»Das reicht auch.« Frau Hegel war über die Begeisterung von Julia sehr erfreut, trotzdem versuchte sie diese zu verbergen. »Wenn sie angenommen werden, wird es noch viel strenger werden.«

Julia blickte verwundert auf. »Die Prüfung zum Engel?« Sie musste wieder an ihren Traum denken.

»Erst einmal wollen wir sie anmelden.« Frau Hegel lächelte. »Aber auch dafür müssen sie einiges können.«

»Ich habe mir heute schon einen genauen Plan gemacht.« Julia blickte sich um, denn sie suchte ihre Tasche, um den Plan zeigen zu können.

Die Schneiderin räusperte sich. »Entschuldigt bitte, aber können wir dann anfangen?« Die Schneiderin begann, einige seltsame Formen aus ihrer Tasche zu nehmen.

* * *

Es war ungewöhnlich, dass Julia zum gemeinsamen Kaffee geladen wurde. Doch kaum hatte sie das Wohnzimmer betreten, als sie schon den offensichtlich wahren Grund erkannte. Auf der Kommode lagen einige Kartons, und auf dem gedeckten Wohnzimmertisch entdeckte sie auch so etwas wie einen Produktkatalog, wie sie auf den zweiten Blick erkannte. Das Titelblatt zeigte zwei junge Mädchen in silberner Unterwäsche.

Irgendwie ahnte Julia, dass der Katalog für sie bestimmt war. Zumindest war sie neugierig genug, um darin blättern zu wollen. Sie setzte sich auf den entsprechenden Platz, doch dann beschloss sie doch erst noch zu warten.

Frau Hegel schien genau zu wissen, was die Studentin bewegte. »Blättern sie ruhig«, wurde Julia von ihr ermutigt. »Ah Frauke, schön, dass sie auch gekommen sind.«

Frauke hatte den Raum betreten und wollte erst noch widersprechen, als ihr einfiel, dass diese Kaffeetafel speziell für Julia arrangiert war. Frau Hegel hatte sogar dafür gesorgt, dass ihr Mann nicht im Haus war, auch wenn seine Studentin das nicht wusste.

Julia blickte immer wieder auf den Prospekt, doch sie traute sich nicht, von selbst danach zu greifen. Erst als Frau Hegel sie diesbezüglich erneut ermutigte, nahm sie sich ein Herz und nahm sich den Prospekt zur Hand.

Frau Hegel beobachtete die Studentin unauffällig. Der Katalog war genau für diese Gelegenheit gemacht worden, wenn die jungen Mädchen zum ersten Mal mit der eisernen Unterwäsche konfrontiert wurden. Bei Julia war es zwar ein wenig anders, doch die Frau des Professors war sich sicher, dass der Katalog seine Wirkung nicht verfehlen würde.

Immerhin hatten die beiden damals noch jungen Töchter der alten Oberin dafür posiert, und ein Fotograf hatte zeitlos schöne Fotos gemacht. Selbst Frau Hegel schaute sich die Bilder gern an, weil sich die Mädchen auf diesen Fotos überhaupt nicht verstellten. Es war ihnen in jeder Faser ihres Körpers anzusehen, dass sie diese Unterwäsche gern trugen und sie vor allem auch nie in Frage stellten. So gesehen waren diese Bilder auch für Eingeweihte sehr kostbar.

Julia keuchte ein wenig, während sie den Katalog durchblätterte, und nur nebenbei realisierte sie, dass sie eigentlich nur verkaufsfördernde Werbung in der Hand hielt.

Die abgebildeten Mädchen machten einen sehr glücklichen Eindruck und hatte ein Leuchten in den Augen, das Julia fast den Atem nahm. Nur langsam konnte sie sich von den faszinierenden Bildern loslösen.

Frau Hegel lächelte verlegen »Sie sollen vorher wissen, auf was sie sich einlassen.« Dass Julia offensichtlich keine Alternative hatte, behielt sie allerdings für sich.

Langsam drehte sich Julias Kopf zur Kommode, auf dem sie die vielen Kartons hatte liegen sehen. »Und da ist also mein Gürtel darin?« Ihre Stimme war seltsam leise, als sie das fragte.

Frau Hegel wusste in diesem Moment auch nicht, was sie antworten sollte. Sie blickte ihre Dienerin etwas hilflos an.

Frauke sah eine gute Möglichkeit, sich wieder ein paar Pluspunkte zu verdienen. »Es trägt sich sehr bequem, und du hast sicher nach kurzer Zeit vergessen, was du da wirklich trägst.«

»Wir dachten, es wäre besser, wenn sie selbst die Sachen auspacken würden. Wir werden die Teile dann noch einmal gemeinsam reinigen, und dann können sie sie ausprobieren.«

»Ausprobieren?« Julia hob verwundert den Kopf.

»Naja, wir hoffen schon, dass sie mit dieser besonderen Kleidung zurechtkommen werden.« Frau Hegel holte vor dem kritischen Satz tief Luft. »Aber wir sind ihnen auch nicht böse, wenn sie es nicht machen.«

»Aber dann muss ich das Haus verlassen.« Julia erinnerte sich an die bisherigen diesbezüglichen Absprachen.

Frau Hegel vermied es, auf diese Frage direkt zu antworten, denn diesen Druck wollte sie in dieser Situation eigentlich nicht aufbauen. Aber wenn Julia es selbst anbot, wollte sie auch nicht widersprechen. Sie wählte eine ausweichende Antwort. »Es sieht nach mehr aus, als es eigentlich ist.«

»Das ist ja eine ganze Menge.« Julia blickte wieder auf die Menge an großen und kleinen Kartons. »Darf ich das erst einmal alles ausprobieren und mich dann hinterher entscheiden?«

»Aber sicher.« Frau Hegel war sich klar, dass sie dieses Wagnis eingehen musste. Außerdem hatte Julia bisher so positiv reagiert, dass es eigentlich gar nicht mehr schief gehen konnte. »Letztendlich sind es drei Teile, die mehr oder weniger zusammen gehören.«

»Mehr oder weniger?« Julia wunderte sich ein wenig.

»Naja, die Schenkelbänder machen nur dann Sinn, wenn sie auch den Gürtel dazu tragen.« Frau Hegel hoffte, dass es die richtigen Worte sein würden.

Erst jetzt erinnerte sich Julia an das, was sie bei Frauke schon gesehen hatte. »Und das alles ist das, auf was sich Carolin so gefreut hat?«

»‘Gefreut‘ ist vermutlich das falsche Wort.« Mittlerweile empfand Frau Hegel es selbst als etwas unfair. »Sie wusste, dass wir es von ihr erwarteten, und sie war bereit, es für uns zu tun.«

»So wie sie es jetzt auch von mir erwarten?« Julia blickte wieder auf den Katalog.

»Im Prinzip ja.« Frau Hegel holte tief Luft. »Wobei wir uns bei ihnen natürlich im Klaren sind, dass sie jederzeit ‚Nein‘ sagen dürfen.«

Julia erkannte, dass sie es nicht weiter hinaus zögern konnte, ohne Frau Hegel zu verärgern. Sie hatte sich schon längst entschieden, dass sie den Gürtel und das Zubehör tragen wollte, auch wenn sie sich über die Konsequenzen immer noch nicht ganz im Klaren war.

Denn natürlich wusste sie, was ein Keuschheitsgürtel wirklich war, und auch die Funktion des Keuschheits-BHs hatte sie verinnerlicht. Insgeheim freute sie sich sogar auf die besondere Erfahrung. Sie hatte es bei Frauke gesehen, und insgeheim war sie sich sicher, dass auch Patricia so etwas zu tragen hatte. Sie spürte irgendwie, dass sie dann auch ‚dazu‘ gehören würde.

Lediglich mit diesen Schenkelbändern konnte sie bisher noch nicht so viel anzufangen. Sie wusste nur, dass sie Frauke daran hinderten, größere Schritte zu machen. Sie blickte voller Erwartung auf die noch geschlossenen Kartons, doch sie war viel zu höflich, um von sich aus zu drängeln.

Die Bilder aus dem Katalog hatten sie sehr beeindruckt. Die beiden Mädchen, die die stählerne Unterwäsche präsentierten, schienen Schwestern zu sein, denn eine gewisse Ähnlichkeit war deutlich zu erkennen. Und sie hatten ein ehrliches Lächeln im Gesicht. Man sah deutlich, dass sie Spaß an den Fotos hatten, und Julia vermutete, dass sie in auch ihrer Freizeit diese besondere Kleidung tragen würden.

Natürlich war sie auch von dem Zubehör beeindruckt. Die integrierten Dildos hatte ihr nur beim allerersten Blick Sorgen bereitet. Es lag wieder an dem strahlenden Lächeln dieser beiden Schwestern, dass sie wegen dieser sonst eigentlich sehr erschreckenden Eindringlinge eigentlich eher Lust empfand. Es sah zumindest auf den Fotos so aus, als hätten die Mädchen damit besonderen Spaß.

Es war ihr natürlich klar, dass diese Fotos gestellt waren, doch das ehrliche Lächeln in den Gesichtern zeigte ihr, dass es nicht wirklich unangenehm zu sein schien.

Außerdem hatte sie sich immer schon gefragt, wie sich so etwas anfühlen würde. Ihre diesbezüglichen Erfahrungen mit Jungs – sie weigerte sich nach wie vor, sie Männer zu nennen – waren alles andere als vielversprechend gewesen. Stattdessen sehnte sie sich nach dieser Art von Füllung. Sie musste lächeln. Erst als sie das Bild gesehen hatte und erkannte, um was es genau ging, wusste sie auf einmal, wovon sie bisher immer geträumt hatte, ohne dass sie es genau bezeichnen konnte.

Insgeheim freute sie sich darauf, diese Erfahrung endlich machen zu können. Und die glücklichen Gesichter der beiden Mädchen zeigten ihr, dass es eine eher angenehme Erfahrung sein würde, wenn sie einmal den Mut dazu aufgebracht haben würde.

»Wollen wir dann anfangen?« Frau Hegel riss sie aus ihren Gedanken.

Julia musste trotz ihrer freudigen Erwartung schlucken. Was wäre, wenn es doch nicht so schön war? Doch sie schob ihre Zweifel beiseite und lächelte. »Gern.«

Frau Hegel wandte sich an Frauke. »Holen sie bitte, was sie vorbereitet haben.«

Frauke war insgeheim ein wenig neidisch, denn diesen Schritt hatte es bei ihr damals nicht gegeben. Allerdings hatte sie auch keine Wahl gehabt.



Die Dienerin kam mit einem großen Schüssel voll warmen Wasser zurück, aus der es nach romantisch duftenden Badezusatz roch.

»Wir packen jetzt alles aus, und sie dürfen ihre Sachen gründlich reinigen.« Natürlich waren die Sachen schon hygienisch verpackt, doch diese Maßnahme hatte vor allem den Zweck, Julia die Nervosität zu nahmen.

Julia sah verwundert zu, wie Frauke die Schale auf den Tisch stellte.

Frauke wunderte sich über ihre Freundin. »Willst du nicht langsam mal mit dem Auspacken beginnen?«

Julia blickte Frau Hegel fragend an, und erst als diese nickte, machte sie sich daran, den ersten der Kartons zu öffnen.


177. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von Fehlermeldung am 18.09.18 05:56

Wieder eine sehr schöne Fortsetzung !

Der Urlaub scheind dir gut getan zu haben .

mache bitte weiter so !

.
178. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 7 - Der Gürtel - Teil Neun von Elf

geschrieben von gag_coll am 21.09.18 05:55

Die Studentin
Kapitel 7 - Der Gürtel - Teil Neun von Elf
Autor: Karl Kollar

Es beruhigte sie sehr, als sie sehen konnte, wie alle Teile, die sie nach und nach auspackte, von Frauke in dem duftenden Wasser noch einmal gereinigt wurden. Selbst Frau Hegel ließ es sich nicht nehmen, die einzelnen Stahlteile mit dem üblichen Geschirrhandtuch abzutrocknen.

Doch je mehr Kartons Julia auspackte, desto nervöser wurde sie. »Muss ich das wirklich alles tragen?«

Frau Hegel lächelte, denn mit genau dieser Reaktion hatte sie gerechnet. »Nein, natürlich nicht. Wir haben einfach das komplette Set bestellt, weil es so schneller ging.« Dass sie Zeitdruck hatte, wusste Julia.

»Wobei...« Julia war in diesem Moment etwas verlegen. »Gewisse Teile würden mich wirklich sehr interessieren.« In diesem Moment hatte sie den Stahldildo in der Hand, der sie in gewisser Weise auch an einen Tannenbaum oder einen Schneemann erinnerte.

»Das ist eine gute Wahl, meine Dame. Und ich bin mir auch sicher, dass sie sich damit wohl fühlen werden.« Frauke klang auf einmal wie eine Verkäuferin im Warenhaus, die einer Kundin etwas Außergewöhnliches verkaufen wollte.

»Aber wollen sie das jetzt schon tragen?« Frau Hegel sah sich gezwungen zu intervenieren. »Ich würde es an ihrer Stelle eher langsam angehen.«

Julia wurde irgendwie aus ihrem Traum gerissen. »Ich habe eigentlich schon immer von so etwas geträumt. Vielleicht darf ich es wenigstens bis morgen früh tragen?«

»Bitte seien sie mir nicht böse, aber dazu möchte ich erst einmal ‚Nein‘ sagen.« An dieser Stelle musste sie Julia vor ihrem eigenen Mut schützen. »Sie wissen jetzt, dass es so etwas gibt. Und wenn sie morgen Abend immer noch der Meinung sind, dass sie es zusätzlich tragen möchten, dann habe ich dann nichts mehr dagegen.«

Julia erkannte, dass ihr Drängen unerwünscht war. Obwohl sie ein Kribbeln zwischen den Beinen spürte, beschloss sie, dem Rat nachzugeben. Außerdem wusste sie auch immer noch nicht, wie sich der Gürtel an sich tragen würde.

»Für den Gürtel sollten sie sich wirklich ganz ausziehen.« Frau Hegel lächelte verlegen. »Wenn sie möchten, lasse sich sie mit Frauke allein.«

Julia schüttelte den Kopf, obwohl es ihr unangenehm war, dass ihre Vermieterin genau ihre Bedenken getroffen hatte. Von daheim her war sie es zwar gewöhnt, wenig Intimsphäre zu haben, doch das war auch gar nicht das Problem. Sie vertraute Frauke mehr als ihrer Vermieterin und deswegen hatte sie ein schlechtes Gewissen.

»Sie machen das schon.« Frau Hegel glaubte, einen Kompromiss gefunden zu haben. Sie drehte sich weg und tat so, als würde sie die verschiedenen Zubehörteile sortieren.

»Es trägt sich eigentlich sehr angenehm.« Frauke hatte den Gürtel in der Hand. »Nur das Anlegen geht natürlich etwas anders als bei normaler Unterwäsche.« Insgeheim spürte sie das Vertrauen, dass Frau Hegel in sie setzte, und darüber war sie sehr dankbar. Es war ihr auch ein persönliches Anliegen, Julia den Gürtel beizubringen, denn wenn sie ihr dieses Schicksal schon nicht ersparen konnte, wollte sie es ihr doch so einfach wie möglich machen. »Bitte halte das fest und mache die Beine etwas breit.« Fraukes Stimme wurde etwas leiser.

Julia sah fasziniert zu, wie sich der Stahl langsam um ihren Bauch und zwischen ihre Beine schob. Den Verschluss des Gürtels hatte sie sofort erkannt und wusste, wie er zu schließen war. Sie war fasziniert davon, wie gut ihr der Gürtel passte. Erst später fiel ihr diesbezüglich ein, dass dafür sogar extra Maß genommen worden war.

»Bitte halte es jetzt fest, ich hole das Schloss.« Frauke war von dem Vorgang ebenfalls sichtlich fasziniert.

»Ich werde auch verschlossen?« Julia blickte scheinbar überrascht an sich herunter.

Der Versuch, sich naiv zu geben, wurde von Frauke sofort enttarnt. Doch sie war bereit, das Spiel mitzuspielen. »Das Schloss ist natürlich nur zur Diebstahlsicherung, falls dir jemand diesen kostbaren Gürtel stehlen möchte.«

»Verständlich.« Julia grinste trotz ihrer Nervosität.

»Sitzt er gut?« Frau Hegel hatte sich wieder umgedreht.

Julia keuchte ein wenig – mehr vor Anspannung und weniger wegen des Gürtels an sich. »Es ist ungewohnt.«

»Wollen wir ihr wirklich gleich alles anlegen?« Irgendwie hatte Frauke Skrupel und wollte Julia auf keinen Fall überfordern.

»Was hat Carolin denn am liebsten getragen?« Julia hätte gern alles getragen, doch sie wusste mittlerweile, dass es für den Anfang besser war, sich erst einmal zurück zu halten.

»Das ist eine gute Frage.« Frau Hegel versuchte unauffällig etwas Zeit zu gewinnen. Sie wollte Julia zwar nicht überfordern, doch genauso war sie bereit, ihre auffällige Begierde für die eigenen Zwecke auszunutzen. »Sie hat oft von dem vollen Geschirr geschwärmt.« Es war ihr eingefallen, dass im Tagebuch nur die Rede davon war, dass Carolin sich auf ihren Gürtel freute.

»Mit allen Ringen?« Frauke gab sich verwundert.

»Ja, mit allem. Aber für den Anfang wollen wir sie nicht überfordern.« Es war vielleicht sogar eine gute Taktik, das eigentlich volle Geschirr nur als den Anfang darzustellen, obwohl dies eigentlich recht hinterhältig war. »Wir machen jetzt mit dem BH und den Bändern für die Oberschenkel weiter.«

Julia gab sich ein wenig enttäuscht. Immerhin war sie freiwillig bereit, Carolins Erbe anzutreten und den Gürtel zu tragen. Sie erinnerte sich an die Formulierung aus dem Tagebuch. Doch sie hatte nicht erwartet, dass der ‚Gürtel‘ aus so viel Einzelteilen bestand. Vor allem die vielen Ringe hatten es ihr angetan, seit sie die kleine Skizze gesehen hatte und sofort erkannte, wo sie überall an ihren Armen und Beinen die Stahlringe tragen würde.

»Frauke, sie können Julia dann noch erklären, welchen Zweck die ganzen Zubehör-Teile haben und sie nach und nach ausprobieren.« Sie streichelte Julia über den Kopf. »Ich weiß ihren Ehrgeiz sehr zu schätzen, aber glauben sie es mir, es ist besser, wenn sie dies langsam angehen.«

Schließlich war Julia überzeugt. »Also gut.« Sie grinste und drehte sich zu Frauke. »Frau Wiesl, würden sie mir dann bitte den BH reichen?« Es war das erste Mal, dass sie bewusst Fraukes Nachnamen benutzte.

Die Dienerin wusste von den besondere Eigenschaften dieses Stahl-BHs, er war mit Neoprengummi ausgepolstert, damit das Metall nicht direkt auf der Haut lag. Für die Nippel gab es eine Aussparung, in die sie hineinwachsen konnten, wenn sie sich aufrichten – aber so knapp, dass sie im aufrechten Zustand eng umschlossen wurden.

Es gab eine Zeit, in der sie so etwas selbst tragen musste. Es hatte sie fast wahnsinnig gemacht, und sie war froh, als die die Quälgeister endlich wieder los wurde.

Es gab auch BHs mit Einbauten, so dass damit auch Vibrationen und Reizimpulse optimal übertragen werden konnten und die deswegen geeignet waren, die Trägerin damit fast in den Wahnsinn zu treiben.

Sei war erleichtert, als sie realisierte, dass der BH für Julia nur ausgepolstert war. Doch sie wusste, dass die Polster jederzeit austauschbar waren.

»Sag ‚Ciao‘ zu deinen beiden Lieblingen.« Frauke legte den Stahl-BH um Julias Schultern und führte die Teile zwischen ihren Brüsten zusammen.

Auch hier erkannte Julia sofort, wie der Verschluss gearbeitet war. Sie selbst nahm sich das Schloss von Tisch und brachte es an der entsprechenden Stelle an. Als es ‚Klick‘ machte, stöhnte sie leise auf. »Jetzt bitte zu den Schenkelbändern.«

»Bitte seien sie mir nicht böse, aber wir sollten es langsam angehen.« Obwohl es ihr schwer fiel, musste sie hier den Eifer etwas bremsen. Außerdem waren die Schenkelbändern ziemlich sinnfrei, wenn bei Julia schon der enge Rock ein Spreizen der Beine verhinderte. »Gewöhnen sie sich bitte erst einmal an diese Wäsche, und nach dem Abendessen machen wir mit den Schenkelbändern weiter.« Vor dem Wort ‚Wäsche‘ hatte Frau Hegel eine deutliche Pause gemacht.

Julia blickte ihr gegenüber etwas verwirrt an. Eigentlich hatte sie erwartet, dass ihr gleich ‚alles‘ angelegt werden würde. Mit einer Gnadenfrist hatte sie nicht gerechnet. Doch sie war entschlossen, diese Chance zu nutzen. Sie wunderte sich, wie es jetzt weiter gehen würde, doch sie wagte nicht, danach zu fragen. Sie sah, dass Frauke und Frau Hegel damit beschäftigt waren, die leeren Kartons wegzuräumen. Das schon ausgepackte Zubehör ließen sie allerdings in Sichtweite auf der Kommode liegen. Etwas beschäftigte Julia sehr. »Was ist mit dem Schlüssel? Ist es nicht sinnfrei, wenn ich ihn selbst behalte?«

Frau Hegel schaffte es nicht, ihre Überraschung zu verbergen. »Natürlich, da haben sie recht.« Sie holte tief Luft. »Es ist ein Entgegenkommen von uns. Falls sie in der Anfangsphase Probleme haben, möchten wir es ihnen leicht machen.«

»Ich darf es jederzeit ausziehen?« Julia war sich nicht sicher, ob sie die Worte ihrer Vermieterin wirklich richtig verstanden hatte.

»Jederzeit.« Die Frau des Professors bestätigte es noch einmal. »Aber wir würden uns freuen, wenn sie ihn nur dann ausziehen, wenn wirklich ein ernster Grund vorliegt.«

»Verständlich.« Julia musste an Carolin denken, und sie fragte sie, was dieses faszinierende Mädchen wohl an ihrer Stelle gedacht und empfunden hätte. Aus dem Tagebuch hatte sie erfahren, wie sehr sich Hegels Tochter auf den Gürtel gefreut hatte und insgeheim hoffte sie, Carolin wirklich würdig zu vertreten, wenn sie jetzt das Erbe antrat und für sie diesen Gürtel tragen würde. Da der Gürtel sie so gut wie überhaupt nicht störte, hatte sie fast so etwas wie ein schlechtes Gewissen, weil es ihr so leicht fiel.

»Sie gehen jetzt bitte auf ihr Zimmer und bereiten sich auf das Abendessen vor.« Frau Hegel beobachtete ihre Mieterin heimlich und fragte sich, über was sie gerade zu grübeln schien. »Ich lasse sie rufen, wenn man Mann aus der Stadt zurück ist, damit wir gemeinsam essen können.«

Bei der Erwähnung ihres Professors zuckte Julia ein wenig zusammen, denn ihr war sofort klar, dass er über ihre besondere Unterwäsche Bescheid wissen würde. Sie wusste nicht genau warum, doch sie schämte sich ein wenig. Nur langsam realisierte sie, dass sie der Bitte oder besser dem Befehl ihrer Vermieterin nachkommen sollte.



Auf dem Weg durch das Treppenhaus fragte sich Julia, ob ihr Professor sie wohl auf die Stahlwäsche ansprechen würde. Sie hoffte, dass er erfreut darüber sein würde, das ausgerechnet seine Studentin auch noch in die Fußstapfen seiner Tochter treten würde, und das sie bereit war, diesen besonderen Weg zu gehen, auch wenn sie selbst noch nicht wusste, wohin der Weg überhaupt führen würde.

Immerhin hatte sie noch eine Nacht Bedenkzeit. Morgen früh sollte sie sich entscheiden, ob sie bereit war, den Gürtel zu tragen. Und zumindest in der ersten Woche hatte sie freien Zugriff auf den Schlüssel, mit dem sich der Gürtel abnehmen ließ. Danach hatte sie dieses Recht nicht mehr. Sie durfte dann nur noch um eine Pause bitten, wenn ernsthafte gesundheitliche Gründe vorliegen würden.

Natürlich durfte sie jederzeit um Befreiung bitten, aber dann musste sie Hegels verlassen. Und das wollte sie auf keinen Fall.

* * *

»Wie kommen sie mit Carolins Gürtel zurecht?« Herr Hegel legte sein Besteck weg und wischte sich den Mund ab. »Sie tragen ihn schon?«

Julia zuckte zusammen, denn genau diese Frage hatte sie befürchtet. Doch ihre Vermieterin kam ihr zu Hilfe.

»Winfried, du bist unfair.« Sie blickte ihren Mann empört an. »Sie trägt es doch gerade mal eine halbe Stunde.«

Julia war erleichtert, dass sie von Seiten seiner Frau Hilfe bekam. Trotzdem hatte sie sich eine Antwort zurecht gelegt. »Etwas ungewohnt, aber nicht schlecht.« Sie zögerte ein wenig. »Es gibt mir Sicherheit.«

»Wer hat den Schlüssel?« Herr Hegel blickte zwischen seiner Frau und Frauke hin und her.

Julia blickte auf, doch sie wusste nicht, was sie sagen sollte.

»Es wäre besser, wenn sie den Schlüssel einer Person ihres Vertrauens geben würden.« Er benutzte den gleichen Tonfall, mit den er auch in seinen Vorlesungen seine Texte vortrug. Der Bund sah eigentlich vor, dass die zukünftigen Engel den Keuschheitsgürtel in den ersten Tagen selbst öffnen durften und erst nach einigen Tagen den Schlüssel abgeben mussten. Doch dem Professor gefiel der Gedanke nicht, dass Julia den Schlüssel bei sich haben würde.

Julia war zunächst entsetzt, denn sie konnte sich mit dem Gedanken, ihrem Professor den Schüssel zu gaben, überhaupt nicht anfreunden.

Er lächelte. »Ich denke, Frau Wiesl würde sich über das Vertrauen bestimmt sehr freuen.«

»Ja, das werde ich machen.« Julia war erleichtert. »Noch heute Abend.« Wie üblich war Frauke bei den Mahlzeiten nicht dabei. Außerdem gefiel ihr der Gedanke, sich so an Frauke auszuliefern.

»Sie sollten aber trotzdem darüber nachdenken, ob es nicht besser wäre, wenn mein Mann auch einen Schlüssel dafür hatte.« Frau Hegel hatte bewusst etwas leiser gesprochen.

»Warum denn das?« Julia wollte auf keinen Fall ‚nein‘ sagen, vor allem weil sie sich mit der Idee überhaupt nicht anfreunden konnte.

»Nun ja.« Frau Hegel zögerte ein wenig. »Sie haben bestimmt auch mal ein gewisses Geschäft zu erledigen.«

Julia war in dem Moment so verzaubert, dass sie erst nach einiger Zeit erkannte, was eigentlich damit gemeint war. »Was raten sie mir?« Auch wenn ihr der Gedanke überhaupt nicht gefiel, wollte sie es doch in der Gesamtheit nicht ablehnen.

Frau Hegel griff zu dem kleinen Päckchen, welches sie sich bereit gelegt hatte. »Es wäre zwar ein wenig demütigend, aber für Notfälle können sie auch hierauf zurückgreifen.« Sie reichte ihre das Päckchen.

Julia nahm es in die Hand und sah schon auf den ersten Blick, dass sie eine Erwachsenenwindel in der Hand hatte. Sie hielt den Atem an, ließ es vor sich auf den Tisch fallen und suchte nach einer Antwort.

»Wenn sie eine Hose anhaben, würde es etwas auftragen.« Frau Hegel sprach mit einer sehr ruhigen Stimme. »Aber unter einem Rock ist es praktisch unsichtbar.«

Julia war zunächst entsetzt und wollte diese Demütigung auf keinen Fall auf sich nehmen, doch dann trat sie gedanklich einen Schritt zurück und betrachtete die Gesamtsituation. Diese Leute hatten große Erfahrung, und diese Windel wäre ein Mittel, mit dem sie ein Malheur eine gewisse Zeit verstecken konnte. Sie griff wieder zu dem Paket und betrachtete es etwas aufmerksamer. Erst jetzt sah sie den Aufkleber, der an einer Stelle aufgeklebt war. ‚Notfall-Set‘ war dort aufgedruckt, und gleich darunter stand der ihr schon bekannte und zugleich so rätselhafte Schriftzug ‚ARCANVM ANGELARVM‘. In ihr tobten ihre Gefühle um die Wette.

»Das wäre ein probates Mittel.« Frau Hegel beobachtete ihre Mieterin genau. »Es wird aber nur in Notfällen benutzt.«

»Wie hätte Carolin es denn gehalten?« Sie war sich immer noch unsicher, ob sie dies überhaupt fragen durfte. Sie achtete auf jeden Fall darauf, dass sie den Konjunktiv benutzte.

»Wir können nur spekulieren«, erwiderte Frau Hegel. »Aber diese Windel hätte sie bestimmt dabei gehabt.«

»Dann möchte ich das auch so halten. Und der Schlüssel kann bei Frau Wiesl bleiben.« Irgendwie konnte sich Julia mit dem Gedanken, ihr Professor hätte den Schlüssel, überhaupt nicht anfreunden. Es reichte ihr schon, dass er wissen würde, warum sie sich jetzt etwas anders bewegen würde. Dafür war sie sogar bereit, die Windel bei sich zu tragen.

Frau Hegel reichte ihr noch einen Gegenstand. Er hatte ein wenig Ähnlichkeit mit einer großen Spritze. »Falls sie sich nach dem kleinen Geschäft sauber machen möchte.«

Julia nahm es dankbar entgegen. Sie betrachtete es noch einmal sehr aufmerksam, während sie langsam ein Gedanke in ihre Gedanken schlich. Der Gürtel würde sie nicht stören, er würde nur ihren Alltag in gewissen Situationen etwas umständlicher machen. Sie lächelte leicht. »Vielen Dank.«

179. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von AK am 21.09.18 11:24

Super Geschichte. Danke.

Freue mich schon zu sehen wies weiter geht
180. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 7 - Der Gürtel - Teil Zehn von Elf

geschrieben von gag_coll am 25.09.18 05:51

Die Studentin
Kapitel 7 - Der Gürtel - Teil Zehn von Elf
Autor: Karl Kollar

Frauke klopfte leicht an Julias Tür, gleich darauf trat sie ein. »Ich wollte mal hören, was du heute noch vor hast und ob du eventuell meine Hilfe brauchst?«

Julia sah von ihrem Buch auf und grinste. »Das wäre allerdings etwas, was ich probieren möchte.«

»Nun lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen.« Frauke verdrehte die Augen. »Was möchtest du tragen?«

»Alles...« Julia strahlte bis über beide Ohren.

»Alles?« Frauke war verwundert. »Was meinst du mit ‚alles‘?«

»Nun ja, ich dachte an diese Mörderstiefel, den Handschuh, das Perlennetz und vielleicht noch ein… wie heißen diese Dinger?« Sie blickte zum Schrank.

Frauke war mit Blick gefolgt. »Ich weiß nicht, was du meinst.«

»Diese Halskorsetts, jetzt weiß ich es wieder...« Julia strahlte weiterhin. »Gelernt habe ich heute genug, jetzt möchte ich noch ein wenig genießen.«

Frauke blickte verwundert auf.

»Okay, ich sollte es besser ‚trainieren‘ nennen.« Sie grinste.

»Bist du dir da ganz sicher?« Frauke blieb skeptisch.

»Ja natürlich.« Julia wurde ungeduldig. »Warum fragst du?«

»Ich frage mich, ob du nicht zu mutig bist und dir zu viel auf einmal vornimmst.« Natürlich wäre Frauke von der dann so ultimativ hilflosen Studentin fasziniert, doch das wollte sie auf keinen Fall zugeben oder sich anmerken lassen. »Wir sollten vorher Hegels fragen...«

»Wenn du meinst…?« Julia spürte, dass Frauke die Verantwortung nicht allein tragen wollte, deswegen stand sie auf und ging zur Tür.

»Ich glaube, sie sind auf der Terrasse.« Frauke ging erleichtert hinterher.



»Frau Hegel, wir hätten da eine Frage.« Frauke hatte darauf geachtet, dass sie als erste auf der Terrasse war.

»Und zwar?« Die Frau des Professors legte die Zeitung weg, in der sie gerade gelesen hatte und blickte kurz zu ihrem Mann.

Frauke musste sich räuspern. »Julia möchte für eine halbe Stunde alles tragen, einfach alles.«

»Was meinen sie mit ‚alles‘? Frau Hegel blickte zwischen den beiden hin und her.

Julia wiederholte ihre Aufzählung.

Frau Hegel war sichtlich verwundert. »Was meinst du, Winfried. Können wir das erlauben?«

Herr Hegel richtete sich auf. »Unter einer Bedingung…«

»Und die wäre?« Julia hatte überhaupt keine Idee, was nun kommen würde.

»Sie gehen dann mindestens eine Runde im Garten spazieren.« Während ihr Professor dies aussprach, blieb seine Stimme sowohl ruhig als auch bestimmt.

Julia musste schlucken. War sie wirklich schon so weit und vor allem so mutig? »Das ist heftig.«

»Wir machen es einfach.« Herr Hegel blickte seine Studentin ermutigend an. »Entweder richtig oder gar nicht.«

Julia blickte Frauke fragend an.

Frauke wusste nichts zu erwidern. Sie zuckte nur mit den Schultern. »Wenn du es möchtest?«

Der Professor kam ihr interessanterweise zu Hilfe. »Ich möchte sehen, wie gut sie schon mit den Sachen zurecht kommen.«

Julia blickte sich zweifelnd um. Von der Terrasse führten ein paar weniger Stufen auf den Rasen davor. Doch dann rief sie sich ins Gedächtnis, wie sie dann aussehen würde, und auf einmal spürte sie ein gewisses Kribbeln. »Ja, ich möchte es probieren.«

»Sind sie sich sicher? Bist du dir sicher?« Frau Hegel und Frauke stellten die Frage fast gleichzeitig.

»Was werden bloß die Nachbarn sagen?« Frau Hegel klang besorgt.

»Das, was sie immer gesagt haben, wenn wir so weit waren.« Herr Hegel klang auf einmal leicht energisch. »Lassen wir uns davon stören?«

»Nein, das tun wir nicht.« Frau Hegel klang in dem Moment etwas trotzig. Sie drehte sich der Studentin um. »Frau Sommer, bitte beginnen sie ihr Training.«

Erst jetzt dämmerte Julia, dass sie mit den Stiefeln und den gefangenen Armen als erstes Treppensteigen musste. Sie blickte Frauke ein wenig erschrocken an. »Die Treppe?« Eigentlich hatte sie sich schon im Garten gesehen.

»Ich helfe dir mit allem.« Frauke freute sich insgeheim schon darauf, Julia einmal wirklich in vollständiger Rüstung zu erleben, und sie war fest entschlossen, ihr bei allen dann auftretenden Problemen zu helfen.

»Haben sie sich schon mit der Perlensprache vertraut gemacht?« Herr Hegel hatte auf einmal ein gewisses Leuchten in den Augen.

»Winfried, bitte…« Seine Frau versuchte ihn zu bremsen.

»Lassen sie nur, Frau Hegel.« Julia fühlte sich zu einem Widerspruch ermutigt. »Ich habe es bei Patricia gesehen, und ich glaube, ich weiß was gemeint ist.«

Herr Hegel lächelte. »Langsam sprechen und immer die Lippen weit auf machen.«

Frau Hegel mischte sich ein. »Und nicht daran stören lassen, wenn etwas Speichel aus dem Mund fließt.«

»Ich weiß.« Julia seufzte hörbar. »Ich hoffe, dass ich es einigermaßen würdevoll hinbekomme.«

»Machen sie sich um das Sabbern keine Gedanken.« Herr Hegel blickte kurz zu seiner Frau. »im Gegenteil, bei den Engeln ist es gern gesehen. Aber aber werden sie bald erfahren.«

* * *

Auf dem Weg zum Umziehen war Frauke etwas bedrückt, denn sie wusste, was noch alles auf Julia wartete, und sie hätte ihrer ‚kleinen Schwester‘ dieses Schicksal gern erspart. Doch sie durfte nichts von ihrem Wissen erzählen, weil sie sonst Hegels eigentliche Ziele gefährdet hatte.

Auf einmal fiel ihr auf, dass auch Julia verunsichert war. »Was ist los?« Frauke war verwundert.

Julia blickte verlegen in den Spiegel in ihrem Zimmer. »Mir ist gerade klar geworden, dass mich jetzt mein Professor so sehen wird.«

»Ja und?« Frauke blickte auf. »Ist das ein Problem?«

»Was wird er nur von mir denken, wenn er merkt, dass es mir Spaß macht?« Julia seufzte tief.

»Er wird sich darüber freuen.« Frauke war erleichtert, dass es so ein einfaches Problem war. »Und glaube mir, er kann berufliches von privatem trennen.«

Julia war sichtlich verlegen. »Wie meinst du das?«

»Nun«, Frauke holte tief Luft. »Er wird dich bestimmt einmal fragen, wie dir die Sachen alle gefallen haben. Und dann solltest du ehrlich antworten.«

Julia blickte die Dienerin verwundert an.

»Ich würde dir gern noch ein paar Tipps zu dem Gürtel geben.« Frauke wusste, dass sie Julia wertvolle Hinweise liefern konnte. »Weißt du schon, wie du mit der Spritze umzugehen hast und wann sie wichtig ist?«

»Nach dem kleinen Geschäft?« Das Thema war Julia zwar unangenehm, doch sie war begierig, möglichst viel Tipps zu bekommen.

»Genau. Die Spritze erlaubt es dir, dich wieder sauber zu machen.« Frauke lächelte verlegen. »Es ist zwar etwas umständlich, aber wenn du erst einmal den Bogen raus hast, ist es einfach. Es dauert nur etwas länger.«

Julia grinste trotz des sehr intimen Themas.

»Und du solltest immer warmes Wasser nehmen« Fraukes verzog das Gesicht. »Es sei denn, du stehst auf Schocktherapie.«

»Oh, von daheim bin ich kaltes Wasser gewöhnt.« Sie klang sentimental. »Wir hatte auf dem Bauernhof lange nur kaltes Wasser.«

Frauke blickte sie verwundert an. »Du überrascht mich immer wieder.«

Julia grinste leicht, doch dann wurde sie wieder ernst. »Und nach dem großen Geschäft? Was kann ich da machen?«

»Am besten wäre es, wenn du danach gleich unter die Dusche gehst.« Frauke gab ihre eigenen Erfahrungen wieder.

»Verständlich.« Julia wollte diese Antwort eigentlich nicht hören. »Das setzt aber gute Planung voraus.«

»Oder du geht an das Notfallset.« Frauke nickte. »Du kannst es ja jetzt gleich einmal üben.«

»Das kleine oder das große?« Julia war erstaunt.

»Das kleine natürlich.« Frauke grinste.

»Warten Hegels nicht auf uns?« Julia war es gewohnt, ihre Umgebung stets im Auge zu behalten.

»Ja, das schon.« Sie holte tief Luft. »Aber sie werden Verständnis haben, wenn es bei dir beim ersten Mal noch länger dauert.«

Julia dachte den Gedanken weiter. »Ich werde ja völlig hilflos sein.«

Frauke kam um ein Grinsen nicht herum. »Erstens bin ich ja bei dir. Und zweitens, glaubst du, Patricia wird es einfacher haben?«

»Die hat ja auch mehr Übung.« Die Studentin merkte selbst, wie schwach dieses Argument war.

»Worauf wartest du also?« Frauke hatte leichte Ungeduld in ihrer Stimme.

181. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 7 - Der Gürtel - Teil Elf von Elf

geschrieben von gag_coll am 28.09.18 05:51

Die Studentin
Kapitel 7 - Der Gürtel - Teil Elf von Elf
Autor: Karl Kollar

»Was wird er wohl sagen?« Julia zögerte immer noch.

»Dein Professor?« Frauke fragte sich, vor wem sie sonst so einen Respekt haben würde.

»Ja.« Ihre Stimme zitterte.

»Er wird stolz auf dich sein.« Frauke holte tief Luft. »Und auch, wenn ich mich wiederhole: Er kann berufliches und privates auch trennen.«

»Meinst du?« Julia war sich immer noch unsicher. »Wird er sich sich behalten, was er über mich weiß?«

»Warum sollte er es ausplaudern, und vor allem: wem gegenüber.« Frauke hoffte, dass es die richtigen Worten sein würden.

»Ich glaube, du hast recht.« Julia blickte immer noch ein wenig zweifelnd auf die drei Schränke.

»Natürlich. Und glaube mir, er wird stolz auf dich sein.« Frauke musste kurz an das denken, was sie selbst nicht geschafft hatte. »Du wirst nicht nur eine gute Studentin sein, sondern auch ein guter Engel.«

Julia war auf einen Schlag wieder nüchtern. »Was hat es eigentlich auf sich mit diesen Engeln?«

»Das werden sie noch früh genug erfahren.« Frau Hegel stand auf einmal im Raum. »Bitte entschuldigen sie, dass ich einfach so herein gekommen bin. Ich wollte schauen, wie weit sie sind.«

»Wir haben noch gar nicht angefangen.« Julia hatte das Gefühl, sich rechtfertigen zu müssen.

»Zu zweit geht es schneller.« Frau Hegel lächelte ein wenig verlegen. »Vorausgesetzt, sie haben nicht dagegen.«

»Können wir dann anfangen?« Julia konnte nicht verhindern, dass sie etwas ungeduldig klang. Sie blickte sich um. »Mit was fangen wir an?« Ihre Augen leuchteten voller Vorfreude auf das anstehende Abenteuer.

Frau Hegel freute sich insgeheim über den Ehrgeiz. Damit würden Julia später die eigentlichen Pflichten sehr viel leichter fallen. »Zuerst das Halskorsett.« Sie ging zum Schrank und holte etwas heraus. »Wir nehmen erst einmal ein kleines Korsett.«

Julia blickte verwundert auf das, was ihre Vermieterin in den Händen hielt. Trotz ihrer Anspannung musste sie lachen. »Wenn das ein Kleines ist, wie sehen denn dann die Großen aus?«

Frauke musste lächeln. »Glaube mir, das willst du nicht wissen.«

Frau Hegel räusperte sich. »Frau Wiesl, das war keine gute Antwort.«

»Ja, Frau Hegel.« Sie drehte sich zu Julia. »Entschuldige bitte. Es geht darum, wie viel des Gesichts vom Halskorsett bedeckt wird. Und dieses hier reicht nur bis zum Kinn.«

Julia war noch dabei, über den Satz nachzudenken.

»Und bevor sie fragen«, ergänzte Frau Hegel. »Sie können sonst das Perlennetz nicht tragen. Und das wollen sie ja auch.«

Julia nickte verlegen, denn sie fühlte sich ertappt.

»Das Halskorsett ist so gearbeitet, dass es bis an das große Korsett heran reichen wird.« Fraukes Stimme wurde etwas leiser.

»Wenn es denn fertig geworden ist«, ergänzte Frau Hegel.

»Ich bin dann ganz eingepackt?« Julias Stimme zitterte ein wenig.

»Ja, so könnte man das sehen.« Auch Frau Hegel war von der Vorstellung fasziniert.

»Hört sich gut an.« Julia keuchte ein wenig, als Frauke das Halskorsett vorsichtig um ihren Hals legte.

»Achten sie bitte darauf, dass sie es nicht zu fest zuschnüren.« Frau Hegel reichte Frauke die entsprechende Schnur. »Wenn sie erst einmal ihr eigenes Halskorsett bekommen hat, das ist das etwas anderes.«

Julia hörte fasziniert zu, während sich das Leder immer mehr um ihren Hals schmiegte. Sie spürte deutlich, wie sie immer mehr ihrer Bewegungsfreiheit verlor.



»Mit dem Handschuh sind sie ja schon vertraut.« Frau Hegel lächelte. »Aber werden sie wirklich eine halbe Stunde aushalten?« Sie lächelte, als sie sah, dass Julia ihre Arme schon auf den Rücken gelegt hatte.

»Wo ist das Problem?« Frauke blickte verwundert auf Frau Hegel. »Wenn es weh tut, öffnen wir einfach den Reißverschluss.«

»Stimmt, das ist ja der Trainingshandschuh.« Sie strich gedankenverloren über das Leder. »Damit ist das möglich.«

Julia erkannte erst später den eigentlichen Sinn dieses Satzes. Es würde Zeiten geben, in denen sie den Handschuh nicht mehr so einfach würde ablegen können. Doch noch musste sie sich damit nicht auseinandersetzen. Sie stöhnte leise, als sie das Leder auf ihren Armen spürte.



»Und die Stiefel wollen sie auch gleich tragen?« Frau Hegel hatte die beiden bis zum Knie reichenden Ballettstiefel in der Hand. »Sind sie sich wirklich sicher, dass sie damit schon gehen können?«

»Das ging gestern doch schon ganz gut.« Julia hatte ein wenig Angst, dass Frau Hegel ihr diesen besonderen Auftritt noch verbieten würde. »Es waren zwar nur wenige Schritte, aber ich habe sofort gemerkt, dass es mir leicht fällt.« Um ihre Worte zu unterstreichen, ging sie trotz ihrer auf dem Rücken festgehaltenen Arme ein paar Schritte auf den Zehenspitzen.

Frauke machte den Mund auf, denn sie wollte etwas erwidern.

Doch dann wurde sie von Frau Hegel mit einem schnellen Wink zurückgehalten. Neid oder Ärger über das eigene Unvermögen waren jetzt fehl am Platz.

»Ich habe nur etwas Respekt vor der Treppe, wenn ich mich nicht festhalten kann.« Julia lächelte leicht verlegen. Sie setzte sich auf das Bett und streckte ihren Beine aus.

»So fair sind wir, nicht war Frau Wiesl?« Frau Hegel hatte Mühe, ihre Begeisterung über Julias Ehrgeiz zu verbergen. »Sie werden Julia die ganze Zeit zur Seite stehen und ihr bei allem helfen.«

»Das mache ich doch gern.« Frauke hatte genauso Probleme, ihre Freude nicht zu zeigen. Julia würde wirklich sehr hilflos sein. Doch dann wurde sie nachdenklich. War sie wirklich so hilflos? Sie konnte zwar ihre Arme nicht mehr bewegen und trug die Perle im Mund, doch sie war fest entschlossen, sich so bei ihrem Professor vorzustellen. Sie war eine starke Frau, die es gewohnt war, mit den Widrigkeiten des Alltags umzugehen. Wobei sie sich dieses Mal diese Widrigkeiten selbst zusammengestellt hatte.

Fasziniert beobachtete Julia, wie sich das stark glänzende Leder der Stiefel sich langsam um ihre Beine schmiegte und ihren Füßen eine ganz bestimme, sehr reizvolle Haltung aufzwang.



»Den Rock machen wir bitte auch ganz zu.« Julia grinste verschmitzt. »Dann fällt es nicht so auf, wenn ich wegen der Stiefel nur Trippelschritte mache.«

Frauke kam der Bitte sofort nach, als sie sah, dass Julia ihre Beine leichte aneinander presste. Danach erhob sie sich wieder.

»Sie sollten trotzdem auf den Rasen aufpassen, weil es dort die eine oder andere Unebenheit gibt.« Frau Hegel seufzte. »Er ist nicht so gepflegt, wie es das eigentlich bräuchte. Es wäre nicht gut, wenn sie deswegen stolpern würden.« Sie musste insgeheim grinsen. Ohne dass es Julia wirklich bewusst war, machte das Mädchen viel, um sich von dem eigentlich Neuen, dem Gürtel abzulenken. Und auch deswegen hatte Frau Hegel sich sofort hinter ihre diesbezüglichen Pläne gestellt. Doch da war noch etwas. Sie trat an Frauke heran und flüsterte. »Frau Wiesl, bitte geben sie gut auf Julia acht, wenn sie auf dem Rasen ist. Ich rechne sehr damit, dass sie kommen wird.«

Frauke braucht einen Moment, bis sie erkannt hatte, was Frau Hegel mit diesen Worten wirklich gemeint hatte. Die Nachfrage, ob sie sich sicher wäre, sparte sich Frauke, denn sie hatte Julias leuchtende Augen gesehen. Dazu kam noch das Adrenalin, wenn sie sich so vor ihrem Professor zeigen würde. Die Dienerin würde vorbereitet sein. Und ein wenig Eifersucht war auch dabei.



»Jetzt kommt noch das Perlennetz.« Julia strahlte jetzt schon über das ganze Gesicht. »Wie wird es es wohl finden? Und wie werde ich zurecht kommen?« Sie drehte sich langsam zu Frauke und öffnete ihren Mund.

Frauke lächelte. »Eigentlich legt es sich der vorbildliche Engel immer als Erstes an.«

Frau Hegel lächelte ebenfalls. »Aber wir wollten ihnen Gelegenheit geben, uns bis zuletzt Feedback geben zu können.«

Julia begriff es zunächst als großes Entgegenkommen. »Danke dafür. Aber es geht mir immer noch gut. Und eine halbe Stunde werde ich das sicher aushalten.« Erst später begriff sie den tieferen Sinn von Fraukes Aussage.

Die Dienerin schob zunächst die Perle in Julias Mund, dann begann sie die Riemen zu sortieren und dann festzuschnallen.

»Das Netz steht ihnen sehr gut.« Frau Hegel war von dem Anblick sehr angetan. »Sie haben das passende Gesicht dafür.«

Julia war sich nicht sicher, ob sie sich über diese außergewöhnliche Kompliment wirklich freuen durfte, denn eigentlich trug sie ja nur einen Ball im Mund, der von verschiedenen Riemen um ihren Kopf festgehalten wurde. Doch der stetige Druck des fest um ihren Kopf gespannte Riemengeschirr gefiel ihr gut, und so begann sie leise zu stöhnen. Nicht unbedingt schon lustvoll, eher war es der Ausdruck einer satten Zufriedenheit.

»Drehe dich mal zum Spiegel.« Frauke lächelte. »Du möchtest sicher wissen, wie du aussieht.« Sie hielt die Haarbürste in der Hand, die vor dem Spiegel bereit lag. »Damit können wir deine Haare noch ein wenig ordnen.«

Julia wollte Frauke dankbar ansehen, doch sie musste feststellen, dass sie auch dafür ihren ganzen Körper drehen musste. Fasziniert blickte sie in den Spiegel. Erst jetzt realisierte sie, dass sie wegen der Stiefel fast zehn Zentimeter größer war als sonst. Doch viel mehr war sie von ihrem riemenverzierten Gesicht fasziniert. Es fiel ihr regelrecht schwer, sich von dem Anblick loszureißen.



»Bitte halten sie sie fest. Der Rasen ist nicht so eben, wie es auf den ersten Blick aussieht.« Professor Hegel war sogar aufgestanden, als Julia in voller Rüstung und mit Trippelschritten auf die Terrasse kam. »Und machen sie ihr für den Anfang den Schrittreißverschluss auf. Wir wollen ihr es ja einfach machen.«

Julia blickte verwundert auf ihr Professor, doch sie traute sich nicht, ihre Lippen zu bewegen. Sie hätte wegen des Reißverschlusses gern widersprochen, doch dies traute sie sich gleich doppelt nicht. Erstes hatte ihr Professor diesen Vorschlag gemacht und dann wollte sie auch vermeiden, dass Speichel aus ihrem Mund laufen würde.

»Sie sehen wirklich schön aus mit dem Perlennetz, es steht ihnen gut.« Herr Hegel lächelte.

Julia nickte einmal.

»Trauen sie sich ruhig zu antworten. Sie brauchen sich wegen dem Speichel nicht zu schämen.« Frau Hegel mischte sich ein. »Je eher sie sich daran gewöhnt haben, desto besser.«

»Es hängt mit den Engeln zusammen.« Frauke kam ihr zu Hilfe. »Dort ist es gern gesehen.«

Julia war nun schon so oft auf die Engel gestoßen, dass sie gern gewusst hätte, um was es sich dabei wirklich handeln würde. Doch irgendwie ahnte sie, dass sie die Antwort dazu noch nicht bekommen würde. Innerlich seufzend drehte sie sich in Richtung der Stufen und machte sich auf den Weg, um ihre Pflichtrunde auf dem Rasen zu absolvieren.



Die wenigen Stufen der Terrasse hinab stellten für Julia gar kein Problem dar. Es störte sie fast ein wenig, dass Frauke dabei festhielt. Doch sie wollte sich auch nicht von ihr lösen. Was natürlich zum größten Teil daran lag, dass sie in ihrer fast völligen Hilflosigkeit überhaupt keine Möglichkeiten mehr dazu hatte. Sie riskierte allenfalls, dass sie stolpern und hinfallen würde. Und das wollte sie auf jeden Fall vermeiden.

Als sie den Rasen betreten hatte, fühlte sie ein bisher nicht bekanntes Glücksgefühl. Sie wusste, dass sie fast alle Sachen von Carolin trug, inklusive des Gürtel und dieser seltsamen Stiefel, und sie wusste, dass ihr Professor sie beobachtete. Seit sie mit ihm mehrmals zur Uni gefahren war, hatte sich ein Gefühl von vorsichtiger Freundschaft entwickelt. Gerade das machte es jetzt doppelt schwierig, sich in Carolins Sachen würdevoll zu bewegen. Doch mit jedem Schritt spürte sie, wie sie immer sicherer wurde, und sie merkte, dass sie sich in die Geborgenheit der ledernen Umarmung fallen lassen konnte.

Sowohl Fraukes leichte Berührungen als auch die hoffnungsvollen Blicke des Ehepaars Hegels begleiteten sie, und sie fühlte sich zum Teil an ihren Traum erinnert. Sowohl ihr Professor als auch seine Frau schauten auf ihre Gestalt und schienen sich mit jedem Schritt mehr zu freuen.

Julia begann leise zu stöhnen, denn ihr Körper wurde von Glückshormonen überströmt. Sie trug fast alles, was auch für Hegels Tochter vorgesehen war, und ihr wurde mehrfach vermittelt, dass auch sie selbst auf dem besten Weg zu einem guten Engel war.

Langsam ließ ihre Anspannung nach, und sie fühle, wie sie sich wirklich in ihre Fesseln fallen lassen durfte. Sie spürte das Leder an ihren Armen und die Riemen in ihrem Gesicht. Fraukes Hände schienen sie langsam zu streicheln.

Immer lauter wurde ihr Stöhnen, und dass ihr einiger Speichel aus dem Mund lief, störte sie überhaupt nicht mehr, auch weil ihr versichert wurde, dass dies zu einem guten Engel dazu gehören würde.

Diese Engel. Sie fühlte, dass sie auf einem guten Weg unterwegs war, und dass ihr fast alles Spaß machte, erregte sie zusätzlich.

Erst als sie den Orgasmus in ihrem Körper spürte, blieb sie stehen und war über Fraukes einfühlsame Reaktion sehr dankbar. Sie hatte sie einfach in den Arm genommen und hielt sie fest. Sie kam erst wieder zu sich, als ihr Professor vor ihr stand.

»Ich bin sehr stolz auf sie.« Er streichelte ihr vorsichtig über die Wange. »Jetzt bin ich sicher, dass sie ein guter Engel werden.«

Julia betrat langsam wieder die Erde und genauso langsam realisierte sie das Lob, welches sie gerade von ihrem Professor bekommen hatte.

»Lass uns die Runde noch zu Ende gehen.« Auch Frauke war von dem Höhepunkt sehr beeindruckt, obwohl sie von Frau Hegel darauf vorbereitet war. Sie war tief in sich ein wenig neidisch, denn sie selbst hatte es nie geschafft, sich so weit fallen zu lassen. Über die Gründe dazu wollte sie in diesem Moment des Glückes aber nicht nachdenken.

»Wenn sie möchten, können sie sich dann zurück ziehen.« Der Professor begab sich wieder auf die Terrasse und setzte sich wieder auf seinen Liegestuhl.

Frau Hegel war extra aufgestanden. Als Julia langsam an ihr vorbei ging, streichelte sie ihr noch einmal sehr zärtlich, aber wortlos über den Kopf.

* * *

»Den Gute-Nacht-Kuss gibt es heute nicht mehr. Du hattest schon deinen Spaß.« Frauke versuchte, eine vorwurfsvollen Miene aufzusetzen. Eifersucht brauchte sie nicht mehr vorzuspielen, denn es wurmte sie wirklich, dass Julia ganz ohne ihr Zutun gekommen war.

Julia hatte ihre Freundin sofort durchschaut, doch sie war bereit, das Spiel mitzuspielen. »Sie müssen mir glauben, Herrin, das war keine Absicht.« Sie blickte noch einmal im Zimmer umher. Die Sachen vom Spaziergang waren alle wieder weggeräumt und sie selbst lag schon in dem strengen Nachthemd auf dem Bett. Kurz zuvor war Frau Hegel noch einmal bei ihr gewesen, um beim Abnehmen des Keuschheitsgürtel dabei zu sein und ihren Körper an den entsprechenden Stellen auf Druckstellen zu prüfen. Doch zu Julias Erleichterung gab es nichts zu beanstanden.

»So so?« Frauke strich noch einmal durch ihr Gesicht. »Hattest du den meine Erlaubnis dazu?«

»Nein!« Julia gab sich schuldbewusst. »Ich habe ohne ihre Erlaubnis gehandelt.«

»Nun, für die Ehrlichkeit will ich Gnade walten lassen.« Frauke gab sich Mühe, nach wie vor streng auszusehen. »Aber eine Strafe ist trotzdem fällig.«

»Bitte bestrafen sie mich, Herrin.« Julia war mehr als bereit, dass Spiel mitzuspielen. Außerdem hatte sie verpackt in dem strengen Nachthemd ohnehin keine Wahl. Sie wusste, dass sie für einen Einschlaf-Höhepunkt auf Frauke angewiesen war.

Frauke grinste teuflisch, als sie wie den Abend zuvor wieder zu Fernbedienung griff.

182. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von kamikazekifferin am 11.10.18 18:51

huhu gag_coll
Wie auch bei Maria muss ich sagen, mir gefällt dein Schreibstil. Es macht echt Spaß, deine Geschichten zu lesen.

Werden wir je erfahren, was Frauke angestellt hat, um in diese Lage zu kommen?
Wird Julia wirklich ein Engel werden?
Werden Julia und Frauke vielleicht sogar ein Paar?

Fragen über Fragen...
Wir werden sehen, es bleibt spannend...

Gruß

Eure Kami
183. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von gag_coll am 12.10.18 15:45

Hallo Kami,

Zitat
Wie auch bei Maria muss ich sagen, mir gefällt dein Schreibstil. Es macht echt Spaß, deine Geschichten zu lesen.
Danke, das freut mich sehr.
Zitat
Werden wir je erfahren, was Frauke angestellt hat, um in diese Lage zu kommen?
Ich denke, mit dem nächsten Kapitel wird das etwas deutlicher.
Zitat
Wird Julia wirklich ein Engel werden?
Gute Frage...
Zitat
Werden Julia und Frauke vielleicht sogar ein Paar?
Naja... Ich will nicht zuviel verraten, aber lies erst einmal Kapitel acht.

Viele Grüße
gag_coll

184. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 8 - Böses Erwachen - Teil Eins von Zehn

geschrieben von gag_coll am 12.10.18 15:53

Die Studentin
Kapitel 8 - Böses Erwachen - Teil Eins von Zehn
Autor: Karl Kollar

»Willst du nicht langsam mal aufstehen?« Frauke stand an Julias Bett und blickte verliebt auf die hilflose Gestalt.

Die Studentin versuchte, sich in dem Nachthemd zu räkeln, doch wie schon in den Nächten zuvor unterband es zuverlässig jede ausufernde Bewegung.

»Haben sie gut geschlafen?« Frau Hegel trat ebenfalls an das Bett.

Julia blinzelte zunächst verwundert, weil sie nicht mit ihrer Vermieterin gerechnet hatte, doch dann erkannte sie die Gelegenheit. »Bitte, ich möchte unbedingt den Schlüssel für den Gürtel abgeben.«

Sowohl Frau Hegel als auch Frauke war sofort klar, dass ihre Mieterin offensichtlich wieder etwas Aufwühlendes geträumt haben musste. Die Dienerin äußerte diesbezüglich eine Frage.

»Nach dem Anlegen des Geschirrs wollte ich den Schlüssel nicht abgeben.« Julia keuchte beim Erzählen. »Und als ich dann die Kühe besucht habe, haben meine Brüder mir aufgelauert, und sie haben ihn mir weggenommen.«

»Haben sich ihre Brüder nicht gewundert, dass sie so seltsame Kleidung trugen?« Frau Hegel fand den Traum insgeheim sehr aufschlussreich und nützlich für ihre eigentlichen Pläne.

»Es war wohl eine schlechte Idee, sich in dem Stahlbikini sonnen zu wollen.« Julia lächelte verlegen. »Den Schlüssel dafür hatte ich um den Hals hängen, weil ich ihn nicht verlieren wollte.«

»Das mit dem Sonnenbad wäre übrigens auch im realen Leben keine sehr gute Idee.« Frau Hegel musste lächeln. »Das Metall würde sich sicher schnell aufheizen, glaube ich.«

Julia schreckte auf. »Oh, danke für den Hinweis.« Sie grinste. »Dann war der Traum ja gleich doppelt lehrreich.« Sie suchte den Blick von Frauke. »Wirst du bitte auf meinen Schlüssel aufpassen?« Sie hatte etwas Verliebtes im Blick. Nur zu gern dachte sie an die letzte Nacht zurück, in der Frauke noch sehr lange mit ihr und der Fernbedienung gespielt hatte. Immer noch glaubte sie, überall die zärtlichen Berührungen der Dienerin zu spüren.

»Jetzt stehen sie bitte erst einmal auf.« Frau Hegel zog die Bettdecke weg. »Das mit dem Schlüssel machen wir nach dem Frühstück und vor Zeugen.« Sie drehte sich zu der Dienerin. »Frauke, helfen sie Julia bitte mit dem Nachthemd?«

Frauke deutete einen übertriebenen Knicks an, dann trat sie an das Bett und griff zum Reißverschluss.

Während das leise Ratschen ertönte, erschauderte es Julia, denn sie hatte eben realisiert, was die Worte ihrer Vermieterin bezüglich der Zeugen bedeuteten. Ihr Professor würde der Zeuge dieser kleinen, aber offensichtlich sehr wichtigen Zeremonie sein. Sie hatte eigentlich nichts dagegen, sich Frauke auf diese Weise auszuliefern, doch dass ihr Professor dabei Zeuge sein sollte, an diesen Gedanken musste sie sich erst noch gewöhnen.

Auf einmal erschrak Julia, denn sie hatte realisiert, dass sie ja auch noch den Schmetterling an so prominenter Stelle trug. Die bislang so kraftvollen Batterien waren jetzt allerdings leer. Doch zu ihrer Erleichterung hatte Frau Hegel sich abgewandt und stand am Tisch, um den abgelegten Keuschheitsgürtel zu untersuchen. »Wie hat er gestern gepasst?«, fragte sie, ohne sich umzudrehen.

Julia war so angespannt, dass sie einige Zeit brauchte, bis sie zu einer Antwort fähig war. »Ich habe ihn eigentlich gar nicht gemerkt.« Das war zwar nicht ganz die Wahrheit, doch sie wollte ihre Vermieterin auch nicht unnötig enttäuschen.

Dank Frauke war sie jetzt in der Lage, sich von dem Schmetterling und dem Nachthemd zu befreien. Dankbar schlüpfte danach in den Bademantel, den Frauke ihr gereicht hatte.

»Und sie sind sich sicher, dass sie ihn heute in die Uni tragen wollen?« Noch hatte sie sich nicht vom Tisch weg gedreht.

Julia blickte verwundert auf. »Ich muss doch, oder?«

Frau Hegel bestätigte es etwas verlegen. »Aber es wäre uns schon lieber, wenn sie es nicht nur uns zu Liebe machen.« Sie blickte schaute kurz über ihre Schulter, und als sie Julia im Bademantel sah, drehte sie sich wieder zu ihr hin.

»Machen sie sich diesbezüglich keine Sorgen.« Julia war erleichtert. »Er trägt sich gut. Ich bin zuversichtlich, dass ich den Tag gut überstehen werde.«

»Was ist, wenn sie einmal auf Toilette müssen?« Frau Hegel wollte die wirklich unangenehmen Sachen lieber sofort ansprechen.

»Ich bin vorbereitet.« Sie lächelte. »Ich habe mich mir der Spritze und auch mit dem Notfallset vertraut gemacht. Und ich werde einen Rock tragen.«

Mit der Antwort war Frau Hegel mehr als zufrieden. »Ich wollte sie noch einmal beglückwünschen für den gelungenen Auftritt gestern Abend.«

Julia blickte verwundert auf.

»Draußen, auf dem Rasen.« Frau Hegel lächelte. »Mit den schönen Stiefeln.«

»Ach so«, lächelte Julia. »Ja, am Anfang hatte ich ziemlich Angst, dass ich mit den Stiefeln stolpern würde. Doch dann habe ich gemerkt, dass ich doch gut mit ihnen zurecht komme.«

»Ich freue mich, dass zu hören. Das wird es ihnen in der Zukunft sehr viel einfacher machen.« Den Rest ihrer Gedanken sprach sie allerdings nicht aus. ‚Aber es bleibt schwer genug. Und sie müssen sich noch gegen die anderen Anwärterinnen durchsetzen.‘ Dass Julia die Aufnahme bestehen würde, davon war sie mittlerweile überzeugt.

»Also dann, gehen wir es an.« Julia drehte sich und ging zügig ins Bad.



Frau Hegel wartete, bis sich die Tür des Badezimmers geschlossen hatte. »Ich glaube, sie möchte ihnen den Schlüssel geben.« Sie sprach etwas leiser.

Frauke horchte auf, denn sie hörte einen gewissen Unterton. »Sind sie damit nicht einverstanden?«

»Nun ja, das hatten wir nicht erwartet.« Dieses Mal lief es ein wenig anders als die Male zuvor. »Aber wenn sie sich ihnen anvertrauen möchte, haben wir natürlich nichts dagegen.«

Frauke lächelte. »Ich bin sehr dankbar für das Vertrauen.« Ob sie damit Julia oder Hegels meinte, ließ sie allerdings offen.

Frau Hegel ging zügig zu Tür. »Ich erwarte sie dann beim Frühstück. Sie auch, Frau Wiesl.«

»Sehr gern.« Frauke bedankte sich verwundert für die Einladung.



Julia kam etwas langsamer und voller Respekt aus dem Bad. »Jetzt ist es also soweit.« Sie blickte sich um und war erleichtert, als sie sah, dass sie jetzt mit Frauke allein war.

Frauke spürte Julias Gedanken. »Frau Hegel wartet mit dem Frühstück auf uns.«

Julia trat an den Tisch heran. »Fangen wir an.« Sie versuchte ihre Nervosität nicht zu zeigen, was ihr aber nur leidlich gelang. Sie nahm sich den Gürtel vom Tisch und hielt ihn kurz hoch.

»Was ist los?« Frauke versuchte ihrerseits ein wenig auf das Tempo zu drücken. Unbewusst wollte sie verhindern, dass es sich Julia noch einmal anders überlegen würde.

Doch zu ihrer Erleichterung legte sich Julia den Gürtel mit einer solchen Ruhe und Selbstverständlichkeit an, dass es ihr den Atem nahm. Sie kam nicht umhin, es zu bemerken. »Man könnte meinen, du trägst es schon ewig.«

»Danke.« Julia lächelte. »Ich habe die Handgriffe dazu extra geübt.« Sie blickte suchend umher. »Reichst du mir einmal das Schloss?« Auf dem Tisch lagen einige Schlösser, aber nur ein Schlüssel.

Frauke lächelte ebenfalls. »Aber gern.« Als sie sah, dass Julia den Gürtel mit beiden Händen festhielt, hatte sie auf einmal eine Idee. »Soll ich es gleich anbringen?«

»Das wäre nett.« Julia blickte fasziniert auf den Verschluss des Gürtels.

Frauke trat an Julia heran. Es machte ‚Klick‘. »Das war es schon.«

Julia wandte ihren Blick zum Schlüssel, dann wieder zum Schloss. »Jetzt bin ich eingesperrt.« Es lag eine gewisse Faszination in ihren Worten.

»Aber das war noch nicht alles.« Frauke ging wieder zum Tisch und nahm den Keuschheits-BH in die Hand. Sie lächelte subtil. »Willst du deine Lieblinge noch einmal streicheln?«

Julia griff den Gedanken lächelnd auf. »Aber Frau Wiesl!« Sie gab sich Mühe, um empört zu klingen. »So etwas würde ich doch nie machen.«

Frauke grinste breit. »Na, dann macht dir dieser BH bestimmt nichts aus.«

»Ich freue mich schon, wenn ich damit in die Uni gehe, ehrlich.« Julia blickte fasziniert auf die beiden Stahlhalbkugeln, die sich jetzt über ihre Brüste gelegt hatten. »Bitte ebenfalls verschließen.« Sie blickte Frauke mit glasigem Blick an.

»Aber natürlich.« Frauke griff zum nächsten Schloss, und gleich darauf machte es zum zweiten Mal ‚Klick‘. »Was möchtest du beim Frühstück zum Rock tragen?«

»Es darf ruhig etwas Feierliches sein. Eine weiße Bluse vielleicht?« Julia blickte verzaubert zum Schrank. Doch dann fiel ihr Blick auf den Tisch. »Da liegen noch zwei Ringe und einige Ketten. Sind wir noch nicht fertig?«

Frauke ging zum mittleren Schrank und griff hinein. Sie hielt eine Bluse hoch. »Diese hier?« Erst jetzt realisierte sie die Frage der Studentin. »Das sind die sogenannten Schenkelbänder.«

»Schenkelbänder?« Julia war verwundert. »Wofür sind die denn noch?«

Frauke reichte ihr die Bluse, dann legte sie ihr den Finger auf den Mund. »Du bist immer so neugierig.« Sie lächelte. »Du wirst es noch früh genug erfahren.«

Julia zog sich die Bluse an und griff danach zum Rock, den Frau Hegel schon bereit gelegt hatte. »Du machst es spannend.«

»Ach, diese Dinger sind einfach nur lästig.« Doch dann erinnerte sie sich an ihren eigentlichen Auftrag. »Nein, ‚lästig‘ ist das falsche Wort. Sie verhindern, dass du deine Beine spreizen kannst.«

Julia war gerade dabei, sich den inneren Reißverschluss des Rockes zu schließen. »Aber wenn ich diesen Rock trage, kann ich das doch auch nicht.« Sie war insgeheim immer noch sehr fasziniert davon, auf so eine raffinierte Weise einen Teil ihrer Bewegungsfreiheit zu verlieren, ohne dass es nach Außen auffiel.

»Deswegen sollst du die Schenkelbänder ja auch erst zur Uni anlegen.« Frauke war insgeheim von Julias Ehrgeiz fasziniert. »Und unter dem Rock sind sie für andere Leute unsichtbar.«

»Na dann ist es ja gut.« Julia grinste, dann zog sich den äußeren Reißverschluss zu.

»Können wir dann zum Frühstück gehen?« Frauke klang ein wenig ungeduldig. »Ich habe Hunger.«



»Sehr elegant zusammengestellt. Ich wünsche ihnen einen guten Morgen.« Der Professor begrüßte Julia beim Betreten des Esszimmers. »Wie geht es ihnen heute?«

»Gut, danke.« Julia sah, dass der Tisch heute für vier Personen gedeckt war. Erst jetzt realisierte sie, dass auch Frauke das Esszimmer betreten hatte. »Ihnen auch einen guten Morgen.« Sie nahm auf dem ihrem Stuhl Platz.

»Sie haben sich wegen des Schlüssels schon entschieden?« Er hatte sich Mühe gegeben, einen freundlichen Ton zu benutzen, obwohl ihn das Thema schon sehr interessierte.

Doch seine Frau ging sofort dazwischen. »Winfried, jetzt lass uns doch erst einmal frühstücken.«

Julia war insgeheim erleichtert, dass sie jetzt noch nicht antworten musste. Irgendwie reichte ihr schon der Gedanke, dass ihr Professor über ihre neue stählerne Unterwäsche Bescheid wusste. An dieser Stelle hätte sie sehr gern Privates von den Uni-Sachen getrennt gewusst. Doch darauf hatte sie in dieser Situation keinen Einfluss.

»Greifen sie zu und lassen sie es sich schmecken.« Frau Hegel begann, den Kaffee einzuschenken.

Julia versuchte, ihre Nervosität zu unterdrücken und das Frühstück zu genießen. Doch sie hatte sich die kleine Kette mit dem bewussten Schlüssel um den Hals gehängt, und diese Last wurde scheinbar immer schwerer.

Natürlich wusste sie, dass dies nur Einbildung war, doch es erinnerte sie die ganze Zeit daran, dass sie noch eine für sie sehr wichtige Entscheidung zu treffen hatte. Denn eines war ihr mittlerweile klar geworden – wenn sie den Schlüssel abgab, dann war sie die ganze Zeit in der Uni in ihre Stahlunterwäsche eingeschossen, ohne dass sie es ändern konnte. Sie fragte sich immer wieder, ob sie dazu wirklich schon bereit war.

Doch sie wusste von Hegels Zeitdruck, und wenn es wichtig war, dass sie diesen Gürtel und die anderen Teile tragen können musste, dann wollte sie sich diesem Ziel nicht in den Weg stellen.



Es war ein sehr gemütliches Frühstück gewesen, und Julia hatte die Zeit noch genutzt, um die eine oder andere Frage zu den Gürteln zu stellen. Doch schließlich spürte sie, dass sie das Unvermeidliche nicht mehr länger hinauszögern konnte. Vor allem aber wollte sie sich gegenüber ihrem Professor keine Blöße geben. »Ich bin schon sehr gespannt, wie sich die Beinringe anfühlen wird.« Sie benutzte mit Absicht die falsche Vokabel.

»Sie meinen die Schenkelbänder?« Frau Hegel schaute ihren Mann verwundert an.

Frauke stöhnte etwas. »Die Dinger sind einfach nur lästig.«

»Frau Wiesl, bitte.« Frau Hegel konnte nicht verbergen, dass sie etwas verärgert klang.

»Lassen sie nur, Frau Hegel. Ich glaube, ich habe das auch schon erkannt.« Julia erkannte sofort, um was es ihrer Vermieterin ging. »Trotzdem bin ich sehr gespannt darauf.«

»Worauf wartet ihr noch?« Herr Hegel blickte die drei Damen verwundert an. »Bitte wartet nicht auf mich.« Er wandte sich an seine Frau. »Sind die neuen Verbindungsstücke noch gekommen?«

»Marianne hat es mir gestern noch in die Hand gedrückt.« Sie drehte sich zu Julia, dann holte sie zwei seltsame kleine längliche Gegenstände vom Tisch und reichte sie der Studentin. »Wir haben hier noch eine Neuerung. Sie wollen ja bestimmt in der Uni nicht auffallen.«

Julia betrachtete sie ausführlich, doch sie konnte sich trotzdem keinen Reim darauf machen. »Was ist das?«

»Diese ‚Dinger‘ tragen sie zwischen den Beinen.« Frau Hegel lächelte ein wenig verlegen. »Es sieht zwar etwas seltsam aus, aber dafür wird es beim Gehen keine Geräusche machen.«

Erst als Julia den neidischen Blick von Frauke bemerkte, fiel ihr ein, dass bei der Dienerin oft ein leises metallisches Klirren zu hören war. Sie blickte auf. »Danke.«

185. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 8 - Böses Erwachen - Teil Zwei von Zehn

geschrieben von gag_coll am 16.10.18 05:28

Die Studentin
Kapitel 8 - Böses Erwachen - Teil Zwei von Zehn
Autor: Karl Kollar

»Du bist die Erste, die das Tragen darf. Es ist eine Neuentwicklung und befindet sich noch im Test.« Frauke schloss die Tür zu Julias Zimmer, nachdem sie beide eingetreten waren.

Julia verzichtete darauf zu fragen, vorher Frauke das wusste. »Danke, ich weiß die Ehre zu schätzen.« Es klang ein wenig pathetisch und sie tat sich deswegen auch schwer, ein Grinsen zu unterdrücken. Aber es half ihr, ihre zunehmende Nervosität in den Griff zu bekommen.

»Dann ziehe bitte deinen Rock aus.« Frauke ging zum Tisch. »Ich bereite inzwischen die beiden Bänder vor.«

»Ich bin schon sehr gespannt.« Julias stimme zitterte vor Anspannung.

»Ach, es wird überschätzt.« Frauke versuchte, ironisch zu klingen. Auch sie war von dem Moment und der angekündigten Zeremonie der Schlüsselübergabe fasziniert. Sie verdrängte den Gedanken, dass sie sich schon sehr lange ebenfalls von diesen Bändern quälen lassen musste.

Beim normalen Gehen fielen die Schenkelbänder nicht auf, aber sobald sie an irgendwelche Stufen kam, zeigten ihr die Ringe sofort ihre Grenzen auf. Besonders unbeliebt waren Treppen. Doch sie wagte es nicht, Julia davon etwas zu sagen.



»Und wie geht das jetzt?« Julia stand vor Frauke und strahlte sie an. Sie hatte sich den Rock ausgezogen und trug auch schon die Bluse, die sie in der Uni tragen wollte.

Frauke seufzte, dann nahm sie den ersten der beiden Ringe in die Hand und bat Julia, ihr Bein anzuheben. »Wir müssen sie einmalig auf deine Größe einstellen.«



»Jetzt kannst du dir den Rock anziehen.« Frauke war von dem Arbeiten nahe an Julias magischem Dreieck sehr bewegt. Sie hatte es nicht geschafft, die weiche Haut nicht zu streicheln und hatte zugleich das Zittern der Studentin bemerkt, die sich der Nähe ebenfalls bewusst war.

»Von so etwas habe ich schon immer geträumt.« Julias Stimme war sehr leise. »Ich wusste aber weder, wie es aussieht, noch das es so etwas überhaupt gibt.« Sie griff zum Rock und begann mit dem Anziehen.

»Du siehst faszinierend aus.« Frauke hatte Mühe, Luft zu holen, so sehr hatte sie dieser Augenblick in den Bann gezogen.

»Jetzt kommt der interessante Teil.« Julia stand auf und ließ die Stoffbahnen des Rockes an sich herunter rutschen. »Man sieht wirklich nichts«, bemerkte sie nach einem kurzen Blick in den Spiegel.

»Wie sollte man auch...«, grinste Frauke. »Da müsstest du schon einen Minirock tragen.«

»Das wäre allerdings etwas verwegen.« Julia lächelte. »Im Grunde genommen sieht es so ähnlich aus wie Strumpfbänder.«

Frauke verschluckte sich, dann verdrehte sie die Augen. »So etwas kann auch nur dir einfallen.«

»Ich glaube, Hegels warten auf uns.« Jetzt war es an Julia, an das Ereignis zu erinnern, vor dem sie eigentlich Angst hatte.

Doch dann horchte sie in sich. War es wirklich Angst? Was war eigentlich so schlimm daran, dass ihr Vermieter – und diesmal dachte sie nicht an ihren Professor – über ihren Zustand Bescheid wusste? Im Gegenteil, wenn er es wusste, wann würde er eventuell einmal etwas geduldiger sein, wenn er auf sie würde warten müssen. Sie stand auf und ging zur Tür.

»Was hast du es denn auf einmal so eilig?« Frauke schüttelte den Kopf, dann ging sie ihr verwundert hinter her.



An der Treppe bemerkte Julia das erste Mal ihre neue eingeschränkte Freiheit. Sie konnte ihre Beine nicht mehr spreizen, wie sie es eigentlich wollte. Doch nach einigen wenigen Stufen hatte sie einen Weg gefunden, wie sie die Treppe trotzdem würdevoll meistern konnte.

»Ich dachte, sie wollten sie sich noch die Schenkelbänder anlegen?« Frau Hegel blickte verwundert auf ihre Mieterin, die gerade die Treppe verließ.

»Aber ich trage sie...« Julia war mehr als verwundert.

»Ich bin erstaunt, wie gut sie damit schon umgehen können. Es fällt überhaupt nicht auf.« Frau Hegel empfing Julia schon im Flur. »Kommen sie, mein Mann wartet im Wohnzimmer.«



»Wie geht es ihnen, Julia?« Herr Hegel war aufgestanden und wartete, bis seine Frau mit Frauke ebenfalls eingetreten war.

»Danke, gut.« Julia strahlte. »Ich bin bereit für die Uni.« ‚...und sonstige Schandtaten.‘ fügte sie in Gedanken noch dazu.

Frau Hegel räusperte sich. »Frau Sommer, Frau Wiesl, Winfried.« Sie blickte die angesprochenen Personen jeweils kurz an. »Jetzt kommt ein wichtiger Moment.«

»Nun mache es doch nicht so feierlich.« Herr Hegel fühlte sich sichtlich unwohl.

Doch seine Frau ließ diesen Einwand nicht gelten. »Julia, sie möchten den Schlüssel zu ihrer Unterwäsche abgeben?« Sie blickte ihre Mieterin fragend an.

Julia bestätigte es zögernd. Sie war von der feierlichen Stimmung ebenfalls überrumpelt.

Sie blickte zu Frauke. »Frau Wiesl! Sie sind bereit, auf diesen so wichtigen Schlüssel die nächste Zeit aufzupassen?«

Auch Frauke bestätigte es.

»Julia, dann überreichen sie Frau Wiesl bitte den Schlüssel.« Frau Hegel blickte Julia ermutigend an.

Julia blickte noch einmal an sich herunter, dann griff sie zu der Kette und nahm sie sich ab. Ihre Hand zitterte leicht, als sie Frauke den Schlüssel übergab.

Doch dann geschah etwas, was Julia erbleichen ließ.

Herr Hegel drehte sich zu Frauke. »Wir hatten etwas besprochen...«

Frauke blickte zu Boden, dann reichte sie dem Professor den Schlüssel, den sie gerade erst bekommen hatte.

»Warum denn das?« Julia war entsetzt und hatte sich entsprechend nicht unter Kontrolle.

Frauke hielt ihren Blick weiterhin gesenkt.

»Julia, lassen sie mich das erklären.« Frau Hegel hatte mit genau dieser Reaktion gerechnet. »Mein Mann ist heute die ganze Zeit in ihrer Nähe, und wenn sie mit irgendetwas Probleme haben sollten, können sie ihn sofort um den Schlüssel bitten und müssen nicht warten, bis sie wieder bei Frauke sind.«

Es hatte natürlich noch einen anderen Grund, den Frau Hegel in diesem Moment allerdings nicht äußern wollte. Wenn Julia etwas Negatives passieren sollte, dann sollte sie es möglichst einfach haben, sich von dem Gürtel zu befreien. Es sollten sich auf keinen Fall stärkere Abneigungen bilden können.

»Ja, das ist einzusehen.« Es fiel Julia zwar schwer, diese Gedanken zu akzeptieren, doch die Gründe dafür hatte sie sofort eingesehen. Zumal sie heute auch wirklich fast den ganzen Tag in der Nähe ihres Professors sein würde.

Doch es bewirkte auch noch etwas anderes. Dadurch, dass sie den Schlüssel in ihrer Nähe wissen würde, entwickelte sie schon jetzt einen gewissen Ehrgeiz, den Schlüssel auf keinen Fall benutzen zu wollen.

Frau Hegel schien ihre Gedanken erraten zu können. »Wir glauben es ja auch nicht, aber sollten sie unerwartet Probleme mit dem Gürtel haben, möchte ich sie eindringlich darum bitten, mit meinem Mann zu reden. Ihre Gesundheit ist uns wichtiger als die Engel.« Letzteres war etwas weit hergeholt, doch sie wusste, dass sie gegenüber Julia Druck in einer ganz bestimmten Richtung aufbauen musste.

»Ich danke ihnen.« Julia holte ganz tief Luft. »Und jetzt bin ich bereit für die Uni.«

Frauke wagte es langsam wieder, ihren Kopf zu heben. Trotzdem vermied sie den Blick zu Julia, denn sie fürchtete, sie verraten zu haben. Doch zu ihrer Erleichterung war Julia mit den Gedanken schon bei der Uni. Und in einem musste sie Frau Hegel recht geben – wenn Julia in der Uni war, denn nutzte ihr ein Schlüssel, der um ihren eigenen Hals hing, überhaupt nichts.

* * *

Zur Haltestelle war es nur ein kurzer Weg, trotzdem lag eine gewisse Spannung in der Luft. Herr Hegel hätte Julia gern etwas gefragt, doch er traute sich nicht, zu intim zu werden.

Julia erging es ähnlich. Sie war stolz darauf, endlich alles tragen zu dürfen, und sie hätte sich gern darüber mit jemanden austauschen, doch sie mochte sich ihrem Professor nicht anvertrauen.

»Tragen sie die Schenkelbänder jetzt doch nicht?« Er blieb stehen und wurde ein wenig rot. »Ich frage nur, weil ich nichts davon höre.«

Julia musste unwillkürlich lächeln. »Genau das hat ihre Frau angekündigt. Sie kennt sie sehr gut.« Jetzt wurde auch die Studentin rot. »Es ist ein neues Modell, wurde mir erklärt. Es sind keine Ketten zwischen den Beinen, sondern zwei mit Kunststoff ummantelte sehr flexible Schienen.«

»Ich bin verblüfft, muss ich gestehen.« Er war etwas verlegen. »Wissen sie, in dem Bund dürfen wir Männer nicht alles erfahren.«

Julia war überrascht, denn sie hörte ihren Professor das erste Mal über den Bund reden – bisher hatte er das Thema immer ausgespart.

»Entschuldigen sie bitte, meine Frau sagte mir, ich soll nicht über dieses Thema reden.« Er blickte zu Boden. »Also bitte verzeihen sie meine Neugier.«

Julia spürte das gegenseitige Vertrauen, und langsam begann sie zu begreifen, dass ihr Professor auch nur ein Mann war. Und sie erkannte auch, dass er mehr von den Engeln wusste, als er bisher einzugestehen bereit war. »Sie möchten wissen, was ich darunter trage, aber sie trauen sich nicht zu fragen?« Julia war sich nicht sicher, ob sie die Stimmung wirklich richtig deutete.

Er hielt den Blick weiter zu Boden gesenkt. »Ja und nein.«

Julia war verwundert über die Antwort.

Der Professor holte tief Luft. »Ja, ich würde es gern wissen, und nein, ich darf nicht danach fragen.«

»Wer verbietet es ihnen?« Julias Verwunderung nahm zu.

»Der Bund.« Er verdrehte die Augen. »Sie habe überall ganz strenge Regeln.«

»Seltsam.« Julia schüttelte den Kopf.

»Natürlich würde ich zuhören, wenn sie etwas davon erzählen.« Er blickte auf die Uhr. »Aber ich darf mich nicht aktiv danach erkundigen.«

»Das sind ja seltsame Regeln.« Es fiel Julia schwer, eine passende Antwort zu finden.

»Letztendlich sind alle diese Regeln zu ihrem Schutz.« Er wurde sichtlich nervöser. »Ihrem und all der anderen Mädchen.«

»Andere Mädchen?« Julia horchte auf.

»Können wir das Thema wechseln? Ich habe ihnen schon viel zu viel erzählt.« In diesem Moment kam die Straßenbahn, und sie mussten das Gespräch unterbrechen.



Obwohl es erst die vierte Station war, bekamen sie keinen Platz mehr und mussten stehen. »Bitte sagen sie meiner Frau nichts davon, dass ich mich nach ihrer Unterwäsche erkundigt habe. Wir bekommen sonst großen Ärger.«

Julia war erstaunt, doch sie versprach, über diese offensichtliche Schwäche ihres Professors zu schweigen. Insgeheim war sie erfreut, noch eine neue Seite ihres Professors kennengelernt zu haben.

Sie blickte sich um und fragte sich, ob jemand von ihrer besonderen Unterwäsche Notiz nehmen würde. Doch dann schalt sie sich einen Närrin, denn wenn selbst ihr Professor nichts von den Bändern bemerkte, wie sollten es dann die anderen Passagiere bemerken.
186. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von HeMaDo am 16.10.18 23:41

Ich habe schon lange nichts mehr geschrieben, nicht weil mir die bisherigen Teile nicht gefallen hätten, sondern einfach, weil ich nicht dazu gekommen bin.
Dennoch freue ich mich jedes Mal, wenn ein neuer Teil kommt.

Ich bin ja wirklich gespannt darauf, was es mit den Engeln auf sich hat.

Aber der Titel dieses Kapitels macht mir doch etwas Angst, nicht daß Frauke auf einmal ins Gefängnis muss, wegen dieses Vorfalles auf der Terrasse...

Ich finde deinen Stil einfach klasse und lese wie schon geschrieben gerne, was da aus deiner Feder kommt.


HeMaDo
187. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 8 - Böses Erwachen - Teil Drei von Zehn

geschrieben von gag_coll am 19.10.18 09:17

Die Studentin
Kapitel 8 - Böses Erwachen - Teil Drei von Zehn
Autor: Karl Kollar

Herr Buchelberger fuhr mit seinem Dienstwagen vor Hegels Haus, parkte und stellte den Motor ab. Noch einmal nahm er sich die dicke Akte zur Hand und blätterte sie einmal durch. Natürlich kannte er den Inhalt mehr oder weniger auswendig, es diente mehr dazu, seine Nerven zu beruhigen. Es war ihm bewusst, das der nun folgende Teil sicher der Schwierigste war.

Er wusste von dem besonderen Projekt seiner Schwester, und er wollte ihr auf der einen Seite aufrichtig dabei helfen. Andererseits musste er aber auch sicherstellen, dass es zu keiner offiziellen Anzeige von der Seite der Nachbarn kam. Er hatte ihnen sichtbare Konsequenzen versprochen, und noch hatte er keine Idee, wie diese aussehen könnten.

Langsam packte er die Mappe mit den Unterlagen wieder in seine Tasche, dann stieg er aus und verschloss das Auto. Mit zügigen Schritten ging er zu über den gepflasterten Weg zur Haustür.

Seine Schwester erwartet ihn schon. »Grüß dich, Siegfried.« Ihre Miene zeigte, dass sie über die aktuellen Vorkommnisse Bescheid wusste. »Komm herein.«

»Es tut mir leid, dass es so gekommen ist.« Er gab ihr einen Kuss auf die Wange. »Das habe ich nicht gewollt.«

»Ich dachte auch, dass sie zuverlässiger wäre.« Frau Hegel wirkte ebenfalls etwas schuldbewusst. »So lange haben wir sie sonst allerdings auch noch nicht allein gelassen.«

»Ich mache euch ja keinen Vorwurf.« Er ging voran ins Wohnzimmer. »Aber jetzt würde ich mir gern erst einmal die Aussage eurer Studentin anhören.«

»Julia ist noch mit Winfried in der Uni.« Frau Hegel war verwundert. »Im Moment sind wichtige Vorlesungen, glaube ich.«

»Oh, das ist sehr schade.« Er packte die Akte aus und legte sie auf den Tisch, dann stellte er seine Tasche weg und setzte sich auf einen der Sessel. »Ich sehe sie als eine wichtige Zeugin für den Vorfall.«

»Ist es denn überhaupt so wichtig?« Frau Hegel äußerte ihre Zweifel.

»Es ist ernster, als es auf den ersten Blick aussieht.« Herr Buchelberger blätterte in der Akte. »Eure Nachbarn haben sie gesehen, und ich muss sie jetzt unbedingt von einer offiziellen Anzeige abhalten.« Er seufzte. »Ich habe ihnen sichtbare Konsequenzen versprochen, doch ich habe noch überhaupt keine Ahnung, wie die aussehen könnten.«

»Da haben wir dir ganz schön was eingebrockt.« Frau Hegel seufzte ebenfalls, doch dann hatte sie eine Idee. »Du hast uns doch damals die Handschellen zur Verfügung gestellt.« Ihre Stimme zeigte, das sie einen Plan zu haben schien.

»Ja und?« Noch verstand er die Idee seiner Schwester nicht.

»Wenn sie hier mit Handschellen herumläuft, dann wären das doch ‚sichtbare‘ Konsequenzen.« Frau Hegel fand ihre spontane Idee recht gut.

»Aber machen wir es ihr dann nicht zu leicht?« Herr Buchelberger blätterte in der Akte, bis er eine bestimmte Seite gefunden hatte. »Wir hatten ihr damals gesagt, dass sie sich keinen einzigen Ausrutscher leisten darf.« Er lehnte sich zurück. »Eigentlich müsste ich sie sofort nach Neudeck zurückbringen.« (Anmerkung des Autors: Neudeck ist in München die Justizvollzugsanstalt für Frauen und Jugendliche)

»Das kannst du uns nicht antun, nicht jetzt.« Frau Hegel klang deutlich verzweifelt. »Wir sind so kurz vor dem Ziel.«

* * *

Während Julia sonst immer eher recht zügig durch die langen Gänge im Universitätsgebäude ging, war es heute anders. Sie war viel langsamer und vorsichtiger unterwegs. Und das lag nur zu einem geringen Teil an den Schenkelbändern. Letztere behinderten sie nur etwas beim Treppensteigen, und auf Rolltreppen bevorzugte sie es jetzt, lieber stehen zu bleiben.

Obwohl sie wusste, dass es eigentlich unmöglich war, hatte sie Angst, dass jemand ihren neuen Zustand entdecken würde. Dabei spürte sie Gürtel und BH nicht einmal mehr, weil sie so gut saßen und weil sie sich schon daran gewöhnt hatte. Manchmal kam es vor, dass sie sie ganz vergessen hatte und erst, als sich ihre Finger mit ihrem Körper beschäftigten und das Metall berührten, wurde es ihr wieder bewusst.

Sehr viel Selbstbewusstsein hatte sie nach dem ersten Toilettenbesuch gewonnen, als sie sich überzeugt hatte, dass der Gürtel sie auch zumindest beim kleinen Geschäft nicht großartig behinderte. Lediglich das Saubermachen war ein wenig aufwendiger als bisher. So gesehen blieb ihr Alltag fast der gleiche wie bisher.

Sie fühlte sich sehr erleichtert, als sie dies erkannte. Jetzt wusste sie, dass sie durchaus in der Lage war, Carolins Erbe anzutreten.

Doch dann fragte sie sich auch, ob sie nicht ein wenig zu optimistisch war. Das große Geschäft stand ihr noch bevor, und sie wusste immer noch nicht, wie sie damit wirklich umgehen wollte.

* * *

»Frau Wiesl, kommen sie bitte einmal ins Wohnzimmer?« Frau Hegel hatte im Treppenhaus Schritte gehört, und diese konnten eigentlich nur zu Frauke gehören. »Ein Besucher möchte sie sprechen.«

»Jawohl, Frau Hegel.« Frauke wunderte sich ein wenig. Sie kannte eigentlich nur Julia und den Professor, und beide waren in der Uni. Wer würde wohl etwas von ihr wollen? Sie ging zügig die Treppe hinunter.

Als sie das Wohnzimmer betrat, zuckte sie sichtbar zusammen. Der Besuch von Herrn Buchelberger, dem Vollzugsbeamten, konnte nichts Gutes bedeuten.

»Guten Tag, Frau Wiesl.« Er deutete auf den Sessel neben sich. »Nehmen sie doch bitte Platz.«

Frau erwiderte den Gruß und kam der Aufforderung nach. Ihr Blick ließ vermuten, dass sie noch nicht ahnte, was sie erwartete.

»Sie haben am Samstag des Haus verlassen?« Er sprach in einem sehr ruhigen Ton, trotzdem oder gerade deswegen war die Spannung aber deutlich zu spüren.

»Nein, nie, das darf ich noch nicht.« Doch dann hielt sie inne. »Warten sie, ich war mit Julia auf der Terrasse.« Von Julia Erpressung wollte sie noch nichts sagen.

»Obwohl sie wussten, dass sie das nicht dürfen?« Noch blieb seine Stimme im gleichen Tonfall. »Insbesondere, wenn sie allein sind.«

»Aber Julia war bei mir.« Frauke versuchte noch, sich zu verteidigen.

»Die ganze Zeit?« Herr Buchelberger runzelte die Stirn.

»Ja, natürlich?« Sie hatte jetzt schon ein schlechtes Gewissen.

»Wie erklären sie sich dann dieses Foto?« Er griff in die Mappe, holte das von den Nachbarn eingereichte Bild heraus und reichte es Frauke.

Der Dienerin schossen die Tränen ins Gesicht, denn sie hatte auf einmal die Gesamtsituation erkannt. Sie hatte das Haus verlassen, das war auf dem Foto deutlich zu sehen. Und Julia war im Haus, weil sie ihren Handschuh und das Halskorsett geholt hatte.

Um sich zu rechtfertigen, hätte sie von Julias Erpressung erzählen müssen, die auf einmal von einer Kleinigkeit zu einem großen Problem geworden war. Sie stammelte etwas. »Aber… aber…« Doch dann schwieg sie.

»Frau Wiesl, warum haben sie gegen dieses Verbot verstoßen?« Er bohrte weiter, denn es war für ihn wichtig, das echte Motiv in Erfahrung zu bringen.

»Ich bin doch noch da?« Den wahren Grund wollte sie immer noch nicht äußern, denn damit würde sie Julia in ein schlechtes Licht rücken. Und noch mehr, sie würde Hegels Ziele gefährden. Sie begann langsam zu begreifen, welche beiden schrecklichen Alternativen vor ihr lagen.

»Damit haben sie mich in große Schwierigkeiten gebracht.« Seine Stimme wurde bedrohlich leise.

Frauke blickte verwundert auf.

»Wenn die Nachbarn, die dieses Foto gemacht haben, auf einer offiziellen Anzeige bestehen, dann kann ich meinen Hut nehmen.« Er holte tief Luft. »Und sie wissen, wo sie dann ihre Strafe verbüßen müssen.«

Frauke senkte den Kopf. Zu einer Antwort war sie nicht fähig. Wie gelähmt saß sie da, denn mittlerweile hatte sie die ganze Tragweite des Vorfalls erkannt. Es wurde ihr grausam klar, dass sie sich – wenn überhaupt – nur dann retten konnte, wenn sie Julia anschwärzte.

Sie erkannte, dass sie in einer schrecklichen Situation war. Wenn sie nichts unternahm, dann musste sie zurück nach Neudeck. Und wenn sie Julia verpetzte, dann würde sie die einzige Person, die ihr wirklich etwas bedeutete, verraten. Das sie damit auch Hegels verärgern würde, kam noch hinzu.

Sie seufzte tief. Unabhängig von dem, was sie jetzt machte, sie würde entweder alles kaputt machen, oder sie würde wieder ins Gefängnis müssen.

Und sie war sich nicht einmal sicher, ob sie dort den Keuschheitsgürtel loswerden würde. Immerhin hatten Hegels den Gürtel zur Verfügung gestellt, und es stand zu befürchten, dass sie ihn deswegen nie mehr los werden würde.

»Frau Wiesl?« Nur langsam drangen seine Worte zu ihr.

Die Frage von Herrn Buchelberger riss sie aus ihren Gedanken. »Entschuldigen sie bitte, ich habe nicht zugehört. Was hatten sie gefragt?«

»Eigentlich nichts…« Er hatte bisher vergeblich auf ein Entgegenkommen ihrerseits gewartet. »Aber ich frage mich, wie es jetzt weitergehen soll.«

Frau Hegel betrat den Raum. Auch sie hatte eine sorgenvolle Miene. »Wie sieht es aus? Konntet ihr es klären?«

Obwohl Frauke tief in ihre Gedanken versunken war, war ihr der vertrauliche Ton nicht entgangen. Sie blickte verwundert auf.

Trotz der Anspannung musste Herr Buchelberger lächeln. »Hatte ich ihnen eigentlich gesagt, dass Frau Hegel meine Schwester ist?«

Eigentlich war es als gute Nachricht gedacht, doch es bewirkte genau das Gegenteil – Frauke wurde noch viel verzweifelter. Sie gab sich gar keine Mühe mehr, ihre Tränen zurückzuhalten. Sie hatte erkannt, dass sie in dieser Konstellation überhaupt keine Chance hatte.

Sie beschloss, die Flucht nach vorn zu ergreifen. »Worauf warten sie noch? Legen sie mir die Handschellen an, und dann nehmen sie mich mit.« Ihrer Miene und besonders ihrem Tonfall war deutlich zu entnehmen, wie verzweifelt sie war.

Doch damit war Frau Hegel nicht einverstanden. Auch sie hatte sich vorgenommen zu kämpfen. »Hast du sie schon gefragt, warum sie das Haus verlassen hat?«

»Das will sie mir nicht sagen.« Er blickte seine Schwester Hilfe suchend an.

Frau Hegel hatte auf einmal eine Ahnung. »Es hängt mit Frau Sommer zusammen?«

Frauke blickte auf, wagte aber keine weitere Regung, denn sie wollte Julia nicht nach wie vor anschwärzen.

»Das ist eure neue Mieterin?« Er holte einen Block und einen Stift aus seiner Tasche und legte sie vor sich auf den Tisch.

Seine Schwester bestätigte es. »Du solltest sie auch befragen, vielleicht ergibt es neue Erkenntnisse.« Es war deutlich zu hören, dass auch Frau Hegel nach einem Strohhalm zum Festhalten suchte.

»Wenn du meinst?« Er blickte auf. »Holst du sie bitte?«

Doch Frau Hegel zuckte mit den Schultern. »Es tut mir leid, aber sie ist noch in der Uni. Das hatte ich dir schon gesagt.«

»Ach ja, richtig. Das ist blöd. Ich muss bald weg.« Insgeheim war er allerdings froh, die notwendige Entscheidung noch etwas hinauszögern zu können.

Es klopfte an der offenen Tür. Die Köchin trat ein. »Frau Hegel, ich wollte sie nur daran erinnern, dass ich am Wochenende frei habe.«

Frau Hegel war über die Unterbrechung nicht erfreut, »Warum denn das?«

»Ich hatte es ihnen doch gesagt.« Die Köchin klang ein wenig verwundert. »Mein Mann und ich sind bei Freunden im Norden eingeladen. Aber ich könnte ihnen Paula schicken.«

»Ja, machen sie das.« Frau Hegel war über die Ablenkung nicht glücklich.

»Waren sie letzten Samstag hier?« Herr Buchelberger blickte auf. »Vielleicht haben sie etwas gesehen?«

Doch die Köchin musste ihn enttäuschen. »Ich habe meine Tochter vorbei geschickt.« Sie hatte ein schlechtes Gewissen, weil dies mit Hegels nicht abgesprochen war.

»Schade.« Er vermied es, seine Schwester anzusehen. »Es hätte ja sein können. Darf ich ihre Tochter vielleicht einmal sprechen?«

»Sie müsste eigentlich schon zu Hause sein.« Die Köchin blickte auf die Uhr an der Wand, dann nannte sie ihm die Adresse.

»Ich danke ihnen für das Angebot. Das liegt ja sogar auf dem Weg.« Alles, was diese unangenehme Entscheidung hinauszögerte, war ihm im Moment sehr willkommen. »Ich würde gern darauf eingehen.«

»Und was wird aus mir?« Frauke sprach in einem Ton, der deutlich zeigte, dass sie sich mit dem drohenden Schicksal einer erneuten Haftstrafe abgefunden hatte.

»Gut, dass sie fragen. Wären sie damit einverstanden, wenn sie bis auf weiteres deutlich sichtbar Handschellen tragen?« Herr Buchelberger wurde ein wenig verlegen. »Ich habe den Nachbarn sichtbare Konsequenzen versprochen.«

»Aber das ist doch nicht alles, oder?« Frauke wollte sich nicht schon wieder einer trügerischen Hoffnung hingeben.

»Ich werde in zwei Tagen wieder kommen und meine Entscheidung bekannt geben.« Auf einmal fiel ihm ein, dass er noch ein Mittel zur Verfügung hatte. »Wie viele Pluspunkte sind bisher angefallen?«

Frau Hegel nannte die Zahl.

»So viele?« Herr Buchelberger blickte seine Schwester verwundert an.

Frau Hegel war entschlossen, ihre diesbezüglichen Entscheidungen zu verteidigen. »Naja, immerhin hat sie uns bei unseren Zielen sehr geholfen.«

»Die Pluspunkte könnten wir als Strafe ebenfalls streichen.« Er dachte laut.

Frauke seufzte nur leise, denn insgeheim hatte sie genau damit schon gerechnet. Auf einmal ging ein Ruck durch ihren Körper, und sie richtete sich auf. »Ich werde alles tun, was sie von mir verlangen. Und wenn sie mich zurückbringen, dann werde ich das akzeptieren.« Es tat ihr zwar irrsinnig weh, ihre ‚kleine Schwester‘ wieder zu verlassen, doch immerhin hatte sie ihr dieses neue Schlamassel zu verdanken. Sie streckte ihre Arme aus. »Bitte legen sie mir die Handschellen an.« Dann senkte sie ihren Kopf und schloss die Augen.

Erst nachdem sie das Klicken des Metalls hörte, fiel ihr ein, dass sie jetzt ihr Kleid nicht mehr würde ausziehen können. Doch das machte ihr in diesem Moment auch nichts mehr aus.
188. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von N0V0 am 21.10.18 23:09

Hallo gag_coll,

Danke für diese super Fortsetzung, da kann man ja gar nicht mehr aufhören mit dem

Respektvolle Grüße
189. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 8 - Böses Erwachen - Teil Vier von Zehn

geschrieben von gag_coll am 23.10.18 05:40

Die Studentin
Kapitel 8 - Böses Erwachen - Teil Vier von Zehn
Autor: Karl Kollar

Julia fiel es heute schwer, der Vorlesung zu folgen. Immer wieder blickte sie sich misstrauisch um, ob nicht vielleicht doch jemand von ihrer neuen Unterwäsche Notiz nahm. Doch zu ihrer Erleichterung wurde sie ignoriert wie eigentlich immer.

Oft verirrte sich ihre linke Hand unter das Pult, wo sie sich an ihre Taille fasste und dabei das so unnachgiebige Eisen spürte.

Sie wollte es immer noch nicht so recht glauben, dass sie jetzt ein großes Stück auf Carolins Weg gegangen war. Sie trug den Gürtel, den Hegels Tochter nicht mehr tragen durfte. Allein schon deswegen fühlte sich jetzt noch viel mehr verpflichtet.

Doch sie wusste auch, dass Hegels noch viel mehr von ihr erwarteten – und sie ahnte, dass alles mit den Engeln zusammen hing, auch wenn sie selbst diese Zusammenhänge noch nicht ganz durchschaut hatte.

Mittlerweile hatte sie auch den Schock verarbeitet, dass ihr Professor im Moment den Schlüssel zu ihrer besonderen Unterwäsche in den Händen hatte. Sie hatte verstanden, dass er ihr so leicht zu Hilfe kommen konnte, bevor es für sie wirklich schwierig oder sogar unangenehm werden würde.

Doch sie war fest entschlossen, diese Notall-Möglichkeit nicht in Anspruch zu nehmen. Wenn es sich irgendwie vermeiden ließ, wollte sie auf diesen Ausweg verzichten. Und bisher lief es diesbezüglich einfach blendend.



Immer wieder rief sie sich die sehr stolze und doch überhaupt nicht hochnäsige Patricia ins Gedächtnis, und sie bewunderte die Anmut, mit der sie den Handschuh und das Perlennetz öffentlich getragen hatte, ohne dass es jemand beanstandete hätte. Sogar ihr Freund stellte es nicht infrage, sondern nahm es hin, als wäre es nicht zu ändern.

Julia fragte sich, wie ihr Freund darauf reagieren würde, wenn sie denn mal einen bekommen würde. Doch dann unterbrach sie sich in ihren Gedanken, und beschämt dachte sie daran, dass Frauke ihr schon sehr nahe gekommen war, und dass sie dabei war, sich ernsthaft in Frauke zu verlieben.

Bisher hatten sie die äußeren Umstände ein wenig daran gehindert, ihre Gefühle weiter zu entwickeln. Zu sehr war sie bei Hegels gefangen, als dass sie Fraukes Hilfe schon wirklich als Liebe interpretieren konnte.

Belustigt schüttelte sie innerlich den Kopf. Die so zärtlichen Abende auf dem Bett – wenn die keine Liebe waren, was waren sie denn dann? Julia hatte so gewaltige Orgasmen gehabt, wie sie sie bisher nicht gekannt hatte.

Doch dann überkamen sie wieder Zweifel. Es war bestimmt nicht richtig, die Stärke einer Beziehung anhand von Orgasmen zu beurteilen. Wobei sie schon anerkennen musste, dass sich Frauke sehr für sie aufopferte. Und sie war sich auch sicher, dass die Dienerin auch etwas für sie empfand.

Dabei hatte Frauke selbst auch sehr unter einem Keuschheitsgürtel zu leiden. Julia hatte ihn gesehen, und auch, wenn sie immer noch nicht ganz verstanden hatte, warum Frauke so etwas tragen musste, war sie doch erleichtert, dass ihre Freundin ein ähnliches Schicksal wie sie teilte.

Wieder hielt sie inne. War sie wirklich schon ihre Freundin? Oder war sie eine Angestellte von Hegels , die sich nur um sie zu kümmern hatte.

Julia stutzte. Frauke war schon länger bei Hegels, offensichtlich lange bevor sie selbst zu ihnen gekommen war. Sie fragte sich, was bis dahin ihre Aufgabe gewesen war. Sie begegnete Hegels immer noch mit sehr viel Respekt, und auch Hegels behandelten sie sehr formell.

Ihr Professor hatte Julia zwar noch nicht das Du angeboten, doch sie fühlte, dass er ihr näher stand als es bei Frauke der Fall war, obwohl Frauke schon viel länger bei ihnen war. Sie fragte sich, woran das lag.

* * *

Frauke lag in ihrem Zimmer auf dem Bett und dachte über die Ungerechtigkeit der Welt nach. Sie wusste natürlich, dass Julia sie erpresst hatte, denn freiwillig wäre sie nie nach draußen gegangen. Doch andererseits war ihr genauso klar, wie wichtig Julia für Hegels war. Sie, die kleine Dienerin würde es nicht wagen, der Studentin die Schuld für ihr Vergehen zu geben, auch wenn das zumindest aus ihrer Sicht so war.

Sie war völlig erschlagen von der Aussicht, wieder zurück ins Gefängnis zu müssen. Und die Wut auf Julia, die mit so einer Kleinigkeit alles kaputt gemacht hatte, wuchs immer weiter.

Es hatte Frauke schon enorm viel abverlangt, sich auf das Leben bei Hegels einzustellen. Es hatte es sie viel Kraft gekostet – und es war mehr als demütigend, mit dem altmodischen Dienstbotenkleid und vor allem mit dem Keuschheitsgeschirr herum laufen zu müssen. Doch es war immer noch viel viel besser, als im Gefängnis zu sitzen.



Es war ungerecht, einfach nur ungerecht. Sie war wütend, sehr wütend, doch es gab nur eine Person, die sie hätte beschuldigen könnte, und diese Person war Julia.

Auf einmal fiel ihr etwas ein. Wenn sie zurück ins Gefängnis musste, dann würden die gestrichenen Pluspunkte keine Rolle mehr spielen, denn diese galten nur für ihren Aufenthalt bei Hegels. Es war nur ein winziges Detail, doch in ihrer aktuellen Situation tröstete es sie ein wenig.

Das Gespräch mit Herrn Buchelberger hatte sie völlig heruntergezogen. Sie wusste aus ihrer Vergangenheit, dass diesbezügliche Rechtfertigungen nicht viel brachten, insbesondere wenn so eindeutige Beweise vorlagen. Außerdem wusste sie von Hegels Vorhaben und wagte es nicht, Julia zu beschuldigen. Aber all ihre Liebe und Zuneigung zu Julia war mit einem Mal verschwunden.

In dem Gespräch mit dem Vollzugsbeamten hatte er ihr versichert, dass sie eine sichtbare Strafe anzutreten habe, so hätte er es den Nachbarn versprochen. Seufzend blickte sie auf die Handschellen, die sie jetzt auch noch tragen musste. Und das würde nur der Anfang sein.

Frauke war mehr oder weniger verzweifelt. Sie wollte auf keinen Fall ins Gefängnis zurück, doch genauso verbot ihr ihr Ehrgefühl, Julia anzuschwärzen. Sie war sich außerdem sicher, dass es bei ihrer Vergangenheit nur als eine faule Ausrede angesehen werden würde.

Dabei war Julia die einzige Person, die sie hätte entlasten können. Doch sie wagte es nicht, Hegels darüber zu berichten, denn sie wusste, wie sehr Hegels an dem Mädchen hingen. Es war ein furchtbarer, schrecklicher Konflikt.

Wieder seufzte sie tief. Wenn sie bereit gewesen wäre, auf den Blick auf die Straßenbahn zu verzichten, dann hätte sie jetzt diese Probleme nicht. Sie überlegte, ob sie vielleicht Herrn Hegel abpassen sollte. Vor ihm hatte sie Achtung, und vielleicht konnte sie ihm die Wahrheit sagen. Sie hoffte, dass er sie vielleicht verstehen würde.

Doch dann verwarf sie den Gedanken wieder. Der Professor würde sich nie auf ihre Seite stellen. Soweit sie wusste, war er damals gegen diesen besonderen Deal seiner Schwester gewesen. Sie seufzte tief, denn sie erkannte wieder einmal, wie verpfuscht ihr bisheriges Leben doch war.

Sie blickte sich erneut um, und diesmal fiel ihr Blick auf das kleine Modell der Straßenbahn. Auf einmal wusste sie, was sie tun konnte. Mit grimmiger Miene stand sie auf.



Es klopfte an der »Frau Wiesl?«

Frauke hielt in ihrer Bewegung inne. »Ja?«

Die Frau des Professors trat ein. »Ich wollte sie fragen, ob sie mir bei der Wäsche helfen könnten?«

Die Dienerin nickte – im Moment war sie für jede Ablenkung dankbar. Trotzdem hob sie ihre Hände hoch und zeigte ihre neuen Fesseln.

»Das machen wir schon.« Sie hielt einen Schlüssel hoch. »Kommen sie bitte mit.«

Frauke war verwundert. »Sie haben den Schlüssel dafür?« Sie folgte ihr auf den Weg durch das Treppenhaus.

»Das war eine Bedingung meinerseits.« Frau Hegel drehte sich kurz um und lächelte. »Sonst nutzen sie mir ja nichts.«

Frauke blickte sie verwundert an, während sie die Waschküche betraten.

»Bitte erinnern sie mich daran, dass ich sie ihnen wieder anlege, wenn wir hier fertig sind.« Frau Hegel reichte ihr das erste Wäschestück.

Frauke seufzte nur. Trotzdem wollte sie immer noch nicht zugeben, dass sie nur von Julia erpresst worden war. Im Gegenteil, sie gab sich selbst die Schuld. Wenn sie wegen der Straßenbahn nicht so egoistisch gewesen wäre, dann hätte sie jetzt dieses Problem überhaupt nicht.

* * *

»Danke für die Hilfe.« Frau Hegel schloss die Tür zur Waschküche. »Jetzt gehen wir zum Mittagessen.«

Frauke wäre gern allein gewesen, doch sie wagte nicht zu widersprechen. »Sie müssen mir noch die Handschellen wieder anlegen.«

»Gut dass sie mich daran erinnern.« Sie drehte sich um und ging noch einmal in die Waschküche. Gleich darauf kam sie mit den Handschellen in der Hand wieder zurück.

Frauke streckte gehorsam ihre Hände aus.

»Und in der Küche nehme ich sie ihnen wieder ab?« Doch Frau Hegel schüttelte den Kopf. »Das ist doch lächerlich.«



Frauke fasste ein wenig Hoffnung, während sie die Küche betraten. »Meinen sie, es gäbe noch eine Alternative zum Gefängnis?« Zu ihrer Erleichterung war die Küche leer. Die Köchin war mit ihrer Arbeit fertig, und vom Herd her duftete es nach leckerem Eintopf.

»Ich würde gern etwas Positives sagen, aber dann müsste ich lügen.« Sie holte tief Luft. »Ich will ehrlich sein. Ich sehe keine Alternative, wenn wir nicht größeren Ärger bekommen wollen.« Sie begann den Tisch zu decken.

»Ja, so etwas dachte ich mir schon.« Frauke seufzte. »Werden wenigstens die Tage, die ich bei ihnen war, auf meine Strafe angerechnet?« Sie holte das Besteck aus der Schublade.

»Das wird mein Bruder sicher einrichten können.« Sicher war sie sich nicht, doch sie wollte Frauke auch nicht unnötig demütigen. »Warum haben sie eigentlich das Haus verlassen, obwohl sie wussten, dass sie es nicht dürfen?«

»Ich musste es machen.« Frauke war zunächst empört über die Frage, doch dann erkannte sie, was als nächstes kommen würde. Deswegen senkte sie ihren Kopf. »Ich möchte aber nicht darüber reden.« Sie ärgerte sich immer noch sehr über ihren Egoismus. Wenn sie nicht zu den Straßenbahn hätte blicken wollen, dann hätte sie jetzt diese Probleme nicht.

Es war unfair von Julia gewesen, sie auf diese Weise zu erpressen. Doch sie konnte ihr nicht einmal die Schuld dafür geben, denn sie wusste nichts von Fraukes Verbot.

Und wenn sie es erzählt hätte, warum sie nicht nach draußen durfte, dann hätte sie die Gründe dazu nennen müssen. Und dann wäre viel noch viel Schlimmeres zu Tage getreten.

Frau Hegel holte den Topf vom Herd und bat Frauke, sich an den Tisch zu setzen. »Lassen sie es sich schmecken.«



Auf einmal erkannte Frau Hegel, was vermutlich wirklich passiert war, und sie begriff die Lage, in der sich Frauke befand. Sie legte das Besteck weg und ergriff die Hand der Dienerin. »Ich werde mich bei meinem Bruder für sie einsetzen.«

Frauke hob verwundert den Kopf, doch zu einer Frage war sie nicht in der Lage.

»Sie müssen aber auch verstehen, in welcher Lage sich mein Bruder befindet.« Ihre Stimme wurde auf einmal sehr ernst. »Er hat zwar nicht ungesetzlich gehandelt, aber weitab von jeglichen Vorschriften. Wir müssen vor allem die Nachbarn ruhig stellen.«

Frauke war sehr verwundert über die Richtung, die dieses Gespräch nahm.

»Er hat ihnen sichtbare Konsequenzen versprochen.« Frau Hegel holte tief Luft. »Deswegen hatte ich die Idee mit den Handschellen. Es wäre gut, wenn die Nachbarn sie so sehen würden.«

Frauke zögerte. »Sie meinen, dass ich vielleicht doch nicht…«

»Ich möchte ihnen keine falschen Hoffnungen machen.« Sie blickte kurz aus dem Fenster. »Es ist nur ein Strohhalm, und auch nur ein kleiner. Aber wir müssen unbedingt alles tun, um sie von einer offiziellen Anzeige abzuhalten. Spätestens dann müssten sie wirklich zurück.«

»Eigentlich stören die Handschellen ja gar nicht.« Frauke seufzte. »Außerdem trage ich schon so viel Metall am Körper, dass die beiden Ringe auch nicht mehr stören.«

Frau Hegel kam nicht umhin, zu grinsen. »Es tröstet mich, dass sie es mit Humor nehmen.«

»Galgenhumor?« Frauke verdrehte die Augen. »Das mit den Pluspunkten ist sehr ärgerlich. Ich hatte mich schon sehr gefreut.«

»Ich werde diesbezüglich noch einmal mit ihm reden.« Frau Hegel stand auf und begann den Tisch abzuräumen. »Aber versprechen kann ich nichts.«

Frauke seufzte noch einmal, dann griff sie zu den Handschellen und legte sie langsam und etwas traurig um ihre Handgelenke. Sie blickte noch einmal fragend zu Frau Hegel, dann drückte sie sie langsam zu.
190. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 8 - Böses Erwachen - Teil Fünf von Zehn

geschrieben von gag_coll am 26.10.18 05:12

Die Studentin
Kapitel 8 - Böses Erwachen - Teil Fünf von Zehn
Autor: Karl Kollar

Frauke hatte die gute Gelegenheit sofort erkannt. Frau Hegel war im Ort unterwegs, und sie war allein im Haus und konnte die Rückkehr von Herrn Hegel abpassen. Sie hatte sich Besen und Handfeger bereit gestellt.

Sobald sie ihn auf der Straße kommen sah, griff sie sich den Besen und tat, als würde sie den Flur fegen. So konnte sie ihn abpassen, kaum dass er das Haus betreten hatte.

»Ah, gut dass ich sie gleich treffe, Frau Wiesl.« Er zog sich den Mantel aus und hängte ihn auf die Garderobe. »Ich muss es sofort loswerden.« Er griff in die Hosentasche und zog ein kleines Schlüsselbund mit ebenso kleinen Schlüsseln heraus. »Es brannte geradezu in meiner Tasche.«

Frauke erkannte die Schlüssel sofort. Erst jetzt realisierte sie, dass auch Julia das Haus betreten hatte. In ihr arbeitete es heftig. Wenn sie jetzt keinen Fehler machte, dann konnte sie sich wenigstens ein klein wenig an Julia rächen. Falls es ihr gelingen würde, die Schlüssel tatsächlich in ihre Obhut zu bekommen, dann sollte ihn Julia sie nie wieder bekommen. Wenn sie schon zurück ins Gefängnis musste, dann sollte Julia auch gefangen sein.

Doch die Studentin hatte es eilig. »Ich gehe mich sofort umziehen.« Sie warf Frauke einen sehr verliebten Blick zu, dann ging sie mit schnellen Schritten zur Treppe und schritt hinauf.

Fraukes Augen begannen auf einmal zu leuchten, denn sie hatte die sich ihr darbietende Gelegenheit sofort erkannt. Sie stellte den Besen an die Wand und nahm sich den Schlüsselbund aus seiner Hand. Mit einem diabolischen Lächeln steckte sie sich das Bund in eine der Taschen ihres Kleides.

»Die Verantwortung, ihn nicht zu verlieren, war doch sehr groß.« Er lächelte, doch dann realisierte er die veränderte Stimmung. »Ist etwas passiert? Was ist los? Warum tragen sie Handschellen?«

Doch Frauke sagte zunächst nichts, sondern ging mit eiligen Schritten in Richtung Treppenhaus. Erst als sie schon in der Mitte der Treppe war, drehte sie sich noch einmal zu Herrn Hegel. »Fragen sie ihre Frau.«

* * *

Gut gelaunt betrat Julia ihr Zimmer, und kaum, dass sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, begann sie, ihre Kleidung zu öffnen und sie auszuziehen. In der Straßenbahn hatte sie schon darüber nachgedacht, was sie jetzt anziehen wollte. Gegessen hatte sie schon etwas in der Stadt, so dass sie sich jetzt ganz auf ihr Lernen und gleichzeitig das Training für die Engel konzentrieren konnte.

Sie ging zum Schrank und blickte fasziniert hinein. In der Öffentlichkeit hätte sie so etwas nie getragen, doch sie entschied sich für den Nacht blauen Rock und ein knall gelbes Top. Die freien Arme waren ihr wichtig, denn sie wollte heute unbedingt noch den Handschuh tragen, und dafür war etwas Langärmeliges eher unpraktisch.

Gut gelaunt und eine leise Melodie summend verließ sie gleich darauf ihr Zimmer und ging fröhlich in Richtung von Fraukes Zimmer. Sie wollte die Dienerin bitten, ihr bei dem Handschuh und dem Pferd zu helfen, und sie war sich sicher, dass es ihr selbst auch Spaß machen würde.

Sie klopfte an der Tür. »Frauke, bist du da?« Dann lauschte sie erwartungsvoll.

»Verschwinde! Ich will dich nie wiedersehen.« Die Stimme der Dienerin war durch die geschlossene Tür deutlich zu hören, und sie klang alles andere als fröhlich.

Julia war zunächst verwundert und glaubte noch an einen Scherz. »Komm, wie soll ich denn sonst lernen und trainieren?« Noch hatte sie es nicht gewagt, die Tür zu öffnen.

»Das ist mir doch egal.« Frauke musste sich keine Mühe geben, um abweisend und verbittert zu klingen.

Julia war sehr verwundert. Bisher hatte sich Frauke ihr gegenüber ganz anders verhalten. Sie öffnete die Tür und trat ein. Die Dienerin saß auf dem Bett, und sie schien geweint zu haben.

»Kannst du mich nicht in Ruhe lassen.« Frauke versuchte vergeblich, ihre Handschellen zu verstecken.

»Du musst mir helfen, mit dem Handschuh und dem Pferd.« Noch hatte Julia nicht erkannt, was in der Zwischenzeit vorgefallen war.

Frauke hielt den Kopf gesenkt. »Ich muss gar nichts.« Sie hatte Schwierigkeiten, ihre Stimme unter Kontrolle zu halten.

»Ich sage Hegels Bescheid, dass du mir nicht helfen willst.« Es war eine leere Drohung, denn sie wusste, dass sie so etwas nie machen würde.

Etwas in Frauke schien zu platzen. Sie hob ihre Arme hoch. »Hier, das habe ich dir zu verdanken. Und übermorgen bringen sie mich weg.« Sie achtete trotz all ihres Ärgers darauf, das Wort ‚Gefängnis‘ nicht auszusprechen.

»Ich verstehe nicht.« Julia war mehr als verwundert.

»Verschwinde und lass dich hier nicht mehr blicken.« Frauke senkte den Kopf.

Julia erkannte, dass sie hier offenbar nichts mehr erreichen konnte. Ziemlich benommen ging sie nach unten ins Wohnzimmer, wo sie ihren Professor vermutete. Doch das Wohnzimmer war leer.

Sie hatte keine Lust, rufend durch das Haus zu laufen, so beschloss sie, wieder in ihre Zimmer zu gehen. Doch sie war sehr verunsichert, weil sie nicht wusste, was sie jetzt machen sollte.

* * *

Als Frau Hegel das Haus betrat, kam ihr Julia sofort im Treppenhaus entgegen. Die Frau des Professors sah sofort, dass sie etwas auf dem Herzen zu haben schien, trotzdem wies sie die Studentin schroff ab. »Ich muss erst meinen Mann sprechen.«

Julia zuckte innerlich mit den Schultern, dann drehte sie sich wieder um und ging zurück.



Frau Hegel fand ihren Mann in seinem Arbeitszimmer. »Ach hier bist du.« Sie schloss die Tür hinter sich.

»Was ist passiert?« Er erkannte die bedrückte Miene seiner Frau sofort.

»Frau Wiesl.« Sie verdrehte die Augen. »Sie macht uns großen Ärger.«

»Ich war von vornherein dagegen.« Seine Antwort zeigte, dass er noch nicht bei der Sache war.

»Bitte«, Frau Hegel klang ungeduldig. »Das hilft uns jetzt auch nicht weiter.«

»Was ist passiert?« Er wiederholte seine Frage.

Frau Hegel brachte ihren Mann auf den neuesten Stand.

Er erbleichte. »Weiß Julia schon davon?«

Frau Hegel verneinte und schüttelte den Kopf. »Sie war bislang bei dir.«

»Stimmt.« Er lächelte verlegen. »Wir sollten sie informieren.«

»Ich gehe sie holen.« Frau Hegel ging zur Tür. »Sie wollte mich auch sprechen.«



»Frau Sommer, kommen sie bitte einmal zu uns?« Frau Hegel traf Julia im Treppenhaus.

»Einen Augenblick, ich muss mir erst den Rock wieder schließen.« Noch war Julia hoch motiviert, und sie hatte sich auch fest vorgenommen, sich von Frauke nicht aus der Bahn werfen zu lassen.

»Das ist jetzt nicht so wichtig.« Frau Hegel drehte sich um. »Kommen sie einfach mit.«

Julia blickte verwundert auf, und etwas zögernd folgte sie Frau Hegel ins Arbeitszimmer. Immer deutlicher wurde ihr klar, dass etwas Außergewöhnliches vorgefallen sein musste. Doch sie wusste nicht, was sich ereignet hatte.



»Waren sie am Samstag mit Frau Wiesl zusammen auf der Terrasse?« Herr Hegel wartete nicht ab, bis Julia gesetzt hatte.

»Ja.« Julia war verwundert. »War das falsch?«

Doch ihr Professor ging nicht auf die Frage ein. »Und haben sie sie dann allein gelassen?«

»Nein…« Jetzt kam ihre Antwort etwas zögerlich.

»Sicher nicht?« Er hakte nach.

Julia ging in Gedanken den Samstag Nachmittag durch. »Warten sie, ich habe ein paar Sachen zum Trainieren geholt.« Sie machte eine Pause. »Ist das wichtig?«

Er holte tief Luft. »Frau Wiesl darf das Haus nicht verlassen.«

»Warum denn das nicht?« Julias Stimme zitterte.

»Willst du das erzählen?« Er wandte sich an seine Frau.

Frau Hegel erzählte die ganze Geschichte.



Julia Gesicht wurde immer bleicher. »Jetzt verstehe ich alles… und ich bin daran schuld.« Sie versuchte gar nicht erst, ihren kleine Erpressung zu leugnen. Sie berichtete sofort davon.

»Sie haben uns damit großen Ärger verursacht.« Der Professor hatte Mühe, seine Stimme unter Kontrolle zu halten.

»Das war nicht meine Absicht.« Julias Stimme wurde weinerlich. »Ich dachte, sie würde sich nur zieren.« So nach und nach begann sie die wahre Tragweite ihrer Handlung zu begreifen.

Der Professor räusperte sich. »Bitte gehen sie auf ihr Zimmer.« Er drehte sich kurz zu seiner Frau. »Wir werden uns beraten, und dann werden wir sie rufen.«

Julia erhob sich traurig und ging zügig in Richtung Treppenhaus. Wie schon zuvor verzichtete sie darauf, sich den Rock enger zu machen. Sie wollte jetzt nur noch schnell den Raum verlassen. Am liebsten hätte sie sich in eine Maus verwandelt und versteckt, doch sie wusste, dass sie sich den drohenden Konsequenzen zu stellen hatte.



Als Julia ihr Zimmer betrat und all die Sachen sah, die sie schon für das Training bereit gelegt hatte, musste sie bitterlich weinen. Mit so einer kleinen Geste hatte sie alles kaputt gemacht – und es gab keine Aussicht, es wieder gut machen zu können. Sie ging zu ihrem Bett, schob den Monohandschuh und die Ballettstiefel beiseite und warf sich stattdessen auf das Bett. Sie legte ihren Kopf auf das Kissen und ließ die Tränen laufen.

Doch nach einiger Zeit besann sie sich. Es nutzte weder Frauke noch ihr selbst etwas, wenn sie jetzt in Selbstmitleid zerfloss – erst recht nicht Hegels. Das Ehepaar hatte große Erwartungen in sie gesetzt, und langsam kam sie zu der Überzeugung, dass sie sich trotzdem den vor ihr liegenden den Aufgaben stellen musste.

Sie richtete sich auf und sah sich um. Ihr Blick fiel zunächst auf die Sachen, die sie beiseite geschoben hatte, dann drehte sie ihren Kopf, bis ihr Blick auf das sogenannte Pferd fiel.

Sie musste nur kurz überlegen, dann gab sie sich einen Ruck. Zumindest die Mörderstiefel würde sie sich allein anziehen können. Trotz all des Ärgers, den sie jetzt hatte, fand sie die Stiefel sehr faszinierend. Und sie war entschlossen, zumindest nicht von selbst aufzugeben.

191. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 8 - Böses Erwachen - Teil Sechs von Zehn

geschrieben von gag_coll am 30.10.18 03:58

Die Studentin
Kapitel 8 - Böses Erwachen - Teil Sechs von Zehn
Autor: Karl Kollar

Sie war gerade mit der Schnürung des zweiten Stiefels fertig – es fehlte eigentlich nur noch die Schleife – als es an der Tür klopfte und sie von draußen die Stimme ihres Professors hörte. »Julia, sind sie da?«

»Einen Augenblick, ich komme sofort.« Julia band sich hastig die Schleife, dann stand sie auf. Sie war noch sehr wackelig auf den Ballettstiefeln, doch sie wollte guten Willen zeigen und zwang sich, die wenigen Schritte mit den Stiefeln zu gehen.

Sie hatte eigentlich erwartet, dass sie wieder zu Hegels ins Wohnzimmer kommen sollte, deswegen hatte sie nicht einfach herein gerufen. Doch als sie ihrem Professor öffnete, bat er um Erlaubnis, hereinkommen zu dürfen.

»Meine Frau musste zu einem wichtigen gesellschaftlichen Termin, den sie nicht absagen konnte.« Er versuchte einen neutralen Blick, doch es war ihm anzusehen, dass ihn etwas bedrückte. »Ich habe das noch nie gemacht.«

Julia blickte ihn verwundert an. Die eigentlich offensichtliche Frage stelle sie allerdings nicht.

»Meine Frau meint, ich sollte ihnen beim Training helfen, natürlich nur, wenn sie es überhaupt noch machen wollen.« Er klang sehr verlegen.

Es dauerte einen Moment, bis Julia erkannte, was er damit eigentlich sagen wollte oder besser sagen musste.

»Die Stiefel tragen sie ja schon.« Er machte einen sehr erleichterten Eindruck. »Gerade damit kenne ich mich überhaupt nicht aus.«

»Das Anziehen ist nicht das Problem.« Julia fragte sich, wo sie die Ruhe her nahm. »Mit dem Gehen tue ich mich noch sehr schwer.« Innerlich wollte sie es noch nicht wahrhaben, dass ihr Professor ihr jetzt bei ihrem besonderen Lernvorhaben helfen würde.

»Was möchten sie lernen?« Er sah die Bücher, die Julia offensichtlich schon bereit gelegt hatte.

Julia nannte das Fachgebiet, mit dem sie sich beschäftigen wollte.

»Dann nehmen sie bitte Platz.« Er machte eine einladende Handbewegung in Richtung des Pferdes.

Julia blickte ihn verwundert an.

»Wollten sie nicht auf dem Pferd lernen?« Herr Hegel war recht unsicher.

Julia begann zu zittern. »Meinen sie wirklich?« Sie begann auf einmal, ganz neue Seiten an ihrem Professor zu entdecken. Sie hätten gern den Kopf frei gehabt, um es zu genießen, doch sie musste ständig an Frauke denke, sie sie so schändlich verraten hatte. Sie wurde immer nervöser. Dass ausgerechnet ihr Professor ihr jetzt bei den Übungen half, damit hatte sie schwer zu kämpfen.

»Ich sehe das allerdings das erste Mal.« Er schluckte. »Sie müssen mir sagen, was ich machen muss.«

Julia musste ebenfalls schlucken. Sie selbst hatte auch erst einmal auf dem Pferd gesessen. »Vielleicht wäre es besser, wenn ich den Gürtel dafür ablege.«

Auf einmal wurde der Professor bleich. »Der Schlüssel… Ich…« Er stotterte leicht. »Ich habe ihn Frau Wiesl zurückgegeben.«

Julia kam ins Stolpern, und ihr Professor musste sie festhalten. Tränen schossen ihr in ihr Gesicht. »Das war es… Sie wird ihn mir nie zurück geben.« Sie begann zu weinen. »Ich werde diesen Gürtel für immer tragen müssen.«

Der Professor nahm sie in den Arm und versuchte sie zu trösten. »Jetzt schlafen sie erst einmal darüber, und morgen wird es schon anders aussehen. Wollen wir nicht versuchen, noch ein wenig zu lernen und zu trainieren.«

Julia gab sich einen Ruck. »Sie haben Recht.« Sie wischte sich die Tränen weg und versuchte, sich kämpferisch zu geben. »Ich versuche es trotzdem.« Sie rieb sich noch einmal die Augen. »Ich werde es trotzdem schaffen.« Was sie genau mit ‚es‘ meinte, wusste sie in diesem Moment allerdings selbst nicht.

Sie zitterte deutlich sichtbar, als sie auf das Pferd stieg und sich in Position brachte. Wieder begann sie zu weinen, denn noch in der Uni hatte sie davon geträumt, dass Frauke sie auf dem Pferd fixieren würde. Und dabei hätten sie sicher auch noch etwas Zärtlichkeiten ausgetauscht.

»Mache ich etwas falsch?« Herr Hegel blickte Julia besorgt an.

Julia erkannte, dass sie sich zusammenreißen musste. Sie hatte schon Frauke so gut wie ins Gefängnis gebracht, jetzt wollte sie nicht auch noch ihrem Professor Kummer machen. »Nein, es ist alles in Ordnung.« Sie wischte sich die Tränen weg. »Ich werde mich jetzt beherrschen.«

»Was muss ich als nächstes machen?« Er schaffte es nicht, seine Nervosität zu verbergen.

»Sie müssen mir die Stiefel in den Halterungen festschnallen.« Julia blickte nach unten, um zu sehen, ob erkennbar sein würde, was zu tun war.

Der Professor kniete sich vor das Pferd und schaute kurz auf die Halterung. Er hatte zu seiner eigenen Erleichterung sofort erkannt, was zu tun war.

Gleich darauf konnte Julia beobachten, wie ihr Professor die Stiefel an dem Pferd fixiert. Ohne fremde Hilfe würde jetzt nicht mehr herunter steigen können. Sie war schon jetzt auf dem Pferd gefangen.

Er erhob sich wieder und nahm sich den Monohandschuh vom Bett. »Mit dem Handschuh wird es einfacher, damit kenne ich mich aus.«

Julia war noch sehr in ihren traurigen Gedanken versunken, deswegen realisierte sie nicht sofort, was ihre Professor gerade gesagt hatte.

Auch Herr Hegel hatte zu spät erkannt, was er gesagt hatte. Er wusste nicht, wie es nun weiter gehen sollte, er hoffte sehr das Julia so abgelenkt war, dass er sich aus der Notlage heraus winden konnte.

»Sie haben ihrer Tochter sicherlich oft mit dem Handschuh geholten?« Insgeheim war Julia über diese Wendung erleichtert.

Eigentlich hätte er sich bei diesen Fragen nach dem Leben seiner Tochter traurig pikiert zeigen sollen, doch jetzt war er um den Ausweg sehr dankbar. »Ja, sie hat ihn gern getragen. Natürlich hat sich eigentlich meine Frau um Carolin gekümmert, doch manchmal war ich auch dran.«

Julia war hin und hergerissen. Sie war natürlich immer noch traurig über Frauke, aber gleichzeitig auf fasziniert über die neuen Seiten, die sie an ihrem Professor kennenlernte.

Anfangs legte ihr der Professor nur die Bücher vor, die sie verlangte, doch bald ging es unauffällig in eine Privatvorlesung über. Eine Vorlesung, die wohl für beide Seiten sehr ungewöhnlich war.

* * *

Frauke hatte sich auf ihr Bett gelegt und versuchte, ihre Gedanken zu ordnen. Zusätzlich zu dem bisherigen Restriktionen trug sie jetzt auch noch Handschellen, die sie in ihrer Bewegungsfreiheit noch weiter einschränkten. Doch dieses war nicht ihr größtes Problem. Sie wusste, dass es nicht in ihrer Macht lag, die Rückkehr ins Gefängnis zu verhindern.

Ihr Blick fiel auf die Schlüssel zu Julias Keuschheitsgürtel – sie überlegte, was sie damit machen sollte. Im Gefängnis würde sie sicher durchsucht werden. Es wäre sicher besser, wenn sie ihn im Haus verstecken würde. Julia sollte sie nie zurück bekommen. Sie sollte genauso gefangen sein wie sie selbst.

Das Beste würde sein, wenn sie den Schlüssel bei ihrem Schatz verstecken würde.

Auf einmal durchzuckte sie ein Gedanken. Das Geheimversteck – Hegels schienen es nicht eventuell gar zu kennen. Vielleicht könnte sie sich dort verstecken, dann würden sie vielleicht denken, sie wäre geflüchtet und würden im Haus nicht mehr nach ihr suchen.

Sie überlegte, was sie machen konnte, um es nach einer Flucht aussehen zu lassen. Doch das Einzige, was ihr einfiel, war, ihr Kleid auszuziehen. Doch das war ihr aktuell wegen der Handschellen nicht mehrso einfach möglich.

Sie rief sich die alten Heizgänge ins Gedächtnis und überlegte, wo das Risiko gesehen zu werden, am geringsten war und wann. Sie würde erst einmal in ihrem Zimmer bleiben, und erst in der Nacht, wenn alle schliefen, würde sie sich durch Julias Zimmer in ihr Geheimversteck flüchten.

Doch dann verwarf sie den Gedanken wieder. Es wäre besser, wenn sie den Umweg um die Speisekammer machen würde und sich dabei mit ein wenig Nahrungsmitteln eindecken würde. Es könnte sein, dass sie sich ein paar Tage länger verstecken müsste.

* * *

Es klopfte an Julias Tür. Frau Hegel steckte den Kopf zur Tür herein. »Wissen sie, wo mein Mann ist?« Sie sah etwas verwirrt aus. »Er ist weder im Wohn- noch in seinem Arbeitszimmer.«

»Ich bin hier, mein Schatz.« Der Professor drehte sich zur Tür. »Ich helfe Frau Sommer beim Lernen, weil Frau Wiesl nicht da ist.«

»Darf ich dich einmal kurz sprechen?« Frau Hegel sah sehr besorgt aus.



Der Professor hatte seine Frau in hastigen Worten über die jüngsten Ereignisse informiert.

»Bist du verrückt?« Seine Frau war entsetzt. »Jetzt stimmt doch unsere Geschichte nicht mehr.«

»Sie war so sehr durch den Wind, dass ich ihr einfach helfen musste.« Er rechtfertigte seine Entscheidung. »Außerdem glaube ich, dass sie schon so tief drin steckt, dass eigentlich nichts mehr passieren kann.«

»Wenn die Sache mit Frau Wiesl nicht wäre, dann würde ich dir recht geben.« Frau Hegels Stimme zeigte immer noch deutliche Zweifel. »Trotzdem, wir müssen einfach dran bleiben.«



»Und was machen wir jetzt?« Herr Hegel war über die Entwicklungen geradezu erstarrt. »Können wir das jetzt überhaupt noch schaffen?«

»Ich weiß es nicht.« Seine Frau seufzte. »Aber ich denke, wir haben nicht wirklich ein Wahl. Entweder wir versuchen es weiter, oder wir geben gleich auf.«

Herr Hegel schwieg einen Moment. »Und wenn wir uns selbst um sie kümmern. Auf Frau Wiesl dürfen wir glaube ich nicht mehr setzen.«

Frau Hegel lächelte. »Ich hatte mich nur nicht getraut, diesen Gedanken auszusprechen, aber das Gleiche wollte ich vorschlagen. Wir sollten unseren letzten Versuch nicht so einfach abbrechen, solange noch Hoffnung ist.«

»Kannst du mir ihr reden?« Er gab sich ein wenig erleichtert.

»Ich werde es machen.« Sie seufzte erneut. »Ich habe mich nicht getraut, sie mit Frauke allein zu lassen. Ich habe befürchtet, dass sie handgreiflich werden könnte.«

»Meinst du wirklich?« Herr Hegel dachte nach. »Naja, bei ihrer Vergangenheit wäre das nicht ausgeschlossen.«

»Ein Gutes hat es ja.« Sie grinste leicht.

»Was meinst du?« Er war überrascht über die Stimmungswechsel seiner Frau.

»Julia wird im Moment kaum über ihren Gürtel nachdenken.« Sie blickte dabei zu Boden.

Wieder wurde Herr Hegel kreidebleich. »Ich glaube, ich haben einen schlimmen Fehler gemacht.«

Auf Hegel kannte ihren Mann gut genug, um den Ernst der Situation zu erkennen. »Was ist passiert? Was hast du gemacht?«

Er senkte seinen Kopf zu Boden. »Ich habe Frau Wiesl die Schlüssel für den Gürtel zurück gegeben.«

»Oh je…« Frau Hegel seufzte tief. »Die arme Frau Sommer. So bald wird sie nicht mehr aus dem Gürtel heraus kommen.«

»Das passt aber gar nicht in unsere Pläne.« Er seufzte ebenfalls.

»Findest du?« Ein leichtes Grinsen schob sich in ihr Gesicht. »Sie kann jetzt nicht mehr heraus, und sie kann uns nicht dafür verantwortlich machen. Sie selbst hat die Schlüssel an Frau Wiesl gegeben.

Er versuchte den Gedanken weiter zu führen. »Das heißt, sie wird uns auch nicht mehr verlassen?«

»Es passt zwar eigentlich gar nicht, aber dieses Mal sind wir gar nicht schuld. Es war ihre eigene Entscheidung, Frau Wiesl die Schlüssel zu geben.« Frau Hegel grinste deutlich. »Jetzt solltest du wieder zu ihr gehen. Und achte bitte darauf, dass sie die nötigen Pausen macht.« Sie fasste die wichtigsten Sachen noch einmal kurz zusammen. »Ich kümmere mich derweil ums Abendessen und werde euch dann holen, wenn es so weit ist.«

192. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von N0V0 am 01.11.18 17:48

Ich sage nur ganz einfach Danke !
Bitte weiterschreiben !
193. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 8 - Böses Erwachen - Teil Sieben von Zehn

geschrieben von gag_coll am 02.11.18 06:24

Die Studentin
Kapitel 8 - Böses Erwachen - Teil Sieben von Zehn
Autor: Karl Kollar

Das Abendessen mit Julia und Hegels verlief weitgehend schweigend. Die Studentin spürte die ganze Zeit, dass sie etwas gut zu machen hatte. Es tat ihr sehr leid, dass Hegels ihretwegen so viel Ärger hatten. Sie hatte es bisher zwar noch nicht ausgesprochen, doch sie war zu einigen Opfern ihrerseits bereit. Nicht nur, um ihren Fehler wieder gut zu machen, sondern auch, um weiteren Ärger von Frauke fern zu halten, sofern das überhaupt möglich war.

Sie traute sich auch deswegen nichts zu sagen, weil sie die Enttäuschung von Hegels spürte, und sie fühlte sich drastisch an ihren Traum erinnert. Genau dies hatte sie aber auf keinen Fall erleben wollen.

Erst jetzt erkannte sie, wie groß das Opfer war, welches Frauke für sie gebracht hatte, und sie schämte sich für ihren Egoismus. Und sie konnte sich auch nicht damit herausreden, dass sie es nicht gewusst hätte.

* * *

Julia hätte sich nach dem Abendessen eigentlich auf ihr Zimmer zurück ziehen sollen, um dort weiter zu lernen. Doch es ließ ihr keine Ruhe. Mit vorsichtigen Schritten ging sie zur Wohnzimmertür und klopfte. Hegels baten sie herein.

»Was möchten sie, mein Kind?« Frau Hegel klang besorgt.

Unter normalen Umständen hätte Julia sich gegen die Anrede gewehrt, doch heute wollte sie es bewusst übersehen. Sie fühlte tief in sich, dass sie nicht das Recht hatte, hier eine Korrektur zu fordern.

»Ihr kommt sicher ohne mich zurecht.« Herr Hegel machte Anstalten, sich zu erheben.

Doch Julia widersprach sofort. »Bitte bleiben sie bitte, sie müssen das auch erfahren.«

Der Professor setzte sich wieder und lehnte sich zurück.

»Bitte vergessen sie Frau Wiesl.« Frau Hegel ahnte, wie schwach ihre Aufforderung sein würde. »Denken sie bitte an die Aufgabe, die vor ihnen liegt.«

Doch Julia ging überhaupt nicht darauf ein, im Gegenteil, sie war sehr apathisch. Sie fragte nach den Details. »Wer hat das veranlasst?«

»Sie meinen vermutlich die Konsequenzen für Frau Wiesl?« Herr Hegel versuchte, ein wenig Gehalt in die Gedanken zu bringen.

»Es ist mein Bruder.« Frau Hegel gab in kurzen Worten wieder, was genau ausgemacht war.

»Ich muss unbedingt mit ihm reden.« Julia war aufgeregt. »Frauke ist unschuldig.«

»Unschuldig ist sie auf keinen Fall«, antwortete Herr Hegel mit trockener Stimme.

»Doch, das ist sie.« Julia wurde noch erregter. »Ich habe sie erpresst, damit sie das Haus verlässt und mir auf der Terrasse Gesellschaft leistet.« Sie wurde immer verzweifelter. »Ich habe ihr einfach keine Wahl gelassen.«

»Trotzdem«, Herr Hegel versuchte nachzuhaken. »Frau Wiesl hat sich falsch verhalten.«

»Ja, aber sie ist nicht schuld daran.« Julia hatte ihre Stimme nicht mehr unter Kontrolle, sie schrie geradezu. »Wenn jemand bestraft werden muss, dann ich.«

»Das ändert aber an der Lage nichts.« Frau Hegel wartete, bis Julia sich etwas beruhigt hatte, dann erklärte sie die ganzen Zusammenhänge.

»Bitte!« Julia blickte auf. »Ich muss unbedingt mit dem Herrn reden.«

Nach einem intensiven Blickwechsel mit ihrem Mann ließ Frau Hegel sich erweichen. »Ich frage ihn einmal nach einem Termin.« Sie wusste, dass ihr Bruder vielbeschäftigt war.

»Danke, das ist sehr nett.« Julia stand auf und machte eine Verbeugung. Etwas besseres war ihr nicht eingefallen.

»Ich informiere sie, wenn ich etwas erfahren habe.« Frau Hegel griff zum Telefon.

Julia begriff nach einem kurzen Moment, dass sie das Zimmer zu verlassen hatte. Sie drehte sich um und ging in Richtung des Treppenhauses.



In ihrem Zimmer musste sie nicht lange warten, bis Frau Hegel an der Tür klopfte.

Julia öffnete sofort.

»Er erwartet sie morgen in seinem Büro.« Sie reichte der Studentin eine Visitenkarte.

»Vielen Dank, vielen Dank!« Julia bedankte sich überschwänglich. »Sie werden es nicht bereuen.«

»Machen sie sich dann bitte bettfertig.« Frau Hegel blickte kurz auf das Bett mitten im Zimmer.

»Ja, natürlich.« Julia schluckte kurz. »Ich werde wieder das strenge Nachthemd tragen.« Doch in der gleichen Sekunde realisierte sie zwei Sachen. Sie trug unter dem Gürtel keinen Schmetterling, und die aufregenden Spiele mit Frauke würden ebenso nicht mehr stattfinden. Und sie war selbst schuld daran.



Dass Frauke jetzt den Schlüssel zu Keuschheitsgürtel hatte, wäre eigentlich nur ein lustiges Detail gewesen, wenn da nicht das Wissen wäre, dass sie ihn sicher mit ins Gefängnis nehmen würde. Mit etwas Galgenhumor dachte sie daran, dass sie gerade erst die wichtigen Handgriffe für die jeweiligen Notfälle im Bad geübt hatte. Doch sie hatte nicht erwartet, dass es so schnell ernst werden würde.

Doch dann trat sie gedanklich einen Schritt zurück. Sie wollte Carolin auf ihrem Weg folgen, und ein wichtiger Schritt dazu war der Gürtel, den sie jetzt trug. Und zwar zu Bedingungen, die so streng waren, dass es ihr den Atem nahm.

Doch dann brach ihr Gedankengerüst zusammen. Es nutzte nichts, es sich schön denken zu wollen. Sie hatte es versaubeutelt, und dem musste sie sich jetzt stellen, mit allen Konsequenzen.

Wieder begann sie zu weinen. Natürlich wusste sie, dass ihre Tränen niemandem nutzten, aber es tat gut, sich den Kummer von der Seele zu weinen.

Sie wischte sich die Tränen weg und trat den Weg ins Bad an. Sie wusste, dass es heute umständlicher sein würde, doch sie war fest entschlossen, sich diesbezüglich keine Blöße zu geben. Sie wollte sich den Herausforderungen stellen.



»Ah, sie sind schon so weit?« Frau Hegel war nach Julias Aufforderung eingetreten. Sie lächelte, als sie Julias Zustand auf dem Bett entdeckte.

»Ich schaffe es nicht allein.« Julia war etwas verlegen. Das Laken und auch das Nachthemd zeigten, dass sie heftig gekämpft haben musste, doch das Nachthemd war nur bis zur Hüfte heraufgezogen. »Wenn ich eine Hand draußen lasse, dann kann ich es mir bis zu den Schultern hochziehen, aber dann bekomme ich die Hand nicht mehr hinein.« Sie lächelte verlegen.

Frau Hegel blickte fasziniert auf das Bett. Julia schien wirklich heftig mit dem Nachthemd gekämpft zu haben und ihr Gesicht war feucht – es war allerdings nicht zu erkennen, ob es Schweiß oder Tränen waren. »Das schaffen sie auch nicht allein.« Sie erinnerte sich an die kleine Versuchsreihe auf der Burg, als das Nachthemd entwickelt wurde.

Zunächst hatten alle die Mädchen ihre Ideen eingebracht und die Wünsche, die ihnen persönlich wichtig waren. Und dann, nach dem es hergestellt war, durften die künftigen Engel das Nachthemd nach Herzenslust auf die Funktion und die Robustheit testen. Insgesamt wurden drei unterschiedliche Entwürfe angefertigt und jedes Mädchen durfte jedes Exemplar testen. Gemessen wurde jeweils die Zeit, die sie brauchten, um sich mit aller Gewalt aus dem Nachthemd zu befreien oder die Menge an Haut, die nach einer Stunde sichtbar war.

Interessanterweise waren sich alle Mädchen einig, dass ein Modell besonders subtil gearbeitet war. Es zeichnete sich durch viel Freiraum innerhalb des Nachthemdes aus, so dass frau sich darin bequem bewegen konnte. Doch es war weder möglich, sich darauf mit Gewalt zu befreien, noch waren die Verschlüsse auch nur im Entferntesten zu erreichen. Dieses Modell wurde dann für alle Mädchen in Auftrag gegeben. Und sie liebten es.

Das Nachthemd hatte auch noch eine andere sehr praktische Eigenschaft: es konnte von einer Hilfskraft allein bedient werden.

Eine Schwäche hatten die Mädchen damals aber dennoch herausgefunden. Wenn sie sich zusammen taten, dann konnten sie sich den Reißverschluss gegenseitig mit den Zähnen öffnen, was von den anwesenden Zuschauern als durchaus sehr erotisch angesehen wurde. Doch um auch dieses Schlupfloch zu schließen, wurden spezielle Reißverschlüsse angeschafft, die sich verriegeln ließen. Eine andere Variante hatten die Mädchen von sich aus angeboten, nämlich das Tragen einer Perle. Damit war ein gegenseitiges Öffnen ebenfalls nicht mehr möglich. Außerdem unterband es auch noch das sonst so beliebte Schwatzen am Abend.



»Stecken sie bitte ihre Arme in die Ärmel.« Frau Hegel war von diesen seitlich integrierten Armhüllen besonders fasziniert, denn sie nahmen der Eingeschlossenen jegliche sinnvolle Bewegungsmöglichkeit. Und da am Ende sogar ein Fingerhandschuh eingearbeitet war, wurde so sicher gestellt, dass das jeweilige Mädchen sogar die Finger ruhig halten musste. Es gab so absolut keine Möglichkeit, sich am Körper zu berühren, selbst, wenn sie den Keuschheitsausrüstung nicht getragen hatten.

Aber selbst wenn die Mädchen schummeln würden, sich die Arme sich also nur innerhalb des Nachthemdes befinden würden, nutzte es den Mädchen trotzdem nichts, denn auch so hatte es in der Versuchsreihe keine von ihnen geschafft, sich aus dem Nachthemd zu befreien. Diesen Test hatte der damalige Oberengel noch zusätzlich angeregt.



Julia kam der Aufforderung nach, und so langsam erschienen wieder Tränen in ihren Augen. Zu gern hätte sie es gesehen, dass Frauke sie so in das Nachtgefängnis einschloss. Doch aufgrund ihrer kleinen Intrige würde demnächst genau das Gegenteil passieren – Frauke würde in das Gefängnis zurück geschickt werden – unschuldig. Es zerbrach Julia das Herz.

Frau Hegel zog langsam den Reißverschluss nach oben. »Sie müssen mir eines versprechen.«

Julia war schon fast in ihren Gedanken versunken. »Ja?«

»Bitte versuchen sie, mit ihren Gedanken eine Pause zu machen.« Sie griff zur Bettdecke und zog sie über Julias jetzt so hilflosen Körper.

»Ich will es versuchen.« Julia lächelte verlegen. »Würden sie mir noch einmal die Tränen wegwischen?«

»Natürlich.« Frau Hegel holte ein Taschentuch aus der Nachttischschublade und kam damit dem Wunsch nach. »Morgen wird es anders aussehen, vor allem, wenn sie mit Siegfried gesprochen.«

Julia formte mit ihrem Gesicht eine Frage, doch sie sagte nichts.

»Siegfried ist mein Bruder.« Sie lächelte ermutigend. »Ich hatte ihnen doch die Adresse gegeben.«

»Ihr Bruder?« Julia begriff erst jetzt, was dies auch bedeuten könnte, und sie schöpfte darauf ein wenig Hoffnung. Vielleicht ließ sich wegen Frauke ja doch noch etwas machen.

Sie hoffte es sehr, denn sie hatte nicht vor, den Rest ihres Lebens im Keuschheitsgürtel zu verbringen.

An der Tür drehte sich Frau Hegel noch einmal um. »Bitte denken sie daran, was sie mir versprochen haben.«

Julia versuchte sichtbar zu nicken.

»Ich wünsche ihnen trotzdem eine Gute Nacht.« Leise schloss die Frau des Professors die Tür.

Julia seufzte laut, dann schloss sie die Augen.

Sie wartete darauf, dass der Schmetterling seine Arbeit aufnehmen würde. Doch sie wusste auch, dass genau dies jetzt unmöglich war. Zum einen trug sie ihn überhaupt nicht, und selbst wenn, dann könnte sie ihn nicht selbst anschalten.

Für einen Moment bereute sie den Entschluss, das strenge Nachthemd tragen zu wollen, doch dann fielen ihr auch wieder die Gründe dafür ein.

Es waren ihre Brüder, deren Ehre sie mit der Flucht vor der arrangierten Hochzeit verletzt hatte, und die nichts lieber täten, sie auf den elterlichen Hof zurückzuholen. Genau aus diesem Grund hatte sie darauf verzichtet, den so faszinierenden Mantel zu tragen, weil sie wusste, dass sie darin sehr hilflos sein würde und vor allem nicht vor ihren Brüdern davon laufen konnte.

Zum Glück wussten sie nicht, wo sie sich im Moment aufhielt, und selbst Michael, ihr Lieblingsbruder, wusste nur ihren alten Wohnort. Im Moment fühlte sie sich vor ihren Brüdern sicher, doch dafür hatte sie andere Probleme. Probleme, die sie selbst verursacht hatte, und die für die Person, die ihr im Moment am nächsten stand, gravierende Konsequenzen bedeuteten.

Zusätzlich kam noch dazu, dass Hegels große Stücke auf sie setzten und sie den Weg von Carolin gehen sollte, welcher sich als ein sehr beschwerlicher Weg herausstellte. Jetzt war auf einmal alles anders. Doch dann stutzte sie. Nein, alles war nicht anders. Hegel setzen weiterhin große Stücke auf sie und die Engel warteten auf sie.

Julia seufzte tief auf. Die Engel. Im Moment hatte sie sie verdrängt, doch jetzt war es ihr wieder eingefallen. Und sie horchte tief in sich. War sie immer noch bereit, ein Engel zu werden, auch wenn sie immer noch nicht genau wusste, was genau auf sie zukommen würde.

Frauke hätte sie bei allem unterstützen, so wie sie das bisher immer gemacht hatte, doch das sie sich das gerade völlig kaputt gemacht hatte. Sie seufzte tief und wieder begannen die Tränen zu fließen.

* * *

Auch Frauke lag diese Nacht noch lange wach. Immer wieder hatte sie darüber gegrübelt, ob ihr Plan vielleicht doch gelingen konnte. Neben ihr lag das verhasste Dienstbotenkleid und auf den Tisch lagen die Handschellen. Frau Hegel war spät am Abend noch vorbei gekommen und hatte sie von den so demütigenden Ringen um die Handgelenke befreit.

Sie lag auf ihrem Bett und hatte sich mit der leichten Sommerdecke zugedeckt. So blieb ihr wenigstens der Blick auf ihre so demütigende Zwangsunterwäsche erspart. Sie versuchte, nicht ständig über ihr verpfuschtes Leben nachzudenken, trotzdem war sie wegen ihrer aktuellen Lage mindestens so traurig wie auch wütend.

Immer wieder musste sie an den Samstag denken, der jetzt so drastische Folgen für sie zu haben drohte. Sie wollte auf keinen Fall ins Gefängnis zurück, doch sie sah für sich eigentlich auch keine Alternative. Die Vereinbarung mit ihrem Bewährungshelfer, wie sie ihn aber nur in Gedanken nannte, ließen diesbezüglich keine Zweifel. Wenn sie doch nur nicht so egoistisch gewesen wäre, dann könnte sie jetzt ein sorgenfreies Leben führen. Doch weil ihr der Blick auf die Straßenbahn so wichtig geworden war – immerhin war er so etwas wie ein Symbol für die Freiheit – hatte sie jetzt ein gewaltiges Problem.

Sie war ihre verbliebenen Möglichkeiten schon mehrmals durchgegangen – und alle hatte nur wenig Aussicht auf Erfolg. Wobei ihre Ziele durchaus nicht hoch gesteckt waren – sie würde alles tun, wenn sie dafür nur nicht zurück ins Gefängnis musste.

Eine winzige Hoffnung war der Schatz, den sie hütete. Es war zwar überhaupt nicht sicher, ob er überhaupt etwas wert sein würde, doch im Moment stellte er ihren einzigen Besitz dar – wobei letzteres auch nicht ganz richtig war. Sie hatte ihn in den Geheimgängen gefunden und hoffte, die einzige zu sein, die davon Kenntnis hatte.

Wieder dachte sie an den Plan, der ihr heute Nachmittag eingefallen war. Es war jetzt ruhig im Haus, und selbst Herr Hegel, der oft noch lange in seinem Arbeitszimmer saß, hatte sich zu Bett begeben. Es war an der Zeit, ihren Plan umzusetzen.

Sie stand auf und zog sich den weißen Bademantel über. Dieses Kleidungsstück mochte sie genauso wenig wie das Dienstbotenkleid, weil es fest mit der so demütigenden Prozedur der Reinigung verbunden war. Doch wenn sie das schwarze Kleid hier lassen würde, würde es vielleicht mehr nach Flucht aussehen. Denn sie wusste, dass die Nachbarn tagsüber das Haus von Hegels jetzt besonders beobachten würden.

Denn das Haus wollte sie nicht verlassen. Ihr Plan war ein anderer. Sie wollte sich ungesehen in die Speisekammer schleichen und sich dort mit ein paar Lebensmitteln zu versorgen. Und dann wollte sie sich in ihr Geheimversteck zurückziehen, in dem sie schon einige glückliche Stunden verbracht hatte.

Dort konnte sie auch über ihren Schatz wachen – und über noch etwas kostbares, was sie nicht mehr aus den Händen geben wollte: Die Schlüssel zu Julias Keuschheitsensemble. Sie empfand es nur als gerecht, wenn Julia genauso zu leiden hatte. Es würde eine besonders subtile Form der Rache sein.
194. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von Rubberpaar am 02.11.18 10:23

Hallo gag_coll
Wir lesen die Geschichte von Anfang an und sind immer wieder über die Wendungen überrascht die du einbringst ohne etwas weiteres zu verraten.
Gespannt sind wir wirklich darauf, was es mit den Engeln aufsich hat und ob das Kapitel 8 für Julia und Frauke doch noch gut endet.
LG
Rubberpaar
195. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 8 - Böses Erwachen - Teil Acht von Zehn

geschrieben von gag_coll am 06.11.18 05:13

Die Studentin
Kapitel 8 - Böses Erwachen - Teil Acht von Zehn
Autor: Karl Kollar

Als Julia am nächsten Morgen erwachte, stellte sie fest, dass das Kissen ganz nass war. Ihr war sofort klar, dass sie wohl die ganze Nacht geweint haben musste, auch wenn sie sich eigentlich stark geben wollte.

Sie machte die Strampelbewegungen, mit denen sie sich von der Decke befreien konnte, dann setzte sie sich mit einem Schwung auf das Bett und ließ ihre Beine das Bett hinab hängen. Doch genauso wie sie sich das Nachthemd nicht allein anziehen konnte, war sie noch weniger in der Lage, es sich wieder auszuziehen. Bisher war sie davon ausgegangen, dass sie Carolins Nachthemd tragen würde, doch sie fragte sich immer mehr, ob diese Raffinesse nicht Teil etwas weitaus Größeren war.

Ihr Blick fiel auf den Notfallknopf, und sie fragte sich, ob es wohl gerechtfertigt war, ihn jetzt schon zu benutzen. Sie robbte sich zu dem Knopf hin und konnte ihn schließlich mit der Nase drücken. Doch es tat sich nichts. Sie wiederholte es mehrmals, und sie glaubte sogar, die Klingel in Fraukes Zimmer zu hören, doch es tat sich nichts. Sie blieb allein und in dem Nachthemd gefangen.

Die Gedanken fingen an, sich in ihrem Kopf zu bewegen. Frauke war nicht mehr da. Das wäre die Folgerung aus dem, was sie gerade beobachtete.

Es überraschte sie wenig. Doch dann erinnerte sie sich wieder an den vergangenen Tag. Offensichtlich war das, was sie bisher nur befürchtet hatte, nun eingetreten. Frauke war verschwunden, und mit ihr die Schlüssel zu ihrem Keuschheitsensemble.

Sie versuchte aufzustehen, was ihr zu ihrer eigenen Überraschung sogar sehr gut gelang. Doch was sollte sie nun tun? Sie musste sich irgendwie bemerkbar machen. Sie versuchte, in dem Nachthemd zur Tür zu hopsen, auch wenn sie überhaupt keinen Plan hatte, wie es dann weiter gehen sollte. Erst später sollte sie erkennen, dass sie mit diesem Nachthemd keine Chance hatte, die Tür ihrer Wohnung zu öffnen.

Sie merkte sehr schnell, dass sie das Gleichgewicht nicht verlieren durfte, dann sonst würde sie hinfallen. Und sie war sich sicher, dass sie in diesem Nachthemd genauso keine Chance hatte, wieder aufzustehen.

»Was machen sie denn da?« Auf einmal stand Frau Hegel in Julias Wohnung. »Passen sie bitte auf, dass sie sich nicht verletzten.« Ihre Stimme zeigte ihre Besorgnis.

»Ich wollte mich bemerkbar machen.« Julia balancierte mit hochrotem Kopf zurück zu ihrem Bett. Sie erkannte dabei, dass sie mit ihren wenigen kleinen Sprüngen noch nicht weit gekommen war.

»Aber dafür haben wir ihnen doch die Notfallklingel eingerichtet.« Frau Hegel bekam auf einmal einen Verdacht. »Oder ist sie kaputt?«

»Ich weiß nicht.« Julia wollte ihre Vermutung bezüglich Frauke noch nicht äußern. »Ich habe sie benutzt, und ich glaube, ich habe es sogar klingeln gehört. Aber es tat sich nichts.«

Frau Hegel war sichtlich fasziniert von der Qualität des Nachthemdes, auch wenn sie dies auf keinen Fall zeigen wollte. Julia hatte sich wirklich mit all ihrer Kraft gegen den Stoff gewehrt, doch er war an keiner einzigen Stelle gerissen, und auch die Nähte hatten alle wie vorgesehen gehalten. Die Schneiderei hatte wirklich beste Arbeit geleistet.

»Sie ziehen sich jetzt an, und dann sehen wir gemeinsam nach Frau Wiesl.« Sie trat an das Bett und öffnete Julia den langen Reißverschluss, dann half sie ihr, das Nachthemd auszuziehen. Dabei versuchte sie zu verheimlichen, dass sie eigentlich nur nicht allein zum Zimmer von Frau Wiesl gehen wollte.

»Ich bin überrascht, wie robust das Nachthemd doch gearbeitet ist.« Julia lächelte verlegen. Darin ist man wirklich gefangen. Und doch ist es auch sehr bequem.«

Frau Hegel lächelte leicht, doch eine Antwort darauf gab sie nicht. »Jetzt schnell ins Bad, dann sehen wir nach Frau Wiesl und danach werden wir frühstücken.« Ihr Blick fiel auf die drei Schränke. »Und bitte ziehen sie sich heute gleich für die Uni an. Auf das andere Outfit verzichten wir heute.«

Julia nickte noch einmal, dann ging sie mit zügigen Schritten ins Bad.

* * *

Auf dem Weg in das Dachgeschoss fiel es Julia auf, dass sie bisher noch nicht oft in Fraukes Zimmer gewesen war. Und damals, als Frauke es ihr gezeigt hatte, war sie über die spärliche Einrichtung entsetzt gewesen. Trotzdem zitterte sie jetzt auf dem Weg, denn sie wusste nicht, welcher Anblick sie erwarten würde.

Als sie gemeinsam die Tür öffneten, fanden sie den Raum leer vor. Sie traten ein, und sofort entdeckten sie das schwarze Dienstbotenkleid, welches hingeworfen auf dem Bett lag.

»Sie ist weg.« Frau Hegel sprach es aus, obwohl es offensichtlich war.

»Und sie ist sehr wütend auf mich.« Julia deutete auf das Straßenbahn-Modell oder besser auf das, was davon noch übrig geblieben war. Frauke hatte es offenbar zu Boden geworfen und war dann darauf herum getrampelt.

»Oh ja!« Frau Hegel schluckte. »Sie war wirklich sauer.«

»Was machen wir jetzt?« Natürlich hatte Julia eine Idee, wo Frauke sich aufhalten könnte, doch sie hütete sich, etwas zu sagen. Sie wollte ihre Freundin nicht noch einmal verraten.

»Ich werde meinen Bruder informieren.« Die Frau des Professors blickte kurz aus dem Fenster. »Sie kann eigentlich nicht weit gekommen sein.«

»Muss er das wirklich wissen?« Julia stellte diese Frage, bevor sie darüber nachgedacht hatte.

»Unbedingt.« Sie zog die Stirn in Falten. »Ich möchte mich mit ihm beraten, bevor wir die Polizei informieren.«

»Die Polizei?« Julia schluckte heftig, und sie hatte schwer damit zu kämpfen, nicht mit Weinen anzufangen. »Meinen sie wirklich, dass das nötig ist?« Ihre Nervosität stieg an. »Darf ich erst mit ihm sprechen?«

Frau Hegel blickte Julia verwundert an. »Wenn sie ihn vollständig über die Ereignisse informieren, dann will ich gern warten.«

Julia nickte. »Das werde ich machen. Vollständig und ausführlich.« Sie war fest entschlossen, für ihre Freundin zu kämpfen.

»Dann sollten wir jetzt frühstücken.« Frau Hegel war sehr verunsichert, ob sie wirklich das Richtige tat. So eine Situation hatten sie bisher noch nie gehabt.

* * *

»Heute schon fertig für die Uni?« Herr Hegel war extra aufgestanden, als Julia das Esszimmer betrat.

»Ich habe ihr das so gesagt«, erwiderte seine Frau, noch bevor Julia antworten konnte. »Sie wird heute Siegfried aufsuchen.«

»Mit anderen Worten: Sie schwänzen meine Vorlesung.« Er nahm am Tisch Platz. Doch seine Miene zeigte ein Lächeln.

»Ich muss es unbedingt aufklären.« Julia setzte sich ebenfalls an den Tisch. »Frau Wiesl ist unschuldig.«

»Bitte!« Frau Hegel klang ein wenig genervt. »Können wir jetzt auf dieses Thema verzichten?«

»Aber natürlich.« Der Professor lächelte verlegen. »Dann passen sie aber auf, dass sie am Max-Weber-Platz nicht in die falsche Linie einsteigen.«

Julia war über den Themenwechsel erleichtert. »Ich werde aufpassen.«

* * *

Julia hatte die ganze Zeit in der Straßenbahn von Grünwald nach München mit ihren Tränen zu kämpfen gehabt. Immer wieder ging ihr der zentrale Gedanke ihrer Schuld durch den Kopf. Sie war schuld daran, dass Frauke jetzt zurück ins Gefängnis musste. Und das auch nur wegen einer Nichtigkeit.

Normalerweise musste sie schon vorher in eine andere Linie umsteigen, heute konnte sie bis zur Endhaltestelle durchfahren. Doch als sie die Ansage des Fahrer hörte, musste sie feststellen, dass sie noch nie an diesem Ort gewesen war und entsprechend auch nicht wusste, wo welche Straßenbahn abfuhr.

Es kam eine Linie 19 zum Willibald-Platz und Julia verglich das Ziel der Tram noch einmal mit ihrem Zettel. Die Linie stimmte zwar, doch diese Endhaltestelle war so nicht vermerkt. Trotzdem stieg sie ein, denn sie wollte pünktlich bei dem Herrn sein, der drohte, Frauke ins Gefängnis zu bringen.



Sie horchte aufmerksam dem Fahrer zu, wenn er die nächste Haltestelle ankündigte, doch bisher war ihre Station nicht dabei gewesen.

»Die Fahrkarten bitte.« Die resolute Stimme der eben zugestiegenen Kontrolleure ging ihr durch Mark und Bein.

Julia kramte ihre Fahrkarte heraus und hielt sie den Kontrolleuren hin. Sie zitterte dabei, und ihre Augen waren verweint.

»Die Fahrkarte ist hier aber nicht gültig.« Der Mann zückte schon seinen Block und begann Julia nach ihren Daten zu fragen. »Wir sind hier in Laim.«

Doch statt zu antworten, brach Julia jetzt offen in Tränen aus. Sie hatte einfach nicht mehr die Kraft, um vernünftig zu reagieren.

Der Kontrolleur rief nach seiner Kollegin. »Kommst du mal bitte?«

Die Angesprochene kam näher. »Was gibt es denn?«

»Die junge Frau hier hat keinen gültigen Fahrschein.« Der Mann brachte seine Kollegin auf den neuesten Stand.

Julia war verzweifelt. »Aber ich habe mich doch vorher informiert.« Sie begann wieder zu weinen.

»Jetzt schau doch mal hin.« Die Kontrolleurin machte ihren Kollegen auf das Offensichtliche aufmerksam. »Das Mädel ist doch völlig durch den Wind. Wir sollten ihr helfen.«

»Sollen wir die Sanitäter holen?« Der Mann war offensichtlich bereit, seiner Kollegin zu folgen.

»Nein«, schluchzte Julia. »Ich muss doch dringend zu dieser Adresse und bin wohl in die falsche Linie eingestiegen.« Sie kramte ihre Geldbörse heraus. »Was muss ich zahlen?«

»40 Euro.« Der Mann blickte kurz zu seiner Kollegin. »Aber wir werden ein Auge zudrücken.«

»Nein, das möchte ich nicht.« Julia bestand darauf, ihre Strafe zu zahlen. »Aber wie komme ich jetzt zu dieser Adresse?« Sie holte den zerknüllten Zettel aus ihrer Tasche.

Die Frau sah sich den Zettel an und lächelte. »Ja, das ist wirklich die falsche Richtung. Und sie sind sich sicher, dass bei ihnen alles in Ordnung ist?«

Julia schluchzte erneut. »Ich muss unbedingt zu dieser Adresse.«

»Wisst ihr was, ich bring sie schnell hin. Soweit weit weg ist das ja nicht.« Die Kontrolleurin verabschiedete sich von ihren Kollegen. »Wir sehen uns dann in der Zentrale.«

* * *

Klaus Sommer saß in der Tram in die Stadt und ärgerte sich, dass ausgerechnet er als Ältester jetzt diese albernen Besorgungen und Behördengänge machen musste. Viel lieber hätte er es gesehen, dass einer seiner Brüder diese Aufgabe erledigte. Oder noch besser seine Schwester, wenn sich diese nicht schon vor Jahren in eben diese Stadt abgesetzt hätte.

Bisher hatte sich der Nachbar noch besänftigen lassen – Julia würde bestimmt zu ihrem Wort stehen und seine Sohn heiraten, dies hatten sie ihm immer wieder versichert, auch wenn sie selbst wussten, dass sie genau deswegen vom Hof geflohen war.

Den Sommer über und besonders jetzt bei der Ernte war viel zu tun, und deswegen ruhte das Thema. Doch spätestens nach dem Ernte-Dank-Fest würde es wieder akut werden. Und noch wusste die Familie überhaupt nicht, wo Julia überhaupt war.

Mit etwas Schadenfreude beobachtete er, wie wieder ein Schwarzfahrer ertappt wurde. Er hatte sich Gott sei dank mit den richtigen Fahrscheinen versorgt, nachdem ihn seine Brüder diesbezüglich gewarnt hatten.

Er versuchte, einen Blick auf den Übeltäter zu erwischen, als er auf einmal erstarrte, denn er hatte seine Schwester Julia erkannt. Die Julia, die sie schon seit Ewigkeiten suchten. Im ersten Moment wollte er aufstehen und sie ansprechen, doch dann entschied er sich, noch etwas abzuwarten. Die Gefahr, dass sie ihm wieder davon laufen würde, war viel zu groß. Er beschloss, seine Aufträge zu verschieben und lieber seiner Schwester heimlich zu folgen. Vielleicht führte sie ihn so zu ihrem neuen Wohnort.

* * *

Julia wischte sich die Augen aus und blickte die Frau verwundert an. »Warum machen sie das?«

»Ich habe nie Kinder gehabt.« Sie seufzte. »Aber ich habe immer von einem Mädchen geträumt. So eines wie sie sind. So eine Powerfrau.«

»Ich bin doch keine Powerfrau.« Julia protestierte leise.

»Doch! Sie kämpfen aus Liebe. Glauben sie mir, ich sehe so etwas.« Die Frau holte tief Luft. »Und wenn man vor Liebe blind ist, dann steigt man schon mal in die falsche Linie.«

Julia blieb stehen und schluchzte wieder. »Es ist ja noch viel schlimmer. Ich bin Schuld, dass meine wieder Freundin ins Gefängnis muss.«

Die Frau wollte die Geschichte zwar nicht hören, doch sie spürte einen Teil der Motivation, dieses Mädchen antrieb.

Sie blieb bei ihr, bis sie Julia bei dem angegebenen Herrn abgeliefert hatte. »Ich wünsche ihnen viel Glück.«

* * *

Klaus wusste überhaupt nicht mehr, wo er war, doch er fühlte, dass es wichtig war, jetzt an seiner Schwester dran zu bleiben. Sie hatte immer noch in Begleitung der Kontrolleurin ein Bürogebäude im Osten der Stadt aufgesucht, welches die Frau kurz darauf allein verließ. Julia schien noch im Gebäude zu sein.

Während er wartete, inspizierte er das kleine formale Behördenschild, welches besagte, dass er sich vor dem Verwaltungsgebäude der Justizvollzugsanstalt befand.

Sollte seine Schwester etwas ausgefressen haben? War sie vielleicht schon oft beim Schwarzfahren erwischt worden? Doch dann verwarf er den Gedanken wieder. Julia hatte einen sehr verzweifelten Eindruck gemacht und hatte überhaupt nicht auf ihre Umgebung geachtet. Irgendetwas schien sie sehr zu beschäftigen.

196. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von HeMaDo am 06.11.18 11:04

Das kannst du doch nicht machen...
Einfach so mitten drinne aufhören, wenn es spannend wird. Da sind ja sogar meine Fingernägel in Gefahr.

Ich weiß, ich schreibe eigentlich viel zu selten etwas zu den Geschichten, die ich hier lese. Aber was soll ich denn hier auch schreiben? Sie gehört einfach zu den Besten, die man hier zu lesen bekommt. Mach weiter so.

HeMaDo
197. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von Chrissi1 am 06.11.18 11:55

Was soll man den bei so einer großartigen Geschichte noch schreiben.

Schade nur das dieses Kapitel schon bald beendet ist und wir wieder etwas warten müssen bis es weitergeht.

Ich hoffe nur das Julia ihren Fehler wieder geradebiegen kann und Frauke sich wieder beruhigt.

@HeMaDo
Pistazien sollen für das Problem mit den Fingernägeln recht gut sein 😏

Danke nochmals für diese Glanzleistung und weiter so.

Christian
198. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von N0V0 am 06.11.18 19:32

Es wäre schade, wenn es bald zu Ende geht, aber ich hoffe das es noch lange weitergeht... es gibt noch viele möglichkeiten.
199. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 8 - Böses Erwachen - Teil Neun von Zehn

geschrieben von gag_coll am 09.11.18 05:35

Die Studentin
Kapitel 8 - Böses Erwachen - Teil Neun von Zehn
Autor: Karl Kollar

Die Kontrolleurin hatte Herrn Buchelberger kurz über die zurückliegenden Ereignisse informiert, dann wünschte sie Julia noch viel Erfolg bei ihrem Anliegen und verabschiedete sich.

»Nun, Frau Sommer, bitte nehmen sie erst einmal Platz.« Er hatte ihren Zustand auch sofort bemerkt. »Meine Sekretärin wird ihnen einen Kaffee bringen, den sie erst einmal trinken.« Er drückte auf seinem Schreibtisch einen Knopf und bat um das entsprechende Getränk.

Julia kam der Bitte nach und schnäuzte sich noch einmal, dann versuchte sie, ihr Anliegen vorzutragen. »Frauke, ich meine Frau Wiesl ist unschuldig.« Sie holte tief Luft und kämpfte mit ihren Tränen. »Wenn jemand bestraft gehört, dann ich.«

»Das ist nett von ihnen, dass sie sich opfern wollen, doch Frau Wiesl hat sich falsch verhalten.« Es war mehr als offensichtlich, dass er ihr nicht glaubte.

»Ich bin schuld, sie müssen mich verhaften.« In diesem Moment dachte sie nicht über ihre Worte nach. »Bitte, Frauke ist unschuldig.«

In diesem Moment brachte die Sekretärin den Kaffee.

»Jetzt nehmen sie bitte erst einmal einen Schluck, und dann erzählen sie bitte von vorn.« Er wartete, bis Julia wirklich an der Tasse genippt hatte. »Meine Schwester hat mich zwar schon informiert, aber ich möchte es auch einmal von ihnen hören.«

Julia holte tief Luft und sah ihr Gegenüber mit verweinten Augen an. »Ich habe Frauke erpresst.« Jetzt hatte sie es gestanden.

»Sie meinen Frau Wiesl?« Er runzelte die Stirn. »Mit was ist Frau Wiesl erpressbar?«

Julia fühlte sich noch schlechter, weil sie ein weiteres Geheimnis ihrer Freundin verraten musste. »Sie schleicht sich gern in mein Zimmer, weil sie dann einen guten Blick auf die Straßenbahnen hat. Das wollte ich ihr verbieten, wenn sie nicht mit auf die Terrasse kommt. Ich wusste doch nicht…« Sie fing wieder an zu weinen.

Herr Buchelberger reichte ihr ein Taschentuch. So langsam formte sich ein Bild in seinem Kopf.

* * *

Klaus Sommer stand immer noch vor dem Gebäude und wartete auf die Rückkehr seiner Schwester. Er hatte sich sogar davon überzeugt, dass es keinen Hinterausgang gab, beziehungsweise dass sie den Innenhof auch nur durch das Tor verlassen konnte, dass er jetzt gut im Blick hatte.

Ursprünglich wollte er seine Schwester ansprechen, doch den Gedanken hatte er wieder verworfen. Wenn er sich im Hintergrund hielt, dann wäre es vielleicht möglich, den aktuellen Wohnort seiner Schwester herauszubekommen.

* * *

Herr Buchelberger klappte die Akte zu und blickte Julia ernst an. »Jetzt wissen sie alles über die Vergangenheit von Frau Wiesl. Bitte gehen sie sparsam mit dem Wissen um.«

Julia schluckte. »Was meinen sie, wird sie wieder auf den rechten Weg finden?«

Der Beamte sah Julia lange an. »Ich denke, sie könnten sie auf diesem Weg begleiten. Sie haben vielleicht genügend Einfluss auf sie.«

Julia war verzweifelt. »Den habe ich mir durch die Aktion vom Samstag restlos verspielt.«

»Lassen sie sich überraschen.« Er lächelte geheimnisvoll, dann stand er auf und ging langsam zur Tür.

Julia begriff nur langsam, dass ihr Anliegen jetzt beendet war. Sie hätte zu gern noch erfahren, wie sie seine Worte deuten sollte, doch seiner Miene war nichts weiter zu entnehmen. Sie bedankte sich noch einmal für den Kaffee, dann verließ sie ziemlich verwirrt das Büro.

Erst als sie wieder auf der Straße stand, wurde ihr bewusst, dass sie eigentlich nichts Konkretes erreicht hatte. Frauke drohte nach wie vor das Gefängnis, und das, obwohl sie ihr Gewissen erleichtert hatte und ihre Erpressung gebeichtet hatte.

Langsam ging sie zu der Haltestelle, und während sie auf die Tram wartete, fühlte sie, wie sich zwischen all den Ärger und die Trauer auch ein kleines bisschen Hoffnung mischte.

* * *

Herr Buchelberger griff zum Telefon und wählte die Nummer der Polizei-Dienststelle in Grünwald. Er fragte nach einem bestimmten Beamten, doch ihm wurde mitgeteilt, das dieser heute keinen Dienst habe. »Das macht nichts«, antwortete er. »Dann rufe ich ihn privat an.«

Er legte auf und wählte die nächste Nummer. »Siegfried hier«, meldete er sich. »Wir haben ein kleines Problem.«

»Lass mich raten.« Die Stimme der Gegenseite zeigte eine gewisse Anspannung. »Das Problem heißt Frauke Wiesl, und sie ist ausgebüxt.«

»Bei letzterem bin ich mir nicht sicher, aber ich wollte euch auf jeden Fall informieren.« Herr Buchelberger stöhnte etwas. »Was sagt denn das Überwachungssystem, dass ihr ausprobieren wolltet?«

»Erinnere mich bloß da nicht dran.« Die Gegenseite stöhnte. »Die Zulassung wurde zurückgezogen. Wir setzen die Geräte im Moment illegal ein.«

»Nein, nicht das auch noch.« Der Bruder von Frau Hegel stöhnte laut auf. »Kannst du da überhaupt etwas machen?«

»Das einzige, was ich machen kann, ist feststellen, ob sie sich noch auf dem Grundstück befindet.« Er holte tief Luft. »Aber dazu muss ich die Sensoren auf dem Grundstück kontrollieren.«

»Und was sagen die?« Er war ungeduldig.

»Wir haben die noch nicht verdrahtet.« Der Polizist seufzte. »Ich muss hinfahren und die Sensoren einzeln prüfen.«

»Kannst du das wenigstens in Zivil machen?« Herr Buchelberger wollte seiner Schwester und ihrem Mann eventuelles Getratsche ersparen.

»Nein, auch das nicht.« Sein Gegenüber musste ihn enttäuschen. »Das Gegenstück zum Auslesen ist fest im Streifenwagen eingebaut.« Er hatte übrigens auch noch keine Idee, wie er diese Kosten abrechnen sollte. »Und den darf ich nicht in Zivil fahren.«

»Bitte informiere mich sofort, wenn du Ergebnisse hast.« Er verabschiedete sich und legte auf.

* * *

Klaus war seiner Schwester unauffällig bis zu einer imposanten Villa gefolgt. Er hielt genügend Sicherheitsabstand, konnte aber deutlich sehen, dass sie nicht klingelte, sondern offenbar einen Schlüssel hatte. Die Wahrscheinlichkeit, dass er damit ihren aktuellen Aufenthaltsort gefunden hatte, war groß, und er notierte sich sofort die Adresse sowie die Beschreibung der Tramlinien, die er im Rahmen der Verfolgung seiner Schwester genommen hatte.

Doch dann hielt ein Polizeiwagen vor dem Haus und ein Beamter stieg aus. Er schien sich umzublicken, dann ging er ebenfalls auf das Haus zu.

Klaus zog es vor, sich wieder auf die Heimreise zu machen. Er ging zurück zur Haltestelle und während er auf die Tram wartete, überlegte er, wie er und seine Brüder nun am besten vorgehen sollten. Eine Möglichkeit war natürlich, sofort die Eltern zu informieren, oder die Brüder konnten versuchen, das ‚Problem‘ allein zu lösen.

* * *

Wieder klingelte das Telefon. Herr Buchelberger ging dran und meldete sich.

»Sie ist definitiv noch auf dem Grundstück.« Die Gegenseite verzichtete auf jegliche Höflichkeiten.

»Bist du sicher?« Er war sich noch nicht sicher, wie er die Information einordnen sollte.

»Das System ist zwar noch nicht zugelassen, aber es funktioniert.« Die Gegenseite klang ein klein wenig eingeschnappt.

»Ist schon gut.« Herr Buchelberger verabschiedete sich. »Du hast etwas gut bei mir.« Dann legte er auf. Eigentlich mochte er solche Mauscheleien überhaupt nicht, doch im Moment sah er keine andere Möglichkeit.

In Gedanken ging er noch einmal alle Fakten durch und berücksichtigte auch das, was er von dieser so aufgelösten Studentin erfahren hatte. Schließlich rief er seine Sekretärin zu sich. »Bitte bringen sie mir alles, was wir zum Fall Wiesl haben, inklusive der einschlägigen Paragraphen. Und dann setzen sie bitte einen Brief auf. Adressatin ist Frauke Wiesl.«

* * *

Der Weg von der S-Bahn zum elterlichen Hof war lang, doch heute ging Klaus ihn gern. Endlich hatten sie eine Spur ihrer Schwester, die sie so schändlich im Stich gelassen hatte. Er fragte sich, wie wohl Vater und Mutter auf die gute Nachricht reagieren würden.

Dem Vater war das persönliche Schicksal seiner Tochter herzlich egal, ihm war nur wichtig, dass die beiden Höfe endlich, wie eigentlich schon seit Jahren geplant, zusammengelegt werden konnte. Was seine Tochter davon hielt, interessierte ihn überhaupt nicht. Sie hatte sich gefälligst zu fügen.

Die Mutter hatte zwar Verständnis für die Gefühle ihrer Tochter, doch der Hof ging auf jeden Fall vor. Außerdem war es schon zur Geburt ausgemacht, dass die beiden einmal heiraten sollten.

Und was würden seine Brüder sagen? Immerhin wurden sie im Dorf schon schief angesehen, weil sich die Familie nicht an das hielt, was ausgemacht war. Michael würde sich bestimmt zurück halten. Er war jünger als Julia und stand bisher immer auf ihrer Seite. Er beschloss, ihn erst einmal nicht in die Neuigkeiten einzuweihen.

Doch Peter und Bernd würde er sofort informieren. Und dann könnten sie sich beraten, was am besten zu tun sei.

Er überlegte, ob er die Nachbarn auch schon informieren sollte. Doch dann entschied er sich dagegen. Sie mussten sie schon so lange hinhalten – es wäre sehr blamabel, wenn es jetzt noch einmal schief gehen würde.

* * *

Frauke saß in ihrem Versteck auf der Matratze, und neben ihr lag ein Bolzenschneider. Sie hat ihn heimlich aus der Werkstatt geholt, die damals noch von Herrn Hegels Vater eingerichtet worden war. Doch jetzt traute sie sich nicht, ihn einzusetzen. Sie war sich zum einen nicht sicher, ob er überhaupt etwas nützen würde, und außerdem befürchtete sie, dass sie damit ihren Status nur noch verschlechtern würde, wenn ihre Fehlversuche entdeckt werden würden. Sie nahm das Werkzeug in die Hand und dabei grübelte sie über die Möglichkeiten, die ihr noch verblieben waren.

Sie könnte sich heimlich etwas zum Anziehen borgen, dann wäre es ihr wenigstens möglich, das Haus zu verlassen. Im Moment bestand ihre Kleidung nur aus einem weißen Bademantel, mit dem sie genauso auffallen würde, als würde sie mit ihrer stählernen Unterwäsche durch die Gegend laufen.

Mit einer Sonnenbrille könnte sie vielleicht ihr Äußeres ein wenig verändern, doch sie ahnte, dass dies sicher nicht ausreichen würde, um die misstrauischen Nachbarn zu täuschen.

Sie musste wenn überhaupt in der Nacht flüchten, denn nur dann würde sie unbeobachtet das Grundstück verlassen können. Doch sie wusste auch, dass die Haustür in der Nacht verschlossen war. Das wäre kein Problem, wenn sie einen Schlüssel hätte. Doch auf diese Schlüssel hatten Hegels ein wachsames Auge.

Jetzt ärgerte sie sich, dass sie das Kleid zurückgelassen hatte, denn mit dem schwarzen Kleid würde sie in der Dunkelheit viel weniger auffallen.

Sie war immer noch sehr wütend darauf, dass sie auf so schändliche Weise verraten wurde. Wegen so einer Kleinigkeit würde sie nun zurück ins Gefängnis müssen. Wenn sie nur ein klein wenig weniger egoistisch gewesen wäre und auf den Blick auf die Straßenbahn verzichtet hätte, denn hätte sie jetzt nicht das Riesenproblem.

Tränen hatte sie keine mehr. Viel zu oft hatte sie schon ihr verkorkstes Leben beweint, als dass sie jetzt dafür noch etwas übrig gehabt hätte. Die Mutter war Alkoholikerin, der Vater war arbeitslos und hatte seine Tochter oft geschlagen. Ihr brannten jetzt noch die Wangen von den vielen Ohrfeigen. Sie war schon früh von zu Hause abgehauen, und war dann bald auf die schiefe Bahn geraten.

Nein, es gab keinen Grund, auf dieses Leben stolz zu sein. Doch was jetzt auf sie wartete, war eine Ungerechtigkeit, auf die sie selbst nur geringen Einfluss hatte.

Noch mehr bedauerte sie allerdings, dass sie damit auch ihre kleine Schwester verloren hatte, die sie gerade mal ein paar wenige Tage hatte kennenlernen dürfen.

* * *

»Sollten wir nicht die Nachbarn informieren?« Herr Hegel klang sichtlich besorgt.

»Auf keinen Fall die von nebenan, die das Foto gemacht haben.« Frau Hegel erkannte die Besorgnis ihres Mannes. »Aber die anderen werde ich informieren, nachher, bevor ich beim Verein bin.«

»Wo ist Julia eigentlich?« Herr Hegel fragte sich, wie es jetzt weiter gehen sollte.

»Ich glaube, die ist in ihrem Zimmer.« Frau Hegel blickte auf die Uhr. »Gleich kommt die Schneiderin.«

* * *

»Julia, können sie uns bitte helfen?« Frau Hegel klopfte bei Julia an der Tür.

Die Studentin kam mit verweinten Augen an die Tür. »Was ist denn los?« Sie schaffte es nicht, höflich zu klingen.

Frau Hegel übersah sowohl das Aussehen als auch die Unhöflichkeit. »Die Schneiderin ist da wegen ihres Korsetts. Sie könnten uns tragen helfen.«

Julia wischte sich noch einmal durchs Gesicht, dann trat sie aus dem Zimmer und folgte Frau Hegel nach draußen.

»Es müssen einige schwere Kartons hereingetragen werden.« Die Schneiderin stand an der offenen Heckklappe ihres Autos und hatte dort schon einige mehr oder weniger große Kartons gestapelt.

»Das machen wir schon.« Frau Hegel blickte Julia ermunternd an. Auf die Frage, ob sie sich auf das Korsett freuen würde, verzichtete sie allerdings.

Sie nahm den ersten großen Karton entgegen. Julia nahm den nächsten. Zu dritt betraten sie das Haus.

200. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von Rubberpaar am 10.11.18 10:55

Hallo gag_coll
Das verspricht ja ein interessantes Kapitel 9 zu werden. Sind mal gespannt wie Kapitel 8 endet, ob es zumindestens für Jukia und Frauke gut endet.
LG
Rubberpaar
201. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 8 - Böses Erwachen - Teil Zehn von Zehn

geschrieben von gag_coll am 13.11.18 05:13

Die Studentin
Kapitel 8 - Böses Erwachen - Teil Zehn von Zehn
Autor: Karl Kollar

»Wir haben allerdings ein gravierendes Problem.« Frau Hegel wusste, dass sie die ‚Beichte‘ nicht mehr länger hinauszögern konnte, ohne die Schneiderin zu verärgern. »Frau Sommer trägt ihren Gürtel schon, und sie ist im Moment nicht in der Lage, ihn abzulegen.«

Doch die Schneiderin gab sich gelassen. »Das macht nichts, das kann ich heraus rechnen.«

Frau Hegel war überrascht. »Das hatte ich nicht erwartet.«

»Ihr Schützling ist nicht die erste Kundin, bei der ich das Problem habe.« Sie legte sich den Finger auf die Lippen und kniff ein Auge zu.

»Können wir dann heute überhaupt etwas sinnvolles machen?« Frau Hegel blieb verunsichert.

»Ich habe heute nur Teilstücke dabei, die ich noch fein justieren muss.« Sie drehte sich zu der Studentin. »Julia, können sie sich bitte ausziehen?«

Julia kam der Bitte sofort nach.

In der Zwischenzeit packte die Schneiderin die einzelnen Sachen aus.

Für Julia war eine andere Botschaft sehr interessant. Es gab anscheinend viele oder zumindest einige Kundinnen, die ebenfalls so einen Gürtel zu tragen hatten. Sie fragte sich, welche Motive sie wohl dafür hatten. »Das ist ja Leder?« Julia hatte ein Stoffkorsett erwartet. »Und in Weiß?«

»Weiß ist die Farbe der Engel.« Frau Hegel klang in diesem Moment ein wenig stolz. »Es gibt nur einen zukünftigen Engel, der auch Schwarz tragen dürfte.«

»Tara Winthrop« Die Schneiderin verdrehte die Augen. »Ich habe kürzlich bei ihnen ein schwarzes Korsett abliefern dürfen. Eine schreckliche Familie.«

»Aber die Position des schwarzen Engels ist doch noch besetzt?« Frau Hegel wunderte sich.

»Das habe ich auch gesagt.« Die Schneiderin stöhnte. »Aber das wollte die Familie nicht hören.«



Julia war von dem Anblick der Korsetts sichtlich beeindruckt, auch wenn es nur Handzeichnungen waren.

»Auf der Burg haben wir auch Korsetts, die vom Kinn bis zu den Knöcheln reichen.« Frau Hegel holte tief Luft. »Viel bewegen ist damit nicht mehr möglich.«

»Ich weiß.« Die Schneiderin lächelte. »Ich hatte vor einiger Zeit mal den Auftrag, so ein Korsett zu reparieren. Das sind wahre Monster.«

Julia hatte in diesem Moment für kurze Zeit leuchtende Augen, doch dann traten ihre Alltagssorgen wieder zutage.

»Ich kann ihnen jetzt allerdings nicht zeigen, wie das mit dem Zusammensetzen der beiden Korsettteile funktionieren würde, denn dazu müssten sie beide Teile richtig tragen.« Die Schneiderin zeigte auf die entsprechende Zeichnung.

Julia blickte an sich herunter, dann fiel ihr Blick auf die verschiedenen Teile, die vor ihr lagen. »Dann wäre ich ja völlig unbeweglich.«

»Ja, das ist richtig.« Frau Hegel lächelte. »Nur stehen oder liegen ist dann noch möglich.«

»Irgendwie ist es auch faszinierend.« Julia klang für den Moment sehr ehrfürchtig.

* * *

Klaus hatte sich entscheiden, zunächst einmal nur mit seinen beiden jüngeren Brüdern zu sprechen. Michael wollte er nicht einweihen. Er hatte ihn in Verdacht, auf der Seite seiner Schwester zu stehen.

Bernd und Peter waren sofort Feuer und Flamme. »Wir holen sie zurück.«

»Wie willst du das machen? Willst du in der Villa einbrechen?« Er musste den Ehrgeiz der Beiden bremsen. »Nein, so geht das nicht. Wir müssen sie beobachten und dann auf eine gute Gelegenheit warten.«

»Und du bist sicher, dass sie in Grünwald wohnt?« Bernd blieb begeistert.

»Sie hatte zumindest einen Schlüssel für die Villa.« Klaus gab das wieder, was er vor dem Grundstück beobachtet hatte.

»Das heißt noch gar nichts, sie könnte dort ja auch arbeiten?« Bernd wollte die Geschichte immer noch nicht so recht glauben.

»Julia und arbeiten?« Seine Bruder widersprach ihm sofort. »Sie war doch noch nie von den Büchern weg zu kriegen.«

Peter protestierte. »Jetzt tust du ihr aber unrecht, im Stall war sie auch oft.«

»Trotzdem, es würde einfach nicht zu ihr passen.« Klaus gab seine Gedanken wieder. »Aber so eine Villa. Sie kann sich das doch nie leisten. Sie verdient doch noch kein Geld.«

»Wie auch immer, wir müssen sie da raus holen.« Peter gab sich energisch. »Sie muss einfach zu ihrem Wort stehen.«

»Zu ihrem Wort?« Michael kam dazu. »Ihr sprecht von Julia?«

»Naja, sie wurde halt versprochen, und das gilt.« Klaus hoffte, dass sein jüngerer Bruder nicht zu viel von ihrem Gespräch mit angehört hatte.

»Wir sind doch nicht mehr im Mittelalter.« Michael versuchte einen Widerspruch.

»Wenn ein Wort unter Bauern nicht mehr gilt, was gilt denn dann überhaupt.« Klaus war empört.

* * *

Mit zitternden Knie ging Julia kurz vor dem Abendessen noch einmal zu Hegels ins Wohnzimmer, weil sie noch eine ganz gewisse Frage zu beantworten hatte. Sie sollte sich dazu äußern, ob sie bereit war, Carolins Gürtel zu tragen – bis heute hatte sie Bedenkzeit. Das es aus ihrer Sicht eine sehr unfaire Fragestellung war, stand auf einem anderen Blatt.

Sie klopfte vorsichtig an den Türrahmen, obwohl die Tür offen stand, und sie trat ein, nach dem sie dazu aufgefordert wurde.

»Heute endet die Bedenkzeit wegen ihres Gürtels.« Die Stimme ihres Professors war seltsam angespannt.

Doch seine Frau ging sofort dazwischen. »Du bist unhöflich, Winfried. Bitte ihr doch erst einmal einen Platz an.«

Herr Hegel holte das Versäumte nach, dann holte er tief Luft. »Wir wissen, dass sie Frau Wiesl die Schlüssel zu ihrem Gürtel anvertraut haben. Und die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass wir sie nie wieder sehen werden. Aber davon sollten sie sich in ihrer Entscheidung nicht beeinflussen lassen.«

Julia empfand zunächst so etwas wie Verzweiflung, doch dann hielt sie inne, denn sie hatte einen gewissen Unterton gehört. Sie fragte das Naheliegende. »Es gibt Ersatzschlüssel?«

Frau Hegel ergriff ihre Hand. »Ja, die gibt es. Auf der Burg.«

Julia verzichtete auf die Frage, welche Burg gemeint war, zumal sie wusste, dass ein noch ein ‚Aber‘ kommen würde.

»Natürlich könnten wir uns jederzeit die Schlüssel zu ihrer Stahlwäsche besorgen.« Die Frau des Professors holte tief Luft. »Doch das würde bedeuten, dass wir sie nicht einmal mehr zur Ausbildung anmelden dürfen.«

Julia erkannte auf einmal, was dies bedeutete. Sie wäre gezwungen, die ganze Zeit im Stahl gefangen zu sein. Sie sprach ihren Gedanken laut aus.

»Ja, das wäre richtig.« Frau Hegel bestätigte ihre Befürchtungen. »Es sei denn, sie sagen uns, dass sie uns verlassen wollen. Dann könnten wir ihnen innerhalb von 24 Stunden die Schlüssel besorgen, und sie wären wirklich frei.«

Julia musste schlucken. »Wenn Frauke ins Gefängnis muss, dann will ich auch gefangen sein. Das ist sicher nur ein vergleichbar geringes Opfer, aber ich möchte es erbringen.« Sie machte eine bedeutsame Pause. »Nein, ich habe es verdient.«

»Wir sind sehr unglücklich, dass sie diese Entscheidung unter solchen Umständen treffen müssen.« Herr Hegel ergriff die Hand seiner Frau. »Um so mehr wissen wir es zu schätzen.«

»Dann soll es so sein.« Julia holte tief Luft. »Ich werde den Gürtel tragen, komme was wolle.«

* * *

»Wann hast du deinen Termin?« Herr Hegel fragte seine Frau, gleich nach dem er sein Besteck weggelegt hatte.

»Ich muss gleich los.« Frau Hegel blickte kurz auf die Uhr. »Und es könnte länger dauern, vermutlich bis tief in die Nacht.«

Beide blickten Julia mit fragenden Gesichtern an.

Julia erkannte sofort, was die Worte von Frau Hegel wirklich bedeuteten. Sie schluckte und blickte ihren Professor verlegen an.

»Kriegen wir dann nicht mit dem Bund Ärger?« Herr Hegel suchte ebenfalls nach einem Strohhalm, um dem Unvermeidlichen vielleicht doch noch zu entgehen.

»Ich denke nicht.« Frau Hegel berichtete, dass sie extra noch einmal auf der Burg angerufen hatte. »Für gewisse Notfälle sind Ausnahmen vorgesehen. Wir müssen uns also diesbezüglich keine Sorgen machen.« Sie blickte ihren Mann mit einer seltsame Miene an. »Trotzdem wäre es gut, wenn du nicht zu genau hinsiehst.«

Julia stand der Mund auf, weil sie noch dabei war, das Thema, welches gerade besprochen wurde, zu verarbeiteten.

Frau Hegel sah in Julias Gesicht, dass sie das Offensichtliche nicht mehr wiederholen musste. »Bitte sehen sie es wie Bademode im Schwimmbad.«

Dann drehte sie sich wieder zu ihrem Mann. »Ich soll dir ausdrücklich sagen, dass du darauf achten sollst, dass Julia ihre Arme auch wirklich in die Ärmelhüllen gesteckt hat.« Sie blickte kurz zu Julia. »Bei unerfahrenem Personal schummeln die Engel gern.«

Herr Hegel lachte, als er Julias verblüfftes Gesicht gesehen hatte. »Ich glaube, mein Schatz, du hast sie jetzt erst auf die Idee gebracht.«

»Nein, das ist es nicht.« Julia versuchte, ein Lächeln zu zeigen. Doch dann zögerte sie. »Doch, natürlich, es ist so. Aber ich freue mich auch, dass sie mich schon als einen Engel bezeichnen.«

Frau Hegel lächelte, doch eine Antwort gab sie nicht. Doch dann fiel wieder ein Schatten über ihr Gesicht. »Übrigens, mein Bruder hat noch einmal angerufen. Er wird morgen Vormittag vorbei kommen und seine Entscheidung bezüglich Frau Wiesl bekannt geben.«

Julia liefen auf einmal wieder Tränen über das Gesicht. Sie wusste, dass jegliches Flehen keinen Erfolg mehr haben würde, und dass sie keinen Einfluss mehr auf das Schicksal von Frauke haben würde. Alles was für sie möglich war, hatte sie getan. Sie musste es hinnehmen, egal was kommen würde.

»Wir entlassen sie dann in den Abend.« Herr Hegel machte eine entsprechende Handbewegung. »Ich werde dann so gegen neun Uhr vorbei kommen und ihnen helfen.« Es war ihm anzuhören, dass es ihm nicht leicht fiel.

* * *

Julia war sehr traurig auf ihr Zimmer gegangen und nur die Höflichkeit gegenüber Hegels hielt sie davon ab, die Tür laut zuzuschlagen. Weinend ließ sie sich auf das Bett fallen. Sie hatte gekämpft und alles mögliche versucht, doch sie konnte weder ihren Fehler wieder gut machen noch Frauke vor dem Gefängnis bewahren. Es tat ihr so unendlich weh, dass sie ausgerechnet die Person, zu der sie Vertrauen hatte und zu der sie ein inniges Verhältnis aufgebaut hatte, so schändlich verraten hatte.

Fast jeder Gegenstand und jedes Möbelstück erinnerte sie an Frauke, ob es jetzt der Handschuh, die Perlen oder das Pferd waren. Sogar die Bücher erinnerten sie an die Momente, als sie zusammen das Lernen besprochen hatten. Und zu nichts davon war es gekommen.

Seufzend griff sie sich wahllos eines ihrer Fachbücher, dann legte sie sich auf das Bett und blätterte lustlos darin umher.

Sie wusste jetzt zwar viel über Fraukes Vorleben, aber wie es jetzt konkret weiter gehen würde, wusste sie immer noch nicht. Sie hatte es versäumt, Herrn Buchelberger danach zu fragen. Aber das für sie eigentlich Wichtige hatte sie erledigt, sie hatte erklärt, dass Frauke nicht aus freien Stücken das Haus verlassen hatte.

Sie wusste immer noch nicht, ob sie Frauke wiedersehen würde, obwohl sie eine genaue Vorstellung davon hatte, wo sie vielleicht war. Aber sie hatte ihre Freundin schon einmal verraten, ein zweites Mal wollte sie es auf keinen Fall machen. Es stimmte sie zwar sehr traurig, aber sie wusste, dass sie sie vermutlich nie mehr wiedersehen würde. Und das tat weh.

Dabei spielte es überhaupt keine Rolle, dass sie auch noch das Keuschheitsgeschirr trug und Frauke dazu den Schlüssel hatte. Der Tag hatte ihr gezeigt, dass sie mit diesen Einschränkungen durchaus würde leben können. Und insgeheim hatte sie die Hoffnung, dass es noch andere Möglichkeiten geben würde, sich daraus zu befreien. Zum ersten Mal musste sie an ihre Brüder denken. Sie würden sicherlich einen Weg finden, um sie darauf zu befreien.

Nur für einen winzigen Moment glimmte ein wenig Hoffnung in ihr auf. Doch dann fiel ihr der Grund wieder ein, weswegen sie überhaupt weggelaufen war. Sie wollten sie in die Ehe mit einem Mann zwingen, den sie weder mochte, noch das er ihr vom Äußeren her gefiel.

* * *

Punkt 21 Uhr klopfte es bei Julia an die Tür. Julia versuchte gar nicht erst, Begeisterung zu zeigen, als sie ihren Professor herein bat.

»Frau Sommer, glauben sie mir bitte, für mich ist es mindestens so unangenehm wie für sie.« Er hatte ihre Stimmung sofort erkannt. »Tun wir uns also beide einen Gefallen und bringen es schnell hinter uns.«

Mit so einer Eröffnung hatte Julia nicht gerechnet. Sie war etwas verlegen. »Ja natürlich.« Sie blickte sich unsicher um. »Ich werde mich beeilen.«

Herr Hegel war an das Bett herangetreten, auf dem Julia das Nachthemd schon bereit gelegt hatte. »Das ist also das berüchtigte Nachtgewand der Engel.«

Julia zuckte nur mit den Schultern. Insgeheim war ihr das Interesse ihres Professors nicht ganz geheuer. »Ich bin dann mal im Bad.«

»Warten sie einen Moment, ich wollte noch etwas abklären.« Er drehte sich zu Julia. »Ich werde dann aus dem Fenster sehen. Und wenn sie aus dem Bad kommen, ziehen sie bitte das Nachthemd soweit an, wie sie es selbst hinbekommen.«

Julia blickte ihn verwundert an, doch sagen tat sie nichts.

Er lächelte verlegen. »Meine Frau hat mir noch ein paar Tipps gegeben. Und ich werde auch nur dann hinschauen, wenn es gar nicht anders geht.«

»So empfindlich bin ich nicht.« Julia war von der Offenheit ihres Professors gerührt. »Das kriegen wir schon hin.« Dann verschwand sie im Bad.

Während sie sich für die Nacht vorbereitete, musste sie trotz ihrer Betrübtheit über die Zurückhaltung ihres Professors lächeln. Trotzdem beeilte sie sich, denn sie wollte es ihm auch nicht unnötig schwer machen.



Als sie aus dem Bad kam, stand ihr Professor tatsächlich am Fenster und schaute in die Dunkelheit hinaus.

Als Julia dies sah, gab es ihr einen kleinen Stich, denn genau an dieser Stelle war auch immer Frauke gestanden, wenn sie den Straßenbahnen nachschaute und vermutlich über die Freiheit nachdachte, die für sie in so unendlicher Ferne lag.

»Sagen sie einfach, wenn sie soweit sind.« Herr Hegel drehte sich dabei nicht um.

Julia ging mit zügigen Schritten zum Bett. »Das ist also das Nachtgewand der Engel?« Eine Antwort erwartete sie eigentlich nicht.

»Ja, das ist richtig.« Herr Hegel schaute immer noch aus dem Fenster. »Und bitte bohren sie nicht weiter nach, ich habe schon viel zu viel gesagt.«

Julia setzte sich auf das Bett, dann breitete sie das Nachthemd auf dem Bett aus und steckte ihre Füße hinein. Einer Eingebung folgend zog sie sich den Reißverschluss schon bis auf Hüfthöhe zu, so dass ein Großteil ihrer Unterwäsche schon nicht mehr sichtbar war. »Jetzt wäre ich soweit.«

Herr Hegel drehte sich langsam um und kam zum Bett. Ohne groß nachzudenken griff er zum Reißverschluss und begann ihn weiter zuzuziehen.

Doch Julia unterbrach ihn. »Warten sie, ich muss doch erst noch meine Arme verstauen.«

»Jetzt weiß ich, was meine Frau meinte, als sie von unerfahrenem Personal sprach.« Er grinste. »Ich danke ihnen, dass sie so zuverlässig sind.«

Julia verzichtete auf einen Kommentar. Stattdessen steckte sie ihre Arme wie vorgesehen in die beiden seitlichen Armhüllen. »Jetzt können sie langsam zuziehen.«

Herr Hegel kam der Aufforderung nach. »Das mag jetzt etwas komisch klingen, aber ich bin sehr stolz auf sie.«

Julia blickte ihn verwundert an.

»Meine Frau hat mir gesagt, dass sie bei ihrem Bruder waren und für Frau Wiesl gekämpft haben.« Seine Stimme zeigte die Bewunderung.

»Aber es wird nichts nutzen.« Wieder lief eine Träne über ihre Wange.

»Bitte weinen sie nicht mehr, versprechen sie mir das?« Mit einer sehr zärtlichen Bewegung strich er ihr die Träne von der Wange. »Morgen sieht es anders aus.« Er nahm die Bettdecke und deckte Julia damit zu. »Eine gute Nacht und schlafen sie gut.«

Julia blickte ihn an wie einen Vater. »Vielen Dank, Ihnen auch.«
202. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von christoph am 21.11.18 07:22

Hallo.
Ich bin sicher nicht der einzige der auf eine Fortsetzung der super Geschichte wartet.
Ich hoffe das die Brüder Julia nicht bekommen, und das sich alles mit der Dienerin aufklärt und sie nicht ins Gefängnis muß.
Gruß christoph
203. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von kamikazekifferin am 27.11.18 22:56

Huhu Gag_coll

Ich finde jetzt, Julia hat jetz lange genug geschlafen.

gruß
Kami
204. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von gag_coll am 30.11.18 05:30

Hallo Kami,

du hast vermutlich recht... Aber mein Job stresst gerade heftig... (die übliche Jahresendrally)

Ich fürchte, Julia muss noch einige Zeit in dem Nachthemd bleiben... Dass sie sich daraus nicht selbst befreien kann, hat sie ja schon gelernt, also wird ihr nichts übrig bleiben als zu warten... Im Januar wird es (hoffentlich) etwas ruhiger

Viele Grüße
Karl
205. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von mpwh66 am 30.11.18 11:21

Moin nur keinen stress aufkommen lassen es ist so eine klasse Geschichte da warten wir gerne it dann quasi nach weihnachten ...
Gruss mpwh66
Und danke an alle Schreiber und Schreinerinnen
206. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von kamikazekifferin am 01.12.18 17:10

Zitat
Hallo Kami,

du hast vermutlich recht... Aber mein Job stresst gerade heftig... (die übliche Jahresendrally)

Viele Grüße
Karl


Hallo Karl

Wem sagst du das.
Wie jedes Jahr wachen sie auf und stellen fest: Es ist urplötzlich Weihnachen und alle Geraten in Panik, weil sie alle noch ihre Sachen erledigt haben wollen.

Tröste dich damit, dass du da nicht alleine mit bist. Die Leidgeplagten sind alle im Geiste bei dir.

Gruß Kami
207. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von DarkMephisto am 04.01.19 23:10

Hallo gag_coll,

Das ist nun schon die zweite Geschichte nach Maria die ich regelrecht verschlinge.

Eine super Story, ich hoffe das sie bald fortgesetzt wird.

Freundliche Grüße Darkmephisto
208. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von lathol am 06.01.19 21:46

Hallo Karl,
das war ein kurzweiliges Wochenende. Ich habe die bisherigen 8 Kapitel am Stück durchgelesen und bin noch ganz mitgenommen von der Geschichte. Du schreibst wirklich gut und spannend. Die Entwicklung der Geschichte ist geradezu dramatisch furchtbar. Ich hoffe inständig, dass Julia ihre Frauke nicht verliert. Das wäre schrecklich - das darf nicht passieren.
Aber ich schreibe nicht an der Geschichte, ich lese und verschlinge sie. Und warte schon ungeduldig auf die Fortsetzung.
Vielen Dank
Holger
209. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von N0V0 am 11.01.19 01:10

Ohje , ich hoffe das Julia ihre Frauke nicht verliert und ich wünsche ihr weiterhin wunderschöne unschuldige Keuschheitsgürtel Träume
210. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 9 - Veränderungen - Teil Eins von Elf

geschrieben von gag_coll am 02.02.19 17:13

Die Studentin
Kapitel 9 - Veränderungen - Teil Eins von Elf
Autor: Karl Kollar

Frauke schlug die Augen auf und blickte sich um. Es dauerte einige Zeit, bis sie realisierte, wo sie sich befand. Dabei war es nicht das erste Mal, dass sie in ihrem Geheimversteck erwachte. Doch dieses Mal hatte es einen besonders traurigen Hintergrund.

Sie hatte immer wieder überlegt, ob sie nicht einen Fluchtversuch unternehmen sollte. Doch etwas tief in ihr sagte ihr, dass sie sich damit keinen Gefallen tat. Irgendwie ahnte sie, dass sie damit ihre Situation noch schlimmer machen würde, als diese ohnehin schon war.

Außerdem wusste sie nicht, wohin sie hätte hingehen sollte. Zurück in ihr Elternhaus wollte sie auf keinen Fall, und von ihrer alten Clique wollte sie sich ebenfalls fernhalten. Sie hatte zwar noch ihren kürzlich gefundenen Schatz, doch es war ungewiss, was der nach all der Zeit überhaupt noch wert sein würde.

Eigentlich hatte sie sich bei Hegels wohlgefühlt, auch wenn sie durch ihre stählerne Unterwäsche ständig an ihren Status als Gefangene erinnert wurde. Seufzend blickte sie auf die Handschellen, die sie jetzt noch zusätzlich zu tragen hatte.

Sie weigerte sich, daran zu glauben, dass sie wirklich ins Gefängnis zurück musste. Sie war der immer noch der Meinung, dass sie unschuldig war.

Sie musste zwar zugeben, dass sie trotz des Verbots das Haus verlassen hatte, doch immerhin wurde sie dazu auch von Julia genötigt. Sie empfand dies zwar als sehr ungerecht, doch sie sah keine Möglichkeit, wie und bei wem sie sich diesbezüglich beschweren sollte. Denn damit hätte sie mehr oder weniger direkt Hegels eigentliche Ziele sabotiert, an denen sie selbst schon sehr früh gescheitert war.

Außerdem stellte Julia den letzten Versuch Hegels dar, so dass es sich doppelt verbot, dies zu gefährden.

* * *

»Heute Abend wäre wieder ein Pflichtabend für Frau Sommer.« Herr Hegel drehte den Kopf zu seiner Frau, die eben neben ihm erwacht war. »Wollen wir wirklich darauf bestehen? Sie hat doch schon so viel Ärger.«

Frau Hegel blickte ihren Mann verwundert an. »Es ist unsere letzte Chance. Wir sollten es unbedingt probieren.«

Er seufzte tief, denn Julia war auch seine beste Studentin. »Hat dein Bruder schon gesagt, wie er sich entscheiden wird?«

»Nein.« Sie seufzte ebenfalls. »Er hat noch keine Andeutungen gemacht.«

»Julia ist schon sehr weit. Ich konnte sie gestern ausführlich beobachten.« Er versuchte ein verlegenes Lächeln. »Verglichen mit den anderen Kandidatinnen ist sie sehr vielversprechend. Ich bin mir sicher, dass sie das Pferd und den Abend meistern wird.«

»Du solltest doch weg schauen.« Sie versuchte, einen vorwurfsvollen Blick aufzusetzen.

»Das habe ich auch…« Er ignorierte den unterschwelligen Vorwurf. »Und du hattest recht, sie musste mich erst darauf aufmerksam machen, dass sie die Arme noch nicht in den Ärmeln hatte.«

»Das hat sie gemacht?« Frau Hegel war erstaunt. »Das spricht allerdings für sie.« Sie schlug ihre Bettdecke weg. »Wir sollten aufstehen. Ich möchte gleich einmal nach Julia sehen.«

* * *

Als Frau Hegel Julias Zimmer betrat, sah sie, dass die Studentin schon wach war. »Guten Morgen, Julia.« Sie trat an das Bett heran. »Wie geht es ihnen heute?« Doch ein Blick in das verweinte Gesicht beantwortete die Frage deutlicher, als es Worte hätten tun können.

Statt einer Antwort seufzte Julia nur, und sie wartete, bis ihre Vermieterin das Nachthemd geöffnet hatte. Sie zog ihre Arme aus den Hüllen und räkelte sich, dann rieb sie sich die Augen.

»Sie haben wieder geweint?« Frau Hegel erkundigte sich nach dem Offensichtlichen.

Julia nickte nur. Zu einer Antwort war sie nicht fähig.

»Heute wird die Entscheidung fallen, so oder so.« Frau Hegel erklärte, dass auf das Wort ihres Bruders stets Verlass war.

Julia seufzte wieder. »Ich muss in Zukunft mit meiner Schuld leben.« Ihre Stimme klang sehr traurig. Sie war immer noch dabei zu verarbeiten, dass eine so kleine Erpressung so gravierende Auswirkungen haben konnte.

Sehr langsam befreite sie sich weiter aus dem Nachthemd, und als sie dabei ihre Unterwäsche erblickte, in der sie ab sofort gefangen sein würde, fragte sie sich wieder, ob sie diese jemals wieder los werden würde. Natürlich hatten Hegels ihr einen einfachen Weg offengelegt, wie sie trotz aller Umstände und trotz des Schlüssels, der sich in Fraukes Obhut befand, ihre manchmal so demütigende Unterwäsche wieder los werden könne. Doch dieser Weg würde bedeuten, dass sie alles aufgeben müsste – er offenbarte eine erschreckende Zukunft.

Dabei waren die Gegenstände des Keuschheitsgeschirrs, die sie so dich an ihrem Körper zu tragen hatte, gar nicht so unangenehm. Die Leute, die sie hergestellt hatten, schienen ihr Handwerk wirklich zu verstehen.

Und Julia empfand es wirklich als eine gerechte Strafe, die ganzen Sachen jetzt tragen zu müssen. Es war nur eine kleine Entschädigung gegenüber Frauke, die heute sicher wieder zurück ins Gefängnis musste.

Julia konnte nichts mehr tun, um es zu verhindern. Das war auch der Grund, weswegen sie es nicht wagte, sich bei Hegels zu beschweren. Sie wollte diese Strafe auf sich nehmen, auch wenn es Frauke nicht zu Gute kam.

Vermutlich würde es Frauke nicht einmal erfahren. Doch dann dachte Julia wieder an die Schlüssel, die sie ihrer ‚großen Schwester‘ so freudig übergeben hatte. Sie würde wissen, dass sie, Julia, in dem Keuschheitsgeschirr gefangen war und weder sie noch Hegels über den Schlüssel verfügten, ganz sicher.



Julia hatte darauf bestanden, zum Frühstück Carolins Lacksachen zu tragen. Sie wusste, wie unsinnig es war, sich kurz noch einmal umziehen zu müssen, doch sie wollte es auf sich nehmen.

Sie versuchte, damit einen Teil ihrer Schuld abzutragen. Doch tief in sich wusste sie, dass es weder für Hegels keine Rolle spielen würde, noch dass es Frauke irgendwie helfen konnte.

»Sie denken daran, dass heute Abend wieder der Pflichtabend ist?« Frau Hegels Frage riss sie aus ihren Gedanken.

Julia hatte es tatsächlich verdrängt, doch die Worte ihrer Vermieterin erinnerten sie wieder daran. »Was erwarten sie von mir? Und was soll ich alles tragen?«

Frau Hegel holte kurz tief Luft. »Trauen sie sich zu, den Abend bei uns auf dem Pferd zu verbringen?«

Julia schluckte, dann nickte sie langsam. »Ja klar, das kann ich machen.« Sie war in einer Stimmung, in der sie alles zugesagt hätte, um sich von ihrer Schuld abzulenken.

* * *

»Bis wann wollte dein Bruder sich entscheiden?« Herr Hegel nahm noch einen Schluck Kaffee und blickte zwischen seiner Frau und Julia hin und her.

»Er wollte heute Nachmittag vorbei kommen und seine Entscheidung bekannt geben.« Dass sie Frauke schon fast einen ganzen Tag lang nicht gesehen hatte, ignorierte die Frau des Professors. Immerhin hatten sie von der Polizei erfahren, dass sich ihre Dienerin noch auf dem Grundstück befinden musste.

»Wird er sie uns weg nehmen?« Der Professor klang besorgt.

»Ich weiß es nicht.« Seine Frau zuckte mit den Schultern. »Ich habe ihm gesagt, was es für uns bedeuten würde, aber er hat erwidert, dass er darauf keine Rücksicht nehmen kann.« Sie seufzte tief.

Julia verfolgte den Dialog schweigend. Sie hatte wegen ihrer Erpressung ein schlechtes Gewissen und verzichtet ihrerseits auf den Kontakt zu Frauke, obwohl es ihr das Herz zerriss. Sie war sich sehr sicher, dass sich Frauke in ihrem Geheimversteck aufhielt.

* * *

Frauke versuchte, sich ebenfalls abzulenken. Sie dachte wieder und wieder über das erste Gespräch mit Herrn Buchelberger nach, als dieser sie im Gefängnis besucht hatte. Schon als die Wärterin sie damals aus der Zelle holte und ihr sagte, dass sie einen Besucher hätte, hatte sie sich sehr gewundert. Von ihrer Familie erwartete sie keinen Besuch, und von ihrer damaligen Clique würde sich keiner auch nur in die Nähe des Gefängnisses trauen, selbst wenn sie noch auf freiem Fuß wären. Doch soweit sie wusste, waren sie alle zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden.

Sie kannte den Herrn nicht, der ihr an dem Tisch gegenüber saß. Die erste positive Überraschung kam, als er das Wachpersonal aus dem Raum schickte. Frauke hasste diese selbstgefälligen Wärterinnen, die eigentlich bei jedem Kontakt auf sie herab blickten.

»Frau Wiesl, ich möchte ihnen ein Angebot machen.« Er hatte ein Foto vor sich liegen, welches eine repräsentative Villa zeigte.

Im ersten Moment leuchteten Fraukes Augen, denn dieses Haus schien eine reiche Beute zu versprechen. Doch ein Räuspern riss sie wieder in die Wirklichkeit zurück. »Ich hoffe, sie denken nicht gerade an das, was ich denke.«

Frauke schüttelte verlegen den Kopf. Eine Antwort gab sie nicht, doch ihr verlegenes Gesicht verriet sie trotzdem. Und dann hörte sie die Frage, die ihr den Atem nahm.

»Könnten sie sich vorstellen, ihre Strafe in diesem Haus zu verbringen?« Herr Buchelberger blickte sie mit einer gewissen Erwartung an.

Frauke stand der Mund offen. Atemlos hörte sie zu, wie ihr Gegenüber so nach und nach die Bedingungen schilderte, unter denen sie demnächst zu leben hatte.

Es klang alles so wunderbar, und weder der angekündigte Keuschheitsgürtel noch die doppelte Strafdauer schreckten sie wirklich ab.

Seit sie im Gefängnis war, hatte sie darauf verzichtet, sich selbst zu berühren, auch wenn die Sehnsucht groß war. Zu deutlich sah sie die Kamera, die das Innere der kleinen Zelle überwachte. Und auch wenn sie wusste, dass die Kamera nur gelegentlich angeschaltet wurde, um sie zu kontrollieren, reichte es doch, um ihre diesbezüglichen Wünsche zu unterdrücken.

Doch dann wurde ihr der Keuschheitsgürtel und der entsprechende BH angemessen, und sie durfte das Gefängnis erst verlassen, als ihre Stahlunterwäsche sicher an ihrem Körper befestigt war und sie sie nicht mehr abnehmen konnte. ‚Sehen sie es bitte wie ein transportables Gefängnis.‘ Über die Worte musste sie trotz ihrer Situation schmunzeln.



An die regelmäßigen Wartungstermine hatte sie sich schnell gewöhnt, und der Gürtel bewirkte nebenbei, dass sie weiterhin rund um die Uhr an ihren Status als Gefangene erinnert wurde. Sie konnte sie zwar in Hegels Haus frei bewegen, doch dafür gehörte ihr ihr Körper quasi nicht mehr, zumindest die eigentlich interessanten Teile davon.

Es stellte sich weiterhin bald heraus, dass sie Hegels große Ziele bei weitem nicht erfüllen konnte, und stellenweise träumte sie sich sogar ins Gefängnis zurück, weil sie dort nicht die doppelte Strafdauer abzusitzen hatte.

Und stets fuhren die Straßenbahnen am Haus vorbei, und bei jeder einzelnen träumte Frauke davon, eines fernen Tages dort drin zu sitzen und in die Freiheit zu fahren.



Sie seufzte und blickte sich in ihrem winzigen Versteck um. Genau diese Sehnsucht hatte sie letztendlich in diesen Raum geführt, und es stand zu befürchten, dass die schöne Zeit hier im Haus abrupt vorbei war. Und es gab nichts mehr, was sie dagegen tun konnte.

Es gab nur einen winzigen Hoffnungsschimmer, und der bestand darin, dass Hegels dieses Geheimversteck vielleicht nicht kannten. Jetzt verfluchte sie den Samstag, an dem sie Julia dieses Versteck verraten hatte.

Sie fragte sich, auf wessen Seite Julia wohl stehen würde, wenn es hart auf hart kommen würde. Würde sie das Versteck verraten oder würde sie schweigen? Frauke wusste es nicht.
211. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von fiasko am 02.02.19 23:48

Wieder ein tolles Kapitel!
Von vorne bis hinten!

Also von Geheimversteck bis ins Bett.....

212. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von christoph am 03.02.19 09:21

Schön das es weiter geht.
Gruß christoph
213. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von Rubberpaar am 03.02.19 13:36

Hallo gag_coll
Wir sind ja wirklich mal gespannt was es mit den Engeln auf sich hat und wie die Geschiche irgendwann endet.
LG
Rubberpaar
214. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von N0V0 am 03.02.19 20:55

Sehr schön geschrieben... freue mich das es weiter geht
215. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 9 - Veränderungen - Teil Zwei von Elf

geschrieben von gag_coll am 05.02.19 05:27

Die Studentin
Kapitel 9 - Veränderungen - Teil Zwei von Elf
Autor: Karl Kollar

Heute fuhr Julia allein zur Uni, weil Herr Hegel erst später dort sein musste. Sie versuchte, ihre Gedanken an Frauke zu verdrängen und malte sich stattdessen aus, wie es wohl sein würde, wenn sie heute Abend auf dem Pferd sitzen würde. Sie rief sich das Foto in Erinnerung, welches Frau Hegel ihr gezeigt hatte.

Obwohl das Gesicht des Mädchens auf dem Foto nicht zu sehen gewesen war, strahlte sie doch in der mehr oder weniger erzwungenen Haltung eine Menge Stolz aus. Sie fragte sich, wie sich das Mädchen wohl gefühlt haben musste, als das Foto gemacht wurde.

Sie hatte sich den Inhalt des Bildes sehr eingeprägt. Besonders in Erinnerung geblieben war ihr der sehr eng geschnürte Handschuh, der die Arme des Mädchens richtiggehend aneinander presste. Sie musste sehr gelenkig gewesen sein.

Die Beine des Mädchens waren wie bei ihr selbst auch an der unteren Stange festgeschnallt. Deutlich zu sehen waren die hochhackigen Schuhe, die das Mädchen trug, doch an dieser Stelle war Julia in ihren Augen schon weiter. Sie war in der Lage, die Ballettstiefel zu tragen.

Sie war immer noch sehr verblüfft darüber, wie leicht es ihr gefallen war, diese Stiefel zu tragen. Sie war zwar immer noch etwas wackelig auf den Beinen, doch sie hatte sich diesbezüglich zusammengerissen. Sie wollte sich gegenüber ihrem Professor keine Blöße geben, und sie war auch der Meinung, dass sie es sowohl Frauke als auch Carolin schuldig war.

Nur vor dem Sattel hatte sie immer noch etwas Respekt, doch der Tag gestern hatte ihr gezeigt, dass sie sogar mit dem Gürtel darauf gut sitzen konnte. Sie wagte es nicht, es sich selbst einzugestehen, doch tief in ihrem Inneren wusste sie, dass sie an dieser ganz besonderen Haltung Spaß haben würde.

Doch dann hielt sie inne. War sie wirklich schon in der Lage, die Haltung ganze zwei Stunden auszuhalten? Sie wusste es nicht.



Ein verwegener Gedanke tauchte auf einmal auf. Sie überlegte, zusätzlich auch die Perle zu tragen. Sie war sich sicher, dass sie Hegels damit eine Freude machen würde, und es würde sie die zwei Stunden lang daran erinnern, sich nicht über die gewiss einsetzenden Schmerzen zu beklagen.

Denn die Schmerzen hatte sie verdient. Es half Frauke zwar nicht, und sie würde es auch nicht erfahren, doch Julia wollte für ihre Freundin leiden und sich selbst bestrafen.

* * *

Sie hatte gedacht, dass es in der Universität leichter wäre, ihre Schuld zu vergessen, doch in fast jeder Situation glaubte sie, Frauke zu sehen. Sie hatte große Schwierigkeiten, sich auf den Inhalt der jeweiligen Vorlesung zu konzentrieren. Immer wieder sah die Fraukes traurige Augen vor sich, und sie fürchtete sich vor dem Nachmittag, wenn Herr Buchelberger kommen würde und Frauke mitnehmen würde.

Sie versuchte, ihre innere Stimme zu ignorieren, die sie immer wieder an ihre Schuld erinnerte. Immer wieder gingen ihr die Gedanken durch den Kopf, die ihr sagten, das Frauke wegen ihr und ihrer kleinen Erpressung wieder zurück ins Gefängnis musste.

Sie zählte die Minuten, doch es gab nichts, mit dem sie etwas hätte ändern konnte. Sie wünschte sich, sie könne die Zeit anhalten oder vielleicht sogar zurückdrehen, doch all ihre Bemühungen waren umsonst, und der tragische Moment kam näher und näher.

* * *

Klaus Sommer ging in den Stall, weil er dort seine beiden Brüder mit dem Ausmisten beschäftigt wusste. Obwohl er wusste, dass sie nicht gehört werden konnten, sprach er leise, als er Peter und Bernd zu sich bat.

»Was ist los, dass du uns von der Arbeit abhältst?« Peter stellte seine Mistgabel zur Seite.

»Ich denke, ich weiß, wo Julia wohnt.« Obwohl er leise sprach, zitterte seine Stimme vor Erregung.

»Worauf warten wir dann?« Bernd ließ sein Arbeitsgerät ebenfalls los. »Fahren wir los und holen sie.«

»Das stellst du dir zu einfach vor.« Klaus musste seine Brüder bremsen. »Sie darf uns nicht noch einmal weglaufen.«

»Und was schlägst du vor?« Peter spürte, dass sein ältester Bruder einen Plan zu haben schien.

»Wir sollten erst einmal mit unseren Eltern darüber sprechen.« Klaus gab wieder, was er sich schon überlegt hatte. »Wir werden es ihnen heute Abend sagen.«

* * *

Normalerweise vertraute er seiner Sekretärin blind, doch dieses Mal war ihm wichtig, jedes Wort noch einmal selbst zu kontrollieren. Denn dieser Brief für Frau Wiesl hatte mit seinen sonstigen Schreiben überhaupt nichts zu tun. Außerdem betraf ihn der Inhalt dieses Briefes auch persönlich, denn er hatte seine Kompetenzen weit überschritten, und genau das drohte ihm jetzt auf die Füße zu fallen. Er hatte den Brief zwar diktiert, aber wie üblich hatte seine Sekretärin noch auf die Form und die üblichen Formalitäten geachtet.

Er nahm einen Umschlag zur Hand und beschriftete ihn mit ‚Frauke Wiesl‘, dann faltete er den Brief und steckte ihn in den Umschlag. Auf das Zukleben verzichtete er, denn er wusste, dass er den Brief persönlich abgeben würde.

Er rief seine Sekretärin zu sich und erkundigte sich nach den Terminen von heute.

»Ich habe ihnen den Nachmittag freigehalten, so wie sie es wollten.« Sie warf noch einmal einen Blick auf den Kalender.

»Danke, das war gut.« Er sah auf die Uhr. »Ich denke, ich werde erst nach 17 Uhr zurück sein. Wenn nichts mehr anliegt, können sie heute etwas früher Schluss machen.« Trotz seiner inneren Anspannung lächelte er ein wenig.

»Wo kann ich sie erreichen?« Es war wichtig für sie zu wissen, wo sich ihr Chef jeweils aufhielt. Es kam nicht oft vor, dass er einen Außentermin hatte.

»Ich bin bei meiner Schwester.« Er nannte kurz die Adresse. »Aber ich wäre ihnen sehr dankbar, wenn sie mich dort nicht stören würden. Vertrösten sie die Leute, die etwas von mir wollen.«

»Aber natürlich.« Sie lächelte kurz, dann zog sie sich zurück. An der Tür drehte sie sich noch einmal um. »Viel Erfolg.«

»Danke.« Insgeheim war er für seine sehr einfühlsame Sekretärin sehr dankbar.

* * *

Frauke blickte wieder und wieder auf die Lebensmittel, die sie sich ‚organisiert‘ hatte, und sie fragte sich, ob es schon Mittag war. Sie wusste, dass es ihre letzte Mahlzeit in Freiheit sein würde, und entsprechend wollte sie es genießen.

Der Beamte hatte sich für heute Nachmittag angesagt, und in der Vergangenheit war er immer sehr pünktlich gewesen.

Seufzend griff sie zu Brot und Käse, und mit Tränen in den Augen begann sie von beiden Teilen abzubeißen.

Ihr Blick fiel dabei auf das kleine Bündel, dass sie sich schon gepackt hatte. Es enthielt eigentlich nur ihre Zahnbürste sowie noch ein paar kleine Erinnerungsstücke, und sie hoffte sehr, dass diese nicht verloren gehen würden, wenn sie bei der Eingangskontrolle ihre Sachen abgeben musste.

Je weiter die Zeit voran schritt, desto mehr bereute sie die Entscheidung, Julia das Geheimversteck gezeigt zu haben. Sie wusste oder zumindest glaubte sie zu wissen, dass Julia einer strengen Vernehmung nicht standhalten würde und ihr Geheimversteck verraten würde.

Zum Glück hatte sie ihr noch nichts von dem Schatz erzählt, so dass wenigsten der erhalten bleiben würde, auch wenn sie dafür noch lange warten musste.

* * *

Herr Buchelberger holte sich seinen Mantel, dann nahm er noch die Papiere für den Dienstwagen aus dem Regal und machte sich auf den Weg zur Tiefgarage.

Auf dem Weg dahin fragte er sich, wie die Anwesenden wohl auf seine Entscheidung reagieren würden. Er war sich sehr unsicher, ob seine Entscheidung wirklich richtig war. Er hatte ‚sichtbare Konsequenzen‘ versprochen und er grübelte immer wieder, ob seine Lösung die nervigen Nachbarn wirklich beruhigen konnte. Er wusste, dass es wichtig war, persönlich bei ihnen vorstellig zu werden und die gewählte Lösung in aller Ernsthaftigkeit vorzutragen.



Als er bei Hegel ankam, sah er, dass das Tor schon offen stand. Er fuhr direkt auf das Grundstück und ließ seinen Wagen dort stehen, dann ging er zum Haus.

Julia hatte das Auto schon vom Fenster aus gesehen, und als sie den Herrn wieder erkannte, den sie gestern aufgesucht hatte, begann sie zu zittern.

Ihr erster Impuls war, sich zu verstecken. Doch dann erkannte sie, wie lächerlich dieses Verhalten war, und sie gab den Gedanken auf. Sie horchte in sich hinein, und eine innere Stimme sagte ihr, dass es besser wäre, sich der Verantwortung zu stellen.

Tief seufzend machte sie sich auf den Weg zum Treppenhaus. Dass sie die Lackkleidung trug, hatte sie in diesem Moment ganz ignoriert. Erst als sie den verwunderten Blick von Herrn Buchelberger sah und an sich herunter blickte, wurde ihr bewusst, dass sie einen seltsamen Anblick bieten musste. Aber jetzt war es zu spät, um es noch zu ändern.

»Guten Tag, Frau Sommer.« Er wartete, bis Julia neben ihr stand, dann reichte er ihr die Hand. »Ich freue mich, dass sie die Kleidung meiner Nichte tragen.«

Mit so einer Eröffnung hatte Julia nun überhaupt nicht gerechnet. Sie brauchte einen Moment, bis sie den Inhalt der Äußerung nachvollziehen konnte. Nur langsam fand sie ihre Worte wieder. »Ja, das ist faszinierende Kleidung.«

Für einen kurzen Moment hatte Julia den Grund verdrängt, weswegen der Herr gekommen war. Jetzt holte sie tief Luft. »Wie haben sie sich entschieden?« Sie blickte ihn mit einer Mischung aus Flehen und Verzweiflung an.

»Ach ja richtig, Frau Wiesl.« Er versuchte, sein innerliches Lächeln nicht zu zeigen. Etwas umständlich holte er einen Brief aus seiner Aktentasche. »Bringen sie den bitte zu ihrer Freundin.« Er reichte Julia den Umschlag, auf dem sie nur den Schriftzug ‚Frauke Wiesl‘ sah. Allerdings war es ein Umschlag der Justizbehörde, wie es auf dem Vordruck deutlich zu lesen war.

Julia war für einen Moment wie gelähmt. Ihre Hand zitterte, als sie den Brief entgegen nahm. »Ja, äh...« Sie war verwirrt.

Nur langsam kam ihre Intelligenz wieder durch. Er schien alles zu wissen.

Vor allem schien er zu wissen, wo Frauke sich aufhielt, und er traute ihr zu, dies ebenfalls zu wissen.

Und dennoch vertraute er ihr? Sie war wirklich verwirrt. »Wollten sie sie nicht mitnehmen?« Sie musste es einfach fragen.

»Es steht alles in dem Brief.« Trotz der innerlichen Anspannung schaffte er es, eine neutrale Miene zu wahren. »Jetzt gehen sie schon zu ihr.«

Julia zögerte immer noch. »Das ist eine Falle. Sie wollen, dass ich sie zu ihr führe.« Sie konnte nicht verhindern, dass ihre Stimme sehr vorwurfsvoll klang.

»Und bitte bleiben sie bei ihr, bis sie den Brief gelesen hat.« Er übersah ihren Einwand und drehte sich zu seiner Schwester. »Habt ihr einen Kaffee für mich?«

»Aber ja.« Auch Frau Hegel hatte die Szene aufmerksam verfolgt, doch auch sie gab Julia keinen Hinweis, wie sie nun reagieren sollte. »Komm bitte in die Küche.«

216. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 9 - Veränderungen - Teil Drei von Elf

geschrieben von gag_coll am 08.02.19 06:09

Die Studentin
Kapitel 9 - Veränderungen - Teil Drei von Elf
Autor: Karl Kollar

Julia blickte verwundert hinterher, und erst als sie sich Küchentür schloss, kam etwas Bewegung in ihre Gedanken.

Sie war erleichtert, dass sie nicht ihrem ersten Impuls gefolgt war und einfach los gelaufen war. Jetzt konnte sie in aller Ruhe überlegen, wie sie am besten vorgehen konnte.

Es gab in jeder Etage Zugänge zu den alten Heizgängen, doch Julia wollte diese nicht unnötig an ihre Vermieter verraten. Bisher war sie ein wenig stolz darauf, dass sie dieses Geheimnis mit Frauke teilen durfte.

Doch dann wurde ihr bewusst, dass sich einer der Zugänge direkt in ihrem Zimmer befand. Und dort konnte sie sehen, ob sie jemand verfolgt hatte. Zumal sich der Eingang auch noch im toten Winkel der Notfall-Kamera befand, wie sie von Frauke erfahren hatte.

Langsam ging sie zur Treppe und schritt langsam hinauf, während der Brief in ihren Händen zu brennen schien. Dabei achtete sie sorgfältig darauf, dass ihr keiner folgte. Doch zu ihrer Erleichterung blieb die Küchentür zu, und auch sonst sah sie niemanden.

Trotzdem betrat sie erst einmal ihr Zimmer und ging zum Fenster. Sie hoffte, so den unbeobachteten Bereich ihres Zimmers getroffen zu haben. Trotzdem blieb sie noch eine Weile dort stehen und tat so, als würde sie nach draußen schauen. Erst als sie erkannte, dass Frauke wohl auch genau an dieser Stelle gestanden haben musste, beschloss sie, jetzt zu ihr zu gehen.

Obwohl sie eigentlich wusste, dass sie allein war, drehte sie sich doch mehrmals um, um sich zu vergewissern, dass ihr keiner folgte. Schließlich stand sie vor der kleinen Kommode, in deren oberen Rand der Mechanismus zum Öffnen der Geheimtür versteckt war. Sie blickte sich ein letztes Mal um, dann drückte sie die beiden Knöpfe, und mit einem leisen Knacken öffnete sich die Geheimtür.

Julia hielt den Atem an und horchte, ob sie irgendwelche Geräusche vernahm, doch es blieb so still wie immer. Mit viel Herzklopfen betrat Julia den dunklen Gang und machte sich auf den Weg zu Fraukes Versteck.



»Kommst du, um mich zu verraten?« Frauke saß zusammengesunken auf der Matratze, sie hatte kaum aufgesehen, als Julia herunterkam, doch aus ihrer Stimme sprach einfach alles: Hass, Verachtung und Angst vor der Zukunft.

»Den soll ich dir geben.« Julia ignorierte die Stimmung und reichte ihr den Brief. »Ich soll bei dir bleiben, bis du ihn gelesen hast.«

Frauke blickte Julia sehr verwundert und immer noch verächtlich an. »Sie kommen nicht, um mich abzuholen?«

»Das weiß ich nicht.« Julia zuckte etwas ratlos mit den Schultern. »Was schreiben sie denn?«

Frauke hielt den Brief einige Zeit in der Hand, und es war gut zu sehen, wie sehr sie dabei zitterte.

Schließlich gab sie sich einen Ruck und versuchte ihn zu öffnen. »Er ist nicht zugeklebt?« Zuerst war sie verwundert, dann blickte sie Julia fragend an. »Du hast ihn schon gelesen?« Ihre Augen funkelten sehr zornig.

Doch Julia beteuerte ihre Unschuld. »Ich habe ihn so bekommen.«

Endlich nahm Frauke den Brief heraus und las ihn. Schon nach kurzer Zeit begann sie zu zittern, und es liefen Tränen über ihr Gesicht.

Julia hatte es nicht gewagt, Frauke ins Gesicht zu sehen, seit sie den Brief geöffnet hatte. Erst als sie ein seltsames Lachen hörte, wagte sie es, aufzublicken. Obwohl Frauke noch genauso da saß wie zuvor, sah sie doch ganz verändert aus und strahlte Julia durch ihre Tränen freudig an. Den Brief hatte sie vor sich zu Boden fallen lassen.

Julia beugte sich hinab und nahm sich den Brief in die Hand, um ihn zu lesen.

Doch Frauke unterbrach sie. »Liest du immer fremde Post?« Sie schluchzte, doch das freche Grinsen in ihrem tränenüberströmten Gesicht verriet sie.

Julia wurde rot und ließ das Papier wieder sinken.

»Nun lies schon.« Frauke war noch dabei, das eben Gelesene zu verarbeiten.

Julia hob ihre Arme wieder hoch, und sehr neugierig begann sie den Brief zu lesen.

Es war reines Juristen-Deutsch, und es dauerte einige Zeit, bis sie den Inhalt verstanden hatte. Zunächst wurde Fraukes Schuld festgestellt und auf die Notwendigkeit einer Strafverschärfung hingewiesen.

Doch dann kam ein Satz, der ihr den Atem nahm. Sie selbst wurde als weitere Aufsichtsperson für Frauke bestimmt, und bei dieser Aufgabe hätte sie diverse Auflagen zu erfüllen.

Die wichtigste Aufgabe war, Frauke bei Spaziergängen im Ort zu begleiten. Sie hätte dabei dieses Schreiben mit sich zu führen und gegebenenfalls bei Kontrollen durch die Polizei vorzuweisen.

Eine weitere Bedingung verblüffte sie noch viel mehr: Sie hatte die Auflage, Frauke mit Handschellen an sich zu binden, wenn sie das Grundstück verlassen wollten. Auf Hegels Grundstück genügte die gemeinsame Anwesenheit. Sie sollten lediglich darauf achten, dass Frauke nicht allein in den Garten ging. Auf der Terrasse wäre es in Ordnung.

In Julia brachen alle Dämme, und sie begann hemmungslos zu weinen. Zu groß waren die Gefühle der Erleichterung, als dass sie sich noch hätte unter Kontrolle halten können.

Erst als Frauke sie zu sich herunter auf das Sofa zog und sie mit großer Kraft umarmte, als Julia Fraukes streichelnde Hand spürte, konnte sie sich ein wenig beruhigen und die Umarmung erwidern.

Nach einer gefühlten Ewigkeit lockerte Frauke die Umarmung und sagte »Ich glaube, wir müssen uns bei jemand bedanken.« Ihre Stimme war dabei unerwartet trocken. Auch sie war noch dabei, ihr unerwartetes Glück zu verarbeiten.

* * *

»Nun sag schon, wie hast du dich entschieden?« Es lag Frau Hegel sehr daran, von der Entscheidung ihres Bruders zu erfahren. Sie blickte ihn erwartungsvoll an.

Doch Herr Buchelberger ignorierte die Frage. »Hoffentlich kommen sie bald.« Er lächelte. »Wir haben noch einiges zu erledigen.«

Er nahm einen Schluck Kaffee aus der Tasse, die vor ihm auf dem Tisch stand. Immerhin hatte er noch etwas vor, auf das er sich vorbereiten musste.

Seine Schwester sah ihn flehend an, doch mehr als ein Lächeln und die Worte ‚Vertrau mir‘ konnte sie ihm nicht entlocken.

»Ah, hier seid ihr.« Herr Hegel kam in die Küche. Auch in seinem Gesicht stand Besorgnis.

»Frau Sommer bringt den Brief mit meiner Entscheidung gerade zu Frau Wiesl.« Der Bruder von Frau Hegel blickte seinen Schwager gespannt an. »Ich denke, sie werden gleich zurück kommen.«

»Und, wie lautet die Entscheidung?« Auch der Professor war sehr an der Entscheidung interessiert, wenn auch aus anderen Gründen.

Herr Buchelberger lächelte. »Ihr werdet es gleich erfahren.«

Gleich darauf waren von draußen Schritte zu hören. Er stand auf und drehte sich zur Tür.

Gleich darauf betraten Julia und Frauke die Küche. Sie hielten sich an den Händen und strahlten bis über beide Ohren.

»Frau Wiesl, bitte machen sie sich fertig, ich werde sie gleich mitnehmen.« Er hatte große Mühe, bei dem Satz Ernst zu bleiben. Doch er sah sofort, dass die Botschaft die erhoffte Wirkung hatte.

Bei Julia und Frauke schossen sofort wieder die Tränen in die Augen. »Aber...« Sie drückten ihre Hände noch fester aneinander.

Die Miene von Herrn Buchelberger entspannte sich und er lächelte. »Sehr gut. Ich wollte nur sicherstellen, dass sie sich des Ernstes der Situation bewusst sind.« Er holte tief Luft. »Es gibt keinen Grund zu Freude und Dankbarkeit, sondern wir besprechen nur die Bedingungen einer Strafverschärfung.«

Julia und Frauke brauchten einige Zeit, bis sie seine Worte verarbeitet hatten. Es war still in der Küche.

»Ja, natürlich.« Julia fand zuerst ihre Worte wieder. »Ich werde gut auf Frau Wiesl aufpassen und sie fest an mich binden.« Sie drückte Fraukes Hand fest.

»Als erstes müssen wir zu den Nachbarn.« Herr Buchelberger nahm noch einen Schluck aus der Kaffeetasse und stellte sie zurück auf den Tisch.

»Was wollen wir denn da?« Fraukes Stimme zitterte bei dem Gedanken, die Leute aufzusuchen, die sie offensichtlich denunziert hatten.

Herr Buchelberger blickte zwischen Julia und Frauke hin und her. »Sie wollen doch in Zukunft ohne Probleme nach draußen gehen, ohne Angst vor den Nachbarn.«

»Ja sicher.« Frauke zögerte mit der Antwort, denn der plötzliche Freiheitsgewinn war ihr sehr unheimlich.

»Sehen sie es als eine vertrauensbildende Maßnahme.« Er lächelte. »Und außerdem möchte ich nicht ständig von denen belästigt werden.«

Jetzt hatte auch Julia sein Anliegen begriffen. »Ich würde mich dann umziehen gehen.«

Doch Herr Buchelberger hielt sie zurück. »Warten sie, bleiben sie bitte so wie jetzt sind.« Er griff zu seiner Tasche. »Frau Wiesl, kommen sie bitte einmal zu mir.«

Frauke ließ Julias Hand los, dann ging sie sich wie verlangt zu Herrn Buchelberger.

»Bitte tragen sie ab jetzt immer dieses Handy bei sich.« Er holte das Telefon aus seiner Tasche und reichte Frauke das Gerät.

»Damit sie mich überwachen können?« Frauke schaffte es noch nicht, ihr Misstrauen abzulegen.

»Ja, es ist für ihre Überwachung.« Herr Buchelberger hatte insgeheim mit dieser Reaktion gerechnet. »Denken sie daran, dass sie die Gemeinde nicht verlassen dürfen.«

Frauke erwiderte nichts und senkte stattdessen den Kopf.

»Aber es gibt noch eine viel wichtigere Funktion«, ergänzte er nach einer kurzen aber bedeutsamen Pause.

Frauke blickte verwundert auf. »Und zwar?«

Der Beamte holte tief Luft. »Damit können sie mich direkt anrufen, wenn sie einmal Probleme mit den Behörden oder der Polizei haben sollten.«

Frauke wurde rot. »Ja, natürlich«, stammelte sie.

Er wandte sich an seine Schwester. »Habt ihr einen passende Jacke für Julia?« Insgeheim fand er diesen Lackstoff auch sehr faszinierend, doch in seinem Beruf durfte es keine Rolle spielen.

»Im zweiten Schrank ist sicher etwas Passendes.« Frau Hegel wusste, mit was sie alles Julias Garderobe ausgestattet hatten.

»Dann holen sie sich eine passende Jacke.« Er griff zu seinem Portemonnaie, nahm einige große Scheine heraus heraus und reichte sie Frauke. »Bitte kaufen sie sich etwas unauffälligeres zum Anziehen.«

Frauke wollte es zunächst nicht glauben. »Wieso?« Obwohl sie es sich selbst kaum eingestehen wollte, hatte sie sich doch an das Dienstbotenkleid gewöhnt.

»Ich möchte nicht mehr, dass sie in der Öffentlichkeit auffallen.« Er hatte erkannt, dass seine Idee von damals sich als nicht mehr geeignet heraus gestellt hatte. Deswegen zahlte er das Geld auch aus seiner privaten Geldbörse.

»Es muss natürlich ein Rock oder ein Kleid sein.« Frau Hegel erinnerte an die Schenkelbänder, ohne dass sie es konkret aussprach.

»Dann holt euch eure Jacken.« Er blickte die beiden Mädchen erwartungsvoll an. »Wir treffen uns in zehn Minuten an der Haustür.«

217. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von lot am 09.02.19 10:46

Danke für die tolle Fortsetzung. weiter so.


viele Grüße und ein schönes Wochenende
218. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von lathol am 09.02.19 17:25

Gott sei Dank bleibt uns Frauke erhalten. Selten ein SChaden, wo nicht ein Nutzen. Eigentlich hat sie ja keine Strafverschäfung erfahren. Immerhin darf sie unter bestimmten Umständen jetzt das Haus verlassen.
Ich bin sehr gespannt, wie es weitergeht. Danke für die Story
Gruß
Holger
219. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von folssom am 09.02.19 23:07

Sehr schöne und detailreich geschriebene Geschichte.
220. RE: Der Mantel der Studentin (überarbeitete Fassung)

geschrieben von folssom am 09.02.19 23:07

Sehr schöne und detailreich geschriebene Geschichte.


Sorry, Doppelposting
Bitte löschen.
221. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 9 - Veränderungen - Teil Vier von Elf

geschrieben von gag_coll am 16.02.19 04:55

Die Studentin
Kapitel 9 - Veränderungen - Teil Vier von Elf
Autor: Karl Kollar

Julia wagte erst etwas zu sagen, als sie ihr Zimmer betreten hatten. »Ich bin ja so erleichtert.«

»Ja, ich auch.« Frauke hatte immer noch Mühe, Worte zu finden.

Die Studentin trat an ihren zweiten Schrank und öffnete ihn. Etwas ratlos blickte sie herein.

»Wie wäre es hier mit der dunkelblauen Jacke?« Frauke zeigte auf das Kleidungsstück, welches ihr ins Auge gefallen war. »Das passt gut zur schwarzen Hose.«

»Eigentlich passt alles zur schwarzen Hose.« Julia grinste, dann griff sie hinein und nahm sich die Jacke heraus. Sie war immer noch fasziniert davon, vor einem Schrank mit ausschließlich Lackkleidung zu stehen.

* * *

Über die Lösung, die Herr Buchelberger gefunden hatte, waren Hegels sehr erleichtert, auch weil sie alle Seiten das Gesicht wahren ließ.

»Wir sind ehrlich froh, dass du dich so entschieden hast.« Frau Hegel lächelte ihren Bruder an.

»Bedankt euch bei Frau Sommer.« Herr Buchelberger winkte ab.

»Wieso bei ihr?« Herr Hegel war ein wenig verwundert.

»Sie war bei mir und hat mir ihr ‚Vergehen‘ gebeichtet.« Es war jetzt noch zu hören, wie sehr er von Julias Auftreten beeindruckt war. »Und ich habe dabei eine Frau gesehen, die für ihre Liebe gekämpft hat. Sie hat mir sogar angeboten, für Frau Wiesl in Gefängnis zu gehen.«

»Sehr beeindruckend.« Herr Hegel sah sehr nachdenklich aus. »Meine Achtung vor meiner Studentin wächst noch mehr.«

»Ich werde mal sehen, ob ich eine Jacke für Frau Wiesl finde.« Frau Hegel wurde die Situation etwas unangenehm, sie suchte nach einer Ablenkung. »Die Sachen für Julia werden ihr nicht passen.«

»Ja, mach das, mein Schatz.« Es war Herrn Hegel anzusehen, wie sehr er über die Lösung erleichtert war.

* * *

»Was hast du denn hier gemacht?« Frauke trat neben das Bett und hob die Sachen auf, die alle wild verstreut vor dem Bett lagen.

Julia drehte sich zu ihrer Freundin um. »Ach, die Sachen hatte ich vor lauter Frust aus dem Bett geschmissen.« Doch auf einmal wurde sie blass.

»Was ist los?« Frauke hatte Julias Reaktion sofort bemerkt. »Hätte ich es nicht aufheben dürfen?«

»Nein, das ist es nicht.« Julia lächelte kurz. »Ich habe darüber nachgedacht, dass ich seit Dienstag nicht mehr trainiert habe.«

Frauke verzichtete auf die Frage, was sie denn stattdessen gemacht hätte, denn es war zu naheliegend. »Willst du es nachholen?«

»Das wird nicht gehen.« Julia schüttelte enttäuscht den Kopf. »Ich hatte die Zeiten ohnehin schon doppelt verplant.« Sie erläuterte kurz ihren Trainingsplan.

»Ja, das ist heftig.« Jetzt wo Frauke es wusste, bedauerte sie die zwei zurückliegenden Tage doppelt. Julia mit Handschuh und Perle auf dem Pferd, während sie für ihre nächsten Prüfungen lernte, das wäre ein ganz besonderer Anblick gewesen. Und sie hätte ihr sehr gern beim Umblättern geholfen. »Wir sollten Hegels um Rat fragen.«

Julia blickte sie unsicher an, während sie sich die Jacke überzog. »Sie können mir die Zeit auch nicht zurück bringen.« Ein wenig Frustration klang in der Stimme mit.

»Nein, das nicht.« Frauke war sich unsicher, wie viel sie von ihrem eigenen Wissen äußern durfte. »Aber sie könnten dir helfen, Prioritäten zu setzen.«

»Wenn du meinst, dann fragen wir sie.« Sie ging an den ersten Schrank. »Mal schauen, ob wir hier etwas für dich zum Überziehen finden.«

Frauke kam näher. »Dein Mantel wird mir sicherlich nicht passen.«

»Nein, sicher nicht.« Julia lächelte, doch dann fiel ein Schatten über ihr Gesicht, denn ihr war der Grund wieder eingefallen, warum sie den so faszinierenden Mantel in den letzten Tagen nicht mehr getragen hatte. Sie berichtete ihrer Freundin davon.

In diesem Moment klopfte es an der Tür, und kurz darauf betrat Frau Hegel das Zimmer der Studentin. »Frauke, ich habe hier eine Jacke für sie, die ihnen passen könnte.«

»Oh, vielen Dank.« Frauke blickte kurz auf den offenen Schrank. »Julia ist doch ein wenig kleiner als ich.«

»Kommen sie dann herunter?« Frau Hegel wandte sich wieder zur Tür. »Mein Bruder wartet auf sie.« Sie schloss die Tür hinter sich.

»Ich muss dir auch etwas beichten.« Frauke wurde etwas rot, als sie sich die Jacke anzog, »Ich wollte dafür sorgen, dass du den Schlüssel nie wieder bekommst.«

Julia wusste im ersten Moment nicht, um was es ihrer Freundin ging. »Welchen Schlüssel?«

Frauke war ein wenig verwundert. »Na den zu deiner hübschen Unterwäsche.«

Jetzt war es an Julia, verlegen zu sein. »Ach weißt du, ich hatte mich mit dem Gedanken, die Sachen nie mehr loszuwerden, schon abgefunden. Ich fand es eine gerechte Strafe für das, was ich gemacht hatte. Wenn du schon ins Gefängnis gemusst hättest, dann wollte ich auch gefangen sein.«

»Ich bin verblüfft.« Frauke lächelte verschlagen. »Das heißt, du willst ihn gar nicht zurück?«

Zu Fraukes Verwunderung seufzte Julia nur und wurde ein Spur trauriger. »Ich hatte bis gestern Bedenkzeit.«

»Bedenkzeit wofür?« Frauke hielt den Atem an. Eigentlich wusste sie, worum es ging, doch sie hätte nicht erwartet, dass Hegels trotz der in dem Moment so angespannten Situation an ihrem Plan festhalten würden.

»Ich musste mich entscheiden, ob ich Gürtel und BH weiterhin tragen möchte, auch ohne über den Schlüssel zu verfügen.« Sie holte tief Luft. »Insofern war es eine einfache Entscheidung.« Es klang sehr nach Galgenhumor.

Frauke war in dem Moment sprachlos. Wortlos zog sie Julia an sich heran und schloss sie in ihre Arme. »Meine tapfere kleine Schwester.« Wieder liefen ein paar Tränen in beiden Gesichtern.

In diesem Moment klopfte es wieder an der Tür. »Kommen sie bitte?« Diesmal war die Stimme von Herrn Hegel zu hören.

»Ja, wir kommen«, riefen die beiden Mädchen fast zusammen. Sie lachten kurz, dann gingen sie Hand in Hand zur Tür, nachdem sie sich die Tränen aus den Gesichtern gewischt hatten.

* * *

Den Besuch der ‚Denunzianten‘-Nachbarn hatten sie sich bis zum Schluss aufgehoben. Bei all den anderen Nachbarn war es einfach gewesen. Zum einen hatte keiner von ihnen etwas von dem Vorfall bemerkt, und so richtig herumgesprochen hatte es sich auch noch nicht.

Was Julia aber viel mehr verblüffte war, dass keiner der Nachbarn an ihrer Lack-Kleidung etwas auszusetzen hatte. Sie hatte fast den Eindruck, als wäre es für Hegels Umgebung ganz normal, in dieser Umgebung mit ihrer Kleidung an die Öffentlichkeit zu gehen.

Es könnte aber auch daran gelegen haben, dass sie die Nachbarn zu fünft aufgesucht hatten, Julia und Frauke sowie das Ehepaar Hegel und Herr Buchelberger. Es schien die Nachbarn beeindruckt zu haben, und alle waren mit den neuen Regeln einverstanden.

Auch Frau Hegel war davon überrascht. »Ich glaube, das Verbot können wir aufheben. Von nun an können sie mit der Kleidung auch nach draußen gehen.«

»Warten wir noch ab, bis wir bei ihnen waren.« Herr Hegel wollte die Freude über die Entwicklung noch etwas bremsen.



Sie wurden bei den Nachbarn gleich ins Wohnzimmer geführt. »Bitte verzeihen sie uns, wenn wir ihnen Ärger gemacht haben.« Es wurde allerdings nicht klar, wen die Frau mit ihren Worten meinte.

Julia drückte Fraukes Hand ganz fest – Sie ahnte, dass ihre Freundin kurz vor dem Explodieren stand.

Herr Buchelberger übersah die offensichtlich sehr scheinheilige Bemerkung der Frau. »Sie haben es richtig gemacht, und so wie sie es erwartet haben, bekommt Frau Wiesl eine Strafverschärfung.«

Er bat Julia und Frauke, vor zu treten. »Ich habe Frau Sommer als weitere Aufsichtsperson eingeteilt. In ihrer Gegenwart darf Frau Wiesl in Zukunft das Haus verlassen.«

Julia räusperte sich unbewusst.

Herr Buchelberger ahnte, was die Studentin bewegte. »Bitte zeigen sie das besondere Arrangement, dass ich angeordnet habe.«

Beide Mädchen hoben ihre Hände. Auf den ersten Blick sah man nur, dass sie sich aneinander festhielten. Doch als sie ihre losließen, kamen die Handschellen zum Vorschein.

»Ich wollte, dass sie darüber informiert sind. Das ist eine der Auflagen, die ich erlassen habe.« Er bemühte sich, möglichst ernst zu klingen. Er hatte Julia und Frauke vorher schon gesagt, dass sie etwas traurig schauen sollten, damit die Nachbarn nicht misstrauisch wurden und das ganze Arrangement glaubwürdig blieb.

»Darf ich noch etwas fragen?« Die Frau war sichtlich bewegt, es war aber nicht zu erkennen, ob sie beeindruckt oder eingeschüchtert war.

»Ja bitte?« Herr Buchelberger schien schon zu ahnen, was kommen würde.

Sie blickte an Julia herunter. »Warum trägt ihre Frau Sommer so seltsame Kleidung?«

»Haben sie ein Problem damit?« Herr Buchelberger runzelte die Stirn. »Sie ist doch nicht unzüchtig angezogen.«

Die Frau fühlte sich mehr oder weniger gezwungen, Julia genauer anzusehen. »Eine Hose, vernünftige Schuhe, und eine hochgeschlossene Bluse. Nein, es gibt eigentlich nichts auszusetzen.«

»Oder stört sie das Material?« Er holte tief Luft. »Das wäre schade, denn es gibt einen ernsthaften Grund, warum Frau Sommer dies tragen muss. Und bitte fragen sie sie nicht warum, so ersparen sie ihr zusätzliches Leid.«

Es wirkte wie gewünscht. Die Frau blickte jetzt auf Frauke.

Doch bevor sie etwas sagen konnte, unterbrach Herr Buchelberger ihre Gedanken. »Frau Wiesl hat etwas Geld von mir bekommen, mit dem sie sich etwas Unauffälligeres zum Anziehen kaufen darf.«

»Vielleicht darf ich sie einmal zum Kaffee einladen?« Irgendwie schien die Frau jetzt ein schlechtes Gewissen zu haben.

Julia glaubte sich verhört zu haben. »Wir nehmen die Einladung gern an.«

Auch Frauke versuchte ein vorsichtiges Lächeln.
222. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 9 - Veränderungen - Teil Fünf von Elf

geschrieben von gag_coll am 23.02.19 05:21

Die Studentin
Kapitel 9 - Veränderungen - Teil Fünf von Elf
Autor: Karl Kollar

Als sie wieder auf der Straße waren, schwiegen sie. Erst als sie deutlich außer Sicht- und Hörweite waren, wagte Julia, sich zu äußern. »Ich hatte große Mühe, nicht zu lachen.«

»Gut, dass sie sich beherrschen konnte.« Der Bruder von Frau Hegel lächelte. »Ich denke, wir haben den richtigen Eindruck hinterlassen.«

»Wohin gehen wir jetzt?« Die Studentin war immer noch dabei, die Erlebnisse der letzten Stunden zu verarbeiten.

»Ich dachte, wir testen gleich einmal ihre Erscheinung.« Herr Buchelberger zeigte in die Richtung, in der sie gerade unterwegs waren.

»Irgendwie spannend.« Julia keuchte ein wenig.

»Und außerdem möchte ich sie noch auf dem örtlichen Revier vorstellen.« Herr Buchelberger war sich nicht sicher, wie Frauke auf diese Ankündigung reagieren würde, doch er musste sie damit konfrontieren.

»Revier?« Frauke blieb stehen und runzelte die Stirn.

»Das Polizeirevier.« Herr Buchelberger hatte Fraukes verängstigten Blick bewusst übersehen.

»Warum denn das?« Frauke klang auf einmal etwas weinerlich.

»Proaktiv sozusagen.« Er lächelte. »Ich möchte sicher gehen, dass es auch dann keinen Ärger gibt, wenn andere Nachbarn sich beschweren sollten.«

»Aber wir haben uns doch bei allen vorgestellt.« Es wurde deutlich, dass Frauke den Kontakt zur Polizei lieber meiden wollte.

»Es wäre aber wichtig, dass wir uns absichern.« Er wusste, dass er Frauke diesen Besuch nicht ersparen durfte.

»Ich bin doch bei dir.« Julia spürte die Ängste ihrer Freundin. »Es wird dir nichts passieren.« Insgeheim fragte sie sich, ob ihre Freundin noch ein schlechtes Gewissen hatte wegen ihrer Vergangenheit.

Vielleicht gab es noch den einen oder anderen Einbruch, der noch nicht aufgeklärt war. Oder sie hatte Angst, einem Polizisten aus ihrer Vergangenheit zu begegnen.



Als sie die Wache betraten, passierte genau das, was Frauke befürchtet hatte. Sie stand vor der Polizistin, die sie damals verhaftet hatte. »Sind sie schon wieder draußen?« Ihre Miene zeigte deutlich, was sie von der sich ihr darbietenden Situation hielt.

Frauke schluckte. Zu mehr war sie nicht in der Lage.

»Claudia, kommst du mal.« Ein anderer Beamter rief die Polizistin zu sich. »Du musst noch etwas wissen.«

Es dauerte einige Momente, während denen die fünf Personen allein vor dem Tresen standen.



Schließlich kam die Beamtin zurück. »Zeigen sie mir bitte einmal die Handschellen.«

Julia und Frauke blickten die Polizistin verwundert an, dann kamen sie der Aufforderung nach.

»Das Standard-Modell.« Die Polizistin nickte. Irgendwie schien wie verwandelt. »Wenn sie einmal Probleme haben, rufen sie hier direkt an.« Sie reichte Frauke eine Visitenkarte. »Wir sind über das besondere Arrangement informiert und werden entsprechend Auskunft geben, wenn es nötig sein sollte.«



Fraukes Knie zitterten, als sie die Wache verließen.

»Na siehst du, war doch gar nicht so schlimm.« Julia drückte die Hand ihrer Freundin. »Hast du das Handy schon angeschaltet?«

Die Freundin schüttelte den Kopf.

»Warum?« Julia versuchte, sich in ihre Freundin hinein zu versetzen. »Weißt du die PIN nicht?«

»Doch, er hat sie mir gesagt.« Frauke war ein wenig verlegen.

»Und warum schaltest du es dann nicht an?« Julia versuchte, ihre Stimme ermutigend klingen zu lassen.

Doch Frauke gab keine Antwort.

»Es ist zu deinem Schutz, weil du ihn dann jederzeit erreichen kannst.« Julia hoffte, ihrer Freundin damit Mut zu machen.

»Ja, du hast recht. Ich bin es nicht gewohnt, Eigentum zu haben.« Doch auf einmal wurde sie kreidebleich.

Julia blickte ihre Freundin verwundert an. »Was ist denn jetzt schon wieder?« Sie verdrehte die Augen.

Frauke klang auf einmal sehr traurig. »Ich habe etwas Schlimmes gemacht.«

»Das weiß ich doch schon alles.« Die Studentin erinnerte an das Gespräch, welches sie mit Herrn Buchelberger geführt hatte.

Doch Frauke wurde noch trauriger. »Du hast mir doch das Tram-Modell geschenkt.«

»Ich habe es dir nicht geschenkt. Das durfte ich ja nicht. Es gehört immer noch mir.« In diesem Moment war es Julia wichtig, dies zu betonen.

»Und ich habe es kaputt gemacht.« Frauke hatte es endlich ausgesprochen. »Ich bin vor lauter Wut darauf herum getrampelt.«

Im ersten Moment war Julia entsetzt. »Das hatte ich mit dem ersten Taschengeld gekauft.« Ein wenig war sie schon über diese Nachricht enttäuscht.

Doch dann trat sie gedanklich einen Schritt zurück und betrachtete die Gesamtsituation. »Ich hätte an deiner Stelle bestimmt genauso gehandelt.« Sie nahm Frauke in den Arm. »Was hast du nur alles wegen mir durchgemacht?«

»Du bist mir nicht böse?« Fraukes Stimme zitterte.

»Nein, natürlich nicht.« Julia lächelte verliebt. »Morgen kaufe ich dir ein neues Modell.«

Jetzt war es auch an Frauke, erleichtert zu sein. Sie schlang ihre Arme ebenfalls um Julia und drückte sie an sich.

Doch auf einmal spürte sie, wie Julia sich versteifte. Sie löste ihre Umarmung und trat einen Schritt zurück. »Was ist los? Was bewegt dich denn jetzt wieder?«

Julia schien Mühe zu haben, sich zwischen den vielen Problemen zu orientieren. Schließlich hatte sie sich wieder gefasst. »Mein Training. Ich habe es sehr vernachlässigt in den letzten Tagen.« Es war ihr anzusehen, wie sehr sie es bedauerte.

»Aber das hatten wir doch schon besprochen.« Sie lächelte. »Wir wollten Hegels fragen wegen den Prioritäten.«

»Aber das machen wir bitte erst dann, wenn wir wieder im Haus sind.« Frau Hegel hatte sich umgedreht. »Das ist kein Thema für die Öffentlichkeit.«

»Einverstanden.« Julia lächelte erleichtert.

* * *

Frauke und Julia fanden ihre Gasteltern im Wohnzimmer. Sie traten ein und trugen ihr Anliegen vor.

»Im Moment ist das Training für die Engel wichtiger als das Studium.« Frau Hegel blickte kurz zu ihrem Mann, und als dieser nickte, trug sie ihren Vorschlag vor. »Wir hatten das ebenfalls schon diskutiert.«

Julia wollte etwas erwidern, doch die Frau des Professors unterbrach sie mit einer Handbewegung. »Lassen sie mich das erklären: In zwei Wochen, nein, es ist eigentlich nur noch eine Woche, müssen wir sie vorstellen, und das ist ein harter Termin.«

Herr Hegel ergänzte. »Ich kenne ihren Professor sehr gut, und ich habe auch schon mit ihm geredet.« Er lächelte. »Er hat nichts dagegen, wenn sie bis nächsten Sonntag ein paar Vorlesungen ausfallen lassen und sich stattdessen von etwas Anderem ablenken lassen.« Zusätzlich zwinkerte er.

Julia hörte atemlos zu und realisierte erst nach einer gewissen Zeit, dass er über sich selbst sprach. Sie griff den Gedanken auf. »Das ist aber sehr nett von meinem Professor.«

Frau Hegel blickte auf die Uhr an der Wand. »Wenn wir jeweils eine halbe Stunde für das jeweilige Umziehen einplanen, dann könnten sie heute noch eine Stunde Intensiv-Training absolvieren.«

»Was heißt ‚Intensiv‘?« Julia wurde hellhörig. »Etwa alles zusammen?«

»Ja, das meinte ich.« Frau Hegel holte tief Luft. Sie wusste nicht, ob sie die Stimmung der Studentin wirklich richtig deutete. »Sie könnten den Handschuh und die Stiefel zusammen tragen, und wenn sie möchten, dann könnten sie sich dazu auch noch das strenge Halskorsett anlegen lassen.«

»Und die Perle nicht?« Julia bemühte sich um einen neutralen Ton, obwohl sie von der Ankündigung schon jetzt sehr fasziniert war.

»Das kommt auf ihren Mut an.« Frau Hegel gefiel die Richtung, die dieses Gespräch nahm.

»Wieso das?« Julia klang in diesem Moment etwas empört.

»Naja.« Frau Hegel lächelte ein wenig verlegen. »Mit der Perle im Mund können sie sich eventuell nicht mehr bemerkbar machen, falls es ihnen doch zu viel wird.«

»Aber ich kann doch nicken oder den Kopf schütteln?« Julia war noch dabei, die neuen und ungewohnten Themen zu verarbeiten.

»Das geht aber nicht, wenn sie das strenge Halskorsett tragen.« Frau Hegel fiel es leicht, hier die Wahrheit zu sagen. »Das hält ihren Kopf sehr fest.«

Auf einmal begann Julia zu stöhnen. »Das klingt sehr … spannend.« Sie keuchte. Auf einmal blickte sie auf die Uhr. »Wie viel Zeit haben wir noch?«

»Um sechs Uhr gibt es Abendessen, um halb sieben machen sie sich bitte für den Pflichtabend fertig und um sieben sollten sie dann auf dem Pferd sitzen.« Frau Hegel skizzierte den weiteren Ablauf des Tages.

»Und vorher sollten sie noch etwas Pause machen.« Herr Hegel ergänzte die Ausführungen seiner Frau. »Und vielleicht etwas ausgleichende Gymnastik.«

Frau Hegel blickte noch einmal auf die Uhr, dann wiederholte sie ihre schon geäußerte Planung. »Wenn ich das richtig sehe, und sie für die Vor- und Nachbereitungen jeweils eine halbe Stunde rechnen, dann können sie heute eine Stunde Intensiv-Training absolvieren.«

Herr Hegel räusperte sich. »Etwas müssen sie uns aber versprechen.« Er blickte zwischen Julia und Frauke hin und her.

»Und das wäre?« Julia ahnte nicht, welcher Einwand von ihrem Professor kommen würde.

»Sie melden sich sofort, wenn es weh tut.« Er holte tief Luft. »Wir müssen dann sofort eingreifen, damit es nicht etwas Böses wird wie zum Beispiel eine Muskelzerrung.«

»Aber wie soll sie das machen, wenn sie sich gar nicht mehr bewegen kann?« Frauke glaubte, ein Problem erkannt zu haben.

»Sie werden sie aufmerksam beobachten und immer an ihrer Seite sein.« Herr Hegel versuchte zu verdeutlichen, dass er der Dienerin trotz ihrer Vergangenheit vertraute. »Vereinbaren sie ein Zeichen, welches sie mit den Augen geben kann.«

»Und was könnte das sein?« Julia war an dem Vorschlag sehr interessiert.

»Sie könnten ein Signal mit den Augen vereinbaren.« Frau Hegel gab ihre Erfahrungen wieder. »Einmal zwinkern heißt ‚Ja‘, zweimal zwinkern heißt ‚nein‘ – Und wenn sie zweimal hintereinander dreimal zwinkern, dann betrachten wir das als Notsignal und werden ihnen als erstes die Perle abnehmen, damit sie uns mitteilen können, was los ist.«

Herr Hegel drängte sich dazwischen. »Ich mache mir große Sorgen um sie.« Er machte eine bedeutsame Pause. »Ich kenne ihren Ehrgeiz, und deswegen befürchte ich, dass sie sich trotzdem quälen werden.« Er kam einen Schritt näher und blickte sie eindringlich an. »Bitte, seien sie ganz ehrlich zu sich selbst und teilen uns sofort mit, wenn sie Probleme haben. Das müssen sie uns versprechen.«

»Sie machen es ja für uns und für Carolin.« Auch Frau Hegel spürte den Ernst der Situation. »Es nutzt uns nichts, wenn sie sich dabei ihre Gesundheit ruinieren.«

Julia musste schlucken. Die beiden außergewöhnlich ernsten Ansprachen verfehlten ihren Zweck nicht. »Ich verspreche, dass ich mich sofort melde, wenn ich Probleme haben sollte.«

»Bitte, das ist ganz wichtig.« Herr Hegel wiederholte die Bitte.

Julia bestätigte es noch einmal.

223. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 9 - Veränderungen - Teil Fünf von Elf

geschrieben von Wölchen am 23.02.19 11:09

Tolle Fortsetzung.Vielen Dank für diese tolle GEschichte.
Bin schon gespannt wie es weiter geht.

mfg Wölchen
224. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 9 - Veränderungen - Teil Fünf von Elf

geschrieben von ronn2321 am 23.02.19 20:14

Eine super geschichte die ich gerne weiter lesen möchte.
225. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 9 - Veränderungen - Teil Fünf von Elf

geschrieben von N0V0 am 26.02.19 13:51

Einfach herrlich - wieder toll geschrieben, danke und weiter so! Die Geschichte ist eine meiner Lieblingsgeschichten.
226. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 9 - Veränderungen - Teil Sechs von Elf

geschrieben von gag_coll am 02.03.19 07:55

Die Studentin
Kapitel 9 - Veränderungen - Teil Sechs von Elf
Autor: Karl Kollar

Den folgenden Plan hatte Frau Hegel schon länger gefasst, eigentlich schon seit Julia und Patricia sich in der Kirche das erste Mal begegnet waren. Später auf der Burg würden sie Partnerinnen werden, und deswegen würde es gut sein, wenn sie sich schon genauer kennenlernen konnten. »Ich möchte ihnen noch einen Vorschlag machen, der allerdings etwas heikel ist, weil wir damit ihr Wochenende in Beschlag nehmen würden.«

»Was haben sie denn vor?« Julia antwortete spontan, erst dann dachte sie über ihre Worte nach. »Wenn ich das wissen darf.«

Doch Frau Hegel übersah die Frage bewusst. »Wie haben sie sich mit Patricia Vogel verstanden?«

»Oh, sehr gut.« Julia schob kurz ihre Gedanken zu Frauke beiseite und erinnerte sich an den kurzen und doch so bemerkenswerten Besuch bei der Familie. »Sie war sehr faszinierend.«

»Wir würden sie gern zu uns einladen, und zwar das ganze Wochenende, wenn sie damit einverstanden sind.« Frau Hegel holte tief Luft. »Sie könnten zusammen mit ihr trainieren, und sie kann ihnen noch viele Tipps geben, was alles wichtig ist für die Engel.«

Julia erkannte die besondere Gelegenheit sofort. »Das würde mich sehr freuen.«

»Dann gehen sie sich bitte umziehen. Frau Wiesl, sie helfen ihr bitte.« Frau Hegel deutete auf die Tür. »Ich werde dann bei Vogels anrufen und die Details mit ihnen absprechen.«

Während sich Julia und Frauke auf den Weg machten, dachte die Studentin darüber nach, dass jetzt nach all den Wirren um Frauke und ihre Vergangenheit wieder die Engel in den Vordergrund traten. Und sie freute sich darauf.

* * *

»Warum muss denn der Besuch von Patricia besprochen werden?« Herr Hegel stand etwas unsicher neben seiner Frau . »Schließlich ist sie volljährig.«

»Es geht darum, dass Patricia ebenfalls dringend für die Engel trainieren muss und dass dies ein seltsamer Anblick sein könnte.« Frau Hegel lächelte. »Genau deswegen sollten wir Julia fragen.«

Sie wählte die Nummer von Vogels und wartete. Frau Vogel war selbst am Telefon.

»Ja, der Besuch kann doch stattfinden. Es war noch sehr unsicher, ob Patricia kommen kann.« Frau Hegel gab einen kurzen Überblick über die zurückliegenden Ereignisse. »Welche Termine hat sie an diesem Wochenende?«

»Am Freitagabend muss sie in der Generalprobe sein.« Frau Vogel gab über die Termine Auskunft. »Und am Samstagabend ist das Konzert.« Sie machte eine kurze Pause. »Sonst liegt dieses Wochenende nichts an.«

»Und am Sonntag sehen wir uns im Gottesdienst«, ergänzte Frau Hegel.

»Ja, natürlich.« Die Mutter von Patricia lächelte. »Sie könnten mir und Patricia noch einen großen Gefallen tun. Mein Mann darf davon aber nichts erfahren.«

»Kein Problem, ich kann schweigen.« Frau Hegel gab sich verschwörerisch. »Um was handelt es sich denn?«

Frau Vogel trug ihr Anliegen vor. »Am besten wäre es, wenn sie den Gärtner bestellen, das dürfte unauffällig sein. Sie müssen nur ausdrücklich den Namen verlangen.«

»Das mache ich, versprochen.« Frau Hegel lächelte geheimnisvoll, während sie sich die durchgegebene Nummer notierte.

»Und sagen sie Patricia nicht, dass ich mit ihnen darüber gesprochen habe.« Die Stimme von Frau Vogel wurde etwas leiser. »Sie darf es gern für Zufall halten.«

Frau Hegel grinste. »Das kriege ich schon hin.« Sie verabschiedete sich, dann legte sie nur kurz auf, um gleich darauf die eben notierte Nummer zu wählen. »Sie kümmern sich um Gärten?«

Peter Behrens bestätigte es.

»Ich würde bei uns ein paar Stauden umsetzen lassen.« Frau Hegel hatte sich auf die Schnelle einen Auftrag überlegt. »Könnten sie morgen einmal vorbei kommen und sich das ansehen? Am besten am Nachmittag.«

Peter war über jede Gelegenheit, Geld zu verdienen recht dankbar. »Am Freitag kann ich erst ab 17 Uhr.«

»Das passt.« Frau Hegel gab ihre Adresse durch. »Kommen sie einfach vorbei und klingeln kurz.« Dann verabschiedete sie sich und legte auf. »Das wäre geschafft. Patricia wird sich freuen.«

»Das grenzt aber an Kuppelei.« Herr Hegel zog die Stirn in Falten.

»Davon versteht ihr Männer nichts.« Sie verdrehte die Augen. »Sie können wegen diesem Familienzwist nicht zusammen kommen. Frau Vogel hat mir einmal erzählt, wie sehr ihre Tochter darunter leidet.«

Herr Hegel seufzte nur. Der Konflikt zwischen den beiden Familien existierte schon seit mehreren Generationen, und jetzt hatten sich die Kinder ineinander verliebt. Romeo und Julia eben. Er hoffte insgeheim, dass es für alle Beteiligten gut ausgehen würde.

* * *

Es klopfte an Julias Tür. Die Studentin blickte kurz zu ihrer Freundin, dann äußerte sie ein ‚Herein bitte‘.

Frau Hegel betrat den Raum. »Ah, ich sehe, sie haben noch nicht angefangen.«

Frauke klang nach einem leicht schlechten Gewissen. »Wir suchen gerade die ganzen Sachen zusammen.«

Julia hörte sich ebenfalls schuldbewusst an. »Ich hatte vor lauter Frust die ganzen Sachen durcheinander geworfen.«

Frau Hegel übersah die Aussagen. »Es ist ja nun doch ganz anders gekommen, als es ursprünglich geplant war.« Sie vermied es, in diesem Moment zu Frauke zu blicken. »Wenn sie also heute den Pflichtabend ausfallen lassen wollen...«

»Nein, auf keinen Fall.« Julia fiel ihrer Vermieterin ins Wort. »Natürlich mache ich das. Ich habe mich schon darauf gefreut.«

Frau Hegel räusperte sich. »Wir möchten nur deutlich machen, dass wir Verständnis hätten, wenn sie nach diesen aufregenden Tagen dazu nicht in der Lage wären.«

»Ich denke, das ist nicht nötig.« Julia bedankte sich noch einmal für das Verständnis. »Ich werde es machen.«

»Ich wollte sie, Frau Wiesl, noch um einen Gefallen bitten.« Sie blickte kurz auf die Uhr.

Frauke blickte auf.

»Ich möchte sie bitten, nach dem Umziehen ins Wohnzimmer zu kommen.« Sie spürte, dass eine Erklärung recht hilfreich sein könnte. »Wir müssen noch das Pferd aufbauen, und dafür ist jede helfende Hand nützlich.«

Julia runzelte ein wenig die Stirn, doch eine Frage stellte sie nicht.

Frau Hegel erkannte trotzdem, was sie bewegte. »Wir müssen die Blumenampel abbauen und die Blumen woanders hin tragen. Dafür ist jede helfende Hand nützlich.«

Julia war mit der Antwort zufrieden, auch wenn sie noch nicht verstanden hatte, was die Blumenampel mit dem Pferd zu tun hatte. »Ich bin aufgeregt«, flüsterte sie.

»Machen sie sich keine Sorgen, sie sind auf einem sehr guten Weg.« Frau Hegel ging wieder zur Tür und öffnete sie. »Wenn sie fertig sind, kommen sie bitte ins Wohnzimmer.«

»Jawohl, Frau Hegel.« Sie bestätigte es.

»Ich bin aufgeregt«, flüsterte Julia noch einmal, als sich die Tür geschlossen hatte. Doch dann seufzte sie. »Ich wüsste nur zu gern, wohin mich dieser Weg führen wird.«

»Glaub mir, im Moment willst du das nicht wissen.« Frauke verdrehte die Augen. »Genieße einfach den Augenblick und denke nicht an die Zukunft.«

Julia blickte ihre Freundin verwundert an. Trotzdem traute sie sich nicht, nach deren Wissen zu fragen. Irgendetwas in ihr sagte ihr, dass sie es im Moment wirklich noch nicht wissen wollte.

»Womit möchtest du anfangen?« Frauke stand am Tisch und blickte auf alle die Lack- und Ledersachen, die dort ausgebreitet waren.

Doch Julia ging zu ihrer Überraschung mit leuchtenden Augen zum Schrank und griff sich das strenge Halskorsett heraus. »Hiermit.« Sie hielt es hoch. »Ich frage mich schon lange, wie sich dieses Ding wohl anfühlen wird.« Doch dann stutzte sie, denn sie hatte ein Problem erkannt. »Wenn ich das angelegt habe, dann kann ich das Perlennetz nicht mehr tragen.«

Frauke wusste in diesem Moment auch nicht weiter. »Und wenn wir Frau Hegel fragen? Sie kann uns bestimmt einen Tipp geben.« Sie holte tief Luft. »Außerdem wäre eine helfenden Hand bestimmt nicht verkehrt, wenn es dich nicht stört, dass du von zwei Leuten angefasst wirst.«

»Damit geht es doch auch schneller, oder?« Julia grinste ihre Freundin an.

Frauke verließ den Raum und kam kurz darauf mit Frau Hegel zurück. »Wir helfen dann beim Aufbau des Pferdes.« Sie warf Julia einen verliebten Blick zu, doch dann lachte sie, denn sie hatte ihren Fehler bemerkt. »Ich werde beim Aufbauen mithelfen. Du wirst zuschauen.«

Julia hatte sich inzwischen etwas mit all den Gegenständen befasst, die sie in Kürze tragen würde. »Ich glaube, das schaffen wir nicht allein.« Sie blickte ihre Vermieterin verlegen an. »Und es ist uns nicht klar, wie das dann mit der Perlennetz gehen kann.«

»Gar nicht.« Frau Hegel schmunzelte. »Die Antwort ist einfach: Gar nicht.« Doch dann wurde sie wieder ernst. »Wenn sie erlauben, würde ich ihnen gern etwas zur Hand gehen.«

Julia und Frauke waren nicht abgeneigt, weil es ihnen die nötige Sicherheit gab und es ihnen ermöglichte, die zunehmende Eingeschränktheit zu genießen.

»Aber ich wollte doch auch eine Perle tragen.« Julia war etwas enttäuscht. Doch dann kam ihr wieder die Gesamtsituation in den Kopf und sie stellte die richtige Frage: »Wie hat Carolin das denn gemacht?«

»Gut, dass sie mich erinnern.« Frau Hegel ging zum Schrank mit den Schubladen. »Für diese Fälle hatte Carolin eine einzelne Perle, die sie einfach so in den Mund gesteckt hat.«

Sie nahm die angesprochene Kugel aus der Schublade und ging mit ihr ins Bad. Die Tür ließ sie offen, und so konnten die Freundinnen sehen, dass sie die Kugel kurz unter dem Wasserstrahl abwusch. Danach trocknete sie die rote Kugel noch mit einem neuen Handtuch ab.

Sie kam zurück in Julias Zimmer und reichte der Studentin die Kugel.

»Die ist aber groß.« Julia hielt die Kugel ehrfurchtsvoll in ihrer Hand.

»Ja, aber die Kugel tragen sie nicht zwischen den Lippen, sondern im Mund.« Insgeheim hatte Frau Hegel mit dieser Reaktion gerechnet. »Das Halskorsett erfordert es, dass sie den Mund ganz schließen können.«

Julia drehte die Kugel noch ein paar Mal zwischen ihren Fingern, dann öffnete sie ihren Mund und schob sich die Kugel hinein.

Frau Hegel hielt als nächstes eine Kopfhaube in der Hand. »Die sollten sie sich als Nächstes anlegen lassen.« Sie spannte die Haube in ihren Händen auf.

Julia erkannte die Haube sofort. Das Mädchen auf dem Foto hatte auch so eine Maske getragen, bei der nur noch ein Ausschnitt um Augen und Nase frei blieb, ungefähr so wie bei einer Tauchermaske.

Sie und Frauke warteten auf eine Reaktion von Julia. »Wir möchten eine Antwort.«

Julia wollte erst mit der Hand auf ihren Mund zeigen, doch dann erinnerte sie sich an das Gespräch von vorhin, und sie blickte sowohl Frauke als auch Frau Hegel intensiv an, währenddessen sie genau einmal kurz die Augen schloss.

»Sie haben gerade ‚Ja‘ gesagt?« Frau Hegel wollte sicher sein, ihre Vermieterin auch richtig verstanden zu haben.

Julia wiederholte die Augenbewegung. Es fühlte sich sehr aufregend an, auf diese Weise zu antworten.

Frau Hegel trat an Julia heran und zog ihr die Maske vorsichtig über ihren Kopf. »Sie muss sehr gut sitzen. Frauke, stellen sie sich bitte vor Julia, damit sie ihre Antworten sehen können.«

Julia fand es sehr aufregend, Frauke ins Gesicht zu sehen, während sie spürte, wie sich das weiche Leder der Haube immer enger um ihren Kopf legte. Es waren neue und aufregende Gefühle, und so achtete sie fast gar nicht darauf, wie fest die Haube wirklich gezogen wurde. Sie fand es einfach nur toll.

»Jetzt schauen sie bitte einmal in den Spiegel, dann machen wir weiter.« Frau Hegel war einen Schritt zurückgetreten.

Julia ging mit festen Schritten zum Spiegel und blickte neugierig hinein. Sie sah nur noch ihre Augen und ihre Nase. Dass sie einen großen Ball im Mund trug, war gar nicht zu erkennen.

Frauke trat hinter sie und flüsterte ihr ein ‚ich bin sehr stolz auf dich‘ ins Ohr, dann legte sie ihre Arme um sie.
227. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 9 - Veränderungen - Teil Fünf von Elf

geschrieben von Chrissi1 am 10.03.19 19:57

Was soll man hier noch grossartig sagen?

Wie immer toll geschrieben.

Weiter so!!!

Gruß
Chrissi
228. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 9 - Veränderungen - Teil Fünf von Elf

geschrieben von N0V0 am 11.03.19 17:49

229. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 9 - Veränderungen - Teil Sechs von Elf

geschrieben von gag_coll am 12.03.19 05:46

Die Studentin
Kapitel 9 - Veränderungen - Teil Sechs von Elf
Autor: Karl Kollar

Den folgenden Plan hatte Frau Hegel schon länger gefasst, eigentlich schon seit Julia und Patricia sich in der Kirche das erste Mal begegnet waren. Später auf der Burg würden sie Partnerinnen werden, und deswegen würde es gut sein, wenn sie sich schon genauer kennenlernen konnten. »Ich möchte ihnen noch einen Vorschlag machen, der allerdings etwas heikel ist, weil wir damit ihr Wochenende in Beschlag nehmen würden.«

»Was haben sie denn vor?« Julia antwortete spontan, erst dann dachte sie über ihre Worte nach. »Wenn ich das wissen darf.«

Doch Frau Hegel übersah die Frage bewusst. »Wie haben sie sich mit Patricia Vogel verstanden?«

»Oh, sehr gut.« Julia schob kurz ihre Gedanken zu Frauke beiseite und erinnerte sich an den kurzen und doch so bemerkenswerten Besuch bei der Familie. »Sie war sehr faszinierend.«

»Wir würden sie gern zu uns einladen, und zwar das ganze Wochenende, wenn sie damit einverstanden sind.« Frau Hegel holte tief Luft. »Sie könnten zusammen mit ihr trainieren, und sie kann ihnen noch viele Tipps geben, was alles wichtig ist für die Engel.«

Julia erkannte die besondere Gelegenheit sofort. »Das würde mich sehr freuen.«

»Dann gehen sie sich bitte umziehen. Frau Wiesl, sie helfen ihr bitte.« Frau Hegel deutete auf die Tür. »Ich werde dann bei Vogels anrufen und die Details mit ihnen absprechen.«

Während sich Julia und Frauke auf den Weg machten, dachte die Studentin darüber nach, dass jetzt nach all den Wirren um Frauke und ihre Vergangenheit wieder die Engel in den Vordergrund traten. Und sie freute sich darauf.

* * *

»Warum muss denn der Besuch von Patricia besprochen werden?« Herr Hegel stand etwas unsicher neben seiner Frau . »Schließlich ist sie volljährig.«

»Es geht darum, dass Patricia ebenfalls dringend für die Engel trainieren muss und dass dies ein seltsamer Anblick sein könnte.« Frau Hegel lächelte. »Genau deswegen sollten wir Julia fragen.«

Sie wählte die Nummer von Vogels und wartete. Frau Vogel war selbst am Telefon.

»Ja, der Besuch kann doch stattfinden. Es war noch sehr unsicher, ob Patricia kommen kann.« Frau Hegel gab einen kurzen Überblick über die zurückliegenden Ereignisse. »Welche Termine hat sie an diesem Wochenende?«

»Am Freitagabend muss sie in der Generalprobe sein.« Frau Vogel gab über die Termine Auskunft. »Und am Samstagabend ist das Konzert.« Sie machte eine kurze Pause. »Sonst liegt dieses Wochenende nichts an.«

»Und am Sonntag sehen wir uns im Gottesdienst«, ergänzte Frau Hegel.

»Ja, natürlich.« Die Mutter von Patricia lächelte. »Sie könnten mir und Patricia noch einen großen Gefallen tun. Mein Mann darf davon aber nichts erfahren.«

»Kein Problem, ich kann schweigen.« Frau Hegel gab sich verschwörerisch. »Um was handelt es sich denn?«

Frau Vogel trug ihr Anliegen vor. »Am besten wäre es, wenn sie den Gärtner bestellen, das dürfte unauffällig sein. Sie müssen nur ausdrücklich den Namen verlangen.«

»Das mache ich, versprochen.« Frau Hegel lächelte geheimnisvoll, während sie sich die durchgegebene Nummer notierte.

»Und sagen sie Patricia nicht, dass ich mit ihnen darüber gesprochen habe.« Die Stimme von Frau Vogel wurde etwas leiser. »Sie darf es gern für Zufall halten.«

Frau Hegel grinste. »Das kriege ich schon hin.« Sie verabschiedete sich, dann legte sie nur kurz auf, um gleich darauf die eben notierte Nummer zu wählen. »Sie kümmern sich um Gärten?«

Peter Behrens bestätigte es.

»Ich würde bei uns ein paar Stauden umsetzen lassen.« Frau Hegel hatte sich auf die Schnelle einen Auftrag überlegt. »Könnten sie morgen einmal vorbei kommen und sich das ansehen? Am besten am Nachmittag.«

Peter war über jede Gelegenheit, Geld zu verdienen recht dankbar. »Am Freitag kann ich erst ab 17 Uhr.«

»Das passt.« Frau Hegel gab ihre Adresse durch. »Kommen sie einfach vorbei und klingeln kurz.« Dann verabschiedete sie sich und legte auf. »Das wäre geschafft. Patricia wird sich freuen.«

»Das grenzt aber an Kuppelei.« Herr Hegel zog die Stirn in Falten.

»Davon versteht ihr Männer nichts.« Sie verdrehte die Augen. »Sie können wegen diesem Familienzwist nicht zusammen kommen. Frau Vogel hat mir einmal erzählt, wie sehr ihre Tochter darunter leidet.«

Herr Hegel seufzte nur. Der Konflikt zwischen den beiden Familien existierte schon seit mehreren Generationen, und jetzt hatten sich die Kinder ineinander verliebt. Romeo und Julia eben. Er hoffte insgeheim, dass es für alle Beteiligten gut ausgehen würde.

* * *

Es klopfte an Julias Tür. Die Studentin blickte kurz zu ihrer Freundin, dann äußerte sie ein ‚Herein bitte‘.

Frau Hegel betrat den Raum. »Ah, ich sehe, sie haben noch nicht angefangen.«

Frauke klang nach einem leicht schlechten Gewissen. »Wir suchen gerade die ganzen Sachen zusammen.«

Julia hörte sich ebenfalls schuldbewusst an. »Ich hatte vor lauter Frust die ganzen Sachen durcheinander geworfen.«

Frau Hegel übersah die Aussagen. »Es ist ja nun doch ganz anders gekommen, als es ursprünglich geplant war.« Sie vermied es, in diesem Moment zu Frauke zu blicken. »Wenn sie also heute den Pflichtabend ausfallen lassen wollen...«

»Nein, auf keinen Fall.« Julia fiel ihrer Vermieterin ins Wort. »Natürlich mache ich das. Ich habe mich schon darauf gefreut.«

Frau Hegel räusperte sich. »Wir möchten nur deutlich machen, dass wir Verständnis hätten, wenn sie nach diesen aufregenden Tagen dazu nicht in der Lage wären.«

»Ich denke, das ist nicht nötig.« Julia bedankte sich noch einmal für das Verständnis. »Ich werde es machen.«

»Ich wollte sie, Frau Wiesl, noch um einen Gefallen bitten.« Sie blickte kurz auf die Uhr.

Frauke blickte auf.

»Ich möchte sie bitten, nach dem Umziehen ins Wohnzimmer zu kommen.« Sie spürte, dass eine Erklärung recht hilfreich sein könnte. »Wir müssen noch das Pferd aufbauen, und dafür ist jede helfende Hand nützlich.«

Julia runzelte ein wenig die Stirn, doch eine Frage stellte sie nicht.

Frau Hegel erkannte trotzdem, was sie bewegte. »Wir müssen die Blumenampel abbauen und die Blumen woanders hin tragen. Dafür ist jede helfende Hand nützlich.«

Julia war mit der Antwort zufrieden, auch wenn sie noch nicht verstanden hatte, was die Blumenampel mit dem Pferd zu tun hatte. »Ich bin aufgeregt«, flüsterte sie.

»Machen sie sich keine Sorgen, sie sind auf einem sehr guten Weg.« Frau Hegel ging wieder zur Tür und öffnete sie. »Wenn sie fertig sind, kommen sie bitte ins Wohnzimmer.«

»Jawohl, Frau Hegel.« Sie bestätigte es.

»Ich bin aufgeregt«, flüsterte Julia noch einmal, als sich die Tür geschlossen hatte. Doch dann seufzte sie. »Ich wüsste nur zu gern, wohin mich dieser Weg führen wird.«

»Glaub mir, im Moment willst du das nicht wissen.« Frauke verdrehte die Augen. »Genieße einfach den Augenblick und denke nicht an die Zukunft.«

Julia blickte ihre Freundin verwundert an. Trotzdem traute sie sich nicht, nach deren Wissen zu fragen. Irgendetwas in ihr sagte ihr, dass sie es im Moment wirklich noch nicht wissen wollte.

»Womit möchtest du anfangen?« Frauke stand am Tisch und blickte auf alle die Lack- und Ledersachen, die dort ausgebreitet waren.

Doch Julia ging zu ihrer Überraschung mit leuchtenden Augen zum Schrank und griff sich das strenge Halskorsett heraus. »Hiermit.« Sie hielt es hoch. »Ich frage mich schon lange, wie sich dieses Ding wohl anfühlen wird.« Doch dann stutzte sie, denn sie hatte ein Problem erkannt. »Wenn ich das angelegt habe, dann kann ich das Perlennetz nicht mehr tragen.«

Frauke wusste in diesem Moment auch nicht weiter. »Und wenn wir Frau Hegel fragen? Sie kann uns bestimmt einen Tipp geben.« Sie holte tief Luft. »Außerdem wäre eine helfenden Hand bestimmt nicht verkehrt, wenn es dich nicht stört, dass du von zwei Leuten angefasst wirst.«

»Damit geht es doch auch schneller, oder?« Julia grinste ihre Freundin an.

Frauke verließ den Raum und kam kurz darauf mit Frau Hegel zurück. »Wir helfen dann beim Aufbau des Pferdes.« Sie warf Julia einen verliebten Blick zu, doch dann lachte sie, denn sie hatte ihren Fehler bemerkt. »Ich werde beim Aufbauen mithelfen. Du wirst zuschauen.«

Julia hatte sich inzwischen etwas mit all den Gegenständen befasst, die sie in Kürze tragen würde. »Ich glaube, das schaffen wir nicht allein.« Sie blickte ihre Vermieterin verlegen an. »Und es ist uns nicht klar, wie das dann mit der Perlennetz gehen kann.«

»Gar nicht.« Frau Hegel schmunzelte. »Die Antwort ist einfach: Gar nicht.« Doch dann wurde sie wieder ernst. »Wenn sie erlauben, würde ich ihnen gern etwas zur Hand gehen.«

Julia und Frauke waren nicht abgeneigt, weil es ihnen die nötige Sicherheit gab und es ihnen ermöglichte, die zunehmende Eingeschränktheit zu genießen.

»Aber ich wollte doch auch eine Perle tragen.« Julia war etwas enttäuscht. Doch dann kam ihr wieder die Gesamtsituation in den Kopf und sie stellte die richtige Frage: »Wie hat Carolin das denn gemacht?«

»Gut, dass sie mich erinnern.« Frau Hegel ging zum Schrank mit den Schubladen. »Für diese Fälle hatte Carolin eine einzelne Perle, die sie einfach so in den Mund gesteckt hat.«

Sie nahm die angesprochene Kugel aus der Schublade und ging mit ihr ins Bad. Die Tür ließ sie offen, und so konnten die Freundinnen sehen, dass sie die Kugel kurz unter dem Wasserstrahl abwusch. Danach trocknete sie die rote Kugel noch mit einem neuen Handtuch ab.

Sie kam zurück in Julias Zimmer und reichte der Studentin die Kugel.

»Die ist aber groß.« Julia hielt die Kugel ehrfurchtsvoll in ihrer Hand.

»Ja, aber die Kugel tragen sie nicht zwischen den Lippen, sondern im Mund.« Insgeheim hatte Frau Hegel mit dieser Reaktion gerechnet. »Das Halskorsett erfordert es, dass sie den Mund ganz schließen können.«

Julia drehte die Kugel noch ein paar Mal zwischen ihren Fingern, dann öffnete sie ihren Mund und schob sich die Kugel hinein.

Frau Hegel hielt als nächstes eine Kopfhaube in der Hand. »Die sollten sie sich als Nächstes anlegen lassen.« Sie spannte die Haube in ihren Händen auf.

Julia erkannte die Haube sofort. Das Mädchen auf dem Foto hatte auch so eine Maske getragen, bei der nur noch ein Ausschnitt um Augen und Nase frei blieb, ungefähr so wie bei einer Tauchermaske.

Sie und Frauke warteten auf eine Reaktion von Julia. »Wir möchten eine Antwort.«

Julia wollte erst mit der Hand auf ihren Mund zeigen, doch dann erinnerte sie sich an das Gespräch von vorhin, und sie blickte sowohl Frauke als auch Frau Hegel intensiv an, währenddessen sie genau einmal kurz die Augen schloss.

»Sie haben gerade ‚Ja‘ gesagt?« Frau Hegel wollte sicher sein, ihre Vermieterin auch richtig verstanden zu haben.

Julia wiederholte die Augenbewegung. Es fühlte sich sehr aufregend an, auf diese Weise zu antworten.

Frau Hegel trat an Julia heran und zog ihr die Maske vorsichtig über ihren Kopf. »Sie muss sehr gut sitzen. Frauke, stellen sie sich bitte vor Julia, damit sie ihre Antworten sehen können.«

Julia fand es sehr aufregend, Frauke ins Gesicht zu sehen, während sie spürte, wie sich das weiche Leder der Haube immer enger um ihren Kopf legte. Es waren neue und aufregende Gefühle, und so achtete sie fast gar nicht darauf, wie fest die Haube wirklich gezogen wurde. Sie fand es einfach nur toll.

»Jetzt schauen sie bitte einmal in den Spiegel, dann machen wir weiter.« Frau Hegel war einen Schritt zurückgetreten.

Julia ging mit festen Schritten zum Spiegel und blickte neugierig hinein. Sie sah nur noch ihre Augen und ihre Nase. Dass sie einen großen Ball im Mund trug, war gar nicht zu erkennen.

Frauke trat hinter sie und flüsterte ihr ein ‚ich bin sehr stolz auf dich‘ ins Ohr, dann legte sie ihre Arme um sie.
230. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 9 - Veränderungen - Teil Fünf von Elf

geschrieben von Novizin Bea am 12.03.19 06:51

Hallo gag_coll
Dir ist ein Fehler unterlaufen du hast kapitel 5 zweimal gepostet einmal als 5 und heute als 6
231. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 9 - Veränderungen - Teil Fünf von Elf

geschrieben von gag_coll am 12.03.19 18:03

Danke...

Da habe ich mich bei der Nummerierung vertan...
232. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 9 - Veränderungen - Teil Sieben von Elf

geschrieben von gag_coll am 12.03.19 18:05

Die Studentin
Kapitel 9 - Veränderungen - Teil Sieben von Elf
Autor: Karl Kollar

Doch Frau Hegel ging dazwischen, indem sie mit dem Halskorsett winkte. »Wir sollten gleich weiter machen.«

Julia und Frauke rissen sich aus dem zärtlichen Moment heraus. Julia trat mit leuchtenden Augen wieder auf Frau Hegel zu.

»Das ist das ganz große Halskorsett. Es reicht von der Nase bis fast zum Dekolleté und wird ihren Kopf sehr streng festhalten.« Den eigentlich sehr inspirierenden Vergleich mit dem Schraubstock verkniff sie sich allerdings.

Julia signalisierte ein ‚Ja‘, dann legte sie ihre Arme auf den Rücken.

Zügig legte Frau Hegel das Lederungetüm um Julias Hals, und während Frauke es festhielt, begann Frau Hegel mit dem Zuschnüren.

»Julia, sie zwinkern bitte ein ‚Nein‘, wenn es irgendwo drücken oder weh tut sollte.« Frau Hegel war es wichtig, Julia die verbliebenen Möglichkeiten aufzuzeigen. »Wir rücken das dann zurecht.«

Julia hatte sich vorgenommen, dieser Aufforderung auch wirklich nachzukommen. Doch sie war so fasziniert von der stetig zunehmenden Enge, dass sie trotz allem nichts daran auszusetzen fand. Im Gegenteil, sie stellte erstaunt fest, wie sich das Halskorsett immer stärker um ihren Hals legte. Überall spürte sie die Berührungen durch das sehr streife Leder, und es fühlte sich sehr gut an.

»Ist alles wirklich in Ordnung?« Frau Hegel war mit der Schnürung fertig.

Doch Julia zeigte keine Reaktion, so dass sie die Frage wiederholen musste.

Erst jetzt konnte Julia mit einem einzelnen Zwinkern antworten, und in ihren Augen war ein verlegenes Lächeln zu sehen.

Frau Hegel war jetzt ebenfalls in Julias Gesichtsfeld getreten. »Versuchen sie bitte einmal, ihren Kopf zu bewegen.«

Julia kam der Bitte nach, doch zu ihrem eigenen Erstaunen stellte sie fest, dass sie ihren Kopf gar nicht mehr bewegen konnte. Sie blickte Frau Hegel mit einem Strahlen in den Augen an und zwinkerte genau einmal. Auch Frauke bekam von ihr einen sehr verliebten Blick und ein ‚Ja‘.

Frauke strich mit ihrer Hand zärtlich über Julias Kopf.

Julia stellte verwundert fest, dass sie die Berührung durch die Lederhülle spüren konnte, das Halskorsett hingegen schien so steif zu sein, dass sie Fraukes Berührung im Spiegel zwar sah, aber nur ganz schwach spürte.

»Wenn sie sich daran gewöhnt haben, wäre jetzt der Handschuh an der Reihe.« Frau Hegel hatte die entsprechende Lederhülle vom Tisch geholt und hielt sie jetzt erwartungsvoll in ihren Händen. »Ich denke, das Top können sie dabei anbehalten.«

Julia blickte noch einmal verliebt zu Frauke, dann legte sie ihre Arme erneut auf den Rücken und drückte dabei auch ihre Ellenbogen aneinander.

»Oh, sie haben aber gut trainiert.« Frau Hegel strich Julia zärtlich über die Arme, die sich fast über die ganze Länge aneinander schmiegten.

Julia hätte sich jetzt gern geäußert, doch sowohl der Ball in ihrem Mund als auch das Leder um ihren Kopf erinnerten sie in jeder Sekunde daran, dass sie für die nächste Zeit auf diese Äußerungsmöglichkeit verzichtet hatte. Und es fühlte sich gut an.

Langsam schob sich die Lederhülle über Julias Arme, und gleich darauf spürte die Studentin, wie der Druck auf ihre Arme immer weiter zunahm.

Genüsslich spürte sie, wie sie jetzt auch die Kontrolle über ihre Arme an das unnachgiebige Leder verloren hatte. Ein Gedanke, der ihr sehr gut gefiel.



Frauke hatte in der Zwischenzeit die Ballettstiefel aufgehoben und die Schnürung etwas gelockert. Sie war dazu extra in Julias Blickfeld getreten. Sie wusste noch aus eigener Erfahrung, wie lästig es sein konnte, wenn man, um etwas anderes zu sehen, den ganzen Oberkörper drehen musste.

Julia keuchte ein wenig, als die Schnürung des Handschuhs immer fester gezogen wurde.

»Es ist bewundernswert, Julia.« Die Stimme von Frau Hegel war etwas leiser als normal. »Bei ihnen ist es möglich, den strengen Handschuh ganz zu schließen, ohne dass ein Spalt übrig bleibt.«

Nur ganz nebenbei erkannte Julia, dass ihre Vermieterin die vier Klammern für die Schnürung nutzte, die eine besonders strenge und unnachgiebige Schnürung erlaubten.

Frauke war ebenfalls näher getreten und strich zärtlich über Julias Arme. »Du hast wirklich toll trainiert.«

Julia freute sich zwar über das Lob, doch gleichzeitig bedauerte sie die zwei Tage Trainingsausfall. Und sie hätte gern auf dem Pferd gelernt.



»So, fertig.« Frau Hegel trat wieder in Julias Blickfeld. »Wenn sie möchten, dann ziehen wir ihnen die Stiefel zusammen an. Jeder schnürt einen Stiefel.« Sie holte tief Luft. »Es ist gut, wenn sie sich gleich daran gewöhnen, dass sich mehrere Personen um ihre Engelsuniform kümmern.«

Julia signalisierte ein ‚Ja‘ und drehte sich zu Frauke, um sie mit den Augen anzulächeln. Sie hätte gern geantwortet, dass sie sich auf die Zukunft freuen würde, doch diese Antwort musste sie zunächst schuldig bleiben.

Frauke führte sie um das Bett herum und half ihr beim Hinsetzen.

»Sie können sich mit den Armen abstützen, dann haben sie die Beine frei und können sie hoch heben.« Frau Hegel kam mit den Stiefeln in ihren Händen auf das Bett zu, dann reichte sie Frauke einen Stiefel.

Julia hätte vermutlich gekeucht, wenn sie noch über ihren Mund verfügt hätte. Sie hatte eigentlich gedacht, dass ihre Arme jetzt völlig nutzlos in dem Handschuh verschwunden sein würden. Doch jetzt stellte sie fest, dass sie sich damit noch bequem abstützen konnte.

Fasziniert sah sie zu, wie ihre Beine bis zum Knie in den Ballett-Stiefeln verschwanden. Sie dachte darüber nach, wie außergewöhnlich sie diese Stiefel fand. Sie musste damit auf Zehenspitzen gehen, und doch war es ihr überraschend einfach gefallen. Sie dachte an den gestrigen Spaziergang draußen, den sie auch noch in der Gegenwart ihres Professors machen durfte.



»So, das war es schon.« Die Stimme von Frau Hegel riss sie aus ihren Gedanken.

»Jetzt möchtest du sicher noch deinen Rock darüber ziehen«, ergänzte Frauke.

Erst jetzt wurde es Julia bewusst, dass sie sich bisher nur in ihrer Stahlunterwäsche präsentiert hatte. Sie zwinkerte das ‚ja‘ erst nach einigem Zögern.

»Sie sollten ihr die Schrittkette abnehmen, dann können wir den Rock ganz schließen.« Frau Hegel war einen Schritt zurückgetreten.

Frauke kam der Aufforderung nach. Erst als die Kette schon abgenommen war, fiel ihr wieder ein, dass sie dazu ja Julias kleines Schlüsselbund benutzt hatte, welches sie ihr noch am Beginn dieser Woche anvertraut hatte.



Julia versuchte das ganze Tun zu beobachten, doch sie merkte, dass sie zum einen wegen des Halskorsetts gar nichts sah, zum anderen sich wegen des Handschuhs auch gar nicht dagegen wehren konnte, selbst wenn sie es gewollt hätte. Sie hatte sich Frau Hegel und vor allem Frauke vollständig ausgeliefert.

Und genau das fühlte sich sehr sehr gut an.

Eigentlich hätte sie gern spielerisch protestiert, weil sie vor der Kombination ‚Ballettstiefel und sehr enger Rock‘ noch einen gewissen Respekt hatte. Und weil sie so ohne fremde Hilfe im oberen Stockwerk gefangen war, denn für das Treppensteigen bräuchte sie viel mehr Bewegungsspielraum, als der Rock ihr erlaubte, selbst wenn sie nicht diese Mörder-Stiefel tragen würde.

Unwillkürlich suchte sie den Blick von Frauke, die ihn lächelnd erwiderte.

»Mache dir keine Sorgen, wir werden die ganze Zeit an deiner Seite sein.« Frauke hatte ebenfalls erkannt, dass Julia in der Kombination Ballettstiefel und Halskorsett nicht sehen konnte, wohin sie den nächsten Schritt machen würde, und vor allem, ob eventuell irgendwelche Hindernisse im Weg liegen würden.

Frau Hegel hatte beide Reißverschlüsse des Rockes geschlossen, sodass Julias Beine jetzt mehr oder weniger aneinander gedrückt wurden und der Studentin so nur noch winzige Schritte möglich waren. Jetzt erhob sie sich. »Wir wären dann soweit. Wollen wir hinunter gehen?«

Julias Augen zeigten noch einige Zweifel, doch sie drehte sich langsam in Richtung Tür. Doch erst als sie die Arme von Frauke und Frau Hegel um ihre Schultern spürte, traute sie sich, die ersten Schritte zu machen.

Frauke spürte, wie unsicher Julia noch bei den ersten Schritten war. »Es ist schon eine sehr strenge Kombination, die du jetzt trägst.«

Julia seufzte hörbar.

»Es würde allerdings auch noch eine Spur strenger gehen.« Frau Hegel hatte ein leichtes Lächeln in der Stimme.

Julia versuchte, einmal laut zu stöhnen. Eine andere Möglichkeit sah sie nicht, um ihre Neugier zu bekunden.

Frauke war sich nicht sicher, ob sie ihre Freundin richtig verstanden hatte. »Du möchtest wissen, wie?«

Wieder keuchte Julia genau einmal.

»Ich freue mich über ihr Interesse.« Frau Hegel öffnete die Tür zum Flur. »Auf der Burg werden sie es ohnehin kennenlernen. Es sind Stiefel, die weit über das Knie reichen, und diese Stiefel haben eine Vorrichtung, mit der sich das Knie versteifen lässt. Man kann dann das Bein nicht mehr beugen.«

»Das klingt spannend.« Frauke drückte Julia einmal kurz an sich.

Wieder keuchte Julia einmal.

»Aber diese Stiefel dürfen nur dann getragen werden, wenn jemand dabei ist, der die Person jederzeit festhalten kann.« Frau Hegel wartete, bis Julia über die Schwelle getrippelt war, dann schloss sie die Tür. »Denn sonst ist es zu gefährlich.«

Auf einmal hörten die beiden Frauen, wie Julia viermal keuchte. So ein Signal war bisher nicht abgesprochen. Doch dann hatte Frau Hegel eine Idee. »Sie möchten wissen, ob wir solche Stiefel haben?«

Jetzt antwortete Julia mit genau einem Keuchen.

»Nein, so etwas hatte Carolin nicht.« Frau Hegel hatte ein Bedauern in der Stimme.

»Schade«, grinste Frauke. Wieder einmal bedauerte sie, dass sie sich für einen Engel als nicht tauglich erwiesen hatte.

»Jetzt kommt gleich die Treppe.« Frau Hegel blieb kurz stehen. »Wir sollten uns jetzt auf das Hinabsteigen konzentrieren.«

Julia hatte eigentlich erwartet, dass sie ihr den Rock etwas öffnen würden, doch zu ihrer Überraschung blieb der Reißverschluss zu.

»Trauen sie sich ruhig, den Rock zu belasten.« Frau Hegel hatte Julias Zögern bemerkt. »Ich bin mir sicher, dass er nicht kaputt gehen wird.«

»Außerdem halten wir dich bei jedem Schritt fest.« Auch Frauke war bemüht, Julia die nötige Sicherheit zu vermitteln.

Es war weniger ein Hinabsteigen – eher ließ sich Julia hinab fallen, wobei sie dabei auf die Unterstützung von beiden Seiten vertraute. Nach wenigen Stufen hatten sie einen Weg gefunden, der für alle am angenehmsten war. Gleichzeitig zeigte ihr dieser Kraftakt noch einmal deutlich, wie sehr sie hilflos in diesen so faszinierenden Kleidern von Carolin war. Und natürlich wurde sie immer neugieriger auf die Engel.
233. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 9 - Veränderungen - Teil Acht von Elf

geschrieben von gag_coll am 16.03.19 09:38

Die Studentin
Kapitel 9 - Veränderungen - Teil Acht von Elf
Autor: Karl Kollar

»Ah, ihr seid schon fertig?« Herr Hegel saß im Wohnzimmer, und neben seinem Sessel hatte er einen kleinen Werkzeugkasten stehen. »Schön.« Er stand auf.

Julia trippelte sehr unsicher hinter Frauke her ins Wohnzimmer.

Hinter ihnen betrat Frau Hegel das Wohnzimmer. »Wir wollten ihnen schon einmal zeigen, wo sie nachher sitzen werden.«

Julia blickte ein wenig verwundert auf das Szenario, was sich ihr bot. Ihr Professor hatte sich einen Schraubenschlüssel aus dem Werkzeugkasten genommen und stand jetzt neben der Blumenampel.

»Bleiben sie einfach stehen und schauen sie uns zu.« Frau Hegel drehte sich zu ihrem Mann und war verwundert. »Du hast das Werkzeug schon geholt?«

»Vorfreude.« Der Professor lächelte verlegen. »Reine Vorfreude.«

Einerseits war Julia sehr aufgeregt, weil sie ihrem Professor schon wieder so völlig hilflos begegnete, doch wie schon letztes Wochenende kam es ihr vor, als würde er sie jetzt gar nicht als seine Studentin betrachten, sondern als die Tochter, die er offenbar so tragisch verloren hatte. Und das machte Julia sehr stolz.

Erst auf den zweiten Blick bemerkte sie, dass er auch seltsam gerührt war. Fast meinte sie bei ihm Tränen in den Augen zu sehen, und sie fragte sich, was dafür wohl der Grund war.

Doch zu ihrer Überraschung gab er den Grund für seine Gefühlsregung selbst von sich. »Ich hätte nicht gedacht, dass wir das Gerät noch einmal so benutzen können, wie es gedacht war.« Er hatte tatsächlich Tränen in den Augen. Es schien ihm wirklich sehr viel zu bedeuten.

Als Julia dies erkannte, bekam sie einen Kloß im Hals. Sie blickte soweit ihr das Halskorsett es erlaubte auf die hübsche Blumenampel, doch noch erkannte sie die Ähnlichkeit zu ihrem Pferd im Zimmer nicht.

Es hatte allerdings auch einen Grund, warum die Stange nicht mehr einfach aus dem Boden entfernt werden konnte. Dieser Grund war, dass ein Stromkabel hindurch gelegt worden war, an dem der Vibrator im Sattel angeschlossen werden konnte. Doch davon ahnte Julia noch nichts.

»Wir müssen die ganzen Blumentöpfe abschrauben und ins Nebenzimmer bringen.« Frau Hegel blickte Frauke fragend an. »Haben sie mit Julia schon darüber gesprochen?«

Frauke war ein wenig verlegen. »Nein, das habe ich nicht.«

»Wir möchten sie einladen, den Pflichtabend mit uns und Frau Sommer zu verbringen. Sie könnten ihr dann Gesellschaft leisten.« Herr Hegel sprach mit einer für seine Verhältnisse sehr leisen Stimme. »Natürlich nur, wenn sie dies auch möchten.«

Frauke suchte den Blick von Julia, und es amüsierte sie, dass ihre Freundin erst ein paar Trippelschritte machen musste, bevor sie sich ansehen konnten. Doch als sie Julias strahlende Augen sah, gab sie ihre Zustimmung.

Doch dann fiel ihr Blick auf den besonderen Sattel, den Hegels schon bereit gelegt hatten. »Wollen sie das heute schon machen?« Sie blickte ein wenig ängstlich zwischen Julia und dem Sattel hin und her.

Julia wäre Fraukes Blick gern gefolgt, doch bedingt durch das Halskorsett konnte sie nicht sehen, was ihre Freundin offenbar schon erkannt hatte.

Insgeheim hatte Frau Hegel mit dieser Reaktion gerechnet. Doch zugleich hoffte sie auch, dass die Liebe zwischen Julia und Frauke schon gefestigt genug war. Sie blickte Frauke an. »Kommen sie bitte einmal kurz mit vor die Tür?«

Frauke fiel es schwer, Julia allein zu lassen. Erst als sie sich davon überzeugt hatte, dass ihre Freundin sich anlehnen konnte, folgte sie der Frau des Professors.

Julia blieb mit dem Professor zurück. Sie zitterte leicht, denn sie war sehr angespannt.

Herr Hegel war damit beschäftigt, mit einem Schraubenschlüssel an den Blumentöpfen zu arbeiten. Zu ihrer Erleichterung hatte er nur wenig Aufmerksamkeit für sie übrig.

Julia machte sich ein wenig Sorgen, denn sie hatte Fraukes Blick bemerkt. Doch genauso war ihr klar, dass sie in ihrer Situation nichts mehr ausrichten konnte. Trotzdem hatte sie sich vorgenommen, Frauke nach dem Grund zu fragen. Wenn sie die Pläne richtig verstanden hatte, dann würde sie nach diesem Intensiv-Training noch etwas Zeit für ein Pläuschchen haben.

Sie nannten es Intensiv-Training, doch Julia empfand es bei weitem nicht als solches. Natürlich war die Haltung, die sie gerade einzunehmen hatte, etwas ungewöhnlich, aber nicht unbequem. Und von so tollen Stiefeln hatte sie immer schon geträumt.

Die Arme fühlten sich in dem Handschuh sehr geborgen an, und ihr war so oft schon versichert worden, dass es für sie nur positive Folgen haben würde, wenn sie sich dieser Qual, die überhaupt keine war, aussetzen würde. Quasi auch aus Dankbarkeit hatte sie sich vorgenommen, selbst auch gut auf ihren Körper zu hören und sich sofort bemerkbar zu machen, wenn sie irgendwo Probleme erkannte oder gar Schmerzen verspürte.



»Wie geht es ihnen?« Herr Hegel blickte seine Studentin aufmerksam an.

Julia zuckte zusammen. Sie hatte eigentlich keine Frage von ihrem Professor erwartet.

»Entschuldigen sie, sie sind ja so gar nicht in der Lage zu antworten.« Er lächelte verlegen. »Ich muss anders fragen. Geht es ihnen gut?«

Julia signalisierte ein ‚Ja‘. Sie fand es insgeheim sehr aufregend, auf diese Weise mit ihrem Professor reden zu müssen.

»Ich bewundere ihren Mut und ihre Entschlossenheit.« Seine Stimme zeigte seine Ehrlichkeit.

Julia war insgeheim sehr dankbar, dass In diesem Moment Frauke und Frau Hegel zurück in den Raum kamen.

Frauke ging sofort auf Julia zu und streichelte sie im Gesicht. »Ich bin sehr stolz auf dich. Frau Hegel hat mir erzählt, was du alles für mich getan hast.«

Julia seufzte tief, was trotz des Balles im ihrem Mund deutlich zu hören war. Sie versuchte sich an Frauke zu schmiegen, doch sie erkannte erneut, wie wenig sie sich wirklich nur bewegen konnte.

Doch dann wunderte sie sich ein wenig über Fraukes Verwandlung. Von dem sorgenvollen Blick, als über den Sattel gesprochen wurde, war nichts mehr übrig geblieben.

»Wie weit bist du?« Frau Hegel wandte sich an ihren Mann.

»Die Schrauben sind alle schon gelockert.« Er zeigte mit einer Hand auf die Blumenampel vor sich. »Ich warte auf euch, dass ihr die Blumentöpfe abnehmt.«

»Wir wollten Julia vielleicht ein Tablett umschnallen, so dass sie beim Heraustragen helfen kann.« Frau Hegels Stimme zeigte, dass es ihr nicht leicht fiel, diesen Vorschlag zu unterbreiten.

Frauke hatte sofort begriffen, was Hegels Worte bedeuten würden. Sie kannte diese Tabletts noch aus ihrer eigenen Zeit. Ein mehr oder weniger großes Brett würde um die Taille geschnallt werden, und die andere Seite des Brettes würde mit einer Schnur um den Hals gehalten werden. »Das ist doch sehr demütigend.« Sie gab wieder, was sie noch von damals wusste.

»Sie haben recht, auf den ersten Blick ist das eine unnötige Demütigung.« Frau Hegel hatte ihre Worte sorgfältig gewählt.

»Aber…« Frauke begann zu erkennen, dass sie jetzt für Julia reden und handeln musste. Sie tauschte mit Julia ein paar Blicke aus. »Soll ich nachfragen?«

Julia war recht unsicher, trotzdem signalisierte sie ein ‚Ja‘.

»Es gibt bei den Engeln eine besondere Tätigkeit, bei der sie zusammen mit anderen Engeln jeweils ein Tablett mit Getränken bereitstellen dürfen.« Die Stimme von Frau Hegel klang auf einmal recht geheimnisvoll. »Dieses Amt dürfen allerdings nur sehr gut qualifizierte Engel ausüben.«

Julia blickte Frauke lange an, bevor sie einmal zwinkerte.

»Sie tun sich so leicht mit den Stiefeln, dass wir es wirklich probieren sollten.« Frau Hegel setzte ihre Argumentation fort. »Wir brechen auch sofort ab, wenn sie damit Probleme haben sollten.«

Julias Blick zeigte dennoch einige Zweifel. Sie drehte sich in Richtung ihres Professors, so als wollte sie ihn ebenfalls um Rat fragen.

Doch er sagte nicht, sondern nickte nur einmal kurz, dann drehte er sich zu Frauke um. »Frau Wiesl, holen sie doch bitte einmal die beiden Tabletts. Das große und das kleine bitte.«

Julia runzelte wieder die Stirn, doch davon war wegen der Haube nur wenig zu sehen.



Frauke kam zurück und legte die Tabletts auf den Wohnzimmertisch bewusst weit auseinander. Während auf dem kleinen Tablett nur eine der Topfpflanzen Platz hatte, konnten auf dem großen Tablett immerhin gleich vier der Töpfe getragen werden.

»Nun Frau Sommer, sie haben die Wahl.« Die Stimme von Herrn Hegel war in diesem Moment sehr leise, fast ein wenig feierlich.

Julia ging sehr zielstrebig auf das große Tablett zu.

»Sind sie sich sicher?« Frau Hegel war Julias Bewegung gefolgt und war erstaunt über ihre Wahl.

Julia blinzelte genau einmal.

»Das wird aber das vierfache Gewicht sein, was sie dann tragen müssen.« Frau Hegel wollte es erwähnt haben.

Frauke blickte Julia ebenfalls sehr fasziniert an, und auf einmal hatte sie erkannt, was ihre Freundin bewegte. »Damit muss sie aber viel weniger gehen.«

Julia strahlte deutlich und antwortete wieder mit ‚Ja‘.

* * *

Nachdem alle Blumentöpfe im Nachbarzimmer waren, wurde Julia der Handschuh schon wieder abgenommen. Sie hätte gern dagegen protestiert, doch erst als der Ball in ihrem Mund entfernt wurde, konnte sie wieder reden. »Warum haben wir aufgehört?« Sie klang etwas empört.

»Die Stunde ist um.« Herr Hegel blickte demonstrativ auf die Uhr. »Ihr Intensiv-Training ist beendet.«

»Schon?« Julia war sichtlich enttäuscht.

Frau Hegel überging dies. »Jetzt sollten sie sich für das Abendessen umziehen.«

»Julia, kommst du?« Frauke stand schon an der Wohnzimmertür.

Julia blickte noch einmal fasziniert auf die Blumenampel, die sich jetzt doch tatsächlich in das Pferd verwandelt hatte, welches sie schon von ihrem Zimmer kannte.

»Ach Frau Wiesl, da wäre noch etwas.« Der Professor räusperte sich. »Wir möchten eigentlich gar nicht wissen, wo sie in der Zwischenzeit gewesen sind.«

Julia öffnete den Mund, doch der warnende Blick von Frauke bewirkte, dass sie ihn sofort wieder schloss.

»Es wäre uns sehr recht, wenn wir sie wieder in ihrem Zimmer wüssten.« Er sprach mit dem gleichen Tonfall weiter. »Bitten sie Julia, ihnen bei ihrem Umzug zu helfen.«

»Aber ich…« Frauke war sehr verlegen.

»Das ist natürlich nur ein Vorwand.« Frau Hegel schmunzelte. »In Wirklichkeit geht es uns darum, dass Julia das Treppengehen mit diesen Ballettstiefeln übt.«

Es dauerte einen Moment, bis in Fraukes Gesicht ein Lächeln erschien. »Ja, dann.« Sie seufzte gespielt tief. »Julia, du hilfst mir dann beim Umziehen.«

Julia hatte die Dialoge natürlich mitverfolgt, und entsprechend grinste sie jetzt auch. Doch dann setzte sie ein anderes Gesicht auf. »Aber Frau Wiesl, bitte quälen sie mich nicht.« Es war das erste Mal, dass Julia begann, sich so spielerisch zu zieren. Sie hoffte sehr, dass Frauke auch entsprechend antworten würde.

Frauke griff das Spiel tatsächlich auf. »Versucht das böse Mädchen gerade, sich vor der Strafe zu drücken?

Zur Überraschung aller mischte sich jetzt auch Herr Hegel in das Gespräch ein. »Ich könnte anbieten, einmal mit ihrem Professor zu reden. Ich kenne ihn sehr gut, und er könnte ebenfalls gut auf sie einwirken.«

Julia drehte sich verwundert um. Die Grenzen zwischen Spiel und Wirklichkeit begannen zu verschwimmen, und sie fragte sich, ob sie ihr Schicksal wirklich noch unter ihrer Kontrolle hatte. Doch bislang fühlte sich alles sehr gut an.
234. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 9 - Veränderungen - Teil Fünf von Elf

geschrieben von ronn2321 am 22.03.19 11:16

Bin gespannt wie diese Geschichte weiter geht.

235. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 9 - Veränderungen - Teil Neun von Elf

geschrieben von gag_coll am 22.03.19 20:37

Die Studentin
Kapitel 9 - Veränderungen - Teil Neun von Elf
Autor: Karl Kollar

Eigentlich waren es nur wenige Sachen, die Frauke in ihrem Versteck untergebracht hatte. Doch es reichte aus, das sie und Julia wirklich zweimal laufen mussten.

Beim ersten Mal war Frauke noch sehr aufmerksam wegen Julias Stiefel, doch sie hatte schnell erkannt, dass sie sich diesbezüglich keine Sorgen zu machen hatte. Die Studentin kam mit den Stiefeln äußerst gut zurecht.

Zuerst schmollte Julia ein wenig, doch beim zweiten Gang wurde sie wieder gesprächiger. »Danke dafür.« Ihre Stimme war leise.

»Wofür?« Frauke fehlte ein wenig der Einblick in Julias Gedankengang.

Julia lächelte. »Dafür, dass du für mich entschieden hast.«

»Ich hoffe, es war richtig.« Frauke lächelte. »Aber so wie deine Augen gestrahlt haben...«

»Es war die Aussicht auf die Engel.« Julias Stimme zeigte ihre Faszination. »Es hat mich einfach fasziniert, dass diese besondere Kombination sogar einen praktischen Nutzen haben könnte.«

»Ich bin sehr stolz auf dich.« Frauke öffnete die Tür zu ihrem Zimmer.

»Danke.« Julia lächelte.

»Jetzt gehen wir in dein Zimmer.« Frauke verstaute ihre wenigen Habseligkeiten im Schrank, dann verließen sie das Zimmer und gingen in Julias Reich. »Du musst dir die Stiefel wieder ausziehen.«

Genau so etwas hatte Julia befürchtet. »Muss das sein?« Es wurde deutlich, dass sie die Stiefel gern noch länger getragen hätte. Trotzdem setzte sie sich schon einmal auf ihr Bett und begann, die Schnürung zu öffnen.

Jede andere Reaktion hätte Frauke vermutlich verwundert. »Es ist wichtig, wenn du die Stiefel heute noch auf dem Pferd tragen möchtest.« Sie kniete sich vor Julia und half ihr, sich von den Ballettstiefeln zu befreien.

»Ach ja, das Pferd.« Julia lächelte erneut. »Was wird mich wohl heute Abend noch erwarten?«

Frauke fiel ein Schatten über ihr Gesicht. Schließlich war dieses Pferd mit einer der Gründe, warum sie selbst an der Aufgabe gescheitert war. Sie vermied, Julia in diesem Moment anzusehen. Stattdessen versuchte sie eine Ablenkung, die zum ihrem Glück auch gelang. »Was möchtest du denn anziehen?«

»Habe ich eine so große Auswahl?« Julias Blick fiel auf die drei Schränke.

»Nun, es darf schon etwas Feierliches sein.« Sie war erleichtert, dass ihre kleine Ablenkungslist geglückt war.

»Feierlich?« Julia runzelte die Stirn.

»Okay, ‚Feierlich‘ ist das falsche Wort.« Sie lächelte. »Aber wir sind doch immerhin bei deinem Professor zum Abendessen eingeladen.« Frauke kam nicht umhin zu betonen, dass sie auch eingeladen war.

»Du hast Recht, dann sollten wir schon gut aussehen.« Auch Julia war es wichtig, das ‚wir‘ zu betonen. Sie seufzte. »Ich denke, eine weiße Bluse und ein schwarzer Rock.«

»Und darüber vielleicht eine Weste als Farbtupfer.« Frauke stellte die Stiefel beiseite.

»Mal sehen, was die Garderobe hergibt.« Julia lachte, dann stand sie auf und ging zum Schrank.

Frauke war noch etwas wichtig. »Außerdem habe ich versprochen darauf zu achten, dass du jetzt erst einmal wieder flachere Schuhe anziehst.« Sie holte tief Luft. »Gerade in der Anfangsphase ist es wichtig, deine Füße nicht zu sehr zu strapazieren.«

»Schade.« Julia seufzte. »Eigentlich mag ich die Stiefel sehr. Damit bin ich größer als du.«

»Ja, das stimmt.« Frauke lächelte. »Und jetzt sieh zu, dass du dich umziehst. Ich glaube, sie warten auf uns.«

* * *

»Das war sehr gut, was sie da eben gemacht haben.« Frau Hegel legte das Besteck weg und wischte sich den Mund ab. »Schon beim zweiten Mal waren sie eine echte Hilfe.«

Julia lächelte nur, sie hielt es zunächst für Höflichkeit.

»Seien sie nicht so bescheiden.« Ihre Vermieterin setzte nach. »Wir hätten sonst doppelt so oft laufen müssen.«

»Ja, wenn sie meinen.« Julia zweifelte immer noch an ihren Leistungen. »Es war ja nicht schwer.«

»Sie haben natürlich einen großen Anteil an Julias Erfolg.« Herr Hegel blickte zu Frauke. »Sie haben ihr immer dann geholfen, wenn sie anfing, Schwierigkeiten zu haben. Sie haben das ebenfalls sehr gut gemacht.«

»Ich war zunächst ja dagegen.« Frauke strich Julia zärtlich über den Kopf. »Aber ich habe gespürt, dass du es unbedingt machen wolltest.«

»Ja, das ist richtig.« Sie griff zu Fraukes Hand und hielt sie fest. »Und es fühlte sich sehr schön an.« Sie wurde eine Winzigkeit leiser. »Ich freue mich schon sehr auf die Engel.«

Herr Hegel lehnte sich zurück. »Ich bin mir mittlerweile sicher, dass sie es schaffen werden.«

»Ich denke auch.« Seine Frau bestätigte es. »Wenn sie jetzt auch noch kräftig mit Patricia trainieren, dann sind sie eigentlich sehr gut vorbereitet.«

Der Professor lächelte. »Ich hatte fast den Eindruck, sie wollten gar nicht mehr aus dem Handschuh heraus.«

Julia wurde rot. »Ja, so war es auch.« Sie lächelte. »Ich war richtig überrascht, dass die Stunde schon um war.«

Hegels tauschten einen vielsagenden Blick aus.

»Sie sollten aber wissen, dass dies nur der Anfang ist. So fair müssen wir sein.« Er räusperte sich. »Aber ich bin überzeugt, dass sie alle Herausforderungen meistern werden.«

»Was wird denn noch kommen?« Julia bereute die Frage, kaum dass sie sie ausgesprochen hatte.

»Es ist richtig, dass sie dies fragen.« Frau Hegel lächelte. »Aber ich möchte sie bitten, sich diese Frage bis morgen aufzuheben. Wir haben doch Patricia Vogel eingeladen, und sie kennt sich bei den Engeln viel besser aus.«

»Die Patricia, die wir besucht haben? Sie kommt also wirklich?« Julia war elektrisiert.

»Ja, genau die.« Frau Hegel lächelte. »Sie hat zwar noch zwei Termine mit ihrem Orchester, aber sie sagt, dass sie das trotzdem einrichten kann. Sie kommt schon morgen und wird euch viele gute Tipps zum Trainieren geben.«

»Ich freue mich.« Julia strahlte, doch dann fiel ein Schatten über ihr Gesicht. »Ich hätte da noch eine andere Bitte, aber ich weiß nicht, ob ich die überhaupt äußern darf.«

»Lassen sie es hören.« Frau Hegel lehnte sich zurück.

»Ich würde mir gern wünschen, dass Frauke von nun an bei den Mahlzeiten dabei ist und nicht mehr alleine isst.« Julia wurde rot und senkte den Kopf.

Hegels waren damit einverstanden, machten aber deutlich, dass es allein Fraukes Entscheidung wäre.

»Ich muss doch auf sie aufpassen«, betonte Julia bewusst scherzhaft.

Frauke war seltsam berührt und bewegt. »Ich bin es gar nicht gewöhnt, dass sich jemand für mich einsetzt.«

Julia ergriff ihre Hand. »Wir Schwestern müssen doch auf einander aufpassen.«

Frauke wäre gern noch einen Schritt weiter gegangen, doch sie spürte, dass die Zeit dafür noch nicht reif war.

»Und jetzt sollten sie sich umziehen für ihren Pflichtabend.« Herr Hegel stand auf.

»Und bitte weder Perle noch Haube.« Frau Hegel tat es ihrem Mann nach. »Wir möchten uns mit ihnen unterhalten.«

Julia seufzte nur.

»Mein Mann und ich werden sehr stolz auf sie sein.« Sie streichelte ihr zärtlich über die Wange. »Aber bitte versprechen sie mir, dass sie sich nicht überfordern und vor allem, dass sie auf ihre Gesundheit achten.«

Julia gab das gewünschte Versprechen, dann drehte sie sich zu Frauke. »Gehen wir uns umziehen.« In ihre Vorfreude mischte sich ein klein wenig Angst vor dem Unbekannten, doch sie war sich sicher, dass Hegels nichts wirklich Schlimmes von ihr fordern würden. Langsam folgte sie Frauke in ihr Zimmer.

* * *

»Was wolltest du anziehen?« Frauke blickte auf die offenen Schranktüren, realisierte aber auch, dass Julia bisher für den Abend nichts heraus gelegt hatte.

»Ich wollte eigentlich gleich in dieser Bluse bleiben.« Julia lächelte leicht.

»Aber du willst doch den Handschuh tragen?« Frauke runzelte die Stirn.

»Was heißt hier ‚willst‘? Ich glaube, ich muss...« Julia lächelte. »Aber was hast du gegen die Bluse?«

Frauke musste einen Moment überlegen. »Etwas eng anliegendes wäre sinnvoller, wie zum Beispiel ein Rollkragenpullover.«

»So etwas gibt es hier aber nicht in Lack.« Dann stutzte sie. »Warum eigentlich?«

»Die Ärmel der Bluse werden im Handschuh sicher Falten bilden, die dann unangenehm drücken könnten.«

»Das ist einzusehen. Vorhin hat es gezwickt.« Julia seufzte. »Da waren ein paar Blusen im Schrank, die ich aussortiert hatte, weil sie keine Ärmel hatten.«

Sie blickten sich kurz an.

»Ich habe sie in das untere Fach gelegt.« Julia strahlte.

236. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 9 - Veränderungen - Teil Fünf von Elf

geschrieben von DarkMephisto am 29.03.19 05:06

Hallo gag_coll,

Habe diese Geschichte eine Zeit lang aus den Augen verloren. Bin froh das ich nun wieder weiter lesen konnte. Schreibe bitte schnell weiter.

MfG darkmephisto
237. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 9 - Veränderungen - Teil Zehn von Elf

geschrieben von gag_coll am 30.03.19 13:21

Die Studentin
Kapitel 9 - Veränderungen - Teil Zehn von Elf
Autor: Karl Kollar

Gleich darauf trug Julia eine weiße Bluse mit kurzen Ärmeln und hatte ihre Arme schon erwartungsvoll auf den Rücken gelegt. »Ich bin bereit.« Sie strahlte.

»Die Bluse ist ja hochgeschlossen.« Frauke blickte Julia bewundernd an. »Mit Ausschnitt fände ich dich schöner.«

»Das ist doch mein Pflichtabend bei Hegels, da will ich schön aussehen.« Sie grinste. »Spielen können wir hinterher. So schön bei Kerzenlicht und Sekt.«

Frauke lächelte nur. ‚Wenn dir dann noch nach spielen ist‘, dachte sie im Verborgenen. Aus ihrer eigenen Erfahrung her ahnte sie, dass Julia nach dem Aufenthalt auf dem Pferd sicherlich sehr erschöpft sein würde. »Welcher Handschuh darf es denn sein?«

Julia musste kurz überlegen. Bisher hatte sie immer den Trainingshandschuh getragen. »Wie wäre es mit dem weißen zum Schnüren?«

»Wie Madame wünschen.« Frauke lächelte. »Heute haben wir ja Zeit für eine sorgfältige Schnürung.«

Julia drehte sich mit dem Rücken zu Frauke und präsentierte ihr so die Arme, dass sie sich auf der ganzen Länge der Unterarme berührten.

»Wahnsinn, du bist wirklich sehr gelenkig.« Frauke sortierte noch die Riemen des Handschuhs.

Julia zitterte etwas. »Ich habe auch täglich in der Uni geübt, wenn es wieder etwas langweilig war.« Sie beschrieb, wie sie dann ihre Arme hinter die Stuhllehne gehalten hatte.

Frauke trat mit dem Handschuh näher an Julia heran. Mit leiser Freude sah sie bei Julia so etwas wie eine Gänsehaut. Langsam und sorgfältig schob sie die Lederhülle über Julias Arme.

Julia stöhnte leise, als sie das Leder auf ihren Armen spürte. Sie biss sich auf die Lippen, um nicht lauter zu werden.

Insgeheim hatte sie schon sehr viel Gefallen gefunden an diesem so seltsamen Handschuh. Sie fand es sehr faszinierend, wie diese einfache Lederhülle ihr jede Bewegungsmöglichkeit ihrer Arme weg nahm.

Gleich darauf sah sie, wie Frauke die Riemen um ihren Oberkörper legte. Julia hatte die Funktion dieser Riemen verstanden, sie sorgten dafür, dass die Lederhülle nicht wieder herunter rutschen konnte.

»Ich würde dann mit der Schnürung beginnen.« Frauke sprach in diesem Moment leiser.

Julia musste sich erst räuspern, bevor sie antworten konnte. »Mache es bitte mit diesen Klammern.« Sie blickte auf den Schreibtisch, wo die entsprechenden Dinge lagen. »Frau Hegel sagt, sie ermöglichen eine besonders strenge und ästhetische Schnürung.«

»Hat sie wirklich ‚ästhetisch‘ gesagt?« Frauke war etwas verwundert.

»Nein, das waren meine Worte.« Julia lächelte. »Sie hatte mir doch den Artikel aus der Engelszeitung gezeigt.«

Frauke nahm die Klammern vom Tisch und warf auch noch einen kurzen Blick auf den Artikel. »Im Grunde genommen ist es ganz einfach.«



Frauke war gerade fertig mit der Schnürung, als es an der Tür klopfte. Frau Hegel steckte den Kopf zur Tür herein. »Frau Wiesl, hätten sie einen Moment Zeit für mich?«

»Brav sein.« Frauke strich einmal kurz über Julias verpackte Arme, dann folgte sie Frau Hegel auf den Korridor.

»Ich möchte sie einladen, den Abend mit uns zu verbringen.« Frau Hegel holte tief Luft. »Sehen sie es bitte nicht als Befehl, sondern als höfliche Bitte.«

Frauke war zunächst sprachlos.

»Sie täten es auch für Julia.« Frau Hegel brachte die Argumente vor, die sie sich bereit gelegt hatte. »Sie kennen sie bisher am besten, und sie können am ehesten beurteilen, ob wir den Abend abbrechen sollten.«

Frauke glaubte sich verhört zu haben. »Ich könnte verhindern, dass Julia das zugemutet wird?«

»So drastisch sehen sie das hoffentlich nicht, aber ja, das meine ich.« Frau Hegel lächelte. »Sie sollten auch wissen, was wir zusätzlich noch vorhaben. Natürlich könnten sie sagen, dass sie dagegen sind, doch wir würden uns sehr darüber freuen, wenn sie uns bei unseren Zielen unterstützen würden.«

»Was haben sie denn vor?« Frauke erkannte, dass sie ein wenig Einfluss auf das haben würde, was Hegels ihrer Freundin in Kürze zumuten würden.

Frau Hegel flüsterte Frauke etwas ins Ohr.

Im ersten Moment war Frauke sowohl enttäuscht als auch empört. Doch dann fiel ihr wieder ein, was damals von ihr selbst erwartet wurde und was sie damals nicht geschafft hatte. Mit der Antwort zögerte sie noch.

»Sie dürfen sie auch gern in den Arm nehmen und sie dabei streicheln.« Frau Hegel hoffte, dass es die richtigen Worte waren.

»Und warum machen sie so etwas?« Frauke fragte es, obwohl sie die Antwort eigentlich kannte.

Frau Hegel holte tief Luft. »Wir möchten wissen, wie sie reagiert und in wie weit wir Chancen haben, dass sie die Aufnahmeprüfung bestehen wird.«

»Ja, natürlich.« Frauke seufzte tief.

»Bitte seien sie an ihrer Seite und stehen ihr bei. Sie können ihr wirklich helfen.« Frau Hegel blickte die Dienerin eindringlich an. »Passieren kann ihr ja nichts, auf dem Pferd ist sie sicher festgeschnallt, wie sie sicherlich noch wissen. Ich bin sicher, dass es ihr gefallen wird.«

Tief in ihrem Inneren hatte Frauke sich schon entschieden. »Sie könnte Skrupel haben, in Gegenwart ihres Professors kommen zu müssen. Sie wird bestimmt versuchen es zu verbergen.«

»Genau das wäre dann auch der eigentlich Zweck der Übung.« Sie blickte zu Boden, denn von diesem Aspekt wusste Frauke bisher nichts.

»Was meinen sie?« Frauke horchte auf. »Sie machen das nur, um ihr dabei zusehen zu können?«

»Aber natürlich nicht aus Eigennutz.« Wieder holte Frau Hegel tief Luft. »Sie muss das für die Engel können, und je weniger ihr man es ansieht, desto besser ist es für sie.«

»Wer wird die Steuerung bedienen?« Frauke hoffte noch, Julia unnötige Qualen ersparen zu können.

»Es ist besser für sie, wenn sie das nicht wissen.« Frau Hegel fiel noch etwas ein. »Wenn sie möchten, dann können sie sich einen Barhocker aus dem Keller holen. Sie müssten dann nicht die ganze Zeit stehen.«

»Aber dann kann ich sie nicht umarmen?« Frauke wollte hier widersprechen.

»Es ist nur ein Angebot.« Frau Hegel lächelte. »Sie müssen nicht.«

Frauke dachte kurz nach. »Okay, ich werde mir den Hocker holen.« Sie öffnete kurz die Tür und streckte den Kopf hinein. Es tat ihr weh, als sie sah, wie sehr sie Julia anstrahlte. »Ich gehe mal kurz in den Keller. Ich bin gleich wieder bei dir.«

»Ich komme zurecht.« Julia saß auf dem Bett und lächelte erwartungsvoll.

Auf dem Weg in den Keller dachte Frauke an ihre eigenen Erfahrungen, und sie erkannte, dass Julia schon jetzt wesentlich weiter gekommen war als sie selbst. Sie selbst hatte das Angebot vor allem angenommen, weil sie damit aus dem Gefängnis kam. Sie hatte nicht gewusst, was Hegels damals wirklich von ihr erwartet hatten.

* * *

Herr Hegel war sichtlich nervös, als er das Wohnzimmer betrat. »Wo ist die Fernbedienung?«

»Sie liegt in deinem Sessel.« Frau Hegels Antwort zeigte ebenfalls eine gewisse Anspannung.

»Kann sie sie vom Pferd aus sehen?« Herr Hegel setzte sich in den Sessel, nachdem er die Fernbedienung in die Hand genommen hatte.

»Nein.« Frau Hegel schüttelte den Kopf. »Das wissen wir schon von diversen Nachbesprechungen.«

»Woher wissen wir, ob es wirklich funktioniert?« Herr Hegel drückte einige Knöpfe auf der Fernbedienung.

»Du bist sehr nervös.« Seine Frau lachte. »Ich habe mit Frau Wiesl ein paar Zeichen vereinbart. Sie wird uns auch mitteilen, ob sie den Vibrator spüren kann.«

Herr Hegel wurde nachdenklich. »Ich denke, wir werden nichts von ihr sehen.« Er erinnerte an die Erfahrungen aus den vergangenen Abenden.

* * *

»Was gibt es denn so wichtiges, dass ihr den Familienrat einberuft?« Vater Sommer setzte sich an den Esstisch. »Ich verpasse immerhin den Stammtisch.«

Michael, sein Ältester versuchte ihn zu beruhigen. »Es ist wirklich wichtig.« Er holte tief Luft. »Ich weiß, wo Julia ist.«

Augenblicklich war es still im Esszimmer.

»Na endlich.« Der Vater seufzte. »Wie hast du sie gefunden?«

Michael berichtete von der Straßenbahnfahrt, auf der er seine Schwester erkannt hatte. »Ich habe sie den ganzen Tag verfolgt, und für das Haus in Grünwald hatte sie sogar einen Schlüssel.«

Bernd sprang auf. »Wir holen sie sofort zurück.«

Doch der Vater pfiff ihn zurück. »Setze dich wieder.« Er machte eine bedeutsame Pause. »Wir müssen vorher sicherstellen, dass sie uns nicht wieder weglaufen kann.«

Michael beschrieb das Gebäude, das er seine Schwester hatte betreten sehen. »Sie wohnt dort sich zur Miete oder in einer WG. So ein Haus könnte sie sich nie leisten.«

Der Vater blickte seinen Mittleren an. »Was wolltest du machen? Wolltest du da einbrechen?«

Bernd gab sich kleinlaut.

»Wir sollten mit den Eigentümern reden und ihnen unsere Sorgen schildern.« Die Mutter blickte ihre Söhne abwechseln an. »Vielleicht haben sie ja Verständnis für unsere Situation.«

»Eine Familie Hegel wohnt dort.« Klaus legte den Zettel mit seinen Recherche-Ergebnissen auf den Tisch. »Ein Professor Hegel. Er lehrt Architektur an der Uni in München.«

Michael allein fiel auf, dass dies auch das Studienfach war, mit dem sich seine Schwester befasste. Doch er hütete sich, etwas zu sagen.

»Mutter, du machst einen Termin aus, und am Sonntag fahren wir sie besuchen.« Er blickte sich um. »War es das? Dann kann ich ja doch noch zum Stammtisch.« Er stand auf und verließ das Esszimmer.
238. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 9 - Veränderungen - Teil Fünf von Elf

geschrieben von HeMaDo am 30.03.19 16:44

Nach längerer Pause bin ich auch wieder hier anwesend. Und ich muss sagen, daß ich die Geschichte sehr gerne lese.
Da bahnt sich ja anscheinend einiges an, sowohl bei den Engeln als auch bei Julias Familie.

Ich bin gespannt, wie es weiter geht.

HeMaDo
239. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 9 - Veränderungen - Teil Elf von Elf

geschrieben von gag_coll am 06.04.19 09:54

Die Studentin
Kapitel 9 - Veränderungen - Teil Elf von Elf
Autor: Karl Kollar

Wenn sie auf dem Pferd sitzen würde, bekäme sie einen neuen rockähnlichen Umhang, das wusste Julia. Trotzdem bestand sie darauf, für den Weg ins Wohnzimmer den strengen Rock zu tragen. »Du bist bei mir und kannst mir helfen.« Sie gab Frauke einen Kuss.

Die Dienerin hätte Julia gern vorgewarnt, denn im Gegensatz zu der in diesem Moment sehr naiven und unschuldigen Studentin wusste Frauke, welche süßen Qualen und Torturen auf Julia warteten. Doch in diesem Moment wollte sie Hegels helfen, ihre eigentlichen Ziele zu erreichen. Außerdem war sie sich sicher, dass Julia nach den ersten Schreckensmomenten den Abend bestimmt genießen würde.

Frauke hatte den Arm um Julia gelegt und half ihr so beim Gehen. Sie kamen nur sehr langsam voran, und dennoch spürte Frauke, dass sich die Studentin sehr auf den Abend freute.

Obwohl sie alle die schönen Sachen schon einmal getragen hatte, war sie in diesem Moment doch aufgeregter als sonst. Es war weit mehr als nur ein Pflichtabend.



Im Wohnzimmer angekommen wurde Julia zunächst von Frau Hegel begutachtet. Sie musterte zunächst ausführlich die Schnürung des Handschuhs, dann musste Frauke auch noch einmal den Rock öffnen, und die Frau des Professors inspizierte die Schnürung der Stiefel.

Beim Handschuh hatte Julia sich noch ruhig gehalten, doch als auch die Stiefel kontrolliert wurden, musste sie sich doch äußern. »Vertrauen sie Frauke so wenig?«

Frau Hegel lächelte und warf Frauke einen bedeutsamen Blick zu. »Wir hatten das vorher schon so abgesprochen. Es dienst einem ganz anderen Zweck.«

Frauke blickte abwechselnd Julia und Frau Hegel mit einem Lächeln an.

Frau Hegel setzte ihre Gedanken fort. »Wichtig ist nämlich vor allem, dass sie sich daran gewöhnen, dass fremde Leute ihre Ausrüstung kontrollieren.«

In Julia stieg die Nervosität um ein Vielfaches. Nicht wegen Frau Hegels Kontrolle, sondern weil sie sich immer mehr fragte, auf sie sich hier wirklich eingelassen hatte. Die Zukunft wurde auf der einen Seite immer rätselhafter und zugleich doch auch sehr faszinierend.

Nachdem Frau Hegel ihre Kontrolle beendet hatte, bat sie ihren Mann, den Raum kurz zu verlassen.

Zu Julias Überraschung schien ihr Professor genau zu wissen, was kommen sollte, denn er erhob sich ruhig und doch auch mit einer gewissen Anspannung im Blick. Er warf Julia noch einmal einen kurzen Blick zu, dann verließ er das Wohnzimmer.

»Haben sie die Schlüssel dabei?« Frau Hegel hatte gewartet, bis die Tür ins Schloss gefallen war.

Frauke griff in eine der Taschen ihres Kleides und holte den Schlüssel heraus. Sie reichte ihn Frau Hegel und begann darauf, Julia den Rock wieder abzunehmen.

Julia war ein wenig verunsichert. »Was passiert jetzt?« Ein wenig hatte sie den zweilagigen Rock auch als Schutzpanzer gesehen, auch wenn er sie doch so drastisch in ihrer Bewegungsfreiheit einschränkte.

Die Erklärung war genauso kurz wie banal. »Mit dem Rock kannst du dich ja nicht auf den Sattel setzen.« Frauke lächelte.

Auch Frau Hegel lächelte. »Außerdem sind sie es noch nicht gewöhnt, mit dem Gürtel auf dem Sattel zu sitzen. Darum werden sich dann die Damen auf der Burg kümmern.« Sie beugte sich vor Julia und schloss ihren Keuschheitsgürtel auf.

Als Julia das sah, liefen bei ihr ein paar Tränen. »Ich hatte insgeheim schon befürchtet, dass ich dieses Ding nie mehr los werde.« Sie kam nicht umhin, Frauke einen kurzen Blick zu zuwerfen.

»Wir erwarten allerdings von ihnen, dass sie sich nach ihrem Ritt auf dem Pferd den Gürtel wieder anlegen lassen.« Frau Hegel äußerte den Satz ganz beiläufig.

Erst jetzt erkannte Julia, dass ihr Satz missverständlich war. Sie korrigierte sich. »Ich hatte befürchtet, der Schlüssel wäre verschwunden.«

»Ich würde die Gelegenheit gern nutzen und ihre Haut unter dem Gürtel und dem BH prüfen.« Frau Hegel gab sich bewusst sachlich, obwohl sie selbst ebenfalls hoch angespannt war. »Ich habe da etwas vorbereitet.« Sie ging zur Kommode und nahm einige Tücher zur Hand.

Mit den Tüchern rieb sie gleich darauf Julias Haut unter dem Gürtel etwas ein. »Ein Hautpflegemittel«, sagte sie, als sie Julias fragenden Blick sah. »Sie tragen den Gürtel schon viel länger als es eigentlich gut wäre.«

Julia hörte die Worte und stutzte. »Sie meinen ohne Pflege?«

Erst jetzt realisierte Frau Hegel, was sie gerade gesagt hatte. »Ja, natürlich. So war das gemeint.«

»Sollten wir den BH auch gleich kontrollieren?« Frauke zwinkerte Frau Hegel kurz zu, dann nahm sie zwei kleine Gegenstände von der Kommode und steckte sie sich in die Tasche des Kleides.

»Gute Idee.« Frau Hegel blickte Julia an. »Wenn sie damit einverstanden sind.«

»Aber gern.« Julia seufzte. »Ich dachte schon, ich würde sie nie wieder sehen.«

»Machen sie ihr bitte die Bluse auf und öffnen bitte den BH.« Sie zwinkerte Frauke erneut zu.

Julia blickte ihre Freundin verliebt an, während diese das Schloss zwischen den beiden Brusthalbkugeln öffnete.

»Möchten sie das machen?« Frau Hegel reichte Frauke die Tücher.

Die Dienerin nahm die Tücher entgegen, dann trat sie an Julia heran. »Mache bitte die Augen zu.« In diesem Moment sprach sie mit sehr verliebter, aber genauso ehrlicher Stimme.

Julia kam der Bitte nach und genoss anschließend die zärtlichen Berührungen ihrer Freundin.

»Sehr gut, man sieht fast nichts auf der Haut.« Auch Frau Hegel schien sich für Julias Haut unter dem BH zu interessieren. »Trotzdem sollten wir die Pflege in der Zukunft häufiger machen.«

Ein paar Zärtlichkeiten später spürte Julia wieder die Ränder der beiden Halbschalen auf ihrer Haut. Sie ahnte, dass der intime Moment vorbei war und öffnete wieder ihre Augen.

»Sie können sich dann setzen.« Obwohl es nur ein kurzer Satz war, war die Anspannung doch deutlich in der Stimme von Frau Hegel zu hören. »Frauke, stellen sie bitte die kleine Trittleiter bereit.«

Die Dienerin kam der Aufforderung nach.

»Auf der Burg wäre es wichtig, dass sie sich ganz allein auf den Sattel setzen können, aber heute werden wir ihnen natürlich erst einmal helfen.« Frau Hegel gab Frauke ein Zeichen, und gemeinsam kamen sie näher an das Pferd heran.

Julia keuchte. »Darf ich es erst einmal allein probieren?« Sie wollte allerdings nur nicht zugeben, dass sie das Aufsteigen ohne Arme insgeheim schon geübt hatte. Nur in Kombination mit diesen Ballettstiefeln hatte sie es noch nicht praktiziert.

Obwohl Frau Hegel und Frauke bereitstanden, um jederzeit zuzugreifen, schaffte Julia die Aufgabe ganz ohne Hilfe.

Sie stellte zunächst ihren gestiefelten Fuß auf die waagerechte Platte, dann schwang sie das andere Bein über den Sattel und ließ sich dann langsam herab. Zuletzt brachte sie noch ihre Stiefel so in Position, dass sie an den Seiten der Stange festgeschnallt werden konnten.

»Bitte schön« Sie keuchte etwas, doch sie strahlte bis über beide Ohren.

»Bravo.« Frau Hegel war sehr begeistert von Julias Leistung. Sie äußerte dies. »Es ist sehr wichtig, dass sie dies ganz ohne Hilfe können. Das wird ihnen auf der Burg viele Pluspunkte einbringen.«

Julia lächelte verlegen. Erst nach einiger Zeit erkannte sie, dass es eigentlich ein Lob war.

»Wir werden ihnen jetzt die Beine festschnallen, danach können sie es sich auf dem Sattel bequem machen.« Frau Hegel gab Frauke ein Zeichen, dann knieten sie sich jeweils vor das Ende der Stange und befestigten Julias Beine in den dafür vorgesehenen Halterungen.

Julia erkannte langsam, dass es für sie jetzt endgültig kein Zurück mehr gab. Schon aus dem Handschuh hätte sie sich nie befreien können, und die Schnallen für die Fußgelenke konnte sie vom Sattel aus auch nicht erreichen.

Und doch war es keine bedrückende oder negative Situation, in der Julia sich jetzt befand. Im Gegenteil, sie fühlte sich seltsam frei. Vor allen Dingen frei von Verantwortung. Es gab nichts mehr, was sie hätte aktiv tun können. Es blieb ihr nur noch, still da zusitzen und abzuwarten, was der Abend bringen würde.

Und es fühlte sich gut an. Sehr gut.

»Wir legen ihnen jetzt noch so etwas wie einen Reifrock um.« Frau Hegel drehte sich zu Frauke. »Zunächst bitte den Unterrock.«

Frauke verließ gleich darauf das Wohnzimmer und kam kurz darauf wieder herein.

Julia konnte zunächst nicht erkennen, was Frauke auf einmal zur Tür herein trug. Sie erkannte ein Gewirr von offensichtlich alten Fahrradschläuchen. »Was ist denn das?«

Frauke lächelte. »Hast du jemals schon einen Reifrock getragen?«

Julia verneinte.

»Das ist das Gestell, was die Damen früher darunter getragen haben.« Frau Hegel lächelte. »Wir haben diese alte Mode wieder aufgegriffen.« Zusammen mit Frauke legten sie nun Julia das Gestell um die Taille und ließen es dann zu Boden fallen.

Julia erkannte jetzt den Sinn des Ganzen. Die einzelnen Schläuche waren miteinander verbunden und bildeten so etwas wie einen Kegel, an dessen Spitze Julias Oberkörper herausragte. »Wie Sissi«, lächelte sie.

»Das war ja nur der Unterrock.« Frau Hegel blickte erneut zu Frauke. »Der eigentlich Rock kommt ja erst.«

Frauke kam gleich darauf mit einem großen Bündel glänzendem hellgelben und weißen Lackstoff zurück. Das es Lack war, erkannte man wegen der viele Borten und Rüschen erst auf den zweiten Blick.

Julia sah fasziniert zu, wie sie das Bündel so nach und nach in einen Rock verwandelte, der sie von der Taille bis dicht vor den Boden komplett bedeckte. Weder von dem Pferd noch von dem Reifrockgestell war jetzt noch etwas zu sehen.

Julia räusperte sich. »Frauke, kannst du mal fragen, ob du ein Foto machen darfst? Ich würde sehr gern sehen, wie ich aussehe.«

Frau Hegel lächelte. »Das ist gut, dass sie danach fragen. Auch daran sollten sie sich schnell gewöhnen.« Sie gab Frauke wieder ein Zeichen.

»Dass ich gefilmt werden?« Julia war ein wenig verwundert. Doch sie sah, dass Frauke die Kamera schon in der Hand hielt.

»Nein, sondern dass sie so in der Öffentlichkeit stehen.« Frau Hegel blickte bewundert auf die völlig verwandelte Gestalt von Julia. »Und dass sie von fremden Leuten angesehen und bewundert werden.«

»Vor allem von den Männern.« Frauke grinste hinter der Kamera.

Frau Hegel trat an die Tür, durch die ihr Mann verschwunden war. Sie klopfte kurz, und gleich darauf betrat Herr Hegel den Raum. Als er Julia so sitzen sah, lief ihm doch wirklich eine Träne über die Wange. »Ich habe es wirklich nicht mehr geglaubt.«

Julia freute sich einerseits über die Rührung ihres Professors, auch wenn sie sie auf der anderen Seite nicht wirklich nachvollziehen konnte.

Frauke setzte sich auf den Hocker neben Julia, auch wenn sie bedingt durch die Weite des Rockes schon einen nicht unerheblichen Abstand einnehmen musste.



Julia war anfangs in Gegenwart ihres Professors noch sehr nervös. Sie fühlt sich allein schon durch ihr Wort gebunden, und dass sie gefesselt auf dem Pferd saß, machte ihr weniger aus als die Sorgen um ihr Ansehen bei Hegels. Sie wollte, dass ihre Vermieter stolz auf sie waren. Kurz, sie wollte ihre Sache gut machen.

»Dann setzen wir uns doch.« Frau Hegel setzte sich in den Sessel neben ihrem Mann und blickte Julia lächelnd an. »Sie tragen jetzt kein Halskorsett und keine Perle, weil wir uns mit ihnen unterhalten möchten.«

»Außerdem können sie uns so leichter sagen, wenn sie irgendwo Schmerzen haben sollten«, ergänzte ihr Mann.

Frauke steckte ihre Hand aus und streichelte Julia kurz über die Wange.

Julia hatte eigentlich einen gemütlichen Fernsehabend erwartet, doch zu ihrer Überraschung blieb der Fernseher aus, stattdessen wurde über einige Themen im Ort, aber auch über die deutsche und internationale Politik gesprochen.



Zuerst glaubte Julia noch, dass sie sich das Vibrieren nur einbildete, denn sie war bedingt durch ihren Zustand sehr angespannt. Doch je weiter die Zeit fortschritt, desto heftiger wurde das Vibrieren im Sattel, und Julia fiel es immer schwerer, es zu ignorieren.

Plötzlich und ganz unvermittelt unterbrach ihr Professor seine Gedanken. »Sehen sie es als erweitertes Training. Versuchen sie ruhig zu bleiben und lassen sie sich nichts anmerken.« Dann machte er mit seinem Thema weiter, als wäre nichts gewesen.

Julia glaubte erst, sich verhört zu haben, doch dann begriff sie, was sich wirklich gerade ereignete. Offensichtlich wusste ihr Professor, was gerade mit ihr passierte.

Doch erst, als sie auch die beruhigende Berührung von Frauke spürte, begann sie Vertrauen zu der Situation zu fassen.

Immer weiter stieg ihre Erregung, und sie kämpfte heftig damit, weiterhin ihrem Professor zuhören zu können, denn ab und zu stellte er Zwischenfragen, auf die sie zu antworten hatte.

»Lassen sie sich bitte nicht ablenken«, hatte er mehrmals gesagt. »Es dient alles ihren Zielen als Engel.«



Julia war schon fast nicht mehr in der Lage klar zu denken, so heftig hatte sich die Vibration schon gesteigert. Doch auf einmal hörte es urplötzlich auf.

Julia war erleichtert, weil sie sich so ein wenig erholen konnte.

»Na, wie findest du unseren Engel?« Herr Hegel sah seine Frau mit strahlenden Augen an.

»Vielversprechend.« Frau Hegel lächelte. »Sehr vielversprechend.«

Julia verfolgte den Dialog atemlos. Sie war von der neuen Seite ihres Professors völlig überrumpelt. Genauso hatte sie auch die sehr aufmerksamen Blicke von Frau Hegel verfolgt, und auf einmal begann sie ihre Vermieter in einem ganz anderen Licht zu sehen.

Etwas verunsichert blickte sie zu Frauke, und diese strich ihr mit der Hand durch das Gesicht. »Du machst das sehr gut.«

»Gehört das auch zu den Engeln?« Julia dachte nicht mehr so genau über ihre Frage nach.

»Es wird von den Engeln erwartet, dass sie sich nichts anmerken lassen.« Frau Hegel lächelte Julia beruhigend an. »Sie dürfen im Stillen genießen.«

»Aber ich habe darüber gar keine Kontrolle.« Es kam Julia sehr surreal vor, über dieses Thema mit ihrem Professor und dessen Frau zu diskutieren.

»Je schneller sie sich daran gewöhnen, desto leichter werden sie es haben.« Frau Hegels Tonfall ließ überhaupt nicht erkennen, über welches intime Thema sie gerade sprach.

»Eigentlich bin ich das ja gewöhnt.« Julia wurde rot, als sie an das kleine Zimmer dachte, in dem sie bis zum Auszug mit ihren Brüdern schlafen musste. Sie war von je her darauf konditioniert, ihren Höhepunkt im Stillen zu genießen.

»Du erzählst mir gelegentlich mal davon.« Frauke lächelte verliebt. Sie streichelte noch einmal über Julias Oberkörper, dann blickte sie kurz zu Herrn Hegel.

»Sind sie bereit für die nächste Runde?« Jetzt, wo Julia wusste, was passieren würde, war es auch kein Problem, es vorher anzukündigen.

Julia nickte schüchtern. Wäre sie nicht so streng auf das Pferd gefesselt, dann wäre sie schon lange auf ihr Zimmer gelaufen und hätte sich ins Bett verkrochen.

Wieder hörte es auf, lange bevor Julia auch nur in die Nähe eines Orgasmus gekommen war.

Frauke hatte genau das bemerkt, und auf einmal wurde sie mutig. »Das ist die Strafe für deine Erpressung.«

Zur Überraschung aller schritt Frau Hegel ein. »Frau Wiesl, bitte bringen sie das nicht in einen Zusammenhang. Das ist unfair.«

Julia lächelte Frauke verlegen an. »Nein, nein, ich habe es schon verdient.«

Mittlerweile hatte Julia erkannt, wo Herr Hegel die Fernbedienung wohl versteckt hatte, und als er wieder neben sich auf das Sesselpolster griff, stöhnte Julia kurz auf. »Bitte, darf ich dieses Mal kommen?«

Auf einmal wurde Frau Hegels Stimme etwas ernster. »Julia, das ist sehr ungehörig für einen Engel.«

Auch Frauke blickte auf einmal etwas strenger. »Ein Engel zeigt Geduld. Er wartet, bis es ihm erlaubt wird.«

Julia schluckte heftig. Ihre Stimme wurde leiser und ein wenig wehleidig. »Ich hatte mir den Abend ganz anders vorgestellt.«

Frau Hegel blickte ihren Mann bittend an. »Bitte erlöse sie. Ich denke, sie hat es verdient.«

Auch Frauke schloss sich der Bitte an. Sie stand auf und legte ihre Arme um ihre Freundin.

Julia zitterte vor Erwartung und blickte zu Boden.

»Entspannen sie sich und genießen sie es.« Herr Hegel blickte kurz auf die Fernbedienung, dann drückte er einen Knopf.

Julia schloss die Augen. Sie war schon viel zu erregt, um sich noch zu schämen, in Gegenwart ihres Professors zum Kommen gezwungen zu werden. Und dass dieser Zwang von ihm ausging, versuchte sie zu verdrängen. Zumal sie sich ihren Gasteltern mit dem Besteigen des Pferdes und dem Tragen des Handschuh mehr als ausgeliefert hatte.

Auf einmal spürte sie auch noch eine Bewegung an ihren Äpfelchen und ihre Erregung stieg ins Unermessliche.

»Was trägt sie denn im BH?« Mit dem gleichen Tonfall, mit der er sich vorhin über die Politik unterhalten hatte, fragte Herr Hegel jetzt nach der Ausstattung in Julias Keuschheits-BH.

»Die Gumminippel mit leichtem Vibrator.« Frau Hegel gab mit einer gewissen Faszination darüber Auskunft.

Die Worte drangen nur noch durch eine dicke Wolke an Julias Ohren. Darüber nachdenken konnte sie schon lange nicht mehr.

»Sehr gut ausgesucht, meine Liebe.« Herr Hegel legte die Fernbedienung an ihren Platz neben sich.



Frauke verfolgte den Dialog atemlos. Nur bedingt konnte sie sich ausmalen, was sich gerade in Julias Körper abspielen musste. Doch fasziniert war sie davon, dass von Julia nicht ein winziger Seufzer zu hören war. Sie war in dieser Richtung wirklich sehr stark konditioniert, und das war für die Engel geradezu ideal.

Frauke spürte, wie sich Julias Körper aufbäumte und gleich darauf in sich zusammen sank. Doch das leise Summen verstummte dieses Mal nicht.

Frauke blickte verwundert zu Herrn Hegel, doch dieser legte nur einen Finger auf seinen Mund und deutete Frauke an, Julia weiterhin festzuhalten. »Wir werden sie ins Bett tragen müssen«, flüsterte er, dann sank seine Hand wieder zu der Fernbedienung.
240. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 9 - Veränderungen - Teil Fünf von Elf

geschrieben von christoph am 19.04.19 11:42

Hallo
Alle warten schon auf die Fortsetzung.
Gruß
241. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 9 - Veränderungen - Teil Fünf von Elf

geschrieben von Rainman am 03.05.19 04:56

Hallo gag_coll.

Nach langer Zeit melde ich mich hier auch mal wieder zu Wort.


Die Geschichte ist wie immer gut geschrieben, aber für mich fehlt da irgendwas, was z.B. Maria hat. Insofern lese ich hier schon länger nicht mehr mit.

Ich hoffe du verstehst das nicht falsch.


MfG Rainman
242. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 9 - Veränderungen - Teil Fünf von Elf

geschrieben von gag_coll am 03.05.19 21:21

Hallo Rainman,
Zitat
Die Geschichte ist wie immer gut geschrieben, aber für mich fehlt da irgendwas, was z.B. Maria hat.
Könntest du das etwas genauer beschreiben? (falls möglich)
243. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 9 - Veränderungen - Teil Fünf von Elf

geschrieben von sub-male am 31.05.19 00:02

Hier fehlt nichts.
Spannend, interessant, überraschend,

Hoffentlich entstehen hier täglich neue Zeilen die wir bald zu lesen bekommen!
244. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 9 - Veränderungen - Teil Fünf von Elf

geschrieben von N0V0 am 11.06.19 00:25

Ich warte schon sehnsüchtig auf die Fortsetzung dieser tollen Geschichte
245. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 9 - Veränderungen - Teil Fünf von Elf

geschrieben von ronn2321 am 18.06.19 13:13

Bin gespannt wann sie Geschichte weiter geht.
246. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 9 - Veränderungen - Teil Fünf von Elf

geschrieben von meander am 16.07.19 15:40

Bitte scheib' weiter. Die Geschichte ist toll!
247. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 9 - Veränderungen - Teil Fünf von Elf

geschrieben von der suchende am 06.08.19 09:31

Hallo gag_coll, bitte schreib bald weiter.
248. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 9 - Veränderungen - Teil Fünf von Elf

geschrieben von slowtigre am 12.08.19 11:31

Netzfund, passend zu komischer Kleidung unter bestimmten Bedingungen:

https://victorianmasculinity.wordpress.c...t-of-your-life/

Da hatten wir doch schon mehrere Geschichten mit dieser Situation?
249. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 9 - Veränderungen - Teil Fünf von Elf

geschrieben von gag_coll am 25.08.19 15:22

Hallo,

das große Projekt bei meinem Brötchenerwerb ist jetzt bald vorbei, und ich habe schon wieder angefangen, an dieser Geschichte weiter zu arbeiten. Das nur so als kurzes Lebenszeichen.

Viele Grüße
gag_coll
250. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 9 - Veränderungen - Teil Fünf von Elf

geschrieben von der suchende am 25.08.19 18:41

Super. Danke für die Info.
251. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 9 - Veränderungen - Teil Fünf von Elf

geschrieben von Stoeckelfranz am 25.08.19 20:16

juchhu da freu ich mich schon drauf
252. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 9 - Veränderungen - Teil Fünf von Elf

geschrieben von der suchende am 21.10.19 13:05

mal wieder hochhieven
253. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 9 - Veränderungen - Teil Fünf von Elf

geschrieben von gender-bender am 12.01.20 16:51

Ich hoffe das du noch Ideen und Zeit zum weiterschreiben hast.
Ich freue mich auf eine Fortsetzung.
Gruß G.B.
254. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 9 - Veränderungen - Teil Fünf von Elf

geschrieben von gag_coll am 14.01.20 05:55

Hallo,

da das nächste Kapitel doch noch etwas dauert, hier schon einmal eine Leseprobe daraus...

----

Susi war mindestens genauso fasziniert wie ratlos wie. »Sie machte einen sehr verletzlichen Eindruck und trat zugleich aber sehr arrogant auf. Das sollte wohl ihre Unsicherheit überspielen.«

Hans stimmte ihr zu.

»Sie trug ein strenges Korsett darunter.« Susi flüsterte fast, als sie ihre Beobachtung schilderte.

»Wie hast du denn das heraus bekommen?« Er wunderte sich ein wenig, denn normalerweise war Susi genau das Gegenteil von neugierig.

»Ich habe ihr in das Cape geholfen, als sie sie wieder ging.« Irgendwie spürte sie den unausgesprochenen Vorwurf.

»Hätte das nicht die Mutter tun können?« Hans war über die neue Seite von Susi überrascht.

»Sie hatten das bei der Anmeldung extra gefragt.« Susi gab wieder, was sie mit der Familie schon am Telefon ausgemacht hatte. »Der Mutter schien es eher peinlich zu sein.«

»Und warum trug sie so etwas altmodisches wie ein Cape und keinen Mantel?« Der Detektiv fragte das Naheliegende.

»Ich glaube, sie hatte keine Wahl.« Susis Stimme wurde noch ein wenig leiser.

»Wie meinst du das?«

»Ich stand ja direkt neben ihr.« Sie holte tief Luft. »Und ich bin mir ziemlich sicher, dass sie ihre Arme nicht bewegen konnte.«

»Ja, das ist mir auch aufgefallen.« Hans dachte an seine diesbezüglichen Beobachtungen. »Doch warum?«

»Ich habe so etwas noch nie gesehen.« Susis Stimme zitterte. »Aber ich denke, die Ärmel des Kostüms waren an der Jacke seitlich festgenäht.«

»Bist du sicher?« Hans schnappte nach Luft.

»Nein«, gestand Susi. »Aber es gab nirgends einen Zwischenraum, und das geht eigentlich nur, wenn sie angenäht sind.«

»Das würde zumindest ihren steifen Auftritt erklären.« Auch deswegen war er sehr daran interessiert, diese faszinierende Dame wieder zu sehen.

Auf einmal hörte er neben sich ein Räuspern. »Herr Reizig?«

Hans blickte verwundert auf. Neben ihm stand ein Mann in einer Livree mit Chauffeurmütze in einer geradezu tadellosen Haltung. Besonders fielen ihm die weißen Handschuhe auf. Er erhob sich. »Ja, der bin ich.«

»Ich soll sie ins Konsulat bringen.« Der Mann stellte sich nicht vor, reichte ihm aber eine Visitenkarte des Konsuls.

Hans griff nach der Mappe und seinem Mantel, dann folgte er dem Herren, der langsam zum Ausgang ging.

---

Viele Grüße
Karl
255. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 9 - Veränderungen - Teil Fünf von Elf

geschrieben von ronn2321 am 21.04.20 00:06

Bin gespannt wann es weiter geht. Freue mich auf Fortsetzung ?
256. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 9 - Veränderungen - Teil Fünf von Elf

geschrieben von ronn2321 am 21.04.20 00:06

Bin gespannt wann es weiter geht. Freue mich auf Fortsetzung ?
257. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 10 Besuche - Teil Eins von Zwölf

geschrieben von gag_coll am 20.06.20 21:10

Der Mantel der Studentin
Kapitel 10 Besuche - Teil Eins von Zwölf
Autor: Karl Kollar

Herr Hegel hatte gewartet, bis seine Frau auch erwacht war. »Na, wie fandest du unseren Engel gestern Abend?«, fragte er, gleich nachdem er ihr einen guten Morgen gewünscht hatte.

»Dir auch einen guten Morgen.« Frau Hegel holte tief Luft. »Ja, Julias Verhalten gestern war sehr vielversprechend.« Sie machte eine bedeutsame Pause. »So langsam glaube ich auch wieder, dass wir es vielleicht doch noch schaffen können.«

»Jetzt darf aber wirklich nichts mehr dazwischen kommen.« Er verzichtete darauf, seinen Schwager namentlich zu erwähnen.

Doch seine Frau erkannte auch so sofort, auf was er anspielte. »Es ist doch gut ausgegangen«, seufzte sie.

»Hätten wir es eigentlich verhindern können?« Er runzelte die Stirn.

»Dann hätten wir ihr schon viel früher die Wahrheit über Frau Wiesl sagen müssen.« Sie holte tief Luft. »Und dann hätte sie vielleicht gleich abgebrochen.«

»Damit könntest du recht haben.« Er blickte auf seinen Wecker. »Ich glaube, wir sollten dann aufstehen.«

* * *

Es war das erste Mal, dass Frauke die ganze Nacht in Julias Zimmer geblieben war. Von sich aus hätte die Dienerin noch nicht danach gefragt, doch sie wurde von Herrn und Frau Hegel geradezu genötigt, die Studentin diese Nacht nicht allein zu lassen.

Der gestrige Abend hatte ihre gegenseitigen Gefühle gestärkt, und Frauke hatte es sehr genossen, ihre Freundin in den Armen zu halten, während Herr Hegel sie mit der Fernbedienung malträtierte. Sie hatte sich wirklich vorgenommen, einzuschreiten, wenn es für Julia zu anstrengend werden würde, doch sie hatte stets den Eindruck, dass die Studentin ihren Zustand jede Sekunde zu genießen schien.

Zuerst schien sie nervös zu sein, aber vermutlich nicht wegen Hegels, sondern eher aus Angst vor dem Unbekannten. Sobald sie aber erkannt hatte, was der Pflichtabend bei Hegels tatsächlich bringen würde, entspannte sie sich immer mehr. Selbst als sie realisiert hatte, dass ihr Professor die Quelle ihrer so süßen Qualen war, hielt sie das nicht davon ab, sich immer tiefer fallen zu lassen.

Frauke hatte sich schon bald neben sie gestellt und hatte sie umarmt. Doch selbst bei dieser Nähe hatte sie Schwierigkeiten zu erkennen, wann Julia einen ihrer ungezählten Orgasmen gehabt hatte. Sie war offensichtlich sehr stark darauf konditioniert, sich bei ihren Höhepunkten nichts anmerken zu lassen.

Lächelnd erinnerte sich die Dienerin an das, was ihre Freundin ihr von ihrer Pubertät und ihrer frühen Jugend erzählt hatte. Sie war auf dem Bauernhof nur durch einen Vorhang von ihren Brüdern getrennt gewesen, und deswegen durfte sie einfach keine Geräusche machen. Und genauso wenig hatte sie sich darauf verlassen können, dass der Vorhang stets ganz geschlossen war. Sie hatte schnell gelernt, sich nichts ansehen zu lassen und ihre Höhepunkte im Stillen zu genießen.

Vielleicht war das auch der Grund, warum Julia bisher keinen Partner hatte. Frauke war sich immer noch unsicher, ob Julia ihre Gefühle nur auf geschwisterlicher Ebene erwiderte, oder ob sie wirklich auch lesbische Gefühle für sie hegte. Zu viel war in den vergangenen Tagen passiert, als dass sie sich ihrer Gefühle sicher sein konnte.

Natürlich hatte sich Julia sehr für sie eingesetzt, aber genauso hatte sie ihr den Schlamassel auch erst verdanken.

Später am Abend hatte dann noch mitgeholfen, Julia aus ihren Kleidern zu befreien, um sie dann wieder in den Keuschheitsgürtel und in das Nachthemd zu stecken. Besonders hatte sich sie gefreut, als sie von Frau Hegel die Aufforderung bekommen hatte, in Julias Bett neben ihr zu übernachten. Von sich aus hätte sie es noch nicht gewagt, danach zu fragen.

Sie hatte immer wieder leicht über Julias so streng in dem Nachthemd verpackten Körper gestrichen, und sie war insgeheim sehr erleichtert darüber, dass ihr diese Erfahrungen weitgehend erspart geblieben waren, wenn auch aus anderen eher traurigen Gründen.

* * *

Es klopfte leise an Julias Tür, und gleich darauf steckte Frau Hegel den Kopf zur Tür herein.

Frauke hatte sofort ein schlechtes Gewissen, obwohl sie ausdrücklich die Erlaubnis dafür hatte, die Nacht neben Julia zu verbringen.

Doch Frau Hegel übersah es bewusst. Sehr leise trat sie ein, legte wie zur Bekräftigung noch einmal den Finger auf die Lippen und flüsterte. »Schläft sie noch?«

Frauke begann langsam zu der neuen Situation Vertrauen zu fassen. »Wie ein Murmeltier«, flüsterte sie mit einem deutlichen Grinsen im Gesicht.

»Geben sie ihr bitte diese Karte, wenn sie wach ist.« Frau Hegel reichte der Dienerin eine Karte sowie einen verschlossenen Umschlag. »Wir müssen sie dann aber trotzdem wecken. Sie muss heute wieder in die Uni.«

Frauke machte Anstalten, sich zu der noch Schlafenden zu drehen.

Doch Frau Hegel unterbrach sie. »Warten sie bitte noch einen Moment.« Sie holte tief Luft. »Ich wollte sie noch um einen Gefallen bitten.«

»Und was wäre das?« Frauke ahnte wegen des besonderen Tonfalls, dass es wohl etwas Schwieriges werden würde.

»Zunächst einmal wollte ich mich noch einmal bei ihnen bedanken.« Die Frau des Professors klang etwas erleichtert. »Sie waren gestern genau die Stütze, die Julia gebraucht hat.«

»Danke«, erwiderte Frauke mit einem Lächeln. »Ich wollte einfach gut auf sie aufpassen.« Es wurde deutlich, dass sie immer noch unsicher war wegen des gestrigen Abends. »Und was soll ich jetzt für sie tun?«

Wieder holte Frau Hegel tief Luft. »Sie könnten sie dazu bringen, sich nach dem Dildo für den Keuschheitsgürtel zu erkundigen.« Sie machte eine bedeutsame Pause. »Versuchen sie es so zu machen, dass sie glaubt, es wäre ihre Idee.«

Frauke runzelte die Stirn. »Sind sie sicher?«

»Ich glaube, sie ist in der Beziehung sehr neugierig.« Frau Hegel lächelte. »Ermutigend sie sie einfach. Reden sie ihr gut zu.«

»Und wenn sie sich nicht traut?« Frauke war weder von ihren Fähigkeiten noch von Julias Mut überzeugt.

»Zwingen dürfen wir sie nicht.« Sie verdrehte die Augen. »Aber ich bin mir sicher, dass sie es ausprobieren möchte. Wir müssen es ihr nur so leicht wie möglich machen.«

»Und wie lange soll sie ihn tragen?« Frauke realisierte nur nebenbei, dass sie selbst offenbar in dieses ‚wir‘ eingeschlossen war, und das freute sie sehr. »Die ganze Zeit, während sie in der Uni ist?« Sie war daran interessiert, für ihre Freundin möglichst gute Bedingungen auszuhandeln. Außerdem war sie fest entschlossen, einzuschreiten, wenn sie es für eine Überforderung hielt, denn natürlich wusste sie, worauf das alles hinaus laufen würde.

»Nein, auf keinen Fall.« Frau Hegel klang ein wenig empört. »Wir dürfen sie nicht überfordern.«

»Und an was dachten sie?« Frauke war ehrlich neugierig.

Frau Hegel begann ihren Plan zu erläutern. »Ich dachte mir, dass wir den Dildo vor dem Mittagessen anlegen, dann gemeinsam speisen, und danach nehmen wir ihn wieder ab.«

»Wird ihr Mann davon wissen?« Frauke runzelte die Stirn.

»Das ist nicht die richtige Frage, denn natürlich weiß er es.« Die Frau des Professors lächelte verschmitzt. »Viel wichtiger ist die Frage, ob Julia weiß, dass mein Mann es weiß?«

Frauke grinste. »Ich denke, ich habe es verstanden.«

»Nach dem Tag gestern dürfte sie eigentlich auch keine Bedenken mehr haben.« Frau Hegel blickte sich kurz im Zimmer um. »Wir müssten dann nur auf ihre körperlichen Reaktionen Rücksicht nehmen.«

Als Antwort grinste Frauke nur.

»Also dann wecken sie sie, und dann kommen sie bald zum Frühstück.« Frau Hegel verließ das Zimmer.

* * *

»Guten Morgen, du Schlafmütze.« Frauke strahlte Julia an, als diese ihre Augen öffnete.

Julia erwiderte den Gruß. »Ich habe überall Muskelkater. Was war denn gestern bloß los?« Sie gab sich unschuldig naiv, doch ihr Grinsen entlarvte sie sofort.

»Du warst wirklich gut auf dem Pferd.« Frauke gab ihr einen vorsichtigen Kuss auf die Stirn.

Julia wurde rot. »Ich dachte, das war ein Traum.« Sie stutzte. »Waren sie eigentlich zufrieden mit mir? Ich habe nach einiger Zeit überhaupt nichts mehr mitbekommen.«

Frauke nickte zunächst, dann blickte sie Julia fragend an. Sie wusste nicht, wie sie ihre Frage hätte formulieren müssen.

»Ich hatte so etwas nicht erwartet.« Sie zögerte. »Ich hatte mit allem gerechnet, aber nicht damit.«

»Aber du hast es doch genossen, oder?« Es lag etwas Zweifel in ihrer Stimme. »Ich hatte die Erlaubnis, es abzubrechen, wenn es für dich zu unangenehm gewesen wäre. Doch ich hatte nie den Eindruck, dass du dich unwohl fühltest oder gar Schmerzen hättest.«

Julia war verwundert. »Du hättest es beenden können?«

»Ich war von der Nachricht selbst auch erstaunt gewesen.« Sie strich mit der Hand zärtlich über das Nachthemd, dass Julia so streng an das Bett fesselte. »Aber ich hatte nicht den Eindruck, dass du es als negativ empfandest.«

Julia erkannte langsam die Sorgen ihrer Freundin. »Nach dem ersten Mal war es mir egal. Ich konnte es ja ohnehin nicht beeinflussen.«

»Und wie fandest du es?« Frauke blickte ihr bei der Frage tief in die Augen.

Julia zögerte lange. »Schön… es war schön.« Sie holte tief Luft. »Es war anstrengend, aber schön.«

»Du wurdest bewundert, nicht nur von mir.« Frauke streichelte erneut über den so süß im Nachthemd gefangenen Körper.

»Meinst du, sie waren zufrieden mit mir?« Auf einmal war so etwas wie Zweifel und Unsicherheit in ihrem Gesicht zu sehen. »Sie hatten mir ja nicht gesagt, was sie von mir erwarteten.«

»Das werden wir sicher beim Frühstück erfahren.« Frauke war auf einmal etwas nachdenklich. »Du bist oft gekommen.«

Julia nickte leicht und lächelte, doch dann wurde sie ernst, denn sie sah einen Schatten in Fraukes Gesicht. »Was ist mit dir?«

»Ich darf nicht.« Sie blickte kurz an sich herunter.

Erst jetzt realisierte Julia, dass Frauke nur mit Keuschheitsgürtel und Keuschheits-BH bekleidet war und so neben ihr im Bett lag. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte.

»Ich will aber auch nicht«, seufzte Frauke. »Es erinnert mich zu sehr an mein erstes Mal.«

»Ich würde dich gern in die Arme nehmen und trösten.« Sie blickte ihrerseits an ihrem Körper herab. Insgeheim fand sie es ungerecht, dass sie selbst von Orgasmus zu Orgasmus getrieben wurde, während ihre Freundin nur zuschauen konnte und selbst nicht kommen durfte. Julia war sich sicher, dass der angegebene Grund nur vorgeschoben war, und dass etwas anderes dahinter steckte. Und sie war entschlossen, dies zu erforschen und zu ändern, auch wenn sie noch gar keine Ahnung hatte, wie das gehen konnte.

Sie versuchte sich aufzurichten. »Dann muss ich es ja gleich doppelt machen.« Sie ließ sich wieder in ihr Kissen sinken. »Kannst du mich aus dem Nachthemd befreien?«

»Aber gern.« Frauke griff zum Reißverschluss und zog ihn langsam auf. »Na dann wollen wir dich mal befreien.«

»Oh, ich trage es wieder?« Julia blickte an sich herunter. Das silberfarbene Metall leuchtete im Sonnenlicht. »Ich hatte schon gehofft, mit dem gestrigen Abend…« Sie sprach nicht weiter, aber es war ohnehin deutlich, was sie hätte sagen wollen.

Natürlich hatte sie erkannt, was die Studentin mit dem Seufzer eigentlich sagen wollte, doch sie wusste auch, dass alles so geplant war. Sie half ihrer Freundin die Arme aus den inneren Ärmeln zu ziehen, und bald darauf konnte Julia sich aufrichten und auf die Bettkante setzen. »Hier, das soll ich dir geben.« Frauke reichte ihr die Karte mit dem Umschlag.

Julia nahm beides in die Hand und öffnete zunächst die Karte, die auf der Vorderseite eine Blumenwiese mit blauem Himmel zeigte. Die Schrift erkannte sie sofort als die ihres Professors. 'Meine liebe Julia,' war dort zu lesen. 'ich möchte mich auch im Namen meiner Frau ganz herzlich für ihre tollen Leistungen gestern Abend bedanken. Es war sehr gut, und sie sind wirklich auf dem richtigen Weg. Alles Liebe, Winfried Hegel.' Er hatte nicht mit Professor unterschreiben. 'PS: Anbei noch ein kleines Dankeschön. Kaufen sie sich etwas Schönes davon.'

Frauke zeigte auf den Umschlag. »Was haben sie hinein getan?«

Julia öffnete den Umschlag und sah vier 50 Euro-Scheine. »Woh.« Auf einmal erschien ein Lächeln in ihrem Gesicht. »Ich weiß schon, was ich uns dafür kaufe.«

Es klopfte an der Tür.

Frauke schreckte auf. »Wir müssen uns beeilen. Wir sind zum Frühstück geladen.« Sie streichelte über Julias Schulter. »Und ich glaube, heute muss auch noch jemand in die Uni.«

Ein Ruck ging durch Julias Körper. »Ach ja, da war ja noch was.« Sie blickte an sich herunter. »Schade, wieder komplett verschlossen. Nur die Schenkelbänder fehlen noch.«

»Gut dass du mich daran erinnerst.« Frauke erhob sich und holte die entsprechenden Ringe und Ketten. Doch als sie vor ihrer Freundin stand, stutzte sie. »Willst du nicht besser erst ins Bad?«



»So, fertig.« Als Julia aus dem Bad kam, strahlte sie zwar, machte aber auch einen sehr nervösen Eindruck.

Frauke bemerkte es sofort. »Hast du so viel Angst vor dem Frühstück? Sie haben doch schon deutlich gemacht, was sie von deiner Leistung halten.«

»Nein, das ist es nicht.« Julia hatte etwas anderes auf dem Herzen. »Frauke?« Sie schluckte noch einmal. »Frauke, da wäre etwas, was ich Hegels eigentlich schon lange fragen wollte. Und jetzt nach diesem Abend hätte ich vielleicht endlich den Mut dazu.«

»Was möchtest du denn? Doch den nicht etwa den Dildo vom Keuschheitsgürtel ausprobieren.« Es war Frauke spontan herausgerutscht, und schon bereute sie ihre Frage, denn mit dieser plumpen Direktheit hatte sie sich gerade den Weg für ihren Spezialauftrag verbaut.

»Woher weißt du das?« Julia war verwundert. »Genau das beschäftigt mich schon so lange. Ich würde gern wissen, wie es sich anfühlt. Aber ich weiß nicht, wie ich danach fragen soll.«

Frauke musste trotz all ihrer Anspannung lachen.

»Was ist los?« Julia war verwundert. »Warum lachst du?«

»Genau das sollte ich dich heute fragen.« Frauke zeigte ein breites Grinsen. »Und ich bin erleichtert, dass du es mir so leicht machst.«

»Moment, verstehe ich das richtig?« Julia machte in diesem Moment einen sehr verwirrten Eindruck. »Hegels wünschen sogar, dass ich dieses Ding in mir trage?«

Frauke nickte, dann räusperte sie sich und ihre Stimme wurde etwas nüchterner. »Natürlich gibt es dabei noch viel zu beachten, wenn frau sich auf so ein Abenteuer einlässt.«

»Spielverderber.« Julia verdrehte die Augen. »Was ist es denn diesmal?«

»Naja«, Frauke holte tief Luft. »Unter anderem wirst du mit dem kleinen Geschäft größere Schwierigkeiten bekommen, insbesondere wenn du dich hinterher putzen möchtest.«

»Ja, das ist einzusehen.« Julia hatte die eigentlichen Probleme erkannt. »Und wann soll ich es also tragen? Und vor allem, wie lange darf ich?«

Frauke wiederholte den Vorschlag von Frau Hegel. »Es wird also nicht länger als eine Stunde dauern.« Mit einem kleinen innerlichen Seufzer realisierte sie, dass ihre Freundin ‚darf ich‘ gefragt hatte. Sie selbst hatte eigentlich eher an ‚müssen‘ gedacht.

»Nur?« Julia war ein wenig enttäuscht.

Frauke war über die Begeisterung von Julia nicht wirklich verwundert. »Du weißt, dass wir heute Mittag zu viert sein werden. Herr Hegel sagte, dass ihr heute beide schon vor dem Essen zurück seid.«

»Ach ja, es wird ja heute schon für die Messe umgebaut.« Erst jetzt erkannte sie, was die Worte von Frauke eigentlich bedeuteten. »Wird er wissen, was ich dann in mir trage?«

»Ich glaube, der Vorschlag stammt sogar von ihm.« Letzteres war nicht die Wahrheit, aber es war richtig, Julia auf alles vorzubereiten.

Julia musste schlucken. »Ich bin überrascht, dass er sich so sehr für mich interessiert.«

»Hegels setzen sehr große Stücke auf dich.« Frauke reichte Julia die Lacksachen, die sie für das Frühstück herausgelegt hatte. »Enttäusche sie nicht.«

Julia war sehr verwundert. »Ich wusste nicht, dass so etwas auch zu den Engeln gehört.« Langsam begann sie sich die Kleidungsstücke anzuziehen, die Frauke ihr reichte.

Es klopfte. Gleich darauf steckte Frau Hegel den Kopf zur Tür herein. »Mein Mann möchte daran erinnern, dass sie heute pünktlich in der Uni erwartet werden.« Als sie sah, dass Julia sich bereits anzog, lächelte sie. »Kommen sie bitte zügig zum Frühstück, damit wir nicht hetzen müssen.«

* * *

Obwohl Julia mit einem sehr mulmigen Gefühl die Treppe hinunter ging, war sie doch bemüht, der Bitte um Pünktlichkeit nachzukommen. Trotzdem konnte sie ihre Nervosität nicht unterdrücken.

»Kommen sie herein.« Herr Hegel saß schon am Tisch und hatte seine Studentin kommen sehen. »Meine Frau holt gerade den Kaffee.«

Julia wünschte ihrem Professor einen guten Morgen, und hinter ihr trat Frauke ebenfalls ins Esszimmer.

Auch sie begrüßte Herrn Hegel. »Wir haben darüber gesprochen, und sie ist mit allem einverstanden.« Ohne dass sie es beabsichtigt hatte, nahm sie damit etwas die Spannung aus der Luft.

»Dann können wir uns ja jetzt auf das Frühstück konzentrieren.« Herr Hegel deutete auf die noch freien Stühle. »Nehmen sie bitte Platz.« Auch ihm war es angenehm, das etwas intimere Thema so ausgenommen zu haben.

Frau Hegel kam mit dem Kaffee aus der Küche. Als Frauke die Kaffeekanne sah, fiel ihr ein, dass das Servieren eigentlich ihre Aufgabe war. Sie äußerte sich diesbezüglich.

»So genau müssen wir das nicht mehr nehmen.« Herrn Hegels Stimme zeigte, dass er außerordentlich gute Laune hatte. »Nach dem tollen Abend.« Er wollte noch kurz ein Zeichen geben, bevor sich die Frühstücksentspannung über den Tisch legte.



Julia war zu Beginn trotz der beruhigenden Worte noch sehr nervös, und nur langsam wurde sie ruhiger. Doch selbst am Ende des ausgiebigen Frühstücks hatte sie noch nicht genügend Mut angesammelt, um ihren Wunsch in Gegenwart ihres Professors zu äußern. Selbst als sie Frauke ermutigend ansah, zog sie es vor, noch zu schweigen.

»Wann werdet ihr heute zurück sein?« Frau Hegel blickte kurz auf die Uhr an der Wand.

»Ich denke, so gegen halb eins.« Herr Hegel lehnte sich zurück. »Dann wären wir noch pünktlich zum Mittagessen zurück.«

Frau Hegel war erleichtert. »Ich habe mit der Köchin dreizehn Uhr ausgemacht.«

»Ich wollte in der Stadt noch kurz etwas erledigen.« Julia fiel wieder ein, dass sie sich für heute noch etwas vorgenommen hatte. »Ich komme dann wohl etwas später.«

»Das wäre kein Problem.« Frau Hegel lächelte. »Sie ist flexibel. Ihr Blick fiel auf Frauke. »Frau Wiesl, sie essen natürlich mit uns.«

Frauke lächelte verlegen. »Danke.«
258. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 9 - Veränderungen - Teil Fünf von Elf

geschrieben von HeMaDo am 20.06.20 21:38

Schön, daß es hier endlich weiter geht.
Jetzt muss ich aber noch mal alles von vorne lesen, um den Anschluss zu bekommen.

259. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 9 - Veränderungen - Teil Fünf von Elf

geschrieben von m sigi am 21.06.20 07:11

Hi,

Schön das Du weiter schreibst.

LG

Sigi
260. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 9 - Veränderungen - Teil Fünf von Elf

geschrieben von gag_coll am 21.06.20 12:38

Zitat
Jetzt muss ich aber noch mal alles von vorne lesen, um den Anschluss zu bekommen.


Hallo HeMaDo,
kannst du dabei evtl. auf Inkonsistenzen zwischen den Kapiteln achten? Das wäre sehr freundlich...
Vielen Dank
Karl
261. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 9 - Veränderungen - Teil Fünf von Elf

geschrieben von HeMaDo am 21.06.20 17:46


Zitat

Hallo HeMaDo,
kannst du dabei evtl. auf Inkonsistenzen zwischen den Kapiteln achten? Das wäre sehr freundlich...


Das kann ich gerne tun. Allerdings wird es wohl noch etwas dauern, bis ich komplett durch bin.
262. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 9 - Veränderungen - Teil Fünf von Elf

geschrieben von TMeier am 24.06.20 15:18

Hallo,

Danke für die Geschichte ich habe Sie mir die letzten Tage durchgelesen.

Sie hat mir sehr gut gefallen du hast einen mir sehr tollen Schreibstiel.
Allerdings muß ich auch sagen das sie mir persöhnlich etwas zu zäh vorranschreitet und du uns zu selten neue häppchen was Julia als Engel erwartet hinwirfst.
Aber vermutlich gibt es jetzt beim gemeinsammen 'Engel' Wochenende mit Patricia neue Details.



Weil du gefragt hast wegen Inkonsistenzen gefragt hast mir ist da ein recht eindeutiger Fehler aufgefallen.
Du hast die Brüder von Julia ziemlich entscheidend verwechselt:
Zitat

In: Kapitel 9 - Veränderungen - Teil Zehn von Elf
...
Michael, sein Ältester versuchte ihn zu beruhigen. »Es ist wirklich wichtig.« Er holte tief Luft. »Ich weiß, wo Julia ist.«
...
Michael berichtete von der Straßenbahnfahrt, auf der er seine Schwester erkannt hatte. »Ich habe sie den ganzen Tag verfolgt, und für das Haus in Grünwald hatte sie sogar einen Schlüssel.«
...

Doch Michael ist ja der jüngste Brüder und der einzige der noch zu Julia hält.
Ich meine es müßte Klaus sein der älteste Bruder ist der sie in der Straßenbahn getroffen hat.
Insgesamt hast du in dem Absatz 4 mal den falschen Namen erwähnt.

263. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 10 Besuche - Teil Zwei von Zwölf

geschrieben von gag_coll am 27.06.20 05:37

Der Mantel der Studentin
Kapitel 10 Besuche - Teil Zwei von Zwölf
Autor: Karl Kollar

Der Zufall wollte es, dass heute eine Tram ausfiel und Julia zusammen mit Herrn Hegel deswegen an der Haltestelle ein wenig länger warten musste. Doch schon die erste Frage ihres Professors brachte sie in Verlegenheit. »Haben sie sich wegen des Dildos schon entschieden? Meine Frau hat mir diesbezüglich noch gar nichts gesagt.« Trotz des sehr intimen Inhaltes hatte er die Frage in einem Tonfall geäußert, als hätte er eine Fachfrage gestellt.

Julia keuchte vor Überraschung. So eine direkte Frage hatte sie nicht erwartet, und erst recht nicht von ihrem Professor. Sie war so überrascht, dass sie sogar vergaß, rot zu werden. Zunächst nickte sie nur. Dann begann sie leise zu sprechen. »So etwas war schon länger mein Traum, und ich wollte immer schon wissen, wie es sich anfühlt.« Sie fühlte eine Art Befreiung in sich. »Ich bin sehr überrascht, dass so etwas zu den Engeln gehört.«

Der Professor seufzte. »Ja, eigentlich verbieten sie, dass wir Männer so etwas wissen oder uns gar danach erkundigen.« Er machte eine bedeutsame Pause. »Aber natürlich muss es für diesen seligen Blick einen Grund geben.« Er blickte Julia kurz von oben bis unten an. »Sie werden ein toller Engel werden, da bin ich mir sicher.«

»Danke für das Vertrauen.« Julia war erneut überrascht, wieder eine neue Seite an ihrem Professor kennenzulernen. Wobei sie im Moment gar nicht wusste, in welcher Rolle sie Herrn Hegel gegenüberstand. War er noch ihr Professor, war er so etwas wie der Meister der Engel, oder war er schlicht ein Vertreter des männlichen Geschlechts?

»Auf dem Pferd gestern Abend haben sie eine tolle Leistung gezeigt.« Er sprach ihr noch einmal sein Lob aus.

Die Studentin wurde etwas nachdenklich. »Eigentlich konnte ich ja gar nichts machen.« Sie verzichtete darauf, den Satz fortzusetzen.

»Carolin wäre bestimmt stolz auf sie.« Seine Stimme wurde bewusst etwas trauriger. »Sie werden sie sicher gut vertreten.«

»Musste Carolin auch...« Erst jetzt realisierte sie, was sie gerade gesagt hatte. Sie korrigierte sich. »Durfte sie auch auf dem Pferd reiten?«

Der Professor musste sich kurz an die abgesprochene Geschichte erinnern. Er bemühte sich, mit dem gleichen traurigen Tonfall weiter zu machen. »Wir waren mit den Planungen schon sehr weit, aber dazu ist es leider nicht mehr gekommen.«

Julia schwieg einen Moment und dachte über die Worte nach. Sie war mittlerweile fest entschlossen, weiter auf Carolins Weg zu gehen und ein Engel zu werden – auch wenn sie immer noch nicht genau wusste, was dies genau bedeutete und was auf diesem Weg noch alles kommen würde. Und das eben geführte Gespräch hatte sie diesbezüglich noch weiter ermutigt.

Er räusperte sich. Etwas, dass er nur tat, wenn er etwas für ihn Wichtiges fragen wollte, so gut kannte Julia ihren Professor schon. »Jetzt, wo meine Frau es nicht hören kann, wie hat ihnen der gestrige Abend wirklich gefallen?«

Julia musste vor ihrer Antwort erst einmal husten. Zum Glück kam in diesem Moment die Straßenbahn, und so hatte sie etwas mehr Zeit, um über ihre Antwort nachzudenken.

Allerdings waren sie in der Tram nicht mehr allein, und so musste sich Julia ihren Antwort gut überlegen, um nichts verfängliches zu sagen. »Es hat mir sehr gut gefallen.« Julia hoffte, dass es neutral genug war. »Es war sehr anstrengend, aber mindestens doppelt so schön.« Trotzdem wurde sie ein wenig rot dabei.

»Wenn ich ehrlich bin, habe ich auch nichts anderes erwartet.« Der Professor lächelte. »Sie werden das ganz sicher schaffen.«

Julia hätte gern etwas nach Details zu ihrer Zukunft gefragt, doch das verbot sich in der Öffentlichkeit.

»Wie kommen sie mit ihrer neuen Wäsche zurecht?« Wieder war es der sehr fachliche Tonfall, der Julia irritierte.

Sie musste erst einen Moment überlegen, bis sie erkannte, dass er nur das Keuschheitsgeschirr meinen konnte, welches sie heute das erste Mal zur Uni trug. Sie war mehr als überrascht, dass er hier so direkt danach fragte. »Meine Frau hat mich gebeten, diesbezüglich ein Auge auf sie zu haben.«

»Ich habe mich daran gewöhnt.« Julia seufzte. »Ich hoffe, dass es keine Probleme geben wird.«

»Sie sollten wissen, dass meine Frau mir den Schlüssel für Notfälle mitgegeben hat.« Seine Stimme war dabei etwas leiser.

Julia war hin und her gerissen. Auf der einen Seite fand sie es beruhigend, dass sie so einen leicht erreichbaren Notausgang hatte, auf der anderen Seite sah sie ihren Professor vor ihr knien und an dem Schloss hantieren. Das war ein Vorstellung, welches sie möglichst nie real erleben wollte. Als Antwort lächelte sie nur.



In der Uni hatte sie die Gedanken an ihre besondere Unterwäsche schon weitgehend verdrängt. Sie folgte wie jeden Tag den Worten des Vortragenden und machte sich nebenbei noch Notizen.

Dass sie das Keuschheitsgeschirr trug, hatte sie sich mittlerweile als selbstverständlich verinnerlicht, und sie freute sich genaugenommen sogar über die besondere Probe, die Hegels ihr heute zumuteten. Sie empfand fast ein wenig Stolz, mit dieser besonderen Unterwäsche in der Vorlesung zu sitzen und sich wie jeden Tag zu benehmen.

Wenn sie ihren Gedanken etwas Freiraum ließ, dann kreisten diese um genau zwei Themen. Zum einen fanden diese sich in der Verkaufsstelle des Münchener Verkehrsverbundes MVV wieder, die sie heute Vormittag noch aufsuchen wollte.

Sie war nicht enttäuscht darüber, dass Frauke das kleine Tram-Modell kaputt gemacht hatte, im Gegenteil, sie hätte an ihrer Stelle sicher genauso gehandelt. Trotzdem wollte sie ihr heute ein neues Exemplar davon mitbringen. Sie hatte gelegentlich darüber nachgedacht, und mit ihrem neu verdienten Taschengeld sah sie nun keinen Grund mehr, der dagegen sprach.

Jetzt, wo sie Fraukes wahre Hintergründe kannte, ahnte sie um so mehr, wie wichtig ihrer Freundin dieses Symbol war. Es war der unerreichbare Traum von Freiheit. Und auch Julia sah sich einiges Tages in der Tram sitzen, neben Frauke, und gemeinsam würden sie die traurige Vergangenheit hinter sich lassen.

Das zweite Thema würde wichtig werden, sobald sie heute wieder ihre Wohnung betreten würde. Sie hatte mittlerweile etwas Angst vor ihrem eigenen Mut, und sie wusste nicht, was aufregender war: Der Gedanke an den Dildo, den sie bald an so prominenter Stelle tragen würde, oder dass ihr Professor davon wusste und sie ihm in diesem Zustand gegenübertreten musste.

Erfahrungen mit Männern hatte sie in dieser Beziehung noch nicht wirklich, und doch war sie nicht mehr Jungfrau. Trotzdem hatte sie vor diesem Abenteuer doch etwas Respekt. Außerdem war sie sich sicher, dass sie auch sofort um Befreiung bitten konnte, wenn sie es gar nicht aushalten würde. Hegels würden sicher auf ihre Gesundheit achten wollen, und doch wollte sie ihre Gasteltern nicht enttäuschen, nicht seit sie erkannt hatte, wie wichtig sie für das Professorenehepaar und ihre Ziele geworden war.

Der vergangene Abend hatte ihr ein wenig von der Zukunft offenbart, die auf sie wartete, wenn sie auf diesem Weg bleiben und ein Engel werden würde. Sie hatte keine Angst davor, wenn überhaupt, dann war es die Angst vor dem Unbekannten, doch sobald sie wieder etwas neues von den Engeln entdeckt hatte, wollte sie es auch nicht mehr missen.

* * *

»Guten Tag, Frau Hegel.« Die Köchin hatte das Haus betreten und fand die Frau des Professors wie üblich im Esszimmer.

Frau Hegel erwiderte die Begrüßung. »Wir werden heute zu viert sein. Macht das ein Problem?«

Die Köchin verneinte. »Ich hätte aber ein ganz anderes Anliegen.«

»Und zwar?« Frau Hegel horchte auf. Bisher gab es neben den Essensplänen eigentlich nichts zu besprechen.

Die Köchin spürte es. »Es ist für meine Tochter.« Sie wirkte ein wenig verlegen. »Sie hat mich beauftragt, danach zu fragen.«

»Und was möchte sie wissen?« Frau Hegel kannte Paula, da sie gelegentlich ihre Mutter in der Küche vertrat.

»Paula war doch letztes Wochenende bei ihnen und hat gekocht.« Es war der Köchin sichtbar unangenehm. »Und dabei hat sie etwas gesehen, über das sie gern mehr erfahren möchte.«

»Und was hat sie gesehen?« Frau Hegel versuchte, ihre Stimme weiterhin freundlich klingen zu lassen.

»Ich habe das früher auch das eine oder andere Mal gesehen.« Die Köchin holte tief Luft. »Es ist diese seltsame Tasche, die die Mädchen immer auf dem Rücken trugen und in der ihre Arme drin waren. Wissen sie, was ich meine?«

»Ja, ich weiß, was sie meinen.« Frau Hegels Miene entspannte sich ein wenig. »Sie meinen den Monohandschuh?«

»Wenn dieses Ding so heißt?« Sie lächelte, und auch bei ihr ließ die Anspannung etwas nach. »Paula hat ihrem Freund davon erzählt, und jetzt soll sie sich danach erkundigen.«

»Und wie hat sie sich das vorgestellt?« Frau Hegel hatte noch nicht erkannt, wie sie ihrer Köchin konkret helfen konnte.

»Ich weiß ehrlich gesagt auch nicht, was sie sich genau erwartet.« Die Frau zuckte mit den Schultern. »Aber jetzt wissen wir zumindest, wie dieses Ding heißt.«

»Wissen sie was?« Frau Hegel lächelte. »Wir wollten heute ohnehin einen Spaziergang machen. Wir kommen einfach bei ihnen vorbei, dann kann Paula sich den Monohandschuh ansehen und selbst ihre Fragen stellen.«

»Das wäre schön.« Die Köchin gab sich zufrieden. »Ich werde Paula gleich informieren, damit sie dann auch daheim ist. Heute Nachmittag sagten sie?«

Die Frau des Professors bejahte. »Eher am späten Nachmittag.«

»Paula wird sich freuen.« Sie griff zu ihrem Handy.

* * *

Mit sehr viel Herzklopfen verließ Julia die Verkaufsstelle des Münchener Verkehrsverbundes. In ihrer Tasche trug sie erneut das Modell einer Straßenbahn, und sie freute sich schon sehr darauf, dieses wieder Frauke zu überreichen. Sie hatte ihr diesbezüglich nichts gesagt, doch sie wusste, dass Frauke sich darüber freuen würde.

Böse war sie ihr nicht, obwohl sie fremdes Eigentum zerstört hatte. Julia hatte viel mehr ein schlechtes Gewissen, weil sie der ursprüngliche Anlass für Fraukes Handlung gewesen war. Außerdem hätte Julia an ihrer Stelle bestimmt genauso gehandelt.

Sie wusste nun viel mehr über diese seltsame Dienerin, die nach einer schwierigen Jugend eigentlich im Gefängnis hätte sein müssen. Nur durch diesen besonderen Deal mit dem Bruder von Frau Hegel war es für sie möglich, wenigstens ein wenig in Freiheit zu leben.

Wegen dieser blöden und misstrauischen Nachbarn hätte Julia sie fast wieder ins Gefängnis gebracht, denn sie hatte von den besonderen Regeln, die für Frauke galten, nichts gewusst.

Sie hatte alles versucht, um ihrer Freundin zu helfen, und es hatte auch etwas genutzt, denn jetzt hatte Frauke neue und erst auf den zweiten Blick bessere Haftbedingungen bekommen. Wenn sie in ihrer Begleitung war, dann hatte Frauke das Recht, das Haus zu verlassen. Außerhalb des Grundstücks mussten sie lediglich mit einer Handschelle aneinander gekettet sein – das war ein Preis, den sie gern zu zahlen bereit waren.

Je näher sie ihrem aktuellen Zuhause kam, desto nervöser wurde sie. Auf der einen Seite freute sie sich auf das Abenteuer mit dem Dildo, doch genauso fragte sie sich immer wieder, wohin sie dieser Weg wirklich führen würde.

* * *

»Da seid ihr ja endlich.« Vater Sommer war etwas verärgert, weil er schon wieder wegen seine Söhne auf das Mittagessen warten musste. Diese Mahlzeit nahmen sie in der Regel zusammen ein, und er mochte es nicht, wenn er damit zu viel Zeit vertrödelte musste. »Was machen wir jetzt mit Julia?«

Die Mutter erläuterte noch einmal, was sie beschlossen hatten. Sie würden bei den Eigentümern des Hauses vorsprechen, und falls Julia dort wirklich wohnen sollte, dann würden sie ihre Lage schildern.

Michael hörte den Plänen atemlos zu. Gern hätte er seine Schwester gewarnt, doch er wusste nicht, wie er sie erreichen konnte.

Doch dann fiel ihm ein, dass Peter die Adresse herausgefunden hatte, und durch eine kleine List hatte er sich dieses Wissen ebenfalls angeeignet. Jetzt wusste er auch, wo seine Schwester vielleicht zu finden war. Doch auch er hatte das Problem, dass er nicht einfach dort klingeln konnte. Was hätte er sagen sollen? Doch da die Eltern ihre diesbezüglichen Pläne vorgestellt hatten, wusste er, dass er handeln musste. Sie wollten das Haus am Sonntag Nachmittag aufsuchen, und das bedeutete, dass er schnell handeln musste.

Er hatte sich dank seines alten Stadtplans von München schon herausgesucht, wo das Haus genau war, und langsam reifte ein Plan in seinem Kopf.

Er würde zunächst das Grundstück aufsuchen. Wenn er sehr viel Glück hatte, dann war seine Schwester vielleicht draußen, und dann konnte er mit ihr reden, ohne das Haus betreten zu müssen.

Insgeheim fragte er sich, welche Möglichkeiten seiner Schwester bleiben würden. Sie könnte sich natürlich verleugnen lassen, doch dann müsste die Bindung zu ihren Vermietern sehr stark sein. Und daran glaubte er nicht.

»Was bist du denn so nachdenklich?« Bernd stoß ihm den Ellenbogen in die Seite. »Freue dich doch.« Er bereitete seine Arme aus. »Bald können wir wieder mit erhobenem Kopf durch das Dorf gehen.«

Michael versuchte so etwas wie einen Protest. »Und an Julia denkst du überhaupt nicht?«

»Natürlich.« Bernd war genauso fixiert wie seine Brüder und die Eltern. »Sie weiß doch schon seit langem, welche Zukunft auf sie wartet.«

Peter fiel ein. »Ihre Flausen werden wir ihr noch austreiben. Sie wird zu ihrem Wort stehen.« Er gab sich empört. »Das wäre ja noch schöner.«

Michael hörte sich alles ruhig an. Er gab vor, mit allem einverstanden zu sein, doch in Wirklichkeit fühlte er sich in seinen Plänen immer mehr bekräftigt. Er musste Julia unbedingt warnen. Denn er war der einzige, der wusste, was Julia wirklich wollte. Sie wollte Architektin werden. Mit dem Hof hatte sie nichts am Hut. Und von dem arroganten Nachbarburschen hielt sie ebenso wenig wie er selbst.

* * *

»Da sind sie ja endlich.« Frau Hegel ließ schon an der Haustür durchblicken, dass sie über Julias Einkauf informiert war. »Wir können anfangen. Gehen sie bitte auf ihr Zimmer und warten sie auf uns. Ich sage Frau Wiesl Bescheid.«

Julia ging mit laut klopfendem Herzen langsam auf ihr Zimmer. Sie fragte sich, ob sie schon beginnen sollte, und sie kam zu der Überzeugung, dass sie sich zumindest schon ausziehen könne.

Als sie ihr Zimmer betrat, war sie ein wenig enttäuscht, denn es sah noch genau so aus, wie sie es heute verlassen hatte. Selbst die Lackkleidung, die sie anziehen wollte, lag noch an der Stelle, an der sie sie heute morgen herausgelegt hatte.

Doch dann musste sie innerlich über sich lachen, was hatte sie denn erwartet?



Sie musste nicht lange warten, als es an der Tür klopfte. Gleich darauf schob Frau Hegel und Frauke einen kleinen Servierwagen herein. »Ah, sehr gut. Sie haben sich schon ausgezogen.«

Julia blickte ganz verwundert auf das, was auf dem kleinen Wagen darauf stand. Sie war sich nicht ganz sicher, was sie eigentlich erwartet hatte, doch ein Kochtopf war sicher nicht dabei.

Frauke sah den verwunderten Blick der Studentin und lächelte. »Da ist warmes Wasser drin, und damit haben wir das Ding angewärmt.« Auch ihr war die leichte Anspannung anzusehen.

Julia wollte näher kommen, doch Frauke hielt sie zurück. »Bleib wo du bist.« In diesem Moment klang ihre Stimme unerwartet streng.

Die Studentin war durch den Tonfall beeindruckt. Sie blieb an ihrem Platz und sah zu, wie Frauke mit einer Augenbinde auf sie zu kam. »Bitte lass es zu.«

Julia war von der Spannung, die im Raum lag, sehr beeindruckt. Sie machte ihren Mund wieder zu und blieb stehen.

»Je weniger sie davon mitbekommen, desto leichter wird es für sie.« Frau Hegels ruhige Stimme sorgte dafür, dass Julia sich tatsächlich etwas entspannte. »Bitte lassen sie sich die Augen verbinden.«

Tief in sich focht sie einen schweren Kampf aus. Wer war nun stärker? Die Neugier oder die Angst – Julia wusste es nicht. Immer noch zweifelnd blickte sie auf die Augenbinde, mit der Frauke immer näher kam. Schließlich legte sie, so als ob sie aufgeben wollte, ihre Arme auf den Rücken und schloss danach die Augen.

»Das ist sehr freundlich von ihnen, doch ihre Hände würden uns da stören.« Die Stimme von Frau Hegel war ganz bewusst sie liebevoll und zärtlich. »Legen sie bitte ihre Hände auf die gegenüberliegende Schulter.«

Julia öffnete noch einmal kurz die Augen, weil sie einen Blick auf den Spiegel werfen wollte, nachdem sie der Aufforderung nachgekommen war.

»Jetzt geben sie ihr bitte noch einen zärtlichen Kuss, und dann legen sie ihr bitte die Augenbinde an.« Frau Hegel sprach etwas leiser.

»Du hast gehört, was sie gesagt hat?« Frauke blickte auf Julias leicht zitternden Körper.

Julia zwinkerte noch einmal kurz, doch als sie sah, wie nah ihre Freundin schon war, schloss sie sie sofort wieder. Erwidern konnte sie nichts mehr, und ihre Lippen waren leicht geöffnet.

* * *

Der Privatdetektiv Hans Reizig verließ sein Hotelzimmer und ging in die Lobby des luxuriösen Hotels, um dort auf den Chauffeur zu warten, der ihm abholen sollte. Die Familie seiner Auftraggeberin hatte ihm das Zimmer besorgt, und nun wartete er im besten Haus am Platz, wie er gestern bei der Ankunft feststellen konnte.

Eigentlich hatte er für Sehenswürdigkeiten nichts übrig, doch da er schon gestern angereist war, hatte er sich ein wenig in der norddeutschen Stadt umgesehen, die vor allem wegen ihres Domes und des tausendjährigen Rosenstockes berühmt war. Und es gab tatsächlich ein paar Gebäude, die einen zweiten Blick wert waren.

Das Zimmer war bis Montagmorgen gebucht, sogar ein Doppelzimmer, doch Susi, seine treue Sekretärin und Assistentin, hatte höflich wie immer abgelehnt. Er wusste, dass sie einen festen Freund hatte, und das respektierte er auch, wenn gleich er auch gern mit ihr flirtete. Doch zu seinem Bedauern blieb es stets dienstlich.

So lag ein ganzes Wochenende vor ihm, das er an diesem Ort verbringen musste oder durfte. Er machte eigentlich nie Urlaub, und erst das gute Zureden von Susi hatte ein Einlenken seinerseits bewirkt.



Hans erinnerte sich noch gut an den Brief, der an seine kleine Detektei gerichtet war. Er hatte noch nie Post vom padogenischen Konsulat erhalten, deswegen hatte Susi den Brief auch nicht wie sonst geöffnet, sondern ihn sofort zu ihm gebracht. »Chef, das dürfte etwas Wichtiges sein.«

Er war es gewöhnt, dass seine Post immer zuerst durch die Hände seiner Assistentin ging, und er wusste, dass er ihr in dieser Beziehung voll vertrauen konnte. Natürlich war Susi nicht ihr richtiger Name, doch das hatte ihn noch nie interessiert. Er nannte seine Assistentin und Sekretärin stets Susi.

Genau genommen wusste er noch nicht einmal, dass es dieses Konsulat gab. Der Brief hatte wegen des besonderen Absenders sofort seine volle Aufmerksamkeit erregt. Doch als er ihn geöffnet hatte, war er wieder etwas ernüchtert. Er war von seiner Klientin Tara Winthrop, die ihn vor einem halben Jahr zusammen mit ihrer Mutter aufgesucht hatte. Sie hatten ihn mit dem bisher wohl spannendsten und größten Job beauftragt, den seine kleine Detektei bisher gehabt hatte.

Mit dem Brief luden sie ihn nun zu sich in das Konsulat ein, damit er ihnen die Ergebnisse überreichen könne. Sie wollten vermeiden, dass die Erkenntnisse eventuell auf dem Postweg verloren gehen könnten, das hatten sie in dem Schreiben noch extra vermerkt.

Erst jetzt wurde ihm klar, dass er es offensichtlich mit der Frau und der Tochter des padogenischen Konsuls zu tun hatte. Sie hatten ihn zu sich in die kleine norddeutsche Kleinstadt gebeten, in der er jetzt ein Wochenende verbringen durfte oder musste.

* * *

Tara Winthrop, die Tochter des padogenischen Konsuls, wartete mit klopfendem Herzen in ihrem Zimmer auf die Schneiderin, die sich für heute angesagt hatte. Vor längerer Zeit hatte Tara ein besonderes Kleid bei ihr bestellt, und heute sollte es von ihr geliefert werden.

In ihrem Zimmer, welches sich im Privatflügel des Konsulatsgebäudes befand, war alles in Grautönen gehalten, selbst die Gardinen vor den Fenstern waren so dicht gewebt, dass das satte Grün der Bäume draußen nur als ein heller Grauton in ihr Zimmer drang. Tara hasste diese Farbtöne, doch da Onkel Herbert diese Art der Einrichtung empfohlen hatte, war es für die Konsulstochter Gesetz. Auch die Beleuchtung des Zimmers war an ihre Bedürfnisse angepasst. Das Licht war durch einen speziellen Filter rein weiß, und deswegen war sichergestellt, dass kein einziges Farbpartikel ihre Ruhe störte. Immer wieder trippelte sie zum Fenster, um nach dem Fahrzeug der Schneiderin Ausschau zu halten.

Doch selbst, wenn sie mit ihren Armen die dicht gewebten Gardinen hätte zurück ziehen können, würde sie von der Ankunft nichts sehen können, denn die meistens zugehängten Fenster gingen nach hinten hinaus, und der Parkplatz vor dem Konsulat war von hier aus nicht einsehbar.

In der Anfangszeit hatte Tara natürlich oft versucht, durch Sicht auf die sattgrünen Bäume vor dem Fenster etwas Farbe in ihr Zimmer zu bringen, doch mit der Zeit hatte sie diesbezügliche Versuche aufgegeben. Ihre Versuche wurden vom Wachpersonal sofort entdeckt und wieder rückgängig gemacht. Wenn sie Glück hatte, kam sie ohne eine Strafe davon.

Heute hatte es allerdings einen anderen Grund. Über ihrer dunklen Kleidung trug sie noch einen eng geschnürten Monohandschuh, und noch sagten ihr ihre Armmuskeln, dass sie die besondere Armhaltung noch eine Weile aushalten konnte. Denn für den Handschuh gab es einen besonderen Grund, der mit dem heutigen Abend zusammenhing.

Der Gong der Sprechanlage ertönte und gleich darauf hörte Tara die erlösenden Worte von Berta. »Tara, die Schneiderin ist eben auf den Hof gefahren. Ich schicke Jasmin zu ihnen.« Berta war Köchin, Dienstmädchen und Vertraute, also mehr oder weniger das Mädchen für alles. Und obwohl sie schon auf die Sechzig zuging, verstand sich Tara sehr gut mit ihr.

Tara war elektrisiert. Sie blieb stehen und horchte auf die näher kommenden Schritte ihrer kleinen Schwester.

Langsam öffnete sich die elektrisch angetriebene Tür zu ihrem Zimmer und Jasmin trat ein. »Was ist denn jetzt schon wieder?« Sie verdrehte die Augen, denn sie hasste es, ständig für ihre große Schwester da sein zu müssen. Sie steckte ihr Handy ein und ging auf Tara zu.

»Mein neues Kleid ist endlich fertig.« In Taras Augen war ein besonderes Glitzern zu sehen.

»Und deswegen möchtest du jetzt dein Training beenden?« Jasmin trat hinter ihre Schwester und öffnete unaufgefordert die Schnürung des Monohandschuhs sowie die Riemen, die den Handschuh an ihrem Körper fixierten. »Ich verstehe nicht, warum du dir das antust.« Sie schüttelte den Kopf.

»Ich habe es dir schon so oft gesagt, heute Abend darf ich Mutter vertreten.« Sie strahlte über das ganze Gesicht. »Und dabei möchte ich glänzen.«

»Soll ich die Schlüssel für deine Unterwäsche holen?« Jasmin versuchte, sich den Wünschen und Erwartungen ihrer Schwester anzupassen.

»Ja, bitte.« Tara trennte sich eher ungern von der Stahlunterwäsche, doch für das Kleid musste sie dies tun.

»Warum eigentlich?« Jasmin spottete. »Ist das neue Kleid so eng, dass die Wäsche aufträgt?« Die wahren Zusammenhänge kannte sie natürlich.

Tara überhörte den Spott. »Du weißt, dass ich die Enge gern mag, und auch warum.«

»Enge?« Jasmin stöhnte, denn sie war um so mehr gefordert, je hilfloser ihre Schwester war. »In dem Kleid wirst du völlig unbeweglich sein.« Sie erinnerte sich an die bisherigen Anproben sowie die Entwürfe, die sie zusammen besprochen hatten. Tara hatte sich dieses besondere Kleid zum Geburtstag von ihrem Vater gewünscht, und er war sofort bereit, die Schneiderin damit zu beauftragen.
264. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 9 - Veränderungen - Teil Fünf von Elf

geschrieben von meander am 27.06.20 11:53

Danke fürs Weiterschreiben. Ich bin total gespannt, wie sich die Geschichte weiterentwickelt.
265. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 9 - Veränderungen - Teil Fünf von Elf

geschrieben von Keuschli_69 am 28.06.20 13:14

Atemberaubende Geschichte!!! Ich glaube, ich habe noch nie vorher irgendwas so dermaßen am Stück verschlungen! Und noch selten eine Protagonistin so sehr um ihr Leben beneidet 😂😂😂
266. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 9 - Veränderungen - Teil Fünf von Elf

geschrieben von fiasko am 28.06.20 13:30

Ui! Ein neuer Zweig in der Geschichte. Der könnte sich zu einem stabilen tragfähigen Ast entwickeln.
267. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 10 Besuche - Teil Drei von Zwölf

geschrieben von gag_coll am 04.07.20 07:15

Der Mantel der Studentin
Kapitel 10 Besuche - Teil Drei von Zwölf
Autor: Karl Kollar

Die Grundidee dieses Kleides ging auf einen Entwurf eines Holländers zurück, doch Tara wäre nicht Tara, wenn sie es nicht schaffte, für sich den Entwurf noch zwei Nummern strenger zu machen.

Das bodenlange Seidenkleid war über die ganze Körperlänge doppelt gearbeitet. Die innere Lage bestand zunächst aus einem Unterrock, der dank eingearbeiteter sehr starker Gummizüge wirklich hauteng an Taras Körper anlag und ihre Beine sehr eng aneinander presste.

Das entsprechende Oberteil war ein Korsett, welches genau für Tara Körper und ihre besonderen Bedürfnisse geschneidert war. Zumindest hatte sie das bei der letzten Anprobe schon einmal spüren dürfen, und die Schneiderin hatte versichert, dass sich an dem Korsett bis zur Fertigstellung nichts mehr ändern würde. Tara hatte es bewusst in Kauf genommen, dass dieses Kleid sie sehr bei der Atmung behindern würde, und genau darauf freute sie sich. Das Gefühl, für jeden Atemzug kämpfen zu müssen, war für sie genau das Gefühl, welches sie erleben wollte.

Die äußere Lage des Kleides lag genauso hauteng an, war aber nicht so gespannt wie das Unterkleid. Auf den ersten Blick würde ein Fremder vermuten, dass Tara kein Arme hatte, denn die Arme würden von diesem Oberkleid auf den Rücken gehalten. Dafür gab es in dem Oberkleid innen zwei eingearbeitete Handschuh, die bis zu den Oberarmen reichten und die dafür sorgten, dass Tara ihre Arme nicht mehr bewegen konnte. Auf diese Idee war sie besonders stolz. Natürlich hatte diese innenliegenden Ärmel auch Hüllen für ihre Finger und wenn das Kleid einmal zugenäht war, dann konnte sie kaum noch etwas von ihrem Körper bewegen.

Lediglich über ihrer Brust würde es einen herzförmigen Ausschnitt geben, damit sie ihre beiden Lieblinge präsentieren konnte, auch wenn es eigentlich keinen gab, den sie damit beeindrucken konnte.

Darüber setzte ein Halskorsett an, welche zwar nach außen aussah, als wäre es nur ein Spitzenkragen, doch es enthielt genauso strenge Korsettstangen wie das Korsett des Unterkleides. Entsprechend hielt es ihren Kopf in einer strengen Umklammerung und erlaubte ihr nur noch, geradeaus zu blicken. Tara freute sich schon sehr auf das Kleid.

Das Kleid wurde, wie es in ihrer Heimat üblich war, durch eine Naht im Rücken geschlossen, und wenn das Halskorsett geschlossen war, dann gab es kaum noch einen Körperteil, den Tara überhaupt noch bewegen konnte. So zumindest hatte sie es bei der Schneiderin bestellt. Und natürlich hatte ihr Vater es ohne Rückfrage bezahlt, obwohl der Kostenvoranschlag eine fünfstellige Summe war.

Dafür liebte Tara ihren Vater – er erfüllte ihr jeden Wunsch, und war er auch noch so ausgefallen.



»Es ist nicht nur die Enge.« Tara strahlte. »Ich muss darin eingenäht werden. Schnelles An- oder Ausziehen geht also nicht.«

Als Antwort seufzte Jasmin nur, dann reichte sie ihr den schwarzen Bademantel. »Jetzt zieh den bitte über, damit du nicht nackt durch das Konsulat läufst.«

Tara griff sich etwas eingeschnappt den Bademantel »Jetzt komm, wir wollen sie nicht warten lassen.« Sie ging zum Telefon, das an der Wand hing, und drückte einen Knopf. »Berta, kannst du uns bitte heraus lassen?«

Jasmin verdrehte wiederholt die Augen. Sie war von den Launen ihrer großen Schwester mehr als angewidert, doch sie kannte auch den traurigen Grund dafür. Und dass die Zimmertür ihrer großen Schwester von innen nicht zu öffnen war, daran hatte sie sich schon lange gewöhnt. Trotzdem bekam sie immer wieder eine Gänsehaut, wenn sie die Tür von innen sah. An der Stelle, wo sonst Klinke und Schlüsselloch waren, gab es bei dieser Tür nur eine freie Fläche. Und nur ein ganz dünner Spalt in der Wand verriet überhaupt, dass hier ein versperrter Ausgang war.

Sie selbst fand es gruselig, auf eigenen Wunsch hin so eingesperrt zu sein, doch Tara war damit sehr glücklich. Selbst wenn sie nicht diese extrem restriktiven Nachthemden tragen würde, war sie immer noch in ihrem Zimmer gefangen und deswegen nicht in der Lage, die Tür zu öffnen.

Trotzdem war Jasmin bereit, sie in ihrem schwierigen Alltag zu unterstützen. Normalerweise hätte sie sie angehalten, wenn sie nur im Keuschheitsgeschirr durch das Konsulat lief, doch heute war es eine Ausnahme – die Schneiderin wartete mit der seidenen Rüstung, wie Jasmin das neue Kleid heimlich zu nennen pflegte. Und im Ankleidezimmer ihrer Mutter war alles, was sie zusätzlich noch benötigten. Mitten in diesem Zimmer befand sich eine Art Reck, eine waagerechte Stange in großer Höhe, an der zwei lederne Manschetten befestigt waren. In ihrer Heimat spielten Korsetts noch eine wichtige Rolle, und jede Frau, die etwas auf sie hielt, hatte so eine Ankleide-Vorrichtung.

* * *

Hans hatte sich extra über das Land erkundigt, aus dem sie kamen, doch es gab nicht viel über Padogenien herauszufinden. Es war eine Monarchie und wurde von der Königsfamilie regiert. Der Adel hatte in dem stark landwirtschaftlich organisierten Land viel Macht. Es gab nur zwei Großstädte, der Rest des Staatsgebietes war ländlich geprägt.

Der König verstand es offenbar, sein Land weise zu regieren und stets soweit auf die Bedürfnisse der Landbevölkerung einzugehen, dass sie weitgehend zufrieden war. Die Beschreibung der Regierungsform las sich wie ein Märchen, doch er begriff schnell, dass sie anscheinend Realität war.

Er hatte seine Susi unter einem Vorwand in das Konsulat geschickt, und sie kam tatsächlich mit sehr interessanten Informationen zurück. Es war schon immer im Laufe der Geschichte so gewesen, dass der Adel nicht arbeiten musste, und dies auch oft nach außen zeigte. Doch in diesem Land war es für eine junge Adelige geradezu Pflicht, ihre Arbeitsunfähigkeit zu zeigen. Es gab spezielle Uniformen und dem Adelsstand entsprechende Farben, die den einzelnen Familien zugeordnet waren. Es war nicht ganz so wichtig, wie die jungen Damen die Unbenutzbarkeit ihrer Arme vorführten (es waren verschiedene Möglichkeiten angegeben), doch ganz wichtig war die Farbe, die sie trugen. Blau war dem niederen Adel vorbehalten, der Hochadel trug Grün und nur die Königsfamilie hatte das Anrecht, Rot zu tragen.

Susi hatte die Informationen in einem Papierkorb gefunden, als sie kurz allein gelassen wurde; es waren Reiseinformationen für diplomatisches Personal, und sie hatte es heimlich eingesteckt. Es hatte ihn zwar ein üppiges Mittagessen für seine Susi und sich gekostet, aber dann überreichte sie ihm stolz ihre Beute.

Gleichzeitig hatte sie auch die offiziellen Reiseempfehlungen mitgebracht, und es schien nicht angebracht zu sein, dieses Land besuchen zu wollen. Sie schotteten sich sehr stark ab und machten es Touristen bewusst schwer, sich bei ihnen wohl zu fühlen. Es gab vor allem keine Hotels, stattdessen musste man eine Einladung einer der Adelsfamilien vorweisen – und solche waren sehr schwer zu bekommen.

* * *

Gleich nach dem sehr langen Kuss legte Julia ihre Hände wieder auf ihre Schultern, und sie spürte, wie sich das weiche Leder der Augenbinde sich um ihren Kopf legte. Ein leises Stöhnen entglitt ihrem Mund, ohne dass sie es verhindern konnte.

Dadurch, dass sie jetzt nichts mehr sehen konnte, waren ihre anderen Sinne geschärft, und sie glaubte sogar, ihre Vermieterin am Parfüm zu erkennen. Auch erkannte sie sofort das Klappern des kleinen Schlüsselbundes.

Gleich darauf schienen sich mehrere Hände mit ihrem Keuschheitsgürtel zu beschäftigen, und Julia spürte, wie der bisher so stetige, aber nicht unangenehme Druck um die ihre Taille nachließ.

»Es ist schön, dass sie es uns so leicht machen.« Frau Hegel war der Glanz an Julias magischem Dreieck aufgefallen. »Wir machen es auch ganz vorsichtig. Nehmen sie es aus dem Topf, cremen es bitte ein und dann...« Sie sprach die Worte an Frauke nicht zu Ende.

Julia biss sich leicht auf die Lippen, sie hoffte so, ihre Gefühle unter Kontrolle halten zu können. Sie spürte, dass mit ihrer Nervosität auch gleichzeitig ihre Erregung anwuchs.

»Lassen sie es bitte zu.« Frau Hegel stellte sich hinter Julia und legte ihre Hände auf die der Studentin. Sie übte dabei keinen Druck aus – Julia sollte nicht das Gefühl haben, festgehalten zu werden.

Als sie die erste Berührung an ihrer empfindsamsten Stelle spürte, zuckte sie kurz zusammen und ein leichtes Stöhnen entglitt ihren Lippen, ohne dass sie es wollte.

»Dieser Moment ist der schwierigste.« Frau Hegels Stimme war bewusst leise und zärtlich. »Jetzt schieben sie es ganz langsam hinein.«

Es war Julia in keiner Weise unangenehm, jetzt, wo der erste Schreck vorbei war. Deutlich spürte sie in sich, wie der Dildo immer mehr Platz in ihrem Körper einnahm.



Es dauerte gar nicht lange, dann hörte sie wieder das kleine Schlüsselbund, und der Druck um ihre Taille war wieder da. Als nächstes spürte sie, wie Frau Hegel ihre Hände losließ und gleich darauf blickte sie in Fraukes neugierige Augen.

»Na, wie fühlst du dich?« Ihre Stimme war leise und ihr Tonfall ließ erkennen, dass sie nicht unbedingt eine Antwort erwartete.

Obwohl sie sich überhaupt nicht bewegt hatte, war Julia doch außer Atem. Sie keuchte leicht. »Es fühlt sich ungewohnt an.« Sie blickte sich verlegen um. »Und interessant.«

Frau Hegel schob schon den kleinen Wagen mit dem Topf zügig zur Tür. »Wenn sie sich daran gewöhnt haben, dann ziehen sie sich bitte an und kommen dann zum Mittagessen.«

An der Tür drehte sie sich noch einmal um. »Lassen sie sich bitte so viel Zeit, wie sie brauchen.« Sie zog die Tür zu sich heran. »Mein Mann und die Köchin wissen Bescheid, dass sie eventuell später kommen.«

Julia nickte nur. Noch zu sehr waren ihre Gedanken mit dem Eindringling beschäftigt, der sie bei jeder einzelnen Bewegung an seine Präsenz erinnerte.

Frauke ging zum Schrank. »Weißt du schon, was du zur Feier des Tages anziehen möchtest?«

Julia musste sich erst räuspern, bevor sie antworten konnte. »Ich dachte an etwas Feierliches? Den langen schwarzen Rock und die weiße Bluse?«

»Eine gute Wahl, mein Fräulein.« Frauke suchte die entsprechenden Sachen aus dem Schrank heraus und brachte sie zum Bett.



Julia ging mit zitternden Schritten vor den Spiegel. Sie blickte hinein, doch sie sah lediglich ihren in Stahlunterwäsche verhüllten Körper, und das war ein Anblick, an den sie eigentlich schon gewöhnt war. »Man sieht es gar nicht.«

»Das wäre aber auch noch schöner.« Frauke legte die Sachen auf das Bett, dann trat sie an Julia heran. »Wir sollten sie nicht unnötig warten lassen.« Trotzdem legte sie ihre Arme von hinten um Julias metallverhüllten Körper und streichelte sie zärtlich an den Stellen, an denen Julia es fühlen konnte. »Ich bin sehr stolz auf dich.«

Julia drehte sich in der Umarmung um, und gleich darauf versanken beide wieder in einem süßen Kuss.

* * *

Eigentlich benutzte Tara das Ankleidezimmer ihrer Mutter oft, doch heute war es etwas Besonderes. Sie stürmte direkt auf das Reck zu, streifte sich auf dem Weg dahin den Bademantel vom Körper und hängte sich wie so oft in die dafür vorgesehenen Manschetten. Den Hocker stieß sie weg und ließ sich dann in die Manschetten fallen. »Jetzt kannst du mich aufschließen«, strahlte sie ihre Schwester an. Sie wusste, dass sie sich selbst nicht wieder aus den Manschetten befreien konnte, doch das war ihr gleichgültig.

Gegenüber Fremden hielten die Schwestern sehr zusammen, und entsprechend zeigte Jasmin keinerlei sichtbare Reaktionen, als sie ihre Schwester von dem Keuschheitsgeschirr befreite.

Gleich darauf hing sie nackt an dem Reck, doch auch das war kein Problem. Zum einen waren die Gardinen zugezogen und zum anderen stand das Reck an einer Stelle, die durch das Fenster nicht zu sehen war. Das Ankleidezimmer war gemäß den Vorschriften aus ihrer Heimat eingerichtet worden.

»Sie ist bereit.« Jasmin trat neben ihre Schwester und blickte die Schneiderin ebenfalls erwartungsvoll an.

Die Schneiderin hatte inzwischen begonnen, ihre Tasche auszupacken, und nach und nach legte sie die einzelnen Teile des Kleides auf den dafür vorgesehenen Tisch.

Jasmin schaute neugierig auf die einzelnen Stücke und sie wunderte sich. »Das wird doch nie passen, das ist doch viel zu klein.«

Doch die Schneiderin lächelte nur hintergründig.

»Warte es ab.« Tara keuchte vor Anspannung, weniger wegen der ungewohnten Haltung. »Es sieht wirklich sehr eng aus.« Unwillkürlich leckte sie sich über die Lippen.



Ursprünglich wollte Tara ein Korsett haben, welches auf ihren Körper zusammen genäht wurde. Doch die Schneiderin hatte schon in der ersten Besprechung ihr Veto dazu eingelegt. Es kostete sie damals einige Mühe, um Tara von der Unmöglichkeit ihrer Forderung zu überzeugen. Es war einfach nicht möglich, Stoff unter so hoher Spannung zusammen zu nähen.

Natürlich war Tara enttäuscht, doch sie wusste, dass sie den Aussagen der Schneiderin vertrauen konnte. Schließlich war diese neben Onkel Herbert die einzige Fremde, die in das Geheimnis um Tara eingeweiht war, und dafür wurde sie geradezu fürstlich entlohnt. Auch deswegen bemühte sie sich gleich doppelt – einerseits um das in sie gesetzte Vertrauen nicht zu enttäuschen und andererseits war sie ehrgeizig, die Wünsche möglichst detailgetreu umzusetzen oder passende Alternativen vorzuschlagen.

»Warum wollen sie das denn so haben?« Die Schneiderin hatte genügend Mut gehabt, um nach Taras wahren Absichten zu fragen. »Was ist der wirkliche Grund?«

Tara hatte nicht verhindern können, dass sie ein wenig rot wurde. »Ich möchte es nicht mehr so einfach ablegen können.«

»Ja, so etwas dachte ich mir schon«, lächelte die Schneiderin. »Dann machen wir doch eine strenge Schnürung und verdecken diese durch eine Lage Stoff, die darüber genäht wird.«

»Wenn das möglich ist?« Tara hatte im Laufe der Zeit gelernt, auf die Ratschläge der Schneiderin zu hören, denn bisher wurde sie von ihr noch nie enttäuscht.



Eigentlich wollte sie das Korsett durchgängig bis zu den Waden haben, doch die Schneiderin konnte sie ebenso davon überzeugen, dass hier ein Minimum an Flexibilität erhebliche Vorteile für einen sehr langen Tragezeitraum bieten würde. Was die notwendigen Toilettengänge dazu betraf, hatte sie sich schon vor langer Zeit eine Lösung bei ihrer Frauenärztin legen lassen, so dass sie notfalls über mehrere Tage ohne Kleidungswechsel auskommen konnte. Dass das Korsett ihr die Bauchatmung nehmen würde und sie auf Brustatmung angewiesen sein würde, darüber wusste sie ebenfalls Bescheid. Sie freute sich darauf.

Sie hatte stets auf ihre Schneiderin gehört, und wenn diese gesagt hatte, dass sie noch nicht so weit sei, das ganz strenge Korsett zu tragen, dann hatte Tara es akzeptiert. Denn die Schneiderin war neben ihrer Mutter die einzige Person, von der Tara sich etwas sagen ließ.

Und das Korsett, welches sie jetzt unter ihrem Kleid tragen würde, war das ultimativ strengste, was für ihren Körper überhaupt möglich war. Sie hatte sich sehr gefreut, als sie beim Durchsprechen der Anforderungen dieses Mal für alle Punkte grünes Licht bekommen hatte.

Tara wollte anfangs auch eine Versteifung der Hüft- und Kniegelenke durch das Korsett, doch die Schneiderin überzeugte sie davon, dass ein sehr strenger Gummizug einen ähnlichen Effekt haben würde, aber noch ein gelegentliches Ausruhen ermöglichen würde. Doch Tara war erst überzeugt, als sie einmal einen Versuchsrock aus einem ähnlichen Material tragen durfte.

Auch die Arme hätten ursprünglich in das Korsett mit eingeschnürt werden sollen, doch die Schneiderin konnte sie sehr schnell davon überzeugen, dass das Miteinschnüren der Arme insgesamt auf Kosten der Strenge gehen würde. Stattdessen hatte sie ihr ein Bolero-Jäckchen schmackhaft gemacht, welches auf dem Rücken einen Monohandschuh enthalten würde. Natürlich hatte Tara es sofort mitbestellt, doch dafür musste die Schneiderin noch auf das passende Material warten.



»Es sieht so harmlos aus.« Tara Stimme zitterte etwas, als die Schneiderin mit einem Stückchen Stoff auf sie zu kam. Unbewusst leckte sie sich die Lippen.

»Harmlos?« Jasmin keuchte. »Du wirst dich darin fast gar nicht mehr bewegen können.«

»Ich weiß«, seufzte Tara. »Ich freue mich schon, wenn ich die eingeschränkte Atmung zu spüren bekomme.«

Es war der Schneiderin wichtig gewesen, ihrer Kundin die Folgen einer so strengen Korsettierung vor Augen zu führen. Sie hatte Tara sogar vor der Möglichkeit einer Ohnmacht gewarnt, die bei so einer strengen Schnürung nicht unwahrscheinlich war. Jasmin hatte deswegen entsprechende Anweisungen und diverse Mittelchen dafür bekommen.



Tara hatte die Augen geschlossen, als sie spürte, wie sich das Korsett langsam um ihre Taille legte und nach und nach immer strenger wurde. Ein Räuspern riss sie aus ihren Gedanken.

Berta stand in der Tür des Ankleidezimmers und hielt einen Block in der Hand. »Ich bitte darum, an die Ankunft des Detektiv erinnern zu dürfen, den sie für heute bestellt haben.«

»Ausgerechnet jetzt.« Tara entglitt ein leiser Fluch. »Wie viel Zeit haben wir noch?«

Berta warf noch einmal einen Blick auf ihren Block. »Der Chauffeur wird demnächst losfahren, um ihn abzuholen.«

»Dann wird er in einer halben Stunde wieder da sein.« Natürlich war Tara in die Planungen für diesen besonderen Tag eingeweiht, sie blickte deswegen fragend zur Schneiderin. »Schaffen wir das mit dem Kleid bis dahin?«

»Völlig unmöglich.« Die Schneiderin schüttelte mit dem Kopf. »Bis dahin sind wir noch nicht einmal mit dem Anziehen fertig.«

Tara gab sich pragmatisch. »Dann ist er eben der Erste, der das Kleid zu sehen bekommt.« Sie wusste, dass er extra in ihre Stadt angereist war, und gemäß den Sitten ihres Heimatlandes war es sehr unhöflich, ihn dann nicht zu empfangen.

»Bist du sicher?« Jasmin keuchte jetzt ebenfalls, denn auch sie war stets um das Ansehen des Konsulats nach außen hin bedacht.

»Du musst ihn dann etwas unterhalten, wenn er an kommt.« Tara wollte weder auf ihr Kleid verzichten, noch den Detektiv unverrichteter Dinge wieder wegschicken. Und das Dossier, welches sie und ihre Mutter bei ihm angefordert hatten, wollte sie sofort in den Händen haben.

»Und jetzt machen sie bitte weiter.« Ihr Blick fiel nebenbei auf die anderen Stücke, die die Schneiderin schon bereit gelegt hatte, und sie freute sich schon sehr, als sie den Unterrock erkannte. Eigentlich war Unterrock das falsche Wort, denn es war nur Schlauch, der ihre Beine über die ganze Länge streng aneinander presste. Es sah aus wie ein Hosenbein für ein Bein, doch Tara wusste, dass sie beide Beine darin unterbringen würde.

Und keiner würde dies sehen können, denn darüber kam dann noch das Oberkleid, und dessen Rock würde dann nur locker um ihre Beine schwingen.

* * *

Julia und Frauke waren schon auf der Treppe ins Erdgeschoss, als sie von Frau Hegel aufgehalten wurden. »Hier, das müssen sie glaube ich benutzen.« Sie reichte ihnen ein Paar Handschellen. »Die Schlüssel sind bei mir.« Sie erinnerte an die Auflagen, die ihr Bruder ihnen hinterlassen hatte.

Julia blickte etwas verlegen an sich herunter, als wolle sie ihr Aussehen kontrollieren. Sie trug den üblichen schwarzen doppellagigen Lackrock, dazu die weiße Lackbluse und darüber eine dunkelblaue Strickjacke.

Frauke erkannte sofort, was die Studentin bewegte. »Wir waren uns unsicher, wie viel Lack wir draußen zeigen dürfen.«

Frau Hegel blickte Julia musternd an, und gleich darauf entspannte sich ihre Miene. »Sehr gut ausgesucht. Das wird so gehen.«

Frauke nahm sich die Handschellen und legte sie sich und Julia um die Handgelenke.

Julia strahlte. »Jetzt sind wir für immer verbunden.«

»Für immer?« Frau Hegel runzelte die Stirn. »Die Schlüssel sind wie gesagt bei mir, und sie sollten bald wieder hier sein.«

Beide Frauen blickten verwundert auf.

»Es hat sich ein Überraschungsgast angesagt.« Frau Hegel gab sich geheimnisvoll.

Julia war noch dabei, das eben Gehörte zu verarbeiten.

»Wir haben Patricia zu uns eingeladen.« Frau Hegel lächelte. »Sie kann ihnen noch viel über die Engel erzählen.«

»Die Patricia?« Julia riss die Augen auf. »Die wir besucht haben?«

»Genau die.« Die Frau des Professors freute sich heimlich über Julias offen zur Schau gestellte Begeisterung. »Sie wird natürlich auch bei uns weiter trainieren wollen. Aber sie werden auch genügend Zeit zum Unterhalten haben.«

»Dann lass uns gehen.« Frauke drängte zur Tür.

»Eine Frage noch, dann will ich sie auch nicht länger aufhalten.« Frau Hegel spürte den Freiheitsdrang der beiden jungen Frauen. »Wie sind sie mit dem Dildo zurechtgekommen? War es positiv oder negativ?«

Julia musste sich erst noch einmal umsehen, so als wolle sie sich vergewissern, dass ihr Professor nicht in Hörweite war. Erst dann schluckte sie noch einmal und holte dann tief Luft. »Positiv, sehr positiv.« Sie machte eine lange Pause. »Das Tragen erfordert eine gute Planung, das habe ich jetzt verstanden.«

Frauke pflichtete ihr sofort bei. »Die Reinigung nach dem kleinen Geschäft ist sonst sehr umständlich.«

Frau Hegel bestätigte es. »Dieses Ding ist nur für kurze Zeiten gedacht. Aber es kann die Männer verrückt machen, wenn sie wissen, dass Sie damit gefüllt sind.« Sie grinste.

Julia realisierte erst spät, was ihre Vermieterin gerade gesagt hatte. »Haben sie auch...?«

Doch Frau Hegel lenkte ab. »Ich denke, ihr wollt dann spazieren gehen.«

Auch Frauke wurde das Thema unangenehm, sie zog an Julias Arm. »Sie hat recht, lass uns gehen.«
268. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 9 - Veränderungen - Teil Fünf von Elf

geschrieben von Keuschli_69 am 04.07.20 13:52

Danke Danke Danke für die Fortsetzung ☺️ Faszinierendes Land!!! Man könnte den edlen Adelsdamen während ihrer Hochzeitszeremonie ja eigentlich ihre Arme mit nicht wieder zu öffnenden Stahlreifen zu einem perfekten Backprayer fixieren, da sie sie ja eh nicht mehr brauchen ☺️☺️☺️
LG
Max
269. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 9 - Veränderungen - Teil Fünf von Elf

geschrieben von N0V0 am 12.07.20 20:31

Schön, daß es hier wieder weiter geht. Freue mich auf Fortsetzung und ich bin gespannt
270. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 10 Besuche - Teil Vier von Zwölf

geschrieben von gag_coll am 14.07.20 21:31

Der Mantel der Studentin
Kapitel 10 Besuche - Teil Vier von Zwölf
Autor: Karl Kollar

Hans war sehr nervös, als er in der luxuriösen Lobby des Hotels saß und auf den Chauffeur wartete, der ihm angekündigt war. Immer wieder blätterte er die Ergebnismappe durch, die er heute seiner Klientin übergeben sollte, und suchte erneut nach Fehlern, doch seine Susi hatte wirklich ihr bestes Können abgeliefert. 23 einzelne Dossiers hatten er und seine Helfer zusammengetragen – pro Mädchen ein kurzer Lebenslauf, und dann eine Aufzählung aller schlechter Angewohnheiten und Schwächen. ‚Suchen sie alles heraus, was man zu einer Erpressung nutzen kann.‘ Die Stimme der Tochter war völlig kalt, als sie den Auftrag dazu erteilte. ‚Graben sie in der schmutzigen Wäsche und finden sie alles.‘

Eines hatten die Zielpersonen alle gemeinsam. Sie waren für eine Weiterbildung auf einer Burg angemeldet. Doch um was es dort ging, dazu konnte er nichts in Erfahrung bringen. Es hätte ihn zwar interessiert, doch es war nichts herauszufinden. Es gab lediglich einige Hinweise auf Engel, doch allein damit konnte er nichts anfangen.

Und dann war da auch noch eine gewisse Julia Sommer. Sie stand nicht auf der Liste, doch er hatte erfahren, dass sie auch für den Lehrgang angemeldet werden sollte. Er war sich aber nicht sicher, ob er diese Information wirklich liefern sollte. Irgendetwas tief in ihm sagte ihm, dass er sein Wissen besser für sich behalten sollte. Er wollte nicht Verdacht kommen, sich nicht an den Auftrag zu halten. Andererseits hatte die Familie ihn so gut bezahlt, dass er sich ihnen gegenüber verpflichtet fühlte. Er beschloss, dies von der Stimmung abhängig zu machen.



Jetzt, wo die ganze Arbeit getan war und er wirklich einmal Zeit hatte, konnte er es sich leisten, über seine Klientin und ihren seltsamen Auftritt zusammen mit ihrer Mutter von vor einem halben Jahr nachzudenken. Er hatte sich immer wieder gefragt, warum sie wohl die ganze Zeit gestanden hatte, und warum sie nur Trippelschritte gemacht hatte.

Er hatte auch mit seiner Assistentin über die Erscheinung seiner Klientin gesprochen, gleich nachdem die Klienten gegangen waren.



Susi war mindestens genauso fasziniert wie ratlos wie. »Sie machte einen sehr verletzlichen Eindruck und trat zugleich aber sehr arrogant auf. Das sollte wohl ihre Unsicherheit überspielen.«

Hans stimmte ihr zu.

»Sie trug ein strenges Korsett darunter.« Susi flüsterte fast, als sie ihre Beobachtung schilderte.

»Wie hast du denn das heraus bekommen?« Er wunderte sich ein wenig, denn normalerweise war Susi genau das Gegenteil von neugierig.

»Ich habe ihr in das Cape geholfen, als sie sie wieder ging.« Irgendwie spürte sie den unausgesprochenen Vorwurf.

»Hätte das nicht die Mutter tun können?« Hans war über die neue Seite von Susi überrascht.

»Sie hatten das bei der Anmeldung extra gefragt.« Susi gab wieder, was sie mit der Familie schon am Telefon ausgemacht hatte. »Der Mutter schien es eher peinlich zu sein.«

»Und warum trug sie so etwas altmodisches wie ein Cape und keinen Mantel?« Der Detektiv fragte das Naheliegende.

»Ich glaube, sie hatte keine Wahl.« Susis Stimme wurde noch ein wenig leiser.

»Wie meinst du das?«

»Ich stand ja direkt neben ihr.« Sie holte tief Luft. »Und ich bin mir ziemlich sicher, dass sie ihre Arme nicht bewegen konnte.«

»Ja, das ist mir auch aufgefallen.« Hans dachte an seine diesbezüglichen Beobachtungen. »Doch warum?«

»Ich habe so etwas noch nie gesehen.« Susis Stimme zitterte. »Aber ich denke, die Ärmel des Kostüms waren an der Jacke seitlich festgenäht.«

»Bist du sicher?« Hans schnappte nach Luft.

»Nein«, gestand Susi. »Aber es gab nirgends einen Zwischenraum, und das geht eigentlich nur, wenn sie angenäht sind.«

»Das würde zumindest ihren steifen Auftritt erklären.« Auch deswegen war er sehr daran interessiert, diese faszinierende Dame wieder zu sehen.

Auf einmal hörte er neben sich ein Räuspern. »Herr Reizig?«

Hans blickte verwundert auf. Neben ihm stand ein Mann in einer Livree mit Chauffeurmütze in einer geradezu tadellosen Haltung. Besonders fielen ihm die weißen Handschuhe auf. Er erhob sich. »Ja, der bin ich.«

»Ich soll sie ins Konsulat bringen.« Der Mann stellte sich nicht vor, reichte ihm aber eine Visitenkarte des Konsuls.

Hans griff nach der Mappe und seinem Mantel, dann folgte er dem Herren, der langsam zum Ausgang ging.



Eine schwarze S-Klasse mit verdunkelten Scheiben stand auf dem Hotel-Parkplatz. Das Kennzeichen des Autos wies es als Diplomatenauto aus. »Bitte entschuldigen sie, aber direkt vor dem Eingang durfte ich nicht halten.« Der Chauffeur hielt ihm die Tür auf.

Hans kam es eher unwirklich vor. Er zog es vor zu schweigen.

Er nahm Platz, und gleich nachdem der Fahrer auch eingestiegen war, setzte sich das Fahrzeug in Bewegung. Hans bemerkte es aber nur, weil sich der Blick aus dem Fenster änderte. Er hörte weder einen Motor, noch spürte er ein Ruckeln beim Anfahren.

Durch die verdunkelten Scheiben konnte er nur wenig von der Stadt sehen, deswegen vertiefte er sich lieber in die Mappe und las sich die einzelnen Dossiers noch einmal durch.

* * *

Julia und Frauke genossen ihren ersten Spaziergang wirklich aus vollem Herzen. Sie hatte die kleinstmögliche Runde gewählt, doch bedingt dadurch, dass Julias innerer Rock ganz geschlossen war, kamen sie trotzdem nur sehr langsam voran.

Der Lackrock hatte ungewollt die richtige Wirkung. Es waren nur wenige Passanten unterwegs, und keiner davon achtete auf die Handschellen, die Julia und Frauke miteinander verbanden. Es fiel auch nicht weiter auf, weil sie sich bei den Händen hielten, und ein flüchtiger Blick ließ lediglich vermuten, dass es sich wohl um außergewöhnlichen Schmuck handeln musste.

Obwohl sie nur sehr langsam voran kamen, genoss Julia doch jeden einzelnen Schritt, den ihr der enge Rock nur erlaubte. Doch jedes Mal, wenn Frauke nachfragte, ob sie ihr die Lage etwas erleichtern dürfte, lehnte Julia stets ab. »Ich muss das doch üben.« Sie hatte mittlerweile sogar eine Technik gefunden, mit der sie trotz des engen Rockes einigermaßen zügig gehen konnte. Indem sie ihre Füße wie ein Model auf dem Catwalk voreinander stellte, konnte sie die durch den Rock vorgegebene Bewegungsfreiheit maximal ausnutzen und ihre Schrittlänge noch etwas steigern. Dies bedingte jedoch auch einen entsprechenden Hüftschwung, der jedem männlichen Beobachter überaus gefallen hätte, doch glücklicherweise war die Straße praktisch leer.

Nur am Grundstück der Nachbarn, die sie denunziert hatten, wurde Frauke etwas nervös, insbesondere als die Frau extra an den Gartenzaun kam, um das Paar genauer in Augenschein zu nehmen.

Julia gab sich gelassen. Sie hob ihre Hand und damit auch Fraukes Hand hoch und zeigte ihr die Handschelle. »Sie sehen, dass wir uns an die Vereinbarung halten?«

Doch zu ihrer Überraschung bat die Frau das Paar, näher zu kommen. »Mein Mann muss das nicht hören.«

Julia und Frauke blickten die Frau verwundert an.

»Was ist das für ein Material, das sie da so elegant tragen?« Ihre Stimme war etwas leiser, als sie sich nach Julias Kleidung erkundigte.

»Das ist Lack, und innen gefüttert mich Seide.« Julia war sehr überrascht über den Verlauf des Gesprächs. »Es trägt sich sehr angenehm.«

»Schade, zu meiner Zeit gab es so etwas nicht.« Sie seufzte. »Und selbst wenn, hätten es mir meine Eltern nie erlaubt.« Sie hob langsam ihre Hand und näherte sich Julias Gesicht. Als die Studentin nicht zurückwich, streichelte sie ihr zärtlich über die Wange. »Sie sind ein sehr mutiges Mädchen.«

Julia musste schlucken, bevor sie sich bedanken konnte.

* * *

»Hast du deine Tasche schon gepackt?« Frau Vogel betrat das Zimmer ihrer Tochter Patricia.

»Eigentlich schon, aber vielleicht sollte ich noch etwas zusätzlich einpacken?« Patricia zeigte auf die Tasche, die schon gut gefüllt, aber noch offen auf ihrem Bett lag.

»Handschuh? Perlennetz?« Die Mutter zählte auf. »Deine Ballettstiefel?«

»Ich habe alles, was ich trainieren möchte.« Doch dann wurde sie nachdenklich. »Warum haben Hegels mich eigentlich eingeladen?« Der Kontakt zu ihnen beschränkte sich bisher auf einzelne Begegnungen im Zusammenhang mit der Kirche.

»Du sollst Julia auf dem Weg zum Engel helfen und ihr beistehen.« Frau Vogel gab wieder, was sie mit Hegels abgesprochen hatte. »Sie wird bestimmt einige Fragen haben. Du kannst ihr alles sagen, was du weißt.«

»Wirklich alles?« Patricia runzelte die Stirn.

»Wirklich alles.« Die Mutter lächelte. Sie ließ durchschimmern, dass sie mehr über ihre Tochter wusste, als dieser recht war. »Das Nachthemd solltest du auf jeden Fall mitnehmen.« Frau Vogel zeigte auf das Bett, auf dem noch die seidige Hülle lag.

»Wenn es doch nur ein Nachthemd wäre.« Sie seufzte. »Es ist ein Gefängnis, wenn auch aus weicher Seide.« Sie sprach es nicht aus, doch es wurde auch so deutlich, dass sie trotz allem bereit war, seit jenem Ereignis jede Nacht auf diese Weise zu übernachten.

»Hat er es schon einmal gesehen?« Frau Vogel musste den Namen von Patricias heimlichen Freund nicht erwähnen.

»Wie denn?« Patricia wurde traurig. »Er darf doch nicht.« Sie verdrehte vor Traurigkeit die Augen. Ihr Vater hätte es nie erlaubt, dass ihr Freund neben ihr im Bett die Nacht verbringen würde. Mehr wäre aufgrund ihrer stählernen Unterwäsche ohnehin nicht möglich gewesen, doch das spielte in seinen Augen gar keine Rolle.

Die Mutter lächelte hintergründig, doch noch verriet sie nichts von ihrem kleinen Plan.

* * *

Frauke war noch dabei, die Tür von Julias Zimmer zu schließen, als Julia schon ihre Jacke ausgezogen hatte und sich jetzt aufmachte, das Pferd zu besteigen. Die Handschellen hatte ihnen Frau Hegel schon abgenommen.

Frauke war über den Eifer mehr als erstaunt.

Julia lächelte verlegen. »Ich möchte noch ein wenig lernen.«

»Du solltest dir den Rock öffnen«, grinste Frauke. »Damit kommst du leichter auf das Pferd.«

Julia musste trotz ihrer Anspannung lachen. »Du hast recht.« Sie beugte sich herab und begann, den Reißverschluss des inneren Rockes aufzuziehen. Doch dann hielt sie inne. »Darf ich mir den überhaupt selbst öffnen?«

In diesem Moment war Frauke amüsiert. »Du könntest um Erlaubnis fragen.«

Julia gefiel der Gedanke sehr, auch wenn sie keine Ahnung hatte, wohin sie das Spiel führen würde. »Herrin, würden sie mir den Rock öffnen, damit ich auf das Pferd steigen kann?«

»Ich erfülle dir den Wunsch nur, wenn du mir auch etwas versprichst.« Ihr Tonfall hatte sich etwas verändert. »Bitte nenne mich nicht ‚Herrin‘…« Sie streichelte Julia liebevoll durch das Gesicht. »Ich möchte deine Freundin sein, und du kannst auch so vor mir Respekt haben.«

»Entschuldige bitte, Frauke.« Julia war jetzt noch verlegener. »Bitte würdest du mir den Rock öffnen und mich dann auf dem Pferd festschnallen? Ich habe Angst, dass ich sonst herunterfalle.«

»Mein tapferer Engel. Ich werde dich immer unterstützen.« Sie beugte sich herab und befreite Julias Beine von der Enge des Rockes.

Und kaum, dass Julia auf dem Sattel saß, griff Frauke zu ihren Beinen und schnallte sich an der Stange fest. »Damit du dich gar nicht erst an zu viel Freiheit gewöhnst.«

Julia hatte auf einmal eine sehr verträumte Stimme. »Du darfst mich immer und ganz gefangen nehmen.«

* * *

»Hier bist du.« Frau Hegel fand ihren Mann in seinem Arbeitszimmer. »Ich wollte dich über die Pläne für das Wochenende informieren.«

»Was liegt denn an?« Herr Hegel blickte etwas verwundert von seinem Buch auf.

»Die Tochter von Vogels wird uns besuchen.« Frau Hegel holte tief Luft. »Und sie bleibt das ganze Wochenende.«

»Was bezweckst du damit?« Er war sich wegen der Pläne seiner Frau noch nicht im Klaren.

»Patricia kann uns helfen, Julia auf die Prüfungen vorzubereiten.« Sie legte ihm die Hand auf die Schulter. »Vorausgesetzt natürlich, es stört dich nicht, dass zwei Mädchen mit Kopfgeschirr und Monohandschuh im und um das Haus herum laufen.«

»Im Gegenteil.« Er lächelte. »Ich freue mich sehr über den Anblick.« Doch dann wurde er nachdenklich. »Weiß Frau Wiesl Bescheid?«

Seine Frau nickte. »Du hast recht, ich werde sie auf jeden Fall noch einweihen.«

»Du solltest sie oft einbinden.« Er blickte kurz auf das Buch, welches vor ihm lag. »Ich fürchte, dass sie sonst eifersüchtig werden könnte.« Es wurde deutlich, dass er über Julia mehr wusste, als es für einen Professor und seine Studentin üblich war.

»Ein wichtiger Aspekt.« Sie dachte kurz nach. »Ich glaube, sie könnte uns außerdem noch auch bei einem anderen Aspekt helfen.«

»Ich weiß zwar nicht, was du meinst, aber du scheinst es schon gut durchdacht zu haben.« Es war ihm am liebsten, wenn er gar nicht erst in die Pläne seiner Frau eingeweiht war. Ausnahme war lediglich alles, was die Engel betraf. Und er vertraute ihr.

* * *

»Das war ja klar.« Jasmin blickte ein wenig besorgt auf ihre Schwester, die noch in den Manschetten am Reck hing, aber offensichtlich gleich nach dem Zuschnüren des sehr strengen Korsetts in eine Ohnmacht gefallen war.

»Alles andere hätte mich auch gewundert.« Die Schneiderin gab sich gelassen. »Es ist ganz normal, wenn sie das erste Mal die Strenge des Korsetts spüren.«

Jasmin brauchte einen Moment, bis sie die ganze Situation erkannt hatte. »Wird das bei jedem Anziehen passieren?«

»Ich denke nicht. Die meisten Frauen gewöhnen sich sehr schnell an die Enge und die veränderte Atmung.« Die Schneiderin holte ein kleines Fläschchen aus ihrer Tasche. »Ich hatte ihnen dazu doch auch eine Broschüre zugesandt.«

»Ach ja, richtig.« Jasmin erinnerte sich an die Schreiben sowie die darin enthaltenen verschiedenen Empfehlungen, doch sie hatte nicht gedacht, dass diese so wichtig sein würden. »Wollen wir sie nicht erst von dem Reck befreien?«

Doch die Schneiderin widersprach. »Es ist besser, wenn sie noch ein paar Augenblicke in dieser Haltung verbleibt, bis sie wieder zu sich gekommen ist. Außerdem muss sie auch noch den Rock und die Stiefel anziehen.«



»Hervorragend.« Tara keuchte deutlich hörbar. »Genau so hatte ich mir das vorgestellt.« Sie war inzwischen von selbst aus ihrer kurzen Ohnmacht erwacht. »Aber danke, dass du dich so um mich sorgst.« Sie funkelte ihre Schwester an.

»Schön, dass du wieder da bist.« Jasmin blickte kurz zur Schneiderin. »Wir haben uns schon Sorgen gemacht.«

»Was kommt jetzt?« Tara warf einen diskreten Blick auf den Tisch, auf dem noch einige Gegenstände lagen.

»Jetzt wären doch die Ballettstiefel an der Reihe.« Jasmin drängte auf die besonderen Stiefel – sie hatte bemerkt, dass Tara bei den regelmäßigen vorbereitenden Übungen immer noch sehr wackelig auf diesen Stiefeln war.

Die Schneiderin hat deutlich gemacht, dass nur diese Ballettstiefel die passenden Beinkleider für diesen engen Rock wären.

Auch Jasmin drängte sie zu diesen Stiefeln, wenn gleich auch aus anderen Motiven. Sie ahnte, dass Tara dann langsamer unterwegs sein würde – etwas, das ihr sehr zu gute kam.

Die Schneiderin hatte es ihr gleich bei der ersten Besprechung angedeutet. »Bei so einem engen Rock können sie die Füße gar nicht voreinander stellen, so wie es die Models auf dem Catwalk machen.«

»Stimmt, die Füße sind viel zu lang dafür.« Tara hatte die Argumentation nachvollziehen können. »Was empfehlen sie mir stattdessen?«

»Ballettstiefel.« Die Schneiderin holte tief Luft. »Einer meiner Bekannten fertigt die auf Wunsch an.« Sie wagte dies nur deswegen vorzuschlagen, weil sie von Taras Finanzierung durch ihrem Vater wusste. Dadurch, dass die Stiefel einzeln angefertigt wurden, waren sie auch entsprechend teuer.

»Und was sind Ballettstiefel?« Tara hatte in der Kindheit gelegentlich Ballettunterricht bekommen, doch interessiert hatte es sie nie.

Die Schneiderin hatte ein Foto dabei gehabt. »Schauen sie bitte hier.«

Tara hatte sich das Foto lange betrachtet. Weniger wegen der Stiefel, sondern mehr wegen der ungewöhnlichen Körperhaltung, die sich dadurch ergab. Unbewusste hatte sie sich über die Lippen geleckt.



»Wollen wir dann mit den Stiefeln weiter machen?« Die Schneiderin war ein wenig nervös, denn sie hatte jetzt die richtigen Stiefel dabei. Tara hatte dieses Exemplar noch nicht getragen, aber der Schuster hatte ihr versichert, dass sie ganz sicher passen würden. Schließlich war die einzige Änderung, dass in diesem Paar jetzt auch noch seitlich ein paar Stahlstangen eingezogen waren, die dem Fuß zusätzlich halt geben würden.

Tara seufzte, denn sie erinnerte sich noch sehr gut an den Muskelkater, den sie nach den ersten Gehversuchen bekommen hatte. Dabei lag das aber weniger an den Stiefeln, sondern daran, dass sie Jasmin gebeten hatte, ihr die Beine mit einigen Gummibändern zusammen zu binden. Schließlich lächelte sie. »Gehen wir es an.«
271. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 9 - Veränderungen - Teil Fünf von Elf

geschrieben von Dark Marvin am 15.07.20 21:38

Wieder eine gelungene Fortsetzung. Ich habe das Gefühl, dass Tara unsere Frau Sommer bald kennenlernen wird. Ich bin nur noch nicht sicher, was du mit ihr vorhast. Offenbar ist die Engelausbildung ja so eine Art Vorbereitungskurs für die Bekannten von Tara. Kann mir vorstellen, dass sie zu Taras Dienerin ausgebildet wird. Oder zu ihrer Freundin. Oder Co-Ehefrau? Oder auch Ersatzfrau für Taras Verlobten. Ist auf jeden Fall spannend und freue mich auf den nächsten Teil.
272. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 10 Besuche - Teil Fünf von Zwölf

geschrieben von gag_coll am 18.07.20 10:08

Der Mantel der Studentin
Kapitel 10 Besuche - Teil Fünf von Zwölf
Autor: Karl Kollar

»Können wir dann weiter machen?« Tara blickte geradezu hypnotisiert auf das Sofa, auf dem der Unterrock in Form einen engen Schlauches darauf wartete, ihre Beine zu umhüllen.

Jasmin griff zum Hocker, um ihn Tara hinzustellen, doch sie wurde sofort von der Schneiderin unterbrochen. »Es wäre bestimmt einfacher, wenn sie gleich an dem Reck verbleiben.«

Die Schneiderin war Taras Blick gefolgt und griff zu dem von ihrer Kundin fixierten Unterrock. Sie war selbst sehr gespannt, wie er passen würde. Sie hatte zwar schon oft strenge Korsetts angefertigt, und die Kundinnen waren auch stets zufrieden, doch so einen strengen Rock wollte bisher noch keine haben.

Bei den Vorbesprechungen wollte Tara noch über die ganze Länge des Rocks auch Korsettstangen eingearbeitet haben, doch die Schneiderin konnte sie mit etwas Mühe davon überzeugen, dass ein gewisses Maß an Gelenkigkeit die mögliche Tragedauer insgesamt sehr erhöhen wurde. Entgegen Taras Wunsch hatte sie statt einer durchgehende Schnürung sehr starke Gummizüge empfohlen, die in dem doppelwandigen Stoff eingearbeitet waren. An der Stelle auf Taillenhöhe, an der üblicherweise ein Reißverschluss saß, musste eine Naht zugenäht werden, dies hatte Tara sich ausdrücklich so gewünscht.

»Das ist doch viel zu eng.« Jasmin keuchte, als sie versuchte, zumindest ein Bein ihrer Schwester in die lange und enge Rockröhre zu bekommen. »Und dabei ist das erst ein Bein.«

»So geht das auch nicht.« Die Schneiderin holte ein sehr seltsam aussehendes kleines Metallgestell aus ihrer Tasche, das offenbar mit mehreren Gelenken zusammengefaltet war. »Sie brauchen auf jeden Fall diese Anzieh-Hilfe.«

Jasmin warf einen Blick auf den seltsamen Gegenstand, doch noch konnte sie nicht erkennen, wie er zu benutzen war. »Was ist denn das?«

»Schau bitte ganz genau hin.« Tara keuchte schon wieder leicht. »Ich will das Kleid oft tragen.«

»Sie müssen den Rock mit den unter diesen Rüschen versteckten Schlaufen über diese vier Stangen schieben«, sagte die Schneiderin, während sie vier Stangen von etwa 40 cm Länge zur Hand nahm, die in der Mitte offenbar jeweils aus zwei Teilen in eine Hülse zusammengesteckt waren, die wiederum mit einer Öse in der Mitte versehen war. »Sie trennen die Stangen in der Mitte, dann schieben sie sie in Hüfthöhe des Rocks jeweils nach oben und unten in die Schlaufen im Rock, unter den Rüschen. Dabei raffen sie den Rock von oben und von unten komplett über die Stangen, wie eine Strumpfhose beim Anziehen.«

Sie entfaltete das beiliegende Gestell zu einem Quadrat, das ein Stück weiter als Taras Hüften war und in den Ecken kleine Rollen besaß, über die vier dünne Stahlseile vom Inneren des Gestells zu vier Haken führten, währen die anderen Enden offenbar in einem Kasten an einer Seite endeten, welcher außen mit einer kleinen Kurbel versehen war. »Dann hängen sie die vier Haken dieses Gestells in die Ösen der Stangen ein und kurbeln hier an der kleinen Seilwinde. So lange, bis der Rock so weit auseinander gezogen ist, dass sie ihn bis über die Hüften ihrer Schwester bekommen, wenn sie sie in das Gestell mit dem Rock steigen lassen oder so lange sie am Reck hängt, ihr das Gestell mit dem Rock von unten über die Füße und dann über die Hüften ziehen können. Dann lösen sie die Seile, entfernen das Gestell und ziehen den Rock von den Stangen herunter nach oben zur Taille und nach unten zu den Füßen. Wenn sie dann die Verbindung der Stangen in der Mitte lösen, können sie die Teile aus den Rockschlaufen herausziehen.«

»Dann bin ich ja wirklich in dem Rock gefangen.« Taras Augen leuchteten, und ihre Stimme zeigte ihre Faszination.

»Nicht ganz.« Die Schneiderin musste widersprechen. »Das Ausziehen geht zur Not auch ohne das Gerät.«

»Schade.« Tara grinste ein wenig. Eigentlich hatten sie das alles schon mehrmals besprochen, doch sie liebte es, alle Details noch einmal vor Augen geführt zu bekommen, während sie diesen ultrastrengen Rock angezogen bekam.

»Wenn es sie beruhigt – die Gummizüge sind so stark, dass es sehr schwer wäre, den Rock ohne das Gestell über ihre Hüften herunterzuziehen. Besser geht es, die Stangen im oberen Bereich einzufädeln und den Rock so weit zu weiten, dass er über ihre Hüften gezogen werden kann.«

Tara lächelte selig.

»Wenn sie soweit sind, dann könnten wir dann weiter machen?« Die Schneiderin griff ein weiteres Mal in ihre Tasche und holte einige längere Seile heraus. »Wir müssen den Rock noch bis zu ihrer Taille nach oben ziehen.«

Wieder wurden kleine Karabiner in den oberen Rocksaum eingehängt, und danach warf die Schneiderin die Seile über die Reckstange. »Jetzt können wir den Rock langsam nach oben ziehen.«

Tara leckte sich die Lippen. »Dann könnte ich mir den Rock auch selbst anziehen?« Auf der einen Seite wusste sie, dass sie sich voll und ganz auf ihre Schwester verlassen konnte, doch andererseits liebte sie auch ihre Selbstständigkeit.

»Prinzipiell schon.« Die Schneiderin zeigte auf eine bestimmte Stelle am Rocksaum. »Allerdings muss er dann noch zugenäht werden, ein Reißverschluss ist hier nicht eingearbeitet.«

»Ich verstehe«, lächelte Jasmin. »Und das Ausziehen geht dann anders herum?«

»Wieso denkst du jetzt schon an das Ausziehen?« Tara keuchte. »Ich bin noch nicht einmal mit dem Anziehen fertig.«

Jasmin verdrehte die Augen. »Meinst du, ich will dass du da ewig drin steckst?

»Onkel Herbert hat versichert, dass bis zu zwei Tagen problemlos möglich wären.« Taras Augen leuchteten schon wieder.

Jasmin seufzte. »Und ich muss dich dann überall hin schieben.«

»Ich gehe schon selbst.« Ein wenig verletzter Stolz war zu hören.

»Wie denn, mit diesem Rock? »Jasmin war der Meinung, dass ihre Schwester sich überschätzte.

»Ich werde es dir beweisen.« Tara gab sich sehr zuversichtlich.



Es dauerte einige Zeit, bis die Schneiderin und Jasmin das Kleid über die Beine auf Taras Körper gezogen hatten. Sie hatten sehr viel Mühe damit, und Tara stellte erfreut fest, dass die Gummizüge doch wie gewünscht sehr stark waren.

Sie wurden von der Dienerin unterbrochen. »Ich wollte nur daran erinnern, dass der von ihnen beauftragte Detektiv in fünfzehn Minuten da sein wird.«

Jasmin blickte die Schneiderin erschrocken an. »Schaffen wir das?«

Die Schneiderin verneinte. »Völlig unmöglich. Bis dahin haben wir noch nicht einmal das Oberteil richtig angelegt, geschweige denn zugenäht.«

Tara musste nicht lange überlegen. »Dann ist er eben der Erste, der das Kleid zu sehen bekommt.«

»Aber Tara, bist du sicher?« Jasmin war von dem Eifer ihrer Schwester nicht begeistert. »Was soll er denken, wenn du dich ihm so völlig hilflos präsentiert?«

»Das ist mir so was von gleichgültig.« Sie drehte sich zur Schneiderin. »Machen sie bitte weiter und schließen bitte die zweite Lage. Ich bin sehr neugierig auf die Armtaschen.« Ihre Füße angelten nach dem Hocker, den Jasmin ihr sofort wieder unter ihre Füße schob. Kurz darauf stand sie wieder auf ihren Beinen und versuchte, das Gleichgewicht wieder zu gewinnen. »Bisher fühlt es sich an wie gewünscht. Und der Stoff ist auch wirklich belastbar?«

»Das ist der gleiche Stoff wie bei den Fallschirmen der Armee.« Die Schneiderin machte eine bedeutsame Pause. »Absolut reißfest, und nur anders eingefärbt.«

»Ich wusste, dass ich mich auf sie verlassen kann.« Tara versuchte ein paar Bewegungen in ihrer neuen Unterwäsche. »Es fühlt sich an wie gewünscht. Jetzt zeigen sie bitte meiner Schwester, wie das mit dem Oberteil funktioniert. Und dann schließen sie das Kleid.«

»Aber dazu muss ich sie in das Kleid einnähen?« Es wurde deutlich, dass die Schneiderin dies nicht erwartet hatte.

»Sie haben gehört, was meine Schwester gesagt hat. Widerspruch ist ungesund.« Jasmin wurde auf einmal sehr bestimmt. »Zeigen sie mir alles und dann nähen sie das Kleid zu. Schaffen sie das in einer Viertelstunde?«

Die Schneiderin schüttelte bedauernd mit dem Kopf. »Auf keinen Fall.«

»Machen sie es so, wie sie es sich wünscht.« Sie drehte sich von Tara weg. »Wenn sie ihren Willen nicht bekommt, dann wird sie unausstehlich.« Jasmin war zwar oft genervt von ihrer großen Schwester, doch da sie wusste, wie es wirklich um sie bestellt war, stand sie stets an ihrer Seite und versuchte, ihr das Leben so erträglich wie möglich zu machen.

Die Schneiderin seufzte. »Ich versuche mein Bestes.«

»Willst du ihn wirklich so empfangen?« Jasmin blickte zweifelnd auf ihre Schwester. »Du kannst ja dann keinen Finger mehr rühren.«

»Wir haben ihn extra kommen lassen« Tara gab sich kämpferisch. »Jetzt muss ich da auch durch.«

Eigentlich hatte ihre Mutter sie dazu bewegt, sich über die Konkurrentinnen zu informieren. Ihr selbst wäre es vielleicht egal gewesen. Sie war so von sich überzeugt, dass sie es auch ohne diese Hilfe geschafft hätte. Doch den Ehrgeiz ihrer Mutter hatte selbst sie nichts in den Weg zusetzen, deswegen hatte sie sich mit dem ganzen Vorhaben einverstanden erklärt.

* * *

Frau Hegel fand ihre Dienerin in der Waschküche, wo sie sich mit der frisch gewaschenen Wäsche befasste. »Frau Wiesl, hätten sie einen Moment Zeit für mich?«

Frauke legte das Wäschestück, dass sie gerade in der Hand hielt, in den Wäschekorb, der vor ihr stand. »Natürlich.«

»Sie empfinden ganz gewisse Gefühle für Frau Sommer?« Die Frau des Professors wollte die Dienerin hier bewusst überrumpeln.

Frauke wurde wie erwartet verlegen. »Ich glaube schon.« Sofort kam so etwas wie ein schlechtes Gewissen durch, vor allem natürlich wegen ihrer Vergangenheit und ihrem aktuell offiziellen Status als Strafgefangene.

Frau Hegel sprach im gleichen ruhigen Tonfall weiter. »Aus unserer Sicht können und dürfen sie sich ihrer Gefühle sicher sein, und ich möchte, dass sie sich auch weiterhin so liebevoll um Julia kümmern.«

»Aber?« Frauke hatte eine Ahnung, dass die eigentliche Mitteilung noch nicht zu Ende war.

»Heute wird uns ein anderes Mädchen besuchen – sie kennen sie schon, Patricia Vogel.« Frau Hegel holte tief Luft. »Sie wird das ganze Wochenende bleiben.«

»Das ist doch schön.« Frauke hatte offensichtlich noch nicht erkannt, was dies auch bedeutete.

»Sie wird einen sehr engen Kontakt zu Frau Sommer haben, und dieser wird ihnen scheinbar oft Grund zur Eifersucht geben.« Sie machte eine bedeutsame Pause. »Lassen sie mich ihnen aber versichern, dass all diese engen Kontakte und eventuelle Berührungen nur den Zweck haben, beide Mädchen auf ihre Zukunft als Engel vorzubereiten.«

Frauke hielt kurz die Luft an. »Danke, dass sie mir das vorher sagen.«

»Es gibt für sie keinen Grund zur Eifersucht, selbst, wenn Patricia im Bett neben Julia übernachten wird.« Diesen besonders heiklen Aspekt wollte sie unbedingt angesprochen haben.

Frauke schluckte. Mit einer Antwort hatte sie Schwierigkeiten.

»Beide Mädchen werden das Nachthemd tragen, das sie schon kennen.« Sie hoffte, dass sie die Stimmung von Frauke richtig deutete. »Sie sind damit sehr hilflos, und ich hoffe sehr, dass sie dies nicht ausnutzen werden.« Wieder machte sie eine Pause. »Ich würde mich nämlich sehr freuen, wenn sie diese beiden Nächte jeweils in Julias Zimmer auf dem Gästebett übernachten, so dass die Mädchen nie allein sind.«

»Ich habe Julia gern in den Schlaf gestreichelt, vielleicht darf ich das auch bei Frau Vogel?« Frauke hatte sich offensichtlich mit der ungewohnten Situation abgefunden.

»Fragen sie sie.« Frau Hegel lächelte verschmitzt. »Ich könnte mir aber denken, dass sie lieber von jemand anders in den Schlaf gestreichelt werden möchte.«

Frauke runzelte die Stirn. »An wen hatten sie dabei gedacht?« Ihren eigentlichen Verdacht wagte sie aber nicht auszusprechen.

»Ich verfolge noch einen anderen Plan, und bei dem könnten sie mir vielleicht auch helfen.« Sie blickte kurz zum Kellerfenster.

»Gern, Frau Hegel.« Frauke freute sich über das Vertrauen. »Was soll ich machen?«

»Ich habe für das Wochenende einen ganz bestimmten Gärtner bestellt.« Das Grinsen war deutlich im Gesicht von Frau Hegel zu sehen. »Seien sie bitte freundlich zu ihm, und falls er etwas benötigt, dann unterstützen sie ihn.«

Frauke hatte die Zusammenhänge noch nicht erkannt. »Aber sicher, ich werde ihm alles bringen, was er verlangt.«

»Er wird sicher auch ins Haus wollen.« Frau Hegel hatte diesen Satz mit einer besonderen Betonung ausgesprochenen.

»Da steckt doch mehr dahinter.« Frauke erschrak, als sie erkannte, dass sie gerade ihre Gedanken ausgesprochen hatte.

»Sie haben recht, da steckt wirklich mehr dahinter.« Frau Hegel legte ihre Hand auf die Schulter von Frauke. »Kommen sie bitte mit in die Küche, ich erkläre es ihnen unterwegs.«

* * *

Dass der Wagen des Konsulats zum Stehen gekommen war, hatte Hans so gut wie nicht bemerkt. Fast hätte er dem Chauffeur ein Kompliment gemacht wegen seiner sanften Fahrweise, doch dann nahm er doch Abstand davon.

Auf einmal wurde die Tür geöffnet und eine freundliche junge Stimme begrüßte ihn. »Herzlich willkommen im Konsulat, meine Schwester Tara erwartet sie.«

Er stieg aus und blickte sich um. Sofort fiel ihm die außergewöhnliche Architektur des Konsulats ins Auge. Obwohl er sehr neugierig auf seine Klientin war, blieb er einen Moment stehen. Und während er das Äußere der Villa betrachtete, ging ihm die Beschreibung wieder durch den Kopf, die Susi für ihn recherchiert hatte.


Zitat

Villa Dyes in Hildesheim
Die Villa Dyes am Weinberg steht auf einem Gelände von etwa 30.000 qm, das seit dem 12. Jahrhundert von den Benediktiner-Mönchen des Godehardiklosters bewirtschaftet wurde. Im Zuge der Säkularisation wurde das Godehardikloster aufgelöst und die Klosterkammer vergab das Grundstück in Erbpacht an Gerhard Gottfried Dyes. Seine Witwe Johanne Charlotte erwarb das Gelände 1843 durch Kauf. Zunächst baute man das „Gartenhaus am Teich“. Dort wohnte später die Witwe des Friedrich Gottfried Dyes.

Der Erbauer Friedrich Gottfried, genannt Louis, lebte zunächst in Bremen, und die Villa diente nur als Sommersitz der Familie. Erst im Todesjahr seiner Frau Conradine im Jahre 1891 siedelte Louis ganz nach Hildesheim über.

Louis Dyes hatte die großbürgerliche Villa 1881 auf der Höhe seiner kaufmännischen erfolge erbauen lassen. Als Architekten konnte er den damals 34jährigen Gustav Schwartz, einem Schüler C.W. Hases, gewinnen. Als Vertreter des Historismus verfügte Schwartz über die vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten der verschiedenen Baustile.

Der massive Baukörper aus Muschelkalk hat einen Sandsteinsockel. Die Türen- und Fensterstürze, Balustraden und Gesimse sind ebenfalls aus diesem Baustoff. Durch Türme, Zinnen, Erker und Balkone erhält der Bau seinen schlossartigen Charakter.

An der Frontseite im Osten erkennt man noch die halbkreisförmige Auffahrt vor dem Hauptportal mit Stufen und zwei flankierenden Laternen. Im Norden fällt ein runder Treppenturm ins Auge. Im Westen, an der Parkseite des Hauses, gibt es eine Veranda zwischen dem Rundturm und dem charakteristischen achteckigen „Dornröschenturm“.

Im Süden schließt sich der großen Terrasse die Orangerie an. Durch sie erreicht man über einen erhöhten Laufsteg das Gästehaus, das sogenannte „Schweizerhaus“. Es bildet durch seinen Schweizer Charakter den gewünschten Kontrast zum schlossartigen Haupthaus.

Das Gebäudeinnere überrascht mit einem neugotischen Kreuzgewölbe im ehemaligen Entree und Salon. Hochmodern, im Sinne der Erbauerzeit, war die ungewöhnliche Transparenz dieser Räume. Sie entstand durch Türen aus Eisenguss mit gotisierendem Maßwerk in Verbindung mit ornamentiertem Glas.

Im Parterre befinden sich, außer dem Salon, parallel dazu zwei weitere große repräsentative Räume: der holzgetäfelte Speisesaal und das Gartenzimmer. Intimere Räume sind in den Turmbauten das Herren- und das Damenzimmer. Auffallend im Erdgeschoss ist das Fehlen jeglicher Korridore.

In allen Räumen gab es Kamine, die mit Gas beheizt wurden. Die Räume des Erdgeschosses haben die enorme Höhe von 4,96m. Im 1. Obergeschoss waren Schlaf- und Ankleideräume und Kinderzimmer. Im Dachgeschoss schlief das Personal, das über eine eiserne Wendeltreppe nach oben und zu Küche und Wirtschaftsräume in den Keller gelangen konnte.

Der Park wurde von dem Gartenbaubetrieb Eilers, die auch den Park des Senators Hermann Roemer an der Schützenwiese errichteten, im englischen Stil angelegt. Ursprünglich ermöglichte eine breite Sichtschneise den Blick vom Haus nach Westen. Über drei Hangterrassen hinweg sah man den Mühlengraben und das Innerstetal. Heute ist leider alles zugewachsen.

(Anmerkung des Autors: Quelle dieses Textschnipsels: Hildesheimer Geschichte(n) von 815 – 1945)



»Gefällt ihnen unser Märchenschloss?« Eine junge Dame in Jeans und T-Shirt reichte Hans die Hand. »Ich bin Jasmin Winthrop, und ich bringe sie in den Salon, wo sie meine Schwester treffen werden.« Sie verdrehte die Augen. »Im Moment ist aber noch die Schneiderin bei ihr.« Sie drehte sich um und ging langsam voran in die wirklich repräsentative Villa. Hans folgte dem jungen Mädchen wortlos.

* * *

»Was hast du vor?« Herrn Vogel war aufgefallen, dass seine Tochter Patricia ihre kleine Reisetasche gepackt hatte.

Doch seine Frau antwortete für die Tochter. »Sie geht heute zu Hegels.«

»Und warum?« Herr Vogel runzelte die Stirn.

»Hegels haben ein Mädchen, das auch ein Engel werden möchte.« Frau Vogel machte eine bedeutsame Pause. »Ich bin mir sicher, dass sie sich bestimmt viel über die Zukunft austauschen wollen.«

»Mein kleines Mädchen.« Er streichelte seiner Tochter kurz über den Kopf, obwohl er wusste, dass sie diese Geste eigentlich nicht mochte. »Ich bin sehr stolz auf dich.« Doch dann stutzte er. »Und dein Konzert?«

»Da gehe ich natürlich auch hin.« Patricia gab sich stolz.

»Mute dir aber nicht zu viel vor.« Er wiederholte seine Geste.

»Keine Sorge, Papa.« Patricia lächelte. »Wir werden es gemütlich angehen.« Noch wusste sie allerdings nicht, wer auch bei Hegels sein würde.

»Ziehe dir aber bitte noch etwas über.« Er freute ihn sehr, mit welcher Begeisterung seine Tochter auf dem Weg zum Engel unterwegs war, doch genauso sorgte er sich um das Ansehen seiner Tochter im Ort.

»Keine Sorge.« Patricia lächelte. »Ich ziehe den leichten Sommermantel darüber. Von der Engelskleidung wird man nichts sehen.« Sie war es gewohnt, die außergewöhnliche Lackkleidung zu tragen, auch wenn sie ihr selbst nicht so viel bedeutete. Doch sie wusste, welche Wirkung sie damit auf die Männer haben würde, und das genoss sie sehr. Natürlich machte sie es nur, wenn sie auch gleichzeitig ihre Rüstung trug, die sie verlässlich schützte, und die es ihr erlaubte, sehr selbstbewusst aufzutreten.

* * *

Wie üblich ging Frau Hegel ans Telefon, als sie es zusammen mit Frauke in der Küche klingeln hörte. Eine Frau Sommer war am anderen Ende. »Wohnt bei ihnen eine Julia Sommer?«, fragte sie nach einer kurzen sehr nüchternen Begrüßung.

Bei Frau Hegel schrillten sofort die Alarmglocken, sie blickte Frauke mit aufgerissenen Augen an. »Warum möchten sie das wissen?«, fragte sie die Frau an der anderen Leitung.

»Ich bin ihre Mutter«, erklärte sie. »Und ich würde gern wissen, wo sich meine Tochter aufhält.«

Die Frau des Professors war noch nicht zu der gewünschten Auskunft bereit. »Woher haben sie unsere Telefonnummer?«

»Aus dem Telefonbuch«, erklärte Julias Mutter. »Die Adresse hat mir mein Sohn gegeben.«

»Und jetzt möchten sie ihre Tochter sprechen?« Frau Hegel wurde es unheimlich. Sie versuchte weiterhin, sich wegen Julia nicht festzulegen.

»Nein, das weniger.« Die Stimme der Frau ließ eine gewisse Enttäuschung hören. »Sie würde ohnehin nicht mit mir sprechen wollen.«

»Und was wollen sie dann?« Frau Hegel wurde unruhig.

»Wir würden sie gern besuchen und ihnen von unseren Problemen berichten.« Der Ernst des Anliegens war deutlich zu hören.

Frau Hegel war alarmiert. »Das passt uns eigentlich gar nicht.« Der Satz war mehr als ehrlich gemeint.

»Sie müssen uns verstehen. Es geht um die Ehre der Familie.« Sie berichtete von den Arrangements mit der Nachbarfamilie.

»Selbst wenn sie wirklich bei uns wäre, würden wir ihr diesbezüglich keine Vorschriften machen, was sie wann zu tun hat.« Frau Hegel versuchte resolut zu klingen, obwohl sie von ihrem Ablenkungsversuch nicht wirklich überzeugt war.

»Aber sie haben bestimmt Einfluss auf sie, und sie können bewirken, dass sie zu ihren Pflichten steht.« Frau Sommer ließ nicht locker.

»Das wiederum kann ich ihnen versprechen. Ich werde auf sie einwirken und sie an ihre Pflichten erinnern.« Frau Hegel hatte erkannt, was wirklich wichtig war.

Mit der Antwort gab sich Julias Mutter zufrieden. »Wir werden dann morgen bei ihnen vorbei kommen, mein Mann und ich. Ich hoffe, dass wir die Angelegenheit zur Zufriedenheit aller lösen können.«

»Das hoffe ich auch.« Frau Hegel versuchte ruhig zu bleiben, obwohl sie tief aufgewühlt war. Sie leitete die Verabschiedung ein, danach legte sie auf.

»Das klingt nach großen Problemen?« Frauke hatte mit Gespräch atemlos zugehört.

»Das passt uns gar nicht in den Kram.« Frau Hegel wiederholte kurz den Inhalt des Telefonats.

»Sie dürfen uns Julia nicht wegnehmen.« Frauke machte ein verzweifelte Gesicht, doch auf einmal hatte sie eine Idee. »Ich könnte Julia verstecken.«

»In ihrem Geheimversteck?« Frau Hegel lächelte. »Das wäre gut.«

»Sie wissen davon?« Frauke bereute es, dass sie ungewollt eines ihrer Geheimnisse verraten hatte, doch wenn sie so Julia und Hegels helfen könnte, war das wohl den Preis wert.

»Ich kenne das Haus schon lange.« Sie lächelte verschwörerisch. »Ich habe nur nicht alle Zugänge gefunden.«

»Warum haben sie mich nicht verraten?« Erst jetzt erkannte Frauke, was sie wirklich an Frau Hegel zu haben schien.

»Das möchte ich nicht unbedingt sagen.« Frau Hegel gab sich verlegen.

Frauke war überrascht, weil sie eine ganz neue Seite an ihrer Aufpasserin kennenlernte. »Und sie möchten, dass wir uns dort verstecken?«

»Ich möchte verhindern, dass sie Julia mit Gewalt mitnehmen.« Sie wurde nachdenklich. »Dann geben wir lieber vor, dass sie nicht da ist.«

»Und wenn Patricia für sie in dem Zimmer wäre?« Frauke sprach ihre Gedanken aus. »Und insgesamt vorgibt, sie zu sein?«

»Das könnte vielleicht funktionieren.« Frau Hegel griff die Idee auf. »Wir könnten dann vielleicht argumentieren, dass der Sohn sich verschaut haben müsste.«

»Aber wirklich los werden wir sie damit vermutlich nicht.« Frauke äußerte ihre Zweifel.

»Das ist richtig«, seufzte Frau Hegel. »Aber wir gewinnen damit vielleicht etwas Zeit.«
273. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 10 Besuche - Teil Sechs von Zwölf

geschrieben von gag_coll am 25.07.20 11:07

Der Mantel der Studentin
Kapitel 10 Besuche - Teil Sechs von Zwölf
Autor: Karl Kollar

Das Oberteil von Taras Traumkleid entpuppte sich ebenfalls als ein enger Schlauch, aber bot im Vergleich zum Unterkleid wirklich Platz. Besonders fasziniert war Tara aber von den Ärmeln, eigentlich wären es oberarmlange Handschuhe, oft auch Opernhandschuhe genannt. Doch diese Handschuhe waren fest in das Kleid eingenäht. Innen bildeten sie eine lange Röhre für ihre Arme, und was Tara besonders faszinierte, selbst für jeden ihrer Finger war eine einzelne kleine Hülle vorhanden. Das Kleid nahm ihren Arme wirklich jegliche Bewegungsmöglichkeit. Und natürlich waren auch dort teilweise Gummizüge eingearbeitet, die dafür sorgten, dass der Stoff an fast allen Stellen hauteng anlag.

»Der Detektiv ist eben eingetroffen.« Jasmin betrat das Ankleidezimmer. In ihrer Stimme lag eine gewisse Dringlichkeit.

»Wir sind aber noch nicht fertig.« Die Schneiderin klang in diesem Augenblick etwas genervt. Eigentlich war sie die vielen Launen ihrer besten Kundin gewöhnt, doch heute kam es besonders ungelegen.

»Ich dachte, das Kleid ist schon fertig.« Manchmal merkte Tara, dass sie ihre jeweilige Umgebung wohl vor den Kopf gestoßen hatte, doch meistens war es ihr gleichgültig. »Streng genug wäre es jetzt ja.« Sie versuchte ihre Arme in den eingenähten Handschuhen zu bewegen, doch der Stoff zeigte kaum etwas von ihren Bemühungen.

»Ich bin froh, dass sie das bemerken.« Irgendwie war die Schneiderin erleichtert. »Aber ich habe die Abdeckung der Schnürung noch nicht geschlossen.«

»Wie lange wird das noch dauern?« Tara war sich schon bei der Bestellung bewusst gewesen, dass sie ihr Traumkleid nur zu bestimmten Gelegenheiten anziehen konnte, und das lag nicht nur daran, dass sie darin mehr als hilflos sein würde. Auch die Ankleideprozedur würde viel Zeit in Anspruch nehmen und musste deswegen gut geplant werden.

Mindestens noch eine Viertelstunde.« Die Schneiderin bemühte sich um einen freundlichen Tonfall.

Tara drehte sich mit dem ganzen Körper zu ihrer Schwester. »Kannst du zu ihm gehen und ihm sagen, dass ich noch beim Ankleiden bin? Er soll ein wenig warten.« Sie verdrehte die Augen. »Biete ihm etwas zu trinken an.«

Jasmin machte einen übertriebenen Knicks. »Sehr wohl, Madame.«

»Du kannst ihn etwas unterhalten.« Tara war bewusst, dass diese Verzögerung aus Sicht ihres Landes eine grobe Unhöflichkeit war, doch sie war bereit, dies in Kauf zu nehmen.

Jasmin begann, sich darauf zu freuen. Bedingt durch die Umstände hatte sie nur wenig Kontakte zu fremden Männern.

Die Schneiderin räusperte sich. »Entschuldigen sie bitte, aber wenn sie mir helfen und das Kleid halten, dann geht es auch schneller.«

Jasmin zögerte. »Ich sage ihm kurz Bescheid, und dann komme ich helfen.«

* * *

Dafür, dass Patricia nur das Wochenende bei Hegels verbringen wollte, war ihre Tasche geradezu riesig. Doch sie enthielt neben den wenigen Sachen, die sie für den Aufenthalt brauchte, auch noch die Sachen für das Konzert, welches sie am Samstagabend zu spielen hatte. Deswegen war die Tasche zwar groß, wog aber verhältnismäßig wenig.

Insgeheim freute sie sich sowohl auf das Wochenende bei Hegels, als auch auf die gemeinsame Zeit mit Julia als Paar für die Engelsausbildung. Sie war sich sicher, dass sie beide die Aufnahmeprüfung bestehen würden, auch wenn sie nur ungefähr wusste, was da von ihnen erwartet wurde.

Ein kurzes Hupen riss sie aus ihren Gedanken. Als sie sich umdrehte, sah sie, dass die Schneiderin neben ihr im Auto fuhr und sie grüßte.

Patricia erwiderte den Gruß, dann setze sie ihre Schritte fort. Es war nicht mehr weit bis zu Hegels Haus, und sie wunderte sich, als das Auto der Schneiderin ebenfalls vor dem Haus hielt. Patricia beschleunigte ihre Schritte, und gerade als sie an Hegels Pforte ankam, fuhr auch die Schneiderin auf das Grundstück.

»Wollen sie auch zu Hegels?« Die Schneiderin blickte auf die große Tasche. »Oder wollen sie verreisen?«

Patricia lachte kurz. »Nein, das sieht nur so viel aus. Eigentlich ist in der Tasche kaum etwas drin, wenn man die Musiksachen weglässt.« Doch dann wandelte sich ihr Blick zu einer Frage, die sie jedoch nicht zu stellen wagte.

»Frau Sommer bekommt jetzt auch ihr Engelskorsett, und ich bin heute zur letzten Anprobe da.« Die Schneiderin hatte auch für Vogels Tochter eines anfertigen müssen. »Wie sind sie mit ihrem zufrieden?«

»Oh gut«, Patricia stellte ihre Tasche ab. »Ich habe es aber erst zwei Mal getragen.«

»Verständlich.« Die Schneiderin lächelte wissend. »Es ist ja auch sehr restriktiv.«

»Ja, das stimmt.« Patricia erwiderte das Lächeln. »Aber es fühlt sich schön an.«

»Haben sie wieder etwas zu tragen?« Frau Hegel kam aus dem Haus und begrüßte die beiden Frauen.

Die Schneiderin lächelte. »Nein, heute passt alles in die eine große Tasche.« Sie blickte zur Haustür. »Aber danke der Nachfrage.«

Erst jetzt sah die Frau des Professors, dass auch Vogels Tochter das Grundstück betreten hatten. »Das ist schön, dass sie es einrichten konnten, Patricia.«

»Meine Mutter hat ihnen von dem Konzert erzählt, das ich dieses Wochenende zu spielen habe?« Patricia war es wichtig, wirklich allen Verpflichtungen nachkommen zu können.

»Müssen wir sie fahren?« Frau Hegel gab zu verstehen, dass sie informiert war.

Patricia stutzte kurz. »Ich hatte mich auf einen längeren Spaziergang eingestellt.« Ein leichtes Lächeln glitt über ihr Gesicht. »Aber wenn sie mich fahren und vielleicht auch abholen, dann hätte ich mehr Zeit für Julia.«

»Mit dem Handel bin ich einverstanden.« Frau Hegel reichte ihr die Hand. »Willkommen bei uns.« Sie bat Patricia und die Schneiderin herein.

Patricia überreichte Frau Hegel ein kleines Schlüsselbund. »Bitte heben sie es gut auf. Sie wissen bestimmt, wofür es ist.« Trotzdem zwinkerte sie kurz mit den Augen.

* * *

Auf dem Weg zum Empfangssalon musste Jasmin erneut über das Kleid nachdenken, welches sich ihre Schwester bestellt hatte. Kleid war eigentlich das falsche Wort, denn in Wirklichkeit war es ein tragbares Gefängnis. Es bestand eigentlich nur aus einem doppelten engen Schlauch, der ihren Armen und Beinen nur noch winzigen Bewegungsspielraum ließ.

Doch Tara liebte es so, und auf dieses Kleid hatte sie lange hin gefiebert. Als vor kurzem die Schneiderin angerufen hatte und mitteilte, dass sie endlich den passenden Stoff auch noch in der gewünschten Farbe bekommen hatte, war Tara wie elektrisiert. Mit diesem Kleid würde sie sich eine lange gehegter Traum erfüllen.

Jasmin seufzte. Natürlich wusste sie, dass sie dann die Hauptarbeit haben würde, doch den Preis war sie gern bereit zu zahlen. Ihre Schwester hatte es schon schwer genug, und dieses kleine Opfer war sie gern bereit zu bringen.

Eigentlich war es ihre eigene Idee gewesen, die Ärmel mit in das Kleid zu integrieren, denn sie wusste, dass Tara viel zu gern mit Händen und Füßen redete, wenn sie den Beruhigungsball im Mund trug. Doch in Zukunft würde sie dann ganz auf ihre Schwester angewiesen sein, und darauf freute sich Jasmin sehr.



Der Detektiv stand vor der Bücherwand und schien den Inhalt zu begutachten.

Jasmin räusperte sich, nachdem sie den Salon betreten hatte. »Meine Schwester lässt ausrichten, dass es noch einen Moment dauert.« Sie empfand es bedingt durch ihre Herkunft als Unhöflichkeit, die sie ein wenig bedrückte.

Der Detektiv drehte sich um und blickte Jasmin wortlos an.

»Nehmen sie sich bitte etwas zu trinken.« Sie ging zu einem der Schränke und zeigte ihm die Bar. »Es dauert bestimmt nicht mehr lange.« Gleich darauf verließ sie wieder das Zimmer.

* * *

»Hallo Patricia.« Julia hatte Vogels Tochter sofort wiedererkannt, doch spontan vermisste sie etwas. »Heute ohne Perlennetz unterwegs?« Es platzte einfach aus ihr heraus und zeigte nebenbei die Faszination, die sie für Patricia empfand.

Auch Frauke begrüßte das für sie ebenfalls faszinierende Mädchen, welches sie erst kürzlich beim Spaziergang kennenlernen durfte.

»Oh, ich habe es dabei.« Patricia beugte sich verschwörerisch vor. »Aber es ist doch nicht ratsam, es zu tragen, wenn frau allein durch den Ort geht.«

Julia grinste, denn sie fühlte, wie das Eis sofort gebrochen war. »Ja, das ist einzusehen.« Langsam dämmerte es ihr, dass dieses Wochenende auch für sie sicher ein perlenreiches Wochenende werden würde. »Ich freue mich sehr.« Erst jetzt bemerkte sie die Schneiderin, die ebenfalls das Haus betreten hatte.

* * *

Einen kostenlosen Drink hatte Hans bisher nur selten abgelehnt. Langsam und würdevoll ging er zu dem Schrank, den ihn die Schwester seiner Klientin gezeigt hatte.

Er öffnete langsam die Tür zur Bar und blickte hinein. Er kannte sich bei den Spirituosen zwar nicht gut aus, doch er sah auf den ersten Blick, dass die Bar wirklich gut sortiert war. Neben vielen ihm bekannten Marken sah er auch einige Flaschen, deren Etikett er gar nicht entziffern konnte. Er vermutete dass es wohl Spezialitäten aus Padogenien waren.

Er wollte sich erst einen Whisky einschenken, entschied sich dann aber doch für ein alkoholfreies Getränk. Er ahnte, dass er für die Begegnung mit Tara Winthrop einen klaren Kopf brauchte. Er schenkte sich einen Orangensaft ein, verdünnte ihn noch mit ein wenig Wasser, dann schloss er die Bartür und setzte sich in einen der bereitstehenden Sessel. Der Salon war sehr rustikal eingerichtet, und doch spürte er, dass sich Besucher hier willkommen fühlten konnten.

* * *

»Ich bringe das weiße Korsett zur Anprobe.« Die Schneiderin war sichtlich verunsichert wegen der Anwesenheit von Patricia und Frauke.

»Können wir das nicht verschieben?« Julia blickte ein wenig unschlüssig umher.

Frauke sah es ähnlich, denn auch sie freute sich sehr auf das Wochenende mit Vogels Tochter. »Dafür haben wir doch jetzt gar keine Zeit.«

Die Schneiderin räusperte sich. »Entschuldigung, aber wenn sie es bis nächste Woche brauchen, dann müssen sie es heute probieren.« Sie machte eine bedeutsame Pause. »Mir fehlt sonst die Zeit zum Ändern.«

Frauke bereute ihren vorlauten Einwand, doch zurücknehmen wollte sie ihn auch nicht.

Frau Hegel räusperte sich. »Mir wäre es auch sehr wichtig, dass die Anprobe heute stattfindet.«

»Wenn sie möchten, dann helfe ich ihnen bei der Anprobe.« Patricia stellte ihre Tasche zu Boden. »Das weiße Korsett ist sehr wichtig für die Engel.« Sie hatte die Situation erkannt und hoffte, so eine Brücke bauen zu können.

Julia zögerte noch etwas, doch sagen tat sie nichts.

Die Schneiderin öffnete die Tasche, holte ein dickes weißes Bündel Leder heraus und reichte es Julia.

Julia nahm es in die Hand und rollte es auseinander. »Ein weißes Korsett, tatsächlich...« Sie war sichtlich fasziniert, obwohl es klang, als ob sie es nicht geglaubt hätte.

»Hast du schon einmal farbige Engel gesehen?« Auch Frauke war von dem Anblick fasziniert. »Es strahlt Unschuld aus.«

Julia schüttelte den Kopf. »Engel sind immer weiß.« Doch dann grinste sie. »Ich wusste nur nicht, dass sie ein so strenges Korsett tragen müssen.«

»Tragen dürfen.« Patricia lächelte. »Du weißt wirklich noch nicht viel. Aber dafür bin ich hier.« Sie streckte ihre Hand aus. »Darf ich mal?«

Julia gab ihr das Korsett.

»Es ist sogar kleiner als meines.« Patricia war sichtlich fasziniert. »Aber sehr schwer. Sicher wegen der Korsettstangen.« Es wurde ihr klar, dass sie ihr eigenes Korsett so genau noch gar nicht bewundert hatte. »Sind die Stangen eigentlich Knochen oder Stahl?«

»Weder noch.« Die Schneiderin lächelte. »Es ist eine neue Art von Kunststoff und leichter als die Stahlstangen. Sehr gut geeignet für Korsetts.«

»Und dann wiegt es trotzdem so viel?« Patricia wunderte sich, doch sie gab der Schneiderin das Lederbündel wieder zurück.

»Es ist das Leder, welches so schwer ist. Es sind überall mindestens zwei Lagen.« Die Schneiderin zeigte einen Rand des Korsetts.

Patricias Blick entspannte sich. »Und natürlich auch wegen der Länge. Es reicht vom Kinn bis unterhalb der Hüften.«

Julia zuckte zusammen. »Dann kann ich mich ja nicht mehr hinsetzen.«

»Ja das ist richtig.« Die Schneiderin verteidigte ihre Arbeit. »Aber das wurde auch so bestellt. Nur das Halskorsett ist abnehmbar.«

»Lassen sie uns nach oben gehen.« Frau Hegel ging langsam zur Treppe und vergewisserte sich, dass die anderen ihr folgten.



Genauso schnell, wie sich Julia ausgezogen hatte, wurde sie von Frau Hegel von ihrer besonderen Unterwäsche befreit. Die Schneiderin hatte inzwischen ihre Tasche ausgepackt und stand mit dem Korsett bereit.

Und nicht minder schnell wurde sie von den drei Frauen in das Korsett eingeschnürt. Es ging so schnell, dass sie nicht einmal dazu kam, ihre steigende Erregung wahrzunehmen. Lediglich ihr Keuchen verriet ihre Anspannung. Zu keiner Zeit empfand Julia es negativ, und erst, als sie Fraukes Hände auf dem weißen Leder sah, aber nichts davon spürte, begriff sie, dass die Frauen schon fertig waren.



»Ich bewundere sie.« Die Stimme der Schneiderin strahlte ehrliche Bewunderung aus. »Ich wäre in so einem Korsett völlig hilflos.«

Julia blickte etwas unsicher an sich herunter. »Es ist wichtig für die Engel, vermute ich.«

»Sie müssen in der Lage sein, dieses Korsett tragen zu können.« Frau Hegel wollte Julias Gedanken in die richtige Richtung lenken. »Es ist Teil der Prüfung, die sie ablegen müssen.«

»Ich muss eine Prüfung ablegen?« Julias musste wieder an ihren Albtraum denken.

Patricia kam ihr zu Hilfe. »Es ist nicht so schlimm wie es sich anhört. Es ist halt aufwendig.« Sie blickte zu Frau Hegel und zur Schneiderin. »Wenn sie erlauben, würde ich auch gern beim Ausprobieren helfen.« Sie erinnerte sich noch an den Moment, an dem sie ihr eigenen Korsett bekommen hatte. Ein wenig bedauerte sie Julia, weil diese nur so wenig Zeit hatte, sich an die besondere Strenge des Korsetts zu gewöhnen. Doch da sie wusste, was ihre Mutter von ihr erwartete, war sie bereit, Julia bei diesen Momenten zu unterstützen.

Außerdem wusste sie, dass Julia ihre Partnerin werden würde, und sie war bemüht, viel Vertrauen aufzubauen, denn sie wusste, dass dies wichtig war.

»Und das Korsett gibt es auch noch vom Kinn bis zu den Knöcheln?« Julia keuchte erneut, als sie dies fragte.

»Ich musste oder besser durfte einmal so eines anfertigen.« Die Schneiderin war sichtlich bewegt. »Und ich kann nur sagen, dass die betreffende Dame sehr zufrieden war.«

»Ich fühle Geborgenheit.« Julia wollte ihre Gefühle aussprechen. »Ich weiß, dass mir so nichts passieren kann.«

»Nur weglaufen kannst du nicht mehr.« Frauke war sichtlich fasziniert.

Julia wollte ihrer Freundin das Gegenteil beweisen, doch sie stellte fest, dass sie ihre Beine nur noch sehr eingeschränkt bewegen konnte. Enttäuscht gab sie auf. »Trotzdem, es fühlt sich schön an.«

»Es ist wichtig, dass sie jetzt ganz ehrlich sind.« Die Stimme der Schneiderin wurde auf einmal sehr ernst. »Es ist wichtig, dass sie jetzt wirklich die Wahrheit sagen. Wenn es irgendwo drückt oder zwickt, dann müssen sie es jetzt sagen.«

Bedingt durch die Vorrede musste Julia erst einmal schlucken, bevor sie antworten konnte. »Ich verspreche es.«

»Es ist ganz wichtig«, ergänzte Frau Hegel. »Jetzt können wir noch etwas ändern lassen.«

Julia erkannte, was die Worte bedeuteten. Doch sie musste sich selbst eingestehen, dass die Schneiderin ihr Handwerk wirklich gut verstand. Doch dann dämmerte ihr noch etwas Anderes. So schön, wie sich das Korsett jetzt anfühlte, würde es sich auch in Zukunft anfühlen, wenn sie vielleicht in einer weniger bequemen Lage sein würde. Sie hatte zwar keine Idee, wie es noch strenger werden könnte, doch sie musste eingestehen, dass das Korsett bisher sehr bequem saß.

»Bitte versuchen sie mal eine Kniebeuge.« Die Schneiderin hatte sich einen Notizblock und etwas zu Schreiben in die Hand genommen.

»Das wird nicht gehen.« Julia schüttelte den Kopf.

Patricia hatte bisher schweigend zugeschaut, doch jetzt mischte sie sich ein. »Ein Engel widerspricht nicht. Er macht stets das, wozu er aufgefordert wurde.« Sie holte tief Luft. »Und wenn es demütigend zu sein scheint, dann ist das auch so gewünscht.«

Frau Hegel musste erst einmal Luft holen, bevor sie zu einer Antwort fähig war. So einen Satz hätte sie selbst nicht gesagt, auch wenn er der Wahrheit entsprach.

Julia kam ihr zuvor. »Oh ja, Entschuldung. Das ist alles noch so neu für mich.«

Doch die Schneiderin konnte sie beruhigen. »Es soll sie aber nicht demütigen. Vielmehr möchte ich sehen, wie sich das Korsett verhält, wenn sie es wirklich belasten.«

Jetzt erkannte Julia die Zusammenhänge. »Ja, natürlich.« Sie versuchte eine Kniebeuge, doch sie stellte fest, dass sie sich bedingt durch das lange Korsett nicht mehr viel bewegen konnte. Trotzdem versuchte sie mit aller Kraft, dem Wunsch der Schneiderin nachzukommen.

»Streng dich ruhig an.« Patricia versuchte die Studentin zu ermutigen. »Du kannst dich auf die gute Arbeit verlassen.«

Doch die Schneiderin widersprach. »Noch sind die Nähte nur einfach genährt. Wenn ich fertig bin, sind alle wichtigen Stellen mindestens doppelt genäht, damit das Korsett auch wirklich belastbar ist.«

Frauke hatte bisher atemlos zugesehen, doch jetzt konnte sie ihre Neugier nicht mehr im Zaum halten. »Die Männer wollen das so?«

Frau Hegel war über die Frage nicht verärgert, ganz im Gegenteil, sie lächelte. »Die Männer kennen sich mit dem weiblichen Körper nicht aus. Nein, das sind Erfahrungen von Frauen, die seit vielen Generationen so weiter gegeben werden.«

»Und warum muss es so streng sein?« Frauke war auf der einen Seite fasziniert, andererseits sorgte sie sich um Julia.

»Es erleichtert die richtige Haltung, und verhindert nebenbei auch ungebührliches Benehmen.« Patricia gab wieder, was sie schon von ihrer Mutter erfahren hatte. »Das Korsett ist so streng, dass die Trägerin sich vorher jede Bewegung gut überlegt, damit es keine unnötige Anstrengung ist.«

Julia keuchte trotz ihres Lächeln. »Klingt plausibel.« Sie blickte verliebt zu Frauke, während sie zur zweiten Kniebeuge ausholte.

Frauke erwiderte den Blick sehr fasziniert. »Wenn du dazu noch den Handschuh trägst…« Sie machte einen Kussmund.

Julia verdrehte verliebt die Augen.
274. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 10 Besuche - Teil Sieben von Zwölf

geschrieben von gag_coll am 01.08.20 06:53

Der Mantel der Studentin
Kapitel 10 Besuche - Teil Sieben von Zwölf
Autor: Karl Kollar

Peter Behrens stand vor Hegels Grundstück, weil er sich schon einmal die Arbeit ansehen wollte, die sie von ihm erwarteten. Auch wollte er in Erfahrung bringen, ob er eventuell noch eigene Gartengeräte mitzubringen hatte. Er hatte gerade geklingelt, doch als er sah, wer die Haustür öffnete, erstarrte er.

»Was machst du denn hier?« Patricias Herz begann auf einmal laut zu schlagen.

»Ich soll hier im Garten arbeiten.« Er war noch sehr verwundert. »Und jetzt wollte ich mir ansehen, was zu tun ist.«

Frau Hegel war ebenfalls an die Tür gekommen und begrüßte den Hobbygärtner. »Naja, sie werden doch sicher auch mit uns zu Abend essen wollen.«

Peter realisierte erst nach einer gewissen Zeit, dass sie gerade dabei war, ihm und Patricia eine Brücke zu bauen. »Es ist gar kein Zufall…« Er war ein wenig enttäuscht. »Du hast sie darum gebeten?«

»Sie wusste nichts davon.« Frau Hegel musste Patricia in Schutz nehmen. »Ihre Mutter hat mich darum gebeten.«

»Dann haben sie gar keine Gartenarbeit?« Peter wusste immer noch nicht, was er von der neuen Situation halten sollte.

»Doch schon, das Staudenbeet wollte ich immer schon mal umsetzen.« Sie deutete in eine bestimmte Richtung. »Aber die Arbeit wird sie sicher nicht das ganze Wochenende ausfüllen.«

»Du arbeitest hier?« Patricia begann zu begreifen, dass ihr heimlicher Freund wirklich die Wahrheit gesagt hatte.

»Ich werde für das ganze Wochenende bezahlt.« Peter blickte verliebt zu Patricia. »Dann will ich mich auch nützlich machen.«

»Das höre ich gern.« Frau Hegel griff den Gedanken auf. »Wenn sie mit der Arbeit fertig sind, dann könnten sie Frau Wiesl bei der Betreuung der Engel helfen.«

»Frau Wiesl?« Peter runzelte die Stirn. »Wer ist das?«

»Eine Freundin unseres Engels.« Sie deutete mit der Hand nach oben. »Sie sind gerade in ihrem Zimmer.«

Peter beschloss, nicht weiter nachzufragen. Stattdessen begann er sich auf die Aussicht zu freuen, fast ein ganzes Wochenende mit Patricia verbringen zu dürfen.

»Natürlich möchte Patricia auch für die Engel trainieren.« Frau Hegel streichelte der Tochter von Vogels leicht über den Kopf. »Schaust du einmal nach ihnen?«

»Ich bringe eben mal meine Tasche nach oben.« Patricia war sensibel genug, um zu spüren, dass Frau Hegel mit ihrem Freund allein sein wollte. Sie ging zügig nach oben.



»Ja, dass sie trainieren will, überrascht mich nicht.« Peter seufzte. »In der Richtung ist sie ja sehr ehrgeizig.« Er seufzte erneut. »Auch wenn sie mir nicht erklären kann, warum sie das macht und so viel auf sich nimmt.«

Frau Hegel fragte sich, ob er über ihre besondere Unterwäsche Bescheid wusste. Sie versuchte eine indirekte Frage. »Sie bringt dafür große Opfer.«

»Ja, ich weiß.« Peter verdrehte die Augen. Doch dann wurde er stutzig. »Warum trägt sie so etwas?« Er hoffte sehr, dass er vielleicht von Frau Hegel eine Antwort bekommen würde.

»Es verleiht ihr Sicherheit. Mit dieser Rüstung weiß sie, dass ihr nichts passieren kann.« Sie war sich immer noch nicht sicher, ob sie wirklich über das gleiche Thema sprachen.

»Sie trägt ja auch gern diese seltsame Armhülle auf dem Rücken.« Er erinnerte sich an die heimlichen Treffen an der Grundstücksgrenze.

»Sie meinen den Monohandschuh?« Frau Hegel war überrascht, dass er den Handschuh offensichtlich schon gesehen hatte.

»Mo-no-hand-schuh?« Er sprach das Wort Silbe für Silbe aus, dann glitt ein Lächeln über sein Gesicht. »Das ist ein passender Name. Ich verstehe nur nicht, was sie daran so toll findet. Es macht sie doch so hilflos.«

»Aber es verleiht ihr eine besondere Haltung.« Frau Hegel machte einen verträumten Eindruck. »Und sie erweckt damit einen Beschützerinstinkt. Oder nicht?« Sie lächelte.

Peter bestätigte es. »Aber sie präsentiert sich dann auch besonders aufreizend.«

Die Frau des Professors horchte auf. »Es gefällt ihnen also?«

Er war verlegen. »Ja, ich möchte sie dann immer sofort in den Arm nehmen. Leider sind wir ja nie allein, wenn sie ihn trägt. Aber sie präsentiert sich damit auch besonders aufreizend.«

»Versuchen sie sie zu unterstützen.« Frau Hegel hoffte, den richtigen Ton zu benutzen. »Sie macht etwas, was nicht einfach für sie ist. Und sie kann dabei jede Unterstützung gebrauchen.«

»Aber warum tut sie sich das an?« Er wollte zeigen, dass er sich wirklich für sie und ihre Beweggründe interessierte.

»Das lässt sich nicht so einfach erklären.« Frau Hegel seufzte. »Es ist eine wichtige Tradition der Familie, und alle sind stolz auf Patricia, weil sie sich als einzige der drei Töchter darauf eingelassen hat.«

»Das beantwortet aber nicht meine Frage.« Er fragte sich, woher er den Mut nahm.

»Warten sie einfach ab, dann werden sie es auch verstehen.« Sie holte tief Luft. »In gut einer Woche werden sie es erfahren.«

»Schon wieder dieser Termin.« Peter sah sehr nachdenklich aus. »Pat hat mir mehrmals erzählt, dass das Wochenende sehr wichtig für sie ist, aber sie wollte mir nicht sagen, worum es geht.«

»Sie möchte ein Engel werden, genauso wie unsere Julia.« Sie sprach das aus, was sowieso schon bekannt sein durfte.

»Was hat es mit diesen Engeln auf sich?« Seinem Tonfall war zu entnehmen, dass er diese Frage nicht zum ersten Mal stellte.

»Warten sie einfach noch diese Woche ab, dann werden sie es erfahren.« Sie hoffte, dass ihm die Antwort ausreichen würde.

Als Antwort runzelte Peter die Stirn.

»Sie werden sie doch begleiten, oder?« Frau Hegel sah eine weitere gute Gelegenheit.

»Ich weiß es nicht.« Peter zuckte mit den Schultern. »Sie hat mich bisher nicht gefragt.«

»Hätten sie denn Zeit?« Frau Hegel wunderte sich ein wenig.

»Ich könnte es mir einrichten. Aber sind sie sicher, dass es wirklich richtig ist?« Er verwies auf die schwierige Familiensituation.

»Ja, da könnten sie allerdings recht haben.« Doch insgeheim musste sie innerlich lächeln.

* * *

Die ersten Bewegungen in ihrem neuen Traumkleid hatte Tara sich ganz anders vorgestellt. Doch da der Detektiv im Salon wartete, führten ihre Schritte sie vom Ankleidezimmer direkt zum Fahrstuhl, der gleich neben dem Ankleidezimmer die einzelnen Stockwerke der Villa miteinander verband. Sie wusste, dass sie mit dem Rock auf keinen Fall Treppensteigen konnte, und wenn der Lift abgeschaltet war, dann war sie im den jeweiligen Stockwerk gefangen. Der Fahrstuhl war gemäß den Gepflogenheiten ihres Heimatlandes eingerichtet, und so konnte sie leicht den Knopf für das Erdgeschoss mit der Nase betätigen.

Sie hatte dem Detektiv damals beim Auftragen extra eine Broschüre über die Gepflogenheiten in ihrem Land mitgebracht, und sie hatte deswegen erwartet, dass er sie auch lesen würde. Immerhin wurde darin Pünktlichkeit als eine der ganz großen Tugenden ihres Landes gelobt. Doch jetzt war sie es selbst, die unpünktlich war. Sie versuchte ihren Ärger darüber nicht zu zeigen.

Den anderen Aspekt hatte sie verschwiegen, wenn er doch aus Sicht ihres Landes viel wichtiger war. Eine Adelige ihres Landes hatte das Privileg, Fesseln tragen zu dürfen, um so ihren Status deutlich zu machen. Natürlich wurde es anders formuliert und auch betrachtet, aber letztendlich lief es auf das gleiche hinaus.

Tara war insgeheim sehr fasziniert von dieser Regel, denn obwohl sie eine Bürgerliche war, kam sie bedingt durch das Amt ihres Vaters von Zeit zu Zeit zu dem Vergnügen, an diesem Privileg ebenfalls teilzunehmen. Und es störte sie überhaupt nicht, dass sie dabei nur violette Fesseln tragen durfte. Doch leider gab es dafür auch noch einen ganz anderen Grund, und der war wesentlich unerfreulicher.

Der eigentlich sehr kurze Weg in den Salon dauerte sehr viel länger, als sie es eigentlich erwartet hätte. Natürlich lag das daran, dass sie wegen des sehr strengen Gummizuges ihre Beine fast gar nicht mehr bewegen konnte. Ihre ersten Schritte in dem Traumkleid hatte sie sich eigentlich anders ausgemalt, doch jetzt war sie bemüht, in dem ultrastrengen Kleid so schnell wie es noch möglich war, vorwärts zu kommen. Sie war froh, dass ihre Stiefel so hohe Absätze hatten, dass sie quasi auf Zehenspitzen lief. Dadurch war die tatsächliche Auflagefläche der Schuhe so kurz, dass sie ihre Füße selbst in dem so engen Rock voreinander stellen konnte und so überhaupt noch kleine Schritte machen konnte, mit denen sie noch einigermaßen voran kam.

Auf das Kleid, welches sie jetzt so stark behinderte, hatte sie schon sehr lange gewartet und entsprechend daraufhin gefiebert. Als der erste Kostenvoranschlag der Schneiderin gekommen war, war sie völlig niedergeschlagen, denn die Summe belief sich auf einen fünfstelligen Betrag. Trotzdem hatte sie es gewagt, ihrem Vater das Schreiben zu zeigen. Sie war sehr überrascht, als er ankündigte, alles bezahlen zu wollen.

Tara wollte es zuerst nicht glauben, und erst, als er seine Tochter darauf aufmerksam machte, dass der von ihr gewünschte Stoff so teuer war und die Schneiderin nur ihren gewöhnlichen Stundenlohn berechnet hatte, begann sie langsam wieder Hoffnung zu haben.

Vorausgegangen waren mehrere Beratungen mit der Schneiderin, in denen es darum ging, welche von ihren vielen sehr restriktiven Ideen umsetzbar sein würde. Sie vertraute der Schneiderin, denn sie war neben Onkel Herbert die einzige, die in Taras Geheimnis eingeweiht war. Entsprechend war sie sehr bemüht, das in sie gesetzte Vertrauen nicht zu enttäuschen, und ehrgeizig, die Wünsche möglichst detailgetreu umzusetzen oder passende Alternativen vorzuschlagen.

Ursprünglich wollte sie das Korsett für dieses Kleid durchgängig bis zu den Waden haben, doch die Schneiderin konnte sie davon überzeugen, dass hier ein Minimum an Flexibilität erhebliche Vorteile für einen sehr langen Tragezeitraum bieten würde. Was die dazu notwendigen Toilettengänge betraf, hatte sie sich schon vor langer Zeit eine Lösung bei ihrer Frauenärztin legen lassen, so dass sie notfalls über mehrere Tage ohne Wechsel der Kleidung auskommen konnte.

Dass das Korsett ihr die Bauchatmung nahm und sie auf Brustatmung angewiesen sein würde, darüber wusste sie ebenfalls Bescheid. Sie hatte stets auf ihre Schneiderin gehört, und wenn diese gesagt hatte, dass sie noch nicht so weit sei, das ganz strenge Korsett zu tragen, dann hatte Tara es akzeptiert. Denn die Schneiderin war neben ihrer Mutter die einzige Person, von der Tara sich etwas sagen ließ.

Und das Korsett, welches jetzt in dem Kleid eingearbeitet war, war das ultimativ strengeste, was für ihren Körper überhaupt möglich war, und sie hatte sie sehr gefreut, als sie beim Durchsprechen der Anforderungen dieses Mal für alle Punkte grünes Licht bekommen hatte.

Anfangs wollte sie auch noch eine Versteifung der Hüft- und Kniegelenke durch das Korsett, doch die Schneiderin überzeugte sie davon, dass ein sehr strenger Gummizug einen ähnlichen Effekt haben würde, aber noch ein gelegentliches Ausruhen ermöglichen würde. Doch Tara war erst überzeugt, als sie einen Versuchsrock aus dem vorgeschlagenen Material tragen durfte.

* * *

Patricia war immer noch etwas unsicher darüber, ob Hegels wirklich mit ihrer Übernachtung gerechnet hatten. Doch als sie Julias Zimmer betrat, sah sie sofort, dass das Bett wirklich genug Platz für zwei Personen bieten würde.

»Ich wollte meine Tasche hochbringen.« Patricia war noch sehr unsicher, wie sie Julia begegnen sollte. »Wo werde ich schlafen?«

»Wirst du auch hier übernachten?« Julia fühlte eine gewisse Verbundenheit zu Vogels Tochter.

»Ich denke schon?« Patricia stellte ihre Tasche neben sich.

Frauke schien eingeweiht zu sein. »Du hast das Engelsnachthemd dabei?«

»Ja, ich musste es einpacken«, seufzte Patricia. Es wurde deutlich, dass sie sich wegen dem Nachthemd etwas schämte. Sie beugte sich zu ihrer Tasche hinunter und öffnete sie.

»Kein Grund, sich zu schämen«, lächelte Frauke. »Julia freut sich schon darauf, dass du neben ihr liegen wirst.«

Patricia griff in die offene Tasche und holte das Nachthemd heraus. Erst als sie es in der Hand hatte, erkannte sie, dass Julias Nachthemd auf dem Bett lag. Mit ein wenig zitternden Beinen trat sie darauf zu und legte ihres daneben.

»Bei dir sind die Schnallen auch unsymmetrisch angebracht.« Julia hatte es bei ihrem Nachthemd zwar wahrgenommen, hatte es aber eher für Zufall gehalten.

»Das hat einen ganz bestimmten Zweck«, grinste Frauke. »Legt die beiden Nachthemden einmal direkt nebeneinander.

»Jetzt sehe ich es.« Julia war fasziniert. »Die Schnallen passen zueinander.«

»Wenn man durch die Schnallen eine Schnur zieht und diese festspannt, dann seit ihr in der Nacht unzertrennlich.« Es fiel Frauke nicht leicht, auf diese Tatsache hinzuweisen.

Julia hatte noch ein anderes Detail entdeckt. Wie auch bei ihrem Nachthemd war an dem Kragen, der in Wirklichkeit ein Halskorsett war, der kleine Schriftzug ‚ANGELARVM ARCANUM‘ aufgenäht.

* * *

Jasmin öffnete die Tür zum Salon und trat ein. Sie hielt die Tür auf und blickte nach draußen in den Korridor. Langsam, sehr langsam näherte sich dort ihre Schwester dem Salon.

Hans war sofort aufgestanden - einerseits aus Höflichkeit, aber noch viel mehr, weil ihm sofort an der Gestalt Taras einige Sachen aufgefallen waren. Obwohl sie sich sehr hektisch bewegte, kam sie nur zentimeterweise voran, und Hans konnte erkennen, dass sie so gut wie keine Beinfreiheit hatte. Doch was ihn am meistens verwunderte war, das der Rock keine Anzeichen von Spannung zeigte, obwohl er sehr eng zu sein schien.

Ebenso nahm er ein schnelles Atmen war, und als er an der Gestalt von Tara emporblickte, war es ihm sofort klar, dass sie offensichtlich ein Korsett darunter trug. Ein strenges Korsett, denn ihr Oberkörper zeigte, dass sie nur noch mit dem Brustkorb atmen konnte.

Noch etwas störte ihn an dem Anblick, doch einige Zeitlang erkannte er nicht, was es war.

Jasmin hatte die bei Salontür wieder geschlossen und trat jetzt zu ihnen heran. Sie räusperte sich. »Bitte halten sie meine Schwester nicht für unhöflich, aber sie kann ihnen nicht die Hand reichen.« Stattdessen reichte sie ihm selbst die Hand. »Im Namen von uns Schwestern möchte ich sie noch einmal herzlich im Konsulat begrüßen.« Sie strahlte dabei eine Routine und Sicherheit aus, die ihn vermuten ließ, dass sie oft so Gäste begrüßte.

Hans konnte nur schlucken. Jetzt realisierte er, was ihm bisher bisher entgangen war. Taras Arme waren in diesem Kleid nicht sichtbar.

Tara kam langsam näher, und sie entschuldigte sich sofort. »Bitte verzeihen sie mir, dass ich sie habe warten lassen.« Das Oberteil ihres Kleides zeigte an, dass sie versuchte Luft zu holen. »Aber ich habe seit einem halben Jahr auf dieses Kleid gewartet, und heute wurde es endlich geliefert.« Sie keuchte ein wenig, dann drehte sie sich langsam einmal um sich selbst.

Hans erkannte jetzt, was dieses Mal mit Taras Armen passiert war. Auf ihrem Rücken war deutlich zu sehen, dass sie in dem Kleid integriert waren. Es war ihr praktisch unmöglich, ihre Arme zu bewegen.

»Ich habe es mir selbst ausgedacht.« Tara strahlte bis über beide Ohren, als sie sich wieder zu ihm gedreht hatte. »Gefällt es ihnen?«

»Tara!« Jasmin protestierte. »Zieh ihn da nicht mit hinein.«

Er ahnte, dass sich eine weitere Frage zu dem Kleid verbot, genauso wie eine Frage nach dem Kostüm, welches sie in damals in seiner Kanzlei getragen hatte. Er hätte zu gern gewusst, ob die Ärmel der Jacke angenäht waren, doch als er sie jetzt in diesem Schlauchkleid sah, wurde ihm bewusst, dass die Antwort ‚Ja‘ lautete, auch wenn er überhaupt nicht verstand warum.

»Setzen wir uns doch bitte dort an den Kamin.« Tara versuchte ihren Kopf zu drehen, um mit ihrem Blick ihre Aussage zu bekräftigen, doch mehr als ein Zucken mit dem Kopf brachte sie nicht zustande. Sie musste sich mit dem ganzen Körper drehen und konnte erst dann in die entsprechende Richtung blicken.

Hans war mehr als fasziniert. Zuerst hatte er das Spitzengewebe nur für einen hohen Kragen gehalten, der fast bis an ihr Kinn heran reichte, doch so langsam erkannte er, dass sie tatsächlich ein restriktives Halskorsett trug, welches die Bewegungen ihres Kopfes drastisch einschränkte.

Langsam ging Hans hinter Tara her und genoss jeden Moment den Anblick, den ihm von hinten bot. Er glaubte seinen Augen nicht zu trauten. Das, was dieses junge Mädchen ‚Kleid‘ nannte, war in Wirklichkeit ein sehr restriktives Gefängnis, welches ihr nur noch ganz wenig Bewegungsspielraum in den Beinen ließ, und die Arme waren vollständig in dem schlauchähnlichen Seidenkleid eingeschlossen. Bei jedem Schritt von ihr zeigte sich ein Zucken in den Armen und machte so deutlich, dass sie völlig in dem Kleid gefangen war.

Er hatte große Mühe, seine Faszination zu verbergen. Was würde er dafür geben, wenn seine Susi einmal in so einem Kleid zum Dienst kommen würde. Doch dann verwarf er den Gedanken wieder. In dem Kleid würde sie überhaupt nichts tun können, und damit wäre ihre Anwesenheit zwar reizvoll, aber auch nutzlos. Und es gab genug Arbeit, die erledigt werden musste.

Ohne das Tara etwas gesagt oder angedeutet hatte, trat ihre Schwester auf sie zu und half ihr, sich auf das kleine Sofa zu setzen. Erst dann nahm sie selbst auch Platz.

Hans war noch dabei zu überlegen, ob er sich auch einfach setzen dürfe, als er von Tara angesprochen wurde. »Setzen sie sich doch bitte auch, Herr Reitzig.« Sie versuchte zu dem Sesseln zu blicken, doch sie stellte fest, dass sie ihren Kopf nicht mehr so weit drehen konnte.

Jasmins Augen waren die ganze Zeit auf ihre Schwester gerichtet, und den kurzen Versuch schien sie bemerkt zu haben. Sie drehte sich kurz zu Hans und deutete ihrerseits auf den Sesseln, der neben dem Sofa stand.

Hans kam der Bitte nach und setzte sich zu den beiden Schwestern. Er hatte es zwar gehört, aber er wollte es nicht glauben. »Dieses Kleid haben sie sich selbst ausgedacht?« Er hatte etwas Zweifel im Blick.

Doch Tara verstand den Blick anders als er eigentlich gemeint war. »Nun ja, die Grundidee geht auf einen Holländer zurück. Ich habe viele von seinen Ideen aufgegriffen und kombiniert.«

Hans wollte erst widersprechen und seine Frage korrigieren, doch entdeckte er den Stolz in Taras Augen. Er beschloss, dieses Thema nicht weiter zu verfolgen.

Er wusste, dass Susi auch sehr enge Klamotten mochte, doch dies war kein Vergleich zu dem Anblick, den die Konsulstochter hier bot. Sie konnte ihre Arme oder Beine nur minimal bewegen, trug offensichtlich ein sehr strenges Korsett, und sogar der Hals war durch ein Halskorsett in seiner Bewegungsfreiheit stark eingeschränkt. Die junge Frau konnte sich wirklich kaum noch bewegen, und gerade deshalb fragte er sich, wie dies zu der Biographie und insbesondere zu ihrem Doktortitel passte, die Susi und er über sie herausgefunden hatten.

»Haben sie die Ergebnisse dabei?« Tara kam ohne weiteres Zögern sofort zum eigentlichen Zweck des Besuches.

Er hatte die Mappe die ganze Zeit in seiner Hand gehalten, er hob kurz die Hand, um sie Tara zu reichen, doch dann stutzte er. Wie sollte Tara die Mappe denn entgegen nehmen?

»Geben sie die Mappe bitte meiner Schwester.« Tara lächelte verlegen. »Mit meinem neuen Kleid kann ich sie ihnen leider nicht abnehmen.«

Es kam selten vor, dass Hans mit seinen Nerven nicht bei der Sache war, doch heute zitterte er, als er die Mappe Jasmin reichte.

Tara übersah es höflich. Sie drehte sich andeutungsweise kurz zu ihrer Schwester. »Kannst du bitte davon Kopien machen und es in die Maschine einspannen?« Sie lächelte verlegen. »Ich möchte es heute Abend noch lesen.«

Jasmin verdrehte deutlich sichtbar die Augen, doch dann bestätigte sie die Anweisung ihrer Schwester.

Hans räusperte sich. »Da wäre aber noch etwas.« Er machte eine bedeutsame Pause. »Ich weiß aber nicht, ob es wirklich wichtig ist.« Es reizte ihn, noch mehr über seine Klientin zu erfahren, deswegen versuchte er unauffällig seinen Aufenthalt zu verlängern.

»Erzählen sie bitte.« In diesem Moment wirkte Tara zunächst etwas gelangweilt und ungeduldig.

Hans holte tief Luft. »Ich habe erfahren, dass noch ein Mädchen für den Engelslehrgang angemeldet werden soll.«

Tara richtete sich auf. »Erzählen sie bitte, was haben sie erfahren?« Ihre Miene zeigte auf einmal großes Interesse.

»Sie heißt Julia Sommer und wohnt im Moment bei einem Professoren-Ehepaar in München Grünwald.« Er zögerte ein wenig.
275. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 9 - Veränderungen - Teil Fünf von Elf

geschrieben von ronn2321 am 01.08.20 19:34

Eine spannende und gut beschriebene Geschichte. Bin gespannt auf Fortsetzung
276. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 9 - Veränderungen - Teil Fünf von Elf

geschrieben von SirM am 03.08.20 06:53

Ich war lange ein schweigender Leser, aber jetzt möchte ich auch endlich mal meinen Senf abgeben.

Eine sehr schöne, lebendig geschriebene Geschichte. Die Charaktere sind gut, ihre Konflikte und ihre Hintergründe, die sich langsam entfalten gefallen mir gut.

Es macht Freude jedes einzelne Kapitel zu lesen und es macht auf Lust auf mehr.

Vielen Dank für die bisher veröffentlichten Kapitel, ich hoffe auf viele weitere mehr!

Grüße,
SirM
277. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 10 Besuche - Teil Acht von Zwölf

geschrieben von gag_coll am 08.08.20 09:30

Der Mantel der Studentin
Kapitel 10 Besuche - Teil Acht von Zwölf
Autor: Karl Kollar

»Was wissen sie alles über sie?« Tara wirkte auf einmal sogar angespannt.

»Nicht viel«, musste Hans eingestehen. »Mein Kollege aus München hat das in Erfahrung gebracht. Er hat nur herausbekommen, dass sie wohl seine Studentin ist. Eigentlich war dort nur Patricia Vogel zu beobachten, doch über die Familie hatte er von dem anderen Mädchen erfahren.«

Die Mutter hätte getobt – immerhin hatte sie den Auftrag maßgeblich vorangetrieben. Doch Tara an sich war weniger ehrgeizig. »Gibt es sonst noch etwas wichtiges?«

Hans verneinte zuerst, doch dann hielt er inne. »Ich würde schon gern noch etwas fragen, wenn sie es mir erlauben.« Er hatte einen ersten Verdacht wegen Taras Kleid, und dem wollte er versuchsweise nachgehen.

Tara war die Anwesenheit eines fremden Mannes nicht unangenehm, deswegen bat sie ihn, seine Fragen zu stellen.

»Wie lange brauchen sie zum Anziehen dieses Kleides?« Er war so fasziniert davon, dass er es riskierte, wegen Indiskretion hinausgeworfen zu werden.

Jasmin schien sich verschluckt zu haben, sie musste husten.

Tara lächelte nur. »Das kann ich nicht sagen, weil es heute erst geliefert wurde und heute die Schneiderin selbst dabei war.« Es freute sie insgeheim, dass der fremde Mann so ein Interesse an ihrem Kleid zeigte.

»Es muss an mehreren Stellen zugenäht werden, das macht es sehr aufwendig.« Jasmin antwortete ungefragt. »Ich denke mal, dass ich so zwei Stunden brauchen werde.« Sie dachte weiterhin darüber nach, dass Tara dabei in der Regel schon eine dieser Perlen im Mund trug, um sie an das Schweigen zu erinnern, welches bei der Ankleideprozedur erwünscht war. Doch sie hütete sich, diese Gedanken auszusprechen.

Hans ahnte, dass es für dieses strenge Kleid einen Grund geben musste, doch er traute sich nicht, so direkt danach zu fragen. Aber er wollte zumindest zeigen, dass er von diesem Entwurf sehr beeindruckt war. »Es ist sehr bewundernswert, wie gut sie mit diesen vielen Einschränkungen zurecht kommen.« Deutlicher wollte und konnte er nicht werden.

Tara gab sich gelassen. »Oh, das bin ich gewöhnt.« Doch dann lächelte sie. »Es ist allerdings das erste Mal, dass ich nur ein Kleidungsstück tragen muss, um so stark eingeschränkt zu sein.«

Es zerriss Hans in der Luft, doch er weigerte sich, seinem inneren Gefühl zu folgen und nach dem ‚Warum‘ zu fragen. Doch dann hatte er eine Ahnung. Es war ihm wieder eingefallen, was er in der Broschüre über Padogenien gelesen hatte, und so langsam glaubte er die Zusammenhänge erkannt zu haben. »Ihre Eltern sind bestimmt stolz auf sie, dass sie den Traditionen ihres Heimatlandes so genau folgen.«

»Sollte man meinen«, seufzte Jasmin. »Sollte man meinem.«

Erst jetzt fiel Hans auf, dass Jasmin in keiner Weise eingeschränkt war. Er fragte sich, ob es einen Grund gab, warum die beiden Schwestern so offensichtlich ungleich behandelt wurden.

Tara war über den sich anbietenden Themenwechsel sehr dankbar. »Waren sie schon einmal in unserem Land?«

»Ich habe mich darüber informiert«, antwortete Hans ganz offen. »Doch dorthin gereist bin ich noch nicht.«

»Es ist kein gastfreundliches Land.« Tara seufzte. »Zumindest nicht für Touristen.«

»Ich wüsste auch nicht, wer mich einladen sollte.« Er wollte zeigen, dass er sich mit den Gepflogenheiten dieses seltsamen Landes befasst hatte.

»Ja, manchmal sind sie sehr streng.« Tara seufzte. »Ich bin froh, dass ich hier so viele Freiheiten habe.«

Wieder musste Jasmin husten.

Tara blickte verärgert zur Seite. »Du weißt genau, was ich eigentlich meine.«

»Du hast ja recht.« Jasmin entschuldigte sich. »Aber denke doch einmal an heute Abend.«

Hans blickte beide Schwestern nur an – die Frage stand im Raum, doch er traute sich nicht, sie zu stellen.

Tara lachte. »Heute Abend muss ich meine Mutter bei einem Empfang vertreten.« Es wurde aus ihrer Aussage nicht klar, ob sie sich darüber freute, oder ob es nur eine lästige Pflicht war.

»Wir erwarten ein frisch verheiratetes Paar aus dem padogenischen Hochadel.« Jasmin fühlte sich genötigt, die Worte ihrer Schwester etwas zu präzisieren. »Und während sie hier im Konsulat sind, gelten auch für uns Schwestern die strengen Regeln aus unserem Heimatland.«

Hans blickte erneut auf Taras Kleid und er fragte sich, ob es wirklich noch etwas strengeres geben könnte, doch er hütete sich, etwas in der Art zu äußern.

* * *

Frau Hegel klopfte an die Tür zu Julias Zimmer und nach dem ‚Herein‘ fragte sie noch, ob sie Peter mitbringen dürfe. »Es gäbe etwas wichtiges zu besprechen.«

Von den drei Frauen hatte keine etwas dagegen.

Die Frau des Professors trat ein und hinter ihr betrat auch der Hobbygärtner das Zimmer. Als Frau Hegels Blick auf das Bett und die nebeneinanderliegenden Schlafsäcke fiel, musste sie lächeln. »Sie haben es also entdeckt?«

Julia und Patricia waren verlegen.

»Wir werden in der Nacht sehr nahe beieinander liegen.« Patricia blickte unsicher zwischen Frau Hegel und ihrem Freund hin und her.

»Da passt kein Blatt dazwischen.« Frauke war ähnlich verunsichert.

»Es wäre gut, wenn sie sich gleich daran gewöhnen.« Es sah zunächst so aus, als wäre der Satz für Julia und Patricia gedacht, doch tatsächlich blickte Frau Hegel Frauke und Peter an.

Zunächst kam von beiden noch keine Antwort.

Frau Hegel sprach mit der gleichen ruhigen Stimme weiter. »Julia und Patricia werden als Engel oft eine sehr große Nähe zueinander erfahren. Trotzdem sind sie nur Engel und dürfen selbstverständlich eine Beziehung zu einem anderen Partner haben.«

Peter und Frauke blickten sich verwundert an. Noch war keiner von beiden zu einer Antwort fähig. Frauke sprach das aus, was wohl beide dachten. »Wir sollten uns kennenlernen, wenn wir so viel miteinander zu tun haben werden.«

Peter blickte sehr verunsichert zu Patricia. Er war erleichtert, als sie ihn ansah und lächelnd nickte.

Er reichte Frauke die Hand. »Peter Behrens. Für dich natürlich Peter.«

Frauke erwiderte die Geste. »Frauke Wiesl, dito.«

»Sie werden das ganze Wochenende genügend Zeit haben, sich genauer kennenzulernen«, ergänzte Frau Hegel. »Und wenn sie erkannt haben, dass es wirklich keinen Grund zur Eifersucht gibt, dann schaffen sie es bestimmt, ihren Partnern in jeder Situation beizustehen und ihnen Kraft zu geben. Denn die werden sie brauchen.«

Sowohl Frauke als auch Peter blickten beide sehr ehrfürchtig drein. Nur langsam stimmten sie zu.

»Und natürlich dürfen sie sich auch gegenseitig helfen, wenn sie sehen, dass es Probleme gibt.« Frau Hegel sprach weiter. »Sie sollten dann nicht erst um Erlaubnis fragen müssen.«

»Eine verschworene Gemeinschaft sozusagen?« Peter sprach seine Gedanken aus.

»Ja, das trifft es sehr gut«, bestätigte Frau Hegel.

»Was werden meine Eltern nur dazu sagen?« Patricia seufzte tief.

Peter seufzte ebenfalls. »Ja, das könnte allerdings noch ein Problem werden.«

»Wenn sie sich einig sind und wirklich zusammenhalten, dann …« Frau Hegel sprach allerdings nicht weiter.

Frauke verstand es immer weniger. »Bitte entschuldigen sie, aber worum geht es gerade?«

Frau Hegel nahm Frauke beiseite und brauchte sie mit wenigen Worten auf den aktuellen Stand.

Frauke lächelte. »Romeo und Julia in Grünwald. Ich verstehe. Dann hoffen wir mal, dass die Liebe wirklich stark genug ist.« Dabei sah sie allerdings Julia an.

»Es gibt wegen den Engeln keinen Grund zur Eifersucht.« Frau Hegel wollte es noch einmal deutlich betonen. »Und sie machen es ihren Partnern leicht, wenn sie dies aktiv unterstützen.«

»Das klingt trotzdem irgendwie seltsam.« Frauke sprach leise.

Auch Peter stöhnte. »Nicht noch eine Baustelle.« Doch dann formte sich eine Idee in seinen Gedanken. Eine sehr verwegene Idee, doch sie ging ihm nicht mehr aus dem Kopf.

»Wenn sie möchten, können sie ebenfalls bei uns übernachten« Frau Hegel erklärte, dass sie noch ein weiteres Gästezimmer hatten.

Doch Peter lehnte ab. »Ich weiß dich ja in guten Händen.«

»Aber sie sollten zumindest so lange bleiben, bis sie eingeschlafen sind.« Frau Hegel versuchte noch ein wenig zu handeln.

* * *

Die Dienerin klopfte an der offenen Tür des Salons und wartete, bis sie die Aufmerksamkeit der Schwestern hatte. »Ich bitte an den Besuch des Herzogspaares erinnern zu dürfen.«

Tara freute sich schon sehr auf diesen Termin, auch wenn sie sich nach außen hin eher mürrisch gab. Es kam nicht allzu oft vor, dass sie ihren geliebten violetten Handschuh in Gegenwart von Fremden tragen durfte. Umso mehr freute sie sich auf den heutigen Abend, bei dem sie eine echte Herzogin aus Padogenien kennenlernen durfte.

Hans war sensibel genug, um sich als nächstes höflich zu verabschieden. Er stand auf.

Tara bedankte sich noch einmal für die geleistete Arbeit. »Nun, wir möchte ihre Zeit nicht länger in Anspruch nehmen.«

Jasmin erhob sich wieder. »Der Fahrer wird sie wieder zum Hotel bringen.«

Tara räusperte sich.

Jasmin erkannte sofort, was ihre Schwester ausdrücken wollte. »Sie können ihm natürlich auch ein anderes Ziel nennen.«

Hans lächelte verlegen. »Am liebsten würde ich zu Fuß gehen.«

»Das ist auch kein Problem.« Tara lächelte. »Genießen sie unser kleines Städtchen.« Sie wusste, dass er aus dem Süden von Deutschland angereist war.

Hans räusperte sich kurz. »Mir wurde noch etwas versprochen.« Er wollte nicht direkt nach seiner Bezahlung fragen.

»Ach ja, richtig.« Tara lächelte verlegen. »Jasmin, kannst du bitte den Umschlag holen? Er müsste auf Vaters Schreibtisch liegen.«

Mit einem warnenden Blick auf ihre Schwester verließ Jasmin den Raum.



Für einige lange Momente war Hans mit dem faszinierenden Mädchen allein. Es kostete ihn viel Kraft, ruhig stehen zu bleiben, auch wenn er sie gern einmal angefasst hatte, um noch den letzten Zweifel zu beseitigen. Er war sich sicher, dass sie unter dem Kleid auch noch ein Korsett trug und das hätte er gerne ertastet.

Doch Tara war genauso angespannt. Es reizte sie, sich von dem gut aussehenden jungen Mann anfassen zu lassen. Sie erkannte die besondere Gelegenheit sofort, trotzdem war sie noch unentschlossen, ob sie es riskieren könne. Schließlich war die Versuchung größer – und außerdem wäre es eine tolle Einweihung für das neue Kleid. »Würden sie mir bitte beim Aufstehen helfen?« Sie wusste nicht mehr, wann sie zuletzt die Hand eines Fremden auf ihrem Körper gespürt hatte.

Hans kam näher und legte ihr zunächst nur die Hand auf die Schulter, um sie so hochziehen zu können.

»Würden sie mich bitte kurz einmal umarmen?« Sie blickte zu Boden, als sie diesen Wunsch aussprach. Sie wusste, dass sie sowohl gegen jede Etikette als auch gegen den Rat ihrer Ärzte handelte, doch diesen Moment wollte sie für sich genießen.

Trotz seiner Anspannung kam Hans dem Wunsch nur zögernd nach. Doch kaum hatte seine Hand den Stoff berührt, als er ein Zittern in ihrem Körper spürte.

Sie hatte die Augen geschlossen, als der Orgasmus durch ihren Körper jagte und sie sich vertrauensvoll in seine Hände schmiegte.

»Was machen sie denn da?« Jasmin kam mit dem Umschlag zurück, und der Ärger stand ihr deutlich ins Gesicht geschrieben.

Hans war der Meinung, nichts Falsches getan zu haben, er hielt Tara weiterhin fest, insbesondere weil er von ihr noch keine anderes Signal bekommen hatte. Der Moment war viel zu schön, um ihn jetzt schon zu beenden. Außerdem, aber das war ihm jetzt schon wieder ganz unwichtig, hatte er das wirklich sehr strenge Korsett unter ihrem Kleid gespürt.

Jasmin funkelte sie ihre Schwester böse an. »Kann man dich nicht mal eine Sekunde allein lassen?«

Hans war sehr verunsichert, weil er Jasmins Reaktion nicht wirklich nachvollziehen konnte. »Ihre Schwester hatte einen Schwächeanfall, und sie bat mich, sie festzuhalten.« Er konnte nicht verhindern, dass er dabei rot wurde, denn er wusste, dass sich etwas ganz anderes ereignet hatte. Er war noch tief beeindruckt davon, dass Tara einfach so in seinen Armen gekommen war.

»Aber jetzt können sie wieder loslassen.« Jasmins Blick zu ihrer Schwester war noch nicht wieder freundlicher geworden. »Nicht wahr, Tara?«

Tara versuchte zu Boden zu blicken. »Ja, natürlich.«

Hans war insgeheim fasziniert davon, wie streng das Halskorsett doch gearbeitet war. Jetzt, wo er es direkt vor Augen hatte, erkannte er auch den Grund. Von weitem hatte es so ausgesehen, als würde Tara nur einen Spitzenkragen tragen und zwischen der Spitze würde ihre Haut durchschimmern. Doch jetzt aus der Nähe erkannte er, dass es ein hautfarbener Stoff war. Stellenweise glaubte er sogar entsprechende Korsettstangen erkannt zu haben.

* * *

Patricia hatte lange über das nachgedacht, was Hegels offenbar von ihr erwarteten. Sie sollte mithelfen und mit ihrer eigenen Erfahrung dazu beitragen, aus Julia ebenfalls einen Engel zu machen. Sie hatte diesbezüglich ein langes Gespräch mit Frau Hegel geführt und sich am Ende noch etwas Bedenkzeit ausgebeten.

Eigentlich mochte sie solche Kungeleien überhaupt nicht, doch es gab viel, was dafür sprach.

Zum einen ging es um die Engel, und allein das war es eigentlich schon wert. Und dann war da auch noch die Aussicht, ein ganzes Wochenende mit ihrem Freund zusammen sein zu können. Natürlich hatte er im Garten zu arbeiten, aber er sollte dieser Frauke auch helfen, zusammen auf sie und Julia aufzupassen.

Insgesamt überwogen die Vorteile, und so beschloss Patricia für sich, gute Miene zum vielleicht bösen Spiel zu machen. Doch ihr bisheriger Eindruck von Julia war, dass sie sich bestimmt gut für einen Engel eignete, auch wenn sie gewisse nicht ganz unwichtige Fragen noch nicht klären konnte. Sie fragte sich, ob es dazu dieses Wochenende kommen würde. Sie selbst empfand keine Scheu, in Gegenwart von anderen kommen zu müssen, doch sie wusste nicht, wie ihre zukünftige Partnerin darüber dachte.

Sie lächelte. Sie wusste auch nicht, wie Peter darüber denken würde, wenn er es denn einmal mitbekommen würde. Gekommen war sie schon mehrmals in seinen Armen, allerdings ohne dass sie sich etwas davon anmerken ließ. Doch da waren sie jeweils auch allein gewesen.

* * *

Den Weg zur Eingangsportal ging Hans schweigend hinter Jasmin her. Doch an der Tür drehte sie sich zu ihm um. »Warum haben sie meine Schwester angefasst?« Vorbei war alle Höflichkeit, es klang nur noch Ärger und Wut in ihrer Stimme.

Hans war sichtlich verunsichert. »Sie hat mich darum gebeten.«

Jasmin hörte fast nicht zu. »Und warum haben sie sie in den Arm genommen?«

Hans fühlte sich zu Unrecht angeklagt. »Auch darum hat sie mich gebeten.«

Jasmin beruhigte sich ein wenig. »Sie haben also nicht meine Abwesenheit benutzt, um sie zu bedrängen?«

»Das würde ich nie wagen.« Er versuchte ein versöhnendes Lächeln. »In ihrer Hilflosigkeit weckte sie den Beschützerinstinkt in mir.«

»Ja, das stand zu befürchten.« Die Konsulstochter gab sich mit seiner Antwort zufrieden.

»Ich dachte erst, dass sie Kreislaufprobleme hat, denn sie zitterte.« Hans versuchte weiterhin, sich zu rechtfertigen.

Jasmin verdrehte die Augen. »Das Zittern hatte andere Ursachen.« Es wurde deutlich, dass sie genau wusste, was mit ihrer Schwester wirklich passiert war. »Das neue Kleid schützt sie leider nicht vor ungewollten Berührungen.«

Sie dachte einen Moment nach. Jeder im Haus, selbst der Chauffeur, wusste, dass eine Berührung von Tara verboten war, weil es ihr gesundheitliche Probleme verursachte. Das zumindest war die offizielle Begründung. Tara hatte in der Anfangsphase sich oft provozierend verhalten, um Berührungen zu erzwingen, doch mittlerweile wussten alle Angestellten Bescheid, und wann immer es Probleme zu geben schien, wurde sie, die Schwester, zu Hilfe genommen.

Jasmin und die Eltern waren die einzigen, bei denen es nicht passierte. »Nein, sie hatte einen Orgasmus.« Sie hatte schon lange keine Scheu mehr, so offen über ihre Schwester zu sprechen, wenn sie nicht dabei war.

Hans war sehr verwundert. Zu einer Antwort war er noch nicht fähig.

»Ich hätte nicht gedacht, dass sie die Gelegenheit so schamlos ausnutzen würde.« Sie sprach mehr zu sich selbst.

Hans erkannte erst langsam den ganzen Vorwurf. »Ich habe doch gar nichts gemacht. Sie hat mich nur gebeten, ihr beim Aufstehen zu helfen.«

»Und da haben sie sie angefasst.« Jasmin war zunächst sehr erbost, doch dann beruhigte sie sich wieder. »Entschuldigen sie bitte, sie konnten das nicht wissen.« Sie holte tief Luft. »Ich hätte wirklich nicht gedacht, dass sie diese Gelegenheit nutzen würde.«

Hans war ein wenig erleichtert, als er erkannte, dass sich der Ärger der Konsulstochter eher auf ihre Schwester Tara als auf ihn bezog.
278. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 10 Besuche - Teil Neun von Zwölf

geschrieben von gag_coll am 15.08.20 06:12

Der Mantel der Studentin
Kapitel 10 Besuche - Teil Neun von Zwölf
Autor: Karl Kollar

Frau Hegel nahm zunächst Patricia beiseite, als sie zu viert die Treppe herab kamen. »Wir würden sie gern um einen kleinen Gefallen bitten.«

Patricia fühlte gegenüber Hegels eine große Dankbarkeit, seit sie erkannt hatte, dass sie ein ganzes Wochenende mit ihrem Freund verbringen konnte. »Alles, was sie wünschen.«

»Unsere Köchin hat mich um Hilfe gebeten.« Sie hielt kurz inne. »Aber dafür müssten sie ihren Handschuh tragen.«

Patricia war sich nicht sicher, ob sie sich nicht verhört hatte. »Sie meinen den Monohandschuh?« Sie trug den Handschuh sehr gern, doch sie verstand noch nicht, wie sie damit Hegels würde helfen können.

»Ja, genau.« Frau Hegel räusperte sich. »Paula, die Tochter der Köchin, hat das bei uns gesehen, und jetzt möchte sie es ihrem Freund zeigen.«

»Das mache ich doch gern.« Ein breites Lächeln erschien auf Patricias Gesicht, denn sie hatte erkannt, worin der eigentliche Inhalt des Gefallen bestand. »Wann kommen sie vorbei?«

Doch Frau Hegel hatte noch nicht alles erklärt. »Wir gehen zu ihnen.«

Patricia verzog ein wenig das Gesicht. »Mit dem Handschuh darf ich aber nicht auf die Straße.«

Doch Frau Hegel lächelte nur. »Auch dann nicht, wenn sie darüber einen Umhang tragen?«

»Und der Handschuh ist dann nicht zu sehen?« Sie war hin und her gerissen, denn sie wollte Hegels sehr gern helfen. Doch genauso wollte sie sich an die Regeln halten, die ihre Eltern und zum Teil auch der Bund für die Öffentlichkeit erlassen hatten.

»Wenn wir uns treffen, dann suchen wir uns ein verschwiegenes Eck.« Frau Hegel gab sich verschwörerisch. »Und dann lassen sie Paula und ihren Freund schauen.«

Patricia zögerte noch.

»Natürlich nur, wenn sie sich sicher fühlen.« Frau Hegel versuchte, auf Patricia einzugehen. »Wir wollen sie nicht dazu zwingen.«

Patricia schwieg weiterhin. Sie wollte weder die Regeln des Bundes brechen, noch wollte sie Hegels enttäuschen.

Frau Hegel holte noch einen Trumpf hervor. »Ich glaube, diese Paula möchte so einen Handschuh für ihren Freund tragen.«

»Dann sollten wir sie unterstützen.« Ein vorsichtiges Lächeln glitt über Patricias Gesicht.

»Ich freue mich, dass sie einverstanden sind.« Frau Hegel war sichtlich erleichtert. »Julia und Frauke werden auch dabei sein. Natürlich nur, wenn sie der Anblick einer Handschelle nicht stört.«

»Handschelle?« Patricia war sehr verwundert.

»Das ist eine lange Geschichte.« Frau Hegel lächelte ein wenig verlegen. »Fragen sie morgen einmal danach.«



Auch Julia und Frauke waren sehr angetan von dem Gedanken, heute noch einmal nach draußen zu kommen. »Aber wie machen wir das mit den Handschellen, wenn du doch den Handschuh trägst?« Frauke gab sich besorgt.

»Ich habe schon darüber nachgedacht.« Frau Hegel hatte die offenen Handschellen schon in der Hand. »Stellen sie sich einmal nebeneinander.«

Frauke und Julia kamen der Aufforderung nach.

Frau Hegel gab Frauke die nächste Anweisung. »Jetzt legen sie den Arm um Julias Körper.«

Frau Hegel trat näher und befestige die eine Handschelle an Fraukes Handgelenk, und dann befestigte sie dir andere an Julias Gürtel.

Patricia lächelte, als sie mit Umhang und Monohandschuh auf sie zu kam. »Ich stelle jetzt keine Fragen, wenn ihr mir morgen das Warum erklärt.«

Frauke und Julia blickte sich verwundert an.

»Eure Frau Hegel hat mich vorgewarnt« Patricia gab sich verschwörerisch.

»Julia, hier wäre der Umhang für sie.« Frau Hegel legte ein großes Stofftuch um Julias Schultern und fixierte es mit einer Nadel. »Jetzt können wir gehen.«

* * *

Erst als er vor dem Konsulat stand, fiel ihm ein, dass er eigentlich gar nicht wusste, wo er in dieser Stadt war. Doch diese Tara hatte ihn so sehr in den Bann gezogen, dass er noch einige Zeit in der Nähe des Grundstücks bleiben wollte. Gegenüber hatte er bei der Hinfahrt ein kleines Café entdeckt, vielleicht hatten sie noch einen Platz mit Blick auf das faszinierende Konsulatsgebäude.

Immer wieder musste er über diese faszinierende Frau nachdenken, die ihr neues Kleid das erste Mal ausführte, soweit glaubte er das verstanden zu haben. Und doch war es kein Kleid, sondern ein langer Schlauch, der sowohl ihren Armen als auch ihren Beinen jegliches Freiheit nahm.

Von so einer Frau hatte er immer wieder geträumt, doch nie war er ihr so nahe gekommen wie an diesem Nachmittag, der so unspektakulär begonnen und mit einem Orgasmus in seinen Armen geendet hatte.

Vielleicht hätte er noch ein paar Worte mit dem aus dem Chauffeur wechseln können, doch er ahnte, dass dieses Personal äußert verschwiegen sein würde.

Er erinnerte sich noch deutlich an das Auftreten der Mutter bei dem damaligen Besuch, und damals hatte er den Eindruck, dass die Mutter die treibenden Kraft war. Doch seit der Begegnung heute hatte er seine Ansicht geändert. Diese junge Frau strahlte trotz dieses fesselnden Kleides so viel Energie und Selbstbewusstsein aus, dass er sich nicht mehr sicher war, wer eigentlich die treibenden Kraft in dieser Familie war.

* * *

»Ich dachte, du wolltest dir die Mappe mit den Dossiers ansehen?« Jasmin wusste natürlich über den Auftrag Bescheid, auch wenn sie selbst solche Maßnahmen eher ablehnte.

»Es sind nur wenig Seiten.« Tara wollte ihre Ruhe haben. »Die solltest du doch in die Lesemaschine einspannen.«

Jasmin verdrehte die Augen. »Wie bist du bloß an diesen Apparat gekommen?« Natürlich kannte sie die Geschichte der ‚Lesehilfe‘.

»Den hat mir Onkel Herbert empfohlen.« Tara verdrehte ebenfalls die Augen.

Jasmin war es gewöhnt, von den Sachen, die Tara lesen wollte, Kopien zu machen, und diese dann in die Maschine einzuspannen. Trotzdem sträubte sie sich auch gern ein wenig.

Die Maschine war ein Import aus Padogenien, denn dort hatte jedes adelige Haus mindestens eine solche Lesehilfe. Es gab sie in verschiedenen Größen – Tara besaß die kleine Ausführung, die 25 Blätter bedienen konnte. Es gab sie auch für 50 und für 100 Seiten, doch diese kamen wegen ihrer Größe für einen so weiten und aufwendigen Transport nicht infrage.

Die jeweilige Prinzessin war so in der Lage, zwischen 50 und 200 Seiten zu lesen und immer, wenn sie umblättern wollte, musste sie nur eines der beiden Pedale treten.

Taras Exemplar war von dem Hausmeister des Konsulats noch mit einen Motor versehen, so dass sie mittels zwei kleinen Druckknöpfen hin und her blättern konnte, selbst wenn ihre Arme und Beine fixiert sein sollten. Der Schalter zum Umblättern konnte flexibel in Taras jeweiliger Reichweite angebracht werden.

Genau genommen war Jasmin sogar froh über diesen Auftrag, denn sie selbst wollte mit den Engeln nichts zu tun haben. Sie hatte auch nie verstanden, warum Tara sich mit ihrem besonderen Alltag gerade dafür gemeldet hatte.

Im Gegenteil, sie hielt allenfalls sich selbst für besser geeignet, so ein Engel zu werden, doch ihre Mutter war anderer Meinung gewesen, dies hatte sie ihr gleich zu Beginn des Entscheidungsprozesses und der Bewerbung gesagt.

Und da das Konsulat für die Betreuung der Angehörigen einen recht ordentliches Budget vorgesehen hatte, konnte Jasmin für sie zurücktreten, und die Unterstützung ihrer Schwester wurde ihr mit einem eigenen Auto und diversen anderen Vorteilen versüßt.



Die Lesemaschine sah von vorn aus, wie ein großer Notenständer, der vor schmalen Kommode steht. Jasmin hatte die Dossiers schon kopiert und spannte sie jetzt auf die einzelnen Trägerplatten ein. Zu ihrer Erleichterung benutzte Tara die Maschine nicht so häufig. Für ihr Studium suchte sie oft Orte in der Öffentlichkeit auf, da sie paradoxerweise dort in Ruhe lesen konnte.

Vor dem ‚Notenständer‘ stand eine Art Barhocker, an den sich die jeweilige Prinzessin anlehnen konnte. Unten an dem Ständer waren die Pedale angebracht, mit denen die Prinzessin das Umblättern veranlassen konnte, ohne dafür eine Dienerin zu bemühen.

Der König selbst hatte sich diese Maschinen ausgedacht, um die Bildung unter seinen adeligen Damen zu fördern.

Die einzelnen Seiten waren jeweils durch Plastikfolien im Rahmen geschützt, so dass auch eine Prinzessin mit einer Perle im Mund (und das kam oft vor) die Seiten mit ihrem zwangsläufig auftretenden Speichel nicht beschmutzen konnte. Jasmin war es gewohnt, die Folien regelmäßig zu putzen.

* * *

Hans hatte in dem kleinen Café tatsächlich einen freien Platz mit gutem Blick auf das Konsulat bekommen. Doch während er auf das Haus schaute, tat sich lange Zeit nichts, so dass er Gelegenheit hatte, dass soeben Erlebte noch einmal zu durchdenken.

Immer wieder ging ihm durch den Kopf, dass er die Konsulstochter in den Armen halten durfte, während sie einen Höhepunkt hatte. Er hatte noch nicht erkannt, was dafür der eigentliche Auslöser war, doch er war von der so ultrahilflosen Gestalt mehr als fasziniert.

Es war der Widerspruch, der ihn so sehr beschäftigte. Die Frau strahlte sehr viel Selbstbewusstsein und Stärke aus, und trug doch eine Kleidung, die sie sehr einschränkte und ihr fast alle körperlichen Freiheiten nahm. Was ihn aber noch mehr beschäftige, war Taras Aussage, dass sie dieses Kleid, so wie sie ihr Gefängnis selbst nannte, sich selbst ausgedacht und nach ihren Anweisungen von einer Schneiderin hatte maß anfertigen lassen.

Auf einmal wurde er aus seinen Gedanken gerissen. Vor dem Grundstück des Konsulats hatte ein Taxi gehalten, und der Fahrer war sehr hektisch bemüht, sich abschließend um seine Passagiere zu kümmern. Er musste ein sehr großzügiges Trinkgeld bekommen haben. Er öffnete zunächst die Tür hinter seinem Sitz, und ein gut aussehender junger Mann in Anzug stieg aus.

Der Fahrer ging um das Auto herum und öffnete die hintere Beifahrertür. Doch erst als der junge Mann sich in das Fahrzeug hinein gebeugt hatte, konnte seine Begleiterin ebenfalls aussteigen.

Hans erinnerte sich daran, dass von einem Besuch eines Herzogspaares die Rede war, und als er sah, dass Jasmin und ein weiterer Herr aus dem Konsulat herauskamen, ahnte er, dass dies der erwartete Besuch war.

Die junge Frau trug ein langes Kleid und einen Umhang. Mittlerweile ahnte Hans, warum sie den Umhang trug, und warum sie nie ihre Arme benutzte. Jetzt wurde ihm auch klar, was eben passiert war. Ihr Begleiter musste erst ihren Sicherheitsgurt lösen und ihr dann beim Aussteigen helfen.

* * *

Frau Hegel hatte den Stadtpark als Treffpunkt ausgewählt, weil er zwischen ihren Häusern lag und weil er die eine oder andere verschwiegene Nische zum Verweilen bot. Aus diesem Grund war der Park auch bei Liebespaaren sehr beliebt.

Paula und ihr Freund warteten. »Vielen Dank, dass sie uns das erlauben.« Paula war sichtlich erregt.

»Ich dachte mir, dass wir in eine der Nischen dort gehen.« Frau Hegel zeigte auf eine Heckengruppe, die von außen nicht einsehbar war. »Peter, sie passen bitte auf, ob Fremde kommen und warnen uns dann.«

Doch es bedurfte noch eines ermutigenden Blickes von Patricia, bis Peter der Aufforderung nach kam. Er selbst konnte diesem Handschuh noch gar nichts abgewinnen.

Patricia blickte sich zunächst misstrauisch um, doch dann entspannte sich ihre Miene nach und nach. »Ich glaube, sie können mir den Umhang abnehmen.«

Frau Hegel kam der Bitte zügig nach, und gleich darauf konnten zwei stolze Engel ihre Handschuhe vorführen.

Paula und ihr Freund waren beide sichtlich fasziniert.

Frau Hegel ahnte, dass sie selbst vermutlich nicht den Mut aufbringen würde zu fragen. »Wenn sie möchten, dürfen sie den Handschuh gern einmal anfassen.«

Doch es bedurfte noch ein paar ermutigende Blicke, bis sich Paula und ihr Freund sich dies wirklich trauten.

»Das ist so faszinierend.« Die Stimme von Paulas Freund hatte etwas Ehrfürchtiges.

»Wie lange lässt sich das so tragen?« Auch Paulas Stimme war leiser geworden.

»Es kommt auf das Training an.« Patricia selbst gab Auskunft. »Zu Anfang sicher nicht länger als fünf Minuten, doch wenn sie die Haltung gewöhnt sind, ist ein Tragen bis zu einigen Stunden durchaus möglich.«

»Und was kostet so ein Handschuh?« Paulas Freund zeigte großes Interesse, während Paula selbst daneben stand und sich auf die Lippen biss.

Frau Hegel seufzte. »Diese Handschuhe aus Leder sind sehr teuer.« Doch dann stutzte sie. »Wenn sie möchten, kann ich ihnen die Schnittmuster dafür zukommen lassen. Dann können sie vielleicht mit anderen Materialien anfangen.« Sie wusste, dass die Familie von Paula oft Sachen selbst machte.

Paula drehte sich sehr verliebt zu ihrem Freund. Mit großen Augen blickte sie ihn an. »Verstehst du nun, wie das geht mit nur einem Handschuh?«

Der Freund flüsterte ihr etwas ins Ohr, dann versanken sie in einen langen Kuss...

Frau Hegel gab den anderen ein Zeichen. Still und heimlich gingen sie weiter, nachdem die Monohandschuhe wieder unter den Umhängen verschwunden waren.

* * *

Etwas wehmütig schlich Tara sich in Richtung ihres Zimmers. Sie wusste, dass ihre Schwester ihr böse war, weil sie die Gelegenheit einfach so missbraucht hatte. Doch sie wusste andererseits, dass der Zorn ihrer Schwester nicht lange anhalten würde. Außerdem lag der nächste Termin sehr nahe. Normalerweise hatte sie nicht so einen vollgestopften Freitag, doch heute kamen gleich zwei außergewöhnliche Termine zusammen - zum einen der Empfang des Detektiv, der so ein schönes Ende gefunden hatte, und jetzt galt es ihre Mutter beim Empfang des Herzogspaares zu vertreten.

Der Arzt hatte es bei einer Routineuntersuchung ihrer Mutter festgestellt, und es hatte sich als harmlos herausgestellt, doch jetzt sollte sie noch für ein paar Tage zur Beobachtung in der Klinik bleiben. Er hatte sich persönlich dafür eingesetzt, weil er den sonstigen Ehrgeiz der Familie kannte. Er wusste, dass er besonders streng sein musste, weil sich die Frau des Konsuls sonst nicht daran halten würde.

Tara wusste davon, weil er sie ins Vertrauen gezogen und die Wichtigkeit des Aufenthalt betont hatte.

An sich konnte es Tara egal sein, denn ihre Umgebung war eingespielt und kannte sich auch ohne die Anwesenheit der Mutter aus.

Sie wusste auch nicht, ob sie sich über die Verpflichtung heute Abend freuen oder ärgern sollte. Natürlich war es spannend, eine Adlige aus der Heimat kennen zu lernen, auch wenn sie wusste, dass ein längerfristiger Kontakt nicht geboten war. Wenn sie wieder einmal in der Heimat sein würde, dann würde dieser Abend keine Bedeutung haben. Die Gesetze ihres Landes waren in dieser Richtung sehr streng.

Sie seufzte. Seit sie drei Jahre alt war, wohnte sie zusammen mit ihrer Familie und dem Personal in dieser norddeutschen Kleinstadt, und Deutsch als Sprache war für sie genauso selbstverständlich wie die Sprache ihre Heimatlandes – mit ihrer Mutter sprach sehr oft auf Padogenisch.

Sie war es gewohnt, dass die deutsche Sprache in fast allen Aspekten sehr viel reicher war als ihre eigentliche Muttersprache. Nur wenn es an die Kleidung der Prinzessinnen ging, wurde es umgekehrt. Für das deutsche Wort ‚Monohandschuh‘ gab es in der anderen Sprache bis zu sechs unterschiedliche Begriffe, und die hingen mit dem Status der Trägerin zusammen.

Es gab ihr außerdem immer einen Stich, wenn sie eine Frau in rotem Leder auf der Straße sah. Rotes Leder war der königlichen Familie vorbehalten, und ein Verstoß dagegen wurde streng bestraft.

Ein einziges Mal war sie bisher im Palast eingeladen gewesen, und sie träumte sich immer wieder zurück zu diesem beeindruckenden Erlebnis.

* * *

Schon vor einem Jahr war ein Brief aus der Heimat gekommen, der die Ankunft des Herzogs und seiner Frau ankündigte. Der Besuch in Deutschland stellte den Abschluss der Flitterwochen dar – gewünscht hatte sich das die Herzogin, deren Eltern deutsche Wurzeln hatten.

An sich waren solche Empfänge für das Konsulat nichts Ungewöhnliches, es gab in der Regel einmal pro Monat ein solches Ereignis.

Spannend wurde es erst, als zwei weitere unerwartete Ereignisse zusammentrafen. Vor einem Monat ungefähr traf der Brief des Herzogs ein, der eine besondere Bitte enthielt. Und vor zwei Wochen wurde die Mutter zur Beobachtung ins Krankenhaus geschickt. Und letzteres bedeutete, dass Tara die Rolle ihrer Mutter zu übernehmen hatte, mit allen Konsequenzen.

Wichtiger jedoch war der Brief des Herzogs, der in einem eigentlich nicht üblichen Ton anfragte, ob es möglich sei, während des Aufenthaltes im Konsulat und des geplanten Essens die vollständigen Regeln ihres Heimatlandes gelten zu lassen. Er hatte zwei Begründungen angegeben, zum einen war das Ehepaar direkt nach ihrer Rückkehr aus Deutschland zum König eingeladen, deswegen wünschte sich das Paar einen Empfang gemäß allen Regeln, die am Hof des Königs galten. Es wäre so eine Art Generalprobe.

Weiterhin würde die zukünftige Herzogin für einen Backprayer trainieren. In dem Brief wurde an dieser Stelle allerdings der padogenische Begriff benutzt, den auch der Vater erst nachschlagen musste, obwohl er sich sonst mit den Vorschriften, Sitten und Gebräuchen seines Landes sehr gut auskannte.

Bisher hatte Tara die Anfrage als uninteressant abgetan, doch mit der Einweisung ihrer Mutter ins Krankenhaus wurde es plötzlich ernst für sie, und sie begann sich zu informieren, was die ‚Etikette am Hof des Königs‘ eigentlich genau bedeutete.

Und je mehr sie in der hauseigenen Bibliothek recherchiert hatte, desto mehr freute sie sich auf den Besuch des Herzogspaares, denn es gab einige aus ihrer Sicht sehr faszinierende Regeln. Alle adeligen jungen Damen hatten bei allen offiziellen Anlässen den ihrem Rang entsprechenden Monohandschuh zu tragen. In Gegenwart anderer Männer hatten sie zudem eine Perle im Mund zu tragen.

Und genau danach hatte der Herzog für seine junge Frau gefragt. Tara wusste sofort, dass dann alle diese Regeln auch für sie gelten würde. Mit ihrer Mutter hatte sie auch über den Backprayer gesprochen. Die Mutter kannte den Begriff zwar, aber ihre Reaktion zeigte deutlich, dass es etwas war, was sich intim zwischen zwei Liebenden abspielte und normalerweise das Schlafzimmer nicht verließ.

Das hatte Tara erst recht neugierig gemacht, und sie hatte sich deswegen auch in den einschlägigen Quellen informiert. Deswegen war sie umso mehr neugierig auf die Herzogin. Als sie dann noch erfahren hatte, dass ihre Mutter ins Krankenhaus musste und sie sie deswegen sie vertreten musste, war sie sehr glücklich. Zum einen freute es sie, dass sie formal ihre Mutter vertreten durfte, zweitens hatte das Paar nach den Sitten des Heimatlandes nachgefragt, und Tara wusste, dass sie somit ebenfalls einen Monohandschuh zu tragen hatte. Und drittens hoffte Tara, wenn sie mit der Herzogin allein war, sie etwas über den Backprayer ausfragen zu können. Unter Frauen allen war man schon eher bereit, über Details aus dem Schlafzimmer zu sprechen.



Jasmin wartete schon auf ihre Schwester. Sie wusste natürlich auch von dem Besuch des Herzogspaares und war bemüht, ihren Vater nach Kräften zu unterstützen. Die Eltern der Braut stammten aus Deutschland, und deswegen machten sie ihre Hochzeitsreise in dieses Land. Es war die Hauptaufgabe des Konsulats, sich um Reisende des Heimatlandes zu kümmern.

Der Groll gegen ihre unvorsichtige Schwester war schon so gut wie verflogen.

Das bodenlange Abendkleid lag schon bereit, ebenso das dazugehörige Korsett und der violette Monohandschuh. Jasmin hoffte, dass sie nicht zu viel Zeit für das Ausziehen des neuen Kleides brauchen würde. Immerhin hatte ihr die Schneiderin gezeigt, welche Nähte sie zu öffnen hatte, und sie hatte ihr auch ein entsprechendes Werkzeug dagelassen.

Mit dem ‚normalen‘ Korsett kannte sie sich gut aus und konnte es auch schnell anlegen. Immerhin galt auch in Padogenien eine schlanke Taille als schick, und jede junge Frau, nicht nur die adeligen, achtete sehr darauf. Genauso waren die Schneiderinnen alle darauf eingestellt, Korsetts für die meist jugendliche Kundschaft zu erstellen.

Außerdem waren die beiden Schwestern gut aufeinander eingespielt. Tara freute sich sehr auf den heutigen Abend.

279. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 9 - Veränderungen - Teil Fünf von Elf

geschrieben von Keuschli_69 am 15.08.20 07:12

Danke für die Fortsetzung! Immer wieder eine Freude!!!!
LG
Max
280. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 10 Besuche - Teil Zehn von Zwölf

geschrieben von gag_coll am 22.08.20 09:20

Der Mantel der Studentin
Kapitel 10 Besuche - Teil Zehn von Zwölf
Autor: Karl Kollar

Tara war nach der formalen Begrüßung durch ihren Vater zum ersten Mal allein mit der Herzogin. »Hoheit, dürfte ich euch eine Frage stellen?« Sie blickte aus dem Fenster des Gäste-Appartements, um nicht die ganze Zeit auf die besondere Halskette der Herzogin zu starren. Denn die Halskette war nichts anderes als ein Ballknebel, der im Moment um ihren Hals baumelte. Natürlich wusste Tara, was es damit auf sich hatte. Wenn mindestens ein fremder Herr anwesend war, dann würde es von der entsprechenden Dame erwartet zu schweigen. Und die jungen adeligen Damen wurde dafür ein Hilfsmittel angeboten. Erst wenn eine Frau das erste Mal Mutter geworden war, durfte sie auf den Ball in ihrem Mund verzichten. Schweigen wurde aber trotzdem von ihr erwartet.

»Ja natürlich«, lächelte die Herzogin. »Aber nur unter einer Bedingung…«

Tara war sichtlich verunsichert. »Und die wäre?«

Die Herzogin lächelte weiter. »Sie nennen mich ab sofort bei meinem Vornamen. Ich bin Maria.« Sie holte tief Luft. »Meine Eltern stammen aus Deutschland, deswegen haben sie auf einem deutschen Namen bestanden.«

»Sehr gern, Maria.« Tara zögerte. »Es ist aber eine sehr heikle Frage, die ich ihnen stellen möchte.«

»Nur zu, trauen sie sich ruhig. Ich beiße nur höchst selten.« Ein Lächeln glitt über ihr Gesicht.

»Bei der Anmeldung hat ihr Mann gesagt, sie trainieren für einen Backprayer?« Tara keuchte etwas, denn die Frage hatte sie Kraft gekostet.

Die Herzogin war für einen Moment sprachlos. »Das ist allerdings eine heikle Frage. In unserer Heimat wäre es undenkbar so etwas zu fragen. Aber da hätte es mein Mann sicher auch für sich behalten. Es war meine Idee, ihn das fragen zu lassen.«

Tara hörte aufmerksam zu, und sie erkannte sofort das große Vertrauen, welches das Ehepaar in das Konsulat setzte.

»Es ist eine besondere Form des ‚Monohandschuhs‘.« Herzogin Maria benutzte hier das padogenische Wort für den Monohandschuh des Hochadels.

»Er wird besonders eng geschnürt?« Tara legte stets sehr viel Wert darauf, dass die Handschuhe, die sie trug, gut geschnürt waren.

»Nein, die Armhaltung ist das Besondere.« Herzogin Maria grinste. »Die Arme liegen parallel auf dem Rücken, aber die Hände oben am Hals, und die Ellenbogen berühren sich.« Sie seufzte. »Bei mir geht das leider noch nicht, aber ich arbeite daran.«

Tara starrte die Herzogin mit offenen Augen an. Die alles entscheidende Frage zu stellen traute sie sich aber nicht.

»Die Cousine meines Mannes hat mir den Tipp gegeben.« Die Stimme der Herzogin wurde etwas leiser. »Die Vereinigung der Eheleute ist dann besonders intensiv, wenn sie verstehen, was ich meine.« Wieder benutze sie das Wort, welches im dortigen Hochadel gebräuchlich war.

Tara hatte Mühe, ihre Begeisterung im Zaume zu halten.

»Ich glaube, ich habe irgendwo eine Zeichnung.« Sie griff zu der kleinen Tasche und holte einen kleinen Zettel heraus. »Ich habe das immer bei mir, damit es mich daran erinnert, was ich schaffen möchte.«

Tara nahm die Zeichnung ehrfürchtig in die Hand. »Darf ich davon eine Kopie machen lassen?«

»Das ist aus einem Buch.« Die Herzogin dachte kurz nach. »Sie müssten es eigentlich auch hier in der Bibliothek haben, denn ist es das ärztliche Standard-Werk.«

Tara wusste sofort, welches Buch gemeint war. »Das habe ich nicht gelesen, weil es in padognisch geschrieben ist.«

»Es gibt dort ein Kapitel über die eheliche Pflichten des Adels.« Die Stimme der Herzogin wurde etwas leiser.

Tara war verwundert.

Die Herzogin wurde rot. »Naja, eigentlich steht es im Kapitel, welches sich mit der Langeweile in der Beziehung befasst. Aber Cla‘ara, die Cousine meines Mannes, schwört darauf. Normal mag sie schon lange nicht mehr.«

»Und wie lange könnte ich das tragen?« Tara war mehr als fasziniert von den Worten der Herzogin.

»Also wenn es gut trainiert ist, soll es für eine komplette Liebesnacht ausreichen.« Maria wurde noch leiser. »Es wäre aber wichtig, dass der Mann die Haltung vor dem Einschlafen wieder löst.«

»Und wenn er das nicht macht?« Tara fragte es, ohne über ihre Worte nachzudenken.

»Dann gibt es nächsten Tag mindestens heftigen Muskelkater.« Die Herzogin grinste.

»Ich verstehe.« Tara saugte begierig jedes Wort auf.

»Wenn mein Mann mich zum Abendessen holt, werde ich es ihnen zeigen.«

In diesem Moment klopfte es.

Die Herzogin überfiel ihren Mann, kaum dass er das Zimmer betreten hatte. »Schatz, ich möchte Tara gern zeigen, wie weit ich schon mit dem Backprayer bin.« Sie benutzte wieder das padogenische Wort dafür.

Der Ehemann war sichtlich stolz auf seine Frau, denn auch für den Mann versprach diese Haltung eine besondere Liebesnacht. Die Herzogin legte ihre Arme auf den Rücken, und der Ehemann hielt die Arme dann so, wie es für das Gebet auf dem Rücken nötig war.

»Von vorn sieht man dann gar keine Arme.« Tara war sichtlich fasziniert, als sie einmal um die Herzogin herum schritt.

»Ich brauche noch ein wenig, dann bin ich bereit für das Venuskorsett.« Die Begeisterung der Herzogin war deutlich zu hören.

»Venuskorsett?« Tara hatte diesen Begriff zwar schon einmal gehört, doch noch konnte sie ihn nicht einordnen.

»Ein Überbrustkorsett, welches dann die Arme in der Haltung des Backprayers mit einschließt«, erklärte der Mann.

»Nur noch die Finger schauen oben aus dem Korsett heraus.« Die Herzogin strahlte, als sie dies sagte. »Ich freue mich schon sehr.«

Der Mann schaute auf die Uhr. »Ich denke, wir müssen dann los. Maria muss sich noch umziehen.« Es war eigentlich die Botschaft an Tara, das Zimmer zu verlassen.

Doch Maria zögerte. »Aber es fehlt doch bloß noch der Monohandschuh.«

Darauf ging ihr Partner nicht ein. »Eben. Verabschiede dich von deiner Freundin und dann komm.« Er verließ das Zimmer.

Maria drehte sich zu Tara um und blickte sie mit einem Bedauern an. »Sie haben gehört.«

Tara lächelte. »Kein Problem.« Sie war der Herzogin sehr dankbar, denn sie hatte von einer neuen Haltung erfahren, die sie selbst auch sofort ausprobieren wollte. Gleichzeitig wurde sie noch einmal daran erinnert, dass sie sich sofort um ihre eigenen Perle zu kümmern hatte.

* * *

Herr Hegel empfing die kleine Gruppe schon an der Haustür. Er nahm seine Frau beiseite. »Jetzt müssen wir es ihr sagen.«

Frau Hegel verzog das Gesicht, doch sie musste ihrem Gatten recht geben. »Julia, kommen sie einmal bei uns vorbei, wenn sie den Handschuh abgelegt haben.«

Frauke blickte Frau Hegel kurz an.

»Ja, Frau Wiesl.« Frau Hegel nickte sorgenvoll. »Sie kommen bitte mit.«



»Was ist denn los?« Julia war sehr verwirrt, als sie zusammen mit den anderen ihr Zimmer betrat. »Sie sahen sehr besorgt aus.«

Frauke musste schlucken, bevor sie antworten konnte. »Es gibt auch große Sorgen.«

Julia gab sich pragmatisch. »Lass mich bitte aus dem Handschuh heraus. Ich will sofort zu ihnen gehen.« Erst jetzt realisierte sie, dass auch Patricia und Peter ihr Zimmer betreten hatten. »Macht es euch in der Zwischenzeit bequem.«



»Kommst du mit, Frauke?« Julia stand schon in der Tür, sie trug noch ihr Straßenoutfit, lediglich den Handschuh hatte sie abgelegt.

Frauke erhob sich seufzend. Sie hätte es Julia gern erspart, doch sie sah ein, dass sie es wissen musste. »Ich komme.« Als sie an der Tür war, drehte sie sich noch einmal kurz zu Patricia und Peter um. »Haltet euch bereit, es kann sein, dass wir euch gleich noch einmal sprechen müssen.«

Patricia hatte den Ernst der Situation begriffen, ohne dass sie jedoch den Grund dazu kannte. Sie ergriff Peters Hand und blickte ihn besorgt an.



Hegels erwarteten sie schon im Wohnzimmer. »Nehmen sie bitte Platz.« Er deutete auf das noch freie Zweiersofa.

Beide Frauen kamen der Aufforderung nach. Als Julia die besorgten Gesichter ihrer Gasteltern sah, ergriff sie unwillkürlich Fraukes Hand und hielt sie fest.

Frau Hegel ergriff mit leiser, aber doch bewegter Stimme das Wort. »Julia, ihre Eltern haben bei uns angerufen.« Sie machte eine bedeutsame Pause. »Sie werden am Sonntag bei uns vorbei kommen und uns besuchen.«

Julia wurde auf einmal kreidebleich. Sie stotterte und wusste nicht, was sie antworten sollte.

Es war Herr Hegel, der die richtigen Worte fand. »Wir müssen sie empfangen und anhören, das gebietet die Höflichkeit.« Wieder machte er eine deutliche Pause. »Aber seien sie vergewissert, dass wir sie nicht so einfach gehen lassen.«

»Sie müssen bei uns bleiben.« Auch Frau Hegel positionierte sich eindeutig auf Julias Seite. »Wir lassen sie nicht gehen.«

»Aber wie...« Julia stotterte noch mehr. Auf einmal wurde ihr bewusst, dass sie sich die vergangenen Tage alles andere als vorsichtig verhalten hatte, als sie so besorgt um Fraukes Zukunft war.

»Sie müssen dir gefolgt sein.« Frauke sprach das offensichtliche aus.

Bei Julia liefen die ersten Tränen. »Ich will sie nicht sehen.« Sie klang aber alles andere als überzeugend.

Frauke räusperte sich, doch bevor sie weiter sprach, holte sie sich bei Hegels noch die Zustimmung ein. »Wir haben uns da etwas ausgedacht.«

Julia horchte auf. »Wie...«

Frauke streichelte Julia erst einmal über das Gesicht, bevor sie weiter sprach. »Wir verstecken dich in meinem ...«

In diesem Moment hustete Frau Hegel.

Frauke bemerkte, dass sie fast ihr Geheimversteck gegenüber Herrn Hegel verraten hätte. Es war ihr nicht bekannt, ob er es nicht doch wusste, aber sie wollte es zumindest von sich aus nicht verraten. »Wir werden dich gut verstecken.«

Julia blickte mit verweinten Augen auf. »Aber wenn sie doch wissen, dass ich hier bin?« Sie schluchzte.

»Auch dazu habe ich eine Idee, doch dazu brauchen wir Patricia und Peter.« Frauke blickte nervös umher. »Ich habe sie schon vor gewarnt.«

»Ich gehe sie holen.« Herr Hegel erhob sich.



Patricia und Peter betraten das Wohnzimmer und nahmen am Wohnzimmertisch Platz. Von Frau Hegel wurden sie über die bisherigen Vorkommnisse unterrichtet.

»Das verstehe ich gut.« Peter gab sich nachdenklich. »Und was erwarten sie jetzt von uns?«

Frau Hegel blickte zu Frauke. »Wollen sie bitte ihren Plan noch einmal erklären?«

Frauke holte tief Luft. Die Anspannung war ihr deutlich anzusehen. »Hegels werden morgen die Eltern von Julia empfangen und sie auch durch das Haus führen.«

»Ja und?« Patricia blickte unsicher umher.

»Sie glauben nur, dass ihre Tochter bei uns ist.« Frau Hegel erläuterte die Details. »Wir zeigen ihr das Zimmer, welches wir an eine Studentin vermietet haben.« Sie blickte zu Patricia und Peter. »Es wäre gut, wenn wir sie dann zusammen bei einer pikanten Situation ‚ertappen‘ könnten.«

»Zusammen?« Patricia runzelte die Stirn.

»Sie und Herrn Behrens natürlich.« Die Frau des Professors lächelte vorsichtig. »Glauben sie, ein wenig schauspielen zu können?«

Patricia und ihr Freund blickten sich ungläubig an. Sagen taten beide noch nichts.

»Sie würden uns einen großen Gefallen tun«, ergänzte Herr Hegel.

Patricia hatte erkannt, was von ihnen beiden erwartet wurden. Sie legte ihre Hand auf seinen Schoß. »Ich glaube, das kriegen wir hin.«

»Aber glauben sie, dass sich ihre Familie davon abbringen lässt?« Peters Miene entspannte sich ebenfalls ein wenig.

»Wir leugnen ja nicht, dass wir an eine Studentin vermieten.« Herr Hegel hatte den Plan auch schon verinnerlicht. »Es ist eben nur nicht Julia Sommer.«

»Und wo wirst du zu der Zeit sein?« Patricia blickte zu Julia, während sie die Hand ihres Freundes streichelte.

Frau Hegel mischte sich ein. »Es ist besser, wenn sie das gar nicht wissen. Dann können sie es auch nicht versehentlich ausplaudern.«

»Ich danke ihnen, dass sie uns helfen wollen.« Herr Hegel erhob sich. »Wir werden uns auch erkenntlich zeigen.«

* * *

Auf das Abendessen mit der Herzogin freute sich Tara schon die ganze Zeit, seit sie davon erfahren hatte.

Selbst die Dienerin Berta hatte sich zusammen mit Taras Vater über die Pflichten informiert, die von einer entsprechenden Dienerin am Königshof erwartet wurden.

Doch noch gab Berta sich zweifelnd. »Ich weiß nicht, ob ich das wirklich hinbekomme.«

»Es ist ja nur ein Rollenspiel.« Der Konsul versuchte, sie zu beruhigen. »Und wenn sie etwas falsch machen, dann korrigieren sie es einfach.«

»Und wenn ich es gar nicht erst bemerke?« Die Dienerin blieb skeptisch.

»Der Herzog wird es ihnen dann schon sagen.« Er zeigte ihr den entsprechenden Abschnitt aus dem langen Brief. »Es ist dem Herzogspaar durchaus bewusst, dass wir hier uns anders benehmen und vor allem lange nicht so streng, wie es am Königshof gehandhabt wird.«

»Aber ich habe nichts passendes zum Anziehen?« Es war für Berta immer noch nicht vorstellbar, einer Adeligen aus ihrer Heimat so nah zu kommen.

Der Konsul wischte den Einwand weg. »Bleiben sie einfach so wie sie sind.«

Berta war noch verunsichert.

»Es ist ja nur eine Probe für die Herzogin.« Konsul Winthrop machte eine bedeutsame Pause. »Wichtig ist eigentlich nur, dass sie bei dem Umgang mit den Perlen und dem Handschuh sicher sind.«

Berta war immer noch nicht überzeugt.

»Der Herzog hat uns hier noch einmal die wichtigsten Tischregeln zusammengefasst.« Er zeigte ihr die entsprechenden Stellen aus dem Brief. »Er wünscht außerdem, dass sie erst Tara bedienen und dann die Herzogin.«

»Umgekehrt wäre es angebrachter.« Sie verzichtete aber darauf zu erwähnen, dass die Herzogin in der dortigen Hierarchie weit über Tara stand.

Der Konsul hatte insgeheim mit diesem Einwand gerechnet. »Die Herzogin möchte sich auf eine Begegnung mit der Königstochter vorbereiten. Und da steht sie eben an zweiter Stelle.«

Berta schwieg für einen Moment.

Er spürte, dass er so gut wie gewonnen hatte. »Und wenn sie den Mädchen die Perle aus dem Mund nehmen, sollten sie für jede Dame ein neues Tuch zur Hand haben, um die Perle zu trocknen und den Mädchen den Mund abzuwischen, wenn sie es wünscht.«

»Und woran erkenne ich das?« Sie versuchte ihre Skrupel zu verdrängen.

»Sie macht eine Geste mit den Augen.« Der Konsul lächelte. »Dazu müssen sie ihr natürlich ins Gesicht schauen.«

Berta wurde langsam zuversichtlicher.

»Ich mache ihnen eine Kopie des Briefes.« Dies hatte er sich schon zu Beginn des Gesprächs vorgenommen. »Dann können sie alles noch einmal in Ruhe nachlesen.«

* * *

Berta hatte sich wirklich gut vorbereitet. Sie hatte den Brief mehrfach gelesen und hatte wegen einiger Aspekte sogar einmal Jasmin zur Hilfe genommen, um ihrerseits mit ihr zu üben.

Es gab viele versteckte Details, die von ihr erwartet wurden. So musste sie sich zum Beispiel beim Abnehmen der Perle merken, in welchem Loch der jeweilige Riemen geschlossen war. Die Hoheit erwartete, dass ihr die Perle dann auch in der gleichen Strenge wieder angelegt werden würde.

Der Handschuh wurde erst kurz vor dem Auftragen des ersten Ganges abgenommen, und natürlich musste die jeweilige Dienerin aufpassen, dass sie die Handschuhe nicht verwechselte oder gar einer Dame einen Handschuh anlegte, der ihr gemäß ihres Ranges überhaupt nicht zustand.

Für die Perle gab es noch strengere Regeln. Erst nach dem Servieren der Speisen und eventuell nach dem Tischgebet wurde die Perle abgenommen. Und sobald der Ranghöchste – in diesem Fall natürlich der König – mit seinem Essen fertig war, mussten auch alle anderen aufhören, und die inzwischen von den Dienern abgetrockneten Perlen wurden noch vor dem Abräumen des Geschirrs wieder angelegt.



Tara empfand es überhaupt nicht als richtig, vor der Herzogin bedient zu werden, und erst gutes Zureden ihres Vaters bewirkte, dass sie es akzeptierte – schließlich war es der ausdrückliche Wunsch der jungen Braut.

Mit der Perle im Mund an sich hatte sie keine Probleme, nur das Sabberverbot forderte die Konsulstochter doch ein wenig.

Sie musste sich fast die ganze Zeit sehr darauf konzentrieren, die Lippen fest um die Perle gedrückt zu halten. Normalerweise hätte sie sich in dieser Situation gern gehen lassen, doch heute war das nicht angebracht.

Eigentlich mochte sie diesen Zustand, in dem sie nicht antworten konnte und zu schweigen hatte. Die Perle im Mund steigerte allerdings auch ihre Erregung, und war dann leicht möglich, dass sie ganz gleich bei welcher Gelegenheit einfach so zur Explosion kam.

Die Regeln ihres Heimatlandes hatten sie schon immer fasziniert, zumal sie wusste, dass es für Konsulatsangehörige Momente gab, in denen diese Regeln auch für sie selbst galten. Heute war so eine Gelegenheit, und Tara fieberte schon lange darauf, endlich ein Mitglied des Hochadels kennenzulernen. Als sie dann erfuhr, dass ihre Mutter während des Besuchs nicht anwesend sein würde, und sie, die älteste Tochter des Konsuls, sie zu vertreten hatte, war ihre Vorfreude riesengroß.

Sie wusste schon genau, welches Abendkleid sie anziehen wollte, und auch das Tragen des Monohandschuhs hatte sie zusammen mit Jasmin schon wieder geübt. Es störte sie auch überhaupt nicht, dass sie als Angehörige des diplomatischen Dienstes nur ein violettes Exemplar tragen durfte.

Sie kannte einige der Regeln, die im Zusammenhang mit diesen Monohandschuhen galten, und sie wusste, dass Rot allein der Kronprinzessin vorbehalten war. Sie war deswegen auch sehr gespannt, welche Farbe der Handschuh der Herzogin haben würde. Sie selbst tippte auf Blau, die Farbe des niederen Adels, während Berta überzeugt war, dass das Herzogspaar dem Hochadel angehörte und deswegen Grün die richtige Farbe sein würde.

281. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 9 - Veränderungen - Teil Fünf von Elf

geschrieben von Dark Marvin am 22.08.20 11:37

Wieder eine gelungene Fortsetzung, die Lust auf mehr macht.
Hoffe Julia kann ihre Eltern wirklich austricksen, aber ich glaube nicht, dass diese so schnell aufgeben werden.
Und ich bin schon gespannt, wann Julia und Tara aufeinander treffen.
Ich werde das Gefühl nicht los, dass die Engel nur eine Ausbildungseinrichtung ist, um (hübsche) Ausländerinnen auf eine Ehe in Padogenien vorzubereiten.
Vielleicht kann Julia der Ehe mit einem Bauern ja entkommen, wenn sie in Taras Heimatland zieht? Bin gespannt auf die Auflösungen.
282. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 10 Besuche - Teil Elf von Zwölf

geschrieben von gag_coll am 29.08.20 07:33

Der Mantel der Studentin
Kapitel 10 Besuche - Teil Elf von Zwölf
Autor: Karl Kollar

Sie war sehr nervös, als sie zusammen mit ihrem Vater den festlich gedeckten Saal des Hauses betrat. Schon der Vorbesitzer hatte dieses große Zimmer sehr prunkvoll eingerichtet, und das das Konsulat hatte die Einrichtung einfach übernommen.

Heute brannten ausnahmsweise alle Kerzen, und diese gaben dem Raum zusätzlich eine feierliche Atmosphäre. Berta hatte sich extra Jasmin und den Gärtner zu Hilfe geholt, um die vielen Kerzen zügig anzünden zu können. Sie trug schon das Kleid, welches sie normalerweise Sonntags zur Kirche anzog.

Auch Tara und ihr Vater hatten sich schon umgezogen. Der Konsul trug seinen Dienstfrack, an dem wie üblich ein paar Orden angebracht waren, und Tara trug das hochgeschlossene und langärmelige Abendkleid in einem dunklem Violett, auf dem sich die helleren Riemen des Handschuhs deutlich abzeichneten.

Natürlich trug Tara auch schon die farblich zum Handschuh passende Perle in ihrem Mund, Jasmin hatte sie ihr anlegt, gleich nach dem die Kerzen angezündet waren.

Der Konsul verfolgte das Geschehen um seine Tochter mit Sorgen, denn er wusste, wie sie normalerweise auf diese besonderen Gegenstände reagierte. Er kannte die Symptome und konnte eventuell anwesende Personen meistens geschickt von den Sorgen seiner Tochter ablenken. Doch für die heutigen Abend hatte er wirklich große Bedenken, was der Handschuh und die Perle mit seiner Tochter anrichten würden.



Bei der Suppe hielten sich alle noch an die bis dahin abgesprochenen Regeln. Berta nahm den beiden Damen erst die Perlen aus dem Mund und legte sie dann auf die Anrichte auf das Tuch, was sie für diesen Zweck dort hin gelegt hatte. Erst danach befreiten sie die Damen von ihren Handschuhen, so dass dann das gemeinsame Essen weitgehend schweigend beginnen konnte.

Erst nach der Suppe fiel Berta auf, dass für diesen Zeitraum noch nichts ausgemacht war und sie blickte unauffällig zum Konsul, um vielleicht eigene Hinweise zu bekommen.

Doch Taras Vater war genauso ratlos. Er deutete Berta lediglich an, dass sie abräumen könne und den Hauptgang bringen könne.

Der Herzog schien Bertas Zögern auch zu spüren. »Ich glaube, das sparen wir uns.« Er blickte seine Frau verliebt an. »Sie haben alles vorbereitet, dann wollen wir es auch nicht kalt werden lassen.«

Es war der Herzogin anzusehen, dass sie gern wieder die Perle im Mund getragen hätte, doch sie wagte es nicht, ihrem Mann zu widersprechen. Sie zwang sich ein leichtes Lächeln ins Gesicht.



Gleich nach dem Hauptgang, der Herzog hatte nur noch gewartet, bis jeder am Tisch fertig geworden war, bat er Berta, den Damen die Handschuhe wieder anzulegen. »Bis zum Nachtisch können wir uns etwas Zeit lassen.«

Ein Lächeln glitt über das Gesicht des Konsuls, welches jedoch nur seine Besorgnis verbergen sollte. Bisher hatte sich seine Tochter sehr unter Kontrolle gehabt, und je länger das Essen jetzt dauerte, desto größer war die Wahrscheinlichkeit, dass bei ihr wieder passieren würde. Er hatte sich deswegen auch einige Themen herausgesucht, die er jetzt ansprechen konnte.

Tara focht innerlich einen Kampf aus. Sie versuchte, ihre immer stärker werdende Erregung zu unterdrücken, und paradoxerweise half ihr Berta, indem sie den Handschuh dieses Mal besonders streng zusammenschnürte. Die ungewohnte Beanspruchung der Muskeln bewirkte tatsächlich eine Ablenkung von ihren eigentlich üblichen Gefühlen bei dieser Gelegenheit. Doch sie war Berta deswegen nicht böse, ganz im Gegenteil, sie versuchte, sie durch leises Schnurren zu noch mehr Strenge zu ermutigen.



Eigentlich hatte Tara nur Smalltalk erwartet, doch schon die zweite Frage ihres Vaters hatte ihr besonderes Interesse geweckt. Der Konsul hatte nach der jüngeren Schwester des Herzogs gefragt – ob sie noch auf dem Internat wäre und ob sie immer noch diese Sportler-Karriere anstreben würde.

Der Herzog lächelte kurz. »Sie ist natürlich schon in festen Händen, und die Vermählung findest bald statt.« Er berichtete davon, dass seine Schwester aktuell im Internat lebt und dort ein besonderes Studium begonnen hatte. Es handelte sich jedoch nicht um ein reines Sportstudium, sondern um eine Manager-Akademie, bei der Sportausbildung, insbesondere in Ballett, aus verschiedenen Gründen eine besondere Rolle spielte. Er hatte sich in der Vergangenheit gelegentlich mit seinem zukünftigen Schwager über die Zukunft ausgetauscht.

»Luisaa und Sport?« Die Herzogin musste lachen. »Sie sitzt doch immer nur still in der Ecke und rührt sich nicht.«

Der Herzog erkannte sofort, dass er hier etwas erklären musste. »Schatz, wie oft hast du Luisaa bisher gesehen?«

Die Herogin musste nachdenken. »Ich glaube, erst einmal. Es war bei der Geburtstagsfeier deines Vaters.«

»Genau.« Der Herzog holte tief Luft. »Denn die meiste Zeit ist sie im Internat.« Er nannte einen Namen, der Tara allerdings nichts sagte.

Taras Vater schien es zu kennen. »Haben sie immer noch so strenge Regeln?«

Der Herzog nickte. »Streng, konsequent und ausdauernd.«

Beide Frauen blickte neugierig auf.

»Sie haben eine bemerkenswerte Philosophie.« Der Herzog holte tief Luft. »Sie vergleichen es gern mit einem Jagdfalken, der in den Ruhephasen eine Lederhaube trägt.« Er hielt kurz inne, so als wolle er seine Worte besonders wirken lassen. »Aber wenn die Haube abgenommen wird, dann weiß er, dass nun Höchstleistungen erbringen muss.«

Es kam keine Antwort, weder vom Konsul noch von den beiden Damen.

»Der Vergleich ist natürlich nicht ganz passend, aber die Leiterin des Internats legt großen Wert darauf, dass die Mädchen ihre Energien auf das Ballett und die anderen Sportarten konzentrieren.« Er machte erneut eine Pause. »Deswegen tragen sie in ihrer freien Zeit eine spezielle Uniform, die ihnen nur minimale Freiheiten erlaubt und sie zwingt, sich ganz auf die Übungen zu fokussieren.«

»Was ist das für eine Uniform?« fragten Tara und die Herzogin fast gleichzeitig.

»Ich dachte mir schon, dass euch das interessiert.« Ein Lächeln glitt über das Gesicht des Herzogs. »Im Internat tragen sie meistens ein langes Kleid, bei dem die Ärmel weitgehend fest genäht sind. Und das Beinteil des Kleides schränkt die Bewegungsfreiheit der Beine stark ein.«

Beide Damen seufzten.

»Ich habe sie öfters mal besuchen dürfen, und sie war sehr stolz auf ihre Uniform.« Er seufzte. »Aber sie konnte sich wirklich nur sehr langsam und mühsam bewegen. Das aber tat sie sehr aufrecht, mit großer Körperspannung und Eleganz.«

»Das kann ich mir gut vorstellen«, antwortete Tara verträumt, während die Herzogin nur seufzte und ihren Mann schmachtend ansah.

»Schatz, möchtest du nicht noch etwas trainieren?« Der Herzog blickte auf die Perle, die noch neben dem Teller der Herzogin lag.

Die Herzogin verzog das Gesicht. »Gerade jetzt, wo es so spannend ist.« Sie setzte eine Schmollmiene auf.

»Genau deswegen. Jetzt wäre die Versuchung besonders groß.« Der Herzog gab Berta das verabredete Zeichen.

Die Dienerin trag hinter die Herzogin und legte ihr wie verlangt den Ballknebel an.

Tara und der Konsul blickten dem Schauspiel verwundert zu, doch sie wagten es nicht, eine Frage zu stellen.

Natürlich hatte der Herzog die Blicke bemerkt. »Sie möchte das Tragen der Perle üben, oder besser gesagt, das Schließen der Lippen um die Perle.«

Tara erkannte die Zusammenhänge sofort. Es ging darum, den Speichelfluss trotz des Balles im Mund unter Kontrolle zu halten, denn der durch den Ball geöffnete Mund verhinderte das Schlucken.. Etwas, was ihr selbst nie besonders leicht fiel. Sie wartete, bis Berta mit der Herzogin fertig war, dann wandte sie sich an die Dienerin und bat um die gleiche Behandlung.

Doch der Herzog widersprach. »Es kann vorkommen, dass die Königstochter noch etwas reden möchte, während die anderen Damen schon zu schweigen haben. Auch darauf möchte mein Schatz sich vorbereiten.«

Tara brauchte einen Moment, bis sie sich mit der neuen Situation abgefunden hatte. So langsam fiel ihr der eindringliche Blick der Herzogin in ihre Richtung auf. »Sie möchten, dass ich noch mehr zu der Schwester frage?«

Die Herzogin bestätigte Taras Vermutung mit einem Nicken.

Ohne das Tara noch etwas sagen musste, fuhr der Herzog fort. »Ich hatte sogar um einen Termin bei der Direktorin gebeten und habe mir ihre Methoden und Konzepte erzählen lassen.« Er nahm einen Schluck Wein. »Sie hatte mich durch das Internat geführt und mir in den einzelnen Räumen die jeweiligen Hintergründe dazu erklärt.«

»Klingt spannend«, keuchte Tara.

»Sie sollen dort zu einem sehr bewussten Leben erzogen werden, bei dem sie bei jeder Tätigkeit Höchstleistung erbringen sollen, aber gleichzeitig an jeder gewöhnlichen oder nachlässigen Tätigkeit gehindert werden.« Der Herzog gab die Konzepte der Direktorin wieder.

»Und wie erreichen sie das?« Tara fühlte in sich eine gewisse Anspannung.

Der Herzog lächelte. »Sie bekommen für jede gewünschte Tätigkeit die maximal nötige Bewegungsfreiheit, die ihnen aber sofort genommen wird, wenn sie sie nicht benötigen, damit sie nur bewusste Leistungen erbringen.«

Tara keuchte erneut, und auch die Augen der Herzogin begannen zu leuchten.

»Wir waren gerade in der Ballettstunde, und kaum das die Musik verstummt war, als die Mädchen ihre Ballettschuhe auszogen und dann geduldig darauf warteten, von den Betreuerinnen in einen sehr strengen Monohandschuh und einen Humpelrock gekleidet zu werden. Zuvor bekamen sie noch sein strenges Sportkorsett über ihr Trikot geschnürt, und ein Halskorsett wurde ihnen angelegt, um ihre Köpfe ruhig zu halten. Die Betreuerinnen halfen ihnen dann noch, in Schuhe mit sehr hohen Absätzen zu schlüpfen.« Der Herzog strich seiner Frau zärtlich über das Gesicht. »Es ist sehr schön, eine so flexible Frau in einen Monohandschuh zu schnüren.«

Obwohl die Herzogin ihre Lippen konzentriert um den Ball in ihrem Mund presste, schaffte sie es trotzdem, ihm mit den Augen einen Liebesgruß zuzusenden.

»Dann waren wir im Speisesaal.« Der Herzog erzählte weiter. »Der hohe Tisch und die hohen Stühle waren mir sofort ins Auge gefallen.«

Tara runzelte die Stirn, doch sie traute sich nicht, den Herzog zu unterbrechen.

»Die Mädchen betreten den Speisesaal mit angelegtem Monohandschuh und müssen sich dann auf die Stühle setzen, wo ihnen sofort die Beine nach hinten hoch genommen und an dem jeweiligen Stuhl unter der Sitzfläche festschnallt werden. Erst dann werden ihnen die Handschuhe und die Halskorsetts abgenommen. Die Regeln beim Essen sind so ähnlich wie hier bei uns heute Abend.« Der Herzog machte eine kurze Pause. »Nach dem Mittagessen werden die Monohandschuhe wieder angelegt, und die Mädchen bekamen die Lederhauben mit Öffnungen für Augen, Mund und Ohren angelegt, die sei nachmittags im Unterricht in den Klassenzimmern tragen sollten.«

»Aber wozu soll so eine Haube gut sein, wenn sie gar nicht einschränkt?« Tara wunderte sich.

»Oh, das wird flexibel gehandhabt, « erklärte der Herzog. »Nach dem Mittagessen haben die Mädchen eine Pause, und dann dürfen sie sich aussuchen, ob sie sich in kleinen Gruppen unterhalten wollen, sich zu einer Ruhepause hinlegen wollen, oder einen Spaziergang im Garten machen. Jeweils natürlich weiter in ihrer Uniform.« Wieder unterbrach er kurz, um seine Worte wirken zu lassen.

Der Atem seiner Zuhörerinnen schien etwas schneller zu gehen.

»Bei denen, die sich unterhalten wollen, wird an den Hauben nichts verändert.« Der Herzog setzte seine Beschreibung fort. »Die, die sich hinlegen wollen, bekommen Augen- und Ohrenpolster sowie eine Mundabdeckung an ihre Hauben geschnallt, damit sie ungestört ruhen können. Mädchen, die Spazieren gehen wollen, werden in Dreiergrüppchen nebeneinander zusammengefasst. Alle bekommen die Mund- und Ohrenabdeckungen angelegt, und die äußeren beiden zusätzlich eine Augenbinde. Die Enden ihrer Monohandschuhe werden mit einer kurzen Kette verbunden, und das mittlere Mädchen, das als einziges sehen kann, muss seine Kameradinnen führen. Die anderen beiden müssen sich ohne Seh- und Hörsinn ganz auf ihre Führerin einstellen, indem sie sie möglichst an den Schultern berühren und auf den Zug an ihren Handschuhen achten.«

Der Blick der Konsulstochter hatte sich gewandelt, jetzt lag wieder Bewunderung und Neid in ihrem Blick. Es ärgerte sie ein wenig, von einem Alltag zu erfahren, der wesentlich strenger war als ihr eigener. »Und was für eine Rolle spielen die Hauben im Unterricht?«

Der Herzog erzählte weiter. »Wie ich schon sagte, die Sinne und Wahrnehmungen der Mädchen sollen einzeln geschärft werden. Im Unterricht müssen sie beispielsweise mit ihren Augenbinden Diskussionen führen, ohne ihre Gesprächspartner sehen zu können. Dabei lernen sie, auf jede Nuance zu hören. Oder sie müssen mit Ohrenpolstern, aber ohne Augenbinde einen Film über ein Gespräch anschauen und die Emotionen der Personen herausfinden. Sofern keine verbale Beteiligung erwartet wird, tragen die Mädchen ihre Mundabdeckungen, wenn sie nicht schreiben müssen, ihre Monohandschuhe. Wenn sie schreiben, dürfen sie nur eine Hand benutzen, mit der anderen müssen sie eine Schlaufe hinten im Rücken an ihrem Korsett festhalten. Der Unterricht ist natürlich sehr variabel, aber wie gesagt, sie bekommen dafür jeweils nur die unbedingt notwendigen Freiheiten.«

Tara keuchte. Ihr Puls ging schneller. »Und wie übernachten die Mädchen?«

»Das hatte ich auch gefragt« lächelte der Herzog. »Sie hat mich dann in den Schlafsaal geführt, und zu ihrer Überraschung lag tatsächlich ein Mädchen auf dem Bett. Ich hatte große Mühe, mich von dem Anblick loszureißen.«

»Warum?«, keuchte Tara.

»Sie war in ein Ganzkörperkorsett geschnürt und trug dazu noch einen Monostiefel. Ihre Arme waren noch einmal extra in Armkorsetts geschnürt und an dem Ganzkörperkorsett befestigt. Dazu trug sie Fausthandschuhe und eine sehr strenge Kopfhaube. Sie schien zu schlafen, denn sie schien uns nicht zu bemerken.« Er machte eine Pause. »Leider hat die Direktorin darauf bestanden, den Schlafsaal sofort wieder zu verlassen.«

Ohne das der Konsul etwas gesagt oder gedeutet hätte, trat Berta auf Tara zu und schob ihr die Perle wieder in den Mund. Die Konsulstochter war darüber so verblüfft, dass sie auf jegliche Gegenwert verzichtete.

»Es gab dann noch eine Überraschung für mich.« Der Herzog setzte ein geheimnisvolles Grinsen auf.

»Jetzt machen sie es aber spannend.« Der Konsul hatte sich bisher zurückgehalten, doch jetzt waren ihm die großen Augen seiner Tochter aufgefallen.

»Meine Schwester wartete im Büro der Direktorin auf mich. Ich hätte sie fast nicht wieder erkannt.« Er machte eine bedeutsame Pause. »All ihre Bewegungen waren aufrecht und von kontrollierter Anspannung – nichts von dem, was ich eigentlich von kannte, war noch übrig. Kein Schulterhängen und vor allem keine nachlässigen Bewegungen – stattdessen strahlte sie eine Autorität aus, die mir fast den Atem genommen hatte. Erst als sie mich begrüßte, erkannte ich sie auch als meine Schwester wieder.«

»Faszinierend.« Der Konsul war von der Schilderung sehr berührt.

»Warten sie ab, das beste kommt ja erst noch.« Der Herzog streichelte seiner Frau noch einmal zärtlich über die Wange. »Bitte nicht eifersüchtig sein.« Dann wandte er sich wieder an Tara und ihren Vater. »Erst als ich an ihrem Körper herab blickte, erkannte ich die eigentlichen Besonderheiten ihres Auftritts. Zum einen schien sie ein sehr strenges Korsett zu tragen, was mich aber wenig verwunderte. Doch als mein Blick auf ihre Füße fiel, musste ich mich doch wirklich hinsetzen, so verblüfft war ich.«

Tara ließ ihre Augen rollen, sie hoffte, dass ihr Vater und vielleicht auch der Herzog es bemerken würden.

»Sie trug wadenlange Ballettstiefel ohne Absätze.« Der Herzog wurde bei diesen Worten leiser. »Die Direktorin erzählte dann mit sichtbarem Stolz, dass Luisaa die beste Schülerin ihres Jahrgangs sei.«

Berta räusperte sich. »Wären sie dann bereit für den Nachtisch?« Sie hatte Taras wachsende Erregung bemerkt und hoffte, dass das Eis erst einmal für etwas Abkühlung sorgen würde.

Es war der Herzogin anzusehen, dass sie gern noch mehr über Luisaa erfahren hätte, doch der strenge Blick ihres Ehemannes bewirkte, dass sie ihre Lippen verschloss, kaum das Berta ihnen die Perlen abgenommen hatte.

Tara hätte ebenso gern noch ein paar Fragen gestellt, doch die Blicke von Berta und ihrem Vater hielten sie davon ab, auch wenn die Gründe dafür unterschiedlich waren.

* * *

Patricia holte einen Gegenstand aus ihrer Tasche, der Julia sehr bekannt vor kam.

»Was hast du denn damit vor?« Julias Stimme zitterte leicht, den sie hatte den Dildo sofort wiedererkannt.

»Du weißt, was das ist und wie man das trägt?« Sie formulierte es wie eine rhetorische Frage.

»Du musst so etwas auch tragen?« Julia stutzte, als sie Patricias Miene sah. »Du willst es tragen?«

Es klopfte. Frau Hegel trat. Sie ging auf Patricia zu und hielt ein kleines Schlüsselbund in der Hand. »Sie hatten darum gebeten, dass ich sie vor der Probe noch einmal aufschließe?« Sie ging auf das Mädchen zu und kniete vor ihr nieder.

»Ich mag mich und den Gürtel kurz sauber machen.« Sie erkannte, dass sie die drei Frauen sehr verwundert ansahen, deswegen schob sie eine Erklärung hinterher. »Beim Musizieren ist es wichtig, dass ich mich körperlich wohl fühle.



Als sie aus dem Bad kam, nahm sie sich den Dildo zur Hand und wärmte ihn mit den Händen ein wenig auf.

Frauke und Julia waren sehr verwundert. »Hast du den vorher auch schon getragen?«

Patricia lächelte. »Nein, natürlich nicht.« Sie klinkte den Dildo in das Schrittblech und zog beides zusammen dann langsam an den dafür vorgesehenen Platz. »Aber das Geigenspielen fällt mir damit sehr viel leichter.«

Beide Frauen waren über den 'coolen' Auftritt sehr fasziniert.

»Und wenn du mal musst?« Julia dachte an all das alles, was ihr heute Vormittag so durch den Kopf gegangen war.

»Ich habe alles nötige dabei.« Sie wirkte stolz, als sie die Bewunderung realisierte. »Und ich weiß ja, dass ich nach der Probe gleich wieder unter der Dusche stehen kann.«

»Wissen deine Eltern das?« Julia war immer noch hin und weg, und so langsam begann sie, den Dildo mit anderen Augen zu sehen.

»Meine Mutter weiß es.« Patricia schmunzelte. »Mein Vater freut sich lediglich, dass ich immer so leidenschaftlich spiele.«

»Verständlich«, grinste Julia.



Patricia legte ihre Tasche auf die Rückbank, dann setzte sie sich neben Frau Hegel, die sogleich den Motor an ließ. Die Hobbymusikerin war noch etwas betrübt, denn sie hatte sich gerade erst von ihrem Freund verabschiedet. Er hatte sie natürlich gefragt, ob er sie begleiten dürfe, doch Patricia musste mit schwerem Herzen ablehnen. »Es wäre nicht gut, wenn man uns zusammen sieht«, hatte sie ihm zwischen zwei Küssen mit trauriger Stimme erklärt.

»Haben sie alles, was sie brauchen?« Frau Hegel hatte vor dem Verlassen des Grundstücks den Wagen noch einmal angehalten.

Patricia warf noch einmal einen Blick auf ihre Tasche. »Ich denke, ich habe alles.«

»Ich bin sehr froh, dass sie uns helfen wollen.« Frau Hegel fuhr los, gleich nachdem sie sich wegen des Verkehrs umgeschaut hatte. »Sie sind sehr pflichtbewusst.«

Patricia zuckte mit den Schultern. »Ich wurde so erzogen.«

»Das ist nicht bei jedem so.« Die Frau des Professors wollte ihr Lob eingeordnet wissen.

»Es ist auch nicht immer einfach«, seufzte Patricia.

»Für die Engel wurden sie auch ausgesucht.« Es klang sehr viel Bewunderung in der Stimme mit.

Doch da kam ein leiser Widerspruch. »Nein, das war schon mein eigener Wunsch.«

Frau Hegel blickte sich verwundert um.

»Früher, als es noch erlaubt war, haben mich meine Eltern oft zu vielen Sitzungen mitgenommen«, erzählte sie mit begeisterter Stimme. »Ich habe zwar überhaupt nicht verstanden, was da vorgeht, aber ich war sehr begeistert von den Kostümen.« Sie holte tief Luft. »Ich war mir schon bald sicher, dass ich auch ein Engel werden wollte.«

Frau Hegel konnte ein Grinsen nicht unterdrücken. »Und als sie erfahren haben, um was es wirklich geht?«

Patricia schwieg zunächst. »Es ist ja nichts Negatives.« Sie grinste. »Es wird nur auf die Dauer sehr anstrengend.«

»Ein Engel bracht eine sehr gute Kondition«, seufzte die Frau des Professors.

»Oh ja.« Patricia klang zunächst begeistert, doch dann wurde ihre Stimme traurig. »Doch dann ist mir Peter über den Weg gelaufen.« Das Bedauern war deutlich in ihrer Stimme zu hören.

»Aber ein Engel darf doch einen Partner haben?« Frau Hegel ahnte zwar, um was es ging, doch sie wollte es nicht selbst aussprechen.

»Ja, natürlich.« Patricia seufzte. »Aber eine Vogel und ein Behrens, das geht gar nicht.« Sie erinnerte an den alten Familienzwist.

Den Rest der Fahrt schwiegen sie.



»Vielen Dank für's Herfahren.« Patricia bedankte sich bei ihrer Gastgeberin.

»Kein Problem.« Frau Hegel winkte ab. »Wann muss ich sie wieder abholen?«

Patricia musste kurz nachdenken. »Die Generalprobe ist gegen 23 Uhr aus.«

»Dann werde ich hier wieder warten.« Frau Hegel wartete, bis Patricia ihre Tasche aus dem Auto genommen hatte und die Tür geschlossen hatte, dann fuhr sie zurück zu ihrem Haus.
283. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 9 - Veränderungen - Teil Fünf von Elf

geschrieben von Dark Marvin am 01.09.20 18:20

Manchmal frage ich mich, warum weder Julia noch Tara ein Handbuch bekommen.

Bei Tara sollte man eigentlich annehmen können, dass sie alle Informationen jederzeit bekommen könnte. Aber offenbar kommt sie mit der Bibliothek nicht klar. Ist das eigentlich Absicht, dass alle Frauen des Landes ihre Kleider-Gefängnisse zur Luststeigerung einsetzen?

Bei Julia nehme ich an, dass man sie im Unklaren lässt, damit sie schrittweise ihrem Ziel als stets zu fesselnder und knebelnder Sklavin näher kommt und statt mit Angst und Gegenwehr mit Lust und Neugier reagiert.

Freue mich schon auf den nächsten Teil und bin auf die Auflösung gespannt, was die Engel mit dem geheimnisvollen Land zu tun haben.
284. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 10 Besuche - Teil Zwölf von Zwölf

geschrieben von gag_coll am 05.09.20 09:26

Der Mantel der Studentin
Kapitel 10 Besuche - Teil Zwölf von Zwölf
Autor: Karl Kollar

Berta hatte den Nachtisch aufgetragen und wartete auf das Signal des Herzogs, bevor sie Tara und der Herzogin die Perlen abnahm. Diesmal hatte sie das Handtuch gleich zur Hand und rieb die Bälle trocken, kaum dass sie den jeweiligen Mund verlassen hatten. Auch das Abwischen des Mundes ging dieses Mal wesentlich würdevoller vonstatten.


Die Herzogin war mit dem Abendessen sehr zufrieden. Am Schluss des Essens nahm ihr Mann ihr den Ball noch einmal aus dem Mund, und seine Frau bedankte sich bei allen für die vorzügliche Leistung. Sie sei jetzt etwas zuversichtlicher, was ihre baldige Begegnung mit der königlichen Familie betreffen würde.

Sie bat ihren Mann, sie auch noch einmal kurz aus dem Handschuh heraus zu lassen, denn sie wollte sich bei Tara und auch bei Berta für die tolle Leistung mit einer Umarmung bedanken.

»Wir danken für das schöne Abendessen.« Auch der Herzog bedankte sich noch einmal für den schönen Abend, dann wandte er sich an seine Frau. »Wir müssen uns dann umziehen.«

»Ziehen sie sich schon zurück?« Der Konsul war ein wenig verwundert.

Die Herzogin lächelte. »Nein, wir haben Theaterkarten.«

* * *

Peter war es eigentlich unangenehm, in einem fremden Haus zu sein, doch er verfolgte einen Plan, und deswegen wollte er sich als erstes mit Frau Hegel darüber austauschen. Er fing sie im Hausflur ab, gleich nachdem sie den Wagen abgestellt hatte. »Frau Hegel, hätten sie kurz Zeit für mich?«

»Herr Behrens?« Frau Hegel war ein wenig verwundert.

»Sie kennen sicherlich unsere Situation.« Er zögerte etwas. »Patricias und meine.«

Frau Hegel war unsicher. »Der alte Familienzwist?«

»Ja, genau.« Peter nickte. »Ich habe dazu eine Idee, aber ich weiß nicht, ob das wirklich so geht.« Er zögerte. »Zumal ich dazu Hilfe brauche.«

»Was haben sie denn vor?« Die Frau des Professors gab sich interessiert.

»Darf ich ihnen meinen Plan erklären?« Peters war noch zurückhaltend.

* * *

Jasmin war empört. »Wieso willst du dich schon wieder umziehen?«

Tara lächelte nur. »Du meinst, wieso muss du mir schon wieder dabei helfen?«

Jasmin gab sich kurz etwas trotzig.

»Bitte Jasmin.« Tara flehte ihre Schwester an.

»Naja es wird ja bezahlt.« Sie bekam von ihrem Vater extra Taschengeld dafür, dass sie sich um ihre Schwester kümmerte. In der Woche war wenig zu tun, aber die Wochenenden konnten richtig anstrengend werden. »Und was willst du jetzt anziehen?« Das Nachthemd konnte es noch nicht sein, denn das war fest mit dem Bett verbunden. Im Prinzip war es ein weiteres doppelt gearbeitet Laken, welches aber ganz um die Matratze geschlossen war.

»Den leichten Trainingsanzug.« Tara war ein wenig verlegen, denn normalerweise mutete sie ihrer Schwester nicht zu, ihr gleich viermal an einem Nachmittag beim Umziehen zu helfen.

»Na meinetwegen.« Jasmin ging zum Schrankwand und öffnete gezielt eine Tür. In der gesamten Wand gab es nur wenige Kleidungsstücke, die man als normal bezeichnen konnte. Entweder waren die Ärmel am Körper angenäht, oder sie bildeten nur einen einzelnen Ärmel auf dem Rücken.

Genauso war es mit den Röcken und Hosen, die dort aufbewahrt wurden. Die Röcke waren entweder selbst sehr eng oder verfügten über einen zweiten sehr engen Unterrock. Bei den Hosen waren meistens die Beine mindestens bis zu den Knien zusammen genäht. Bei einigen eher legeren Stücken bestand das Beinteil auch nur aus einer Röhre, die die Beine der Trägerin bis zu den Knöcheln aneinander presste.

Tara empfand so etwas wie eine Hassliebe gegenüber ihrer Gymnastikkleidung. Sie wusste, dass sie regelmäßig Gymnastik machen musste, Onkel Herbert hatte ihr eingeprägt, dass es für ihre Verfassung sehr wichtig war. Zum Glück hatte er aber auch diverse Vorschläge für die entsprechende Kleidung.

Entweder wurde ihre Arme auf dem Rücken in Form eines Monohandschuhs zusammengehalten oder die Arme waren in inneren Ärmeln längst am Körper fixiert. Dass sie sich selbst an verbotenen Körperstellen berühren konnte, war mit den Kleidern stets ausgeschlossen.

Anfangs hatte Tara sich gegen die Kleidung gewehrt, doch nur ein einziges Mal war sie in der Lage gewesen, ihre Arme aus den Restriktionen zu befreien. Der nächste Anzug dieser Art hatte die Schwächen ausgemerzt, und so langsam verwandelte sich das Gefühl von Gefangenschaft um in Geborgenheit. Tara wusste, dass sie sich dieser Kleidung anvertrauen konnte, weil sie diese vor sich selbst schützte.

Es ging sogar soweit, dass sie die Kleidung sogar in ihrer Freizeit trug, wenn sie weder für ihr Studium noch für die Kanzlei etwas zu tun hatte.

Auch bei Jasmin war diese Kleidung beliebt, denn sie war einfach anzulegen und bei weitem nicht so kompliziert wie die sonstige Kleidung.



Das Beinteil des »bequemen« Gymnastikanzugs hatte Tara sich schon selbst angezogen, und ihre Beine wurden in einem Monostrumpf zusammengehalten. Damit im Raum umher zu hopsen, bereitete ihr überhaupt keine Probleme. Im Gegenteil, wenn sie ruhig sein sollte, musste man sie mehr oder weniger fixieren.

Der Stuhl in ihrem Studierzimmer hatte entsprechende Riemen, mit denen sie sich meistens sogar selbst an den Stuhl fesselte. Natürlich hatte alle Schnallen auch die entsprechenden Ösen, um dort auch Schlösser anzubringen, doch diese Möglichkeit nutzte sie eher selten. Es reichte ihr meistens, wenn sie die Strenge der Lederriemen spürte.

Jasmin griff sich das passende Oberteil des Gymnastikanzugs. Eigentlich, so meinte sie einmal, wäre Gymnastikanzug der ganz falsche Name, denn als sie ihn früher einmal aus Neugier selbst ausprobierte, konnte sie sich darin kaum noch bewegen, und so elegant hopsen wie ihre Schwester konnte sie erst recht nicht. Schon beim zweiten Hopser war sie umgefallen. Und dabei hatte sie noch die Arme frei, um damit balancieren zu können.

Tara liebte das Oberteil, denn es hielt ihre Arme wie in einem Monohandschuh auf dem Rücken zusammen. Damit war sie noch sehr beweglich, da ihre Arme zwar eingeschränkt waren, sie sie aber doch relativ weit bewegen konnte. Tara wartete, bis Jasmin die Jacke geöffnet hatte, dann hopste sie heran, legte ihre Arme auf den Rücken und wartete, bis Jasmin ihr die Jacke über die Arme gezogen hatte. Der Trainingsanzug bestand aus Lycra, doch Tara wäre nicht Tara, wenn sie nicht auch hier auf zusätzliche Gummizüge an allen strategischen Punkten bestanden hätte. So kostete es Jasmin ein wenig Kraft, um die Jacke vorne mit dem Reißverschluss zu schließen.

Die Lesemaschine war gleich in dem Zimmer neben ihrem aufgebaut und so war es für sie einfach, einfach kurz über den Flur zu hopsen. Letzteres fiel ihr sehr leicht, solange sie dabei nicht beobachtet wurde,. Sie war zwar sehr geschickt, mit dem Monostrumpf zu hopsen und mit den Monoarm auf dem Rücken zu balancieren, doch sie war sich sicher, dass sie dabei einige sehr groteske Bewegungen machen musste und deswegen wollte sie sich unbeobachtet wissen. Selbst gegenüber Jasmin versuchte sie diese Bewegungen zu vermeiden und ihre Schwester war sensibel genug, um dies zu respektieren.

Immer wenn sie die Botschaft bekam, die Maschine sei bereit, wusste sie, dass sie unbeobachtet los hüpfen konnte, und auch wenn es nur wenige Meter waren, legte sie doch sehr viel Wert darauf, diesen Weg ganz allein zu gehen.

Im Leseraum hopste sie sofort zu dem Hocker und setzte sich darauf. Dann steckte sie ihre Füße in die dafür vorgesehene Halterung und löste dann den Mechanismus aus, der der Hocker etwas hoch hob. Sie wusste, dass sie dann in der Maschine gefangen war, doch genau so hatte sie es sich von dem damaligen Hausmeister des Konsulats gewünscht. Erst mit Hilfe ihrer Schwester konnte sie sich dann wieder befreien.

Letztere Vorrichtung war in der ursprünglichen Lesemaschine aus ihrer Heimat nicht vorgesehen, da dort die Prinzessinnen üblicherweise frei über ihre Beine verfügen konnten und eher durch die gesellschaftlichen Konventionen eingeschränkt waren.

Sie machte es sich auf dem Hocker gemütlich und ließ die Maschine die erste Seite des Dossiers aufschlagen.



»Oh, du hast es heute aber eilig.« Jasmin betrat das Lesezimmer, nachdem sie die Maschine das erste Mal umblättern gehört hatte. In ihrer Hand hielt sie das Perlennetz, welches Tara stets beim Lesen tragen wollte.

»Nun mach hin.« Tara klang sehr ungeduldig.

Es war Routine für Jasmin, ihrer Schwester das Perlennetz anzulegen und zudem auch noch mit kleinen Schlössern zu verriegeln. Sie selbst empfand es übertrieben, doch zumindest in der Anfangsphase wollte Tara sich davor schützen, jemand anderen um vorzeitige Befreiung zu bitten.

Mittlerweile hatte sie sich an ihren Alltag gewöhnt, und das Verschließen des Kopfgeschirrs war ein Teil, auf den sie nur ungern verzichten wollte, auch wenn er inzwischen unnötig geworden war.

Jasmin gefiel der Gedanke, dass ihre Schwester sowohl den Monohandschuh als auch die Perle trug. Dann konnte sie sie wenigstens nicht herumkommandieren wie sie es sonst tat. Und auch ein Reden mit den Händen war auf diese Weise ausgeschlossen.

Es gab einige Augengesten, mit denen Tara dann noch kommunizieren konnte, aber wenn Jasmin schlechte Laune hatte, dann gab sie schon öfters mal vor, ihre Schwester nicht zu verstehen, obwohl sie genau wusste, was sie wollte. Natürlich kannte sie den Grund für das alles, doch sie wusste auch, dass ihre Schwester sich nicht rächen würde, denn sie war stets auf Hilfe angewiesen.

* * *

»Das ist allerdings ein sehr gewagter Plan.« Frau Hegel holte tief Luft. »Stammt er von Patricia?«

Peter verneinte. »Nein, noch weiß sie nichts davon.«

Auch Frau Hegel hatte Zweifel. »Und sie glauben, dass sie damit Erfolg haben könnten?«

»Ich möchte das Risiko auf mich nehmen.« Er seufzte. »Wenn ich zusammen mit Patricia bei ihren Eltern auftauche, dann mache ich vermutlich alles kaputt.«

»Damit könnten sie allerdings Recht haben.« Frau Hegel nickte leicht.

»Aber als Begleitung von Frau Wiesl dürfen sie mich eigentlich nicht ablehnen.« Seiner Miene war zu entnehmen, dass er bei weitem nicht sicher war.

»Ich hoffe für sie, dass sie recht haben.« Frau Hegel versuchte ihn zu ermutigen, denn insgeheim hielt sie diesen Familienzwist ebenfalls für lächerlich.

»Ein Versuch ist es auf jeden Fall wert.« Er zögerte. »Aber Patricia müssen wir einweihen. Es würde ihr sonst das Herz brechen.«

Die Frau des Professors bestätigte es. »Und natürlich müssen auch Julia und vor allem Frau Wiesl einverstanden sein.«

»Können sie mir helfen, sie zu fragen?« Er blickte sie mit einem leichten Flehen im Blick an.

»Das mache ich doch gern«, bestätigte Frau Hegel. »Lassen sie mich bitte zunächst allein mit ihnen reden.«

* * *

Frauke war gerade dabei, neben Julias Bett das Feldbett aufzubauen, als Frau Hegel das Zimmer der Studentin betrat. »Ich freue mich sehr, dass sie mit der Anwesenheit von Frau Vogel einverstanden sind.«

Frauke zog das Laken zurecht, dann erhob sich. »Sie haben mir ja erklärt, worum es geht.«

»Wie finden sie Peter?« Frau Hegel versuchte eine vorsichtige Annäherung.

»Er macht einen sehr netten Eindruck. Ich hoffe, dass sie glücklich werden.« Frauke lächelte verlegen. »Aber ich habe ihn ja nur kurz kennenlernen dürfen.«

»Das ist das richtige Stichwort.« Frau Hegels Miene wurde ernst. »Er hat mir von seiner Idee erzählt. Er hat mich um Stillschweigen gebeten, doch er möchte, dass ich es mit ihnen bespreche.«

»Was möchte er denn?« Julia war zu ihrer Freundin dazu getreten und legte den Arm um ihre Schulter.

»Kennen sie die familiären Hintergründe?« Frau Hegel brachte die beiden Frauen auf den aktuellen Stand.

»Romeo und Julia in Grünwald?« Frauke lächelte. »Dich meinte ich natürlich nicht.«

»Sie sind nahe dran«, lächelte Frau Hegel.

»Und was haben wir damit zu tun?« Julia streichelte ihre Freundin über den Arm.

»Herr Behrens hat mir seine Idee berichtet, und da ich diesen Familienkrach ebenfalls lächerlich finde, möchte ich ihn unterstützen.« Frau Hegel machte eine kurze Pause. »Er hat mich beauftragt, sie zu fragen, ob sie bereit wären, dabei mit zuspielen? An sich achtet die Familie Vogel alle gesellschaftlichen Gepflogenheiten.«

Julia lächelte. »Worauf wollen sie hinaus?«

»Er möchte, dass sie vier zusammen Vogels und Behrens eine Komödie vorspielen.« Sie gab die Informationen stückchenweise weiter.

»Kein Problem, was sollen wir tun?« Julia war in einer Stimmung, in der sie alles zugesagt hätte.

»Jetzt kommt der kritische Punkt.« Frau Hegel holte tief Luft. »Julia ist bei Vogels gern gesehen… und natürlich darf auch Frau Wiesl sie begleiten. Sie hilft ihr ja schließlich bei den Engeln.«

»Soweit klingt es ja harmlos.« Julia zog ihre Stirn in Falten. »Warum zögern sie so?«

Frau Hegel holte wieder tief Luft. »Vogels werden nichts dagegen sagen dürfen, wenn Frau Wiesl ihren Freund mitbringt.«

»Aber ich habe keinen Freund.« Fraukes Stimme zitterte.

Julia hatte die Idee sofort begriffen. Sie schluckte. »Doch, Peter.« Sie nahm Fraukes Hand und streichelte sie. »Würdest du dieses Opfer bringen? Für Patricia?«

Frauke begann langsam zu begreifen, woraus dieser Vorschlag bestand. Es arbeitete heftig in ihr. Bis vor kurzem hatte sie noch die Aussicht auf das Gefängnis vor Augen, jetzt durfte sie bei einer offensichtlich sehr interessanten Intrige mitmachen. »Aber ich weiß doch gar nichts von ihm.«

»Das können wir sofort ändern.« Frau Hegel lächelte erleichtert. Sie ging zur Tür und bat Peter herein.

Patricias Freund betrat den Raum mit einem sehr zweifelnden Blick. »Ihr seid sicher nicht einverstanden.«

Zur Überraschung aller stand Frauke auf und ging zu ihm. »Darf ich erfahren, wer mein Freund ist?« Das Wort ‚Freund‘ hatte sie besonders betont.

»Ihr wollt mitspielen?« Peter war sichtlich erleichtert. »Vielen vielen Dank.«

»Weiß Patricia schon von der Idee?« Julia erkannte sofort, dass sie eine eventuell auftretende Eifersucht unterdrücken musste.

Peter verneinte. »Ich wollte ihr nicht unnötig Hoffnung machen.«

Julia dachte nach. »Wie wäre es, wenn sie es gar nicht weiß?«

»Das würde ihr das Herz brechen, und das möchte ich auf keinen Fall.« Peter seufzte. »Wir müssen sie einweihen, sonst wird sie es sicher falsch verstehen.«

»Und wie lange müssen wir das Theater spielen?« Den Hauch von Eifersucht versuchte sie zu unterdrücken.

»Ihr seid doch am Sonntag zum Kaffee eingeladen.« Peter erläuterte seinen Plan. »Das könnte vielleicht schon reichen.«

* * *

»Du bist noch da?« Patricia war sichtlich erfreut, als sie ihren Freund nach der Generalprobe immer noch bei Hegels antraf. Sie strahlte ihn an.

»Ich habe mich gut unterhalten.« Peter lächelte zurück. »Wie war die Probe?«

»Oh, das Konzert muss gut werden.« Doch dann runzelte sie die Stirn. »Was meinst du mit 'gut unterhalten'?«

»Er hat uns etwas vorgeschlagen.« Julia gab sich noch zurückhaltend.

»Was führst du im Schilde?« Patricia war über die Anwesenheit ihres Freundes immer noch sehr erfreut.

Peter holte tief Luft, dann berichtete er von seiner verrückten Idee. »Ihr müsst dann natürlich beide gut schauspielern, damit es glaubhaft ist.«

Patricia musste erst einmal schlucken, bevor sie antworten konnte. »So wie ich meinen Vater einschätze, könnte es vielleicht sogar funktionieren.« Doch ihr Blick zeigte noch erhebliche Zweifel.

»Frauke, du musst bis dahin deinen Text lernen.« Julia strahlte auf einmal Begeisterung aus. Von ihr war die Idee, dass Frauke von Peter zu schwärmen hatte. Er hätte so eine tolle Zukunft vor sich, dass sie sehr froh wäre, dass er sich für sie entschieden hätte. Pat würde sich dann etwas eifersüchtig geben, und traurig, weil diese Gelegenheit sozusagen vorbei wäre.

»Und ihr meint, dass würde etwas ändern?« Patricia hatte noch die größten Zweifel an dem Plan.

»Schlechter als jetzt kann die Lage eigentlich nicht werden.« Peter zeigte, dass er über die Zweifel seine Freundin nachgedacht hatte.

»Jetzt müsste ich aber endlich ins Bad und das Ding loswerden.« Patricia sucht den Blick von Frau Hegel. »Kommen sie mit?«

Peter sah verblüfft zu, wie seine Freundin zusammen mit der Frau des Professors nach oben verschwand. Erst als er die Tür zuklappen hörte, fand er wieder Worte. »Welches Ding will sie loswerden?«

»Jetzt tu nicht so, als ob du nicht wusstest, dass Pat mit einem Dildo unterwegs war.« Frauke lachte.

Peter wurde etwas rot. Er zwang sich ebenfalls ein Lächeln ins Gesicht. »Aber danke, dass du es mir gesagt hast. Jetzt wird mir einiges klarer.«

Frauke griff in ihre Tasche und holte zwei kleine Kästchen heraus. Sie waren ein wenig größer als eine Streichholzschachtel, und ihr Gewicht ließ vermuten, dass sie Batterien enthielten. »Damit kannst du dich schon einmal vertraut machen.«

Peter nahm beide Kästchen in die Hand und betrachtete sie sich. Beide hatte vier Knöpfe, die mit 'An', 'Aus', 'Plus' und 'Minus' beschriftet waren. Er begann, auf den Knöpfen herum zu spielen.

Auf einmal meldete sich Julia zu Wort. »Hey, das war meine…« Sie blickte zu Frauke. »Sagst du ihm das bitte?«

Doch Frauke ignorierte den Einwand ihrer Freundin. »Mache es langsam, damit sie warm werden können.«

Erst jetzt begann Peter zu begreifen, was er offensichtlich in der Hand hatte. Auf beiden Kästen drückte er auf 'Aus'.

»Schade eigentlich.« Julia grinste. »Ich war gerade dabei, mich daran zu gewöhnen.«

»Und wofür ist der zweite Kasten?«, fragte Peter, obwohl er die Antwort eigentlich schon kannte.

»Der ist für Pats Vibrator.« Juilias Stimme war etwas leiser. »Frau Hegel versorgt sie gerade damit.«

Peters Gesicht wurde rot.

»Keine Sorge, so eine große Reichweite haben sie nicht.« Julia konnte seine Sorgen entkräften.

»Und warum Frau Hegel?« Peter war immer noch dabei, die sich ihm bietende neue Welt zu entdecken.

»Sie verwaltet unsere Schlüssel.« Julia klang in diesem Moment sehr stolz.

»Schlüssel wofür?« Peter gab sich naiv, doch seine Gesichtsfarbe entlarvte ihn. »Müsst ihr auch…?«

»Und heute ist der Belohnungsabend.« Frauke zeigte, dass sie sich ebenfalls sehr auf das Kommende freute.

* * *

Drei Mal hatte Tara das Dossier jetzt schon gelesen – normalerweise reichte dies, um die Sachverhalte in der nächsten Prüfung abrufbar zu haben. Doch diese Julia Sommer machte ihr Sorgen. Sie wurde nachträglich angemeldet, so dass sie nicht auf der Liste auftauchte.

Es ärgerte Tara ein wenig. Bei allen anderen Mädchen hatten die Detektive genug Material zusammengetragen, um sie erpressbar zu machen. Tara hatte da genügend Erfahrung. Mit ihr legte man sich besser nicht an.

Nervös wartete sie auf ihre Schwester, damit diese sie wieder von der Lesemaschine befreien konnte. Doch Jasmin schien sich Zeit zu lassen.



Jasmin saß in ihrem Zimmer und blickte amüsiert auf den kleinen Monitor, auf dem sie sah, wie ihre Schwester zunehmend nervöser wurde. Es war klar, dass sie ihre Lektüre schon lange beendet hatte. Schließlich gab sich Jasmin einen Ruck und sie begab sich ins Lesezimmer.

Sie löste die Verriegelung der Maschine, machte aber keine Anstalten, ihre Schwester von dem Perlennetz zu befreien. Sie wartete ab, bis Tara sich von dem Hocker befreit hatte, dann ging sie zur Tür und hielt ihrer Schwester die Türen auf.

Erst in ihrem Zimmer öffnete Jasmin die Kleidung ihrer Schwester und half ihr, sich diese auszuziehen. Das Bett hatte sie schon aufgeschlagen und den Reißverschluss in dem doppelten Laken aufgezogen.

Natürlich hatte Onkel Herbert diese Art der Übernachtung vorgeschlagen, und auch deswegen gab es noch gar keinen Begriff dafür. Im Prinzip bestand Taras Nachtkleidung aus einer Art ungepolstertem Mumienschlafsack mit im Inneren seitlich festgenähten Ärmeln. Doch dieser Schlafsack war fest in das Laken integriert und wurde quasi auf die Matratze aufgezogen. Natürlich gab es für Tara auch ein Engelsnachthemd, doch dieses war ihr nicht streng genug.

Nachdem Tara sich ausgezogen hatte, befreite Jasmin sich noch von Keuschheitsgürtel und Keuschheits-BH. Manchmal ließ sie sich in der Dusche festbinden, doch heute verzichtete sie darauf, denn sie wollte diesmal schnell ins Bett, um dann von einem Leben in Padogenien zu träumen. Nach einer schnellen Runde im Bad stand sie vor ihrem Bett und überprüfte den Reißverschluss ihres Nachthemd-Lakens, der es schaffte, zwei Lagen Stoff in ein sehr sicheres Gefängnis zu verwandeln.

Manchmal zierte sie sich, doch heute schlüpfte sie höchst motiviert in ihr Nachtgefängnis. Trotzdem wartete sie, bis ihre Schwester neben ihr stand, bevor sie ihre Arme in die innen angebrachten Ärmel steckte. Jasmin hatte sie in der Vergangenheit mehrfach beim Schummeln erwischt, deswegen hatten sich die Schwestern letztendlich auf diese Prozedur geeinigt.

Jasmin fasste mit an, und gleich darauf konnte sie den langen Reißverschluss schließen, der Tara für die Nacht fest auf dem Bett fixierte. »Hast du wieder zugenommen?« Manchmal stellte sie diese Frage, obwohl sie wusste, dass das Laken an sich sehr eng gearbeitet war und es nicht einfach war, den Reißverschluss zu schließen.

Tara überhörte diesen Vorwurf stets. Sie verdrehte lediglich die Augen.

Zum Schluss legte Jasmin noch die Bettdecke über Tara. Sie keuchte dabei, denn es war eine sehr schwere Bettdecke. Eine Spezialdecke, die ebenfalls von Onkel Herbert empfohlen wurde. Sie spannte die Decke über Taras Körper und fixierte sie wie vorgesehen an drei Seiten. Als letztes wünschte sie ihrer Schwester eine »ruhige« Nacht, dann machte sie das Licht aus und klopfte leise an die Tür, damit Berta, die draußen wartete, ihr öffnete.

Bevor sie das Zimmer verließ, warf sie noch einmal einen kontrollierenden Blick auf die Kamera, mit der das Personal der Konsulatswache Tara im Blick hatte. Es war eine Sache der Verschwiegenheit, aber die Nachtwache, die im Konsulat den Telefondienst machte, kümmerte sich auch um den Monitor, der Tara in ihrem Zimmer überwachte. Es war sogar ein Nachtsichtgerät, mit dem der Schlaf der Konsulatstochter einfach mit überwacht werden konnte. Auch dies war eine Empfehlung von Onkel Herbert gewesen.

* * *

Als er das Zimmer von Julia betrat, war Peter sehr irritiert. Julia und Patricia saßen am Tisch und schienen auf ihn zu warten, denn sie standen sofort auf, als er erschien.

Hinter ihm betrat auch noch Frauke das Zimmer, und mit einem Blick auf ihn zog sie sich ihr Dienstbotenkleid aus. »Du kannst es dir auch bequem machen.«

Erst jetzt realisierte Peter, dass jetzt alle drei Mädchen nur noch ihre stählerne Unterwäsche trugen. Doch noch mehr war er über Frau Hegel verwundert, die in der Sitzecke in einem Sessel saß und ein Buch zu lesen schien.

Von sich aus hätte die Frau des Professors die Mädchen lieber allein gelassen, doch die Mutter von Patricia hatte sie um einen unauffällige Aufsicht gebeten. Außerdem war es ihr so möglich, das Geschehen notfalls weiter in die richtige Richtung zu bewegen.

»Dann können wir ja anfangen.« Patricias Augen leuchteten, doch ihre Stimme zeigte, dass sie sehr nervös war.

* * *

»Sie werden tief schlafen.« Frau Hegel lächelte geheimnisvoll, als sie die Tür hinter Frauke und Peter schloss. »Und sie möchten wirklich nicht bei uns übernachten?«

»Nein, danke.« Peter winkte erneut ab. »Ich möchte daheim sein.«

»Es wäre aber wichtig, dass sie morgen schon vor dem Wecken der Mädchen bei uns sind.« Sie schlug eine Uhrzeit vor. »Und bitte nicht frühstücken.«

»So früh am Samstag morgen?« Peter war zunächst wenig begeistert.

»Naja, sie möchten doch bestimmt zusammen frühstücken.« Frau Hegel hatte das Wochenende offenbar schon durchgeplant.

»Und beim Wecken der beiden Mädchen möchtest du doch bestimmt auch dabei sein.« Frauke hatte sich langsam an den Kontakt zu Peter gewöhnt.

»Nach der Prozedur werden sie bestimmt wie Steine schlafen.« Frau Hegel lächelte.

Peter war noch sehr fasziniert davon, wie seine Patricia auf den Vibrator reagiert hatte. »Wie oft ist sie wohl gekommen?«

»Ich habe nicht mitgezählt«, grinste Frauke

»Es steht unentschieden vier zu vier.« Frau Hegel lächelte geheimnisvoll.

»Sie werden wie ein Stein schlafen«, wiederholte Frauke.

»Ist das nicht eher Folter?« Peter runzelte die Stirn.

»Natürlich.« Frauke gab sich nachdenklich. »Aber es ist eine sehr süße Folter. Und natürlich auch für uns, die wir nicht dürfen.«

»Ja«, seufzte Peter. »Damit könntest du Recht haben.«


285. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 9 - Veränderungen - Teil Fünf von Elf

geschrieben von Dark Marvin am 07.09.20 22:33

Frage mich warum sich Tara über Julia Sorgen macht. Konkurrieren sie etwa um den selben Mann oder die gleiche Position?

Und ich bin gespannt, ob der Plan aufgeht den Familienzwist beizulegen gelingen wird.
Wieder eine gelungene Fortsetzung, die Lust auf mehr macht.
286. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 9 - Veränderungen - Teil Fünf von Elf

geschrieben von N0V0 am 08.09.20 16:34

Ich finde deine Geschichten immer noch sehr toll und spannend geschrieben.

Und ich freue mich auf jeden neuen Teil, egal welcher deiner Geschichten.
287. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 9 - Veränderungen - Teil Fünf von Elf

geschrieben von Doriel62 am 13.10.20 08:42

Hallo.

Ein ganz dickes Lob von mir!
Selten solch eine tolle Geschichte gelesen.
Vielen Dank für diese super Story

Viele Grüße
Doriel
288. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 9 - Veränderungen - Teil Fünf von Elf

geschrieben von Keuschli_69 am 05.12.20 07:08

So schade, dass es nicht weitergeht. Ich liebe diese Geschichte!!!
289. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 9 - Veränderungen - Teil Fünf von Elf

geschrieben von fiasko am 05.12.20 11:28

Zitat
So schade, dass es nicht weitergeht. Ich liebe diese Geschichte!!!


Das kann man so nicht unbedingt behaupten.

Hier werden immer wieder größere Kapitel geschrieben und dann in einzelnen Sequenzen veröffentlicht.

Jetzt ist wieder die Zeit, zu der weit ab der Öffentlichkeit (😁 ein neues Kapitel entsteht....


So lehrte es mich zumindest die Vergangenheit hier!
290. RE: Der Mantel der Studentin - Ein Lebenszeichen...

geschrieben von gag_coll am 07.02.21 06:58

Hallo,

ich war mit dem nächsten Kapitel (also Kapitel 11) etwas blockiert, weil mir konkrete Handlung gefehlt hat. Mittlerweile haben sich einige Ideen angesammelt, und ich hoffe, dass ich bald wieder an der Studentin weiter schreiben kann.

In der Zwischenzeit würde ich gern einmal eine Frage stellen: Warum, glaubt ihr, lebt Tara so wie sie lebt?

Viele Grüße
Karl aka gag_coll
291. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 9 - Veränderungen - Teil Fünf von Elf

geschrieben von Keuschli_69 am 07.02.21 09:22

Juhuuu. Es geht weiter!
Ich glaube für die meisten von uns hier ist doch der Wunsch nach Restriktionen gut nachvollziehbar, oder?
Liebe Grüße
292. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 9 - Veränderungen - Teil Fünf von Elf

geschrieben von MartinII am 07.02.21 14:33

Hallo Karl, schön, dass es bald weitergehen soll!
293. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 9 - Veränderungen - Teil Fünf von Elf

geschrieben von ronn2321 am 08.08.22 23:40

Die Geschichte gut .
Bin gespannt wann es weitergeht?
294. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 9 - Veränderungen - Teil Fünf von Elf

geschrieben von fiasko am 09.08.22 09:24

schade!
Hier ist es schon erschreckend lange ruhig....

Auch auf der Homepage ist die neueste Änderung im April 2021 gewesen.

Hoffentlich ist da nichts grundlegendes passiert!
295. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 9 - Veränderungen - Teil Fünf von Elf

geschrieben von MartinII am 18.01.23 11:16

Ach Karl, ob wir wohl noch eine Fortsetzung erleben dürfen? Mir gefällt ja immer an Deinen Stories am meisten, dass die Protagonistinnen selbst mit Begeisterung ihre Einschränkungen ertragen.
296. RE: Der Mantel der Studentin - Kapitel 9 - Veränderungen - Teil Fünf von Elf

geschrieben von ronn2321 am 04.04.24 17:17

Schade das keine Vortsetzung gibt


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